SCHWEIGEN und REDEN Studien zum Zusammenhang von … · Scholastik und der Moderne bereits für...

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LOGOS IM SCHWEIGEN und REDEN Studien zum Zusammenhang von Sprache und Bildung Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Philosophie im Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen, Campus Duisburg von Gaja von SYCHOWSKI aus Wesel Referent: Prof. Dr. Karl HELMER Korreferent: HD Dr. phil. habil. Andreas DÖRPINGHAUS Tag der mündlichen Prüfung: 23.3.2005

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LOGOS IM

SCHWEIGEN und REDEN

Studien zum Zusammenhang von

Sprache und Bildung

Dissertation

zur Erlangung des Grades

eines Doktors

der

Philosophie

im

Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der

Universität Duisburg-Essen, Campus Duisburg von

Gaja von SYCHOWSKI

aus Wesel

Referent: Prof. Dr. Karl HELMER

Korreferent: HD Dr. phil. habil. Andreas DÖRPINGHAUS

Tag der mündlichen Prüfung: 23.3.2005

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eis, quos diligit anima mea

secundum CANTICUM CANTICORUM SALOMONIS

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Vorwort Vor allen danke ich dem Betreuer dieser Arbeit, Prof. Dr. Karl HELMER, für seine sorgfältige, beratende, kritische, väterliche Begleitung. HD Dr. phil. habil. Andreas DÖRPINGHAUS übernahm das Korreferat. Matthias KEMPER und Barbara PLATZER leisteten Korrekturarbeiten. Ein Promotionsstipendium der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg ermöglichte das Entstehen der Dissertation. Allen herzlichen Dank für ihre Hilfe und Unterstützung. Schließlich sei meiner Familie gedankt – insbesondere meiner Mutter, Almut von SYCHOWSKI, aber auch meiner Patentante Dietlind KOCH, meinem Onkel Henning KOCH und meiner Tante Erika KOCH. Duisburg im August 2005 Gaja von Sychowski

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Inhaltsverzeichnis Abbildungen 7 Einleitung 8 PROBLEMSTELLUNG UND FORSCHUNGSSTAND 10 TEXTAUSWAHL, AUFBAU, ARGUMENTATION 14 METHODEN 24 ZIELSETZUNG 28 1. LOGOS IM SCHWEIGEN 29 1.1 „die Dinge kennen zu lernen ohne Hülfe der

Worte“: SCHWEIGEN BEI PLATON 31 1.1.1 DER PLATONische DIALOG KRATYLOS 32 1.1.1.1 Abbild- versus Gebrauchstheorie 38 1.1.1.2 Sowohl Abbild- als auch Gebrauchstheorie 43 1.1.1.3 Weder Abbild- noch Gebrauchstheorie 47 1.1.2 ZWISCHEN LOGOS UND IDEE 51 1.1.3 LOGOS UND IDEE IM SCHWEIGEN 56 1.2 „esto tranquillus, et intelliges – sei still, und du

wirst verstehen“: SCHWEIGEN BEI AUGUSTINUS 62

1.2.1 ONTOLOGISCHE ERKENNTNISTHEORIE 63 1.2.2 DE MAGISTRO – DER AUGUSTINische DIALOG ÜBER DEN LEHRER 72 1.2.2.1 Semiotik und Erkenntnis 76 1.2.2.2 Semiotische Abbildung im Gebrauch 78 1.2.2.3 Semiotische Defizienz 80 1.2.3 LOGISCHE ERKENNTNIS IM SCHWEIGEN 84 LOGOS IM SCHWEIGEN – Zusammenfassung 88

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2. LOGOS IM REDEN 92 2.1 „Bei diesen ersten Begriffen bleibt etwas, bis das

Unteilbare und das Allgemeine steht“: REDEN BEI

ARISTOTELES 94 2.1.1 DIE ARISTOTELische SCHRIFT PERI HERMENEIAS 94 2.1.1.1 Abbildung und Gebrauch 97 2.1.2 LOGISCHE UND ONTOLOGISCHE WAHRHEIT 102 2.1.2.1 Wahrheit und Zeit 105 2.1.2.2 Aussagenlogik 108 2.1.3 UNIVERSALIEN 122 2.2 „verbum significat conceptum intellectus – Das

Wort bezeichnet die Erkenntnis des Geistes“: REDEN BEI THOMAS VON AQUIN 129

2.2.1 ONTOLOGISCHE UND LOGISCHE KAUSALITÄT 131 2.2.2 DE MAGISTRO – DIE THOMASischen ARTIKEL ÜBER DEN LEHRER 137 2.2.2.1 Der Lehrer 138 2.2.2.2 Exkurs: Der Mensch als Autodidakt 146 2.2.2.3 Göttlicher versus menschlicher Lehrer 149 2.2.2.4 Engel als Lehrer 151 2.2.2.5 Die Tätigkeit des Lehrens 158 2.2.3 LEHREN ALS UNIVERSELLES REDEN 160 LOGOS IM REDEN – Zusammenfassung 164

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3. SCHWEIGEN UND REDEN BEI LUDWIG

WITTGENSTEIN 167 3.1 „Tatsachen lassen sich nicht benennen“:

SCHWEIGEN BEI WITTGENSTEIN 169 3.1.1 DIE ONTOLOGISCHEN VORAUSSETZUNGEN VON WITTGENSTEINs

TRACTATUS LOGICO-PHILOSOPHICUS 170 3.1.2 DER LOGIK-BEGRIFF DES TRAKTATS 175 3.1.2.1 Die Logik des Elementarsatzes 176 3.1.2.2 Die Logik von Wahrem und Falschem 179 3.1.2.3 Die Logik der allgemeinen Satzform 184 3.1.3 DIE LOGIK ZU SCHWEIGEN 188 3.2 „Und der Begriff des Wissens ist mit dem des

Sprachspiels verkuppelt“: REDEN BEI

WITTGENSTEIN 198 3.2.1 SPRACHGEBRAUCH UNABHÄNGIG VON ONTOLOGISCHEN

VORAUSSETZUNGEN IN WITTGENSTEINs PHILOSOPHISCHEN UNTERSUCHUNGEN 199

3.2.2 DIE LOGIKEN DER PHILOSOPHISCHEN UNTERSUCHUNGEN 206 3.2.2.1 Die Logik der Sprachspiele 207 3.2.2.2 Die Logik des Wahrheits- und Falschheitsgebrauchs 210 3.2.2.3 Die Logik des Regelfolgens 211 3.3.3 DIE LOGIK ZU REDEN 214 SCHWEIGEN UND REDEN BEI LUDWIG WITTGENSTEIN – Zusammenfassung 224 Schluss 226 Abbildungsverzeichnis 238 Literaturverzeichnis 239 QUELLEN 239 FORSCHUNG 244

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Abbildungen PLATON 29

Aurelius AUGUSTINUS 60

ARISTOTELES 92

THOMAS VON AQUIN 127

Ludwig WITTGENSTEIN, ca. 1919 167

Ludwig WITTGENSTEIN, ca. 1951 195

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Einleitung

Bildung entfaltet sich in pädagogischen Vollzügen; Lehren,

Unterrichten und Vermitteln als pädagogische Vollzüge sind

unweigerlich an Sprache gebunden. Sprache vollzieht sich im Reden.

Reden fängt an und endet. Wo Reden endet, beginnt das Schweigen.

Endet mit der Rede der pädagogische Vollzug, oder ist das Schweigen

innerhalb des pädagogischen Vollzuges Korrelat der Rede und bildet

mit ihm eine Vermittlungseinheit? Die Rede wird gehört. Wer hört,

schweigt. Wer nicht schweigen kann, kann nicht hören, dem kann

nichts vermittelt werden.1 Pädagogische Reflexion über Unterricht als

Vermittlung muss einmal reflektieren auf das Vermitteln als Ansatz,

weiter dann aber über das Fortsetzen des vermittelten Ansatzes in der

Aufnahme durch das Hören. Hören, Aufnehmen, Verarbeiten,

Nachdenken vollziehen sich im Schweigen.

Pädagogisches Vermitteln in allen seinen Ausformungen

vollzieht sich in Zeit. Die Zeit hat eine Geschichte.2 Es gibt eine

Geschichte der Ausformungen pädagogischen Vermittelns, eine

Geschichte des Unterrichts, der Unterweisung, der Vermittlung, der

Ausbildung. Insofern diese pädagogischen Vollzüge sich in Rede

niederschlagen, gibt es eine Geschichte der pädagogischen Rede.

Insofern Rede komplementär und korrelativ auf Schweigen bezogen

ist, ist die Geschichte der pädagogischen Rede auch Geschichte

pädagogischen Schweigens. Das pädagogische Schweigen als das

Schweigen desjenigen, der sich bewusst der Rede enthält, um dem

Nachdenken und Verarbeiten Raum zu geben, ist nur eine der 1 Darauf verweist bereits BENEDICT VON NURSIA in seinem grundlegenden Regelwerk:

„Nam loqui et docere magistrum condecet, tacere et audire discipulum convenit. – Denn Reden und Lehren kommen dem Meister zu, Schweigen und Hören dem Jünger.“ (RB VI.6, S. 98f.)

2 Vgl. HEITGER 2004, S. 214f.

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Formen und Gelegenheiten, in denen das Schweigen erscheint. Das

pädagogische Schweigen und seine Geschichte ist somit ein Glied und

eine Art des Schweigens überhaupt, das seine Geschichte hat. Die

Geschichte des Schweigens hat ihre Grundlagen und Gründe. Diese

gilt es in der vorliegenden Arbeit herauszuarbeiten, um das Schweigen

als eine Gattung des Denkvollzuges zu bestimmen – Denken und

Sprache sind wohlgemerkt eins –3 und das pädagogische Schweigen als

Art in dieser Gattung zu verorten. Es geht also um die Geschichte

einer Art. Diese Artengeschichte entfaltet sich als

Evolutionsgeschichte des sich Bewusstwerdens eines immer schon

Gewesenen. Schweigen war schon immer da. Im Anfang war vor

jedem Wort das Schweigen,4 denn wo kein Schweigen ist, da lässt kein

3 Sprache und Denken als Einheit zu begreifen geht auf den antiken Logos-Begriff

zurück. Im Wörterbuch der antiken Philosophie wird Logos als die

„[...]vernünftige, sinnerfüllte[...] gesprochene, geschriebene oder nur gedachte Rede“ aufgefasst, als „[...]das Sprechen, aber auch dasjenige, wovon die Rede ist, das in Worten Enthaltene – Gerede, Gerücht – und auch die Rede oder Vortrag als Gegenstand der Beredsamkeit[...], ‚Gespräch‘, ‚Kernspruch‘, ‚Sprichwort‘, ‚Erzählung‘, ‚Fabel‘, ‚Geschichte‘, [...] ‚Darstellung‘ [...], [Logos] kann aber auch für die Überlegung, die Ansicht, die Meinung, oder die Vernunft schlechthin stehen“ (Insges.: OPSOMER 2002, S. 255; Ausl. u. Zus. v. G.v.S.).

Dabei ist unter Rückgriff auf die Vorsokratiker, insbesondere auf Heraklit, zu betonen,

dass die Zweiheit aus Sprache und Denken durch ein drittes Moment bestimmt ist,

nämlich die Objektwelt, auf die beide sich beziehen. (Vgl. ebd.) Die Vorstellung, dass

Sprache und Denken zusammenfallen, bedeutet nun zweierlei: Erstens ereignet sich

Nachdenken über die Welt sprachlich. Das bedeutet, Denken ist sprachlich strukturiert

und organisiert. Der grammatikalische, syntaktische und semantische Aufbau von

Sprache bestimmt das Denken. Im WITTGENSTEINschen Sinne bestimmen so die

Grenzen der Sprache die Grenzen der Welt. (Vgl. TLP 5.6, S. 67) Im Umkehrschluss

sind, zweitens, an der Sprache die in ihr verfassten Gedanken zur Welt ablesbar. Wird

also Sprache untersucht, so ist dies zugleich eine Untersuchung von Gedanken über die

Gegenstände der Welt. 4 Erinnert sei an den Prolog des Evangeliums nach Johannes:

„Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott.

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Wort sich hören. Und wo der Worte kein Ende ist, da ist kein

Verstehen und kein Nachdenken nach dem Denken. Wo kein

Schweigen ist, da ist kein Raum für das Wort. Schweigt der Redner

niemals, gibt er der Antwort keinen Raum. Wo die Antworten auf den

Grund gehen, da ist wiederum Schweigen, denn der Grund ist der

Anfang, und im Anfang ist Schweigen. Das war schon immer so und

steht über aller Geschichte. Allein die Rede, in der man sich dessen

bewusst wird, hat ihre Geschichte wie auch die Redeteile, die sich an

pädagogischen Problemlagen und pädagogischen Aufgabenstellungen

ausformen, in die Geschichte der Pädagogik eingehen, insofern diese

die Geschichte pädagogischer Problemlagen und Aufgabenstellungen

ist und die Geschichte ihrer pädagogischen Beantwortung und

Lösung.

Problemstellung und Forschungsstand

Gerade Beantwortungen und Lösungen erweisen sich in der

Gegenwartspädagogik als problematisch, haben sie doch Wahrheits-

oder zumindest Geltungsanspruch. Das erscheint angesichts von

Pluralismus unangemessen.5 In einer Welt, die sich selbst als plural

wahrnimmt, kann sich auch die pädagogische Disziplin nicht länger

singulär begreifen, hat sich vielmehr als „Pädagogiken“6 zu reflektieren

und wird ihre Ergebnisse nicht einfach so hinnehmen können.

Pädagogisches Reden, das den Status des Kontingenten einnimmt,

Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.“ (Joh. 1,1-3)

Selbst, wenn nach dieser Schöpfungsgeschichte das Wort Gottes – seine Rede also – Welt

verursacht, bedarf es eines Raumes, in dem diese Rede erklingt, eines Ortes, an dem sie

gehört wird. Insofern ist (topo-)logisch betrachtet causa des Redens das Schweigen. (Vgl.

auch Weish. 18,14 und 15) Ohne das Schweigen ist die Rede nicht wirkmächtig. 5 Vgl. SIEBERT 1992, S. 42 sowie WELSCH 1997, S. 128f. 6 PASCHEN 1997.

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„mehrdeutig, ambivalent, widersprüchlich, [...] zufällig“7 ist, wird

folglich auf seine Erkenntnis- und Geltungsrelevanz hin zu

überprüfen sein.8 Diese Arbeit erhebt allerdings Einspruch gegen die

pluralistische Inanspruchnahme des Vorbehalts gegenüber Wahrheit.9

Vielmehr hält sie Standpunkte der griechischen Antike, der Patristik,

Scholastik und der Moderne bereits für wahrheitskritisch. Wer als

pädagogisch Hörender schweigt, schweigt aus einer relativierenden

Haltung gegenüber seiner eigenen Fähigkeit, Wahres zu erkennen; wer

hingegen annimmt, seine Rede sei von pädagogischer Relevanz,

nimmt dies unter bestimmten Bedingungen an. Dieser Annahme

gemäß werden Logik, Ontologie, ja sogar Metaphysik bezogen auf

Wahrheits- oder Geltungskriterien zu untersuchen sein. Insofern die

Arbeit die Grenzen, aber auch die Möglichkeiten von Sprache vor

dem Hintergrund der pädagogischen Pluralismus-Debatte in den Blick

nimmt, verheißt sie, diesbezüglich Auskunft zu geben.

Eine Antwort auf Pluralität sind Narrationen, Erzählungen,

Geschichten als ihr angemessene Erscheinungsformen von

Erkanntem, welches es weiterzugeben gilt.10 Auch das ist nicht neu.

Vielmehr sind der Ursprung von Geschichte – Singular – Geschichten

– Plural –, worauf HELMER deutlich hinweist.11 Historisch

argumentiert ist eine transzendentalkritische Pädagogik, die den

äußeren Bezugsrahmen dieser Arbeit darstellt, in der Nachfolge

KANTs zwar geschichtsfeindlich,12 dennoch macht der

7 SIEBERT 1992, S. 41f., Ausl. v. G.v.S. 8 Vgl. LYOTARD 1994, S. 34f. 9 Vgl. LYOTARD 1994, S. 30ff. sowie USHER/EDWARDS 1994, S. 33ff.; WELSCH 1994, S.

13ff.; WELSCH 1997, S. 139ff. 10 Vgl. LYOTARD 1994, S. 63ff. und S. 96ff. 11 Vgl. HELMER 1994, S. 85 und S. 90. 12 Vgl. Facultäten A I.2.3, S. 65 sowie HELMER 1994, S. 85.

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Traditionsstifter selbst bereits auf die Bedeutsamkeit der

Wechselbezüge von philosophischen und geschichtlichen

Theorieformen aufmerksam.13 Das gilt für die aus der Philosophie

hervorgegangene Pädagogik14 gleichermaßen. Geht diese Pädagogik

unter dem Pluralitätsgedanken in Pädagogiken auf, „fällt Geschichte

[nachmodern] in jene vormoderne Auffassung zurück“15; das ist

Pluralismus unter historischer Perspektive der Wissenschaft.

Geschichten sind hier „Argument“, „ein Faktor eines sprachlichen

Plausibilisierungsvorganges zwischen Redner und Zuhörer“16.

Insofern mag sich ein plausibilisierender Prozess, der über FISCHER,17

RUHLOFF18 und HELMER19 in Gang kam, jüngst in einem Historischen

Wörterbuch der Pädagogik20 niederschlagen – Signa einer Geschichte

pädagogischen Redens. Unter der hiermit benannten Perspektive

wendet sich die Arbeit der Geschichte pädagogischer Ausformungen

von Vermittlung, Unterricht, Unterweisung, Ausbildung zu.

Pädagogische Vollzüge manifestieren sich sprachlich; pädagogische

Rede ist ihr äußeres Zeichen. Sie ist ein Glied der vorliegenden

pädagogischen Analysen.

Deren zweites Glied ist eine – noch ungeschriebene –

Geschichte des pädagogischen Schweigens. LUHMANN und FUCHS

machen auf die Bedeutung der genannten Antithese innerhalb einer

13 Vgl. Facultäten A I.1.1, S. 28 sowie HELMER 1994, S. 88 und HEITGER 2004, S. 214. 14 Vgl. HÜGLI 1999. 15 HELMER 1994, S. 100; Zus. v. G.v.S. Das entspricht der historischen Rückorientierung

einer Epoche nicht auf die ihr direkt vorausgegangene, sondern auf das „Vorvorher“

(HARTWICH 2002, S. 66). (Vgl. insges. HARTWICH 2002, S. 65ff.) 16 HELMER 1994, S. 100. 17 Vgl. FISCHER 1961b, S. 132f. 18 Vgl. RUHLOFF 1995, S. 109f. 19 Vgl. HELMER 1994, S. 99. 20 Vgl. BENNER/OELKERS 2004.

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Gesellschaftstheorie aufmerksam.21 Für die Pädagogik greift KOCH

Das Schweigen der Pythagoreer22 als bildungstheoretisch relevant auf. Der

eigentliche Anlass einer Geschichte pädagogischen Schweigens ist

allerdings das Kapitel „Glaube und Gnade wider weltliche Erkenntnis

und bildende Erleuchtung. Aurelius Augustinus.“ in HELMERs

Bildungswelten des Mittelalters23, welches das elfte Buch in AUGUSTINs De

magistro als Aufruf zu einer Bildung durch Schweigen erscheinen lässt.

Weitere Recherchen eröffnen eine pädagogische Tradition. Dies ist

ihre Darstellung.

Die Zusammenschau von Logik, Ontologie und

Erkenntnistheorie ist bereits in mehrfacher Hinsicht vorgezeichnet

worden. Explizit ist der dieser Arbeit zugrundeliegende

Bildungsbegriff als ein erkenntnistheoretisch24 logischer wie auch

ontologischer zu benennen. Bildung wird als Anleitung zur

Erkenntnissuche verstanden. Die Erkenntnissuche ist auf Wahrheit als

deren Ziel ausgerichtet. Sie ist sprachlicher Art, denn Sprache wird im

Sinne von Logos als Weise der Annäherung an Welt verstanden. Sich

der Welt anzunähern bedeutet, sie in ihrem Sein verstehen zu wollen.

Für ein angemessenes Weltverständnis ist Wahrheit Maß und

Richtschnur. Obwohl sich die Dreiheit aus Logik, Ontologie und

Erkenntnistheorie angesichts von Pluralität zu bewähren haben wird,

gilt sie als Grundmuster aller der Arbeit zugrunde gelegten Schriften.

21 Vgl. LUHMANN/FUCHS 1989. 22 Vgl. KOCH 2001, S. 81-94. 23 HELMER 1997, S. 29-42. 24 Der Begriff „erkenntnistheoretisch“ bezieht sich hier nicht auf die philosophische

Disziplin der Neuzeit, für welche die Begriffsfindung mit den dreißiger Jahren des 19.

Jahrhunderts festgeschrieben wird. (Vgl. DIEMER 1972, Sp. 683 sowie GETHMANN 1972,

Sp. 683ff.) Vielmehr soll er weit gefasst werden und jede Frage und Annäherung an Welt,

die auf Wissen über Welt zielt, bezeichnen.

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Textauswahl, Aufbau, Argumentation

Im ersten Teil dieser Arbeit wird Bildung als Anleitung zu einer

sprachlich geleiteten Erkenntnissuche entfaltet werden. Logos ist die

erkenntnissuchende Annäherungsweise an Welt. Erkenntnissuche ist

Wahrheitssuche. Hermeneutische Analysen sowohl des PLATONischen

Dialogs Kratylos als auch der Schrift De magistro von Aurelius

AUGUSTINUS sollen dies zeigen. Die Textauswahl unterliegt mehreren

Gesichtspunkten. Beide Schriften sind, erstens, als Dialoge verfasst,

genauer: Es handelt sich um Lehrgespräche, Gespräche der

Unterweisung, des Unterrichts. Gesprächsgegenstand ist, zweitens, im

Kratylos ebenso wie in De magistro, Sprache, so dass sich der

Zusammenhang von Bildung und Sprache als offenkundig erweist.

Da, drittens, mit dem genannten Dialog PLATONs die älteste

hellenistische Schrift vorliegt, der man das Attribut

sprachphilosophisch zuweisen kann,25 bildet sie den Ausgangspunkt

der Tradition, die nachzuweisen sich die vorliegende Arbeit anschickt.

Viertens ist der AUGUSTINische Dialog als ein Wiederaufgreifen des

von PLATON aufgeworfenen Problembestands zu lesen,26 also ein

Signum seiner Tradierung. Fünftens gereicht beiden Sprache nicht als

die erwartete Eröffnung von Welterkenntnis, denn Wahrheit als Ziel-

und Maßgabe erweist sich als logisch unerreichbar. Somit verweisen

PLATONs Kratylos und AUGUSTINs De magistro, sechstens, auf das

Korrelat der defizienten pädagogischen Rede, das pädagogische

Schweigen.

Trotz dieser Bezüge wird hinsichtlich der einzelnen

Standpunkte Verschiedenes zu zeigen sein. Für den PLATONischen

25 Vgl. BORSCHE 1995, Sp. 1438; GAUSS 1956, S. 191; KRAUS 1996, S. 19. 26 Vgl. BORSCHE 1995, Sp. 1438.

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Standpunkt wird die ontologische Verortung von Wahrheit im

Ideenhimmel als wesentlich dargestellt werden. In dieser Darstellung

wird die gleichewige, ideale Schau der Ideen, die für PLATON mit der

Erkenntnis von Wahrheit in eins fällt, jenseits des Lebens verortet.

Dem steht im Diesseits die Unfähigkeit des Menschen gegenüber,

Welt im Sinne von wahrer Welt zu erkennen oder gar zu lehren.

Analog zu dieser PLATON-Interpretation soll der Wahrheits-Begriff

von AUGUSTINUS als Bestandteil seiner Gottes-Ontologie verstanden

werden. Insofern AUGUSTINUS das Sein Gottes als absolute

Vollkommenheit begreift, wird mit ihm auch die göttliche Wahrheit

als etwas Vollkommenes darzustellen sein. Sie steht der Endlichkeit

und Unvollkommenheit des Menschen diesseitig unvereinbar

gegenüber und wird ihm erst in jenseitiger, ewiger Anbetung Gottes

möglich. Somit wird der PLATONischen Schau der Ideen die

AUGUSTINische Gottesschau als ihr christianisiertes Analogon

gegenübergestellt werden. Da der diesseitige Mensch in seiner

Endlichkeit und Unvollkommenheit nicht zu erkennen, geschweige

denn zu lehren vermag, erschließt sich ihm weder nach PLATON noch

nach AUGUSTINUS Welt als wahr.

Weiter wird gezeigt werden, dass die Suche nach Erkenntnis

sowie deren pädagogische Vermittlung – Bildung – sich in beiden

Dialogen logisch vollzieht, das ist in Auseinandersetzung mit Sprache.

PLATON wie auch AUGUSTINUS – der zweite als Nachfolger des

Erstgenannten – legen Gespräche sprachtheoretischen Inhalts vor.

Die Logos-Konzeption PLATONs wird sich als ebensolches Ideal

erweisen wie der Begriff der Idee selbst. Der Sprachauffassung des

Kratylos, insbesondere in der Frage nach Sprach-Bedeutung, wird

zunächst abbild- und gebrauchstheoretisch auf den Grund gegangen

werden, bevor ein drittes Analyse-Moment, die von PLATON ins Spiel

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gebrachte Flusslehre, seine Anwendung finden wird. Die Flusslehre

wird als Verbindung aus Abbild- und Gebrauchstheorie erörtert

werden. Insofern ein erster Gesetzgeber nach PLATON die

ursprüngliche Wortbedeutung setzt, bevor der Wortgebrauch zu

Varianten führt, ist zu vermuten, dass er – wie jeder Mensch – keine

Möglichkeit zu wahrer Erkenntnis hat. Da diese für eine korrekte

Abbildung eines Gegenstandes mittels eines Wortes notwendig wäre,

wird sich Sprache als defizient erweisen. Folglich wird die Annahme

von Nichtwissen, das der Sprache als ihr Anfang zugrunde liegt, als

PLATONischer Standpunkt herausgearbeitet werden. Dessen

Konsequenz wäre, dass auch jede Sprachtheorie im Nichtwissen

endet. Das wird ins Schweigen führen. Schweigen wird dann als ein

Negativum beschrieben, ein Habitus des Nichtwissenden sein, als ein

Positivum allerdings, der Begriff für einen idealen Logos. Als solcher

ist Schweigen darzustellen als die der Ideenschau entsprechende

sprachliche Haltung. Sie wird als ein wortloses, schweigendes

Gespräch der Seele mit sich selbst zu beschreiben sein, das für den

Schweigenden erkennende Teilhabe an Wahrheit bedeutet.

Als das sprachtheoretische Substrat AUGUSTINs wird summus

magister – der höchste Lehrer und Logos Christus herauszuarbeiten

sein. Er wird sich als ein Mittler zwischen vollkommenem Schöpfer

und unvollkommenem Geschöpf, zwischen Gott und Mensch

erweisen. Gott soll als ontologischer Ursprung gedeutet werden,

dessen Sein als Demiurg nicht nur die Welt, sondern auch deren

Wahrheit bewirkt. Nach dieser Deutung hat er beides, das zu

Erkennende und die Erkenntnis, inne. Die entsprechende

ontologische Deutung des Menschen als ein Geschöpf Gottes richtet

ihn in seinem Sein auf die Wahrheit der von Gott geschaffenen Welt

sowie auf das jede Wahrheit verbürgende Sein – Gott selbst – aus. Die

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Ausrichtung des Menschen auf Gott wird sich insofern als eine

sprachliche erweisen, als dass Schöpfung und Offenbarung der

Schöpfung sich als sprachliche Akte Gottes darstellen werden.

Menschliche Sprache wird als Abbild göttlicher Sprache zu sehen sein.

Die AUGUSTINUS-Interpretation wird die Sprache Gottes als

vollkommen, aber schweigend, die Sprache des Menschen als

unvollkommen, aber tönend, herausarbeiten. Da der Mensch nämlich

mittels seiner Rede nicht erkennen kann, liegt seine

Erkenntnismöglichkeit im pädagogischen Schweigen.

Schweigt er, so öffnet er sich einer schweigenden Belehrung

und somit Erleuchtung durch Gott. Schweigend erhält er Anteil an

der Wahrheit Gottes. Hier wird die durch AUGUSTINUS

hervorgehobene exponierte Stellung Christi als summus magister

hinsichtlich der Wahrheitsfrage besonders zu bedenken sein. Insofern

er – AUGUSTINisch gedacht – zugleich Gottes Sohn und Mensch ist,

wird er zugleich als Teilhaber göttlicher Wahrheit und als deren

verständlich vermittelnder Lehrer für den aus pädagogischen Gründen

schweigenden Menschen zu beschreiben sein. Der im Schweigen

schweigend Belehrte wird zwar insofern als ein Erleuchteter zu

begreifen sein, als dass seine Rede durch die schweigende Belehrung

Wahrheit enthält, diese Rede wird aber dennoch zu defizient bleiben,

um ihrerseits Ausdruck der empfangenen Wahrheit zu sein. Die Rede

des schweigend Belehrten enthält die göttliche Wahrheit schweigend.

Er wird als derjenige dargestellt werden, der andere Schüler Christi an

Erkenntnisse erinnert oder weiterführende Fragen aufwirft. Die

jenseitige gleichewig schweigende Gottesschau, zu begreifen als nicht-

tönendes Gespräch zwischen der Seele und dem göttlichen Logos im

Schweigen, verheißt – die AUGUSTINUS-Analyse abschließend –

Wahrheitserkenntnis.

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Der Bildungsbegriff der vorliegenden Arbeit, welcher Logik,

Ontologie und Erkenntnistheorie zusammenfasst, ist auch für den

zweiten Teil erkenntnisleitend. Hier werden die ARISTOTELische

Schrift Peri hermeneias und diejenigen Artikel des THOMAS VON AQUIN,

die unter dem Titel De magistro zusammengestellt sind, ebensolchen

hermeneutischen Analysen unterzogen werden, wie die Werke des

ersten Teils. Beide sind dem Logos und damit einer sprachlichen

Annäherung an Welt verhaftet, womit das erste Kriterium dieser

Textauswahl benannt ist. THOMAS widmet sich, zweitens, explizit

pädagogischen Fragen, nämlich den Möglichkeiten des Lehrers zu

lehren. Diese Fragen sind für ihn, drittens, an das Wahrheits-Problem

gebunden. Der THOMASische Ansatz ist, viertens, durch die

Auseinandersetzung mit Logos und Wahrheit der ARISTOTELischen

Betrachtungsweise verwandt, die ihr ohnehin – neben De magistro von

AUGUSTINUS – als Bezugsgröße dient.27 Allerdings erachten sie das

sprachliche Potenzial zur Welterkenntnis im Unterschied zu PLATON

und AUGUSTINUS durchaus als gegeben. Beide, ARISTOTELES mit Peri

hermeneias wie auch THOMAS mit De magistro, werden demnach,

sechstens, als Verfechter pädagogischen Redens vorgestellt werden, als

deren Grundlage die Universalien herauszustellen sein werden.

Gerade letzteres ist ARISTOTELES und THOMAS gemeinsam;

gleichwohl, es bleiben Unterschiede. Diese Unterschiede werden

zunächst anhand der verschiedenen Gottesbilder offenkundig werden.

Der ARISTOTELische unbewegte Beweger wird sich als der

THOMASischen causa prima gegenüber different zu erweisen haben,

wenngleich jedes dieser Konzepte in ontologisch-metaphysischer

Hinsicht die sprachliche und wahre Erkennbarkeit von Welt durch 27 Vgl. PAULI 1988, S. XXXVIII; z.B. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1; S.

2f. sowie BERGER 2004, S. 72ff.; z.B. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1; S.

16f.

18

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den Menschen verursacht. Sowohl nach ARISTOTELES als auch nach

THOMAS wird der Mensch als sprachlich und vernünftig begabt zu

beschreiben sein. Der Mensch hat – so die vorzulegende

ARISTOTELES-Interpretation – das seelische Vermögen zu logischer

Erkenntnis, und zwar aufgrund einer grammatikalischen Betrachtung

des Wissensbegriffs. Nach THOMAS wird ein prinzipieller, universeller

Verstand und eine aktive, potentielle Erkenntnisfähigkeit des

Menschen zu beschreiben sein, als deren schweigende logische wie

auch ontologische Ursache Gott zu benennen sein wird. Der Mensch

wird sich hier durch seinen prinzipiellen und potenziellen Verstand als

Teilhaber göttlicher Intelligibilität erweisen, was seine

Erkenntnisfähigkeit begründet. Demnach soll gezeigt werden, dass der

Mensch bei ARISTOTELES wie auch bei THOMAS erkennen und

folglich auch lehren kann. Für ersteren durch göttlichen Impuls, für

letzteren verursachend in Bindung an Gott, allerdings in dieser zur

Verstandestätigkeit berufen.

Die Möglichkeiten erkennender Welterschließung gehen nach

THOMAS mit pädagogischem Reden einher. Bei ARISTOTELES eröffnet

die sprachliche Analyse Pädagogisches. Untersuchungsgegenstand von

Peri hermeneias wird nämlich der Logos sein, und zwar als

Propositionen, als Wörter wie auch Sätze mit Aussagencharakter. Es

wird geprüft werden, inwiefern diese geltungshaft sind. Zu diesem

Zweck sind mit ARISTOTELES Aussagen der Alltagssprache zu

analysieren, die Maßgabe der Analysen werden allerdings

idealsprachlicher Art sein. Propositionale Geltung wird sich mittels

eines Vergleichs zustimmender und negierender Urteilssätze zu

erweisen haben. Aus der ARISTOTELischen Unterscheidung zwischen

ontologischer und logischer Wahrheit wird die vorliegende Arbeit

schließen und vorführen, dass sich solche logischen Prüfverfahren

19

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ihrerseits ontologisch zu bewähren haben. Hierfür wird erneut die

HERAKLITische Logos-Definition als Beleg dienen, denn jeder

erkenntnissuchende Bezug auf Sein ist ihr folgend, sprachlich zu

denken. Die ARISTOTELES-Interpretation bezieht im weiteren Verlauf

dessen Empirie-Konzept auf die logische Erkenntnissuche. Es wird

eine sprachliche Anwendung der Kategorien gezeigt werden, welche

die Grundlage eines Abstraktionsaktes sein wird, die von den

Akzidenzien über den Substanz-Begriff das Universelle zu gewinnen

sucht. Letzteres wird sich als prinzipieller Garant der

ARISTOTELischen Aussagenlogik und damit als Voraussetzung für die

pädagogische Rede erweisen.

Ebenfalls in Anbindung an die zugrundeliegende Logos-

Auffassung wird der THOMASische Lehrer aus De magistro gedeutet

werden als ein sprachlich auf Sein Zugreifender. Die von Gott

verursachten und ihm eingepflanzten Verstandesprinzipien mit

universalem Charakter zusammenwirkend mit den tätigen Aspekten

seines Verstandes sollen hierfür als potenzielle Voraussetzungen

gedeutet werden. Sie ermöglichen es aus Sinneswahrnehmungen

Erkenntnisse zu destillieren. Zurückgeführt werden wird dies auf eine

Analogie zwischen göttlicher causa prima und Mensch hinsichtlich des

prinzipiell-universellen Verstandes. In diesem Kontext wird erneut

Christus eine exponierte Stellung in der Deutung einnehmen. Christus

ist Gottes Sohn; er wird als solcher Mensch. Als verbum hat er somit

göttlichen wie auch menschlichen Charakter, und zwar in sprachlicher

Hinsicht. Auf diese Weise wird er THOMASisch – wie schon nach

AUGUSTINUS – summus magister göttlicher Sprachlichkeit für den

Menschen werden, dessen Erkenntnis-Logik zugleich aber ins

Göttliche erheben. Die THOMAS-Interpretation wird in einer Analogie

gipfeln, welche das universelle Verstandesprinzip gleichermaßen als

20

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ontisch und logisch zu begreifen sucht. Damit wird die logische

Erkenntnispotenz des Menschen auf Welt begründet werden. Diese

wird auf die causa prima Gott zurückgeführt werden. Sie scheint als

universal-prinzipieller Logos, der Sprache Gottes, schweigend in der

Seele des Menschen zu liegen und damit gleichzeitig die pädagogische

Rede zu ermöglichen, auf welche Christus in seiner Wort-Ontologie

verweist.

Zurückgreifend auf ARISTOTELES soll dialektisches Fragen, das

heißt die Trennung der Substanz von Akzidentellem, eine logische

Frageweise, die sich auf das Universelle richtet, als fundamentale

pädagogische Rede verstanden werden, die logische Annäherung an

Ontologisches ermöglicht. Ihre Anwendung verheißt das Auffinden

von Urteilssätzen in Lehre, Unterricht und Vermittlung, in

pädagogischen Vollzügen. THOMAS folgend, werden dieselben dann

als pädagogisches Reden zu deuten sein, das äußeres Zeichen der

Verstandestätigkeit des intellectus agens als Umgang mit den

Verstandesprinzipien ist und auf dieselbe verweist. Dies schließt den

zweiten Teil dieser Arbeit ab.

Schließlich wird der dritte und letzte Teil dieser Arbeit die

Gedanken zu Bildung und Sprache, zu Schweigen und Reden auf das

Werk Ludwig WITTGENSTEINS ausweiten. Sein Frühwerk Tractatus

logico-philosophicus wie auch sein Spätwerk, die Philosophischen

Untersuchungen, weisen verschiedenste Merkmale auf, welche ihre

Auswahl für diese Arbeit nahe legen. Grundsätzlich gibt es Bezüge zu

einzelnen bis hierher bearbeiteten Autoren: Mit PLATON verbindet die

Philosophischen Untersuchungen, erstens, das „Werkzeugmodell“28 aus dem

Kratylos. Wie auch ARISTOTELES in Peri hermeneias verfährt

WITTGENSTEIN, zweitens, in derselben, erst posthum veröffentlichten, 28 KRAUS 1996, S. 32.

21

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Schrift nach der mehrwertigen Logik29 und bezieht sich auf

normalsprachliche Sätze. Die AUGUSTINische Sprachauffassung

entspricht, drittens, derjenigen des Tractatus logico-philosophicus und wird

mit eben diesem zu Beginn der Philosophischen Untersuchungen kritisiert

und verworfen.30 Viertens stellt das Konzept der Familienähnlichkeit

aus ihnen WITTGENSTEINs Beantwortung der Universalien-Frage

dar,31 was ihn sowohl mit ARISTOTELES als auch mit THOMAS VON

AQUIN in Relation setzt. Der Tractatus logico-philosophicus endet,

fünftens, mit dem Plädoyer zu schweigen; wohingegen, sechstens, die

Philosophischen Untersuchungen als Analysen von Alltagssprache dem

Reden verhaftet sind. Dass beides schließlich im Pädagogischen zu

verorten ist, belegt, siebtens, erneut die Auseinandersetzung

WITTGENSTEINs mit dem AUGUSTINischen Sprachmodell, da es sich

dabei um ein Modell des Spracherwerbs handelt.

Zu den beiden WITTGENSTEINschen Standpunken im

Einzelnen: Der Tractatus logico-philosophicus wird als eine sprachkritische

Schrift gelesen werden. Ergebnis dieser Sprachkritik wird die

Auflösung der zu Beginn dieser Arbeit postulierten Korrelation

logischen und ontologischen Denkens sein. Liegt der

WITTGENSTEINschen Sprachanalyse zunächst mit ihrem

abbildtheoretischen Beginn noch eine idealisierende Ontologie

zugrunde, so wird als deren Ergebnis ihr Verlust festzustellen sein. Als

WITTGENSTEINs eigene Arbeitshypothese des Tractatus wird die Logik

der Welt zu bezeichnen sein. Sie ist ihm Gewissheit. Folglich wird der

logische Aufbau der Welt als Grundlage der Abbildtheorie dargestellt

werden. Abbildung liegt nur bei logischer Strukturidentität von

Sprache und Welt vor. Daher wird Sprache einer Reduktion zu 29 Vgl. BOCHEŃSKI 1970, S. 56, S. 199. 30 Vgl. PU § 1ff., S. 237ff. sowie GLOCK 2000a, S. 51-56. 31 Vgl. TEUWSEN 1988 sowie WIMMER 2001, S. 196.

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unterziehen sein, die sie auf ihre Elementar-Zeichen zurückführt.

Denn – so eine Stufe der WITTGENSTEIN-Interpretation –

Weltabbildung liegt erst dann vor, wenn Elementares gezeigt wird. Ist

aber der Satz fx ein sinnvoller Satz? Die Sinnfrage wird mit

WITTGENSTEIN die Wahrheitsfrage stellen lassen. Die

Verallgemeinerung des Elementarsatzes verheißt hier Aufschluss zu

geben. Sie führt WITTGENSTEIN zur Ableitung der allgemeinen

Wahrheitsfunktion. Diese wird aber nicht mehr zeigen als die

Bedingung der Möglichkeit von Wahrheit. Eine substantielle

Wahrheitsaussage und damit der Sinn von Sprache werden unerreicht

bleiben. Sie werden außerhalb von Logik zu verorten sein; liegen

damit im Schweigen. Das durch das WITTGENSTEINsche Schweigen

Bezeichnete – das Mystische, das Höhere, Gott – wird logisch

unaussprechlich sein. Eine Welt, die nicht anders als logisch zu

denken ist, nicht anders als logisch zu erkennen gesucht werden kann,

wird den Menschen in Sprachlosigkeit zwingen.

Für den Tractatus-WITTGENSTEIN wird sich nichts als denkbar

erweisen, was außerhalb von Logik liegt. Wahrheit kann weder aus

Ideen- noch aus Gottesschau gewonnen werden. Die

Elementarsatzformel wird die inhaltliche Unbestimmbarkeit von

Wahrheit zeigen. Somit wird sich die pädagogische Frage stellen:

Kann Unbestimmtes gelehrt werden? Lediglich Sprachkritik und

Wahrheitszweifel werden als mögliche Gegenstände von Lehre,

Unterricht und Vermittlung bleiben. Ist aber die Defizienz der Logik

selbst das Resultat logischer Analyse, wird sogar diese Form

pädagogischer Vollzüge obsolet. Ein Lehrer, der dem Tractatus folgt,

wird also schließlich selbst die pädagogische Rede unmöglich machen.

Und doch: Pädagogen vollziehen sich redend. WITTGENSTEIN

wird in den Philosophischen Untersuchungen als mit dieser Tatsache

23

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konfrontiert zu verstehen sein. Trotz aller früheren Sprachkritik: Es

wird gesprochen. Unabhängig von seinem Verlangen nach einer

idealen Sprache findet WITTGENSTEIN eine Alltagssprache vor, deren

Vollzüge die Interpretation dieser Arbeit auf die Lebensform des

Menschen hinweisen lassen. Sie wird im Reden manifest und

manifestiert das Reden. Die Analyse von vielgestaltigen und offenen

Sprachgebräuchen wird – dem späten WITTGENSTEIN folgend – zur

Sprachspiel-Metapher führen, die sich eben diesem vielgestaltigen und

offenen Bild von Sprache als angemessen erweisen soll. Allerdings

wird der Wahrheitsbegriff auch hier inhaltlich nicht zu füllen sein.

Geltungshaftes wird sich hingegen aussagen lassen, und zwar

sprachspielgebunden. Pädagogisches Reden, und damit die

Bildungsaufgabe innerhalb pädagogischer Vollzüge, wird in dieser

Konzeption im Sprachspielen liegen.32 Das ist das

gebrauchsangemessene Anwendungs-Spiel von Wörtern im jeweiligen

Sprachspiel. Lehren, Unterrichten und Vermitteln werden als durch

Familienähnlichkeiten von Wörtern ermöglicht zu begreifen sein. Den

Philosophischen Untersuchungen folgend, wird die Offenheit und

Unbegrenztheit sprachlicher Vollzüge zu vermitteln sein. Souveräne

Sprachspieler, die sich im unüberschaubaren Gewinkel aus

Sprachspielen sprachlich vollziehen können, werden zum

abschließenden Bildungsideal.

Methoden

In methodologischer Hinsicht ist diese Arbeit problemgeschichtlich,

systematisch wie auch hermeneutisch konzipiert. Sie greift

systematisch33 auf das Begriffspaar Bildung und Sprache zu, indem sie

32 Vgl. MEDER 2004. 33 Den Zusammenhang von systematischer Pädagogik und Pädagogikgeschichte stellt

BENNER dar. (Vgl. BENNER 1993)

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die beiden De magistro-Schriften – die AUGUSTINische und die

THOMASische – antithetisch zu ihrem Fokus wählt. Ist nämlich der

Dialog des AUGUSTINUS ein Plädoyer für das pädagogische

Schweigen, propagieren die entsprechenden Artikel von THOMAS das

pädagogische Reden. Diese einander entgegenstehende und sich doch

bedingende Korrelation benennt den Problembestand der Arbeit.

Zurückgreifend auf das diesem Problembestand Vorhergedachte34 hat

sie AUGUSTINUS auf PLATON, THOMAS auf ARISTOTELES zu beziehen,

um die Genese des Problems nachzuzeichnen. Mit dem Ausblick auf

WITTGENSTEIN erfahren die beiden Schriften über den Lehrer eine

analytische Zuspitzung der Frage nach Möglichkeiten und Grenzen

pädagogischen Sprechens. Mit einer solchen historischen Problem-

Genese sieht sich diese Arbeit als der Forderung PETZELTs: „Wir

brauchen eine Problemgeschichte der Pädagogik“35 nachfolgend an. In

seinem Sinne hat die Arbeit das Problem, Schweigen und Reden als

sprachliche Bildungsvollzüge herauszuarbeiten, erkenntnisleitende

Funktion. Das Problem hat seine Geschichte. Es ist geboten, eine

problemrelevante, systematische Geschichte zu schreiben, eine

Geschichte pädagogischen Schweigens und Redens, nicht die generelle

Geschichte des Zusammenhangs von Bildung und Sprache.36

Historische Momente, das heißt hier ihre schriftliche Fixierung,

werden herausgegriffen, sofern sie den Gegenstand der Untersuchung

betreffen. Andere werden vernachlässigt. Der geschichtliche

Problembestand wird, in der Pädagogik der Gegenwart stehend, für

die Zukunft in Aussagen zu wandeln sein. Die Entwicklung des

Gesamtwerks der einzelnen bearbeiteten Theoretiker, ihre ihnen

34 Zu historisch-hermeneutisch-rekursiven Bezügen auf Vorhergedachtes vgl. HARTWICH

2002. 35 PETZELT 1961, S. 22. 36 Vgl. ebd.

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eigenen epochalen Bezüglichkeiten sind unter problemgeschichtlich-

systematisch-pädagogischem Gesichtspunkt legitimer Weise zu

vernachlässigen.37 Die vorliegende Problemgeschichte pädagogischen

Schweigens und Redens ist sich dabei der Schwierigkeit bewusst, dass

der gewählte Fokus, der Blickwinkel, die Perspektive im besten Fall

erhellend, im schlechtesten aber aus Gründen einengender

Entscheidungen lediglich „Selbstvergewisserung des eigenen

Denkens“38 ist. Dieses Risiko wird der Systematiker allerdings in Kauf

nehmen müssen, anerkennt er seine Kontingenz einerseits39 und

andererseits mit AUGUSTINUS die Seele nicht nur als Ort seiner

sprachlichen Erkenntnissuche, sondern auch als Raum seiner

Verfasstheit als historisches Wesen.40 Nach dieser Vorstellung ist seine

Perspektive auf Welt geschichtlich, seine Geschichtlichkeit aber auch

immer schon perspektivisch. Die problemgeleitete Perspektive dieser

Arbeit ist das Korrelat aus Schweigen und Reden und zwar in

pädagogischer Hinsicht.

Aus einer – selbst bei einer Beschränkung auf die genannten

Autoren und unter Vernachlässigung anderer Denker der

Evolutionsgeschichte des pädagogischen Diskurses überhaupt – kaum

überschaubaren Textfülle sind Wahlen getroffen worden. Der

Problembestand wird systematisch auf logisch-ontologisch-

erkenntnistheoretische Schriften, Texte und Textpassagen verengt, so

dass sich Problem- und Systemrelevantes herauskristallisiert. Hat nun

das klar umrissene Textkorpus den Blick für pädagogisches Schweigen

und Reden geschärft, verfährt die vorliegende Arbeit mit den

einzelnen Schriften in hermeneutischer Weise. Und: sie verfährt 37 Vgl. PÖPPEL 1956, S. 12f. 38 HEITGER 2004, S. 214; vgl. auch GADAMER 1975, S. 465. 39 Vgl. HEITGER 2004, S. 221. 40 Vgl. Confessiones XI.20, S. 642f. sowie HEITGER 2004, S. 214f.

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hermeneutisch in bestimmter Hinsicht. GADAMER fasst Sprache

ontologisch auf, ihr wird Seinscharakter zugewiesen, dieser

Seinscharakter richtet sie auf die Wahrheitsfrage aus: Die Rede, der

Dialog, das Gespräch haben ihren „eigenen Geist“, „die Sprache, die

in ihm geführt wird“ ist Träger „ihre[r] eigene[n] Wahrheit“, sie

„‚entbirgt‘“ etwas, lässt es „heraustreten“41. Diesem Ansatz sieht sich

die Arbeit verpflichtet. GADAMER denkt die logische, ontologische

und erkenntnistheoretische Theorieform zusammen und richtet sie

auf die Wahrheits- bzw. Geltungsproblematik aus. Sogar die Gründe

für diese Ausrichtung sind verwandt. Der antike Logos-Begriff, ja

sogar PLATONs Dialog Kratylos, dienen als Begründung für ein

gemeinsames Aufscheinen von Sprache, Sein und Denken.

Wahrheitskriterien werden der Sprache entnommen.42 Schließlich wird

historisch verfahren.43 Folglich entnimmt die vorliegende Arbeit die

Methoden ihrer Textauslegung dem Denken des Ähnlichen. Sie geht

exegetisch-interpretierend vor, sucht aus dem textlich Vorgegebenen

Erkenntnisse zu ziehen, zu lernen. Dabei fügt sie sich in das „Spiel der

Sprache selbst“44 ein. Anklingend an die Sprachspiele WITTGENSTEINs

sind mit GADAMER die zu analysierenden Schriften schriftlich fixierte

Rede, die gehört, vielmehr gelesen, aufgenommen, verarbeitet werden

will, die durch ihre ontologische Dimension zum Nachdenken

auffordert. Nachdem sich eben dies schweigend vollzogen hat, sind

die herausdestillierten interpretierenden und weiterdenkenden Reden

der Verarbeitung ein Akt im geschichtlichen Spiel aus Reden und

41 Insges. GADAMER 1975, S. 361; Zus. v. G.v.S. 42 Vgl. GADAMER 1975, S. 383ff. 43 Vgl. GADAMER 1975, S. 162ff. 44 GADAMER 1975, S. 464.

27

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Schweigen. Sie bilden und stellen eine neue Bildungsrede dar im

gleichewigen Spiel mit Sprache.45

Zielsetzung

Die vorliegende Arbeit versteht sich also als eine Problemgeschichte

pädagogischen Schweigens und Redens. Sie greift auf den Logos-

Begriff der griechischen Antike zurück und folgert aus diesem eine

Zusammenschau von Bildung und Sprache. Hieraus sucht sie eine

logische Pädagogik zu gewinnen. Vor dem Hintergrund des antiken

Logos werden Logik, Ontologie und Erkenntnistheorie miteinander

konfrontiert, um aus dieser Konfrontation pädagogikgeschichtliche

Anstöße für die Geltungsfrage der Pluralitäts-Debatte zu ziehen.

Dabei wird sich der logisch-ontologisch-erkenntnistheoretische

Konnex ebenso zu bewähren haben wie die aufgestellten Hypothesen,

auf dass am Schluss dieser Arbeit niemand sagen möge: Si tacuisset,

paedagoga mansisset. – Hätte sie geschwiegen, wäre sie eine Pädagogin

geblieben.46

45 Vgl. ebd. 46 Frei nach BOETHIUS: Consolatio Philosophiae II.7.

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1. LOGOS IM SCHWEIGEN

„Es gibt keine Schrift von mir über das, womit ich mich ernsthaft befasse; und es kann aus prinzipiellen Gründen keine solche Schrift geben.“ (PLATON, 7. Brief, 341b ff.; zitiert nach GRAESER 1989, S. 6) „Geh nicht nach außen, bei Dir selbst kehre ein! Im innern Menschen wohnt die Wahrheit, und wenn Du Deine eigene Natur als veränderlich erkannt hast, schreite über Dich selbst hinaus!“ (AUGUSTINUS, De vera religione; zitiert nach BÜTOW 2001, S. 9)

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PLATON (428/27-348/47 v.Chr.)47

47 Abbildung: ZEMB 2002, S. 39. Daten: Vgl. KRAUS 1996, S. 15.

30

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1.1 „die Dinge kennen zu lernen ohne Hülfe der Worte“48: SCHWEIGEN BEI PLATON

I. Sprachtheorie ist Erkenntnistheorie.

II. Die Idee umfasst Wahrheit, Wesen und Sein der Dinge.

Die Idee gibt einem konkreten Ding seine Prädikate vor.

III. Logos meint die sprachliche Suche nach Wahrheit, Wesen

und Sein der Dinge.

Die Sprache zerfällt in einen realen und einen idealen Logos.

Der reale Logos ist Name, Rede oder Dialog.

Idealer Logos ist ein Wort mit dem Charakter einer Idee. Es

gibt einem konkreten Namen seine benennende und

belehrende Prädikation vor.

IV. Auf der Ebene realer Sprachlichkeit ist Wissen nur im Sinne

von Meinung, doxa, zu erlangen oder zu vermitteln. Die

Meinung ermöglicht das (pädagogische) Handeln. Eine

wahre ontologische Wesensaussage als Zeichen von wahrer

ontologischer Wesenserkenntnis, episteme, ist unmöglich.

IV.I Das Mittel der Erkenntnis(-vermittlung) – die

Sprache – ist defizitär, denn sie bleibt hinter dem

idealen Logos zurück.

48 Kratylos 438e, S. 261. Nach der Übersetzung Friedrich SCHLEIERMACHERs, ergänzt durch Übersetzungen von Franz SUSEMIHL und anderen.

31

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IV.II Der Gegenstand der Erkenntnis(-vermittlung) –

das konkrete Ding – bleibt hinter seiner Idee

zurück.

V. Wahrheit, Wesen und Sein der Dinge werden logisch weder

erkannt noch gelehrt.

VI. Der reale Logos des Dialoges verweist zeichenhaft auf das

ihn prädestinierende schweigende ideale Wort.

VII. Schweigen als idealer Logos zeigt das substantielle Prinzip

das es ermöglicht, Wahrheit, Wesen und Sein der Dinge zu

erkennen und zu lehren.

1.1.1 Der PLATONische Dialog Kratylos

Sokrates, der maßgebliche Lehrer PLATONs, tritt in dessen Dialog

Kratylos49 zu einem Streitgespräch hinzu, das „der Herakliteer Kratylos

(Platons angeblicher früherer Lehrer)“50 und Hermogenes miteinander

ausfechten.51 Gegenstand des Gespräches ist die Sprache, handelt es

49 Der Dialog entstand um 393-388 v.Chr. (Vgl. SCHMALZRIEDT 1996b, S. 380). 50 KRAUS 1996, S. 20. 51 Die Frage, ob die genannten Dialogpartner den historischen Personen entsprechen und

tatsächlich deren Positionen wiedergegeben werden, ist nach KRAUS unerheblich. Es ist

zu vermuten, dass PLATON differierende Meinungen vorhergegangener philosophischer

Fachdispute zu zwei entgegengesetzten Extrempositionen fokussiert und sie so der

allgemeinen, öffentlichen Diskussion zugänglich macht. (Vgl. Kratylos 428b, S. 229;

DERBOLAV 1953, S. 17f. und S. 23ff.; GAISER 1974, S. 12; KRAUS 1996, S. 20; REHN

1982, S. 10). Indem er die beiden Positonen zwei Figuren in den Mund legt, bleibt offen,

welchen Standpunkt PLATON selbst einnimmt. (Vgl. BORDT 1999, S. 45) Er führt das

Philosophieren als Auseinandersetzung mit dem Fehlen von Wissen vor: „Kein Gott, der

bereits weise ist, philosophiert. Ebensowenig philosophiert jemand, der ignorant ist und

in seiner Ignoranz sein Unwissen nicht wahrzunehmen vermag. Nur derjenige

philosophiert, der sich seines Mangels an Weisheit und Wissen bewußt ist; durch das

Philosophieren will er sich von seinem Mangel befreien.“ (BORDT 1999, S. 46) So erklärt

32

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sich doch bei dem zu diskutierenden Dialog um den Ausgangspunkt

des sprachphilosophischen Denkens überhaupt52.

Der im Zusammenhang der vorliegenden Untersuchung

wesentliche unter den Schlussgedanken des Sokrates lautet:

„Auf welche Weise man nun Erkenntnis der Dinge erlernen oder selbst finden soll, das einzusehen sind wir vielleicht nicht genug, ich und du; es genüge uns aber schon, darin übereinzukommen, dass nicht durch die Worte, sondern weit lieber durch sie selbst man sie erforschen und kennen lernen muss, als durch die Worte.“53

Bezogen auf die pädagogische Frage der Erkenntnis, deren

Gegenstand Einzeldinge wie auch die Gesamtheit der Welt sind54 und

deren Maßstab Wahrheit ist,55 werden Worte für unbrauchbar

erklärt.56 Sie zu erforschen lässt die Dinge nicht erkennen. Wie kommt

PLATON mit Sokrates zu einer solchen Folgerung?

Der Gegenstand der Überlegungen ist nicht Sprache im

Allgemeinen, sondern sind die Benennungen von Dingen, also deren

Namen.57 Der Begriff onoma bezeichnet „im Griechischen nicht nur

sich die Dialogform der PLATONischen Schriften. In den frühen Gesprächen, zu denen

der Kratylos zählt, tritt Sokrates als Gesprächsführer auf, der verschiedene Lehrmeinungen

kritisch vergleicht. Sie enden in der Aporie (vgl. BORDT 1999, S. 42f.), der „ausweglosen

Argumentationssituation“ (BORDT 1999, S. 37) oder auch „Verlegenheit“ (HELMER 1997,

S. 32) um eine eindeutige Antwort, die zugleich auf etwas aufmerksam macht, was in

einer späteren Diskussion noch geklärt werden könnte, aber auch freien Raum für die

Gedanken des lesend-philosophierenden Interpreten lässt. 52 Vgl. GAUSS 1956, S. 191; KRAUS 1996, S. 19. 53 Kratylos 439b, S. 263. 54 Vgl. ROTENSTREICH 1983, S. 11. 55 Vgl. KUTSCHERA 2002, S. 141 sowie ROTENSTREICH 1983, S. 13. 56 Vgl. dazu auch BORSCHE 1990, S. 58. 57 Der Sophistes behandelt u.a. die vorliegende Fragestellung bezogen auf Sätze. Der Satz

wird dort als Verbindung aus Begriffen aufgefasst. (Vgl. Sophistes 259d-e, S. 727) Die

Aussage, welche er trifft, kann wahr oder falsch sein. (Vgl. Sophistes 262d ff., S. 731ff.; vgl.

33

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Eigennamen, sondern den gesamten Bereich der Dingworte, ja sogar

Adjektive und Partizipien [...] und schließlich allgemein ,Wort‘,

,Benennung‘, ,Bezeichnung‘“.58 Dieses Wortfeld steht zur Diskussion.

Die Dialogpartner suchen im Kratylos die Grundfrage zu beantworten,

was die Wörter eigentlich leisten, welche Aufgabe sie erfüllen.59 Die

Namen betreffend, werden zwei einander widersprechende

Hypothesen aufgestellt. Erstens wird die Frage aufgeworfen, ob den

Namen eine naturgegebene Bedeutung zukommt, so dass sie als

zutreffende Benennungen für die Dinge gelten können oder ob,

zweitens, der Bezug eines Namens auf ein Ding auf „Vertrag und

Übereinkunft“60 basiert.61 Ersteres verweist auf eine „Abbildtheorie

der Bedeutung“62, bei der ein Name die Bedeutung des benannten

Gegenstandes deshalb wiedergibt, weil er seinen Bedeutungsgehalt

beides auch REHN 1982, S. 132ff.) Die Bestimmung, ob diese Aussage wahr oder falsch

ist, liegt aber außerhalb des Satzes (vgl. BORSCHE 1990, S. 65f.) so, wie die Erkenntnis im

Kratylos außerhalb der Worte liegt. Beide Dialoge zielen also sprachphilosophisch in die

gleiche Richtung. Die vorliegenden Überlegungen sind zunächst am Elementaren des

Wortes orientiert, bevor sie auf Sprache geweitet werden. 58 KRAUS 1996, S. 19f.; Änd. v. G.v.S. 59 Vgl. Kratylos 435d, S. 251. 60 Kratylos 384d, S. 111. 61 Vgl. Kratylos 383a f., S. 109. Dass Namen zutreffende Bedeutungsträger für Dinge sind,

ist für beide Gesprächspartner unstrittig. (Vgl. REHN 1982, S. 9) 62 GRAYLING 1996, S. 46. Hier liegt ein erkenntnistheoretischer Standpunkt vor, nach

dem die Schritte der Erkenntnis und ihr Ergebnis als Abbildung von Realität durch den

Erkennenden verstanden werden. Dabei kann das erkennende Denken durchaus ungenau

oder sogar subjektiv konstruierend sein. Es wird aber angenommen, dass es dennoch

Wirklichkeit widerspiegelt. Die Sprachwissenschaft nimmt auf dieses Erkenntnismodell

deshalb Bezug, weil die Abbildung nicht nur als Gedanke, sondern auch sprachlich, etwa

als „Begriff, Satz/Proposition, Modell oder Theorie“ (LEWANDOWSKI 1990b, S. 15) in

Erscheinung tritt. (Insges. vgl. LEWANDOWSKI 1990b, S. 15) Vgl. auch SOULEZ 1996, S.

132.

34

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genau zeigt. Letzteres ist eine „Gebrauchstheorie der Bedeutung“63,

das heißt, der Gebrauch eines Wortes wird als seine Bedeutung

determinierend verstanden.64

„Denn mich dünkt“, so argumentiert Hermogenes, „welchen Namen jemand einem Ding beilegt, der ist auch der Rechte, und wenn man wieder einen andern an die Stelle setzt und jenen nicht mehr gebraucht, so ist der letzte nicht minder richtig als der zuerst beigelegte, wie wir unsern Knechten andere Namen geben. Denn kein Name keines Dinges gehört ihm von Natur, sondern durch Anordnung und Gewohnheit derer, welche die Wörter zur Gewohnheit machen und gebrauchen.“65

Es gibt nach dieser Vorstellung keine natürlich gegebene Einheit aus

Wort und Ding, die in der Bedeutung liegt. Vielmehr basiert diese auf

der Konvention, dem „Gebrauch“, der „Gepflogenheit“66, die

Bedeutung in der Sprache einer Sache beizulegen. Bedeutung wäre

dann uneindeutig, da je nach Gebrauchsweise wandel- und

modifizierbar. Ist die Bedeutung der Namen hingegen naturgegeben,

wie Kratylos es annimmt,67 so besteht das Naturgegebene in

Abbildlichkeit. Der Name eines Dinges bilde sein Wesen eindeutig,

unwandelbar und in korrekter Weise ab, sofern diese Annahme

zutrifft.68

63 In linguistischem Sinne handelt es sich dabei um eine Theorie, der zufolge der

Bedeutungsgehalt sprachlicher Ausdrucksformen durch den Kontext bestimmt ist, in

dem mit ihnen sprachlich agiert wird. (Vgl. BUSSMANN 1990a, S. 264). Vgl. auch SOULEZ

1996, S. 131. 64 Die Forschung charakterisiert die Differenz auch als „Bedeutungsnaturalismus“ und

„Bedeutungskonventionalismus“ (beides: KUTSCHERA 2002, S. 144). 65 Kratylos 384d, S. 111; Zus. v. G.v.S. 66 Beides: PU, § 198 ff. 67 Vgl. Kratylos 383a f., S. 109. 68 Die hier umrissene Fragestellung, ob eine Gebrauchstheorie oder eine Abbildtheorie

der sprachlichen Bedeutungsfrage angemessener sei, verweist auf die Gegenüberstellung

der Gegensätze „Natur (physis) und menschlichem Brauch oder Gesetz (nomos)“ (KRAUS

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Beide Standpunkte lassen sich im Hinblick auf pädagogisches

Reden zuspitzen. Pädagogisches Reden tradiert durch Belehrung

Bedeutung. Sofern er das Wort als „belehrendes Werkzeug“69 auffasst,

verweist PLATON durch Sokrates mit seinen Überlegungen zur

Tätigkeit des Redens auf die des Lehrens.70 Im Vergleich der Arbeit

des Pädagogen mit den handwerklichen Tätigkeiten des Bohrens, des

Einbrennens, des Abschneidens und des Webens71 ist das Benutzen

des Werkzeuges Wort nämlich eine Praxis oder „Bewerkstelligung“72,

die über das Wesen einer Sache zu belehren sucht.73 Nach der

Sprachauffassung des Hermogenes ist der „Lehrkünstler“, derjenige,

der das Wort in dieser Weise „lehrkünstlerisch“74 gebraucht, denn

„[d]as Bewirkte [s]einer Nennung ist [...] das Hervorheben oder

Unterscheiden eines Seienden von allen übrigen. Das ist die Leistung

des Wortes, so wie z.B. die Leistung des Weberschiffchens das

Hervorheben oder Unterscheiden eines Fadens von den übrigen ist“75.

Der Lehrer handelt sprachlich, indem er seinen Schülern benennt76,

was er sie lehren will. Mittels der Benennung werden die Schüler über

Eigenschaften, die einen Gegenstand zugleich auszeichnen und von

1996, S. 20), wie sie bei den Sophisten diskutiert wird. (Vgl. KRAUS 1996, S. 20) Der

Brauch wird deshalb Gesetz, weil er „einer ganzen Gemeinschaft“ (PERREINS 1994, S.

53) als Kommunikationsmittel dient und es dafür – anders als es bei einer Privatsprache

wäre – Regeln geben muss. (Vgl. PERREINS 1994, S. 53) Die Gesetzmäßigkeit des

Brauchs ist aber keineswegs mit Naturgesetzlichkeit gleichzusetzen. 69 Kratylos 388b, S. 123. 70 Vgl. Kratylos 388b, S. 123. 71 Vgl. PERREINS 1994, S. 62. 72 PERREINS 1994, S. 59. 73 Vgl. PERREINS 1994, S. 58 sowie S. 64. 74 Beides: Kratylos 388c, S. 123. 75 PERREINS 1994, S. 61; Änd., Ausl. u. Zus. v. G.v.S. I. Orig. teilw. hervorgeh. 76 Vgl. Kratylos 387d, S. 121.

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anderen Gegenständen unterscheiden, informiert.77 So wird der Lehrer

entweder nach Kratylos die feststehende Bedeutung eines Namens

kennen, die er nun lehrend weitergibt, oder aber es ist mit

Hermogenes davon auszugehen, dass der Lehrer, der seinen Schülern

etwas benennt, wie jeder, der durch Wörter benennt, durch diese

Benennung Bedeutung stiftet. Da er aber eine naturgegebene

Gesetzlichkeit zugrundelegt,78 deckt Sokrates hier fragend einen

Denkfehler des Hermogenes auf: Kann ein Werkzeug benutzt werden,

stellt sich die Frage, wer das belehrende Werkzeug geschaffen hat.

Gibt es eine zugrundeliegende „Natur des Benennens und

Benanntwerdens“79, ist zu klären, wer dieses sprachliche Naturgesetz

vorgibt. Unter systematischen Gesichtspunkten lässt PLATON Sokrates

einen „Namensetzer“, „Gesetzgeber“ oder „Brauchstifter“

einführen,80 der ihm dazu dient, zuerst Hermogenes, dann Kratylos zu

widerlegen, um schließlich eine dritte These ins Feld zu führen. Der

Gesetzgeber fungiert als der Stifter von Sprach-Bedeutung. Diskutiert

wird, auf welche Weise Ding und Wort miteinander verbunden zu

denken sind, so dass der Gesetzgeber bei der Zuordnung eines

Namens zu einem Gegenstand entweder eigenständig konstruierend

vorgehen konnte – wie Hermogenes es annimmt – oder ob es ein

Naturgesetz gibt, an das auch der Wortbildner gebunden war – was

der Auffassung des Kratylos entspräche.81 Lehrer und Gesetzgeber

fallen im Rahmen der Überlegungen des Hermogenes zusammen,

denn der Lehrer benennt zum Gebrauch in der Lehre situativ neu. Ein

Zusammenfallen von „Benutzer“ und „Verfertiger“82 ist aber nicht 77 Vgl. KUTSCHERA 2002, S. 148. 78 Vgl. Kratylos 387d, S. 121. 79 Kratylos 387d, S. 121. 80 Vgl. Kratylos 389a, S. 125; KRAUS 1996, S. 20. 81 Vgl. KRAUS 1996, S. 20. 82 Beides: KRAUS 1996, S. 22.

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denkbar, da Sokrates im Dialog von einer Vorzeitigkeit, nicht von

einer Gleichzeitigkeit der Bedeutungsgabe ausgeht. Der Gedanke, dass

es einen der Sprache Bedeutung gebenden Gesetzesstifter gebe, passt

umso mehr zur Sprachauffassung des Kratylos. Wenn dieser nämlich

von einer abbildenden Funktion des Redens ausgeht, bei der das

ausgesprochene Wort die naturgegebene Bedeutungsrichtigkeit zeigt,

muss diese Bedeutungsrichtigkeit gesetzlich gegeben sein.83 Wo der

Lehrer durch seine Benennungen über die abgebildeten Dinge

zutreffend belehrt,84 ist er im Sinne der Vorstellung des Kratylos

personifiziertes Abbild des Gesetzgebers.85 Zu bedenken ist, dass

Lehrer in beiden Ansätzen nur derjenige sein könnte, der das zu

benennende Wesen einer Sache kennt.86 Lehrkünstlerischer

Wortgebrauch erscheint als deren sprachlich-äußeres Zeichen von der

Wesenserkenntnis nicht trennbar. Dabei fallen Erkenntnis des Wesens

des Wortes und des Wesens des Dinges87 in der sprachlichen

Lehrtätigkeit zusammen.

1.1.1.1 Abbild- versus Gebrauchstheorie

Die These des Hermogenes, die Bedeutung ergebe sich durch den

Gebrauch von Wörtern, wird zunächst in Richtung der These des

Kratylos falsifiziert. Unter Berufung auf Homer88 weist PLATON den

Hermogenes durch Sokrates darauf hin, dass es beispielsweise einen

Vogel gebe, „von dem er“, Homer, „sagt, er werde Chalkis von den

Göttern genannt und Nachtaar unter den Menschen“89. Das lässt

83 Vgl. Kratylos 427d, S. 227. 84 Vgl. Kratylos 428e, S. 231. 85 Vgl. Kratylos 429a, S. 231. 86 Vgl. auch KUTSCHERA 2002, S. 148 ff. 87 Vgl. Kratylos 389a, S. 231 sowie REHN 1982, S. 18ff. 88 Kratylos 391d, S. 133. 89 Kratylos 392a, S. 135.

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Sokrates weiter die Frage stellen, welcher von beiden Namen

zutreffend sei,90 wenn denn von einer „natürlichen Richtigkeit der

Benennungen“91 auszugehen ist. Die Gesprächspartner gelangen zu

der Überlegung, was einen Namen zutreffend mache. Sokrates legt

fest, es müsse durch einen Namen das „Wesen des Dings“ offenbar

werden.92 Damit ist die Aufgabe der Sprache ontologisch verankert.

Das Sein soll logisch abgebildet sein. Eine Reihe etymologischer93

Demonstrationen zeigt aber, dass für ein Ding unterschiedliche

Namen üblich sein mögen94 und schließlich selbst für „das Wesen der

Dinge“ verschiedenste Namen in Gebrauch sein können:

„So auch hierbei: das Sein, welches wir Usia nennen, nennen Einige Esia und Andere wieder Osia. Zuerst nun nach der einen von diesen Spracharten hat es ja ganz guten Grund, da[ss] das wahre Sein und das Wesen der Dinge Hestia genannt wird; so auch wenn wir wiederum das was an diesem Sein Anteil hat Hestia nennen, so wäre auch das in dieser Beziehung richtig, denn auch wir mögen statt Usia Esia gesagt haben.“ 95

Die Gebräuchlichkeit unterschiedlicher Benennungen scheint

zunächst die Gebrauchstheorie des Hermogenes zu bestätigen.

Sokrates weist jedoch nach, dass bestimmte Namen zuerst festgelegt,

danach benutzt werden. Aus dem Wesen der Dinge oder Personen

ergibt sich aber eine Benennung, die vor anderen den Vorzug erhält,

und zwar bestimmt die Frage, ob das Wesen durch einen Namen

abgebildet wird, das Passen- oder Nichtpassen dieses Namens. Die

Namen der „Urahnen“ der Götter werden paradigmatisch 90 Vgl. Kratylos 392b, S. 135. 91 Kratylos 391a, S. 131. 92 Kratylos 393d, S. 139. 93 Vgl. KRAUS 1996, S. 22; PERREINS 1994, S. 69ff. „Etymologisch“ heißt hier, „Worte

dadurch erklären zu wollen, da[ss] Ähnlichkeiten zwischen Lauten bzw. zwischen einem

Laut und einer Sache herausgestellt werden“ (PERREINS 1994, S. 70; Änd. v. G.v.S.). 94 Z.B.: Kratylos 400d ff., S. 157ff. 95 Kratylos 401c, S. 159; Änd. v. G.v.S.

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herangezogen, um diesen Zusammenhang zu erläutern. Eine

Vermischung etymologischer und mythologischer Komponenten leitet

die Erklärung. Heraklit, Homer und Hesiod dienen als

Gewährsmänner. Alle drei führen den Ursprung der Götter auf

Wasser zurück. So sage Heraklit, „daß Alles davon geht und nichts

bleibt, und indem er alles Seiende einem strömenden Flusse vergleicht,

sagt er, man könne nicht zweimal in denselbigen Fluß steigen.“96

Daher werden „Okeanos“ als der „geräuschige“ und „Tethys“ als

Vater und Mutter aller Götter benannt. Der Name „Tethys“ spiegele

das „sickernde, tanzende, sinternde“ Wesen der Göttin wider, er

entspreche ihrer mythologischen Rolle als „Quelle“ und sei

etymologisch aus beiden Aspekten zusammengesetzt.97 Diese

Erörterung zeigt den Namen Tethys als einen passenden Namen, der

dann aufgrund seines Passens gebraucht wird und damit Geltung hat.

Sokrates hebt weiter hervor, dass „jeder Name jeder Sache“98, die er

benennt, angepasst sein müsse. Diese Schlussfolgerung führt den

etymologischen Erklärungsansatz – von PLATON ohnehin in

ironischem Ton verfasst99 – ad absurdum. Werden durch Etymologien

quasi phonetische, das heißt, eher lautmalerische Wortaspekte

verglichen, ist das eine rein an der Sprache orientierte

Argumentation.100 Ihr Bezug auf ein mögliches Wesen der

bezeichneten Sache ist willkürlich. Das Beispiel der Göttin Thetys

zeigt, dass Homer zuerst die Wesensmerkmale der Göttin im Blick

hatte, bevor er ihr einen diesen Merkmalen entsprechenden Namen

beilegte. Das hebt Sokrates als angemessenen Weg der 96 Kratylos 402a, S. 161; Änd. v. G.v.S. 97 Insges.: Kratylos 402c f., S. 163ff. 98 Kratylos 414d, S. 193. 99 Vgl. Kratylos 396d, S. 147; vgl. dazu auch KUTSCHERA 2002, S. 151f. und REHN 1982, S.

34. 100 Vgl. auch BORSCHE 1990, S. 50.

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Namensfindung hervor. Die Sprache hat sich an den Dingen und

ihrem Wesen zu orientieren, nicht umgekehrt.

Als die ursprünglichen Wörter führt Sokrates zum Ende seines

Gespräches mit Hermogenes „Stammworte“101 ein. Diese sind

elementare Worte. Auf solche lassen sich alle Wörter im Sinne einer

nicht weiter spezifizierbaren Erklärung zurückführen.102 Alle

gebräuchlichen Wörter gehen demnach durch Ableitung auf

Stammworte zurück:

„Laß uns nur bedenken, wenn jemand immer nach den Worten, aus welchen eine Benennung besteht, fragen will und dann wieder nach jenen, woraus diese herstammen, forscht, und damit gar nicht damit aufhören will, wird dann nicht der Antwortende zuletzt notwendig verstummen? [...] Wann aber hätte er wohl ein Recht sich loszusagen, daß er nicht weiter könne? Nicht wenn er bei jenen Wörtern angekommen wäre, welche gleichsam die Urbestandteile der übrigen sowohl Sätze als Worte sind? [...W]enn wir aber endlich eins erhalten hätten, das nicht wieder aus irgend anderen Wörtern entsteht, dann erst mit Recht sagen könnten, daß wir nun bei einem Urbestandteil oder Stammworte wären, welches wir nicht wieder auf andere Wörter zurückführen dürften.“103

Damit ist jedes aktuelle Wort sowohl Ableitung der Stammwörter als

auch Nachahmung104 des Wesens des Benannten durch den

Benennenden.105 Zugleich sei eine wörtliche Benennung eine

Nachahmung des Phonetischen.106 So wird schließlich die Tätigkeit

des Wortbildners als die Tätigkeit der Abbildung erklärt:

„Das a widmete er dem ganzen, langen, das e dem gedehnten, ebenen, weil die Buchstaben groß und vollständig tönen. Für

101 Kratylos 422b, S. 213. 102 Vgl. PERREINS 1994, S. 73f. und BORSCHE 1990, S. 51f. 103 Kratylos 421d ff., S. 211ff.; Änd. u. Ausl. v. G.v.S. 104 Vgl. Kratylos 423a, S. 215; vgl. KRAUS 1996, S. 23. 105 Vgl. Kratylos 424b, S. 219. 106 Vgl. Kratylos 423b, S. 217.

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das runde brauchte er das u als Zeichen, und drängte daher in den Namen des kugelrunden besonders soviel davon zusammen als möglich. Und so scheint auch im übrigen der Wortbildner sowohl durch Buchstaben als Silben jeglichem Dinge seine eigene Bezeichnung und Benennung angewiesen und hieraus denn das übrige ebenfalls nachahmend zusammengesetzt zu haben, Dies nun, o Hermogenes, scheint mir die Richtigkeit der Benennungen sein zu wollen, wenn nicht unser Kratylos etwas anderes meint.“107

Sokrates hat bisher mit Hermogenes in Richtung der Auffassung des

Kratylos argumentiert, ersteren also vom Gedanken sprachlicher

Abbildung des letzteren überzeugt. Zugleich hat er aber bereits auf

Defizite des zunächst präferierten Abbildgedankens hingewiesen.

Diese seien kurz benannt.

Es ist herausgestellt worden, dass sich die Sprache (Logik) am

Wesen der Dinge (Ontologie) zu orientieren habe. Über das Wesen

trifft Sokrates die Aussage:

„Das Sein aber und das Wesen trifft ganz mit der Wahrheit zusammen, denn es ist das in der Zeit gehn und das Währen, und eben so im Gegenteil das Nichts ist das nie gehts.“108

Die Wahrheit – als das, was der Verborgenheit abzuringen ist,109 – und

damit auch das mit ihr zusammenfallende Sein und das Wesen kennt

der Mensch nicht.110

„Oder willst du, daß wir, so gut wir es vermögen, wenn wir auch nur wenig davon einsehn können, es dennoch versuchen, indem wir vorher erklären, wie nur eben den Göttern, daß wir,

107 Kratylos 427c f., S. 227. 108 Kratylos 421b, S. 211. 109 Vgl. HEIDEGGER 1975, S. 32. Zum Begriff insgesamt: SZAIF 1996. 110 Gemeint ist in diesem Zusammenhang eine Wahrheit, die im Feld der Theoria den

Ideen innewohnt. Über sie verfügt der Sprechende nicht (SZAIF 1996, S. 159), obgleich er

empirisch Offenkundiges und damit Seiendes und Wahres bezeichnen kann. (Vgl.

KUTSCHERA 2002, S. 146; S. 155) Die vorliegende Argumentation zielt auf die

theoretisch-ideale Wahrheit ab, derer der Sprachgebrauch entbehrt.

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ohne etwas von der Wahrheit zu wissen, nur die Meinungen der Menschen von ihnen mutmaßlich angeben wollten, so auch jetzt, ehe wir weiter gehen, uns selbst die Erklärung tun, daß wenn die Sache gründlich sollte abgehandelt werden, es sei nun von jemand anderm oder von uns, es allerdings so geschehen müsse, wir aber jetzt nichts tun könnten, als nur, wie man sagt, nach Vermögen uns daran versuchen.“111

Die Sprache sucht also nachzuahmen und abzubilden, worüber sie

eigentlich keine Aussage treffen kann. Der Mensch trachtet danach zu

benennen, wovon er nur ahnen kann. Damit bleibt sprachliche

Abbildung fehlerhaft, denn sie ist noch defizitärer als das Wissen um

das, was abzubilden gesucht wird.112

1.1.1.2 Sowohl Abbild- als auch Gebrauchstheorie

Im folgenden wird die scheinbar bevorzugte These des Kratylos, die

Bedeutung von Namen liege in der Abbildung des Wesens der Dinge,

im Sinne der These des Hermogenes neu überdacht. Zunächst wird an

die Voraussetzungen erinnert, nämlich, erstens, eine nicht näher

bestimmte naturgegebene „Richtigkeit der Worte“113, die, zweitens,

durch „Gesetzgeber“114 eingesetzt sind. Unter Verweis auf eine

Aussage des Kratylos,115 dass Hermogenes einen Namen trage, der

seinem Wesen nicht entspreche,116 wirft Sokrates dann die Frage auf,

ob dieser denn einen falschen Namen habe und ob man demzufolge

auch in anderen Fällen „[F]alsches reden“117 oder Falsches irgend-

sprachlich ausdrücken könne? Im Rahmen von Überlegungen, ob

„richtig“ und „falsch“ angemessene Kriterien zur Beurteilung von

111 Kratylos 425b f., S. 223. 112 Vgl. Kratylos 425d, S. 223. 113 Kratylos 427d, S. 227. 114 Kratylos 429a, S. 231. 115 Vgl. Kratylos 407e, S. 175. 116 Vgl. Kratylos 407e ff., S. 175ff. 117 Kratylos 429d, S. 233; Änd. v. G.v.S.

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Sprache sind, lässt PLATON den Sokrates näher bestimmen, was er

unter Nachahmung versteht. Er vergleicht den Vorgang der

sprachlichen Nachahmung mit der Nachahmung durch ein Bild.118 Bei

beiden, der Zuordnung eines Bildes zu einer Sache wie auch bei der

eines Wortes zu einer Sache, kann die Zuordnung ihr „zukommend[...]

und ähnlich“119 sein oder nicht. Die Namen, als sprachliche Urzeichen

verstanden, werden beim Sprechen über Dinge so arrangiert, dass sie

ein „Großes, Schönes und Ganzes bilden“ und als solches der

Abbildung durch ein „Gemälde“120 entsprechen. Das wird für Wort,

Satz und Rede gleichermaßen postuliert, welche sich nur dadurch

unterscheiden, dass die durch sie abbildende Aussage immer

komplexer wird.121 Dem Passen oder Nicht-Passen eines Wortes

schreibt Sokrates aber eine andere Qualität zu als dem eines Bildes.

Wort und Bild sind einander ähnlich in der Art der Darstellung. Sie

suchen beide eine Sache nachahmend zu zeigen. Das Wort ist aber in

seiner Nachahmung auf die Wahrheit, das Wesen und das Sein der

Sache gerichtet, ein Bild nicht:

„Nämlich eine solche Verteilung beider Nachahmungen, der Bilder sowohl als der Wörter, nenne ich richtig, die der Wörter aber zugleich auch wahr; die andere aber, welche unähnliches einander gibt und beilegt, nenne ich unrichtig, und wenn sie mit den Wörtern vorgeht, zugleich falsch.“122

Das Wort kann aber nur auf Wahrheit, Wesen und Sein eines Dinges

zielen, suchen es nachzuahmen, es wird aber nie Wahrheit, Wesen und

Sein des Dinges erreichen oder mit ihnen übereinstimmen.

118 Vgl. Kratylos 430a f., S. 235. 119 Kratylos 430c, S. 237; Ausl. v. G.v.S. 120 Beides: Kratylos 425a, S. 221. 121 Vgl. Kratylos. 424d-425a; 432d-433a; 430e-431d. Vgl. auch SCHMITZ 1985, S. 104. 122 Kratylos 430d, S. 237.

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„Lächerliches wenigstens, o Kratylos, würde den Dingen widerfahren von den Wörtern die ihre Benennungen sind, wenn diese ihnen in allem auf alle Weise ähnlich gemacht würden. Alles nämlich würde zwiefach da sein, und man würde von keinem von beiden mehr angeben können, welches das Ding selbst wäre, und welches das Wort.“123

Folglich kann auch die Abbildtheorie des Kratylos nicht zutreffend

sein, basiert sie doch auf der Annahme, das vom Gesetzgeber

geschaffene Abbildende habe eine „natürliche Richtigkeit“124, da es

das Vermögen besitze, das Abgebildete deckungsgleich zu zeigen.

In seinem Vergleich zwischen Wort und Bild legt Sokrates

weiter dar, dass sie sich als Bezeichnendes vom bezeichneten Ding

unterscheiden, ohne dass die Unterscheidungsmerkmale der Tatsache,

dass eine Nachahmung vorliegt, Abbruch täten. Das heißt, ohne „daß

sobald etwas fehle oder hinzukomme es gleich nicht mehr Bild sei“125.

Aber auch bei einer Übereinstimmung zwischen Gegenstand und

Sprache, die nicht absolut ist, wird über den mehr oder weniger

entsprechenden Gegenstand gesprochen.126 Somit scheint die These

des Hermogenes, Verabredung und Übereinkunft lägen dem

Gebrauch von Wörtern zugrunde, der dann Bedeutung herstelle,127

doch nicht ganz von der Hand zu weisen zu sein, wenn auch das

Streben nach höchstmöglicher sprachlicher Genauigkeit128 zeigt, dass

selbst darin eine gewisse Abbildungsabsicht liegt, die auf ein

sprachliches Streben nach Wahrheit hindeutet.

123 Kratylos 432d, S. 243. 124 Kratylos 383b, S. 109. 125 Kratylos 432d, S. 243. 126 Vgl. Kratylos 432e, S. 243. 127 Vgl. Kratylos 384d, S. 111. 128 Vgl. Kratylos 433a f., S. 243ff.

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Nochmals wird auf die „Stammworte“129 Bezug genommen.

Diese werden gedacht als die ältesten und damit die authentischen

Bezeichnungen, diejenigen, welche in ihrer Nachahmung der

Gegenstände als die ersten auch die genauesten sind.130 Diese

Genauigkeit wird von einem Bestreben des Gesetzgebers herrühren,

die Stammworte den Dingen, die sie benennen, so ähnlich wie

möglich zu machen:

„Aber wenn die Stammwörter Darstellungen von etwas sein sollen, weißt du eine andere bessere Art wie sie Darstellungen sein können, als wenn man sie möglichst so macht, wie dasjenige, was sie ausdrücken sollen?“131

Wäre dies zutreffend, müssten zwei Bedingungen erfüllt sein. Zum

einen müssten schon die Buchstaben den darzustellenden Sachen

ähnlich sein;132 zum anderen müsste der gesetzliche „Sprachgeber“133

ein „Wissender“134 sein, der Sein, Wesen und Wahrheit des

Abzubildenden kennt. Vor allem letzteres ist aber laut Sokrates

unmöglich, da der Mensch ein solches Wissen nicht hat.135

„Verabredung“ und „Gewohnheit“ können hingegen nicht „der

Grund der Richtigkeit der Wörter“ sein, denn sie bezeichnen „durch

Ähnliches wie durch Unähnliches“. Eines vermögen sie allerdings: sie

tragen zur „Kundwerdung der Gedanken“ bei.136 Wie können sie dies,

ohne mit einem Stammwort des für beide Sprachauffassungen

gesetzten „Wortbildner[s]“137 in Verbindung zu stehen? Wie kann ein

129 Kratylos 433d, S. 245. 130 Vgl. Kratylos 422b, S. 213. 131 Kratylos 433e, S. 245ff. 132 Vgl. Kratylos 434a, S. 247. 133 Kratylos 435d, S. 253. 134 Kratylos 436c, S. 255. 135 Vgl. Kratylos 425c, S. 223. 136 Insges.: Kratylos 435a f., S. 251. 137 Kratylos 437c, S. 257; Zus. v. G.v.S.

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Wortbildner Stammworte bilden, ohne ein Wissender sein zu können?

Und: Wie können wir reden, müssten wir annehmen, die Stammworte

seien falsch? Denn läge im Beginn der Benennungen ein Fehler, so

wären alle Deduktionen fehlerhaft.138

„Jedermann“, der sich sprachlich äußert, muss – wie

„Jedermann“, der an den „Anfang jeder Sache“139 zurückzugehen hat

– an den Anfang der Sprache gehen, bevor er ein Wort bedenkenlos

benutzt. Zu einer vorläufigen Klärung der aufgeworfenen Fragen wird

noch einmal an die mit Etymologien verbundenen Mythen bei

Heraklit, Homer und Hesiod erinnert, die den Ursprung der Götter

und damit den Ursprung alles Seienden auf Wasser zurückführten.140

Analog dazu betont Sokrates nun, dass „alles ströme und fließe und in

Bewegung sei, dahin, sagten wir, deuten uns die Worte das Sein und

Wesen der Dinge“141. Zugleich gibt es aber auch Dinge, die nicht

fließend und bewegt sind, nämlich „das Beständige, wie es offenbar

Nachbildung eines auf dem Grunde festen und stehenden ist und

nicht einer Bewegung“142. Somit läge in der Sprache beides, sowohl

der erste gesetzgebende und abbildende Anfang von Sprache und

Bedeutung als auch der Sprachgebrauch, welcher zu Modifikationen

führt. Sprache wird nun gedacht als Status und Wandel, beide aber

orientiert an Wahrheit, Wesen und Sein.

1.1.1.3 Weder Abbild- noch Gebrauchstheorie

Die Frage, ob eine Abbildtheorie oder eine Gebrauchstheorie die

Sprache hinsichtlich der Bedeutung ihrer Namen zutreffender

138 Vgl. Kratylos 437d f., S. 255. 139 Kratylos 436d, S. 255. 140 Vgl. Kratylos 402a f., S. 161ff. 141 Kratylos 436e, S. 255; vgl. auch PERREINS 1994, S. 72. 142 Kratylos 437a, S. 255f.

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bestimmt, scheint am Ende des Kratylos nicht mehr die wesentliche zu

sein. Indem er kritisch „gegen verschärfte und radikalisierte

Interpretationen“143 der zugrundeliegenden antithetischen Positionen

des Kratylos und des Hermogenes vorgeht und dieselben zur Aporie

führt,144 wendet Sokrates sie mehr und mehr zu einer pädagogischen

Frage. Das Streitgespräch wird mehrfach als ein Lehrgespräch

ausgewiesen.145 Dass ein Zweck zu sprechen darin liegt zu belehren,

zeigen bereits die Ausführungen zum pädagogischen Reden und zum

„Lehrkünstler“146. PLATON lässt Sokrates diesen Gedanken nochmals

in der Frage zuspitzen: „Also der Belehrung wegen werden Worte

gesprochen?“147 Darin liegt eine Verkettung von Sprachtheorie und

Erkenntnistheorie. Die Erkenntnis von Wahrheit, Wesen und Sein

rückt in den Fokus des Dialoges. Schon der Wortfindung eines

Sprachgebers muss eine Erkenntnis außerhalb von Sprache

vorausliegen, sind es doch die ersten Namen, die er schafft.

Zumindest der sprachliche Gesetzgeber hat nicht die Möglichkeit,

durch Sprache zu erkennen.148 Jedem späteren Redner, dem nur noch

defiziente Deduktionen der Stammwörter vorliegen, ist es ebenso

wenig ratsam, sprachlich nach Erkenntnis zu streben. Jenseits der

Zweideutigkeit149 von Sprache, die als zwischen Statik und Dynamik150

schwankend bestimmt worden ist, wird etwas außerhalb von Sprache

Liegendes in den Blick genommen, das auf Erkenntnis verweist:

143 KRAUS 1996, S. 21. 144 Vgl. BORSCHE 1990, S. 57. 145 Vgl. z.B. Kratylos 384a ff., S. 109 ff.; 427e, S. 229; 428b, S. 229. Vgl. auch GRAESER

1989, S. 3 sowie GUNDERT 1968, S. 13ff., S. 22. 146 Beides: Kratylos 388c, S. 123. 147 Kratylos 428e, S. 231. 148 Vgl. Kratylos 438a f., S. 259. 149 Vgl. Kratylos 437a, S. 255. 150 Vgl. Kratylos 437c, S. 257.

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„Wenn also die Wörter in Streit geraten, und die einen sagen, sie selbst wären die der Wahrheit ähnlichen, die andern aber sie, wodurch sollen wir es nun entscheiden oder mit Rücksicht worauf? Doch wohl nicht wieder auf andere Wörter als diese? Denn es gibt ja keine. Sondern offenbar muß etwas anderes aufgesucht werden als Worte, was uns ohne Worte offenbaren kann, welche von diesen beiden die richtigsten sind, indem es uns nämlich das Wesen der Dinge zeigt. [...] Es ist also doch möglich, wie es scheint, Kratylos, die Dinge kennen zu lernen ohne Hülfe der Worte, wenn sich dies so verhält.“151

Bei der Wahl zwischen einem fehlerhaften „Bilde“152 und dem „Wesen

selbst“153 als Lernstoff scheint es naheliegend, den ontologischen

Gegenstand der gesuchten Erkenntnis selbst und nicht seinen

logischen Platzhalter zum Gegenstand der Erkenntnissuche zu

machen.154 Das erscheint zunächst zwar schwieriger, zugleich aber

erfolgversprechender, denn die „Worte“, von Deduktion zu

Deduktion ungenauer, „betrügen“155 den, der sich in der

Erkenntnissuche auf sie stützt. Dies führt PLATON mit Sokrates auf

die Zweideutigkeit zwischen Statik und Dynamik, als „Flußlehre“156

bezeichnet, zurück:

„Auch laß uns noch bedenken, daß nicht doch etwa diese vielen Worte, [...] in der Tat diejenigen zwar, welche sie bildeten es in dem Gedanken getan haben, als ob alles immer im Fluß und in Bewegung sei, die Sache selbst sich aber gar nicht so verhält, sondern nur sie selbst gleichsam in einen Strudel hineingefallen, die Besinnung verloren haben, und uns nun auch mit sich hineinziehen.“157

151 Kratylos 438d f., S. 261; Änd. u. Ausl. v. G.v.S. 152 Kratylos 439a, S. 261. 153 Kratylos 439b, S. 263. 154 Vgl. Kratylos 439a f., S. 261ff. 155 Kratylos 439c, S. 263. 156 Kratylos 439b, S. 263: Gliederung von SCHLEIERMACHER. KRAUS verweist in diesem

Zusammenhang auf die „Lehre der Herakliteer vom ewigen Fluß der Dinge“ (KRAUS

1996, S. 22). 157 Kratylos 439c, S. 263; Änd. u. Ausl. v. G.v.S.

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Wer Wahrheit, Wesen und Sein zu erkennen sucht, wird gewöhnlich

versuchen, Bruchstücke seiner Erkenntnis festzuhalten. Es werden

sprachliche Versuche sein, Teilerkenntnisse in Sprache zu bannen. Die

Sprache ist aber nie eindeutig, sie kann nichts halten, da sie im-Flusse-

befindlich einen Status zu erzeugen sucht. In diesem Schwanken

zwischen Bewegung und Stetigkeit scheint für Sokrates selbst Sein,

Wesen und Wahrheit einer Veränderung unterworfen zu werden.158

Unter diesen Umständen ist Erkenntnis unmöglich, denn Erkenntnis

müsste so unveränderlich feststehend sein wie die genannten drei

selbst.

„Denn nur wenn dieses selbst, die Erkenntnis von dem Erkenntnis sein nicht weicht, so bliebe sie dann immer Erkenntnis und es gäbe eine Erkenntnis. Soll aber auch diese die Erkenntnis an und für sich selbst sich verwandeln, so verwandelt sie sich in etwas von anderer Art als die Erkenntnis, und es gibt dann keine Erkenntnis. Verwandelte sie sich aber immer, so gibt es immer keine Erkenntnis, und von diesem Satze aus gibt es weder Erkennendes noch ein zu erkennendes. Ist aber immer das Erkennende und das Erkannte, ist das Schöne, ist das Gute, ist jegliches seiende: so scheint mir dies, wie wir jetzt sagen, gar nicht mehr einem Fluß ähnlich oder einer Bewegung.“159

Das heißt aber nur eins: Erkenntnis ist redend-sprachlich

unmöglich.160 Verwiesen wird auf die still ruhende Idee als

unveränderlich Ontisches, auf das die Erkenntnis gerichtet ist161 und

auf eine andere Sprachlichkeit. Um sie zu suchen, wäre das Stillhalten

im Schweigen einem unsteten Reden vorzuziehen.

158 Vgl. Kratylos 439d, S. 263. 159 Kratylos 440a ff., S. 265. 160 BORSCHE sieht in diesem Gedanken die erste Ursache für eine Unterscheidung der

Disziplinen Erkenntnistheorie und Sprachtheorie. (Vgl. BORSCHE 1990, S. 59) 161 Vgl. die Überschrift SCHLEIERMACHERS Kratylos 439b, S. 263; Politeia 527a, S. 268

sowie BORSCHE 1996, S. 96ff.

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1.1.2 Zwischen Logos und Idee

Die Frage der Erkenntnis, so wie PLATON sie fasst, verweist auf das

Spannungsfeld zwischen Logos und Idee. Die Wortbedeutung des

griechischen Wortes Logos ist weit, umspannt aber in erster Linie eine

Vielzahl sprachlicher Momente, nämlich „Aufzählung, Berechnung,

Rechenschaft, Rechtfertigung [,...] Verhältnis, Proportion, Erklärung,

Beweisführung, Vernunft, Bericht, Darlegung, Aussage, Wort,

Ausdruck, Gegenstand der Unterredung“162. Der Begriff wird in der

PLATON-Interpretation für gewöhnlich als Aussage-Satz von Namen,

onomata, unterschieden. Damit wiese das Folgende über die Kratylos-

Analyse hinaus. Insofern am Ende des Kratylos zur Klärung von

Erkenntnis ein anderes gesucht wird, erscheint es legitim, eine weitere

Sprachvorstellung – wie sie vornehmlich mit Theaitet und Sophistes

vorliegt – einzubeziehen. Andererseits ist der Bezug zwischen Name

und Ding in gleicher Weise als prädikative Aussage deutbar wie eine

Satzstruktur:163 Der Name fungiert als Prädikat, sofern der Kern der

Aussage, also die Abbildung des bezeichneten Gegenstandes allein

durch das Elementare gegeben ist. In gleicher Weise ist der komplexe

Satz prädikativ dem komplexen Sachverhalt zuzuordnen. Es wird also

von einem umfassenden Logos-Begriff ausgegangen, der den Namen

einschließt. Der Fokus liegt auf der Deutung als einer Verbindung von

Denken und Sprache.164 Die PLATONischen Dialoge zeugen zunächst

von einer Grundhaltung ihres Autors, nach der Sprache, vornehmlich

die gesprochene Sprache, also das Reden, Mittel der Erkenntnissuche

ist. Die Dialoge sind keine Zeugnisse der Art von

Vorlesungsmitschriften, bei denen ein monologartiges Dozieren des

Sokrates festgehalten wäre. Vielmehr steuern dessen Gesprächspartner

162 VERBEKE 1980, Sp. 491; Ausl. u. Zus. v. G.v.S. Vgl. auch OPSOMER 2002, S. 254. 163 Vgl. GAISER 1974, S. 98f.; DERBOLAV 1972, S. 92ff.; BORSCHE 1990, S. 64. 164 Vgl. VERBEKE 1980, Sp. 491.

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mit ihren Fragen und Beiträgen ihre Vorkenntnisse als „Erkenntnis“,

welche jeder von ihnen „in sich trägt“165, bei. Es wird wissenschaftlich

disputiert, abgewogen, zugestimmt oder verneint. Die jeweiligen

Dialogpartner streben nach wahrem Wissen, befinden sich auf einer

gemeinsamen Erkenntnissuche, deren Grundlage der dialogische

Logos ist.166 Die Erkenntnissuche ist in den von PLATON verfassten

Gesprächen also eine sprachliche Annäherung an mögliche

Gegenstände von Erkenntnis. Was aber ist gemeint mit einer

Erkenntnis, welche die einzelnen Dialogpartner in sich tragen? Sie ist

ein Hinweis auf das zweite Moment der Erkenntnisfrage, die Idee.

Das Wort Idee „meint zunächst die sichtbare äußere Gestalt

einer Sache [...], die freilich auch täuschender Schein sein kann [...]

dann allgemein die Beschaffenheit, die Eigenschaften von Dingen,

etwa die Verwendbarkeit der Blätter einer bestimmten Baumsorte zur

Herstellung von Textilfarben [...]. Schließlich dient das Wort [...] der

Klassifizierung“167. PLATON gebraucht es für

„Jenes Wesen selbst, welchem wir das eigentliche Sein zuschreiben in unsern Fragen und Antworten, verhält sich dies wohl immer auf gleiche Weise, oder bald so, bald anders? Das Gleiche selbst, das Schöne selbst, und jegliches, was nur ist, selbst, nimmt das wohl jemals auch nur irgend eine Veränderung an? Oder verhält sich nicht jedes dergleichen als ein einartiges Sein an und für sich immer auf gleiche Weise und nimmt niemals auf keine Weise irgendwie eine Veränderung an? Auf gleiche Weise, sprach Kebes, und einerlei verhält es sich notwendig, o Sokrates.“168

Idee bezeichnet also bei PLATON die Transzendentalien, die in der

Vorstellung von der Idee als die „Einheit“, die „Wahrheit“, die 165 VERBEKE 1980, Sp. 494. 166 Vgl. VERBEKE 1980, Sp. 494. 167 MEINHARDT 1976, Sp. 55; Ausl. v. G.v.S.; vgl. auch BORDT 2002, S. 119. 168 Phaidon 78d, S. 759. Besonders wird die Vokabel „Idee“ seit Cicero auf solche

Zusammenhänge bei PLATON angewandt. (Vgl. MEINHARDT 1976, Sp. 55)

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„Gutheit“ und die „Schönheit“ gedacht werden als dem Sein inhärent

und in eins zusammenfallend.169 Dem Idealen entsprechend

transzendieren sie diejenigen Aspekte der Dingwelt, die auf empirische

Erfahrbarkeit begrenzt sind und zielen auf das Wesen.170 Diesem gilt

es – das Empirische übersteigend – sich mittels logischer Analyse

anzunähern.171 Die auf den Horizont der Idee hinweisenden

Transzendentalien sind im Kratylos angesprochen, wo von Wahrheit,

Wesen und Sein die Rede ist, die durch einen Namen ausgedrückt

werden sollen, durch seine Defizienz aber nicht ausgedrückt

werden.172 Das Gute gilt PLATON als höchste, da alle transzendentalen

Gesichtspunkte umfassende und damit sogar das bloße Sein

transzendierende Idee.173 Ihre Erkenntnis ist als „Ursache von reiner

Vernunfterkenntnis und Wahrheit“174 höchstes logisches

Erkenntnisziel. Im Passen oder Nichtpassen eines Namens, also einer

ästhetischen Maßgabe, ob ein Wort Wahrheit, Wesen und Sein einer

Sache ausdrückt, wird im Zusammenhang der Sprache auf das Schöne

angespielt.175 Vor allem aber das Problem der „Erkenntnis der

Dinge“176 weist in den Kontext der Idee. Die

„Wiedererinnerungslehre“177 im Menon178 zeigt, an welchem Ideal

PLATON die irdische Erkenntnis misst, und erklärt damit, dass sie

defizient bleiben muss: Innerhalb einer mythischen Erzählung heißt

169 LOTZ 1965, Sp. 314. 170 Vgl. insges.: LOTZ 1965, dort besonders Sp. 314. 171 Vgl. Phaidros 249b, S. 440. 172 Vgl. Kratylos 421b, S. 211; 425b f., S. 223; 438d f., S. 261. 173 Vgl. Politeia 508d, S. 244; vgl. auch HAGER 1972, Sp. 589. HEIDEGGER nennt das

Gute bei Platon „das Göttliche“. (HEIDEGGER 1975, S. 48) 174 Politeia 508d, S. 244. 175 Vgl. Kratylos 425a, S. 221. 176 Kratylos 439b, S. 263. 177 MEINHARDT 1976, Sp. 56. 178 Vgl. Menon 81c ff., S. 45ff.

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es, die Seele179 des Menschen habe vor seiner Geburt, in einer

unkörperlichen, nicht empirischen Schau Sein, Wesen und Wahrheit

aller Dinge der Welt erkannt. Mit dem Geborenwerden habe sie diese

fundamentale ontologische Erkenntnis vergessen und sei in die

Notwendigkeit des Lernens gestellt. Lernen als Erkenntnissuche

bedeutet in diesem Kontext Wiedererinnerung an das, was die Seele

durch vorgeburtliche Schau schon einmal wusste.180 Die

vorgeburtliche Schau war nicht körperlich gedacht worden. Die

lernende Erkenntnissuche ist an den Körper und damit an sinnliche

Wahrnehmung gebunden. Und obwohl der Mensch erkannt haben

muss, um lebend handeln zu können181 und auch der Lehrer in

bestimmter Hinsicht ein Wissender sein muss, um pädagogisch

handlungsfähig zu sein, ist er zugleich ein Nichtwissender. Diese

Paradoxien verweisen auf eine PLATONische Differenzierung des

Wissensbegriffs, genauer auf die Unterscheidung zwischen doxa, der

„Meinung“, „Erwartung“ oder „Vermutung“182 und episteme, der

„Kenntnis“, dem „Wissen“ und der „Wissenschaft“183.

„Es genügt also, fuhr ich fort, den ersten und obersten Abschnitt des Erkennens W i s s e n s c h a f t zu nennen, den zweiten V e r s t a n d e s e i n s i c h t, den dritten G l a u- b e n a n d i e S i n n e, den vierten b l o ß e n S c h e i n v o n W a h r h e i t, und einerseits die beiden letzten zusammen M e i n u n g, andererseits die ersten zusammen V e r n u n f t e i n s i c h t; dabei bezieht sich M e i n u n g auf das wandelbare Werden, Vernunfteinsicht auf das unwandelbare Sein, so dass wie Sein zum Werden, so Vernunfteinsicht zu Meinung, und wie Wissenschaft zu

179 Die Seele ist der Ort, an dem gelernt und erkannt wird. (Vgl. BORSCHE 1996, S. 110f.

und ROTENSTREICH 1983, S. 19ff.) 180 Vgl. MEINHARDT 1976, Sp. 56. 181 Vgl. Politeia 517c, S. 253. 182 Insges.: STÜCKELBERGER 1972, S. 287; vgl. auch BRACHTENDORF 2002, S. 115. 183 Insges.: RAPP 2002, S. 146.

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Glauben an die Sinne, so Verstandeseinsicht zu Scheinwissen sich verhält.“184

Empirische Erkenntnis ist eine Notwendigkeit der tätigen

Weltbewältigung im Alltäglichen, das spontanes Einstellen auf sich

ändernde Situationen erfordert. Sie ist – als Handlungs-Wissen

klassifizierbar – nicht auf das Wesen der Dinge gerichtet, sondern auf

ihre prozesshaften Erscheinungsformen. Vernunftgeleitete

Verstandeserkenntnis ist auf die wesenhafte Wahrheit des Seins

gerichtet.185 Sie ist als ein ideales Wissen zunächst unerreichbar.

Sprachlich ist zu suchen nach einer „Wesensaussage“186, die sich von

einer Meinung existentiell unterscheidet.187 Der Mensch müsste also,

folgt man dieser PLATONischen Vorstellung, um wahre Erkenntnis

von Sein und Wesen zu erlangen, in den Zustand zurückversetzt

werden, der ihm die an ihr teilhabende Schau der allumfassenden Idee,

wie er sie vorgeburtlich erfahren hat, erneut ermöglicht. Weiß er um

das Moment der Wiedererinnerung, ist ihm bewusst, dass die

empirische Erkenntnis einer Sache, wenn er sie denn nach logischen,

also sprachlichen Annäherungsversuchen erringt, nur eine partielle

Erkenntnis sein kann, die ebenso mangelhaft ist wie das Mittel seiner

Suche, die Rede. Wie die Erkenntnis ist auch das zu erkennende

Einzelding mangelhaft. Es ist durch methexis, Teilhabe an seinem

idealen Wesen, der Idee, seiend, wäre aber nur durch absolutes

Einssein mit der Idee wesenhaft und wahr. So müssten sowohl 184 Politeia 533e, S. 278. Die eigentlich vier Formen der Erkenntnis (vgl. 7. Brief, 342a ff.;

GRAESER 1989 sowie BRAUN 1996, S. 85) lassen sich zum Gegensatz doxa – episteme

polarisierend zusammenfassen. Wesentlich für die vorliegende Diskussion ist das

Hervorheben eines ontologischen Wissens, das sich von allen anderen unterscheidet und

als ideale Erkenntnisform, obgleich unerreichbar, angestrebt wird. 185 Vgl. Politeia 527a, S. 268; vgl. auch BORSCHE 1996, S. 96f.; S. 103 sowie KUTSCHERA

2002, S. 98f. 186 BORSCHE 1990, S. 81. 187 Zur Unterscheidung von doxa und episteme umfassend: Vgl. EBERT 1974.

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Erkennender als auch zu Erkennendes mit der Idee vollkommen

zusammenfallen, damit es wahre und wesenhafte Erkenntnis des

Seienden geben könnte. Gleiches gilt für einen idealen Logos, eine

ideale Sprachlichkeit, welche in der Transzendenz, die allein das

zuletzt Erörterte verheißt, am wesenhaft wahr Ontischen partizipiert.

Im Irdisch-Menschlichen muss Sprachlichkeit als müder Abklatsch

des Logos und Erkenntnis als schwacher Abglanz der Idee defizitär

bleiben.

1.1.3 Logos und Idee im Schweigen

PLATON lässt die Menschen zunächst logisch, das heißt sprachlich,

redend, im Dialog, durch Analyse von Namen Erkenntnis der durch

diese bezeichneten Gegenstände suchen. Eine solche Analyse führt

der Kratylos vor. An seinem Schluss steht die Einsicht in die „Nicht-

Artikulierbarkeit [...] der Ideen“188 eine doppelte Defizienz, die

Mangelhaftigkeit des Einzeldings „in seinem Zurückbleiben hinter

seinem eigentlichen Wesen“189 und die Mangelhaftigkeit der eigenen

logisch gesuchten Erkenntnis. Damit liegt ein Eingeständnis von

Nichtwissen vor. Dies ist bestimmbar als Antithese des Logos, die

denselben in Frage stellt.190 Der Dialog als schriftlich festgehaltene

Rede ist ein nichtwissender Logos ohne Wahrheitseinsicht, er verweist

aber zeichenhaft auf einen anderen Logos mit Wahrheitseinsicht,191

das Schweigen.192 Gemeint ist hier ein idealer Logos, der in

transzendentaler Partizipation an der Idee auf deren Wahrheit

188 GRAESER 1989, S. 4; Ausl. v. G.v.S. Vgl. auch Kratylos 439b, S. 263. 189 MEINHARDT 1976, Sp. 56. 190 Vgl. MÜLLER 1984, Sp. 838. 191 Vgl. auch Sophistes 259b, S. 726 sowie BORSCHE 1996, S. 113. 192 Vgl. GUNDERT 1968, S. 15.

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gerichtet an der Wahrheit der Idee teilhat. Diesen entbehrt der

Mensch im Diesseits, also weiß er nicht.

Der Mensch sucht logisch, in der Rede, nach Erkenntnis, weiß

aber nicht. Die Idee umfasst die gesuchten Aspekte der Wahrheit, des

Wesens und des Seins, zeigt sie aber nur transzendental. Einzig durch

Überwindung des Gefangenseins im menschlich-körperlich-irdischen

Leben ist Erkenntnis von Wahrheit, Wesen und Sein möglich, denn

„um das wahrhaft Seiende zu erfassen, muß man sich aus den Banden

des Stofflichen befreien“193. Das heißt, empirische Erkenntnis ist zu

überwinden, ontologisch-wesensmäßige zu suchen. Ein derart

Befreiter hat Teil an Wahrheit, Wesen und Sein der Idee. Er ist

übersteigend und allumfassend Seiendes, ist Idee und ist Logos.

Sucht man die Sprache und das mit ihr verbundene Streben

nach Erkenntnis im Spannungsfeld der beiden genannten Begriffe –

Logos und Idee – zu fassen, stellt sich die Sachlage dar, wie folgt: Die

Gegenstände der Welt sind ursächlich der Idee zuzurechnen, denn

außerhalb des Realen, Konkreten, determiniert die Idee den

Realgegenstand in seiner ontologischen Ausprägung metaphysisch.

Solange der Mensch in Empirie gefangen ist, ist Erkenntnis

unmöglich, was auf den vorgeburtlichen Zustand der

ideenschauenden Seele zurückverweist, aber auch programmatisch zu

lesen ist. Die Determination durch die Idee betrifft alle dem

Gegenstand entsprechenden Eigenschaftsmöglichkeiten, das heißt alle

Prädikate des Einzeldinges sind fakultativ ideal vorgebildet. Die

konkrete Ausformung des Gegenstandes entspricht seiner Idee. Ein

solches Entsprechen ist für PLATON dem idealen Wesen des

Gegenstandes gemäß.194

193 VERBEKE 1980, Sp. 493. 194 Vgl. Phaidon 78d, S. 759.

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Sprache sieht sich also einer Dingwelt gegenüber, die in

vorfindbare und beschreibbare Gegenstände als ontologische

Ableitungen wesenhaft idealer Gegenstände jenseits von

Vorfindbarkeit und Beschreibbarkeit zerfällt. Die PLATONische

Beschreibung des Elementarelements von Sprachlichkeit verweist auf

etwas, „was das Wort wirklich ist“195. Somit scheint auch Sprache in

wesenhafte Idealworte und abgeleitete Realworte gegliedert zu sein. In

Anlehnung an die Idee eines Gegenstandes ist folglich auch von der

Idee eines Wortes auszugehen. Dem konkreten Wort war das Prädikat

„belehrend“196 zugewiesen worden. Es kann belehrend genannt

werden, weil diese Eigenschaft ontologisch seinem Wesen entspricht,

genau so wie die Eigenschaft zu benennen, zu erinnern oder zu

tradieren. Als Prädikate sind diese Eigenschaften wesenhaft

zusammen gedacht in der Idee vom Wort enthalten. Das bisher über

dieses ideale Wort ausgesagte unterscheidet es nicht wesentlich von

anderen Ideen; der Begriff bezeichnet aber etwas anderes.

Im idealen Wort fallen Idee und Logos zusammen.197 Sein

Wesen umfasst Dingwelt und Erkenntnis der Dingwelt, denn es ist

einerseits Wesen eines Dinges, dessen Prädikate es der konkreten

Ableitung vorgibt, dessen Prädikat andererseits zugleich ist,

Erkenntnis zu suchen. In der Unterscheidung von realem Wort und

idealem Wort sind das konkrete Ding und das konkrete Wort auf einer

Ebene anzusiedeln, insofern sich der Konkret-Gegenstand mit dem

Konkret-Wort beschreiben lässt. Das Ergebnis der Beschreibung

entspricht der doxa. Das Bezeichnen eines Realgegenstandes mit

einem Realwort ist ein Meinen, nicht ein Wissen. Es ist zwar auf der

195 Kratylos 389d, S. 127. 196 Kratylos 388b, S. 123. 197 Vgl. auch MARTEN 1962, S. 62.

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Wortebene an seinem ontologischen, idealen Wesen orientiert, aber

als empirisch erfahrbares Wort selbst nicht Idee. Ausgerichtet ist das

Wort zwar auf der Dingebene auf die Idee des Dinges, welches es zu

bezeichnen sucht, ihm liegen aber lediglich die sinnlich

wahrnehmbaren Prädikate des konkreten Dinges als Basis seines

Bezeichnungsversuchs vor. In phonetischer Sinnlichkeit und

prädikativem Wandel ständigen Veränderungen unterworfen, kann das

Realwort nur Ausdruck relativierbaren Meinens sein.198 Es ist zwar

von gewisser Bedeutung, sofern das Wort die Handlung ermöglicht –

auch das lehrende Handeln des Lehrers – darf aber in seinem

Erkenntniswert nicht überschätzt werden. Erkenntnis im Sinne von

Vernunft- oder Verstandeseinsicht vollzieht sich ausschließlich im

Bereich des Idealen. Sie ist zu denken als Ontologie, in Form der

Sprachlichkeit der Wort-Idee, die sich zu einer Ding-Idee in Relation

setzt. Nur so ist sie epistematisch, also seinsbezogen199, „wahr“200,

beständig und einheitlich201 zu nennen. Das ideale Wort hat die Form

des Schweigens, da das Aussprechen des Wortes, das Ertönen der

Stimme bei seiner Aussprache es empirisch erfahrbar, damit real und

nicht wesenhaft unwandelbar seiend machte. Als reine Anschauung

eines Idealgegenstandes ist das Idealwort stumme Sprachlichkeit, ist

Schweigen.

Ein am Idealen teilhabendes „Denken“ wäre dann „ein inneres

Gespräch der Seele mit sich selbst über die Gegenstände, die sie

betrachtet“202, allerdings nicht länger als ein „Nichtwissender“203,

198 Vgl. HAGER 1972, Sp. 589. 199 Vgl. RAPP 2002, S. 148. 200 RAPP 2002, S. 147. 201 Beides: RAPP 2002, S. 148. 202 VERBEKE 1980, Sp. 493. 203 Theaitetos 189e ff., S. 630.

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sondern als ein Wissender und nicht länger als ein Redender, der „nur

ein Geräusch“ macht und „sich ganz unnütz in Bewegung“ setzt, „wie

wenn einer an Metall schlägt daß es tönen muß“204. Wer sich „aus den

Banden des Stofflichen befreien“205 muss, muss sich auch aus den

Banden der mangelhaften Rede befreien, um logisch eins mit der Idee

zu sein. Dieser Logos ist idealer Logos, ist eine ontologische

Wesensaussage.206 Den erkennenden Ideal-Logos beschreibt PLATON

als

„eine Rede, welche die Seele bei sich selbst durchgeht über dasjenige, was sie erforschen will. [...] Denn so schwebt sie mir vor, daß, solange sie denkt, sie nichts anders tut als sich unterreden, indem sie sich selbst antwortet, bejaht und verneint. Wenn sie aber langsamer oder auch schneller zufahrend nun etwas feststellt und auf derselben Behauptung beharrt und nicht mehr zweifelt, dies nennen wir dann ihre Vorstellung. Darum sage ich: das Vorstellen ist ein Reden, und die Vorstellung ist eine gesprochene Rede, nicht zu einem andern und mit der Stimme, sondern stillschweigend zu sich selbst.“207

Der hier gedachte Logos ist im Gegensatz zur defizienten Rede ideale

Partizipation an der Idee. Er ist dies jenseits der defizitären

Sprachlichkeit und verweist auf autodidaktische Erkenntnisfindung.

Im sprachlosen Gespräch mit sich selbst erschließen sich dem

Erkennenden die Ideen. Erkenntnis vollzieht sich in der schweigenden

Selbstbelehrung. Erkenntnis ist Schweigen.

204 Kratylos 430a, S. 235. 205 VERBEKE 1980, Sp. 493; Änd. v. G.v.S. 206 Vgl. BORSCHE 1996, S. 109. 207 Theaitetos 189e ff., S. 630; Ausl. v. G.v.S.

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Aurelius AUGUSTINUS (354-430)208

208 Abbildung: CHENU 1998, S. 106. Daten: Vgl. BERNHART 1987, S. 944; S. 1006.

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1.2 „esto tranquillus, et intelliges — Sei still, und du wirst verstehen“209: SCHWEIGEN BEI AUGUSTINUS

I. Semiotik ist Erkenntnistheorie.

II. Gott ist ein ontologisches Wesen, dessen Sein Wahrheit und

Weisheit einschließt.

Er gibt dem von ihm Geschaffenen konkrete Prädikate vor.

III. Logisch meint Gott eine ideale Sprachlichkeit, welche

wesenhaft ist, für das Wesen steht und dessen Erkenntnis

einschließt.

Erkenntnissuche ist auf Gott als ein verbum gerichtet, das

einem Namen seine auffordernde und erinnernde

Prädikation vorgibt.

IV. Reale Sprachlichkeit transportiert Wissen nur in Form von

vocabula, tönenden Trägern von Bedeutung. Ihre

pädagogische Funktion liegt lediglich darin, zur Erkenntnis

aufzufordern oder an Erkanntes zu erinnern. Das durch sie

bezeichnete Wesen, ihre Bedeutung, muss bereits erkannt

sein.

IV.I Das Mittel möglicher Erkenntnis(-vermittlung) –

die Sprache – ist defizitär. Eine ontologische

Wesenserkenntnis ist realsprachlich nicht lehrbar,

da menschliche Worte vocabula, keine göttlichen

verba, und damit keine ontologischen

Wesensaussagen sind. 209 Enarratio XCI.14, eigene Übersetzung, vgl. WOHLFAHRT/KREUZER 1992, Sp. 1484.

Damit sei auf die deutliche Verbindung von auf Schweigen bezogener Sprachphilosophie

mit Erkenntnistheorie bei AUGUSTINUS verwiesen. Eine Verbindung dieser beiden war

mit PLATONs Dialog Kratylos erstmalig gegeben. (Vgl. BORSCHE 1995, Sp. 1438) Die

Anknüpfung von De magistro an den Kratylos ist in der Forschung belegt. (Vgl.

HENNIGFELD 1993, S. 133 und MOJSISCH 1998b, S. 145)

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IV.II Der Gegenstand der Erkenntnis(-vermittlung) –

das konkrete Ding hat einen dem konkreten Wort

vergleichbaren Offenbarungscharakter, bleibt aber

ebenfalls hinter seinem ontologischen Wesen

zurück.

V. Wesen, Wahrheit und Weisheit werden durch summus

magister Christus dessen Wesen zugleich als verbum und

vocabula, konkretes Wort, gedacht ist, illuminativ gelehrt.

VI. Konkrete Sprachlichkeit, wie auch der Dialog De magistro, ist

gelautetes Abbild des ihn prädestinierenden schweigenden

verbum.

VII. Schweigen als ideale Sprachlichkeit stellt die ontologische

Voraussetzung dafür dar, Wahrheit und Wesen der Dinge

durch Christi Lehre zu erkennen. Ihm gilt es schweigend

zuzuhören. Wer das erkannt hat, ist weise.

1.2.1 Ontologische Erkenntnistheorie

AUGUSTINUS sucht in De magistro Aufschluss über Erkenntnis, cognitio.

Mit diesem Begriff ist eine rationale Wissensform und der Weg ihres

Erwerbs gemeint. Ihr Gegenstand sind ausschließlich intelligible,210

nicht körperliche Dinge.211 Körper werden als sinnlich erfahrbar212 von

ontologisch Erfassbarem unterschieden. Die AUGUSTINische

Argumentation zielt auf letzteres, nämlich den Bereich ontologischer

und nicht empirischer Erkenntnis.213 Grundsätzlich ist Erkenntnis für

210 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro XII.39, S. 104f. 211 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro III.5, S. 18f. und XII.39, S. 104f. 212 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro XII.39, S. 104f. 213 Vgl. HESSE 1931, S. 50ff.

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ihn die Voraussetzung für Glückseligkeit.214 Sie richtet den Menschen

aus auf Gott, denn der Mensch wird ausschließlich in der Erkenntnis

Gottes erfüllt leben können. Nur, wenn er sich selbst als Geschöpf

und die Welt als Schöpfung erkennt und sich auf Gott ausrichtet,

erfasst er menschliches und weltliches Sein in Gott, denn Gott ist in

AUGUSTINischem Denken das Sein, dem es durch Erkenntnis zu

entsprechen gilt:

„Ohne Zweifel [...] ist Gott ein Wesensbestand oder, wenn der Ausdruck besser ist, ein Wesen; die Griechen sagen dafür [ousia]. Wie nämlich von weisesein Weisheit benannt ist, von wissen Wissenschaft, so ist sein (wesen) benannt von Wesenheit. Was man sonst Wesensbestand der Wesen nennt, begreift Dazukommendes (Akzidenzien) in sich, welches die Grundlage für große oder kleine Wandlungen bildet. Gott aber kann etwas derartiges nicht zukommen. Daher ist nur der Wesensbestand Gottes oder das Wesen, das Gott ist, unwandelbar. Ihm kommt ja wahrhaftig das Sein (Wesen), nach dem die Wesenheit ihren Namen hat, im höchsten und wahrhaften Sinne zu.“215

Der Name „Gott“ steht für die ontologische Seinsursache schlechthin,

eine Interpretation des Schöpfergottes, der als Ur-Wesen alles

Ontische – also auch sich selbst –216 umfasst und auf diese Weise

jedem Sein das Wesenhafte vorgibt.217 Die göttliche Wesenheit stellt

sich AUGUSTINUS als unteilbare Form218 dar, der zwar in

214 Vgl. Soliloquia; vgl. auch BORSCHE 1990, S. 112. 215 De trinitate V.2; Änd. u. Ausl. v. G.v.S.; übertragen von Michael SCHMAUS. 216 Vgl. BERLINGER 1962, S. 234. 217 Vgl. Dazu auch PLOTINs Lehre vom Ur-Einen. (Vgl. VORLÄNDER 1949, S. 257ff.)

Laut FLASCH bezieht sich nämlich AUGUSTINUS nicht nur auf PLATON, sondern auch

auf PLOTIN (*204, †270). (Vgl. FLASCH 1994, S. 12, S. 16) 218 Vgl. Sermo CXVII.2.

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Erkenntnisversuchen durch den Menschen verschiedene Attribute

zugeschrieben werden, welche aber im Sein Gottes in eins fallen:219

„Von Gott machen wir zwar vielerlei Aussagen, um auszudrücken, daß er groß, gut, weise, selig, wahr ist und was Er nur immer in nicht unwürdiger Weise genannt werden darf. Doch dasselbe ist Seine Größe wie Seine Weisheit. [...] Ebenso ist Seine Weisheit und Größe dasselbe wie Seine Güte, und seine Wahrheit ist dasselbe wie alle diese Eigenschaften. Für Ihn ist selig sein, groß sein, weise sein, wahr sein, gut sein und überhaupt sein ein und dasselbe.“220

Eine solche zugleich erkenntnistheoretische und ontologische

Ausrichtung auf Gott verheißt Glück; Glückseligkeit und Weisheit

sind von AUGUSTINUS zusammen gedacht.221 Da Gott für ihn die

Wahrheit ist,222 ist weise, wer Gott als wesenhaft wahr und damit

Ursprung aller Wahrheit erkannt hat.223 Sofern Weisheit auch als

göttlich gedacht ist, geht mit der Erkenntnis der Wahrheit Gottes, die

schon deshalb weise zu nennen ist, weil Wahrheit nicht fälschlich

anders verortet wird, Weisheit einher. Wer Gott erkannt hat, ist

zugleich glückselig. Die Art, in welcher der Mensch Gott erkennen

kann, um glückselig zu werden, ist eine seelische.224 Insofern Gott, die

Wahrheit, ewig ist und die Seele in ihrem Streben nach Wahrheit an

dieselbe gebunden ist, kommt auch der Seele Ewigkeit zu.225 Das

bedeutet, Glückseligkeit ist mit der Erkenntnis Gottes Aufgabe für das

diesseitige Leben und voraussetzender Ausblick auf ein ewiges. Die

Erkenntnis des diesseitigen Lebens ist allerdings eine Form der

219 Vgl. BOROS 1982, S. 65. 220 De trinitate VI.7; Ausl. v. G.v.S. 221 Vgl. HELMER 1997, S.31; PERL 1954, S. 9 sowie MÜLLER 1954, S. 17. 222 Vgl. MÜLLER 1954, S. 21. 223 Vgl. MÜLLER 1954, S. 17. 224 Vgl. MÜLLER 1954, S. 18. 225 Vgl. MÜLLER 1954, S. 27.

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Erkenntnis, welche die Differenz zwischen Mensch und Gott nicht

aufhebt. Gott ist in dreierlei Hinsicht zu erkennen: „daß er ist, daß er

erkannt wird, daß er das übrige erkannt werden lässt – quod est, quod

intelligitur, et quod cetera facit intelligi.“226 Das zu Erkennende ist

vorgegeben, der Mensch wird belehrt, er hört, wozu er zu erkennen

prädestiniert ist. Damit bleibt er auf Gott, den Grund, Geber und

Inhalt seiner Erkenntnis bezogen. Erkenntnisversuche des Menschen

können nur Akte begrenzter Qualität sein, da sie sich auf ein Faktum

richten, zu dessen Wesen es gehört, Vorausgesetztes und

Voraussetzendes zu sein. Es gibt allen ihm zugedachten Geschöpfen

und Schöpfungen ihre Wesensbestimmungen vor. Damit kann die

menschliche Erkenntnis für AUGUSTINUS niemals voraussetzungslos

sein. Zwischen Gott und Mensch bleibt immer ein qualitativ

differentes Ableitungsverhältnis bestehen, selbst, wenn der Mensch

erkennt.227 Eine Aufhebung dieser Differenz ist die Hoffnung der

Seele, die, abgeleitet vom voraussetzenden Wesen, die Erkenntnis

ihrer Voraussetzung sucht.228 Es ist dies eine Hoffnung auf jenseitige

erkennende,229 an Gott teilhabende „Wesensschau“230, die im Diesseits

unerreichbar ist. In der erkenntnisbezogenen Verbindung von

Diesseits und Jenseits ist Erkennen von Glauben nicht zu trennen,231

was der Sentenz Credo ut intelligam232 zu entnehmen ist. AUGUSTINUS

226 Soliloquium I.15; Änd. v. G.v.S. Übertragung von Hanspeter MÜLLER. 227 Vgl. auch WOHLFAHRT 1969, S. 77 f. 228 Vgl. WOHLFAHRT 1969, S. 78. 229 HESSE 1931, S. 229ff. 230 HESSE 1931, S. 223. 231 Vgl. BORSCHE 1990, S. 113. 232 Der Satz geht eigentlich auf ANSELM VON CANTERBURY zurück, der sich mit ihr in

seiner Schrift Proslogion aber auf AUGUSTINs 120. Brief bezieht. (Vgl. SÖHNGEN 1959, Sp.

89ff.) ANSELM schreibt:

„Non tento, Domine, penetrare altitudinem tuam, quia nullatenus comparo illi intellectum meum; sed desidero aliquatenus intelligere veritatem tuam, quam credit et amat cor meum. Neque enim quaero intelligere ut credam, sed credo ut intelligam. Nam et hoc credo: quia nisi

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sieht die Seele als mit beiden Vermögen ausgestattet – Glaube und

Intelligibilität –233

„cum etiam credere non possemus, nisi rationales animas haberemus. – da wir auch nicht glauben könnten, wenn wir keine vernünftigen Seelen hätten“234.

Und beide werden als einander voraussetzend gedacht:

„Si igitur rationabile est ut ad magna quaedam, quae capi nondum possunt, fides praecedat rationem, procul dubio quantulacumque ratio quae hoc persuadet, etiam ipsa antecedit fidem. – Wenn es also vernünftig ist, dass in Bezug auf gewisse große [Dinge], die noch nicht begriffen werden können der Glaube dem Denken vorausgeht, geht ohne Zweifel die noch so kleine Vernunft, die hiervon überzeugt, auch selbst dem Glauben voraus.“235

Die Seele erhält ihre wesensnotwendigen Vorgaben von Gott. Die

hier reflektierten Wesensvorgaben, zu glauben und zu erkennen,

richten die Seele auf ihre Ursache aus. Da Gott ontologisch

einschließt, was er vorgibt, sind beide Aspekte seines Seins in der

Seele abgebildet. Der Glaube wirkt prädominant, wo die Erkenntnis

fehlt; mangelt es an Glauben, greift der seelische Erkenntniswunsch.

Insofern intelligible Erkenntnis aber ein Maß an wesensteilhabender

credidero, non intelligam. – Ich versuche nicht, Herr, Deine Tiefe zu durchdringen, denn auf keine Weise stelle ich ihr meinen Verstand gleich; aber mich verlangt, Deine Wahrheit einigermaßen einzusehen, die mein Herz glaubt und liebt. Ich suche ja auch nicht einzusehen, um zu glauben, sondern ich glaube, um einzusehen. Denn auch das glaube ich: ‚wenn ich nicht glaube, werde ich nicht einsehen.‘“ (Proslogion 1)

Somit stellt er ein einseitiges Abhängigkeitsverhältnis dar, nach welchem die Erkenntnis

vom Glauben hergeleitet wird. Betont wird auf diese Weise zum einen das Unvermögen

des menschlichen Verstandes, der zum anderen selbstverständlich eine Prädominanz des

Glaubens gegenübergestellt ist. AUGUSTINUS geht demgegenüber von einem

wechselseitigen Bedingungsgefüge aus Erkenntnis und Glauben aus. 233 Vgl. auch GEERLINGS 1999, S. 35ff. 234 Epistola CXX.3. Eigene Übersetzung. 235 Epistola CXX.3. Eigene Übersetzung.

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Identität mit Gott erforderte, die menschlicher Defizienz gegenüber

dem voraussetzenden Schöpfer widerspricht, wohingegen es zum

notwendigen Prädikat des Glaubens gehört, sich dem Höheren

unterordnend anzuvertrauen, soll der Mensch, solange er nicht

erkannt hat, glauben.236 Wer die Glaubensprämisse anerkennt, hat mit

„noch so kleiner Vernunft“ erkannt, dass die Erkenntnis „großer

Dinge“ über den Weg des Glaubens führt. Auf dem Weg zur

Erkenntnis ist der Glaube die Form des Zugangs zur und der

Auseinandersetzung mit Welt, die Wahrheit verheißt.237.

Gegenstand von Erkenntnissen sind zunächst res, Dinge oder

auch Sachen.238 Dinge erhalten von der Ontologie Gottes ihre

Wesensmerkmale im Sinne prädikativer Vorgaben. Das heißt Gott ist

als allumfassendes Ur-Wesen, bedingende Ursache für jegliches Sein.

Er weist jedem Einzelding die je eigenen Eigenschaften als

Wesensmerkmale zu. Diese konkreten Wesensmerkmale eines Dinges

sind Abglanz der vollkommenen göttlichen Wesenhaftigkeit und als

solche defizient. Die Dinge sind durch Gottes Schöpfer-Wort, verbum,

geschaffen.239 Es hat analog zum ontologischen Aspekt Gottes auf der

Sachebene den Charakter eines idealen Wortes, das konkreten Worten

die ihnen entsprechenden Prädikate vorgibt, Sprache schlechthin

prägt. Ebenso wie das konkrete Ding ist das konkrete, prädestinierte

Wort im Vergleich zum prädestinierenden Idealwort defizient. Das

ontologische Wort ist aber im Sinne von gelauteter Sprache nicht

sprachlich,240 denn eine Anrede, die AUGUSTINUS für Gott wählt,

lautet: „Du, der Du erhaben thronest in Schweigen, der allein große 236 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro XIII.41, S. 110f. 237 Vgl. WOHLFAHRT 1969, S. 78. 238 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro IX.28, S. 82ff. sowie Confessiones XIII.20.27. 239 Vgl. Confessiones XIII.20.27. 240 Vgl. MOJSISCH 1998a, S. 135.

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Gott – habitans in excelsis in silentio, deus solus magnus“241. Die in einer so

beschriebenen Sprachlichkeit schweigend geschaffenen Dinge sind

insofern – selbst schweigend – Abbild „stummer Sprachlichkeit“242:

„Exceptis enim propheticis vocibus, mundus ipse ordinatissima sua mutabilitate et mobilitate et visibilium omnium pulcherrima specie quodammodo tacitus et factum se esse, et nonnisi a Deo ineffabiliter atque invisibiliter magno et ineffabiliter atque invisibiliter pulchro fieri se potuisse proclamat. – Denn auch abgesehen von den Prophetenstimmen verkündet die Welt selber, obschon stillschweigend, durch ihre wohl geordnete Wandelbarkeit und Veränderlichkeit und die wundervolle Formschönheit alles Sichtbaren, sowohl daß sie geschaffen ist als auch, daß nur der unsagbar und unfaßlich große, der unsagbar und unfaßlich schöne Gott sie geschaffen haben kann“243

Und „schweigend ist der Blick Gottes in den Dingen“244. Erkenntnis

von Sachen bedeutet Annäherung an Gott, der Wahrheit, veritas, und

Weisheit, sapientia, ist.245 Sachen sind demzufolge auch Abbild

göttlicher Wahrheit und Weisheit. Sie zu erkennen heißt, an Wahrheit

und Weisheit zu partizipieren, was einer Teilhabe am „beredten

Sch[weigen]“246 entspricht.

Die Suche nach Erkenntnis verweist auf der Seite des

Menschen auf sein Inneres,247 oder auch auf „die in Abgeschiedenheit

vernünftige Seele – rationalis anima secretis“248. Hier ist der Ort, den

241 Confessiones I.18.29; übersetzt von Joseph BERNHART. 242 Vgl. De civitate Dei XI.4. WOHLFAHRT/KREUZER 1992, Sp. 1484. 243 De civitate Dei XI.4; übertragen von Wilhelm THIMME. 244 WOHLFAHRT/KREUZER 1992, Sp. 1484; Änd. v. G.v.S. 245 Vgl. De trinitate VII.2. 246 WOHLFAHRT/KREUZER 1992, Sp. 1484; Zus. v. G.v.S. 247 Vgl. De vera religione zitiert nach BÜTOW 2001, S. 9. 248 AUGUSTINUS: De magistro I.2, S. 8f. eigene Übersetzung, vgl. auch die Übersetzung von

Burkhard MOJSISCH.

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Christus bewohnt.249 Er ist für AUGUSTINUS „der höchste Lehrer –

summus magister“250 sowie „innere Wahrheit – interior[...] [...] verit[as]“251.

Er verweist auf die Wesenheit Gottes, die Wahrheit und Weisheit

einschließt,252 denn Gott und Christus sind nach AUGUSTINUS eins

und doch verschieden.253 Einander gleich sind sie, da beide ihm als

wesenhaft göttlich gelten, als voraussetzende Einheit vorausgesetzt

werden.254 Verschieden sind sie aber, weil Gott Voraussetzender für

Christus ist. Beide sind göttlich, dennoch ist der eine ontologischer

Vater des andern.255 Das göttliche Wort war als nicht sprachlich

beschrieben worden. Es ist schweigend,256 hat die Wirkmacht zu

zeugen257 und zu schöpfen,258 ist mit Gott „gleichewig“259. Das

gezeugte, menschgewordene260 Wort, Christus, ist ein „Ihm gleiches

Wort, durch welches Er immer und unwandelbar Sich Selbst

ausspricht – Verbo aequali sibi, quo semper atque incommutabiliter dicit se

ipsum“261. Aber, insofern Schweigen eine Sprachlichkeit bezeichnet, die

– selbst nicht tönend – konkreter Sprache ihre Prädikate vorgibt, und

zwar dadurch, dass erstere alles umfasst, was letzterer

wesensnotwendig zugehört,262 sind göttliches Wort und das Wort, das

249 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro XI.38, S. 102f. 250 AUGUSTINUS: De magistro I.2, S. 10f. 251 AUGUSTINUS: De magistro XI.38, S. 102f.; Ausl. v. G.v.S. 252 Vgl. De trinitate VI.7 sowie De magistro XI.38, S. 102f. 253 Vgl. De trinitate VII, sowie GEERLINGS 1999, S. 42. 254 Vgl. De trinitate VII.2. 255 Vgl. De trinitate VII.2. 256 Vgl. WOHLFAHRT/KREUZER 1992, Sp. 1484. 257 Vgl. De trinitate VII.1. 258 Vgl. Confessiones X.6.9. 259 Confessiones XI.7.9. 260 Vgl. De trinitate VII.3. 261 De trinitate VII.1. 262 Vgl. WOHLFAHRT/KREUZER 1992, Sp. 1484.

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Christus ist, nicht identisch. Das beredte Schweigen des göttlichen

Wortes ist der Grund für das Christus-Wort. Das ist die

AUGUSTINische Art, in Analogien zu argumentieren und zu denken,

was hier auf die sprachliche Ebene der Gottesvorstellung bezogen

wird.263 Allerdings geht die Argumentation nicht auf Gleichheit der

Ausprägung, sondern auf die substantielle Ableitbarkeit: „Bei allem

Wechsel der Erscheinungen beharrt die Substanz.“264 Unabhängig von

der erscheinungsbezogenen Differenz zwischen nicht-lautlichem

Gottes-Wort und gelautetem Christus-Wort sind beide wesensmäßig

gleich. Wie das Positiv eines Negatives verweist Christus, das Wort,

auf Gottes schweigende Sprachlichkeit. Christus ist deren Abbild.265

Da Christus nun eines Wesens mit Gott, zugleich aber dessen

menschlich-sprachliches Abbild ist, fallen in ihm Schweigen und

gelautete Sprache zusammen. Sie tun dies in einer solchen Weise, dass

Christus die göttliche Weisheit266 bzw. Wahrheit, die er selbst ist, so

versprachlicht, dass er für die Menschen, zu denen er auch zu zählen

ist, deren Lehrer wird. Seine Sprache ist nämlich zur menschlichen

analog in der Erscheinungsform. Beide sind gelautet. Bezogen auf die

menschliche Sprache gibt ihr das schweigende verbum Form und

Ausprägung vor. Umgekehrt verweist die Sprache des Menschen auf

das Schweigen Gottes und mit ihm auf die Wesensvorgaben für die

Sprache selbst.267 Diese Wesensvorgaben sind dem Menschen auf der

Grundlage der eigenen Sprache nicht an sich verständlich. In Christus

teilt sich Gott dem Menschen mit, indem Christus innerhalb der Seele

die ontologischen Wesensnotwendigkeiten in verständlicher Weise

versprachlicht. Das ist in AUGUSTINischem Sinne die Mittlerfunktion, 263 Zum Begriff „Analogie“ bei AUGUSTINUS: Vgl. SCHINDLER 1965, dort z.B. S. 219. 264 KrV 224, S. 162. 265 Vgl. De trinitate VII.1. 266 Vgl. De trinitate VII.1. 267 Vgl. WOHLFAHRT/KREUZER 1992, Sp. 1484.

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die Christus zwischen Gott und Mensch einnimmt. Der menschlichen

Sprache wird das Attribut „zeitlich“268 zugewiesen. Es verweist im

Kontrast zu gleichewig auf ihre Begrenztheit. Die schweigende

Sprachlichkeit Gottes ist identisch mit dessen unbegrenzter

Vollkommenheit. Die menschliche Sprache ist wie Christus, das Wort,

gelautetes Abbild göttlicher Sprachlichkeit, allerdings ohne die

Wesensgleichheit, die Christus mit Gott verbindet, weil der Mensch

geschaffen, nicht gezeugt ist. Das lässt auf eine „Defizienz“269

menschlicher Sprache schließen,270 die ihrerseits auf die

Mangelhaftigkeit menschlicher Rationalität verweist.271

1.2.2 De magistro – Der AUGUSTINische Dialog Über den Lehrer

Trotz der Defizienz menschlicher Sprache – oder gerade wegen dieser

– wählt AUGUSTINUS für De magistro272 einen sprachphilosophischen

Zugriff. Er diskutiert mit seinem Sohn Adeodatus273 den

268 Vgl. Confessiones XI.6.8 f. 269 MOJSISCH 1998a, S. 134. 270 Vgl. WOHLFAHRT 1969, S. 78. 271 Vgl. dazu HESSE 1931, S. 59. 272 Die Forschung belegt die Datierung uneinheitlich: 389 bzw. 390 v.Chr. (Vgl. FLASCH

1994, S. 13, S. 121, S. 468 bzw. HENNIGFELD 1993, S. 133) 273 Insofern die Entstehungszeit des Dialogs mit dem Tod des Sohnes zusammenfällt,

wird die Schrift als „Denkmal für den hochbegabten Sohn“ (HENNIGFELD 1993, S. 133;

vgl. auch HELMER 1997, S. 32) beurteilt. Adeodatus kommt innerhalb des Gespräches im

allgemeinen die Aufgabe zu, die Fragen des Vaters im Sinne „geläufige[r]

Lehrmeinungen“ (BORSCHE 1986, S. 124, vgl. auch HENNIGFELD 1993, S. 134) zu

beantworten, welche dieser zu widerlegen sucht. MOJSISCH nennt das „die dialektische

Methode“(MOJSISCH 1998b, S. 143; vgl. dazu insges. MOJSISCH 1998b, S. 143 f.), die als

Anknüpfung an die Dialoge PLATONs zu lesen ist. Zuweilen ist es aber auch Aufgabe des

Sohnes, das Erörterte zu rekapitulieren (vgl. AUGUSTINUS: De magistro VII.19f., S. 56ff.

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Zusammenhang von Sprechen und Lehren;274 die pädagogische

Aufgabe wird für die Sprache als ihrem Wesen entsprechend

angenommen und untersucht. Da sich in der Sprache, als Abbild der

stummen Sprachlichkeit Gottes, das durch sie gebrochene Schweigen

und mit ihm göttliche Weisheit und Wahrheit mitteilt,275 bietet sich

eine Argumentation ex negativo dar, die vom Mangelhaften276

ausgehend auf das Vollkommene verweist. Die Beschäftigung mit

Sprache ist nicht Selbstzweck. Sprache kommt Bedeutung zu, sofern

ihr Zeichencharakter zugewiesen wird. Es handelt sich also um eine

semiotische Herangehensweise. Wörter bezeichnen Sachen; sie sind

deren Zeichen und verweisen auf diese.277 Sachen bezeichnen die

ihnen zugrundeliegende göttliche Weisheit und Wahrheit im

Schweigen.278 Folglich verheißt eine Untersuchung des Bezeichnenden

eine Annäherung an das Bezeichnete, also eine Analyse von Sprache

Annäherung an Sachen,279 die es zu erkennen gilt, und mit ihnen

Annäherung an Gott.

Sprachphilosophisch betrachtet sind res, die zu erkennen

gesucht werden, zunächst bezeichenbar.280 Bezeichenbar ist, was

durch Zeichen bezeichnet werden kann, aber selbst kein Zeichen ist.281

Der Begriff Zeichen, verweist auf jedes Bezeichnende, durch welches

und MOJSISCH 1998a, S. 135) oder AUGUSTINUS zu bestätigen (vgl. AUGUSTINUS: De

magistro XIV.46, S. 118f.). 274 Vgl. HENNIGFELD 1993, S. 133. 275 Vgl. WOHLFAHRT/KREUZER 1992, Sp. 1484; Zus. v. G.v.S. 276 Vgl. MOJSISCH 1998a, S. 134. 277 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro I.2f., S. 8ff. 278 Vgl. Confessiones I.18.29. 279 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro II.4, S. 16f. 280 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro VIII.22, S. 66f. 281 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro IV.8, S. 26f.

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jedes Bezeichnete bezeichnet wird,282 also „alles, was etwas bezeichnet

– universaliter omnia, quae significant aliquid“283. Im Umkehrschluß gilt:

„was nicht etwas bezeichnet, [kann] kein Zeichen sein – quae non

aliquid significent, signa esse non posse“.284 Es handelt sich um einen weiten

Begriff, der neben Sprache etwa auch Gebärden von Gehörlosen

sowie Gesten von Schauspielern mit einschließt. Sprechen heißt die

Tätigkeit, die durch Verwendung von Zeichen Sachen bezeichnet.285

Somit ist die Tätigkeit des Sprechens, loqui, und nicht die Sprache,

lingua, Gegenstand der sprachphilosophischen Überlegungen, die auf

ihre Funktion hinsichtlich der Erkenntnis von Wahrheit hin

untersucht wird.286 Es ist die einzige Tätigkeit, die durch ihre

Ausübung selbstreferentiell, gleichzeitig aber auch auf andere Zeichen

und Nicht-Zeichen verweist.287 Unterschieden wird beim Sprechen der

Gebrauch von Wörtern und Namen. Sie werden dahingehend

überprüft, ob sie eine Funktion als Zeichen für Sachen haben und ob

diese Zeichenfunktion eine Erkenntnis von Sachen eröffnet. Ein Wort

ist ein Zeichen für solche Zeichen, die „durch Artikulation der

Stimme vorgebracht werden – articulata voce proferuntur“288. Es handelt

282 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro VII.20, S. 60ff. 283 AUGUSTINUS: De magistro IV.9, S. 34f. 284 AUGUSTINUS: De magistro VII.19, S. 58f.; Zus. v. G.v.S. 285 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro IV.7, S. 24ff. 286 Vgl. BORSCHE 1986, S. 124. 287 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro VII.19f., S. 58ff. 288 AUGUSTINUS: De magistro, VII.20, S. 60f. Da innerhalb dieser Arbeit das Verhältnis

von Sprechen und Schweigen wesentlich ist, beschränkt sich die Argumentation auf

gesprochene Wörter. Es sei an dieser Stelle lediglich angemerkt, dass geschriebene Wörter

(visibila; AUGUSTINUS: De magistro IV.8, S. 28f.) bei AUGUSTINUS Zeichen für

gesprochene Wörter sind, die nicht den Gehörsinn, sondern den Gesichtssinn

ansprechen. Diese dringen also vermittels der Augen in die Seele, wohingegen jene über

das Ohr eindringen. (Vgl. AUGUSTINUS: De magistro IV.8, S. 26f.)

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sich also um ein hörbares Zeichen.289 Wer „Zeichen“ sagt, verwendet

ein Wort; wer „Wort“ sagt, verwendet ein Zeichen. Damit gehören

Wort und Zeichen zur Klasse der sich gegenseitig bezeichnenden

Zeichen, da es sich sowohl um zwei Zeichen als auch um zwei Wörter

handelt. Ein Wort ist ein Zeichen, das entweder sich selbst oder

andere Zeichen bezeichnet, das heißt, Zeichen verweisen entweder auf

dieselben oder andere Zeichen.290 Ein solches Verweisen, das im

Zeichenhaften verbleibt,291 leistet keine Annäherung an Dinge. Ein

Name im Sinne von „Hauptwort“292 ist artikuliertes, also hörbares

Zeichen. Anders als das Wort, welches für andere Zeichen steht,

verweist der Name auf die Sache.293 Er kann sich entweder auf

sichtbare (z.B. Romulus, Rom, Fluss) oder auf erkennbare Sachen

(z.B. Tüchtigkeit) beziehen.294 Das Wahrnehmbare ist dem Bereich

empirischen Wissens zuzuordnen, dem AUGUSTINUS im Sinne von

Scheinwissen misstraut. Solches verheißt nämlich nur scheinbar

Wahrheit. Diese ist aber ausschließlich mittels nichtempirischer,

ontologischer Erkenntnis, die auf das Wesen des Wahrnehmbaren

zielt, tangierbar.295 Verweisen demnach Namen von erkennbaren

Sachen auf deren Erkenntnis?

289 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro IV.8, S. 28f. 290 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro IV.7, S. 24f. 291 Vgl. MOJSISCH 1998b, S. 153. 292 MOJSISCH 1998a, S. 128. 293 Vgl. MOJSISCH 1998a, S. 128. 294 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro IV.8, S. 26ff. sowie MOJSISCH 1998a, S. 128. Da es der

vorliegenden Argumentation auf Erkenntnis ankommt, wird die Wahrnehmung

sichtbarer Sachen in diesem Zusammenhang nicht weiter berücksichtigt. 295 Vgl. MÜLLER 1954, S. 17.

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1.2.2.1 Semiotik und Erkenntnis

So wenig Zeichen und das durch sie Bezeichenbare identisch sind, gilt

dies für Namen und das durch sie Bezeichnete,296 was bedeutet, dass

auch Namen die Möglichkeit der Erkenntnis von Sachen nicht zu

eröffnen vermögen. Das belegt AUGUSTINUS durch eine

Argumentation, die den attestierten Unterschied zwischen Wort und

Namen wieder aufhebt. Er beruft sich auf M. Tullius CICERO, dessen

Definition eines Satzes ihm als Ausgangspunkt seiner Beweisführung

dient:

„[...] nomine et verbo plenam constare sententiam, quae affirmari negarique possit, quod genus idem Tullius quodam loco pronuntiatum vocat. Et cum verbi tertia persona est, nominativum cum ea casum nominis aiunt esse oportere, et recte aiunt. – [...] daß ein vollständiger Satz, der bejaht und verneint werden kann, aus Hauptwort (‚nomen‘) und Tätigkeitswort (‚verbum‘)[297] besteht;[...] diese Form nennt auch Tullius (Cicero) an einer bestimmten Stelle ‚Aussage‘. Und wenn wenn das Tätigkeitswort die dritte Person besitzt, gehört wie sie sagen der Nominativ des Hauptwortes dazu; und damit haben sie recht.“298

Als Beispiele einer solchen Aussage werden die Sätze „der Mensch

sitzt – homo sedet“ und „das Pferd läuft – equus currit“ genannt. Hier

sind „Mensch“ und „Pferd“ die jeweiligen Namen, „sitzt“ und „läuft“

die Tätigkeitswörter.299 Aus der Gegenüberstellung des Kausalsatzes

„Weil es ein Mensch ist, ist es ein Lebewesen – Quia homo est, animal

est“ mit dem Konditionalsatz „Wenn es ein Mensch ist, ist es ein

Lebewesen – Si homo est, animal est“ ergibt sich aber, dass auch die

296 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro IV.10, S. 34ff.; Änd. v. G.v.S. 297 Notate bene: Es ist zu unterscheiden zwischen begrifflich verbum – Wort und

grammatikalisch verbum – Tätigkeitswort. (Vgl. MOJSISCH 1998b, S. 148) In der Definition

des CICERO ist letzteres gemeint. 298 Insges.: AUGUSTINUS: De magistro V.16, S. 50f.; Ausl., Hervorheb. u. Zus. v. G.v.S. 299 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro V.16, S. 50f.

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Konjunktionen „weil“ und „wenn“ innerhalb eines Satzes die

Funktion von Namen einnehmen können,

„quod et pronomina his addi possunt et de omnibus dici potest, quod aliquid nominent et nulla earum sit, quae non verbo adjuncto pronuntiatum possit implere – weil ihnen sowohl Pronomina hinzugefügt werden können als auch von allen ausgesagt werden kann, daß sie etwas benennen und es keinen von ihnen gibt, der nicht unter Hinzufügung eines Tätigkeitswortes eine vollständige Aussage zustande bringen könnte.“300

Das wird auf alle übrigen Satzteile übertragen,301 so dass die

Schlußfolgerung lautet: „alle Wörter [... sind] Namen und alle Namen

sind Wörter – omnia verba nomina et omnia nomina verba [sunt]“.302 Auch

(Tätigkeits-)Wort und Namen sind also der Klasse der sich gegenseitig

bezeichnenden Zeichen zugehörig.

Unterschiede bleiben bestehen. Wort und Name stehen in einer

Art Rangfolge,303 innerhalb derer das Wort allgemeiner, der Name

spezieller Natur ist. Die allgemeinste Kategorie bilden die Zeichen. Zu

ihnen gehören Wörter und Namen. Wörter bilden ihrerseits eine

Kategorie, der die Namen zugehören. Im Umkehrschluss gibt es

Zeichen, die keine Wörter sind, und Wörter, die keine Namen sind.

Wörter sind spezielle Zeichen und Namen spezielle Wörter.304

Darüber hinaus unterscheiden sich beide sowohl in ihrer Etymologie

als auch in ihrer Wirkung. Der Begriff „Wort“, ist abzuleiten von

„verberare“, treffen. Wörter treffen das Ohr. „Name“ wird von

„noscere“, erkennen, hergeleitet. Namen befördern Erkenntnis und

300 AUGUSTINUS: De magistro VII.20, S. 62f. 301 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro V.16, S. 48ff. 302 AUGUSTINUS: De magistro VI.17, S. 52f.; Ausl. u. Zus. v. G.v.S. Vgl. auch: VII.20. 303 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro IV.9, S. 32f. 304 Vgl. MOJSISCH 1998b, S. 148.

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richten sich damit auf den Geist.305 Es handelt sich also bei Wort und

Namen um Zeichen, die in verschiedener Weise auf die Seele306

einwirken. Beide bezeichnen gleich viele, aber nicht dieselben

Sachen.307 Trotz dieser Unterschiede sind Namen bezüglich ihres

Zeichencharakters Wörter.308

1.2.2.2 Semiotische Abbildung im Gebrauch

Dinge haben eine Bedeutung im Sinne eines „sprachfreie[n]

Wesen[s]“309, welches ontologisch auszuweisen ist und das es –

abbildtheoretisch argumentiert – durch ein Wort zu zeigen gilt. Ihre

Wesensbestimmung verweist nach AUGUSTINUS auf Gott, der, selbst

ihre wesenhafte Ursache seiend, der Sache das ihr entsprechende

Wesen vorgibt.310 Das Wesen der Sache ist auf Seiten Gottes seinem

allumfassenden Wesen inhärent. Auf Seiten der Sache liegt es als

Bedeutung unveränderlich, manifest, aber lautlich nicht vernehmbar in

ihr selbst. Ein Wort allein hat keinerlei Funktion ohne Bezug auf die

Sache, genauer auf ihr Wesen, als deren Bedeutungsträger es fungiert.

Durch die Bezeichnungsfunktion sind Wörter an den Zweck der

Bezeichnung gebunden. Grundsätzlich wird allem, was an einen

Zweck gebunden ist, ein niedrigerer Rang zugesprochen als der Sache,

der dieser Zweck dient. Ihre Erkenntnis ist wesentlich; sie ist der

prädominante Zweck, dem das Zeichen unterzuordnen ist.311

305 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro V.13, S. 40f. 306 Der Gebrauch sprachlicher Zeichen ist MOJSISCH zufolge „Funktion der Seele

(anima)“. (MOJSISCH 1998a, S. 126) 307 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro VII.20, S. 62f. 308 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro VI.17, S. 52f. und VII.20, 60ff. 309 MOJSISCH 1998b, S. 152; Änd. v. G.v.S. 310 Vgl. insges. MOJSISCH 1998b, S. 151ff. 311 Vgl. MOJSISCH 1998a, S. 131.

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„Non enim ob aliud ista cognitio signo, de quo agimus, antelata est, nisi quia illud propter hanc, non haec propter illud esse convincitur. – Denn aus keinem anderen Grunde ist diese Erkenntnis dem Zeichen, über das wir handeln, vorgezogen worden als aus dem, daß erwiesenermaßen das Zeichen um der Erkenntnis, nicht aber die Erkenntnis um des Zeichens willen da ist.“312

So sind Wörter von geringerem Rang als die Sachen, um derentwillen

sie ausgesprochen werden. In gebrauchstheoretischem Sinne ist schon

ihre Verwendung höher einzuschätzen als die Wörter selbst. Wörter

haben den Zweck ihres Gebrauchs, ihr Gebrauch dient dem

Belehren.313 Damit ist das Belehren von höchstem Rang; ihm wird das

Sprechen, dann die Wörter untergeordnet.314 In welchem Verhältnis

stehen nun Belehren und Erkennen zueinander?

Ein sprachliches Zeichen kann nur als Zeichen fungieren,

sofern der Zuhörende weiß, dass es sich um ein Zeichen handelt und

worauf dieses verweist.315 Ist die bezeichnete Sache unbekannt,

vermag ein sprachliches Zeichen nicht darüber zu belehren, was ihre

Bedeutung ist. Der entsprechende Name kann in einem solchen Falle

nur im Sinne einer Vokabel auswendig gelernt werden. Der Begriff

vocabulum steht für den bloßen Klang, das Geräusch, das zu

vernehmen ist, wenn man ein Wort hört, dessen Bedeutung man nicht

kennt.316 Eine Vokabel ist demnach kein Zeichen. Ist die bezeichnete

Sache hingegen bereits bekannt, braucht der Zuhörende sprachlich gar

nicht mehr über sie belehrt zu werden. Diese Argumentation ist eine

Kombination aus Abbild- und Gebrauchstheorie. Die Abbildung des

Wesens einer Sache trifft nur, wenn das Abbildverhältnis im Sinne

312 AUGUSTINUS: De magistro IX.26, S. 78f.; Änd. v. G.v.S. 313 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro I.1 und IX.25, S. 78f. 314 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro IX.26, S. 78f. 315 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro X.33, S. 94f. 316 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro X.33, S. 94ff. und XI.36, S. 98f.

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einer Gebrauchskonvention bekannt ist. Beides setzt die Erkenntnis

der Sache voraus. Sie ist schon dem Begreifen des Wortes in seiner

Zeichenfunktion vorangestellt:

„potius enim, ut dixi, vim verbi, id est significationem, quae latet in sono, re ipsa, quae significatur, cognita discimus, quam illam tali significatione percipimus. – Denn wir lernen [...] den Gehalt eines Wortes, d.h. seine im Klang verborgen liegende Bezeichnungsfunktion, eher durch Erkenntnis der Sache, die bezeichnet wird, als solcher denn dadurch, daß wir durch eine derartige Bezeichnungsfunktion die Sache erfassen.“317

Entweder, es ist bekannt, welcher Sache Zeichen ein Wort ist, dann

dient die Verwendung des Wortes dazu, an die bekannte, bezeichnete

Sache zu erinnern, oder es ist nicht bekannt, worauf es verweist, so

dass sein Gebrauch, bezogen auf die Erkenntnis der bezeichneten

Sache, Aufforderungscharakter hat.318 Gleiches gilt für Namen, die

dadurch, dass Wort und Name der Klasse der sich gegenseitig

bezeichnenden Zeichen angehören, ebenso wenig die Erkenntnis von

Dingen zu eröffnen vermögen. Da alle bisher verfolgten semiotischen

Überlegungen lediglich zu der Einsicht führen, dass sprachliche

Zeichen ausschließlich an die Erkenntnis der transzendentalen

göttlichen Wesenheit in ihren dinglichen Ausprägungen erinnert oder

dazu auffordert, muss sie sich außersprachlich ereignen.

1.2.2.3 Semiotische Defizienz

Wahrheit und damit Gott ist das Maß, an dem AUGUSTINUS Sprache

misst.319 Sie erweist sich unter Anführung verschiedener Beispiele

nicht nur – wie bereits dargelegt – in Bezug auf ihre abbildenden

Zeichen, sondern auch im Hinblick auf deren Gebrauch als defizitär. 317 AUGUSTINUS: De magistro X.34, S. 98f.; Ausl. v. G.v.S. 318 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro XI.36, S. 98f. sowie MOJSISCH 1998b, S. 151. 319 Vgl. BORSCHE 1986, S. 123 f.

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So erschließt sich etwa einem Zuhörer durch die Worte eines

Sprechers nicht, ob dieser mit Überzeugung spricht. Darüber hinaus

bleibt ungewiss, ob das Ausgesprochene Abbild der Gedanken des

Sprechenden ist.320 An einem solchen abbildlichen Verhältnis von

Gesagtem und Gedachtem kann es bei Lügnern ebenso mangeln, wie

bei einem Abgelenkten. „Lügner“321 verschleiern ihre Gedanken

bewusst durch ihr Sprechen und suchen so bewusst ihre Zuhörer

mittels Sprache zu manipulieren.322 Wer etwas wiederholt, was er

auswendig weiß, also nur aus dem Gedächtnis abzurufen braucht, und

es quasi automatisch aufsagt, ist durch diesen Automatismus geneigt,

das Eingängige zu sprechen, dabei aber anderes zu denken.323 Als

Beispiel wird „wenn wir einen Hymnus singen – cum hymnum

canimus“324 angeführt. Weiter ist es möglich, dass ein Sprechender sich

verspricht und dadurch – wenn auch unbeabsichtigt – etwas anderes

sagt, als er denkt,

„nam hic quoque non earum rerum signa, quas in animo habemus, audiuntur. – denn auch hierbei werden nicht die Zeichen derjenigen Sachen, die uns gedanklich gegenwärtig sind, vernommen.“325

Außerdem können Diskrepanzen zwischen Sprechendem und

Zuhörendem darüber bestehen, wie ein verwendetes Wort zu

verstehen sei, das heißt, ein Wort bezeichnet nach Meinung der

Gesprächspartner Verschiedenes. Definitionen hält AUGUSTINUS in

diesem Zusammenhang für wenig hilfreich, da ein Streit um dieselben

ein Streit um Sprachliches, nicht aber um Erkennbares ist. Ein solcher 320 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro XIII.41, S. 110f. und MOJSISCH 1998a, S. 134. 321 AUGUSTINUS: De magistro XIII.42, S. 110f. 322 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro XIII.42, S. 110f. und MOJSISCH 1998a, S. 134. 323 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro XIII.42, S. 110ff. und MOJSISCH 1998a, S. 134. 324 AUGUSTINUS: De magistro XIII.42, S. 112f. 325 AUGUSTINUS: De magistro XIII.42, S. 112f. Vgl. auch MOJSISCH 1998a, S. 134.

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Streit ist demnach am Defizitären, nicht am Wahren orientiert.326

Schließlich ruft nachlässiges Zuhören Missverständnisse hervor, die

ebenfalls an sprachlichen Zeichen orientiert, dem Nachdenken über

res hingegen hinderlich sind.327 Mit diesen Fällen sprachlicher

Defizienz328 ist nach AUGUSTINUS belegt, dass durch Sprache nicht

belehrt werden kann. Ein „Zuhörer“ muss „glauben, meinen oder

zweifeln – aut credere aut opinari aut dubitare“, wenn er nicht weiß, ob

das, was man ihm sagt, wahr oder falsch ist, er muss „sich widersetzen

und widersprechen – adversari atque renuere“, sofern er sicher ist, dass

man ihm Falsches sagt, und er muss den Sprechenden „bestätigen –

attestari“, wenn er weiß, dass Wahres gesagt wurde. Aber: „[sie] haben

erwiesenermaßen durch Wörter nichts gelernt – nihil verbis didicisse

convincitur“329. Wörter können lediglich zur Erkenntnis von Dingen

auffordern330 oder an diese erinnern. Ein Zuhörer, der Sachen kennt,

erkennt nämlich durch Wörter, die ihn erinnern, Abbilder der Sachen

in seiner Seele, die er einmal erkannt hat.331 Diese Erkenntnis entzieht

sich der Möglichkeit sprachlicher Ausdrückbarkeit. Sie liegt

schweigend im Innern der Seele, ist ein „inneres Wort“332, das dem

verbum dahingehend gleicht, dass die schweigende Erkenntnis ihrem

gelauteten Ausdruck das Wesen vorgibt. Die sprachliche

Erscheinungsform macht das ausgedrückte Wissen aber eben so

mangelhaft, wie sie es selbst ist. Wird disputiert, geschieht das auf der

Ebene eines Meinungs-, nicht eines Wissensaustausches,333 denn die

326 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro XIII.43, S. 114f. und MOJSISCH 1998a, S. 134. 327 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro XIII.44, S. 114ff. und MOJSISCH 1998a, S. 134. 328 Vgl. MOJSISCH 1998a, S. 134. 329 AUGUSTINUS: De magistro XII.40, S. 108f.; Zus. v. G.v.S. 330 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro XIV.46, S. 118ff. 331 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro XII.39, S. 104f. 332 BERLINGER 1962, S. 216. Vgl. SCHINDLER 1965, S. 97ff. 333 Vgl. HESSE 1931, S. 56.

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Qualität des Sagbaren geht über die Meinungsaussage nicht hinaus.

Erkenntnis selbst ist aber jenseits von Sprache; vor dem Sprechen

muss das Ausgesprochene bereits erkannt worden sein.334 Das

Erkennen ereignet sich jenseits von Sprache.335

„De universis autem, quae intellegimus, non loquentem, qui personat foris, sed intus ipsi menti praesidentem consulimus veritatem verbis fortasse, ut consulamus, admoniti. – Über alles aber, was wir erkennen, befragen wir nicht einen Sprechenden, der draußen seine Stimme ertönen läßt, sondern die innerlich über den Geist selbst waltende Wahrheit – durch Wörter vielleicht aufgefordert, sie zu befragen.“336

Der, dessen Seele in ihrem Inneren Erkenntnis Christi, das heißt der

Wahrheit, sucht, ist „Schüler der Wahrheit – discipulus veritatis“ und

„Richter des Sprechenden – iudex loquentis“. Seine Seele „wird

erleuchtet“ vom „inneren Licht der Wahrheit“337, dessen Wohnung sie

ist.338 Sie befragt die innere Wahrheit wie ein „Orakel“, welches als

nicht lautlich vernehmbare, also schweigende Sprachlichkeit Gottes,339

die Seele erleuchtend antwortet. Es lehrt Erkenntnis der Wahrheit,

soweit die Seele des Schülers fähig und bereit ist, diese hörend zu

erkennen.340 Der auf diese Weise Sehende kann menschliche Sprache

beurteilen,

„docetur enim non verbis meis, sed ipsis rebus deo intus pandente manifestis – er wird nämlich nicht durch meine Wörter belehrt, sondern

334 Vgl. MOJSISCH 1998b, S. 151. 335 Vgl. MOJSISCH 1998b, S. 146 336 AUGUSTINUS: De magistro XI.38; S. 102f.; Änd. v. G.v.S. 337 Beides: AUGUSTINUS: De magistro XII.40, S. 106f. 338 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro XI.38, S. 102f. 339 Vgl. MOJSISCH 1998a, S. 135. Zum Zusammenhang von innerer Sprachlichkeit und

Erleuchtung vgl. auch WIENBRUCH 1989, S. 73ff. 340 Vgl. AUGUSTINUS: De magistro XIV.46, S. 118ff.

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durch die Sachen als solche, die ihm offenkundig sind, weil Gott sie ihm innerlich eröffnet.“341

1.2.3 Logische Erkenntnis im Schweigen

Durch De magistro ist das Bewusstsein der Defizienz von Sprache

gewonnen. AUGUSTINische Sprachtheorie setzt das Sprechen in Bezug

zum Transzendentalen, genauer zum Wesenhaften und Wahren alles

Erkennbaren. Der abbildtheoretische Zusammenhang zwischen

sprachlichen Zeichen und Dingen ist als nicht existent entlarvt. Er

kann zumindest nicht als selbstverständlich gegeben angenommen

werden, sondern muss erkenntnistheoretisch geprüft werden. Eine

solche Erkenntnistheorie bewegt sich außerhalb sprachlicher

Überlegungen. Sie stellt damit jeden, auch jeden pädagogischen

Sprachgebrauch in Frage.342 Der menschliche Lehrer kann durch den

Gebrauch von Sprache nicht zur Erkenntnis führen. Er kann nur

durch die Anleitung zu einem Austausch von Meinungen auffordern

zu erkennen oder an Erkanntes erinnern, denn aufgrund des Mangels

an Verweischarakter auf Wahrheit taugt die konkrete gelautete

Sprache als Medium konkreter Erkenntnis-Lehre nicht. Ein Schüler,

der Erkenntnis sucht, kann allein durch ein Sich-Kehren ins Innere

der Seele, ein Befragen der inneren Wahrheit, versuchen, das

Konzentrat von Sprache herauszulösen. Es ist zwar mit dem Sprechen

gegeben, wenngleich nicht tönend offenbar, sondern schweigend

verborgen.343 Nach AUGUSTINischer Sprachvorstellung fallen

Defizientes und ein transzendentaler schweigender Logos zusammen.

Die Sprache enthält ihre Wesensvorgaben, das logisch Wahre,

schweigend. Der Erkenntnissuchende muss also den bloßen Klang, 341 AUGUSTINUS: De magistro XII.40, S. 106f. 342 Vgl. BORSCHE 1986, S. 123 f. 343 Vgl. WOHLFAHRT/KREUZER 1992, Sp. 1484.

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das ertönende Geräusch der Vokabel verklingen lassen, um durch

Erleuchtungsgnade das in ihr ruhende Wesentliche, Wahre, Weise

schweigend zu finden und so Gott zu erkennen.

Der Mensch, der Erkenntnis sucht, wird also als äußeres

Zeichen dieser Suche schweigen. Das äußere Schweigen des

Menschen bezeichnet den vernünftigen Geist der Seele in seinem

Innern. Mit dem vernünftigen Geist befragt die vernünftige Seele

logisch den in ihr wohnenden Lehrer, den Logos Christus und

bezeichnet dadurch diesen. Die Befragung durch den vernünftigen

Geist der Seele bezeichnet seine Hoffnung auf Erleuchtung. Christus

ist also das absolut logische Wort. Der vernünftige Geist der Seele ist

Zeichen der logischen Befragung dieses Christus-Wortes und zugleich

Zeichen desselben, also Christus. Das Wort bezeichnet seinerseits als

sprechende innere Wahrheit des Menschen die Weisheit und Wahrheit

Gottes, ist also deren Zeichen. Diese Weisheit und Wahrheit Gottes

ruht gleichewig im Logos des Schweigens. Gott ruht aus der

Perspektive des Menschen deshalb im Schweigen, weil Gottes Wesen

für den Menschen sprachlich nicht zu fassen ist, weil das Sprechen

Gottes schöpfendes Sprechen ist, das allumfassend Schöpfung meint

und schafft. Es umfasst in ontologischem Sinne eine Wesenhaftigkeit,

sich selbst, allen Geschöpfen und aller Schöpfung die jeweils mögliche

Wesensausprägung vorgibt. Das zeigt sich in einem Sprechen, welches

von einem Wissen zeugt, das jenseits menschlicher Potenz liegt.

Daher ist göttliche Sprache in diesem AUGUSTINischen Konzept auch

jenseits menschlicher Lautung.344 Weil die Sprachlichkeit Gottes ein

unaussprechbarer Logos ist, ist sie logisch schweigend als Zeichen für

die gleichewig ruhende Weisheit und Wahrheit. Damit ist das

344 Vgl. insges.: SCHINDLER 1965, S. 87.

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Schweigen des Menschen, der Erkenntnis sucht, Zeichen für und

Abbild von göttlicher Weisheit und Wahrheit.

Die schweigende Sprachlichkeit Gottes ist als wesenhafte

Voraussetzung für Sprache „endlos zu übersetzen – sine fine dicemus

unum“345. Eine solche Übersetzung findet in zweierlei Hinsicht statt,

nämlich einerseits in Zusammenhang mit der inneren Erleuchtung der

Seele und andererseits bei der Artikulation menschlicher Sprache,

denn trotz eines Wissens um deren Defizienz spricht ja auch

AUGUSTINUS, z.B. in der vorliegenden Schrift. Erleuchtung durch

Christus ereignet sich durch ihn als Wort. Sofern Gottes beredtes

Schweigen durch Christi Wort-Charakter abgebildet ist, steht dem

äußeren Schweigen des Menschen, der Erkenntnis sucht, ein innerer

Logos gegenüber. Christus übersetzt göttliches Schweigen in eine

Sprache, der seine Wesensgleichheit mit Gott inhärent ist. Christus ist

zugleich Mensch und Gott.346 Insofern ist die Sprachlichkeit des

Wortes Christus eine vollkommene göttliche, also andere als die

defiziente menschliche. Sie ist ausgesprochen ebenso logisch wie die

logisch-schweigende Erkenntnissuche des Menschen. Christi Logik ist

für die Seele aber verständlich, sofern diese zusammen mit Christus

menschlich ist. Ihre eigene Sprache kann – als das artikulierte, aber

unvollkommen-menschliche Abbild des Wortes Christi347 – nie

Vollkommenheit erlangen, weil der Mensch, anders als Christus, nicht

göttlich ist. Da der Mensch als äußeres Zeichen seiner

Erkenntnissuche schweigt und der Logos, der ihn erleuchtet, göttlich

ist, kann AUGUSTINUS menschliches Denken als außersprachliches

verstehen. Sehend-erleuchtete unsprachliche Gedanken verweisen auf

345 De trinitate XV.28.51 bzw. WOHLFAHRT/KREUZER 1992, Sp. 1484. 346 Vgl. z. B. Phil. 2.6 ff. 347 Vgl. SCHINDLER 1965, S. 219.

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Kenntnis, auf Wissen. Fließt eine solche Kenntnis, ein solches Wissen

in die artikulierte menschliche Sprache ein, kann ein Gespräch unter

Sehenden, die sich nicht gegenseitig zu belehren suchen, sondern an

einmal Erkanntes erinnern oder zur Erkenntnis neuer Fragen anregen,

in diesen Hinsichten sinnvoll sein. Über das beredte Schweigen Gottes

kann nur das Christus-Wort den belehren, der – selbst äußerlich

schweigend – logisch Erkenntnis sucht.

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Logos im Schweigen – Zusammenfassung

Der dieser Arbeit zugrundeliegende Bildungsbegriff ist ein

erkenntnistheoretischer, zugleich ein logischer und ontologischer. Im

bis hierher dargestellten ersten Teil ist Bildung Anleitung zur

Erkenntnissuche. Die Erkenntnissuche ist auf Wahrheit als deren Ziel

ausgerichtet. Sie ist sprachlicher Art, denn Sprache wird im Sinne von

Logos als Weise der Annäherung an Welt verstanden. Sich der Welt

anzunähern bedeutet, sie verstehen zu wollen. Für ein angemessenes

Weltverständnis ist Wahrheit Maß und Richtschnur. Dieses

Grundmuster gilt für PLATONS Dialog Kratylos ebenso wie für De

magistro von AUGUSTINUS. Beiden erweist sich Sprache aber als

mangelhaft, die von ihr erwartete Welterkenntnis zu eröffnen. Sie

leistet keine Eröffnung von Welterkenntnis, weil die Ziel- und

Maßgabe der Wahrheit sich als logisch unerreichbar erweist.

Das verbindet die beiden erörterten Standpunkte. Gleichwohl

sind die Gründe verschieden. PLATON verortet Wahrheit ontologisch

im Ideenhimmel. Er rechnet sie damit einem Ideal zu, das dem

Menschen in seinem diesseitigen Dasein verwehrt bleiben muss. Die

Schau der Ideen und mit ihr die Erkenntnis von Wahrheit wird von

PLATON jenseits des Lebens angenommen, wo der Mensch die Ideen

ewig schauen soll. Welt ist im Sinne von wahrer Welt für den im

Diesseits lebenden Menschen weder erkennbar noch lehrbar.

AUGUSTINUS schreibt Wahrheit der Ontologie Gottes zu. Gottes Sein

wird als unendlich und vollkommen betrachtet; so auch göttliche

Wahrheit. Sie ist dem als endlich und unvollkommen gedachten

Menschen erst in der jenseitigen ewigen anbetenden Schau Gottes

möglich. Erkennen und Lehren ist dem diesseitigen Menschen ebenso

endlich und unvollkommen wie er selbst es in ontologischer Hinsicht

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ist. Beiden erschließt sich Welt nicht als wahr, PLATON genau so

wenig wie AUGUSTINUS.

Erkenntnissuche und die Versuche einer pädagogischen

Begleitung von Erkenntnissuchenden vollzieht sich in den

besprochenen Schriften sprachlich, in Auseinandersetzung mit

Sprache. PLATON und AUGUSTINUS, der zweite in Anlehnung an den

ersten, wählen die Form des Dialogs für ihre Schrift, führen also

Gespräche vor, deren Gegenstand die Sprache ist. Der PLATONische

Logos-Begriff ist ebenso idealisierend wie seine Auffassung von der

Idee. Die im Kratylos vorgeführten Überlegungen zu Abbildtheorie

und Gebrauchstheorie in der Frage nach sprachlicher Bedeutung

münden in einer dritten Vorstellung, die Flusslehre genannt wird. In

dieser Flusslehre werden beide Theorien verbunden: Ein erster

Gesetzgeber – so die PLATONische Annahme – hat Wortbedeutung

gesetzt, diese erweist sich im Gebrauch. Da der erste Gesetzgeber

aber als menschlich gedacht wird, hatte auch er die notwendige

Wahrheitserkenntnis nicht, die für eine korrekte Abbildung einer

Sache durch ein Wort notwendig wäre. Die Sprache erweist sich als

defizient. Nichtwissen liegt dem Anfang von Sprache zugrunde, somit

können auch theoretische Überlegungen zur Sprache nur nichtwissend

enden. Sie gipfeln im Schweigen. Das Schweigen ist, diesseitig

betrachtet, Resultat des Nichtwissens, zugleich aber der Name für eine

ideale Sprachlichkeit, die der jenseitigen Ideenschau entspricht. Diese

Ideenschau soll sich im wortlosen, schweigenden Gespräch der Seele

mit sich selbst ereignen. Der auf diese Weise Schweigende hat

erkennenden Anteil an Wahrheit.

Kern der AUGUSTINischen Sprach-Theorie ist der Logos

Christus, welchen er summus magister nennt. Christus nimmt eine

Mittlerfunktion ein zwischen dem „Vollkommenheitsgefälle“, das

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zwischen Schöpfer und Geschöpf, Gott und Mensch besteht. Gott

wird als der Ursprung allen Seins gedeutet, der als Urheber der Welt

auch die Wahrheit der Welt, also das zu Erkennende und die

Erkenntnis inne hat. Das Geschöpf Mensch hat, ontologisch gesehen,

sein Sein sowie die Ausrichtung auf die Wahrheit des Seins der Welt

durch Gott erhalten. Schöpfung und Offenbarung der Schöpfung

ereignen sich in der Sprachlichkeit Gottes. Die menschliche Sprache

ist deren Abbild. Allerdings besteht ein Abbildungsverhältnis wie bei

fotografischem Positiv und Negativ. Gottes Sprache ist nach

AUGUSTINUS vollkommen, aber schweigend. Menschliche Sprache ist

defizient, aber tönend. Somit ist dem Menschen eine Erkenntnis

durch seine Rede verwehrt. Lässt er sich auf eine schweigende

Belehrung durch Erleuchtung ein, vermag er sich Gottes Wahrheit zu

nähern. Summus Magister Christus partizipiert an göttlicher Wahrheit,

da er Gottes Sohn ist. Weil er aber auch Mensch ist, hat er das

Vermögen, den Menschen, der schweigt, verständlich zu belehren. Die

Worte des Illuminierten enthalten das Wahre, weil er belehrt wurde,

enthalten es aber schweigend, da seine Sprache zu unvollkommen ist,

Wahrheit auszudrücken. Er vermag andere bereits von Christus

Belehrte an Erkanntes zu erinnern oder Fragen aufzuwerfen, die zur

Suche nach Erkenntnis anregen. Erst das Jenseitige ewig schweigende

Gespräch der Seele mit dem Logos Gott führt zur Wahrheit.

Mit PLATON kann ein Gebrauch von Sprache gelehrt werden,

der um seine Defizienz weiß. Erkenntnis kann nur für das Jenseits der

Ideen angenommen werden. Diese Erkenntnis wird einem

schweigenden monologisierenden Logos vorbehalten sein.

AUGUSTINUS folgend, ist belehrendes Fragen möglich, das zur

Erkenntnis führen soll. Dieseitiges Lehrer-Ideal ist Christus, der in

seinem besonderen Wort-Charakter Wahrheit zu erklären vermag.

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Unvermittelte Erkenntnis wird von jenseitig schweigender

Illumination durch Teilhabe am göttlichen Logos erhofft.

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2. LOGOS IM REDEN

„[...] indessen, daß eines von vielem wahr auszusagen ist, ist notwendig. Denn es würde nichts Allgemeines geben, wenn dies nicht der Fall wäre“ (ARISTOTELES, Zweite Analytiken I.11.77a 5-9, zitiert nach BUCHHEIM 1999; i. Orig. teilw. hervorgeh.; Ausl. v. G.v.S.) „Wie es vom Arzte heißt, er mache gesund, wiewohl er nur von außen wirkt, während innen die Natur allein tätig ist – so sagt man auch, der Mensch lehre die Wahrheit, wiewohl er sich dem anderen nur äußerlich verkündigt, während Gott ihn innerlich belehrt.“ (THOMAS VON AQUIN, Quaestiones disputatae de veritate II, 1 ad 7; zitiert nach PIEPER 1965, S. 80; i. Orig. teilw. hervorgeh.)

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ARISTOTELES (384-323 v.Chr.)348

348 Abbildung: DELIUS/GATZEMEIER/SERTCAN/WÜNSCHER 2000, S. 15. Daten: Vgl.

ZEMB 2002, S. 157.

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2.1 „Bei diesen ersten Begriffen bleibt etwas, bis das Unteilbare und das Allgemeine steht“349: REDEN BEI ARISTOTELES

I. Welt zerfallend in Einzeldinge wird empirisch

wahrgenommen.

II. In der Seele findet ontologische und logische Verarbeitung

zwecks Erkenntnisgewinn statt.

II.I Ontologisch wird eine Meinung gebildet, die

kategorial in Substanz und Akzidenz zerfällt.

II.II Logisch wird ein Urteil gebildet, das kategorial in

Subjekt und Prädikat zerfällt.

III. Ontologie und Logik stehen in einem abbild- und

gebrauchstheoretischen Bezug.

IV. In logischer Auseinandersetzung mit dem Ontologischen

wird ein Allgemeines gebildet, welches auf das Absolute

verweist.

V. Die logisch substantielle und universelle Reflexion über das

Ontologische lässt Schlüsse auf Wahrheit und Falschheit

von Meinung bzw. Urteil zu, was Erkenntnis entspricht.

VI. Eine positive Auseinandersetzung mit der Rede macht Sinn,

da sprachliche Erkenntnisfindung möglich ist.

2.1.1 Die ARISTOTELische Schrift Peri hermeneias

Das zweite Kapitel zum Thema Reden nimmt seinen Ausgang von der

Schrift Peri hermeneias350 – Über die Aussage351 des ARISTOTELES, die dem

349 Metaphysik A 1.980a. 350 Der Analyse liegt die deutsche Übersetzung von WEIDEMANN zugrunde.

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Organon zugerechnet wird.352. ARISTOTELES benennt zuerst den

Gegenstand seiner Erörterung, nämlich Aussagewörter und -sätze

sowie deren Wahrheitsgehalt.353 Er legt eine Anwendung der

Kategorien, die sich auf Begriffe beziehen, auf Aussage und Urteil

vor,354 die sprachtheoretischen Erkenntnisgewinn ermöglicht.355 Die

351 Der Titel, der vermutlich gar nicht auf ARISTOTELES zurückgeht, sondern dem Werk

im Nachhinein zugewiesen wurde (vgl. WEIDEMANN 1994, S. 42), wird auf

unterschiedliche Weise übersetzt. Eine Variante fasst die Schrift als Hermeneutik auf, was

durch die Überschrift der lateinischen Übersetzung durch BOETHIUS, De interpretatione,

nahe liegt. Dem widerspricht GADAMER, welcher Peri hermeneias als eine logische Arbeit

versteht: „Die Aristotelische Schrift Peri hermeneias, ein Teil des Organon, ist gar keine

H[ermeneutik], sondern eine Art logische Grammatik, die die logischen Strukturen des

apophantischen Logos (des Urteils) untersucht und alle anderen Arten des Logos, bei

denen es nicht nur auf das Wahrsein ankommt, ausschließt.“ (GADAMER 1974, Sp.

1061f.) Die Angabe des Themas durch den Autor selbst legt diese Auffassung nahe. (Vgl.

Peri hermeneias 1, 16a 1-3) Daher erscheint die Übersetzung WEIDEMANNs – Über die

Aussage (WEIDEMANN 1994, S. 41) – plausibel. 352 Als Organon sind diejenigen der ARISTOTELischen Werke bezeichnet, die im Mittelalter

bekannt waren. (Vgl. HELMER 1997, S. 58, S. 167ff.) Die Entstehung von Peri hermeneias

liegt als Teil des Organon ungefähr zwischen 367 und 344 v.Chr. (Vgl. SCHMALZRIEDT

1996, S. 697 sowie WEIDEMANN 1994, S. 51ff.) 353 Vgl. Peri hermeneias 1, 16a, S. 3f. Gegen BRAUN 1996, S. 10. 354 Vgl. OEHLER 1984, S. 153. 355 GEYSERS Grundlagenwerk zur ARISTOTELischen Erkenntnistheorie beschränkt sich

auf wissenschaftliche Erkenntnis. (Vgl. GEYSER 1980, S. 44ff.) Der dieser Arbeit

zugrundeliegende Erkenntnisbegriff ist weiter, insofern er auf Vermittlung von

Erkenntnis, Bildung, abzielt. Vgl. dazu die Einleitung und den Schluss dieser Arbeit. –

OEHLER weist auf die traditionelle Abfolge der logischen Schriften – Kategoriai, Peri

hermeneias sowie Analytika (I und II) – hin, die zeigt, dass die Anordnung des Organons

aufeinander aufbauende logische Überlegungen umfasst. Während die Kategorien

Grundlegendes bestimmen, nimmt die Komplexität schrittweise zu. (Vgl. OEHLER 1984,

S. 153) Peri hermeneias wird deshalb in den Fokus der Betrachtungen gerückt, weil hier

Welt als von Aussagen über sie ablesbar erscheint und daher wahre Erkenntnis möglich

ist. Das herauszuarbeiten ist Ziel dieses Kapitels. Die Kategorien sind dort zu befragen, wo

den Ausgangspunkt ARISTOTELischen Denkens zu kennen die Aussagenlogik (Vgl.

BOCHEŃSKI 1978, PRANTL 1955) erhellt. Zur Einordnung der Kategorien ins

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Kategorienlehre356 greift auf Welt zu, indem sie Seiendes in

wesenhafte Substanzen357 und ihnen hinzukommende Akzidenzien

differenziert. „Ersten Substanzen“ liegt nichts zugrunde, vielmehr

sind sie selbst Zugrundeliegendes für alles Existierende. Der Name

einer Substanz, z.B. „Mensch“, und seine Definition als der Gattung

Lebewesen zugehörige Art sind bereits der Substanz beigelegt,

obgleich das begrifflich durch Name und Definition Festgelegte der

Substanz wesenhaft innewohnt. Die Bezeichnung von Gattung und

Art heißt „zweite Substanzen“,358 die deshalb als den ersten

Substanzen nahe diesen zugerechnet werden, weil sie das einzige

Prädizierte sind, das Erkenntnis des substantiellen Wesens ermöglicht.

Alle weiteren Prädikationen können der Substanz als einem Träger

von Eigenschaften beigelegt werden, gehören ihr aber nicht

wesensnotwendig zu. Es werden hinsichtlich eines Begriffes zehn

Kategorien unterschieden:

„Von dem, was ohne Verbindung geäußert wird, bezeichnet jedes entweder eine Substanz oder ein Quantitatives oder ein Qualitatives oder ein Relatives oder ein Wo oder ein Wann oder ein Liegen oder ein Haben oder ein Tun oder ein Erleiden.“359

ARISTOTELische Organon, v.a. ihr Verhältnis zur Metaphysik vgl. z.B. GILLESPIE 1972

und FRITZ 1972. 356 VOLLRATH geht von einem Bezugsverhältnis von Kategorien, Aussage und

„Vorliegen“, das heißt dem weltlichen Sein, das dem Erkenntnissuchenden begegnet, aus.

(Vgl. VOLLRATH 1969) Er untersucht die Kategorien auf die beiden Analytiken und die

Metaphysik hin. Eine Anwendung auf Peri hermeneias bleibt aus; sie soll mit diesem Kapitel

versucht werden. 357 BRENTANO spricht von einer „letzten Differenz“, die nichts Hinzukommendes mehr

einschließt und allem Übrigen als Verschiedenes gegenübersteht. (Vgl. BRENTANO 1968,

S. 146f.) 358 Vgl. insges. Kategorien 5, 2a, S. 10f. 359 Kategorien 4, 1b, S. 10.

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Diese werden näher erörtert werden, wo es der Reflexion über

Aussagen dient. Gleiches gilt für die Überlegungen zum der Substanz

Konträren.360

2.1.1.1 Abbildung und Gebrauch

Gesprochene wie auch geschriebene Sprache betrachtet ARISTOTELES

sowohl abbild- als auch gebrauchstheoretisch. Eine Abbildtheorie liegt

dort vor, wo der Sprache Symbolcharakter für Dinge zugeschrieben

wird. Dabei geht es um den Zusammenhang von Wörtern, genauer

um Aussagesätze, ebenso wie um umfassende Äußerungen

sprachlicher Art, die ihm ebenso als Zeichen gelten wie das einzelne

Wort. Geschriebenes steht für Gesprochenes. Dies bildet den

Gedanken ab, der Gedanke das Ding. Ort der gedanklichen

Abbildung, die sich in Sprache abbildet, ist die Seele.361 Dort fallen

Wahrgenommenes und Wahrnehmendes in empirischen

Wahrnehmungen zusammen, ebenso wie mögliche Gegenstände

intelligibler Erkenntnis (nous) und die intelligible Erkenntnis des

substanziellen Subjekts selbst in eins fallen. Anhand des Beispiels vom

Hören wird verdeutlicht, was für das Verhältnis aller

Wahrnehmungsarten zum wahrnehmenden Subjekt gilt: Es ist das

Wesen des Tönenden zu tönen und das Wesen des Gehörs zu hören.

Dennoch sind Tönen und Hören möglich, aber nicht unbedingt

wirklich, denn sie tönen bzw. hören nicht zu jeder Zeit. Wenn aber

der Ton tönt, wird er gehört und wenn das Gehör hört, muss es dafür

einen auslösenden Ton geben. Ton und Gehör sind der Form nach

korrespondierend,362 sie erlangen demnach wechselseitig Wirklichkeit.

Dabei bewirkt der Ton das Hören, ist also „aktiv“ zu nennen,

360 Vgl. Kategorien 5, 3b, S. 13. 361 Vgl. Peri hermeneias 1, 16a, S. 3. 362 Vgl. Peri psyches 4, 429a, S. 73.

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während der Hörende den Ton „erleidet“ und somit „passiv“ genannt

werden kann. Dennoch ist das Erleiden eine substantielle Fähigkeit

des (z.B. hörenden) Subjekts, ohne die der bewirkende Ton niemals

wirklich werden könnte.

„Wie nämlich das Bewirken und das Erleiden sich in dem Erleidenden vollziehen und nicht im Bewirkenden, so vollzieht sich auch die Wirklichkeit des Wahrnehmbaren und die des Wahrnehmungsfähigen in dem Wahrnehmungsfähigen (Subjekt).“363

Es bedarf des wahrnehmungsfähigen, erleidensbereiten Ortes der

menschlichen Seele, wo wahrnehmbares Ding und

wahrnehmungsfähiges Subjekt im Wahrnehmungsvorgang

Wirklichkeit erlangen. Das Ding wird erst im Wahrnehmungsvorgang

des Subjektes wirkliches Ding; das Subjekt ist nur in der

Wahrnehmung des Dinges wirkliches Subjekt. Da es aber zum Wesen

des Subjektes gehört, wahrzunehmen, bewirkt das substanzielle

Subjekt vermittels der erlittenen Wahrnehmung die empirische Welt,

der die Dinge und es selbst zugehören. Analog zu den

wahrnehmbaren Dingen denkt ARISTOTELES Dinge, welche die

Möglichkeit haben, vernünftig erkennbar zu sein. Diese intelligibel

erkennbaren Dinge korrespondieren mit dem intelligiblen

Erkenntnisvermögen der Subjekt-Seele. Sie bewirken aktiv, erleidend

erkannt zu werden.364 Die Vernunft ist aber nach ARISTOTELES

„abtrennbar“, „leidensunfähig“ und „unvermischt“365, das heißt, sie

hat den Charakter des Prinzipiellen, das die Ursache einer jeden

Erkenntnismöglichkeit ist:

„Da es aber, wie in der ganzen Natur, einerseits Materie gibt für jede Gattung – sie ist das, was alles jenes (zur Gattung

363 Peri psyches 2, 425b, S. 65; Zus. v. WEIDEMANN. 364 Vgl. Peri psyches 4, 429a, S. 73. 365 Insges.: Peri psyches 5, 430a, S. 76.

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Gehörige) in Möglichkeit ist – andererseits das Ursächliche und Wirkende, dadurch, daß es alles wirkt, wie die Kunst sich zu ihrem Material verhält, müssen auch in der Seele diese Unterschiede vorliegen, und es gibt eine Vernunft von solcher Art, daß sie alles (Intelligible) wird, und eine von solcher, daß sie alles (Intelligible) wirkt/macht, als eine Haltung, wie das Licht; denn in gewisser Weise macht auch das Licht die Farben, die in Möglichkeit sind, zu Farben in Wirklichkeit.“366

Das den Menschen von allen Gattungen unterscheidende

Wesensmerkmal ist die Vernunft. Sie ist die Potenz zur Erkenntnis

ebenso wie sie erst alles Erkennbare zum Erkannten und damit zur

Wirklichkeit schafft.

Das vernünftig Erkannte ist nun in Sprache abgebildet, denn

der substantiellen Seele gehört die Möglichkeit zu „grammatischem

Wissen“367 wesensnotwendig zu. Das heißt, Erkanntes liegt in

sprachlicher Form vor. Wie das sprachliche Abbild zu beurteilen ist,

ob es zutreffend abbildet oder nicht und damit Wahres oder Falsches

gezeigt wird, muss eine Prüfung sprachlicher wie auch ontologischer

Art erweisen.368

Eine Gebrauchstheorie legt ARISTOTELES zugrunde, sofern er

auf eine zweite Voraussetzung von Sprache hinweist. Dieselbe

bezeichnet nicht nur dann etwas, wenn ein Gegenstand oder das über

ihn in der Seele Gedachte korrekt wiedergegeben ist. Bedeutung ist

darüber hinaus an die „Übereinkunft“ gebunden, dass ein

„Nennwort“369 einem bestimmten Etwas zugeordnet ist. Nur sofern

bekannt ist, wofür ein sprachliches Abbild gebraucht wird, kann es im

Rahmen sprachlicher Verständigung über Dinge und Sachverhalte

366 Peri psyches 5, 430a, S. 76; Zus. v. WEIDEMANN. 367 Kategorien 2, 1b, S. 9. 368 Vgl. Peri hermeneias 1, 16a, S. 3f. 369 Beides: Peri hermeneias 2, 16a, S. 4.

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verwendet werden. Ein Nennwort – so lautet die ARISTOTELische

Definition – mit der eine Reihe von Bestimmungen sprachlicher

Ausdrucks- bzw. Gebrauchsformen begonnen wird, liegt dann vor,

wenn ein sprachliches Zeichen nicht weiter zergliederbar ist, man

darin übereingekommen ist, dass es eine bestimmte Bedeutung trägt,

es keiner temporalen Bestimmung unterliegt, also kein konjugierbares

Verb ist und schließlich, wenn es entweder „wahr“ oder „falsch“ zu

nennen ist.370 Demgegenüber unterliegt ein „Aussagewort“ dem

Tempus und ist zugleich Träger zeitlicher Bedeutung. Gemeint ist die

Unterscheidung zwischen onoma371 und rhema372, hier Substantiv und

allen ihm prädikativ zuzuordnenbaren Wortarten, z.B. Verben:

„Wenn ich sage, daß es die Zeit mit hinzubedeutet, so meine ich damit, daß z.B. ‚Gesundheit‘ ein Nennwort, ‚gesundet‘ hingegen ein Aussagewort ist; denn es bedeutet mit hinzu, daß (das, wofür es Zeichen ist, etwas anderem) jetzt zukommt. Und daß es stets [...] ein Zeichen für etwas von etwas anderem Gesagtes ist, heißt, daß es stets für etwas, das von einem zugrundeliegenden Gegenstand gesagt wird, (oder (für etwas, von dem gesagt wird, daß es) in einem zugrundeliegenden Gegenstand ist,) ein Zeichen ist.“373

Das Nennwort hat in diesem Zusammenhang den Platz der Substanz

inne, das prädikativ Ausgesagte kommt akzidentell hinzu.

onoma/Nennwort kommt Sein zu, rhema/Aussagewort kommt kein

Sein zu.374 Aussagewörter sind dabei nur die Präsensformen, alle

übrigen Zeiten gelten als „(temporale) Abwandlung eines

Aussagewortes“375. Mit dem Terminus „Wortgefüge“ ist zunächst

allgemein ein Satz bezeichnet, dessen kleinstmögliche Form aus einem

370 Vgl. Peri hermeneias 2, 16a, S. 4. 371 Vgl. JANSEN 2002a, S. 315f. 372 Vgl. JANSEN 2002b, S. 388f. 373 Peri hermeneias 3, 16b, S. 5; Zus. v. WEIDEMANN. 374 Vgl. Peri hermeneias 3, 16b, S. 5. 375 Peri hermeneias 3, 16b, S. 5.

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Nennwort und einem Aussagewort bestehen muss, und zwar als

Substanz, über die etwas Akzidentelles ausgesagt wird. Das

Wortgefüge fungiert dann als Behauptungssatz, wenn mittels des

Wortgefüges entweder eine wahre oder eine falsche Äußerung

gemacht wird.376 Der Behauptungssatz wird im Folgenden genauer

untersucht.

Behauptet wird zunächst durch eine mündliche Äußerung, die

– in einer der möglichen Tempora – einen Gedanken zu einer Sache

aus- und ihr dabei akzidentelle Eigenschaften zuspricht.377 Eine erste

Differenzierung hinsichtlich des Behauptungssatzes nimmt

ARISTOTELES mit den Akzidenzien Einheit oder Vielheit vor: Ein

Behauptungssatz heißt dann „einheitlich“, wenn er eine einheitliche

Sache abbildet oder die sprachliche Verknüpfung durch ihn selbst eine

Einheit herstellt. Wird hingegen vieles bezeichnet und auch nicht

durch den Satz vereinheitlicht, liegt kein einheitlicher Behauptungssatz

vor. Ein „bejahender“ Behauptungssatz wird ferner von einem

„verneinenden“ unterschieden. Die Bejahung weist einem Gegenstand

akzidentelle Bestimmungen zu, die Verneinung negiert die

Zugehörigkeit von Akzidenzien zu ihm:

„Behaupten kann man nun aber sowohl von dem, was (einer Sache) zukommt, daß es (ihr) nicht zukommt, als auch von dem, was (einer Sache) nicht zukommt, daß es ihr zukommt, sowie von dem, was (einer Sache) zukommt, daß es (ihr) zukommt, und von dem, was (einer Sache) nicht zukommt, daß es (ihr) nicht zukommt, und ebenso auch, was die Zeiten außerhalb der Gegenwart anbetrifft.“378

Auf logischer Ebene sind eben diese Fälle möglich, unabhängig

davon, was auf der Seinsebene an Wahrheit oder Falschheit der Sache

376 Vgl. Peri hermeneias 4, 16b, S. 6. 377 Vgl. Peri hermeneias 5, 17a, S. 7. 378 Peri hermeneias 6, 17a, S. 7; Zus. v. WEIDEMANN.

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zukommt. Damit ist auf die Unterscheidung von logischer und

ontologischer Wahrheit angespielt, wie ARISTOTELES in der Metaphysik

differenziert. Man kann von einer Aussagenlogik, die innerhalb der

Sätze untersucht wird, ausgehen, deren Grundlage aber eine

Untersuchung von Sein, einer durch sie bezeichneten Substanz und

dem ihr Beigelegten ist. Sie zielt auf ontologische Wahrheit ab, welche

das Fundament für logische Wahrheit ist, denn:

„Nicht darum nämlich, weil unser Urteil, du seiest weiß, wahr ist, bist du weiß, sondern darum, weil du weiß bist, sagen wir die Wahrheit, indem wir dies behaupten.“379

ARISTOTELES verbleibt allerdings in Peri hermeneias zunächst im Feld

logischer Möglichkeiten und benennt zwei einander widersprechende

Aussagen – eine Bejahung, der eine Verneinung „entgegengesetzt“ ist

– als „Kontradiktion“ bzw. „kontradiktorisches Aussagenpaar“380.

2.1.2 Logische und ontologische Wahrheit

Der durch das Nennwort bezeichnete Gegenstand kann weiter

allgemeiner oder einzelner Art sein. Das Allgemeine ist mehreren

Dingen gemeinsam. Es ist nicht Einzelnes, sondern Qualität, ist nicht

Wesen, denn Wesenhaftigkeit ist unteilbar und kommt somit nur dem

Einzelnen zu.381 ARISTOTELES führt den Begriff „Menschen“ als

allgemeine Kategorie ein, die Eigennamen „Kallias“ und „Sokrates“

stellvertretend für das Einzelne. Über die auf diese Weise

unterschiedenen allgemeinen bzw. einzelnen Nennwörter kann man in

der Form des einfachen Aussagesatzes oder auch assertorischen

Urteils382, bestehend aus Subjekt und Prädikat, entgegengesetzt

379 Metaphysik IX 9, 1051b, S. 196f. 380 Peri hermeneias 6, 17a, S. 8. 381 Vgl. Metaphysik VII 13, 138b f., S. 159ff. Vgl. auch KNEBEL 2001, Sp. 179. 382 Vgl. ULFIG 1997, S. 42, S. 441.

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formuliert als Bejahung und Verneinung, viererlei Aussagen machen.

Erstens ist es möglich, von etwas Einzelnem ein Einzelnes

auszusagen, z.B. „Sokrates ist weiß – Sokrates ist nicht weiß“. Der

Aussagende leitet in diesem Fall von der ersten Substanz „Mensch“

den „individuellen Menschen“ ab. „Sokrates“ ist hier eine Prädikation

von „Mensch“. Weiter wird prädiziert, dass Sokrates einen Körper

hat, dessen Akzidenz die „affektive Qualität“383 die Farbe „Weiß“

ist.384 Zweitens kann über ein Allgemeines in allgemeiner Weise

gesprochen werden, wobei der Gegensatz durch die

Pronominalformulierungen entweder mit dem Positiven beginnend

„jeder – nicht jeder“, bzw. vom Negativen ausgehend „keiner –

irgendeiner“ ausgedrückt wird. Entsprechende Aussagen sind „Jeder

Mensch ist weiß – Nicht jeder Mensch ist weiß“ oder „Kein Mensch

ist weiß – Irgendein Mensch ist weiß“. Hier liegen

Verallgemeinerungen der Substanz vor, genauer wird im ersten

Satzpaar dem Zugrundeliegenden „Mensch“ die Menge aller

Individualmenschen beigelegt, der dann ihre verneinende

Einschränkung gegenübersteht; das zweite Satzpaar repräsentiert die

negative Menge, als dessen Gegenteil ein unbestimmter

Individualmensch fungiert. Drittens ist die positive allgemeine

Redeweise über das Allgemeine durch die Gegenüberstellung „jeder -

keiner“ negierbar, wie etwa „Jeder Mensch ist weiß – Kein Mensch ist

weiß“. Gepaart ist die Menge aller Individualmenschen mit der

Negation aller Individualmenschen. Viertens besteht die Möglichkeit,

über etwas Allgemeines nicht allgemein zu sprechen, wobei das

Allgemeine als übergeordnete Kategorie für ein Einzelnes fungiert.

Die entgegengesetzten Aussagen bleiben hier unbestimmter Art:

„(Ein) Mensch ist schön – (Ein) Mensch ist nicht schön“. Die dritte

383 Kategorien 8, 9a, S. 22. 384 Vgl. insges. Kategorien 5, 2a, S. 11.

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Gruppe der Aussagesätze wird „konträr“ genannt, alle anderen

Satzpaare bezeichnet ARISTOTELES als „kontradiktorisch“. „Konträr“

sind für ihn solche Unterschiede, die nicht in der bloßen Verneinung

eines zuvor Bejahten bestehen, z.B. kontradiktorisch „weiß – nicht

weiß“, sondern echte „Gegensätze“, etwa „weiß – schwarz“

benennen. Der Konträraussage und den kontradiktorischen Sätzen

entsprechen verschiedene Wahrheitsmöglichkeiten. Sind zwei

allgemeine Aussagen als Gegensatzpaar konträr kombiniert, kann von

beiden nur eine zutreffend sein. Gleiches gilt für die bejahte

Einzelaussage über Einzelnes, der kontradiktorisch eine Verneinung

gegenübergestellt ist und die Kontradiktion zweier Allgemeinaussagen,

denen etwas zugeordnet ist, was Einzelne betrifft: Eine Aussage wird

wahr, die andere falsch sein.385 Bei einer Kontradiktion, die

unbestimmt ist, weil sie beispielsweise im Unklaren lässt, von welchem

Individualmenschen die Rede ist, können sowohl Bejahung als auch

Verneinung wahr sein. Wohingegen weder beide gleichzeitig wahr

noch beide gleichzeitig falsch sein können.386

Im Folgenden bestimmt ARISTOTELES das Verhältnis von

bejahender und verneinender Aussage näher. Er unterscheidet 385 Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang allerdings eine von ARISTOTELES in der

Metaphysik angeführte Überlegung: Dort erörtert er mögliche Graustufen zwischen den

konträren Opponenten Weiß und Schwarz am Beispiel eines gescheckten Pferdes. Dies

ist zugleich schwarz und weiß; verschiedendste graue Abstufungen und Schattierungen

sind denkbar. Nach diesem Exempel scheint es keine Eindeutigkeit von Wahr oder

Falsch zu geben. (Metaphysik II.2) Dies bezieht sich aber auf etwas von dieser Stelle aus

Peri hermeneias Verschiedenes. Hier geht es um Universal-Aussagen, dort um spezielle

Fälle. Bei einer Aussage, die höchstmögliche Allgemeingültigkeit haben soll, ist von den

Akzidentien einzelner Fälle zu abstrahieren. Auf dieser Abstraktionsebene nähert sich das

Universelle nahezu der Eindeutigkeit an. (Vgl. WEIDEMANN 1994, S. 204) 386 Insges.: Peri hermeneias 7, 17a, S. 8ff.; Zus. v. WEIDEMANN. Vgl. WEIDEMANN 1994, S.

202ff. BOETHIUS nennt diese vier Arten entgegengesetzter Aussageweisen „singulares“,

„partikulares“, „universales“ und „indefinitae“.( Vgl. WEIDEMANN 1994, S. 203)

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einheitliche Bejahung und Verneinung von uneinheitlicher. Nur der

einheitlichen Aussage, das heißt der Aussage, die „etwas Einheitliches

von etwas Einheitlichem aussagt“387 kommt Wahrheit oder Falschheit

zu. Gemäß der zugrundeliegenden Abbildtheorie verweist nämlich ein

Satz mit mehreren uneinheitlichen Aussagen auf eine bezeichnete

Sache, die ebenfalls uneinheitlich und damit nicht substantiell ist. Da

aber die erste Substanz als Zugrundeliegendes nicht weiter

zergliederbar und nicht Teil eines anderen Zugrundeliegenden sein

kann,388 eben weil sie erstes Zugrundeliegendes ist, ist sie ein

einheitliches Ganzes. Nur auf ein solches einheitliches Ganzes

bezogen lassen sich sprachtheoretisch betrachtet Wahrheitsaussagen

treffen, die es selbst als einheitliches Ganzes abbilden, denn allein das

Zugrundeliegende kann ontologischer Maßstab von Wahrheit oder

Falschheit sein.389

2.1.2.1 Wahrheit und Zeit

Wahrheit bzw. Falschheit kann sich im Bereich des Logischen

scheinbar akzidentell erweisen, und zwar in der Relation der Zeit.

Aussagen über Dinge oder Geschehnisse in der Vergangenheit

können vom Standpunkt dessen aus, der, in der Gegenwart stehend,

auf die Vergangenheit blickend, dieselbe beurteilt, im Nachhinein als

wahr oder falsch klassifiziert werden. In der Zeit hat sich nämlich

dann ein Vermutetes realisiert oder nicht realisiert, ein Ausgesagtes

bestätigt oder nicht bestätigt. Das gilt für alle vier bejahenden, bzw.

verneinenden Behauptungssätze in den beschriebenen

Möglichkeiten.390 Insofern erscheint es zunächst so, dass Wahrheit

387 Peri hermeneias 8, 18a, S. 11. 388 Vgl. Kategorien 5, 3a, S. 12. 389 Vgl. Metaphysik IX 9, 1051bf., S. 197f. 390 Peri hermeneias 9, 18a, S. 11f. Vgl. Auch WEIDEMANN 1994, S. 223.

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oder Falschheit einer Aussage grundsätzlich notwendig eintreffe.391 Bei

der Betrachtung von bejahenden und verneinenden

Behauptungssätzen in die Zukunft hinein ergibt sich aber ein anderes

Bild, sofern hier die Seinsebene als wesentliches Beurteilungsmoment

von Wahrheit oder Falschheit zu Tage tritt: Als notwendig kann etwas

nur ontologisch betrachtet werden, und zwar bezogen auf das Sein

einer Substanz, der ein Merkmal – hier „wahr“ oder „falsch“ –

unausweichlich zukommen muss, weil es ihrem Wesen entspricht. Es

trifft quasi zwingend entweder das eine oder das andere zu.392 Dies ist

allerdings der Fall ganz unabhängig von logischen Aussagen, denn

„[d]abei“, so ARISTOTELES, „spielt es freilich überhaupt keine Rolle, ob irgendwelche Leute die beiden kontradiktorisch entgegengesetzten Behauptungen (tatsächlich) aufstellen oder nicht.“393

Vielmehr gilt in ontologischer Hinsicht:

„Freilich ist es für das, was ist, notwendig, daß es ist, wenn es ist, und für das, was nicht ist, notwendig, daß es nicht ist, wenn es nicht ist. Aber es ist weder für alles, was ist, notwendig, daß es ist, noch ist es für alles, was nicht ist, notwendig, daß es nicht ist. Denn daß alles, was ist, dann mit Notwendigkeit ist, wenn es ist, und daß es schlechthin mit Notwendigkeit ist, ist nicht dasselbe; und ebenso verhält es sich auch mit dem, was nicht ist. Und dasselbe gilt für die (Glieder einer) Kontradiktion. (Somit) ist es zwar für alles notwendig, daß es (entweder) ist oder nicht ist, und auch, daß es (entweder) sein oder nicht sein wird; nicht aber ist eines von beidem, wenn man es getrennt von (anderen) behauptet, notwendig.“394

ARISTOTELES unterscheidet hier zwischen ontologischer Existenz-

sowie Wesensnotwendigkeit und logischer Argumentations-

391 Peri hermeneias 8, 18b, S. 12. 392 Vgl. Zum Begriff „notwendig“: Metaphysik V 5, 1015af., S. 95f. 393 Peri hermeneias 9, 18b, S. 14; Änd.in [...] v. G.v.S.; Zus. in (...) v. WEIDEMANN 394 Peri hermeneias 9, 19a, S. 15; Zus. v. WEIDEMANN.

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notwendigkeit.395 Im Ontologischen wäre die basale Notwendigkeit,

dass Sein existiert. Eine solche wird bestritten. Genauer: Die Existenz

von überhaupt irgendetwas, ist keine Notwendigkeit. Ebenso wenig ist

es eine Notwendigkeit, dass nichts ist. Gleiches nimmt ARISTOTELES

für Existenz oder Nichtexistenz konkreten Seins bzw. Nichtseins

einer bestimmten Sache oder ihr Fehlen an. Beide sind nicht

notwendig. Sobald aber etwas existent ist, ist es mit Notwendigkeit. Es

ist notwendig, dass es ist, denn keine andere Begründung für seine

Existenz wäre denkbar. Gibt es etwas, das ist, ist es auch notwendig,

ein dem Sein entgegengesetztes Nichtexistentes zu denken. Beides

bezieht sich aber auf den fundamentalen Gegensatz jeglichen

unbestimmten Seins und Nichtseins. Ein bestimmtes Sein, eine

spezifische, existierende Sache, ist in doppelter Hinsicht notwendig zu

nennen. Sie ist erstens notwendig, da sie ist, da alles, was ist, in seiner

Existenz mit Notwendigkeit ist. Zweitens ist alles, was sie bezogen auf

ihr Wesen ausmacht, wesensnotwendig. Entsprechend ist Nichtsein

bezogen auf seine Nichtexistenz notwendig nichtseiend, was mit

Notwendigkeit seinem Nichtwesen entspricht. Dem Wesen einer

Sache entsprechend heißt, ihr substantiell und damit unzeitlich

notwendig zukommend, auch wenn die Sache in der Zeit noch nicht

eingetreten ist. Eine sprachlich verfasste Zukunftsprognose bewegt

sich damit in zweierlei Hinsicht auf unterschiedlichen Ebenen. Sie

zielt einerseits auf Zeitliches, das heißt nicht auf die

Wesensnotwendigkeit. Andererseits gehorcht sie den

395 HINTIKKA argumentiert mit einer die Diskussion des Wahrheitsbegriffs gegen die

traditionelle Auslegung, ARISTOTELES habe hier „Determinismus“ bestritten. (Vgl.

HINTIKKA 1972, S. 262ff.) Allerdings wird die „Wahrheit oder Unwahrheit von Sätzen“

(HINTIKKA 1972, S. 275) untersucht. Die Distinktion von ontologischer und logischer

Wahrheit bleibt unbeachtet. Sie scheint im Rahmen einer sprachlichen Erkenntnis- und

Bildungstheorie als tragend. Das soll hier gezeigt werden.

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Gesetzmäßigkeiten logischer Argumentation396 und trifft folglich auch

insofern nicht das ontologische Wesen. Die logische Aussage bezieht

sich zwar auf Sein oder Nichtsein, kann aber in der Form der

Zukunftsprognose logisch nicht ihre ontologische Notwendigkeit oder

Nichtnotwendigkeit herleiten. Wenn die Sache dann eintritt, war sie

bezüglich ihres Seins von jeher, weil notwendig. Tritt sie nicht ein,

bestand keine Notwendigkeit. Die Zukunftsprognose erweist sich

dann zwar als wahr oder falsch, aber unabhängig von ihrer eigenen

Argumentationslogik. Dass die Sache nämlich eintritt, geschieht zwar

in der Zeit, zu einem bestimmten Moment, wovon die sprachliche

Form der Aussage über einen zukünftigen Zeitpunkt ein Abbild ist,

dennoch ist die Notwendigkeit des Eintretens oder Nichteintretens

ontologisch und nicht logisch begründet und dadurch von der

Zeitrelation unabhängig. Das Sein der Sache an sich bleibt bei

Aussagen, welche die Zukunft betreffen, sprachlich unerfassbar. Ob

die Zukunftsprognose sich als wahr oder falsch erweist, weil etwas

sein wird bzw. nicht sein wird, lässt sich im Vorhinein nicht sagen.

Lediglich Gegenwart und Vergangenheit sind bezüglich ihrer

Notwendigkeiten sprachlich beschreibbar.397

2.1.2.2 Aussagenlogik

Nach dieser grundlegenden Unterscheidung von ontologisch

notwendig und logisch notwendig, welche die Differenz von

ontologischer und logischer Wahrheit begründet, wendet sich

ARISTOTELES dem Bereich der logischen Wahrheit zu, indem er die

internen Bedingungsgefüge bejahender und verneinender Aussagen

analysiert. Er richtet sein Augenmerk dabei auf die semantischen

Bestandteile von Aussagen, zergliedert die Aussage also, prüft aber

396 Vgl. Metaphysik V 5, 1015b, S. 96. 397 Vgl. ANSCOMBE 1972, S. 231.

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deren Wahrheitsgehalt weiterhin mittels kontradiktorischer

Gegenüberstellung.398 Als Bestandteile von Aussagen werden das

substantivische „Nennwort“ und seine Widersprechung, hier als

Beispiel „Mensch“ und „Nicht-Mensch“ benannt, denen von

ARISTOTELES nicht begrifflich benannte Ausdrücke, am ehesten

Prädikate399 zu- bzw. kontradiktorisch abgesprochen werden. Er

formuliert für eine ideale Aussage die Forderung nach Einheitlichkeit,

und zwar in zweierlei Hinsicht:

„[...] – freilich muß sowohl das, was in einer Aussage zugesprochen wird, als auch dasjenige, dem es zugesprochen wird, etwas Einheitliches sein [...]“400

Abgeleitet von der durch die Aussage bezeichneten Substanz, die nur

dann Substanz ist, wenn sie einheitlich ist, soll sowohl das Subjekt des

Satzes, das Abbild der Substanz ist, als auch das über es Ausgesagte

substantiell sein. Es sind verschiedene Kombinationen von Bejahung

und Verneinung möglich. Sie sind für ARISTOTELES nach

feststehenden logischen Gesetzmäßigkeiten kombinabel, bedeuten je

nach logischer Satzstruktur Verschiedenes und verweisen in ihrer

Bedeutung auf ontologisch entweder Wahres oder Falsches. Für die

logische Gegenüberstellung einfacher Aussagen, die lediglich aus zwei

Satzgliedern, nämlich Subjekt und Prädikat, bestehen, gibt

ARISTOTELES folgende kontradiktorischen Paarungen als Beispiel:

„Ein Mensch existiert. Ein Mensch existiert nicht.

Ein Nicht-Mensch existiert. Ein Nicht-Mensch existiert nicht.“

401

398 Vgl. Peri hermeneias 10, 19b, S. 16ff. 399 Vgl. WEIDEMANN 1994, S. 325. 400 Peri hermeneias 10, 19b, S. 16; Ausl. v. G.v.S. 401 Beides: Peri hermeneias 10, 19b, S. 17.

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Dem finiten, das heißt bestimmten, positiven Nennwort „Mensch“

steht das infinite Nennwort, die Negation „Nicht-Mensch“

kontradiktorisch402 gegenüber, ebenso wie zum finiten Aussagewort

„existiert“ die Kontradiktion „existiert nicht“ als infinite Form des

Aussagewortes zu bilden ist.403 Das bejahte Nennwort „Mensch“ kann

kontradiktorisch mit dem bejahten Aussagewort „existiert“ und mit

dem verneinten Aussagewort „existiert nicht“ kombiniert werden.

Ebenso ist in Kontradiktion das verneinte Nennwort „Nicht-Mensch“

sowohl mit dem bejahten Aussagewort „existiert“ als auch mit dem

verneinten Aussagewort „existiert nicht“ kombinierbar. Während mit

diesen Aussagen von bestimmten Nennwörtern etwas ausgesagt wird,

sind auch Allgemeinaussagen, also Aussagen über unbestimmte

Nennwörter, logisch verfassbar, so etwa:

„Jeder Mensch existiert. Nicht jeder Mensch existiert.

Jeder Nicht-Mensch existiert. Nicht jeder Nicht-Mensch existiert.“ 404

Hier steht zuerst dem allgemeinen finiten Subjekt „jeder Mensch“ das

allgemeine infinite Subjekt „nicht jeder Mensch“ gegenüber. Die

Kontradiktion liegt in eben dieser Gegenüberstellung. Das

Aussagewort ist in beiden Fällen die bejahte Form „existiert“.

Letzteres gilt auch für die zweite genannte Kontradiktion von

Allgemeinaussagen. Dem allgemeinen negativen Subjekt „jeder Nicht-

Mensch“ wird die doppelte Negation „nicht jeder Nicht-Mensch“

gegenübergestellt, beide sind mit dem finiten Aussagewort „existiert“

kombiniert. Für jedes der vier benannten Gegensatzpaare ist das

402 Konträr hießen die Gegensatzpaare „Mensch“ versus „Tier“ bzw. „existiert“ versus

„tot“. 403 Zu den Begriffen „finit“ und „infinit“: Vgl. WEIDEMANN 1994, S. 325. 404 Beides: Peri hermeneias 10, 19b, S. 17.

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substantielle Nennwort oder Subjekt ausschlaggebend. Ihm wird ein

Aussagewort beigelegt. Die Kombinationen beschränken sich auf die

Gegenüberstellung von zwei widersprüchlichen Aussagen. Dabei ist es

ebenso möglich die Kontradiktion durch bejahende und verneinende

Variation des Aussagewortes als auch durch eine Gegenüberstellung

von bejahter und verneinter Nennwort-Variante zu erreichen.

Über solche einfachsten Satzgefüge hinaus führt ARISTOTELES

im weiteren Verlauf seiner Argumentation Sätze ein, deren Subjekt-

Prädikation durch ein drittes Satzglied erfolgt. Gemeint ist hier die

Verwendung des finiten Wortes „ist“ und dessen Infinitum „ist nicht“,

welche es erlauben, dem Subjekt eine Aussage in der Form eines

Adjektivs beizulegen oder abzuerkennen, so dass das Subjekt zwar

Nennwort bleibt, hier aber das Adjektiv als das Wort, was die

akzidentelle Bestimmung der bezeichneten Substanz bezeichnet,

Aussagewort ist.405 Dabei liegt die Kontradiktion nicht nur in einer

Gegenüberstellung von Gegensatzpaaren; vier Aussagen verhalten

sich kotradiktorisch zueinander, z.B.:

„‚(Ein) Mensch ist gerecht.‘ [...] ‚(Ein) Mensch ist nicht gerecht.‘

‚(Ein) Mensch ist nicht-gerecht.‘ [...] ‚(Ein) Mensch ist nicht nicht-gerecht.‘“ 406

Das Diagramm kann von oben nach unten, von links nach rechts und

diagonal gelesen werden. Eine solche Aufstellung wird nicht nur für

die hier aufgeführten Aussagen über ein konkretes Subjekt „Mensch“

gemacht, sondern ebenso für dessen Negation „Nicht-Mensch“ und

die Allgemeinaussage „jeder Mensch“407. Damit vorgeführt sind

letztendlich aber ausschließlich logische Kombinationsmöglichkeiten

405 Vgl. Peri hermeneias 10, 19b, S. 17. 406 Peri hermeneias 10, 19b, S. 18; Ausl. v. G.v.S. 407 Vgl. Beides: Peri hermeneias 10, 19b, S. 18f.

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von Nenn- und Aussagewörtern. Ob diese wahr oder falsch zu

nennen sind, zeigt ihre bloße Zusammenstellung nicht, dazu bedarf es

der Kenntnis des Seins, auf das die Aussagen verweisen. Dennoch

liegt für ARISTOTELES in der Aussage mehr Wahrheitsgehalt als allein

im Begriff. Es ist ihm zufolge ein Fehlschluss, Infinita wie etwa das

Nennwort „Nicht-Mensch“ oder das Aussagewort „nicht gerecht“ für

„so etwas wie verneinende Aussagen ohne Nennwort bzw. (ohne)

Aussagewort“408 zu halten, denn

„[...] eine verneinende Aussage sagt notwendigerweise stets etwas Wahres oder etwas Falsches aus; │wer aber ‚Nicht-Mensch‘ sagt, dem ist es, wenn nicht noch etwas hinzugefügt wird, ebenso wenig wie jemandem, der (einfach) ‚Mensch‘ sagt, – ja sogar noch weniger (als ihm) – schon gelungen, etwas Wahres oder Falsches zu sagen.“409

Das heißt, um sich der Wahrheit oder Falschheit einer Substanz

anzunähern, bedarf es des Subjekts als Abbild der Substanz. Um

diesen bloßen Träger von Eigenschaften erkennen zu können, ist aber

auch die Kenntnis des ihm prädikativ Beigelegten notwendig.

„In akzidentellem Sinne Eines z.B. Korsikos und Gebildet und der gebildete Korsikos; denn es ist dasselbe, ob man sagt, Korsikos und Gebildet sei Eines, oder, Korsikos sei gebildet, und ebenso gebildet und gerecht, oder der gebildete und gerechte Korsikos. Denn alles dies wird Eines genannt in akzidentellem Sinne, Gerecht nämlich und Gebildet, weil es Akzidenzien an demselben einen Wesen sind, Gebildet aber und Korsikos, weil das eine ein Akzidenz des anderen ist.“410

Gleichwohl ARISTOTELES ontologische Einheit als Merkmal der

Substanz annimmt411 und die Substanz Träger von Wahrheit ist,

sobald durch Differenzierung von ihr alles Unwesentliche abgezogen

408 Insges.: Peri hermeneias 10, 20a, S. 20. 409 Peri hermeneias 10, 20a, S. 20f. 410 Metaphysik V 6, 1015b, S. 97. 411 Vgl. Metaphysik V 6, 1015b, S. 97ff. Vgl. insbesondere Metaphysik V 6, 1016b, S. 99.

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ist,412 wird die Substanz doch erst durch eine akzidentelle

Bestimmung, die eine Einheit mit ihr eingeht, benannt und damit

erkennbar. Der Name „Korsikos“ umfasst zwar das gesamte Wesen

des Benannten, wer diesen aber nicht kennt, hat durch bloße

Namensnennung keinen Erkenntniszugriff. Erst durch Aufführen der

Eigenschaften „gebildet“ und „gerecht“ ist Annäherung an das Wesen

des Korsikos möglich. Das zutreffende Akzidenz, welches sich auf das

Wesen der Substanz bezieht, gibt Hinweis und Aufschluss über sie. Im

Satz wird erst in der Aussage, als einer Verbindung aus dem

Nennwort, das auf die Substanz verweist und Aussagewort, das der

Substanz beigelegt wird, um sie zu erläutern, Abbildung von

akzidentell bestimmtem Sein möglich. Insofern verweist nur die

Aussage auf wahre oder falsche Erkenntnis einer substantiellen Sache.

Bisher ist das Wort „Akzidenz“ für jedes einer Substanz

Zukommende benutzt worden, was nicht selbst Wesen genannt

werden kann. Das entspricht einer allgemeinen ARISTOTELischen

Begriffsbestimmung.413 ARISTOTELES präzisiert seinen Akzidenz-

Begriff in der Metaphysik aber weiter, und zwar in einer Weise, die für

seine innerhalb von Peri hermeneias folgenden sprachtheoretischen

Reflexionen bedeutsam wird:

„Akzidenz nennt man [...] dasjenige, was sich zwar an etwas findet und mit Wahrheit von ihm ausgesagt werden kann, aber weder notwendig noch in den meisten Fällen sich findet, z.B. wenn jemand beim Graben eines Loches für eine Pflanze einen Schatz fand. Dies also, einen Schatz zu finden, ist ein Akzidenz für den, der ein Loch gräbt; denn weder folgt mit Notwendigkeit das eine aus dem anderen oder das eine nach dem anderen, noch findet auch in den meisten Fällen jemand einen Schatz, wenn er ein Loch für eine Pflanze gräbt. [...] Es

412 Vgl. Metaphysik V 10, 1051b, S. 196f. 413 Vgl. Metaphysik V 30, 1025a, S. 124.

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gibt also für das Akzidenz auch keine bestimmte, sondern nur eine zufällige Ursache, d.h. eine unbestimmte.“414

Akzidenzien kommen einer Substanz nicht wesensnotwendig zu. Sie

können ihr zwar beigelegt werden, ohne dabei aber mit ihr eine

Einheit einzugehen, da die Prädikation sich in der Zeit durch Zufall

ereignet. Diese Überlegungen finden bezogen auf die Aussage,

genauer die Wahrheit oder Falschheit von Bejahung oder Verneinung

ihre Anwendung. Wird in Sprache einer Sache ein Akzidenz beigefügt,

dadurch, dass einem Nennwort ein Aussagewort beigefügt wird, muss

daraus nicht ein Eines entstehen. Der Bezug kann ein zufälliger sein.

Ebenso kann die sprachliche Form Einheitlichkeit vorgaukeln, ohne

dass auf der Seinsebene tatsächliche Einheit besteht.415 Es ist zu

unterscheiden zwischen logischer und ontologischer Einheitlichkeit,

die auf die Differenz von logischer und ontologischer Wahrheit

verweist. Nur ontologische Einheitlichkeit fällt wesensmäßig mit

ontologischer Wahrheit zusammen und kann Maßstab für die

Überprüfung von Wahrheit oder Falschheit einer Aussage sein.

Insofern der Erkenntnissuchende in seiner Suche nach Wahrheit oder

Falschheit auf die Logik geworfen ist, bleibt ihm aber nur eine Analyse

sprachlicher Art.

Eine Aussage ist nur dann auf ihren Wahrheitsgehalt

überprüfbar, wenn über ihr Subjekt in einheitlicher Weise etwas

ausgesagt ist, denn ausschließlich in diesem Fall verweist sie abbildlich

auf Substantielles. Das mittels einer „dialektischen Frage“416 zu prüfen

schlägt ARISTOTELES als Annäherungsform vor. Eine solche Frage soll

nicht offen gestellt werden, sondern insoweit bereits näher bestimmt

sein, dass sie schon auf die Einheitlichkeit der Substanz, auf die zu

414 Metaphysik V 30, 1025a, S. 123f.; Ausl. v. G.v.S. 415 Vgl. Beides: Peri hermeneias 11, 20b, S. 21f. 416 Peri hermeneias 11, 20b, S. 22.

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erkennen die Frage letztendlich zielt, ausgerichtet ist. Verwiesen wird

auf die Topik, wo die Fragen „Ist auf Füßen gehendes zweibeiniges

Sinnenwesen die Definition von Mensch?“ und „Ist Sinnenwesen

Gattung von Mensch?“417 in Unterscheidung von der Frage „Was ist

[der Mensch]?“418 als geeignete Formulierungen vorgeführt werden.

Geklärt werden soll auf diese Weise, welche Akzidenzien tatsächlich

zutreffende Prädikats-Bestimmungen einer ausgesagten Substanz sind.

Die Frageform wird deshalb dialektisch genannt, weil ihr die

Möglichkeit einer Entscheidung für einen Teil eines

kontradiktorischen Aussagenpaares inhärent ist.419 Sie gibt

Prädikationen vor, die nach Bejahung oder Verneinung verlangen und

damit das bezogen auf die Wahrheitsfrage Wesentliche eingrenzen.

Das erscheint auch deshalb sinnvoll, weil mehrere Akzidenzien auf

eine benannte Substanz zutreffen mögen, die aber alle zusammen im

Bezug auf das Subjekt keine Einheit bilden:

„Einem Menschen kann man ja wahrheitsgemäß sowohl das Prädikat ‚Lebewesen‘ für sich allein als auch das Prädikat ‚zweifüßig‘ für sich allein zusprechen, beide aber auch als einheitliches Prädikat [‚zweifüßiges Lebewesen‘], desgleichen „Mensch“ (für sich allein) und │ (z.B.) ‚weiß‘ (für sich allein) und auch diese beiden Prädikate (wiederum) als ein einheitliches [‚weißer Mensch‘]. Jedoch ist (ein Mensch), wenn er ein Schuster ist und (außerdem) gut, damit nicht auch schon ein guter Schuster.“420

Denkbar sind hier die dialektischen Fragen „Ist der Schuster

moralisch gut?“ und „Ist der Schuster ein handwerklich guter

Schuster?“. Als Antworten sind die Kontradiktionen „Ja, der Schuster

ist moralisch gut.“ – „Nein, der Schuster ist nicht moralisch gut.“ –

zur ersten Frage – und „Ja, der Schuster ist ein handwerklich guter 417 Beides: Topik 1, 101b, S. 5. 418 Peri hermeneias 11, 20b, S. 22; Zus. v. G.v.S.. 419 Vgl. Peri hermeneias 11, 20b, S. 22. 420 Vgl. Peri hermeneias 11, 20b, S. 22f.; Zus. v. G.v.S.

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Schuster. – Nein, der Schuster ist kein handwerklich guter Schuster.“

– zur zweiten Frage möglich. Insofern „moralisch“ und

„handwerklich“ Prädikationen von „gut“ sind, das seinerseits Prädikat

vom substantiellen Subjekt „Schuster“ ist, ergibt die vorgeführte

dialektischen Prüfung Aufschluss über das am Schuster Wesentliche.

Schuster ist die Berufsbezeichnung eines Handwerkers. Bezogen auf

den Handwerker betrifft nur die zweite Frage sein Wesen, denn für

ihn ist es wesentlicher, handwerklich gut zu arbeiten als moralisch gut

zu sein. Das wäre ein angemessenes Akzidenz des Menschen an sich,

der zwar akzidentell Schuster sein mag, aber befragt man sein

Menschsein, ist die moralische Frage die angemessene, dieser Träger

geht mit dieser Eigenschaft eine Einheit ein. Befragt man seine

Professionalität, kommt es auf handwerkliche Güte an, diese Substanz

bildet mit diesem Akzidenz eine Einheit. So ist das Wesen des

Schusters angesprochen, wenn nach seinem handwerklichen Geschick

gefragt wird. Es wird sein Wesen transparenter, wenn geklärt wird, ob

er gut arbeitet oder nicht. Um dieses Wesen so transparent wie

möglich zu machen, ein „Gesamt[...]prädikat“421 zu bilden, wären

Ketten akzidenteller Bestimmung nötig. Bezogen auf den Schuster

z.B.: „Dieser moralisch gute Mensch, der ein handwerklich guter

Schuster ist, hat ...“. Das würde zwar die Subjekt-Substanz genau

benennen, in einem konkreten Fall, in dem nur über einen ihrer

Aspekte etwas ausgesagt werden soll, wäre mit der angeführten

prädikativen Kette viel Überflüssiges ausgesagt.422 ARISTOTELES geht

daher im Folgenden dazu über, zu erörtern, wie man vermeidet, „viel

Abwegiges sagen zu müssen“423.

421 Peri hermeneias 11, 20b, S. 23; Ausl. v. G.v.S. 422 Vgl. Peri hermeneias 11, 21a, S. 23 423 Peri hermeneias 11, 21a, S. 23.

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Einheitlichkeit ist auch hier das Maß der Dinge. Akzidentell

Prädiziertes ist, ob nun mit der Substanz oder mit anderen dieser

zugeordneten Akzidenzien, uneinheitlich. Uneinheitlichkeit trifft auf

alles akzidentell über die Substanz Ausgesagte zu, sei es nun ein

einzelnes Prädiziertes, wie die Aussage „weißer Mensch“, mehrere

Prädikate, z.B. ein „weißer gebildeter Mensch“, solange die

Prädikation nicht ein zweite Substanz zu nennen ist, etwa

„zweifüßiges Lebewesen“.424 Dennoch gibt ARISTOTELES

Bedingungen an, unter denen akzidentelle Prädikationen wahr oder

falsch genannt werden können. Erstens kann im Fall von zwei

Prädikaten, die auf ein Nennwort bezogen werden, eine Probe, ob die

beiden Aussagewörter einander widersprechen, den logischen

Nachweis erbringen, dass Wahrheit oder Falschheit vorliegt. Folglich

bestimmt ARISTOTELES: Besteht ein Widerspruch, ist die Aussage

falsch, besteht keiner, ist sie wahr zu nennen.425 Dies gilt allerdings

nicht ohne Einschränkung. Eine so beschriebene Aussage ist ein

logisches Urteil, das akzidentell zutrifft, das heißt den Bedingungen

unterliegt, die zur Zeit, wo die Aussage getroffen wird, wirksam sind.

Ein ontologisches Existenzurteil lässt sich daraus nicht ableiten:

„Homer zum Beispiel ist ja etwas, sagen wir: ein Dichter. Folgt daraus etwa, dass er auch ist (d. h. existiert), oder nicht? (Doch wohl nicht); denn (nur) akzidentell wird das Wort ‚ist‘ (hier) von Homer prädiziert. Weil er nämlich ein Dichter ist, nicht aber an sich wird (hier) von Homer das Wort ‚ist‘ prädiziert.“426

Nennwort ist hier der Name Homer. Akzidentell wird von ihm

ausgesagt, er sei ein Dichter. Innerhalb der sprachlichen Bedingungen,

denen diese Aussage unterliegt, ist das Wort „ist“ notwendig, um das

Aussagewort „Dichter“ mit dem Nennwort „Homer“ zu verbinden.

424 Vgl. Peri hermeneias 11, 21a, S. 23f. 425 Vgl. Peri hermeneias 11, 21a, S. 24. 426 Peri hermeneias 11, 21a, S. 24.

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Es handelt sich hierbei allerdings um eine logische Notwendigkeit,

nach der „ist“ als ein akzidentelles Prädikat fungiert, um die

Akzidentalaussage, Homer sei Dichter, zu ermöglichen. Das

existentielle Sein Homers ist damit nicht angesprochen.427 Für

ARISTOTELES gilt aber: Ein ontologisches Urteil, das nicht akzidentell,

sondern existentiell prädiziert, das von einem substantiellen

Gegenstand Einheitliches uneingeschränkt und widerspruchslos

aussagt, ist wahr. Es kann über Seiendes oder Nichtseiendes eben

gefällt werden, weil dies ontologisch existent ist.428

Nun wendet sich ARISTOTELES der Möglichkeit und

Unmöglichkeit sowie der Notwendigkeit und Nicht-Notwendigkeit

von Aussagen, genauer deren Bejahungen und Verneinungen zu.429 In

ontologischer Sicht auf die Dinge hat jeder Gegenstand die Potenz zu

existieren oder nicht zu existieren und darüber hinaus, andere ihm

entsprechende Tätigkeiten entweder aktiv auszuführen oder nicht

bzw. passiv geschehen zu lassen oder nicht. In der aktiven Form führt

ARISTOTELES Gehen oder Nicht-Gehen, in der passiven Geschnitten-

Werden oder Nicht-Geschnitten-Werden als Möglichkeiten eines

Gegenstandes an.430 Diese ontologische Zwittrigkeit der Dinge,

sowohl Positivum als auch Negativum sein zu können, ist erneut

zeitlich bedingt. Verschiedene Zeitpunkte markieren verschiedene

Grade von „Verwirklichung“431, so dass existentiell mal ein Sein und

mal ein Nicht-Sein respektive eine Tätigkeit oder Nicht-Tätigkeit, ein 427 Insofern ist WEIDEMANN zu widersprechen, der die Wahl des Beispiels „nicht sehr

glücklich“ (WEIDEMANN 1994, S. 383) nennt. (Vgl. WEIDEMANN 1994, S. 383) Liest man

allerdings Peri hermeneias unter der Perspektive der Unterscheidung von logischer und

ontologischer Wahrheit aus der Metaphysik, dient das Beispiel durchaus der Erläuterung. 428 Vgl. Peri hermeneias 11, 21a, S. 24f. 429 Vgl. Peri hermeneias 12, 21a, S. 25. 430 Vgl. Peri hermeneias 12, 21b, S. 25f. 431 Peri hermeneias 12, 21b, S. 26.

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Werden oder Nicht-Werden möglich ist.432 Insofern erscheinen die

Möglichkeiten und Unmöglichkeiten, wenn auch innerhalb des

binären Systems von Positiv und Negativ und gebunden an die

Zeitlichkeit, offen. Unter rein logischer Perspektive hingegen ergeben

sich Beschränkungen. Die beiden Teile eines assertorischen Urteils,

das den Gegenstand bezeichnende Subjekt und das Prädikat, welches

die Aussage über das Subjekt komplettiert, verweisen auf die

ARISTOTELische Differenz von Materie und Form.433 Die prädikativen

Formen – ob nun finit „ist“ oder infinit „ist nicht“ – sind unbestimmt.

Sie können sich auf jedes Subjekt und damit jede gegenständliche

Materie beziehen und sind damit nicht an ein bestimmtes Subjekt bzw.

eine bestimmte Materie gebunden. Folglich können sie nicht in der

gleichen Weise kontradiktorisch verschränkt werden wie die Subjekt-

Materie. Ausschließlich diese selbst, in den Beispielen Möglichkeit,

Statthaftigkeit, Unmöglichkeit und Notwendigkeit, lassen sich

sinnvoller Weise bejahen oder verneinen, das heißt die Kontradiktion

ist ausschließlich auf das Urteils-Subjekt und die zugrundeliegende

Materie zu beziehen:

„‚möglich‘ – ‚nicht möglich‘, ‚statthaft‘ – ‚nicht statthaft‘, ‚unmöglich‘ – ‚nicht unmöglich‘, ‚notwendig‘ – ‚nicht notwendig‘, (‚wahr‘ – ‚nicht wahr‘).“434

ARISTOTELES bestimmt hier auf der logischen Ebene das Vermögen

von Subjekt und Prädikat, interpretiert als Materie und Form, auf

Wahrheit oder Falschheit eines Gegenstandes es zu verweisen. Er

schreibt dem materiellen Subjekt dieses Vermögen zu, während er es

dem formellen Prädikat abspricht.

432 Vgl. Peri hermeneias 12, 21b, S. 26. 433 Vgl. WEIDEMANN 1994, S. 404. 434 Peri hermeneias 12, 22a, S. 27.

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Auf diese grundsätzliche Vermögensbestimmung von

Nennwörtern in Abgrenzung zu Aussagewörtern innerhalb

kontradiktorischer Urteile folgen Überlegungen, wie das Mögliche, das

Statthafte, das Unmögliche sowie das Notwendige und ihre Infinita in

Beziehung zueinander stehen. ARISTOTELES bezeichnet das als die

„Folgebeziehnungen“435. Mit der Kombinatorik, die WEIDEMANN

logisch zusammenfasst, wie folgt,

„Ia 1 M(P) 2 St(P) 3 ~U(P) 4 ~N(P)

Ib 1 ~M(P) 2 ~St(P) 3 U(P) 4 N(~P)

IIa 1 M(~P) 2 St(~P) 3 ~U(~P) 4 ~N(~P)

IIb 1 ~M(~P) 2 ~St(~P) 3 U(~P) 4 N(P)“ 436

zeigt ARISTOTELES auf logischer analog zur ontologischen Ebene die

Relevanz des Prinzips der Notwendigkeit.437 ~N(P) ist nicht – wie zu

erwarten gewesen wäre – N(P) gegenübergestellt. Genauso wenig sind

die Aussagen ~N(~P) und N(~P) kombiniert. Anstelle dieser

Kontradiktionen hat ARISTOTELES Konträres zusammengestellt, denn

die infinite Notwendigkeit einer finiten Aussage hat einen echten

Gegensatz nur im Finitum der Notwendigkeit einer infiniten Aussage

und die infinite Notwendigkeit einer ebenso infiniten Aussage – eine

doppelte Negation – steht dem doppelten Positivum der finiten

Notwendigkeit mit finitem Aussagewort entgegen.438 Genauere

435 Peri hermeneias 13, 22a, S. 27. 436 WEIDEMANN 1994, S. 418. „M“ steht für die Möglichkeit, „St“ für das Statthafte, „U“

für das Unmögliche und „N“ für das Notwendige. Die genannten Majuskeln bezeichnen

das jeweilige Subjekt eines Urteils, das „P“ das prädikativ über sie Ausgesagte. Ist dem

Urteil ein „~“ vorangestellt, handelt es sich um eine Negation; fehlt dieses Zeichen, ist

die Aussage positiv. (Vgl. WEIDEMANN 1994, S. 418) 437 Gegen WEIDEMANN 1994, S. 453 und BECKER 1934, S. 448. 438 Vgl. Peri hermeneias 13, 22a f., S. 29.

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logische Bestimmungen von Notwendigkeit ergeben sich durch ihre

Gegenüberstellung mit Unmöglichkeit und Möglichkeit, bevor

ontologische Schlussfolgerungen gezogen werden. Ein notwendiges

Finitum ist der Gegensatz einer finiten Unmöglichkeit, denn der

Notwendigkeit einer Sache widerspricht, dass sie unmöglich ist.

Insofern eine Möglichkeit fakultativ, möglich, aber auch nicht möglich

sein kann, wird sie einer Notwendigkeit entweder ent- oder

widersprechen. Beides ist möglich, nicht eines zwingend notwendig.439

An dieser Stelle verlässt ARISTOTELES die rein logische Argumentation

und begründet das für das Logische Festgelegte mit ontologischen

Argumenten. Was von beidem nämlich zutrifft, ob eine Sache möglich

oder nicht möglich ist und in welchem Verhältnis die Notwendigkeit

dazu steht, wird den „Vermögen“440 der Gegenstände zugeschrieben,

sich zu verwirklichen,441 was eine auf das Sein der Dinge, ihre Materie

bezogene Überlegung ist und nicht ihre sprachliche Form betrifft.

„Da aus dem Partikulären das Allgemeine folgt, folgt also für das notwendigerweise Seiende (daraus, daß es notwendigerweise ist), daß es auch die Möglichkeit hat zu sein, allerdings nicht jede Art von Möglichkeit. Und die Notwendigkeit sowie die Nicht-Notwendigkeit, (etwas zu sein oder nicht zu sein), sind ja wohl auch das Prinzip für das Sein oder Nichtsein (im Sinne) aller (anderen Modalitäten), und │ man muß die anderen als diejenigen betrachten, die aus diesen beiden folgen.“442

ARISTOTELES weist in diesem Zusammenhang auf ein bereits früher in

Peri hermeneias erwähntes und in der Metaphysik näher bestimmtes

Prinzip hin, das sein Gegenkonzept zur PLATONischen Ideenlehre

ist:443 Durch Abstraktion vom Einzelnen gelangt man zum

439 Vgl. Peri hermeneias 13, 22a, S. 30f. 440 Peri hermeneias 13, 23a, S. 32. 441 Vgl. Peri hermeneias 13, 23a, S. 32. 442 Peri hermeneias 13, 23a, S. 32f. 443 Vgl. Metaphysik VII 13-16, 1038b ff., S. 159ff. sowie RUSSELL 2002, S. 183.

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Universellen. Bezogen auf die Vermögen der Möglichkeit,

Statthaftigkeit, Unmöglichkeit und Notwendigkeit differenziert

ARISTOTELES zwischen den aufgezählten Modalitäten und ihrer

Verallgemeinerung. Diese liegt in der Kontradiktion des Notwendigen

und Nicht-Notwendigen. Beide Teile der kontradiktorischen Aussage

erklären sich selbstreferentiell und zweifelsfrei. Was mit

Notwendigkeit ist, ist mit Notwendigkeit; die Nicht-Notwendigkeit

von Sein macht ein Etwas nicht-notwendig seiend. Geringere Stufen

der Verwirklichung von (Nicht-)Notwendigkeit lassen sich nicht

ausmachen. Dagegen gibt es ebensolche bei Möglichkeit,

Statthaftigkeit und Unmöglichkeit. Das Notwendige und seine

Kontradiktion wird daher zum höchsten universellen und zugleich

zum höchsten ontologischen Prinzip erhoben.444

2.1.3 Universalien

Im abschließenden, vierzehnten Kapitel der Schrift Peri hermeneias

werden die letzten Ausführungen auf die anfänglich entfaltete

ARISTOTELische Abbildtheorie zurückgeführt. Logisch wird zunächst

gefragt, ob das der Möglichkeit Konträre die Unmöglichkeit oder die

Nicht-Möglichkeit sei. Zur Beantwortung dieser Frage wird das

Formale auf Materielles, genauer auf Vorgänge in der Psyche bezogen.

Die sprachlichen Aussagen werden mit den Meinungen innerhalb der

menschlichen Seele, die sie abbilden, verglichen. Als Beispiel dienen

bejahende und verneinende Urteile bzw. konträre Meinungen über das

Gute. Das Gute mag als gut, nicht gut oder schlecht aufgefasst

werden.445 Bei ARISTOTELES erscheint das Gute als ein allgemeines

444 Vgl. Metaphysik IX 8, 1050b, S. 194; WEIDEMANN 1994, S. 453 sowie BECKER 1934. 445 Vgl. Peri hermeneias 14, 23a f., S. 33ff.

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Abstraktum, dessen Charakter einerseits als ontisch-gegenständlich,446

andererseits als logisch-formal beschrieben ist.447

„Es ist aber auch zu erwägen, auf welche [...] Weisen die Natur des Alls das Gute und das Beste enthält, ob als etwas Abgetrenntes, selbstständig an sich Bestehendes, oder als die Ordnung seiner Teile. [...] Oder wohl auf beide Arten zugleich, wie dies bei dem Heer der Fall ist; denn für dieses liegt das Gute sowohl in der Ordnung als auch im Feldherrn, und mehr noch in diesem. Nicht er ist nämlich durch die Ordnung, sondern die Ordnung durch ihn. [...] und es ist doch unter allem am meisten das Gute Prinzip.“448

Das Gute ist das alles Ontische durchdringende, es bestimmende

universelle Prinzip, Seinsgrund (causa essendi) und Zweckursache (causa

finalis). Anders als bei PLATON ist es ARISTOTELisch gedacht nicht

Idee, sondern als Universalie, Wesensbestandteil des Absoluten. Das

bedarf der Erörterung.

Weil es Sein gibt, so denkt ARISTOTELES, gibt es dafür eine

erste, absolute Ursache. Das Sein ist dabei nicht statisch, sondern in

Bewegung. Der Grund für diese Bewegung ist ein Unbewegtes,

Prinzipielles, das jede Bewegung verursacht: Gott als der unbewegte

Beweger. Wesensbestimmungen dieses Göttlichen sind das Schöne,

das Gute und das Intelligible, nach denen zu streben es dem Sein

vorgibt.449 Das Schöne, das Gute und das Intelligible sind

Universalien, allgemeine, prinzipielle Abstrakta. Erstrebt werden sie

als das Schön-Sein (das Ästhetische), das Gut-Sein (das Ethische) und

das Intelligibel-Sein (die Erkenntnis450). Insofern die Erkenntnisweise

des Intelligiblen sprachlich, seine Existenz ontisch ist, ist die Meinung

446 Vgl. Metaphysik IV 1, 1003a, S. 61. 447 Vgl. ULFIG 1997, S. 435f. 448 Metaphysik XII 10, 1075a, S. 264f.; Ausl. v. G.v.S. 449 Vgl. Metaphysik XII 7, 1072a, S. 256ff. 450 Vgl. Metaphysik XII 7, 1072a, S. 256.

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ein Mittleres zwischen Logik und Ontologie, denn die Universalie ist

im ARISTOTELischen Sinne ein durch sprachliche Abstraktion

gewonnenes Allgemeines mit Seinscharakter. Das heißt, sprachliche

Abstraktion ist der Erkenntnisweg.

Vom empirisch wahrgenommenen Ding bildet sich in der Seele

ein gedankliches Abbild. Der Gedanke setzt sich zusammen aus

Substanz und Akzidenz, denn dem Gegenstand der Wahrnehmung

wird im Gedanken beigefügt, was als bildliche Entsprechung des

realen Gegenstands angenommen wird. Diese gedankliche

Zusammenfügung ist für ARISTOTELES eine Meinung über das Ding.

Dazu ist das Urteil die analoge sprachliche Entsprechung,

zusammengesetzt aus Subjekt und Prädikat, die ja ihrerseits Substanz

und Akzidenz abbilden. Bei zunehmendem Abstraktionsgrad gelangt

der Erkennende über das Prinzipielle/Universelle zum Absoluten. Die

Meinung formuliert sich im Urteilssatz, das Prinzipielle zeigt sich im

Allgemeinbegriff, die logische Abstraktion führt vom Einzelding zum

Absoluten.

Das Gute ist als dessen Wesensmerkmal vom unbewegten

Beweger ins Sein gesetzt. Es gibt Substanziellem Sein vor, das

seinerseits das einzeldingliche Sein bestimmt. Die Art der Ordnung ist

logisch, abgebildet im Sprechen über das Gute. Wird zum Guten eine

Meinung gebildet, so lassen sich nach ARISTOTELES drei

Möglichkeiten unterscheiden, die, dass es gut sei, die, dass es nicht gut

und schließlich die, dass es schlecht sei. Erstere bezeichnet er als

richtig, die beiden anderen als falsch. Weiter wird die Frage

aufgeworfen, in welcher Weise die beiden falschen Meinungen sich

denn zur richtigen konträr verhalten, beide zusammen oder nur eine

der beiden? Auf der Ebene des Universellen besteht nun keine

Notwendigkeit, zwischen Ontologischem und Logischem zu

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unterscheiden, denn beide fallen in diesem Prinzip zusammen.

Folglich ist hier nicht der Punkt, dass das Konträrsein ausschließlich

von der durch die entgegengesetzten Meinungen bezeichneten

Seinsebene abhinge „[...] sondern vielmehr dadurch, dass sie sich in

konträrer Weise (zueinander verhalten)“451. Das heißt Seinsebene und

Sprachebene wirken zusammen. Die ontische Grundlage der Meinung

über Gut und Schlecht verhält sich ebenso konträr wie ihre

Formulierung in Sprache und der logische Bezug entsprechender

Sätze aufeinander. So ist ontologisch und logisch zu prüfen, ob man

sich in einer Meinung über das Gute täuscht oder nicht.452

Zur Lösung dieses Problems wendet ARISTOTELES die

Kategorienlehre an und scheidet die Meinung in Substanz und

Akzidenz. Das Gute lässt sich sowohl als gut als auch als nicht

schlecht charakterisieren. Beides ist zutreffend, das Charakteristikum

„gut“ hat allerdings substantielle Bedeutung, das Charakteristikum

„nicht schlecht“ ist von diesem nur abgeleitet, also akzidentell. Es

wird als angemessen erörtert, von der Substanz auszugehen und den

Gegensatz zu ihr zu suchen. Das führt eindeutiger zur richtigen

Meinung als quasi einen Umweg über das Akzidentelle zu nehmen.453

Demnach lautet die richtige Meinung zum Guten, dass es gut ist, denn

das entspricht seinem substantiellen Sein. Falsch urteilt derjenige,

welcher das Konträre zu diesem Substanz-Urteil annimmt, „denn das

konträr entgegengesetzte ist von der Art dessen, was sich in bezug auf

dasselbe am meisten voneinander unterscheidet.“454 Diese letzte

Erklärung ist ein logischer Schluss, der aus den ontologischen

Gegebenheiten gezogen wird. Zwar wird die Fehlmeinung, die 451 Peri hermeneias 14, 23b, S. 34; Ausl. v. G.v.S. 452 Vgl. Peri hermeneias 14, 23b, S. 34f. 453 Vgl. Peri hermeneias 14, 23b, S. 35. 454 Peri hermeneias 14, 23b, S. 35.

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Universalie des Guten als schlecht zu charakterisieren, argumentativ

ernst genommen, um sie ontologisch wie auch logisch zu entkräften,

doch ist ein Schluss, der sich am Nicht-Ontischen orientiert auch

nicht logisch.455

Auf der Suche nach einer Gesetzmäßigkeit für Konträres und

Kontradiktion kommt ARISTOTELES letztendlich zu dem Schluss, dass

sich unter Abwägung des ontologisch Gegebenen und dessen

logischen Gesetzmäßigkeiten Wahres und Falsches festlegen lässt.

Wenn auch die empirischen Wahrnehmungen des Menschen und

seine seelische Intelligibilität den Ausgangspunkt des Denkens bilden,

dass mittels sprachlicher Abstraktion Erkenntnis möglich ist. Vom

Namen für ein Einzelding über kategorielle Aussagesätze zum

Allgemeinen fortschreitend, unter stringenter Ausrichtung auf

Ontologie und Logik gelingt Erkenntnis.

Die auf Erkenntnis zielende intelligible Verarbeitung von empirisch

wahrgenommenen Einzeldingen in der Seele vollzieht sich sprachlich.

Das vernünftig Erkannte ist nämlich in Sprache abgebildet, denn der

substantiellen Seele gehört die Möglichkeit zu „grammatischem

Wissen“456 wesensnotwendig zu. Weil es reale Sprache gibt, muss es

notwendig auch zugrundeliegende substantielle Sprache geben, denn

„[w]enn also die ersten Substanzen nicht existieren, ist es unmöglich,

daß etwas von dem anderen existiert“457. Analog dazu wird nicht

gesprochen, wenn eine erste substantielle Aussage nicht ist. Da

gesprochen wird und ARISTOTELES von einer substantiellen

Grundlage ausgeht, kann mit dieser Sprache auf

gebrauchstheoretische Weise Erkenntnissuche erfolgen. Die Methode

455 Vgl. Peri hermeneias 14, 23b, S. 35. 456 Kategorien 2, 1b, S. 9. 457 Kategorien 5, 2a, S. 11; Änd. v. G.v.S.

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ist als Abstraktion zu benennen. Abstrahiert man ontologisch von

allem Akzidentellen der Substanz, bzw. logisch von allem Prädikativen

des sprachlichen Subjekts, gelangt man ontologisch betrachtet zu einer

Meinung, logisch zu einem Urteil. Das sprachliche Urteil bestehend

aus Subjekt und Prädikat entspricht auf der Seinsebene dem

Substanziellen und Akzidentellen der Meinung. Es liegt ein

gegenseitiges Abbildverhältnis bei Verortung in der Seele vor.

Vermittels weiterer Abstraktion gelangt man schließlich zu den

Universalien. Die abstrahierte Universalie beinhaltet die Möglichkeit

zur Wahrheitserkenntnis. Eine auf der Ontologie aufbauende logische

Analyse verweist auf den Allgemeinbegriff mit Seinscharakter, dessen

wahrer Substantialität man habhaft werden kann. Dieser

Erkenntnisweg kann sprachlich gelehrt werden, was ARISTOTELES

zwar nicht ausführt, sich aber an seinem Umgang mit Sprache in der

Rhetorik458 und den Sophistischen Widerlegungen zeigt. Der Umgang mit

Sprache erscheint sinnvoll, da er Erkenntnis eröffnet.

458 Vgl. dazu DÖRPINGHAUS 2002, S. 59ff.

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THOMAS VON AQUIN (1224/25-1274)459

459 Abbildung: CHENU 1998, S. 106. Daten: Vgl. CHENU 1998, S. 168f.

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2.2 „verbum significat conceptum intellectus – Das Wort bezeichnet die Erkenntnis des Geistes“460: Reden bei THOMAS VON AQUIN

I. Gott ist causa efficiens.

I.I Ontologisch betrachtet ist er die Wirkursache allen

Seins, das Wissen und Wahrheit einschließt.

I.II Logisch betrachtet ist er die Wirkursache von

Sprache, dem Medium der Vermittlung von

Wissen und Wahrheit.

II. Effizient ist Gott hinsichtlich seines Seins universales

Prinzip, dessen logische Form das Schweigen ist.

III. Universal-Prinzipielles und Schweigen sind dem Inneren

zugeordnet, entziehen sich empirischer Erfahrbarkeit.

IV. Gott gelangt schöpfend und zeugend vom Urgrund des

Seins ins Sein, vom Inneren ins Äußere.

IV.I Mit der Schöpfung liegt ein Abbild Gottes vor, das

hinter der Vollkommenheit des Schöpfers

zurückbleibt, ihm nicht wesensgleich ist.

IV.II Mit der Zeugung Christi liegt ein an Gott

teilhabendes, vollkommenes, ihm wesensgleiches

Abbild Gottes vor.

V. Schöpfung und Zeugung sind sprachlich.

V.I Gott bewirkt durch schöpferischen Übergang vom

inneren Schweigen zur äußeren Rede

Kreatürliches.

V.II Gott bewirkt durch zeugenden Übergang vom

inneren Schweigen zum äußeren Christus-Wort

Göttliches.

460 S.th. I.34.1., eigene Übersetzung, vgl. Das Wort I, S. 15.

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V.III Da Schöpfung wie auch Zeugung den Übergang

vom Schweigen zum Reden markieren, ähneln sie einander

so weit, dass Verstehen ermöglicht ist.

VI. Christus ist Gott und Mensch. Er ist summus magister.

VI.I In ontologischer Hinsicht trägt er materiell Gottes

Sein in menschlicher Form.

VI.II In logischer Hinsicht bringt er das materielle

Schweigen Gottes in die Form menschlicher Rede.

VI.III Gott und Schöpfung haben in Christus aneinander

Teil.

VI.III.I Die Schöpfung wird in Christus zum

Göttlichen erhoben. Auch das

Geschöpf Mensch kann Lehrer sein.

VI.III.II Das Reden hat im Christus-Wort

Anteil am göttlichen Schweigen. Auch

die Rede des Geschöpfes Mensch kann

lehrend gebraucht werden.

VII. Der Mensch hat teil an göttlichem Sein und göttlicher

Sprache.

VII.I Göttliches Sein ist materialiter wissend und wahr.

Gott ist causa efficiens und causa finalis für Wissen

und Wahrheit.

VII.I.I Gott legt als intellectus seminales,

Anfangsgründe, in Form von

universellen Prinzipien im Innern des

Menschen an.

VII.I.II Gott stattet den Menschen mit dem

intellectus agens, dem tätigen Verstand,

aus.

VII.I.III Der Mensch kann, ontologisch

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betrachtet, wahres Wissen erlangen.

VII.II Göttliche Sprache ist formaliter

schweigend und redend.

VII.II.I Göttliche Sprache ist die Form,

die Materien des Wissens und

der Wahrheit abzubilden.

VII.II.II Das Schweigen entspricht

formell den inneren

Anfangsgründen. Das Reden

ist die äußere Tätigkeit,

Unbekanntes zu erschließen.

VII.II.III Der Mensch kann logisch

wahres Wissen erlangen.

2.2.1 Ontologische und logische Kausalität

Die Sprachauffassung des THOMAS VON AQUIN ist durch sechs

Momente gekennzeichnet: Er unterscheidet ein menschliches Wort

von einem göttlichen Wort, ein inneres von einem äußeren und, daran

gebunden, eine innere und äußere Wahrheitsbelehrung.461 Diese

THOMASische Logik gilt es im Folgenden zu erörtern. Zunächst ist sie,

wie alles im Weltbild des THOMAS, ontologisch verbürgt. Die

Ontologie ihrerseits ist gebunden an die Gottesvorstellung. Gott ist

nach THOMAS reine Substanz, selbst ohne akzidentelle Attribute, aber

ursächlicher Grund von allem und für alles. Das heißt genauer: Die

Gegenstände der Welt sind in ihrem Sein von Gott wirkursächlich

(causa efficiens), zielursächlich (causa finalis), stofflich (causa materialis) und

formal (causa formalis) bestimmt. Gott ist erste Ursache alles Ontischen

461 Vgl. S. c. g. IV.46, sowie Qu. disp. d. ver. II.1.7.

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(causa prima). Er ist in und durch sich selbst wirklich und notwendig,462

denn: „Gott ist sein Sein selbst. Das kann von keinem anderen Wesen

ausgesagt werden.“463 Gott wird also betrachtet als ein sich selbst

einschließendes Prinzip. Dies auf Sprachliches bezogen bedeutet, Gott

ist der Ursprung von Sprache.

„Nam sicut verbum nostrum in mente conceptum invisibile est, exterius autem voce prolatum sensibile fit, ita Verbum Dei secundum generationem aeternam in corde Patris invisibiliter existit, per incarnationem autem nobis sensibile factum est. Unde Verbi Dei incarnatio est sicut vocalis verbi nostri expressio. – Gleichwie nämlich unser Wort unsichtbar ist, wenn es vom Geist konzipiert wird, und sinnlich wahrnehmbar wird, wenn man es sprechend äußert, so existiert das Wort Gottes der ewigen Zeugung gemäß unsichtbar im Herzen des Vaters, doch ist es uns durch die Inkarnation sichtbar geworden. Daher gleicht die Inkarnation des Wortes der stimmlichen Verlautbarung unseres Wortes.“464

Verursachend, aber auch logisch ordnend, das heißt begrifflich,

grammatikalisch, syntaktisch, semantisch konzipierend, gibt Gott

Sprache vor. Diese göttliche Sprache steht empirischer Wahrnehmung

nicht offen, denn sie ist ungelautet, genauer: schweigend. Darauf

verweist die THOMASische Auffassung, dass die Gott angemessene

Anbetung durch den Menschen sich schweigend vollziehe.465 Lautung

und damit Verstehbarkeit für den Menschen erfährt die Sprache mit

der, bzw. durch die Zeugung und Geburt Christi. Die Inkarnation

Gottes in Menschengestalt zeigt sich unter anderem hinsichtlich der

göttlichen Sprache. Vom effizienten Ungelautet-Sein geht sie dabei in

ein erfahrbares Gelautet-Sein über. Dieser Übergang steht für

THOMAS in Analogie zum Übergang der menschlichen Sprache von

462 Vgl. SCHÖNBERGER 2001, S. 42ff. 463 PIEPER 1965, S. 78, i. Orig. teilw. hervorgeh., Spir. creat. I. 464 S. c. g. IV.46, S. 308f. 465 Vgl. In Trinitate II.1.6.

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einer gedanklichen, aber noch ungelauteten Sprachlichkeit im Innern

hin zum artikulierten Gedanken, sobald gesprochen wird.

Das bis hierher Dargelegte steht in einem größeren

Zusammenhang, der den Menschen zunächst in ontologischer

Hinsicht auf Gott als seine Wirkursache und seine Zielursache

zugleich hingeordnet sein lässt. Er ist unvollkommen, strebt aber nach

Vollkommenheit und damit nach Gott. Für das eigene Sein, das ist die

Vollendung der Seele,466 heißt das, danach zu streben, Gott ähnlich zu

werden.467 Die genannte Vollendung erlangt die Seele nach THOMAS in

Stufen zu Gott aufsteigend. Die außer der Liebe wesentliche Weise

ihrer Annäherung ist dabei die Erkenntnis,468 ihre Gegenstände die

Dinge der von Gott geschaffenen Welt.469 Der auf Gott gerichtete

erkenntnissuchende Mensch ist Teil der Schöpfungsordnung.470

Abbildtheoretisch argumentiert, wäre zu fordern, dass die Dinge, da

von Gott geschaffen, sein Wesen abbilden. Das vermögen sie aber

laut THOMAS lediglich in Defizienz. Folglich ist es der menschlichen

Seele auch nicht möglich, vollkommen zu erkennen, ist nämlich der

Erkenntnisgegenstand schon defizitär, so muss es auch die an ihm

orientierte Erkenntnis sein. Darüber hinaus wird das seelische

Erkenntnisvermögen hinsichtlich seiner Vollkommenheit in Zweifel

gezogen.471 Wie schon bei AUGUSTINUS472 kommt bei THOMAS an

466 Vgl. S. c. g. II.87, S. 434f. 467 Vgl. S. c. g. III.21, S. 74f. sowie GUMANN 1999, S. 102. 468 Vgl. S. c. g. II.87, S. 434f. Der Erkenntnis-Begriff ist in diesem Zusammenhang

metaphysisch gefasst. (Vgl. SIEWERTH 1968, S. 17ff.) 469 Die Dinge werden von THOMAS den ARISTOTELischen Kategorien entsprechend als

Substanzen und Akzidenzien gedacht, Gott als ihre Wirkursache. (Vgl. KENNY 1999, S.

59ff.) 470 Vgl. dazu MENSCHING 1995, S. 60ff. 471 Vgl. Qu. disp. d. ver. V.2.2.

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dieser Stelle das credere als notwendige Vorstufe des intelligere zum

Tragen: „Ein jeder, der lernt, muß glauben, damit er zu

vollkommenem Wissen gelange.“473 Das bedeutet, diejenige

Annäherungsweise an Gott, die auf seine Erkenntnis abzielt – das

Lernen also – hat als ihre notwendige Vorstufe den Glauben, denn

zunächst ist vor eine tatsächlich wissende Einsicht in Göttliches das

menschliche Unvermögen gestellt. So hat der Mensch zu glauben,

bevor er zu wissen vermag. Allerdings liegt laut THOMAS auch im

Glauben eine gewisse Defizienz, weil „der Glaube [...] eine

unvollkommene Erkenntnis“474 ist. Somit sucht der Mensch auf der

Basis des Glaubens fortschreitend zur Erkenntnis Gottes zu gelangen.

In Bezug auf die erkenntnissuchende Annäherung des

Menschen an Gott greift nun die logische Abbildtheorie des THOMAS,

nach der zuallererst jede „Kreatur nichts anderes denn eine

gegenständliche Ausprägung und Abbildung dessen [ist], was im

Inbegriff des göttlichen Wortes enthalten ist“475. Auch wenn die

geschaffenen Dinge hinter der göttlichen Vollkommenheit

zurückbleiben, verweisen sie auf ihren Urgrund. Die Art und Weise

des Verweisens ist dabei eine sprachliche, denn die Schöpfung

vollzieht sich dadurch, dass Gott seinen Schöpferwillen ausspricht,

das heißt, von schweigender Innerlichkeit in gelautete Äußerlichkeit

transformiert. Insofern Gott innerlich wie äußerlich vollkommen ist,

hat sein Wort schöpferische Wirkmacht.

472 Vgl. AUGUSTINUS: Epistola CXX.3 sowie Kapitel 1.2.1 dieser Arbeit. Zum

Zusammenhang des THOMASischen Werkes mit der „Augustinischen Tradition“ siehe

CHENU 1960, S. 46ff. 473 PIEPER 1965, S. 90, i. Orig. teilw. hervorgeh., vgl. S. th. II.II.2.3. 474 PIEPER 1965, S. 93, vgl. Comp. Theol. II.1. 475 PIEPER 1965, S. 82, i. Orig. teilw. hervorgeh., vgl. S. c. g. IV.42, S. 294ff.

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Von dieser kreativen Sprache Gottes ist in THOMASischem

Sinne seine Wort-Zeugung, sein sich selbst Benennen, Christus,

substantiell zu unterscheiden. Er ist das ihm wesensgleiche, aber

gelautete und somit für die Menschen vernehmbare Wort, denen er

zugleich wesensmäßig zugehört, insofern er für sie verstehbar ist. Als

Geschöpfe sind die Menschen sprachlich betrachtet „Stammelnde“476;

ihr gelautetes Wort ist im Vergleich zu dessen Urgrund

unvollkommen. Der gezeugte Christus ist göttlich-vollkommen,

gleichzeitig aber für die Schöpfung Mensch verstehbar.477 Christus ist

das vollkommene Abbild, „zu dessen Begriff es gehört, Bild seines

Ursprungs zu sein“478. In ihm fallen Gott und seine Schöpfung

zusammen,479 was Christus zum sprachlichen „Mittler – mediator“480

zwischen der „Ur-Wahrheit – verum et ens“481 Gott und dem ihn mittels

Erkenntnis suchenden Menschen werden lässt, denn

„[i]ndem der Vater sich selbst und den Sohn und den Heiligen Geist erkennt und alles andere, was in seinem Wissen einbeschlossen ist, zeugt er das Wort, so daß auf solche Weise und Worte die ganze Dreieinigkeit ausgesagt ist und zugleich alle Kreatur.“482

In der Zeugung Christi liegen Erkenntnis, Erkannt-werden-lassen, und

Lautung als der Übergang vom Schweigen zum Reden. Dieser

Übergang ist die Zeugung und Geburt des Christus-Wortes, seine

Materie ist kreatürlich, so dass es verstanden wird, seine Form bleibt

göttlich, so dass es Gott verstehbar macht.

476 PIEPER 1965, S. 88, i. Orig. teilw. hervorgeh., S. th. I.22.1.1. 477 Vgl. ebd. 478 PIEPER 1965, S. 95, S. th. I.38.2.1. 479 Vgl. S. th. I.37.2.3. 480 S. th. III.26.1. 481 Qu. disp. d. ver. XVI.3.2, vgl. PIEPER 1965, S. 73. 482 PIEPER 1965, S. 94, i. Orig. teilw. hervorgeh., vgl. S. th. I.34.1.3.

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THOMAS denkt die Menschwerdung Gottes dergestalt, dass

nicht nur Gott sich zu den Menschen herablässt; vielmehr wird in

Christus umgekehrt die Schöpfung zur Gottheit erhoben:483

„una Verbi hypostasis Verbi et animae et corporis extisit hypostasis. [...] Talis erat susceptio illa, quae Deum hominem faceret et hominem Deum. –Das Wort Gottes hat Leib und Seele, eins mit dem anderen verknüpft, angenommen. [...] So hat diese Annahme Gott zum Menschen und den Menschen zu Gott gemacht.“484

Hier wird die Erkenntnis des göttlichen Wesens und der göttlichen

Wahrheit durch die ohnehin als „Verstandeswesen– creaturae [...]

intellectuales“485 gedachte Schöpfung möglich.

„Wenngleich das Wort Gottes mit seiner Kraft alles durchdringt, indem es ja alle Dinge im Sein bewahrt und trägt, so vermag es sich doch, auf Grund einer Verwandtschaft der Ebenbildlichkeit, auf höhere und auf unsagbare Weise zu vereinigen mit der geistbegabten Kreatur, die des Wortes im eigentlichen Sinne zu genießen und an ihm teilzuhaben vermag.“ 486

Das Christus-Wort ist Träger des Seins Gottes und zwar sowohl als

prinzipielle causa efficiens als auch in deren geschaffener Ausformung.

Es gestattet eine doppelte Teilhabe487, die Teilhabe Gottes an jeglicher

Schöpfung wie auch die Teilhabe der Schöpfung an Gott.

485 S. c. g. IV.41, S. 294f.

483 HABBEL spricht hier von einer „Analogie“ zwischen Kreator und Kreatur. (Vgl.

HABBEL 1928) Vgl. dazu auch BATHEN 1988, S. 196ff. sowie WIPPEL 1993, S. 89ff.

BAßLER geht sogar so weit, den Beweis der Ontologie Gottes an die Ontologie der

menschlichen Seele zu binden. (Vgl. BAßLER 1970, S. 58ff.) 484 S. th. III.50.4.1 – PIEPER 1965, S. 99.

486 PIEPER 1965, S. 94; i. Orig. teilw. hervorgeh., vgl. S. c. g. IV.41, S. 294f. 487 Den Gedanken der Teilhabe führt THOMAS auf die PLATONische Ideenlehre zurück.

An die Stelle der Idee tritt bei ihm Gott, allerdings in der Form seiner gelauteten

Sprachlichkeit, nämlich Christus. Vgl. In Col. I.4, zit. nach PIEPER 1965, S. 94 sowie

WIPPEL 1993, S. 93ff.

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In diesem Zusammenhang wird Christus in Anlehnung an

AUGUSTINUS auch von THOMAS als summus magister verstanden. Christi

Wort-Sein bildet in vollkommenerer Weise Gottes Wesen als

Erkenntnisgrund und Erkenntnis mit ontologischem Charakter488 ab

als das kreatürliche Wort. Dementsprechend vermag Christus in

vollkommenerer Weise zur Erkenntnis Gottes zu führen als ein

anderer Lehrer. Er lehrt als inneres Wort. Seine Schüler sind

Hörende.489 Gleichwohl erachtet THOMAS es als möglich, dass es

außer Christus noch andere Lehrer geben mag.

2.2.2 De magistro – Die THOMASischen Artikel Über den Lehrer

Auf entsprechende Überlegungen bezieht er sich Quaestio XI der

Quaestiones disputatae de veritate und Pars I, quaestio 117, articulus 1 der

Summa theologiae.490 Es handelt sich dabei um jene Auszüge aus dem

Werk des THOMAS, die – angelehnt an den AUGUSTINischen Dialog

über den Lehrer491 – mit De magistro492 betitelt sind und Probleme der

Erkenntnisvermittlung behandeln. Die Artikel stehen unter den

Leitfragen: 488 Vgl. S. c. g. IV.13. 489 Vgl. S. th. III.42.4. 490 Der von der Forschung auf PETRUS ABAELARDUS Schrift Sic et non zurückgeführten

scholastischen Methode (Vgl. GRABMANN 1911, S. 200) entsprechend arbeitet THOMAS

zu zeitgenössischen theologisch-philosophischen Fragestellungen Argumentationen aus,

bei denen unter Einbeziehung von Bibelzitaten oder anderen wissenschaftlichen

Lehrmeinungen das Pro und das Contra abgewogen werden, bevor die genuin

THOMASische Beantwortung der Frage bei nochmaliger Wendung gegen die

zurückgewiesenen Argumente gegeben wird. (Vgl. auch KLUXEN 1972, S. 178f.) BERGER

verweist auf den Zusammenhang des Aufbaus des THOMASischen Werkes mit den

Gepflogenheiten einer Lehrveranstaltung im 13. Jahrhundert, deren Abbild es ist. (Vgl.

BERGER 2004, S. 13) 491 Vgl. z.B. THOMAS: De magistro, Qu. XI, art. 1, S. 2, S. 6, S. 8 u.a. 492 Vgl. THOMAS: De magistro.

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• „Kann ein Mensch lehren und Lehrer genannt werden oder

allein Gott?“493,

• „Kann jemand Lehrer seiner selbst genannt werden?“494,

• „Kann der Mensch von einem Engel unterrichtet werden?“495,

• „Ist das Lehren eine Tätigkeit des praktischen oder

kontemplativen Lebens?“496 und schließlich

• „Kann ein Mensch einen anderen unterrichten?“497

2.2.2.1 Der Lehrer

In seiner Beschäftigung mit dem Wesen der Lehrtätigkeit498 wirft

THOMAS als erste Frage die nach der Lehrbefähigung des Menschen

auf, wobei dieser hinsichtlich der genannten Fähigkeit mit Gott

verglichen wird.499 Gott ist bei THOMAS das Maß allen Seins

schlechthin, da causa efficiens, Wirkursache und causa finalis500

Zielursache, in einem.501 Folglich ist er auch in diesem Aspekt

menschlichen Seins der Vergleichspunkt. Zunächst wird argumentiert,

allein Gott könne lehren und deshalb Lehrer genannt werden.502

Hierin folgt THOMAS zuallererst AUGUSTINUS, genauer dessen

Zeichentheorie aus De magistro. Ein Lehrer habe ausschließlich die

Möglichkeit, durch Zeichen zu unterrichten. In diesem

Zusammenhang ist der Zeichenbegriff weit gefasst; verwiesen wird

493 THOMAS: De magistro:, Qu. disp. d. ver., Qu. XI. 1, S. 2ff. 494 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI. 2, S. 34ff. 495 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI. 3, S. 42ff. 496 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.4, S. 66ff. 497 THOMAS: De magistro: Sum. Theol., Qu. CXVII. 1, S. 74ff. 498 Vgl. JÜSSEN/KRIEGER/SCHNEIDER 1988, S. IX. 499 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1; S. 2f. 500 Vgl. S. th. I.I.7 sowie BERGER 2004, S. 47. 501 Vgl. dazu GUMANN 1999, S. 82ff. 502 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.18; S. 2-11 sowie S. th. I.1.1.

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nicht nur auf sprachliche Zeichen, also Semantisches, sondern auch

auf Beispiele gestischen Zeigens.503 Die Möglichkeiten, durch Zeichen

zu lehren sind aber als äußerst begrenzt dargestellt:

„[...] per signa non potest deveniri in cognitionem rerum quia rerum cognitio potior est quam signorum cum signorum cognitio ad rerum cognitionem ordinetur sicut ad finem effectus autem non est potior sua causa; [...] – [...] durch Zeichen kann man nicht zur Erkenntnis der Sachen kommen, da die Erkenntnis der Sache vorrangig ist gegenüber der der Zeichen, weil letztere auf die Erkenntnis der Sachen als ihr Ziel hingeordnet ist. Eine Wirkung aber ist dem Rang nach nicht höher als ihre Ursache; [...]“504

Das Zeichen als Abbild des Gegenstandes vermag nur vermittelt

dessen Erkenntnis zu ermöglichen. So wie Gott erste Ursache ist, wird

auch der von ihm verursachte Gegenstand zwar als ihm hierarchisch

untergeordnet, aber doch als Ursache betrachtet. Er verursacht seine

eigene Erkenntnis einerseits, sein ihn abbildendes Zeichen

andererseits. Das Zeichen ist lediglich die verursachte Wirkung des

verursachenden Dinges. Insofern die Ursache der Erkenntnis – das

Ding – seiner Erkenntnis hierarchisch näher ist als das durch sie

bewirkte Zeichen, kann es nur indirekt auf die Erkenntnis verweisen.

Zeichengebrauch ist lediglich sinnvoll, sofern er entweder „zum

Wissen vorbereitet – ad scientiam dispositor“, was dem Kultivieren

verglichen wird,505 oder auf bereits Erkanntes verweist. Die

Erkenntnis selbst kann nicht durch Zeichen bewirkt werden.506 Aus

diesen Gründen wird ein zeichenhaftes Lehren durch Menschen als

nicht zweckmäßig eingestuft.

503 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.2; S. 2f. 504 Vgl. ebd.; auch THOMAS: De magistro: S. th. I. 1. 4. 505 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.8; S. 6f. 506 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.3; S. 4f. sowie AUGUSTINUS: De

magistro IV.7 und AUGUSTINUS: De magistro XI.38ff.

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THOMAS definiert die Tätigkeit des Lehrens als das Verursachen

von Wissen in einem anderen. Wissen, scientia, verortet er im Verstand,

intellectus.507 Demgegenüber wirken Zeichen auf die Sinne und können

im Verstand kein Wissen bewirken. Da der Zeichengebrauch als

einzige Weise betrachtet wird, in der ein Mensch zu lehren versuchen

kann, lehrt er nicht, da er so kein Wissen verursacht.508 Die Fähigkeit,

in einem Menschen Wissen zu bewirken, schreibt THOMAS allein Gott

zu. Für die Möglichkeit von Wissen und Wissenszuwachs nimmt er

nämlich „Anfangsgründe“509, „seminales“, an, die im Menschen

grundgelegt sein müssten. Wissen werde darüber hinaus im Innern des

Geistes bewirkt, und zwar mittels Erleuchtung durch Wahrheit. Da

„Wissen“ von THOMAS betrachtet wird als „Angleichung des

Wissenden an das Gewußte – assimilatio scientis ad scitum“510 erfahre der

Lernende durch Wissenszuwachs einen „Gestaltwandel“511. Auch

bedürfe es der Gewissheit, die Wissen erst zur Erkenntnis mache. Sie

komme dem Wahren am nächsten und werde durch es selbst

verursacht. Das Verursachen von Wissen wird als der Schöpfung

entsprechend gedacht. THOMAS stellt schließlich einen Vergleich von

Unwissenheit und Schuld an; von beiden könne kein Mensch einen

anderen befreien. Alle bis hierher genannten Bedingungen von

Wissenszuwachs vermöge ausschließlich Gott zu schaffen:512 „[...] Nur

Gott kann den Geist des Menschen bilden [...] – [...] nihil potest formare

507 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.4; S. 4f. 508 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.4; S. 4f. Damit bezieht sich

THOMAS ebenfalls auf AUGUSTINUS, genauer auf dessen Unterscheidung von „verberare“

und „noscere“ (Vgl. AUGUSTINUS: De magistro V.13). 509 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.5; S. 6f. 510 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.11; S. 8f. 511 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.10; S. 8f. 512 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.5; S. 6f. bis THOMAS: De magistro:

Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.16; S. 10f.

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mentum hominis nisi solus Deus [...]“513, zitiert THOMAS AUGUSTINUS. Die

Argumentation gegen einen Menschen als möglichen Lehrer gipfelt in

sprachtheoretischen Überlegungen. Gewissheit ist ausschließlich

dadurch zu erlangen, dass man innerlich „die Sprache der Wahrheit

hört – audit veritatem loquentem“. Diese erklinge keinesfalls im Sprechen

des Lehrers, in der locutio magistri,514 sondern werde allein von Gott

gesprochen.515

In seiner Beantwortung der aufgeworfenen Frage nach der

Fähigkeit des Menschen zu lehren geht THOMAS allerdings von der

Möglichkeit aus, dass sich der Mensch überhaupt Wissen aneignet.516

Diese Möglichkeit denkt er in der Differenz zweier

zusammenwirkender Momente. Den menschlichen Intellekt sieht er

als Zusammensetzung aus durch göttliche Schöpfung vorgegebenen

„ursprünglich[en] Inhalte[n] des Verstandes – primae conceptiones

intellectus“ und der Fähigkeit des tätigen Verstandes, intellectus agens517,

auf dessen Basis empirisch Wahrgenommenes verarbeitet werde.518

513 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.15; S. 8f.; Ausl. v. G.v.S. Vgl.

AUGUSTINUS: D. Gen. a. litt. III.20. 514 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.18; S. 10f. 515 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.17; S. 10f. 516 Dies korrespondiert mit der ARISTOTELischen Auffassung, dass der Mensch zu

Wissen und Wissenschaft fähig sei. (Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.5;

S. 12f.) 517 Vgl. beides: THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1 responsio; S. 16f.; Änd. v.

G.v.S. 518 Es ist darauf hinzuweisen, dass die THOMASische Vorstellung vom menschlichen

Intellekt durchaus komplexer ist. Er betrachtet denselben in verschiedenen Hinsichten.

Einerseits geht er von den universellen Verstandesprinzipien aus, die den göttlichen

Urgrund des Intellekts bezeichnen. Sie sind allerdings nicht inhaltlich gefüllt, sondern als

Möglichkeit (intellectus possibilis) gemeint. Im Sinne dieser Potenz hat der menschliche

Intellekt einen „passiven, rezeptiven Charakter“ (GRABMANN 1935, S. 152; i. Orig. teilw.

hervorgeh.) als intellectus passivus. Sofern er aber aus empirischen Wahrnehmungen

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Die Ursprungsinhalte519 haben in dieser Konzeption den Charakter

des Universellen und Prinzipiellen. Sie sind Ursache des Vermögens,

das Besondere zu erkennen, worin für THOMAS das Erlangen von

Wissen besteht.520 Den beiden Möglichkeiten des Verstandes

entsprechend – prinzipiell und tätig zu erkennen – unterscheidet er

weiter zwei Arten des Wissenserwerbs, das Erfinden und das Lernen.

Unter Anwendung der „keimhaften“521 „Naturanlage“522, der bereits

inhaltlich verfassten prinzipiellen Verstandeskräfte, erfinde man etwas

Neues ganz aus den dem eigenen Verstand innewohnenden

Erkenntnisfähigkeiten. Wenn man sich hingegen den Dingen und der

in ihnen und durch sie wirkenden Vernunft zuwende, quasi aus den

eigenen Prinzipien heraustrete, lerne man.523 Im zweiten Fall kann ein

Lehrer nach seiner Auffassung unterstützend das Lernen fördern,

indem er die Prinzipien der Erfindung durch die natürlich angelegte

Verstandestätigkeit, so wie er sie von sich selbst kennt, nachahmt.

„Processus autem rationis pervenientis ad cognitionem ignoti inveniendo est ut principia communia per se nota applicet ad determinatas materias et inde procedat in aliquas particulares conclusiones et ex his in alias; unde et secundum hoc unus alium dicitur docere quod istum decursum rationis, quem in se facit ratione naturali, alteri exponit per signa, et sic ratio naturalis discipuli per huiusmodi sibi proposita sicut per quaedam instrumenta pervenit in cognitionem ignotorum. – Der Fortgang der Vernunft vom Bekannten zum Unbekannten auf dem Wege der Erfindung besteht nun darin, daß sie die allgemeinen und durch sich selbst evidenten Prinzipien auf bestimmte Inhalte anwendet und von dort aus zu besonderen Schlußfolgerungen

Erkenntnisse bildet, ist er tätig zu nennen (intellectus agens). (Vgl. insges. GRABMANN 1935,

S. 146ff.) Für den Zusammenhang dieser Arbeit sind allerdings das Universal-Prinzip und

die Erkenntnisfähigkeit des Menschen von primärer Bedeutung. 519 Vgl. auch SCHNEIDER 1988a, S. 89. 520 Vgl. ebd. 521 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1 responsio; S. 16f. 522 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1 responsio; S. 18f. 523 Vgl. ebd.

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gelangt und von hier aus wiederum zu weiteren. Genau in diesem Sinne nennen wir jenen Vorgang ‚Lehren‘, in welchem der Lehrende den vorhin geschilderten Vernunftprozeß, den er in sich selbst kraft der seiner Natur eigenen Vernunft in Gang setzt, einem anderen durch äußere Zeichen vermittelt; und so gelangt dann auch die im Lernenden als Natur angelegte Vernunft durch solcherart gleichsam als Mittel und Werkzeug bewirkte Zeichenvermittlung zur Erkenntnis von noch Unbekanntem.“ 524

Die universellen dem Verstand innewohnenden Prinzipien werden auf

neue, noch unbekannte Inhalte angewandt. Durch eine solche

Übertragung wird Wissen geschlussfolgert. Damit erweist sich Lernen

als Vorgang der „Selbsttätigkeit“525, die ein Lehrer lediglich

unterstützend begleiten kann. Er leitet dabei aus seinen eigenen

Verstandesprinzipien und seiner Autodidaktik ab, wie dies zu tun ist.

In seinem Vermittlungsprozess gebraucht er Zeichen als

Werkzeuge,526 um zur Erkenntnis anzuregen. Ein Erkenntnisprozess,

der den angeborenen Verstandesprinzipien entspricht, führt zu

Gewissheiten, hält also der Wahrheitsprüfung stand, wohingegen ein

Suchen nach Erkenntnis ohne oder wider diese Prinzipien nur eine

Meinung zu erzeugen vermag, die nicht eindeutig als wahr oder falsch

klassifiziert werden kann. Dabei ist die Prüfung der Erkenntnis

anhand des zugrundeliegenden Prinzips derart zu denken, dass ihre

Negation auch das Prinzip negieren würde. Ist das nicht der Fall, kann

von Erkenntnis gesprochen werden.527 Begründet sind diese

Überlegungen in Gott, der als Wahrheit gedacht wird und dessen

Schöpfung die angeborenen, keimhaften, universellen Prinzipien des

Verstandes bewirkt hat. Er ist Maßstab der Wahrheit wie auch der

eigentliche Lehrer im Innern des menschlichen Verstandes, denn die

524 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1 responsio; S. 20f. 525 Ebd. 526 Vgl. PLATON: Kratylos 388b, S. 123 sowie Kapitel 1.1.1 dieser Arbeit. 527 Vgl. S. th. I.82.2 sowie KÜHN 1982, S. 392 und SCHNEIDER 1988a, S. 127.

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in ihm begründeten Prinzipien bewirken jede weitere Selbsttätigkeit

des Verstandes, die zur Erkenntnis führt.528 Daraus folgt zweierlei:

Einerseits ist eine Lehre durch Gott höher einzuschätzen als

menschliche Lehre. Letztere ist anhand der im Innern empfangenen

göttlichen Wahrheit zu hinterfragen.529 Andererseits kann der Mensch

in Nachahmung göttlichen Lehrens Lehrer sein, sofern er durch die

Einpflanzung göttlicher Prinzipien in seinen Verstand ihnen folgend

auf der Erkenntnissuche selbst tätig wird.530 Hierbei ist es sinnvoll,

Zeichen anzuwenden, sofern man Unbekanntes lehren will.531 Mit dem

Einsatz von Zeichen greift der Lehrer auf bekannte Kategorien, z.B.

„‚Lebewesen‘“, „‚Substanz‘“, „‚seiend‘“, „Subjekt“532 zurück, die den

Status des Prinzipiellen haben. Lehrender Zeichengebrauch nimmt sie

zur Grundlage, um Neues zu erschließen.533 Das Lernen, welches

dieser Regel folgt, ist allerdings bei aller Lehre als Selbsttätigkeit

aufzufassen:

„[...] dicendum quod ex sensibilibus signis quae in potentia sensitiva recipiuntur, intellectus accipit intentiones intelligibiles quibus utitur ad scientiam in se ipso faciendam: proximum enim scientiae effectivum non sunt signa sed ratio discurrens a principiis in conclusiones, ut dictum est. – Aus den im Sinnesvermögen aufgenommenen sinnfälligen Zeichen entnimmt der Verstand das Intelligible als die Bedeutungen, mit deren Hilfe er in sich selbst das Wissen zustande bringt. Denn die nächstliegende Wirkursache des Wissens sind, wie gesagt, nicht die

528 HELMER weist darauf hin, dass – THOMASisch gedacht – Gott als ein Erkennender

schaffe und damit die Erkenntnismöglichkeit des Menschen bewirke. Der Mensch ist als

von einem erkennenden Gott bewirkt erkennend, ja sogar schaffend. (Vgl. HELMER

1998, S. 108) 529 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.1; S. 22f. 530 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1 responsio; S. 20ff. 531 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.2; S. 22ff. 532 Insges.: THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.3; S. 24f. 533 Vgl. ebd.

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Zeichen, sondern die Vernunft und ihre Bewegung von den Gründen zu den Folgerungen.“534

Die vom Lehrer vorgebrachten Zeichen werden empirisch erfahren,

wirken auf die Sinne und dringen so in den Intellekt. Dass aus den

Zeichen Erkenntnis entsteht, ist dabei nicht den Zeichen selbst

zuzuschreiben. Sie ermöglichen die Erkenntnis nur im Sinne einer

Anregung. Wesentlich ist die durch Gott angelegte Vernunft, die, von

ihren Prinzipien und Kategorien ausgehend, aus den neuen

Verstandesmöglichkeiten Wissen formt. Da nämlich in den Zeichen

und den Dingen, auf die diese verweisen, auch göttliche Schöpfer-

Intelligibilität liegt, wirken hinzukommender und prinzipieller

Verstand zusammen. THOMAS erachtet das prinzipielle

Verstandesvermögen in diesem Zusammenhang insofern als

„Samenkörner – seminales“, da es, im menschlichen Verstand liegend,

jegliches Wissen potentiell vorbereitet und ermöglicht. Insofern war

das Wissen schon immer da, aber eben nur als Potenz, die zu ihrer

Konkretisierung des Lehrers bedarf.535 „Es geschieht hier durch Lehre

– per doctrinam fit“536, wobei er nicht im Innern lehren kann, so wie

Gott es vermag, sondern von außen an den Verstand herantreten

muss,537 eben durch Zeichen, die über die sinnliche Wahrnehmung

wirken. Unter Bezugnahme auf AUGUSTINUS betont THOMAS, dass in

diesem Argument – Gott lehre innerlich, der Mensch äußerlich –

lediglich eine Unterscheidung der Lehrweise beider Lehrer liege und

keineswegs ausgeschlossen sei, dass ein menschlicher Lehrer eben von

außen lehren könne.538 Er unterstützt die innerliche Lehre Gottes und

534 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.4; S. 24f. 535 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.5; S. 24f. 536 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.6; S. 26f.; Übersetzung: HELMER. 537 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.7; S. 26f. 538 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.8; S. 26f.

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damit die Erkenntnis der Wahrheit.539 THOMAS führt die Möglichkeit,

den Menschen zu belehren, grundsätzlich auf Weisheit zurück, wobei

er zwei Arten von Weisheit unterscheidet, „eine geschaffene und eine

ungeschaffene – creata et increata“. Ungeschaffen ist die Weisheit, da sie

göttlich ist, ein Wesensmerkmal Gottes, gleichewig unveränderlich. Da

Gott seine Weisheit aber dem Menschen eingibt, entsteht auch eine

menschliche Form seiner Weisheit, die dann veränderlich und

defizient ist. Dennoch bietet diese geschaffene Weisheit im Menschen

dadurch, dass sie von Gott stammt, die Möglichkeit der

Vervollkommnung durch Lernen und Erkenntniszuwachs.540 Einen

Erkenntniszuwachs denkt Thomas nun entweder durch Autodidaktik

oder durch Lehre verursacht.

2.2.2.2 Exkurs: Der Mensch als Autodidakt

Für die Annahme, dass ein Mensch Autodidakt, also Schüler seiner

selbst sein kann,541 spricht die Weise des Lernens, die THOMAS

annimmt: Ein Zusammenwirken aus intellectus agens und den

eingeborenen Verstandesprinzipien, die neue Sinneswahrnehmungen

zu Erkenntnissen formen. Ein solches Lernen wird eher dem inneren

Verstandesvermögen als der Anregung durch äußere Zeichen einer

Lehrperson zugeschrieben. Sprachtheoretisch wird das innere Wort

Gottes, wie es in den Verstandesprinzipien liegt, höher eingestuft als

die verbalen Äußerungen eines Lehrers.542 Darüber hinaus sei

Wahrheits-Gewissheit aus den inneren Verstandesprinzipien zu

erlangen, also aus sich selbst heraus.543 Inneres, genauer 539 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.9; S. 26f. 540 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.10; S. 26ff. 541 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI. 2, S. 34f.; vgl. JÜSSEN 1988a, S.

128ff. 542 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.2.1, S. 34f. 543 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.2.2, S. 34f.

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innewohnende göttliche Prinzipien, sind dem Menschen näher, da zu

eigen, als von außen herangetragene Lehre.544 Das Finden neuen

Wissens durch eigene Verstandestätigkeit ist folglich Grundlage eines

Analogieschlusses auf die Möglichkeit, von jemandem belehrt zu

werden, der sich zuvor selbst Wissen angeeignet hat. Vom

Autodidakten wird auf den Lehrer geschlossen, nicht umgekehrt. Es

kann eher heißen, jemand ist Lehrer in der Weise, in der er Autodidakt

ist, als jemand ist Autodidakt, wie er Lehrer ist, denn innere

Verstandesaktivität ist äußerer Lehre vorrangig.545

Andererseits unterliegt die Möglichkeit der Lehre der

Bedingung, dass der Lehrer mehr weiß als sein Schüler. So

argumentiert THOMAS mit ARISTOTELES, es sei unmöglich, zur

gleichen Zeit der Lehrer zu sein und als solcher einen

Wissensvorsprung zu haben und als Schüler die Position

einzunehmen, in der man ein Wissensdefizit hat.546 Folglich stimmt

THOMAS der These, dass ein Mensch sich selbst belehren könne, nur

bedingt zu. Zwar hält er es für möglich, dass jemand ohne äußeren

Einfluss zu neuen Erkenntnissen kommt, das sei aber vielmehr auf

„die allgemeinen Prinzipien – principia communia“, „die keimhaften

Gründe des Wissens – rationes seminales“547, also das Wirken Gottes im

menschlichen Verstand zurückzuführen, als auf Autodidaktik. Im

Hinblick auf den Aspekt „wirkend – agens“ differenziert THOMAS zur

Erläuterung erneut zwischen Gott und Mensch. Während nämlich

Gott eine allumfassende Wirkkraft besitzt, die eine ebenso

allumfassende Wirkung einschließt, vermag der Mensch lediglich

544 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.2.3, S. 34f. 545 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.2.4, S. 34ff. 546 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.2.1, S. 36f., THOMAS: De magistro: Qu.

disp. d. ver., Qu. XI.6, S. 40f. sowie ARISTOTELES: Physik VIII.5 und JÜSSEN 1988a, S. 132. 547 Beides: THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.2 responsio, S. 38f.

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partiell zu wirken. Als Beispiel dient das Heilen einer Krankheit.

Während ein Arzt sich nur einzelnen Symptomen zuwenden kann, ist

es Gott möglich, Gesundheit zu bewirken. Für den Wissenserwerb

heißt das: Der Mensch kann sich Teilaspekten von Erkennbarem

zuwenden und sich somit gewisse Erkenntnisaspekte erschließen, aber

allein Gott bewirkt in den von ihm geschaffenen Verstandesprinzipien

Erkenntnis. Er ist der Lehrer, wenn ein Mensch ohne Hilfe eines

anderen Menschen versucht zu erkennen.548

Dies wird durch eine nähere Erläuterung des intellectus agens

erklärt.549 Er ist zwar verantwortlich für die Rezeption neuer

Sacheindrücke, welche zum Teil zu neuem Wissen führen, die

Wirkkraft des tätigen Verstandes ist allerdings eingeschränkt, die des

primär wirkenden prinzipiellen universell,550

„[...] tamen in eo non praeexistit scientia complete sicut in docente [...] – [...] so ist in diesem Verstand das Wissen doch nicht schon zuvor so vollständig wie in dem Lehrenden gegeben“551.

Da der Lehrer aufgrund der seinem Verstand innewohnenden

Prinzipien Wissender ist, also der Sache in allgemeiner Weise habhaft

ist, wohingegen ein tätig suchender Autodidakt nur Teilaspekte

erkennen kann, ist der Unterricht durch einen Lehrer der

Autodidaktik vorzuziehen.552 Es ergibt sich eine hierarchische

Staffelung der Wirksamkeit von Lernmethoden, wovon die letzte als

548 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.2 responsio, S. 36ff. 549 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.2.1, S. 38f. 550 Laut HELMER gliedert sich die menschliche Verstandestätigkeit in einen praktisch-

konstruierenden und einen spekulativ-erkennenden Teil, ist also zugleich schaffend und

nachvollziehend. (Vgl. HELMER 1998, S. 107) 551 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.2.1, S. 38f.; Ausl. v. G.v.S. 552 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.2.4, S. 40f.

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die schlechteste erscheint: Sich von Gott belehren lassen,553 sich von

einem menschlichen Lehrer belehren lassen,554 sich selbst belehren.555

2.2.2.3 Göttlicher versus menschlichen Lehrer

Wenn nun ein Lehrer seinem Schüler Zeichen vorlegt, treffen diese

auf den intellectus agens, den tätigen Verstand, der auf den Grundlagen

des intellectus possibilis die Möglichkeiten des keimhaft-prinzipiellen

Verstandes zu neuem, erweitertem Wissen formt.556 Es sind also nach

THOMAS die Verstandestätigkeiten höher einzuschätzen als die Worte

des Lehrers. Dennoch sind diese sinnvoll, resultieren sie doch auch

aus der Verstandestätigkeit, nämlich der des Lehrers und sind

derjenigen des Schülers näher als die Dinge.557 Bei einem Vergleich

zwischen Sehen und Verstehen beschreibt THOMAS das Sehen als

habituell, das heißt, wer den Gesichtssinn zwecks Wissenserweiterung

zu nutzen versteht, betrachtet die Dinge gewohnheitsgemäß auf eine

Weise, die diesem Zweck dient. Hierzu bedarf es keiner Anleitung.

Dagegen bedarf es des Hinweises und der lehrenden Begleitung, eine

erst keimhafte Verstandesmöglichkeit zu realisieren.558 Einschränkend

weist THOMAS darauf hin, dass die Gewissheit, zur Wahrheit gelangt

zu sein, allein von Gott kommen kann. Sie wird im Innern des

Verstandes verortet, wo die gottgegebenen Verstandesprinzipien

wirken. Eine solche Gewissheit kann ein Lehrer ausschließlich in

Form von Erkenntnissen vermitteln, die er selbst aufgrund seiner

eigenen Verstandesprinzipien erlangt hat. Dennoch hat der Schüler

eine solche vermittelte Gewissheit auf der Grundlage der allgemeinen 553 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.2.3, S. 40f. 554 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.2.4, S. 40f. 555 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.2.6, S. 40f. 556 THOMAS: De magistro: S. th. I responsio. 557 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.11; S. 28f. 558 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.12; S. 28ff.

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Prinzipien seines Verstandes zu prüfen und zu bestätigen, bevor er sie

für wahr nehmen und sie ihm zur Gewissheit werden kann.559 Zum

Abschluss dieser Gedankengänge wird beleuchtet, wie sich göttlicher

und menschlicher Lehrer in ihrer Erkenntnisvermittlung

unterscheiden:

„[...] dicendum quod homo exterius docens non influit lumen intelligibile sed est causa quodam modo speciei intelligibilis in quantum proponit nobis quaedam signa intelligibilium intentionum quas intellectus noster ab illis signis accipit et recondit in se ipso. – Der Mensch, der von außen lehrt, flößt nicht das Licht der Erkenntnis ein, sondern er ist in gewisser Weise die Ursache der Erkenntnisformen, insofern er bestimmte äußere Zeichen für die nur dem Verstand zugänglichen Erkenntnisinhalte vorstellt, die dieser im Ausgang von jenen Zeichen in sich aufnimmt und bei sich selbst aufbewahrt.“560

Während Gott Wirkursache der Erkenntnis überhaupt ist, kann der

Lehrer keine Erkenntnis bewirken. Dagegen ist die göttliche

Erleuchtung allgemeiner Art, der Lehrer wählt Zeichen und gibt damit

die spezifischen Inhalte und die Form der Erkenntnis vor. Das heißt,

der Lehrende strukturiert Wissen vor und erleichtert damit eine erste

Auseinandersetzung mit dem zu Erkennenden. Die

Verallgemeinerung und Verarbeitung zu einer tatsächlichen

Erkenntnis ist allerdings vom Schüler selbst zu leisten. Da er dabei auf

die Verstandesmöglichkeiten zurückgreift, die Gott ihm eingepflanzt

hat, bewirkt Gott, der zudem die Wahrheit ist,561 die Erleuchtung des

Schülers mit wahrer Erkenntnis. Der Lehrer wirkt lediglich fördernd

und unterstützend. Analog dazu fördert das defizitäre Wort des

559 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.13; S. 30f. 560 Ebd. 561 Gottes Schöpfung ist erkennend zu denken. Damit hat Gott Wahrheit inne, und was

er bewirkt ist wahr. (Vgl. HELMER 1998, S. 108)

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Lehrers ein erleuchtendes Belehrt-Werden durch das vollkommene

göttliche Wort.562

Nach Wissen zu streben kann allein Gott bewirken, hat er aber

prinzipiell die Möglichkeit nach Wissen zu streben in den

menschlichen Verstand gelegt, ist es am Menschen, Erkenntnis zu

suchen.563 Auf dieser Suche kann der Mensch sinnvoll unterstützend

als Lehrer wirken,564 denn schließlich vermag ein Schüler zwar vor

einer menschlichen Belehrung die Prinzipien seiner

Verstandestätigkeit zu erörtern, aber keine neuen „Schlussfolgerungen

– conclusiones“565 zu finden. Hier liegt für THOMAS der Aufgabenbereich

des Lehrers.

2.2.2.4 Engel als Lehrer

Über das Verhältnis von göttlicher und menschlicher Lehre sowie die

Frage der Autodidaktik hinaus wendet sich THOMAS den Engeln zu

und prüft, ob diese Lehrer sein können.566 Der Engel wird als tertium

comparationis hinsichtlich seiner möglichen Lehrbefähigung sowohl

Gott als auch dem Menschen verglichen. Gott lehrt innerlich,

vermittels der durch ihn eingegebenen Prinzipien; der Mensch lehrt

äußerlich im Zeichengebrauch. Beides schließt THOMAS unter

Rückgriff auf De magistro von AUGUSTINUS für den Engel aus. Ersteres

ist allein Gott vorbehalten,567 letzteres an „sinnlich wahrnehmbare

Zeichen – sensibilia signa“568 gebunden. Da THOMAS Engel aber nicht

562 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.15; S. 32f. 563 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.16; S. 32f. 564 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.17; S. 32f. 565 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.1.18; S. 32f. 566 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3, S. 42f. 567 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.1, S. 42f. 568 Ebd.

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als sinnlich wahrnehmbar betrachtet, können sie auch nicht durch

Zeichengebrauch lehren, es sei denn „durch ein Wunder – per

miraculum“569. Als weitere Möglichkeit wird das Einwirken auf „die

Einbildungskraft – imaginationem“570 diskutiert. Damit Lernen durch

Einbildungskraft stattfinden kann, muss der Mensch Willens sein und

auf den Willen einzuwirken vermag nur Gott, ebenso wie es nach

THOMAS nur ihm möglich ist „zu erleuchten – illuminare“571. THOMAS

bezieht sich bei seinen Ausführungen zum Lehren durch einen Engel

auf „die Wahrheit – veritatem“572, die im Menschen zu bewirken Lehren

ist. Sie wird in ihrer Bindung an das Göttliche genauer bestimmt:

„[...] solus Deus causalitatem habet supra veritatem quia, cum veritas sit lux intelligibilis et forma simplex, non exit in esse successive et ita non potest produci nisi per creationem quae soli Deo competit [...] – Gott allein aber verfügt wirkmächtig über die Wahrheit. Denn da die Wahrheit das intelligible Licht und eine einfache Form ist, kommt sie im Sein nicht in der Weise sukzessiver Entfaltung zur Erscheinung und kann deswegen auch nur durch Erschaffen hervorgebracht werden, was Gott allein zukommt.“573

Wahrheit ist nach dieser Vorstellung unteilbar. Ontologisch betrachtet

kommt ihr Sein zu. Ins Sein gelangt Wahrheit durch Schöpfung;574

Gott ist ihre causa efficiens. Undenkbar ist sie als etwas, das sich Stück

für Stück erschließt. Für den Erwerb von Wissen heißt das, entweder

hat man die wahre Erkenntnis oder nicht. Teilwahrheit und

Teilerkenntnis erscheinen als unmöglich. Gott ist derjenige, welcher

569 Ebd. 570 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.2, S. 42f. 571 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.3, S. 42f. 572 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.6, S. 44f. 573 Ebd.; Ausl. v. G.v.S. 574 Einerseits gilt: Ist etwas, so ist es wahr. (Vgl. HELMER 1998, S. 107) Andererseits

bleibt dieses Wahre zu erkennen für den Menschen schwierig und birgt die Möglichkeit in

sich, Falsches anzunehmen, also zu irren.

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beides in dem, der Wissen und Wahrheit sucht, bewirkt. Das vermag

ein Engel nicht, weil er nicht über die Macht verfügt zu schöpfen.575

Ebenso wenig ist sein Licht dem göttlichen Licht vergleichbar.

Sein Verstandes-Licht und sein Wahr-Sein sind in gleicher Weise von

Gott verursacht und an ihn gebunden wie es für den Menschen

zutrifft.576 THOMAS erklärt die verschiedenen menschlichen

Verstandestätigkeiten hinsichtlich Form und Materie. Die Intellekte

werden als materiell und substantiell charakterisiert. Der tätige

Verstand erschließt die Gegenstände formal und bildet daraus

„intelligible[...] Formen – species intelligibiles“577. Damit nun Engel in

diesem material-formalen Erkenntnisprozess lehrend wirken könnten,

müssten sie entweder Schöpfer von Formen sein oder Formen

unvermittelt schauen können. Beides schließt THOMAS aus.578 Des

weiteren erachtet er den Verstand von Engeln dem menschlichen

Verstand so verschieden, dass ein Lehrer-Schüler-Verhältnis

unmöglich erscheint.579 Außerdem vollzieht sich Erleuchtung als

Erkenntnisvermittlung nach THOMAS durch ein spezifisches Licht,

lux.580 Das den Engeln zugeordnete Licht sei spirituell, das den

Menschen zugewiesene habituell. Letzteres wird daraus abgeleitet, dass

der Mensch sich in seiner Erkenntnissuche an den Dingen orientiert,

bzw. die Dinge Anlass und Gegenstand der Erkenntnis sind.581

Insofern die Dinge körperlich sind, muss das Licht, mittels dessen sie

575 Vgl. ebd. 576 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.7, S. 44f. 577 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.12, S. 48f.; Ausl. v. G.v.S. Vgl. auch

HELMER 1998, S. 108. 578 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.12, S. 48f. 579 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.13, S. 48f. 580 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.14, S. 48f. sowie S. th. I.1.3. 581 Die Dinge sind Erkenntnisgegenstand als „Träger von Wahrheit“ (HELMER 1998, S.

108)

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erkannt werden können, und damit das Erkenntnislicht des

Menschen, ebenfalls körperlich sein. Damit unterscheidet es sich

grundlegend von der Spiritualität der Engel.582 Dann wird die

Erkenntnis entweder als ontologisch oder als analog begründet

charakterisiert:

„[...] omne quod cognoscitur aut cognoscitur per essentiam suam aut per similitudinem [...] – Alles, was erkannt wird, wird entweder aufgrund seines Wesens erkannt oder aufgrund einer Ähnlichkeitsstruktur.“583

In der ontologischen Erkenntnis ist die Substanz dabei das, was

erkannt werden kann und erkannt wird. Die analoge Erkenntnis

ermöglicht Zugriff auf strukturaler Ebene und richtet sich auf die

Form. Engel können dabei weder Essentielles bewirken noch

Strukturales eröffnen. Beides geht als Möglichkeit auf die von Gott

eingepflanzten Verstandesprinzipen zurück.584 THOMAS schlussfolgert:

Ein Engel kann nicht Lehrer des Menschen sein.

Dass sie dies doch können, dafür spricht, dass Engel im

Vergleich zu Menschen von THOMAS als „das der Seinsmächtigkeit

nach Höhere – quod potest [...] et superior“585 interpretiert werden.

Folglich erlangten sie göttliches Wissen zuerst, bevor es an die

Menschen weitergegeben werde.586 Sie werden auch deshalb als dem

Menschen vorrangig betrachtet, weil sie reine Geistwesen, während

Menschen auch Körperwesen seien.587 Das hierarchische Verhältnis

von Mensch und Engel zeigt sich nach THOMAS allerdings am

582 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.14, S. 48f. sowie S. th. I.1.3.ebd.

Vgl. dazu auch KRIEGER 1988, S. 154. 583 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.15, S. 48f.; Ausl. v. G.v.S. 584 Vgl. ebd. 585 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.2, S. 50f.; Ausl. v. G.v.S. 586 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.1, S. 50f. 587 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.3, S. 50ff.

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deutlichsten im Hinblick auf Wirklichkeit und Vervollkommnung. Der

Mensch hat ontologisch betrachtet in seiner Verstandes-Existenz

immer schon einen gewissen Grad an Wirklichkeit erlangt, bedarf aber

noch der Vervollkommnung. Demgegenüber kommt dem Verstand

eines Engels von vornherein ein höheres Maß an Wirklichkeit und

Vollkommenheit zu; er könnte den Menschen anleiten.588 Es erscheint

demnach doch denkbar, dass Engel lehren können.

In seiner Antwort auf die Frage nach der Lehrbefähigung von

Engeln unterscheidet THOMAS zwei Weisen ihrer Hinwendung zu

Menschen. Entweder zeigen sie sich ihnen in leiblicher Gestalt oder

aber in der Engeln spezifischen Art, die als ein Mittleres zwischen

Gott und Mensch beschrieben ist.589 Ersteres hieße, sie lehrten wie die

Menschen selbst „durch äußerlich vernehmbares Sprechen – per

locutionem sensibilem“590 und wären dann dem menschlichen Lehrer

gleichzusetzen. Letzteres bedarf der genaueren Explikation. Gott lehrt

den Menschen mittels Illumination, das heißt „durch das Licht des

Verstandes – per lumen intellectuale“591 und durch das Einpflanzen der

ersten Verstandesprinzipien, genauer „durch die ursprünglichen

selbstevidenten Verstandesinhalte – per primas conceptiones“592. Beides

sind Lehrmethoden, die dem Menschen verschlossen sind; er kann

weder erleuchten, denn sein Verstandeslicht ist begrenzt, noch kann er

erste Verstandesprinzipien schaffen.593 Dass er lehren kann, was

THOMAS ja durchaus annimmt, beruht auf Zeichengebrauch. Ein

Engel hingegen hat im Vergleich zum Menschen ein „vollkommeneres

588 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.4, S. 52f. 589 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3 responsio, S. 52ff. 590 Ebd. 591 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3 responsio, S. 54f. 592 Ebd. 593 Vgl. ebd.

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Verstandeslicht – lumen intellectuale perfectius“594, was ihn prädestiniert,

sein Lehrer zu sein. Verglichen mit Gott ist sein Verstandeslicht

allerdings geringer, zur Illumination ist der Engel nicht befähigt. Er

vermag das göttliche Licht zu bekräftigen und damit der

Verstandestätigkeit des Menschen zu erschließen helfen. Das

geschieht THOMAS zufolge in einer Traumbildern595 ähnlichen Weise:

„sed in imaginatione aliquas formas formando quae formari possunt ex commotione organi corporaliis, sicut patet in dormientibus et mente captis qui secundum diversitatem fumositatum ad caput ascendentium diversa phantasmata patiuntur. Et hoc modo ‚commixtione alterius spiritus fieri potest ut ea quae ipse angelus scit, per imagines huiusmodi ei cui immiscetur, ostendat‘, ut Augustinus dicit XII Super Genesim ad litteram[...]. – Vielmehr besteht das Lehren des Engels darin, daß er in der Einbildungskraft des Menschen gewisse Gestalten herausbildet, die auch durch die Erregung eines körperlichen Organs zustande kommen können, wie das ja bei Schlafenden oder Geisteskranken der Fall ist, die je nach der Beschaffenheit der zum Kopf aufsteigenden Dämpfe von verschiedenen Traumbildern übermächtigt werden. Und so ist es nach Augustinus’ Genesiskommentar möglich, daß durch Einmischung eines anderen Geistes, nämlich eines Engels, dieser die Inhalte seines eigenen Wissens durch Bilder solcher Art seinem menschlichen Gegenüber aufzeigt.“596

Was der Engel erkannt hat, verbildlicht er dem Menschen als zu

Erkennendes; er lehrt weder direkt rein gedanklich, noch indirekt

zeichenhaft-begrifflich. Sein Unterricht wirkt auf die menschliche

Einbildungskraft. Bei dieser Lernart schaut der Mensch weder allein

von Gott illuminiert noch muss er sich das göttliche Licht über die

Sprache vermittelt für den Verstand erschließen wie durch

menschliche Lehre, sondern sieht, bildlich, was er verstandesmäßig

erkennen soll. Durch die das Verstandeslicht Gottes verstärkende

594 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3 responsio, S. 56f. 595 Vgl. dazu KRIEGER 1988, S. 158f. 596 Ebd.; Ausl. v. G.v.S.

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bildliche Lehre des Engels erfasst der Mensch intuitiv, was göttliche

Lehre sein soll.

THOMAS unterscheidet univokes und äquivokes Lehren. Wenn

ein Mensch einen anderen Menschen lehrt, nennt er das univok, denn

das Verhältnis von beiden – bezogen auf die Verstandesfähigkeit und

-tätigkeit – ist das von Gleichen. Zeichengebrauch ist die angemessene

Lehrmethode, weil die Art des Erklärens und des Erkennens

gleichermaßen zeichenhaft abbildbar ist. Sofern ein Engel einen

Menschen lehrt, spricht THOMAS von äquivoker Lehre. Ihr Verhältnis

sei ungleich, der Engel habe einen höheren Intellekt, sei dem

Menschen in der göttlichen Schau überlegen, da Gott näher. Folglich

müsse ein Engel dem Menschen auf „niedere“, einfachere Weise

vermitteln, was er auf höhere selbst erkannt habe.597 Differenziert wird

zwischen Wahrheit – veritas und Erkenntnis der Wahrheit – cognitio

veritatis.598 Die Wahrheit selbst ist kein lehrbarer Gegenstand, liegt sie

doch bei Gott und durch ihn in den Dingen. Gott und das von ihm

Eingegossene bestimmen die Geltung. In Abhängigkeit von dieser

göttlichen Geltung ist aber Vermittlung von und Wissen um Wahrheit

möglich.599 Die ersten göttlichen Verstandesprinzipien sind zwar für

das Erkennen ausschlaggebend. So wie er zwischen Wahrheit und

Erkenntnis der Wahrheit differenziert, unterscheidet THOMAS

Erkenntnisstreben von Verstandestätigkeit. Das Erkenntnisstreben

wird als ein auf Gott hingeordnetes, allein durch ihn verursachtes

Gerichtetsein beschrieben. Die Verstandestätigkeit hingegen ist auch

durch Menschen oder Engel beeinflussbar.600 Bezogen auf beide

erklärt THOMAS Lehren – docere und Wissen – scientia analog zu 597 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.4, S. 58f. 598 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.6, S. 60f. 599 Vgl. ebd. 600 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.11, S. 62f.

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Erschaffen – creare und Machen – facere:601 So wie Gott causa efficiens ist,

der einzige, der erschaffen kann, Menschen und Engel aber auch

etwas machen können und damit hierfür causa sind, ist Gott causa

efficiens von Lehren und Wissen, Engel und Menschen können aber

einfacher Grund hierfür sein. Gott ist die Wirkursache von Erkenntnis

und Wahrheit, macht sie überhaupt erst möglich, da er ihr Schöpfer

ist. Einzelne wahre Erkenntnisinhalte können hingegen von Engeln

und Menschen vermittelt werden, ohne dass sie ihre Wirkursache sind.

Wirkursache und Ursache sind zweierlei.602

2.2.2.5 Die Tätigkeit des Lehrens

Schließlich wendet sich THOMAS der Lehre zu. Er sucht sie

hinsichtlich ihres Charakters dem Praktisch-Tätigen oder Theoretisch-

Kontemplativen zuzuordnen und somit näher zu bestimmen.603

Zunächst wird das Lehren dem Theoretisch-kontemplativen

zugeordnet, weil es nicht mit den Körperkräften, ja dem Bereich des

Körperlichen überhaupt in Zusammenhang stehe. Begründungen sind

das Weiterbestehen der Lehrfähigkeit trotz Schwinden der

körperlichen Kräfte sowie die Körperlosigkeit der Engel, die ja

dennoch Lehrer sein können.604 Zudem habe man zuerst erkannt,

bevor man das Erkannte lehren könne. Die Lehre hängt also eher mit

der Theorie zusammen als mit der Praxis, so THOMAS.605 Der Blick

weite sich von der Praxis über die Theorie hin zur Lehre. Daher

erscheint letztere der theoretischen Betrachtung näher als der

praktischen.606 Weil Erkenntnis von Wahrheit mit der Schau Gottes 601 Vgl. Insges.: THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.3.16, S. 64f. 602 Vgl. ebd. 603 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.4, S. 66f. 604 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.4.1, S. 66f. 605 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.4.2, S. 66f. 606 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.4.3, S. 66f.

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zusammenfalle und die Schau Gottes kontemplativ ist, ist es

Erkenntnis von Wahrheit und deren Weitergabe ebenso.607 Schließlich

sei durch seinen Bezug auf die göttliche Wahrheit das Lehren von

Erkanntem „vornehmlich [...] dem Immerwährenden – circa aeterna“608

zugehörig und somit theoretisch-kontemplativ.609 Dagegen spricht für

THOMAS, dass er das Lehren als Weitergabe von Wahrheits-

Erkenntnis und damit als ein praktisches Tun begreift.610

THOMAS ordnet das Lehren entweder dem Theoretisch-

Kontemplativen oder dem Praktisch-Tätigen zu:

„In actu [...] docendi invenimus duplicem materiam, in cuius signum etiam actus docendi duplici accusativo coniungitur: est siquidem una eius materia res ipsa quae docetur, alia vero cui scientia traditur. Ratione igitur primae materiae actus doctrinae ad vitam contemplativam pertinet, sed ratione secundae pertinent ad vitam activam. – Im Akt des Lehrens [...] finden wir einen zweifachen inhaltlichen Bezugspunkt vor; und dafür gibt es auch ein syntaktisches Zeichen, daß nämlich der Akt des Lehrens mit einem doppelten Akkusativ verbunden wird: Der eine Bezugspunkt ist die Sache selbst, die gelehrt, der andere aber derjenige, dem das Wissen vermittelt wird. Unter dem ersten inhaltlichen Bezugspunkt gehört der Akt des Lehrens zur theoretisch-betrachtenden Lebensform, unter dem zweiten jedoch zum tätigen Leben.“611

Verbunden wird durch Unterricht der zu lehrende Gegenstand mit

dem zu belehrenden Schüler. Die gegenständliche Seite verweist auf

die Wahrheit, welche zu erkennen Ziel des Unterrichts ist. THOMAS

bestimmt die Wahrheit als ungeschaffen – increata612 und damit

göttlich. Sie ist allein durch Schau zugänglich, im Jenseits

607 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.4.4, S. 66f. 608 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.4.5, S. 66f.; Ausl. v. G.v.S. 609 Vgl. ebd. 610 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.4.1, S. 68f. 611 THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.4 responsio, S. 68ff.; Ausl. v. G.v.S. 612 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.4 responsio, S. 70f.

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vollkommener als im Diesseits. Die Erkenntnis durch Schau ist

theoretisch-kontemplativ. Dagegen legt der Bezug vom Unterricht auf

den erkenntnissuchenden Schüler die Zuordnung zum Praktisch-

Tätigen nahe, denn, um den Schüler zu belehren, ist mit ihm

didaktisch umzugehen. In Abwägung beider Überlegungen nimmt

THOMAS allerdings eine Gewichtung vor. Als Zielursache der Lehre

bestimmt er „das tätige Leben – vita activa“613, weshalb er den

Unterricht stärker der Praxis zuschlägt.614

In der Unterscheidung von diesseitigem und jenseitigem Leben

wird die Tätigkeit eher dem Diesseits, die Kontemplation mehr dem

Jenseits zugeordnet. Die Lehre findet dabei zwar im tätigen Leben

statt, ist aber dem ewigen verpflichtet und zielursächlich auf letzteres

ausgerichtet.615 Das Theoretisch-Kontemplative wird als Prinzip des

Praktisch-Tätigen ausgemacht, das Praktisch-Tätige hingegen als

Grundlage des Theoretisch-Kontemplativen.616 Das Prinzipiell-

Göttliche hat nach THOMAS größeres Gewicht als das Praktische,

weshalb das Theoretisch-Kontemplative als für das Lehren wesentlich

erachtet wird.617

2.2.3. Lehren als universelles Reden

Im ontologischen Verhältnis zwischen dem Menschen als Geschöpf

und Gott, seinem Schöpfer, – von THOMAS gefasst in der Vorstellung

von Gott als causa prima –618 entsteht logisch für den Menschen das

613 Ebd. Vgl. JÜSSEN 1988b, S. 163. 614 Vgl. ebd. 615 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.4.1, S. 70f. 616 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.4.4, S. 72f. 617 Vgl. THOMAS: De magistro: Qu. disp. d. ver., Qu. XI.4.5, S. 72f. 618 Vgl. SCHÖNBERGER 2001, S. 43.

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Problem, die göttliche Vollkommenheit auszusprechen.619 Die

Vollkommenheit Gottes bleibt ontologisch im Menschlich-

Kreatürlichen unerreicht, hier ist allerdings im intellectus possibilis die

Möglichkeit zur Vervollkommnung angelegt. Durch die

Menschwerdung Gottes in Christus erfährt diese Potenz ihre

Überhöhung zur Analogie zwischen Gott und Mensch.

Der Mensch hat insofern die Möglichkeit zur Erkenntnis, als

Gott ihm als causa efficiens die universellen Verstandesprinzipien

eingepflanzt hat. Sie verweisen darauf, „daß alles Lehren und Lernen

sich auf dem Grunde einer im vorhinein schon existierenden

Erkenntnis vollzieht“620. Insofern Gott den Menschen zusätzlich mit

dem intellectus agens, dem tätigen Verstand, ausgestattet hat, kann der

Mensch im Zusammenwirken beider Verstandesmöglichkeiten

erkennen.621 Auf der Basis des Universellen als eines intellektuellen

Prinzips ist der Mensch befähigt, vom Einzelgegenstand der

Erkenntnis mittels Abstraktion zur Universal-Erkenntnis zu

gelangen.622

„Alle erkennenden Wesen erkennen in jeglichem Erkannten einschlußweise Gott. Wie nämlich nichts den Charakter des Begehrbaren hat außer kraft der Ähnlichkeit mit der Ur-Gutheit, so ist nichts erkennbar außer kraft der Ähnlichkeit mit der Ur-Wahrheit.“623

619 Vgl. SCHÖNBERGER 2001, S. 51. 620 THOMAS: De magistro: S. th. I.1 responsio. Vgl. HELMER 1998, S. 108. 621 Vgl. SCHNEIDER 1988b, S. 166. 622 Vgl. S. th. I.85.1.1. KENNY führt an dieser Stelle das erkenntnisbezogene Formal-

Verhältnis auf das zugrundeliegende Kausal-Verhältnis zurück. (Vgl. KENNY 1993, S.

102) WEIDEMANN verweist auf die menschliche Verstandestätigkeit als eine

seinsbezogene wie auch sprachliche Abstraktion. (Vgl. WEIDEMANN 1975, S. 80ff.) 623 PIEPER 1965, S. 73, i. Orig. teilw. hervorgeh.; vgl. Qu. disp. d. ver. XVI.3.3.

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Als Universal-Prinzip liegt Gott im Menschen. Da Gott Urgrund der

Wahrheit ist, liegt in den seminales die Möglichkeit zur

Wahrheitserkenntnis im Menschen. Wahrheit ist erkenn- und somit

lehrbar – soweit die ontologische Argumentation.

Analog auf die Logik übertragen ist Gottes Schweigen

Wirkursache von Sprache. Es liegt im Innern des Menschen als die

universell-prinzipielle Möglichkeit zum Reden.624 Die universellen

Verstandesprinzipien liegen schweigend vor; der tätige Verstand zeigt

sich redend. Wie die Vergleichbarkeit zwischen Gott und Mensch in

Christus ontologisch Erkenntnis ermöglicht, so befähigt sie logisch

den Menschen dazu, redend zu lehren. Gott ist auch logisch causa

prima, der als schweigendes universelles Sprachprinzip eine

zweckmäßige Lehr-Rede verursacht.

„[D]es Menschen letztes Glück und Glückseligkeit ist: Gott zu

schauen.“625 Damit ist er zielursächlich auf die jenseitige Schau Gottes

verwiesen, in welcher der Wille zur Erkenntnis erst zur Ruhe kommt,

weil Gottesschau vollkommene Erkenntnis bedeutet.626 Gottesschau

vollzieht sich schweigend,627 in universal-prinzipieller Logik jenseits

von singulären Termini, dem Schweigen, gerichtet auf universal-

prinzipielle Ontologie jenseits von Individualgegenständen.628 Solange

dieses jenseitige logische wie ontologische Sein aber nicht erreicht ist,

624 TEUWSEN weist darauf hin, dass bei THOMAS „unser Wissen, unsere Erkenntnis

vornehmlich mit den generellen Termini und dem, was sie bezeichnen, zu tun“ habe und

„weniger mit den singulären und den von ihnen benannten Individuen“ (TEUWSEN 1988,

S. 171). Insofern ist auch bei ihm ein analoger Zusammenhang hergestellt a) zwischen

Sprache und Erkennen und dies b) auf der Ebene des Universellen. 625 PIEPER 1965, S. 126; Änd. v. G.v.S.; vgl. S. th. II.4.1.1. 626 Vgl. Comp. theol. I.149. 627 Vgl. In Trinitate II.1.6. 628 Vgl. TEUWSEN 1988, S. 171.

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ist nach THOMAS ein „Streitgespräch über die Glaubenswahrheiten“ 629

oder aber deren lehrende Weitergabe in der Rede sinnvoll, denn die

Rede des Menschen verweist logisch auf seine ontologische causa

prima, Gott.

629 PIEPER 1965, S. 92; i. Orig. teilw. hervorgeh.; vgl. Contra Graec. II.

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Logos im Reden – Zusammenfassung

Der logisch-ontologisch erkenntnissuchenden Bildungsvorstellung

dieser Arbeit weiter folgend, bleiben die für das zweite Kapitel

ausgewählten Autoren in ihren Schriften – ARISTOTELES mit Peri

hermeneias und THOMAS VON AQUIN in seinen Artikeln De magistro –

dem Logos als Annäherungs-Begriff für die Auseinandersetzung mit

Welt verhaftet. Ebenso richten sich beide auf Wahrheit aus. Allerdings

erachten sie das sprachliche Potenzial zur Welterkenntnis im

Unterschied zu PLATON und AUGUSTINUS durchaus als gegeben.

Beiden sind die Universalien hierfür die Grundlage.

Das ist die Gemeinsamkeit von ARISTOTELES und THOMAS.

Wenn sich der Scholastiker in seinen Überlegungen auch auf den

erstgenannten bezieht, gibt es doch Unterschiede. Ontologisch-

metaphysischer Urgrund von Welt und damit von ihrer Erkennbarkeit

ist ARISTOTELES zwar der unbewegte Beweger. Er ist dies aber

lediglich im Sinne eines ersten Impulses. Welt ist diesseitig erkenn-

und lehrbar, da durch den ersten Impuls von diesem unabhängig.

THOMAS führt Welt auf Gott als ihre causa prima zurück. Sprachlichkeit

und Wahrheit sind in gleicher Weise kausal an Gott gebunden. Da

dies ebenfalls für den Menschen gilt, so auch für seine

Erkenntnisfähigkeit.

Beide – ARISTOTELES und THOMAS – halten den Menschen für

vernunftbegabt und zwar in sprachlicher Weise. Nach ARISTOTELES

vermag die Seele des Menschen logisch zu erkennen, da Wissen für

ihn ein grammatikalischer Begriff ist. THOMAS nimmt für den

Menschen universelle Verstandesprinzipien und aktives

Erkenntnispotential an, die ihm von Gott als dem schweigenden

Urgrund von Sprache und Sein eingepflanzt sind. Sie lassen ihn an

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Gottes Intelligibilität partizipieren und begründen somit die

menschliche Fähigkeit zur Erkenntnis. So ist nach beiden Erkennen

und Lehren möglich, dem antiken Philosophen unabhängig von Gott,

wenn auch durch diesen verursacht, dem Scholastiker kausal an Gott

gebunden, allerdings in dieser Kausalität zur Selbsttätigkeit befähigt.

Die erkenntnissuchende Annäherung an Welt und ihre

pädagogische Unterstützung ist bei THOMAS an die

Auseinandersetzung mit Sprache gebunden; aus der ARISTOTELischen

Schrift ist Pädagogisches aus Sprachlichem destillierbar. Peri hermeneias

untersucht den Logos in Form von Aussagen (Wörtern wie Sätzen)

und prüft deren Geltung. Dabei werden alltagssprachlich

gebräuchliche Aussagen analysiert, aber ideal-logischen Analysen

unterzogen. Bejahende und verneinende Urteile werden miteinander

verglichen und zueinander in Bezug gesetzt, um aufgrund logischen

Schließens die geltungshafte Aussage herauszufinden. Maßstab der

Logik ist die Ontologie, was der ARISTOTELischen Unterscheidung

von ontologischer und logischer Wahrheit zu entnehmen ist. Beides

hängt insofern miteinander zusammen, als dass die Annäherung an

das Sein logisch gedacht ist. ARISTOTELES legt der sprachlichen

Erkenntnissuche die empirische Wahrnehmung zugrunde. Er wendet

die Kategorienlehre sprachlich, abstrahiert vom Akzidentellen über

das Substantielle hin zum Universal-Begriff. Dieser verbürgt sowohl

die Vergleichbarkeit von Sätzen, also die genannte Aussagenlogik, als

auch die Möglichkeit zu reden und damit auch pädagogisch zu reden.

Der Lehrer in De magistro sucht gleichermaßen die logische

Annäherung an das Sein. Er hat hierfür die Potenz, aus einem

Zusammenspiel von ihm eingegebenen universalen

Verstandesprinzipien und einem tätigen, wirkenden Verstand die

Sinneseindrücke zu Erkenntnissen zu verarbeiten. Begründet ist dies

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in einer Analogie, die durch die von Gott eingepflanzten

Verstandesprinzipien zwischen dem Menschen und seiner causa prima

besteht. Diese wird dadurch überhöht, dass Christus als Gottes Sohn

Mensch wird. Insofern dieser als verbum logischen Charakter hat, ist er

so wie bei AUGUSTINUS summus magister des Menschen, bekräftigt aber

zugleich dessen eigene logische Verstandesfähigkeit. Das Universal-

Prinzip dieses Verstandes ist analog ontisch und logisch, worin der

logisch erkennende Zugriff des Menschen auf Welt begründet ist. Der

universal-prinzipielle Logos liegt als Sprache Gottes, der causa prima,

schweigend in der Seele des Menschen und begründet zugleich die

Möglichkeit zur Rede, auf die Christi Wort-Charakter verweist.

Nach ARISTOTELES kann die dialektische Frage, mittels derer

Akzidentelles von Substantiellem geschieden werden kann und die

den Beginn einer sprachlichen Annäherung an das Allgemeine

darstellt, als Grundlage einer pädagogisch angeleiteten logischen

Annäherung an Ontologisches benannt werden. Sie vermag in einem

Unterrichtsgespräch zu Urteilssätzen zu führen. Mit THOMAS ist

Unterricht als eine redende Anleitung zum tätigen Umgang des

intellectus agens mit den Verstandesprinzipien zu denken.

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3. SCHWEIGEN UND REDEN

BEI LUDWIG WITTGENSTEIN

„Meine Sätze erläutern dadurch, dass sie der, welcher mich versteht, am Ende als unsinnig erkennt, wenn er durch sie – auf ihnen – über sie hinausgestiegen ist. (Er muß sozusagen die Leiter wegwerfen, nachdem er auf ihr hinaufgestiegen ist.) Er muß diese Sätze überwinden, dann sieht er die Welt richtig.“ (WITTGENSTEIN, Tractatus logico-philosophicus 6.54) „Das Unaussprechbare (das, was mir geheimnisvoll erscheint und ich nicht auszusprechen vermag) gibt vielleicht den Hintergrund, auf dem das, was ich aussprechen konnte, Bedeutung bekommt.“ (WITTGENSTEIN, Vermischte Bemerkungen 1931, S. 472)

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Ludwig WITTGENSTEIN (1889-1951), hier ca. 1919630

630 Abbildung: WUCHTERL/HÜBNER 2001, S. 77. Daten: Vgl. WUCHTERL/HÜBNER

2001, S. 137ff.

168

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3.1 „Tatsachen lassen sich nicht benennen.“631: SCHWEIGEN BEI WITTGENSTEIN

I. Der Zugriff des Menschen auf Welt ist logisch.

I.I Erkenntnis vollzieht sich logisch.

I.II Die Weitergabe von Erkenntnis – Lehren –

vollzieht sich logisch.

II. Sprache muss logisch sein, damit sie Welt abbildet: z.B.

„fx“, „φ(x, y,)“, „p, q, r“632 oder „fa“633.

III. Logik und Welt fallen zusammen. Die Logik gibt der

Welt ihre Prädikate vor, ist damit Onto-Logik. Von der

Tatsache bis zum Ur-Gegenstand bzw. Ur-Zeichen ist

Logik prädikats- und strukturgebend.

IV. Der Aufbau von Welt wird als logisch erkannt:

„[ p , ξ , N(ξ )]“634.

V. Elementarsatzformeln sind Ausdruck der Bedingung der

Möglichkeit von Sprache.

VI. Die Wahrheitsformel ist Ausdruck der Bedingung der

Möglichkeit von Wahrheit.

VII. Da sich mehr nicht sagen lässt, ist der logische Zugriff

auf Welt an ein Ende geführt:

VII.I Logische Erkenntnistheorie muss schweigen.

VII.II Logische Pädagogik muss schweigen.

631 Tagebücher 1914-1916, S. 207; i. Orig. teilw. hervorgeh. 632 Insges.: TLP 4.24, S. 38. 633 TLP 5.47, S. 56. 634 TLP 6, S. 69.

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3.1.1 Die ontologischen Voraussetzungen von WITTGENSTEINs Tractatus logico-philosophicus

Ludwig WITTGENSTEIN postuliert in seinem Frühwerk Tractatus logico-

philosophicus635, dass die Annäherung des Menschen an die Welt logisch

sei, denn Logik und Welt stehen nach WITTGENSTEIN in einem

einander bedingenden Zusammenhang. Logik ist „weltspiegelnd“636.

Die Nichtexistenz von Logik wäre nur denkbar, wenn die Welt als

nicht existent zu denken wäre. Da die Welt ist, ihr Sein zukommt,637

ist auch Logik,638 denn ihr Aufbau ist logisch.639 Damit hat der

Erkenntnissuchende, bezogen auf den Gegenstand seiner

Erkenntnissuche, allein die Logik als Erkenntnisweise.640 Der Tractatus

erörtert diesen Grundgedanken abbildtheoretisch.

635 Ludwig WITTGENSTEIN gilt als (sprach-)analytischer Philosoph. (Vgl. GRÜNDER

1995; Sp. 1524) Sein Tractatus logico-philosophicus (TLP) markiert den theoretischen

Standpunkt des frühen WITTGENSTEIN und stellt eine Philosophie der idealen Sprache

und als solche eine „Sprachkritik“ (PEARS/KENNY 1998, S. 273) dar, wohingegen der

späte WITTGENSTEIN sich gleichwohl sprachkritisch mit Problemen der Alltagssprache

auseinandersetzt und die Sprachspieltheorie (vgl. PEARS/KENNY 1998, S. 280) entwirft.

Tractatus logico-philosophicus ist 1918 entstanden, erscheint – als einziges zu Lebzeiten

veröffentlichtes Werk – erstmals 1921 und fungiert schließlich 1929 als WITTGENSTEINS

Dissertation (vgl. SCHULTE 1997, S. 13-19). Er besteht aus einer Kette fortlaufend

numerierter Sätze, von denen sieben Hauptsätze „eine Art Übersicht über die Themen

ermöglichen“ (SCHULTE 1997, S. 57). Das heißt aber nicht, daß der Tractatus seiner

Gliederung folgend zu verstehen wäre; die „Sätze des Tractatus verhalten sich nur selten

wie Prämisse und Konklusion zueinander, denn häufig muß man eine Gedankenkette

sowohl von oben nach unten als auch von unten nach oben lesen, um ihrem Verständnis

näherzukommen.“ (SCHULTE 1997, S. 57; Änd. u. Hervorheb. v. G.v.S.) 636 TLP 5.511, S. 59. 637 Die vorliegende WITTGENSTEIN-Analyse geht von einer ontologischen Deutung aus. 638 Vgl. TLP 5.5521, S. 65. 639 Vgl. TLP 5.61, S. 67. 640 Entgegen ANSCOMBEs Auffassung, der Tractatus sei ganz und gar nicht

epistemologisch (vgl. ANSCOMBE 2001, S. 27f.) soll in diesem Kapitel gezeigt werden,

dass sich aus WITTGENSTEINs Frühwerk durchaus Rückschlüsse auf die Frage der

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WITTGENSTEIN sucht durch Überlegungen zur Sprachstruktur,

die Struktur von Welt von der Struktur der Sprache abzulesen. Das

verweist auf seine These, Sprache und Welt stünden in einem

Abbildverhältnis zueinander; das Bild ist in diesem Kontext

Bindeglied zwischen Sprache und Welt. Sätze wie auch Tatsachen sind

nämlich gleichermaßen als Bilder für Welt definiert. Nur dadurch ist

Abbildung möglich. Diese Vorstellung wird in mehreren Schritten

erläutert: „Bild“ versteht WITTGENSTEIN im Sinne eines Namens für

„Modell der Wirklichkeit“641, welches eben diese Wirklichkeit zu

zeigen vermag.642 Damit ein Bild ein solches Modell sein kann, damit

es Tatsachen zeigen kann,643 muss es zwei Bedingungen erfüllen. Es

hat nur Modellcharakter, wenn das Bild mit der Welt bzw. dem Teil

der Welt, den es abbilden soll, erstens korreliert644 und zweitens

„strukturidentisch“645 ist. Demnach kann nur von einem Bild

gesprochen werden, wenn der Gegenstand der Abbildung wirklich

abgebildet wird und – da WITTGENSTEIN als Form der Wirklichkeit

die logische Form annimmt – wenn es sich um ein logisches Bild

handelt. Im Verhältnis logisches Bild – logische Welt haben

Abbildendes und Abgebildetes demzufolge die logische Form

gemeinsam.646 Sofern der Strukturgedanke auf Zusammengesetztes

hindeutet, steht das Bild nicht für ein Einzelding, sondern für logisch

strukturiert zusammengesetzte Dinge, „Tatsachen“647. Das mit

Erkenntnis ziehen lassen. Besser gesagt: Der Tractatus logico-philosophicus ist der

Schlusspunkt der nachgezeichneten Tradition. 641 TLP 2.12, S. 15; MAJETSCHAK 1996, S. 368. 642 Vgl. ANSCOMBE 2001, S. 65. 643 Vgl. TLP 2.141, S. 15 sowie WUCHTERL 1969, S. 29. 644 Vgl. ANSCOMBE 2001, S. 65. 645 MAJETSCHAK 1996, S. 365. 646 Vgl. TLP 2.063 bis 2.17, S. 14f. 647 TLP 1.1; 1.12; 1.2, S. 11.

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Tatsachen der Welt korrelierende logisch strukturierte Bild ist eine

Tatsache.648 Gleiches – die beiden Bedingungen wie auch der

Tatsachencharakter – werden von WITTGENSTEIN auf das

Abbildverhältnis von Sprache und Welt übertragen: Sätze müssen sich

tatsächlich korrelativ und logisch auf Welt beziehen. Ist das der Fall,

kann WITTGENSTEIN logische Sätze als Tatsachen auffassen und die

„materielle[n] (d.h. phonetische[n] schriftliche[n]) Zeichen als

Gegenstände[...] der Welt“649 betrachten. Sie weisen – selbst konkreter

Teil der Welt – wie „[d]er Satz, das Bild, das Modell“ Tatsachen

topologisch aus, „wie ein fester Körper, der die Bewegungsfreiheit der

andern beschränkt; im positiven Sinne, wie der von fester Substanz

begrenzte Raum, worin ein Körper Platz hat.“650 Die Verortung von

Welt in Sprache macht sie diskutabel, eröffnet

Erkenntnismöglichkeiten.

In einer so angenommenen Sprach-Welt-Abbildung findet

Erkenntnis der griechischen Wortbedeutung folgend logisch statt.

Sprache und Denken sind eins, denn „[d]er Gedanke ist der sinnvolle

Satz.“651 Tatsachen der Welt werden gleichermaßen als Gedanken

gedacht wie als Sätze gesprochen bzw. geschrieben. Der sprachlich

verfasste Gedanke bildet die zu Tatsachen strukturierten Dinge als zu

Tatsachen strukturierte Namen in Sätzen ab. Die Möglichkeit einer

solchen Abbildung ist in der Voraussetzung der abbildbaren Tatsache

bedingt. Die abbildbare und zugleich abzubildende Tatsache bedarf

ihrerseits eines Referenzpunktes, der ihre Wesensmerkmale, ja ihr

gesamtes Sein verbürgt. Einer holistisch-universellen Argumentation

folgend, bei der höchsten Abstraktionsgrad das Allgemeine hat, das 648 Vgl. TLP 2.141 sowie WUCHTERL 1969, S. 29. 649 MAJETSCHAK 1996, S. 368; Änd. v. G.v.S. 650 TLP 4.463, S. 43. 651 TLP 4, S. 25.

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dann seinerseits den Ausgangspunkt für Deduktionen darstellt, ist von

der Tatsache auszugehen. In ontologischer Interpretation der

Tatsache gehört es zu ihrem Wesen, in eine Struktur aus

Sachverhalten zu zerfallen, weiter zergliedert in Dinge, Welt zu sein

und in logischer Hinsicht durch einen Sachverhalte und weiter Namen

strukturierenden Satz abgebildet zu werden. Die Tatsache als

allgemeinste Kategorie verweist auf das Wesen der Welt, denn die

Faktizität der Welt liegt in der Summe der Tatsachen.652 Nach diesem

holistischen Ansatz,653 wird von der höchsten Struktur „Welt“,

zerfallend in Tatsachen, dann Sachverhalte, gefolgt von Dingen654,

vom Allgemeinen auf das Einzelne deduziert. Auf sprachlicher Ebene

wird aus der Welt vom Tatsachen-Satz der Elementarsatz und der

Name abgeleitet.655 Am Ende dieser Ableitungsketten steht ein

Atomismus656, der die Welt auf ihre Ur-Gegenstände bzw. Ur-Zeichen

reduziert. Hier ist also die wesensverbürgende Ontologie im

Mikrokosmos wie auch im Makrokosmos zu finden.

Da aber das besondere WITTGENSTEINscher Abbildtheorie

darin liegt, dass Abgebildetes und Abbildendes gleichermaßen

Tatsachen sind, liegt das Ontologische sowohl in der Welt657 als auch

geht es ihr apriorisch voraus. In der Welt zeigt es sich, bleibt aber

unaussprechlich.658 Insofern „[d]ie Grenzen meiner Sprache [...] die

Grenzen meiner Welt“ bedeuten659, limitiert Sagbarkeit die Welt. Was

652 Vgl. TLP 1 und 1.2, S. 11. 653 Vgl. GOERES 2000, S. 28. 654 Vgl. TLP 1.2; 2.01; 2.034, S. 11 und 14. 655 Vgl. TLP 2; 4.21; 4.22, S. 11 und 38. 656 Vgl. GOERES 2000, S. 24 und 30. 657 Vgl. TLP 2.021, S. 13. 658 Vgl. TLP 4.121; 4.1212; 6.522, S. 33f. und S. 85. 659 TLP 5.6, S. 67.

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sich über Welt denken lässt, ist sagbar.660 Was sich nicht sagen lässt, ist

über die Welt nicht denkbar. Eine Welt außerhalb der Sagbarkeit ist

nicht. Gemeint ist die Sagbarkeit des Ich, welche auf WITTGENSTEINs

Solipsismus verweist, eine Radikalisierung des Satzes: „Die Welt ist

meine Vorstellung.“661 Der Solipsist sieht sich selbst, genauer seine

logisch verfassten Gedanken über die Welt als weltbedingend.662 Er

geht seiner Welt und seiner Sprache voraus, gibt beiden ihr Wesen

vor.663 Was der Solipsist nicht sprachlich ausdrücken kann, kann er

nicht denken, kann nicht sein. Damit setzt sprachliche Begrenztheit

der Möglichkeit von Welt sowie ihrer Erkenntnis Grenzen. Solange

aber gesprochen und geschrieben wird, verheißt Sprache Annäherung

an Welt und deren Erkenntnis.

Die Pädagogik, in diesem Kontext verstanden als eine

epistemologische Wissenschaft, vollzieht sich in einer sprachlichen

Vermittlung. Ein Pädagoge, dessen leitendes Konzept der Tractatus

logico-philosophicus ist, hat zunächst mehrere Prämissen zu bedenken:

Seine Tätigkeit sei in diesem Zusammenhang benannt als die Suche

nach Erkenntnis und die lehrende Weitergabe von Erkanntem im

Lehrer-Schüler-Gespräch. Seine Sätze und die in ihnen repräsentierten

Tatsachen sind nicht unhintergehbar, sondern zunächst „probeweise

zusammengestellt“664. Eine anschließende logische Sprachanalyse als

Aufgabe für das Lehrgespräch prüft, ob die Sätze und mit ihnen die

abgebildeten logischen Tatsachen als solche taugen. Wird hier

sprachliche Welterkenntnis ermöglicht oder verstellt ein Satz den Blick

660 Vgl. TLP: Vorwort, S. 9. 661 WWV, S. 31. Der Einfluss SCHOPENHAUERS auf WITTGENSTEIN wird unter anderem

betont von ANSCOMBE. (Vgl. ANSCOMBE 2001, S. 168f.) 662 Vgl. TLP 5.641, S. 68. 663 Vgl. ZIMMERMANN 1975, S. 30ff. 664 TLP 4.031, S. 29.

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auf Welt und müsste die Sprache modifiziert werden, um Abbild einer

Tatsache der Welt zu sein? Das sind die Leitgedanken einer logischen

Pädagogik, die dem frühen WITTGENSTEIN folgt, denn in einem

Unterricht, der als Vermittlung von logischer Sprachanalyse konzipiert

ist, vermittelt sich logische Welt.

3.1.2 Der Logik-Begriff des Traktats

Bis hierher folgen die nachvollzogenen WITTGENSTEINschen

Gedanken einem allgemeinen Logik-Begriff, der auf die Formel „die

Logik ist keine Lehre, sondern ein Spiegelbild der Welt“665 gebracht

werden kann. Der Tractatus zieht aber noch eine zweite logische Ebene

ein, die von der grundsätzlichen Welt- und Sprachauffassung zu

unterscheiden ist. Die Logik des Abbild-Verhältnisses von Sprache

und Welt ist eine Logik a priori,666 das heißt eine Logik unabhängig

von jeder – sei es nun sprachlicher oder dinglicher –

Erfahrungsrealität. Sie liegt ohne konkrete Sprach- oder Welt-

Tatsachen fest und ist im Tractatus Maßgabe jedweder Überlegung

zum Verhältnis von Sprache und Welt. Korrespondierend zu diesem

Grundgedanken werden Sätze und Tatsachen formallogisch gedacht.

Auf diese formallogische Ebene soll im folgenden das Augenmerk

gelegt werden.

Im Zuge seiner abbildtheoretischen Vorstellung vom Verhältnis

von Sprache und Welt konstruiert WITTGENSTEIN einen idealen Satz,

dessen Elemente, anders als im defizienten alltags- oder

normalsprachlichen Satz, strukturell gleichermaßen logisch verknüpft

sind, wie er es für die Tatsachen der Welt voraussetzt. Der Satz soll

665 TLP 6.13, S. 76. 666 Vgl. z.B. ANSCOMBE 2001, S. 165, DIETRICH 1973, S. 147ff., GLOCK 2000f, S. 206ff.

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ein Bild sein, das die logische Form als „Form der Wirklichkeit“667

aufweist.668 Das heißt, die logische Form wird durch ihn nicht

abgebildet,669 kann nicht abgebildet werden. Die Logik ist nicht zuletzt

deshalb vor jeder und außerhalb jeder Erfahrung, weil sie mit Welt

und Sprache identisch ist. Somit weisen Welt und Sprache durch ihre

bloße ontologische Existenz Logik auf, sind ihre Repräsentanten. Welt

hat Logik und zeigt sie; der Satz hat sie und zeigt sie. Die Logik selbst

unterliegt keiner Abbildung, sie ist selbst quasi Ontologie da

Voraussetzung der Abbildbarkeit der Welt durch Sprache, weil beide

logisch strukturiert sind und man daher nicht aus ihr heraustreten

kann, um sie abzubilden:670 Die Logik der Tatsachen lässt sich nicht

vertreten.671 Sie ist im Satz angewandt.672

3.1.2.1 Die Logik des Elementarsatzes

In seinem Verhältnis zur Welt sucht der Mensch Gedanken über die

Welt zu fassen. Er sucht dies logisch, indem er einen Gedanken durch

einen Satz ausdrückt. Da WITTGENSTEIN den Satz als Projektion des

Gedanken betrachtet, nennt er ihn „Satzzeichen“673, denn er ist als

Satz Zeichen für den Gedanken.674 Weil der Gedanke nun seinerseits

667 TLP 2.18, S. S. 16. 668 Vgl. TLP 2.172, S. 16; TLP 5.555, S. 66. 669 Vgl. TLP 2.172, S. 16. 670 STEKELER-WEITHOFER bezieht sich in diesem Zusammenhang auf „Wittgensteins

Unterscheidung zwischen Sagen und Zeigen“ und die „These, was gezeigt werden könne,

könne nicht gesagt werden“. Er fasst diese Unterscheidung als „die logisch bedeutsame

Unterscheidung zwischen externen Tatsachenbehauptungen und internen Erläuterungen der

logischen Form unseres Redens“(insges.: STEKELER-WEITHOFER 1995, S. 313). Interne

Erläuterungen entziehen sich der Sagbarkeit; Tatsachen sind zeigbar. 671 Vgl. TLP 4.0312, S. 29. 672 Vgl. TLP 5.557, S. 66. 673 TLP 3.12, S. 18. 674 Vgl. TLP 3.5, S. 25.

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Projektion einer Tatsache der Welt ist, sind der sie abbildende

Gedanke sowie auch der den Gedanken abbildende Satz Tatsachen.675

Der Gedanke der allem vorausgehenden Logik verweist auf eine

ontologische Verankerung dieser Ableitungskette im Apriori. Sie gibt

die Möglichkeit sprachlicher Abbildung von Tatsachen vor, da sie

Sprache wie auch Welt gleichermaßen durchwirkt. Folglich kann der

Satz tatsächliches Zeichen eines Gedanken zur Welt sein. Das gilt

allerdings nur für einen Satz, der zutrifft und Sinn hat, denn „der

Gedanke ist der sinnvolle Satz“676.

Eine Tatsache ist für WITTGENSTEIN, dass Sachverhalte

bestehen.677 Solche Sachverhalte lassen sich in Sachen, Dinge,678

Gegenstände gliedern. Letztere sind dazu da, zu Sachverhalten

zusammengestellt zu sein. Gegenstände sind ihrerseits nicht weiter zu

zerlegen.679 Auf der sprachlichen Ebene entspricht das Satzzeichen der

Tatsache eines sinnvollen Gedankens. Als Satzzeichen ist der

Gedanke gliederbar in Wörter, die im Satz aufeinander bezogen sind.

Die Wörter sind für WITTGENSTEIN „Elemente“680 des Satzzeichens.

Er meint mit einem solchen Satz allerdings kein „Wörtergemisch“681,

sondern „Namen“, denn sie bilden im Satz den Gegenstand ab.682

Damit sind Namen wie die durch sie bezeichneten Gegenstände nicht

weiter zergliederbar. Sie sind „Urzeichen“683 des Gegenstandes. Steht

ein Name für einen Gegenstand und ist es der Sinn eines

675 Vgl. TLP 3.14, S. 18. 676 TLP 4, S. 25. 677 TLP 2, S. 11. 678 Vgl. TLP 2.01, S. 11; TLP 2.0121, S. 11f. 679 Vgl. TLP 2.02, S. 13. 680 TLP 3.14, S. 18. 681 TLP 3.141, S. 18. 682 Vgl. TLP 3.22, S. 19. 683 TLP 3.26, S. 20.

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Gegenstandes am Bestehen eines Sachverhaltes zu partizipieren, so

bildet der Satz einen Sachverhalt ab, wenn er Namen zusammenstellt.

Einen solchen „einfachsten Satz“, der „das Bestehen eines

Sachverhaltes [behauptet]“ nennt WITTGENSTEIN „Elementarsatz“684.

„Er ist ein Zusammenhang, eine Verkettung, von Namen.“685 Der

Elementarsatz ist einfach, weil auf das Wesentliche der Abbildung

beschränkt. Ein Satz, der nur Wesentliches, nichts Nebensächliches

benennt, ist zugleich ideal. Da WITTGENSTEIN die Welt als komplexe

Tatsache beschreibt,686 die zwar aus Dingen zusammengesetzt ist,687

aber als Struktur aus denselben gedacht wird, kann es in der

Sprachanalyse nicht um den das Ding abbildenden Namen allein

gehen. Der Satz in seiner Namen-Struktur bildet die Tatsache in ihrer

Ding-Struktur ab. Wer die Tatsachen der Welt erkennen will, muss sie

daher zwar nach Auffassung WITTGENSTEINs auf die Gegenstände,

die sie zusammensetzen, reduzieren, und zu einer solchen Analyse hat

er die Satzzeichen auf ihre Urzeichen, die Namen zu reduzieren. Aber

es kommt für die logische Erkenntnissuche darauf an, Sätze auf ihre

elementare Form, die Verkettung von Namen, zu bringen. Eine solche

elementare Verkettung kann durch einfache Formeln wie etwa „fx“,

„φ(x, y,)“688 oder „fa“689 vertreten werden. Hier ist die

Ableitungsfaktizität ausgedrückt: Der Satz ist eine Funktion von

einem Faktum. Da dann jedem Elementarsatz ein Sachverhalt, das

Urelement der Tatsache,690 entspricht, die er behauptet, kann „die

684 TLP 4.21, S. 38; Änd. v. G.v.S. 685 TLP 4.22, S. 38. 686 Vgl. TLP 1.12; 2, S. 11. 687 Vgl. TLP 2.01, S. 11. 688 TLP 4.24, S. 38. 689 TLP 5.47, S. 56. 690 Vgl. ANSCOMBE 2001, S. 29.

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allgemeine Satzform“ schließlich „eine Variable“691, also allein p, q

oder r sein.692 Dabei wird betont, dass der komplexe Satz einer

komplexen Tatsache entspricht, wofür die Variable der Platzhalter ist.

3.1.2.2 Die Logik von Wahrem und Falschem

Im abbildlichen Verhältnis vom Gedanken über Welt und Satz fordert

WITTGENSTEIN den „sinnvollen Satz“693. Dieser ist auch als

„Proposition“, also Angabe einer Tatsache694 mit Inhalt bzw.

Bedeutung695 fassbar. Die WITTGENSTEINsche Propositionstheorie

beinhaltet über die Entwicklung der logischen Abbildtheorie hinaus

einen spezifischen Wahrheitsbegriff.696 Sinnvoll ist ein Satz dann zu

nennen, wenn der Gedanke, dessen Projektion er ist, mit dem durch

den Gedanken projizierten Sachverhalt tatsächlich übereinstimmt.

Satz und „Wirklichkeit“ werden miteinander „verglichen“697. Der Satz

muss dabei gemessen an der Wirklichkeit durch die Fragen „wahr?“

oder „falsch?“ überprüfbar698 und letztlich „wahr“ sein, damit er eine

sinnvolle Tatsache ist.699 Denn: „Der Satz zeigt, wie es sich verhält,

wenn er wahr ist. Und er sagt, dass es sich so verhält.“700

Der Elementarsatz ist die logisch idealisierte Abbildung eines

Tatsachen-Satzes. Er ist darstellbar als Funktion, z.B. fx, oder als

691 TLP 4.53, S. 45. 692 Vgl. TLP 5.31, S. 53. 693 TLP 4, S. 25. 694 Vgl. BUSSMANN 1990b, S. 616f. 695 Vgl. LEWANDOWSKI 1990b, S. 843ff. 696 Vgl. ANSCOMBE 2001, S. 25f. 697 TLP 4.05, S. 30. 698 Vgl. TLP 4.06, S. 30. 699 Vgl. TLP 4.2, S. 38; TLP 4.4, S. 40 sowie GRAYLING 1996, S. 55; SCHEIER 1991, S.

144. 700 TLP 4.022, S. 25f.

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Variable, p, q, r. Der Abbild-Vorstellung entsprechend, wird Wahrheit

wie der Satz als Funktion gefasst: „Der Satz ist eine

Wahrheitsfunktion der Elementarsätze.“701 Die Funktion zeigt die

Möglichkeit, Wahrheit durch Sätze auszudrücken. Es ergibt sich eine

Reihe, in welcher der Satz sich am Elementarsatz und der

Elementarsatz an seiner Wahrheitsmöglichkeit messen lassen muss.

Hierfür soll eine „Regel“702 aufgestellt werden, die darauf abzielt, die

Möglichkeit einer logischen Wahrheit zu bestimmen. Sie wird in einer

logischen Formelsprache aufgestellt.

„Die Wahrheitsmöglichkeiten der Elementarsätze bedeuten die

Möglichkeiten des Bestehens und Nichtbestehens der

Sachverhalte.“703 Das Bestehen oder Nichtbestehen von Sachverhalten

ist eine Tatsache. Tatsachen sollen sprachlich gezeigt werden. Die

Überprüfung der Wahrheitsmöglichkeiten von Elementarsätzen ist

eine Überprüfung der Möglichkeit, mit Sprache Wahres abbilden zu

können. Überprüft wird zugleich, unter welchen Bedingungen Sprache

das kann.704 Wahrheitsmöglichkeiten stellt WITTGENSTEIN zunächst in

Wahrheitstafeln dar,705 die „Bedingungen der Wahrheit und Falschheit

der Sätze“706 zeigen. Betrachtet man einen Elementarsatz p für sich

allein, kann er und mit ihm die durch ihn aufgezeigte Tatsache

entweder wahr oder falsch sein:

701 TLP 5, S. 45. 702 TLP 5.476, S. 58. 703 TLP 4.3, S. 40. 704 Vgl. TLP 4.41, S. 40. 705 TLP 4.31, S. 40; vgl. auch GLOCK 2000b, S. 93. 706 TLP 4.41, S. 40.

180

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p

W

F

Setzt man den Elementarsatz p in Bezug zu einem zweiten

Elementarsatz q, gibt es zunächst vier offensichtliche

Wahrheitsmöglichkeiten:707

p

q

W W

F W

W F

F F

Die Tatsachen p und q sind entweder beide wahr oder beide falsch.

Sowohl im Falle des Wahr-Seins als auch in dem des Falsch-Seins

ergänzen sich die Elementarsätze bestätigend. Ist p falsch und q wahr,

widersprechen sich p und q ebenso wie in der Variante, dass p wahr

und q falsch ist. Werden drei708 Elementarsätze p, q und r auf ihre

Wahrheitsmöglichkeiten analysiert, können sie in 28 verschiedenen

Varianten wahr oder falsch sein:

707 MEDER führt unter Einbezug verschiedener mathematischer Operationen „die

Vielzahl (16) möglicher Wahrheitsfunktionen“ (MEDER 2001, S. 117), also 24, an.

Auszugehen ist nämlich von den beiden Werten „wahr“ und „falsch“ bei vier Stellen. Der

Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es diese Vielzahl der Möglichkeiten gibt. Für die

vorliegende Argumentation spielt das allerdings keine Rolle und wird vernachlässigt. 708 Die Reihe der Kombination von Elementarsätzen ist fortsetzbar. Die Anzahl der

Wahrheitsmöglichkeiten wird mit TLP 4.42, S. 40f. bestimmt.

181

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p

q

r

W W W

F W W

W F W

W W F

F F W

F W F

W F F

F F F

Eindeutig sind die Möglichkeiten, dass alle drei Elementarsätze in

Wahrheit (WWW) oder Falschheit (FFF) übereinstimmen. In weiteren

Kombinationen können zwei der gezeigten Tatsachen wahr und eine

falsch (FWW, WFW, WWF), bzw. zwei falsch und eine wahr (FFW,

FWF, WFF) sein. Den Fall, in dem p, q, und r gleichermaßen wahr

sind, nennt WITTGENSTEIN „Tautologie“, den, in dem alle drei

gleichermaßen falsch sind, „Kontradiktion“709. So eindeutig diese

beiden Wahrheitsmöglichkeiten logisch zu sein scheinen, so wenig

zeigen sie Tatsachen:

„Der Satz zeigt was er sagt, die Tautologie und die Kontradiktion, dass sie nichts sagen. Die Tautologie hat keine Wahrheitsbedingungen, denn sie ist bedingungslos wahr; und

709 Beides: TLP 4.46, S. 42f.

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die Kontradiktion ist unter keiner Bedingung wahr. Tautologie und Kontradiktion sind sinnlos.“ 710

Die Tautologie ist mit sich selbst identisch, selbstreferentiell, bildet

sich wie ein Zirkelschluss selbst ab und keine Aussage, das heißt keine

Tatsache, dahinter. Ein Satz kann nicht seinen eigenen Hintergrund,

die ihm vorgängige Tatsache konstituieren, sie geht eben voraus.

Transzendental notwendig Wesensbestimmendes und Abbildung

müssten in eins fallen können, um wahr genannt zu werden. Das ist

aber nicht zu denken.711 Die Kontradiktion verneint sich selbst, hebt

sich selbst auf, damit wird die Tatsache aufgehoben, die abgebildet

werden sollte, Aussage bzw. Tatsache bleiben eine Leerstelle.

„Tautologie und Kontradiktion sind nicht Bilder der Wirklichkeit. Sie stellen keine mögliche Sachlage dar. Denn jene lässt jede mögliche Sachlage zu, diese keine.“712

Somit haben nur die Sätze eine Aussage, bilden nur die Sätze

Tatsachen ab, die FWW, WFW, WWF, FFW, FWF, WFF sind, denn

ihnen bleibt entweder eine Falsifikation, die sie hindert, Tautologie zu

sein (FWW, WFW, WWF), oder eine Verifikation, durch die sie keine

Kontradiktion sind (FFW, FWF, WFF). Nur so wird abgebildet, denn

diese Aussagen heben ihre Abbildung nicht selbst auf. Allerdings wird

Widersprüchliches ausgesagt. Solche Sätze sind „möglich“713, ihnen

fehlt immer ein Aspekt, der sie ganz wahr (WWW) oder ganz falsch

(FFF) sein ließe. Damit bilden nur unwahre Sätze etwas ab. Der

Wahrheitsgehalt des auf diese Weise sprachlich Abgebildeten bleibt

710 TLP 4.461, S. 43. 711 Vgl. TLP 3.332, S. 23 sowie MOUNCE 1981, S. 55f. 712 TLP 4.462, S. 43. 713 TLP 4.464, S. 44.

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immer unvollkommen. Wahr ist allein die logische, aber logisch nichts

zeigende Tautologie.714

3.1.2.3 Die Logik der allgemeinen Satzform

Wenn auch damit die Möglichkeit der Abbildbarkeit von wahrer Welt

durch Sprache, bezogen auf die beiden „Extreme“ Tautologie und

Kontradiktion, verneint ist, bleibt offen, welche

Wahrheitsmöglichkeiten die Sätze „zwischen“ diesen Extremen

haben. War Sprache zuerst auf die Elementarsatzformel reduziert

worden, wird diese jetzt verallgemeinert, und zwar bezogen auf den

Wahrheitsbegriff. Dass er den Satz als Funktion auffasst, zeigt

WITTGENSTEIN durch Elementarsätze, wie etwa „fx“, „φ(x, y,)“715 und

„fa“716, die der Form nach Funktionen sind. Dieser Gedanke wird

auch explizit benannt: „Den Satz fasse ich [...] als Funktion der in ihm

enthaltenen Ausdrücke auf.“717 Der „Ausdruck“718 eines Satzes vertritt

seinen Sinn,719 denn das, was durch ihn ausgedrückt werden soll,

macht den Satz sinnvoll. Eine solche Sinn-Vertretung ist ihrerseits

lediglich gegeben, wenn eine Überprüfung der

Wahrheitsmöglichkeiten des Satzes ihn für wahr befindet. Von der

Wahrheit oder Falschheit eines Satzes hängt ab, ob er sinnvoll zu

nennen ist. Die Abbildung der sinngebenden Ausdrücke ist in diesem

Zusammenhang aber eine mehrfache: Ein Satz besteht aus

Ausdrücken, die Sinn verbürgen. Der Satz ist Ausdruck seines Sinns.

Er drückt weiter aus, dass er Wahrheitsmöglichkeiten hat, also wahr

714 Zum Tautologiebegriff vgl. HÜLSER 1979, S. 166ff. Dort insgesamt zur Wahrheit im

Tractatus. 715 Insges.: TLP 4.24, S. 38. 716 TLP 5.47, S. 56. 717 TLP 3.318, S. 21; Ausl. v. G.v.S. 718 TLP 3.31, S. 20. 719 Vgl. TLP 3.31, S. 20.

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oder falsch sein kann. Mit den Wahrheitstafeln zeigt WITTGENSTEIN

die Bedingungen auf, unter denen Elementarsätze wahr oder falsch

sind. Der Satz bildet also weiter seine eigenen Wahrheitsbedingungen

ab, ist deren Ausdruck.720 Er bildet ab in der Form der Funktion,

genauer der Funktion eines Elementarsatzes, der seine

Wahrheitsbedingungen repräsentiert. Durch die Repräsentation der

Wahrheitsbedingungen z.B. des Elementarsatzes fx werden weiter die

Wahrheitsbedingungen aller möglichen Elementarsätze gezeigt, denn,

hat der Elementarsatz fx Wahrheitsbedingungen, die er vertritt, steht

er nicht nur für sich selbst und seine Wahrheitsbedingungen, sondern

auch für die Wahrheitsbedingungen von Elementarsätzen überhaupt.

Daher gilt: „Der Satz ist eine Wahrheitsfunktion der Elementarsätze.

(Der Elementarsatz ist eine Wahrheitsfunktion seiner selbst.)“721

Als „allgemeine Form des Satzes“ benennt WITTGENSTEIN nun

die Funktion „[ p , ξ , N(ξ )]“.722 „ p “ steht für „die Menge aller

Elementarsätze“. „ξ “ repräsentiert „eine beliebige Auswahl aus“

dieser „Menge“723. „N(ξ )“ bezeichnet die „Anwendung des Negators

auf sämtliche Werte der Satzvariablen ξ“724. Diese Formel steht für

den allgemeinen elementaren Satz. Er ist für WITTGENSTEIN deshalb

allgemein, weil er alle übrigen Sätze als Ableitungen dieser Operation

auffasst.725 Über diese Argumentationsebene hinaus, die sich auf den

propositionalen Charakter der Funktion bezieht, ist sie zugleich die

720 Vgl. TLP 4.431, S. 41. 721 TLP 5, S. 45. Vgl. dazu auch SCHEIER 1991, S. 153f. 722 TLP 6, S. 69. Zur Herleitung der Formel vgl. ANSCOMBE 2001, S. 132ff. und

MOUNCE 1981, S. 52f. 723 Insges.: LANGE 1996, S. 128. 724 GOERES 2000, S. 101. Vgl. auch MACHO 1996, S. 495 sowie RUSSELL 2001, S. 272f. 725 Vgl. GOERES 2000, S. 101 und RUSSELL 2001, S. 273.

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„allgemeine Form der Wahrheitsfunktion“726. Sie ist logischer

Ausdruck der Analyse, ob Sprache Welt abbildet, genauer ob Sprache

ein sinnvolles, weil wahres Abbild von Welt ist. Die Funktion [ p , ξ ,

N(ξ )] ist das Ergebnis dieser Analyse und verneint eine solche

logische Abbildung. Logik als sinnvoll weltabbildende Sprache ist zu

denken als die Gesamtheit der Elementarsätze: p . Der Elementarsatz

ist zuerst von der Alltagssprache abstrahiert worden, als Bild für Logik

wird seine Menge hier verallgemeinert. Sprache muss

elementarsatzlich sein, um weltabildend zu sein. Das auf diese Weise

gewonnene und in der Funktion festgeschriebene allgemeinste Bild

von Sprache ist durch seinen Höchstgrad an Allgemeinheit

vollkommen unspezifisch und wird durch die weiteren Variablen der

Formel qualitativ beschrieben. Eine sinnvolle sprachliche Äußerung

wird aus der Menge aller Elementarsätze ausgewählt sein. Ist nämlich

als einzig weltabbildend die Menge aller Elementarsätze bestimmt,

wäre ein Satz, der nicht dieser Menge zuzurechnen ist, nicht sinnvoll.

Die Auswahl ist positiv – bezeichnet durch ξ – , aber auch negativ –

ausgedrückt als N(ξ ) – zu denken. Die Möglichkeit der „Negation

sämtlicher Werte der Satzvariablen ξ“727 drückt die

Wahrheitsmöglichkeiten von Elementarsätzen aus. Sie sind unter

bestimmten Bedingungen wahr oder falsch. Eine eindeutige

Weltabbildung durch Sprache verlangte nach einer logischen,

positiven Bestimmung wahrer Sätze oder wenigstens eines wahren

Satzes. Der Wahrheitsbegriff ist innerhalb der Tractatus-Konzeption

zugleich ontologisch verbürgt und der Logik inhärent als ihr

Bestandteil analysierbar. Apriorisch ist die Wahrheit deshalb zu

nennen, weil der Wahrheitsgehalt eines Satzes an dem zu messen ist,

726 Insges.: TLP 6, S. 69. 727 TLP 5.502, S. 59.

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was abgebildet wird.728 Der Wahrheitsgehalt der abgebildeten Realität

ist seinerseits durch die Deduktionskette von der allgemeinen

Tatsache zum Urgegenstand vorgegeben, denn ohne eine solche

Ableitung innerhalb des zugrundegelegten Abbildverhältnisses ist eine

Wahrheit der Realität nicht denkbar. Die Logik, welche in

Weltstruktur wie auch in Sprachstruktur liegt, verweist bezogen auf

die Wahrheit darauf, dass sie ontologisch verankert, gleichzeitig als

Teil der Logik selbst logisch strukturiert ist. Daher zeigen logische

Analysen Wahrheitsmöglichkeiten auf.729 Um auf dieser logischen

Ebene von Wahrem überhaupt sprechen zu können, bedarf es

antithetisch des Falschen. Die Bedingung der Möglichkeit von

Wahrheit ist ihre Negation. Etwas, das wahr genannt werden soll,

kann dies nur in abgrenzender Unterscheidung von falsch – so die

WITTGENSTEINsche Vorstellung.730 Ist das Falsche die Voraussetzung,

Wahres logisch bestimmen zu können, ist eindeutige Wahrheit nicht

denkbar, denn eindeutig wahr schließt falsch aus. Wahrheit ist durch

Falschheit begrenzt. Daher bleibt die allgemeine Form der

Wahrheitsfunktion auf wenige Bedingungsaussagen beschränkt: Logik

kann Welt unter Bedingungen zeigen. Die erste Bedingung ist, dass

eine elementarsatzliche Sprache und keine alltagssprachliche Sprache

vorliegt. Zweitens kann sie ausschließlich unter der Bedingung

abbilden, dass Wahr-Falsch-Aussagen möglich sind. Da Wahr-Falsch-

Aussagen der Bedingung einer Unterscheidungsmöglichkeit von wahr

und falsch unterliegen, hat die Logik mit den ihr zur Verfügung

stehenden Mitteln gezeigt, dass es eine logisch eindeutige Wahrheit

nicht geben kann.

728 Vgl. TLP 2.222; 4.05, S. 16 und S. 30. Vgl. auch GOERES 2000, S. 38f. sowie MÜLLER

1967, S. 140. 729 Vgl. GOERES 2000, S. 66, S. 112. 730 Vgl. GLOCK 2000m, S. 368 sowie HINTIKKA/HINTIKKA 1996, S. 149.

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3.1.3 Die Logik zu schweigen

Die allgemeine Form des Satzes zeigt, dass es keine logische

Abbildung von Welt gibt, die wahr genannt werden kann. Sie weist

aber auf, unter welchen Bedingungen der Satz wahr oder falsch zu

nennen ist. Damit bildet der Satz die Bedingungen der Möglichkeit

davon ab, dass Sprache in den Begriffen „wahr“ oder „falsch“ zu

fassen ist. Weiter ist dies ein Abbild der Bedingungen der Wahrheit

oder Falschheit von gedachten Tatsachen der Welt. Beides ist deshalb

gegeben, weil WITTGENSTEIN Sprache und Welt als logisch verbunden

auffasst. Ein Satz ist wahr oder falsch zu nennen, wenn er bezogen auf

die Tatsachen der Welt Wahres oder Falsches abbildet. Die logischen

Bedingungen von Wahrheit oder Falschheit betreffen Sprache und

Welt gleichermaßen. Fasst man die allgemeine Form der

Wahrheitsfunktion als Tatsache der Welt auf, zeigt sie die

Bedingungen, unter denen Sprache Welt abbilden könnte.731 Sieht man

die Wahrheitsfunktion als sprachlichen Ausdruck an, sind mit ihr die

logischen Bedingungen formuliert, unter denen Wahrheit zu denken

wäre. Sprache könnte Abbild der Welt sein, wenn sie eindeutig wahre

Tatsachen der Welt und damit Wahrheit zeigte. Wahrheit wäre

ausgedrückt, wenn sie logisch zu zeigen wäre, ohne dass es der

Abgrenzung von ihrer Negation, der Falschheit, bedürfte,732 aber die

sprachliche Notwendigkeit des Gegensatzpaares wahr – falsch weist

auf die Uneindeutigkeit der Logik hin. Zwar leistet die Logik ein

Dreifaches: Sie zeigt erstens die Bedingungen der Möglichkeit einer

sinnvollen Sprache, sofern durch Logik die Bedingungen des

Sinnvollen gegeben werden. Zweitens steht sie für die Bedingungen

731 Vgl. auch HÜLSER 1979, S. 183. 732 Vgl. TLP 5.5151, S. 60.

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der Möglichkeit von Welterkenntnis,733 denn Sprachanalyse ist die

Analyse der Tatsachen, deren Summe die Welt ist. Zeigt Logik

sinnvolle Sprache, eröffnet sie gleichzeitig sinnvolle Welt. Drittens

weist Logik die Bedingungen der Möglichkeit von Wahrheit auf,

indem die sprachlich abgebildeten Wahrheitsbedingungen auch auf ein

Wahrheitsideal rekurrieren. Das ist aber eine apriorische Reflexion

über Sprache und Welt. Diese Logik zeigt eine inhaltslose Welt:

„Die logischen Sätze beschreiben das Gerüst der Welt oder vielmehr, sie stellen es dar. Die ‚handeln‘ von nichts. Sie setzen voraus, dass Namen Bedeutung und Elementarsätze Sinn haben: Und dies ist ihre Verbindung zur Welt.“734

Den gerüstartigen Aufbau der Welt, vor jeder Erfahrung und ohne

irgend einen konkreten Gegenstand, kann Logik zeigen. Sie eröffnet

Bedingungen von Sinnhaftigkeit – sinnvoller Sprache und sinnvoller

Welt. Die Frage, worin dieser Sinn bestehen könnte oder was die

Wahrheit dieser Welt ist, bleibt unerreicht und logisch

unbeantwortbar.

Das sind die Grenzen der logisch erreichbaren Erkenntnis von

Welt. Mehr als einen Bedingungsaufweis leistet Logik mit

WITTGENSTEIN nicht. Da für ihn aber die Grenzen der Sprache und

die Grenzen der Welt zusammenfallen und es nach dieser Vorstellung

kein Denken als logisches Denken und keine Welterkenntnis als

sprachliche Welterkenntnis geben kann, stoßen die Überlegungen des

Tractatus logico-philosophicus an die Grenzen des Denkbaren. Ist der

Inhalt vom Sinn der Welt logisch nicht fassbar, muss er außerhalb der

empirisch erfahrbaren Welt735 und außerhalb der Logik liegen, denn

Logik und Welt sind eins:

733 Vgl. dazu GABRIEL 1993, S. 151 und WALLNER 1980b, S. 262. 734 TLP 6.124, S. 74. 735 Vgl. TLP 6.41, S. 82.

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„Um die logische Form darstellen zu können, müssten wir uns mit dem Satze außerhalb der Logik aufstellen können, das heißt außerhalb der Welt.“736

In einer logisch gedachten Welt, in der Sprache und Welt in eins

fallen, heißt außerhalb der Welt außerhalb der Sprache. Ohne Sprache

ist Schweigen. Da außerhalb einer logisch verfassten Welt nicht

gedacht werden kann, bedeutet das Schweigen von Sprache auch das

Schweigen von Denken.

Der logische Zugriff auf Welt, sprachlich verfasste Gedanken

zur Welt, Sprechen von Welt scheint unmöglich, denn „wovon man

nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“737. Diese

Schlussfolgerung hat Konsequenzen sowohl für die Suche nach

Erkenntnis über die Tatsachen der Welt als auch für deren

pädagogische Vermittlung. Wer im Sinne des frühen WITTGENSTEIN

Erkenntnis sucht, ist solipsistischer Autodidakt und wird zu

solipsistischer Autodidaktik anleiten.738 Er fasst sich als Teil der Welt

auf, der diese Welt durch seine Sicht von ihr konstituiert: „Ich weiß,

daß diese Welt ist. Daß ich in ihr stehe wie mein Auge im

Gesichtsfeld.“739 Dieses Konstituieren ist ein logisches, denn die

ontologische Struktur in den Tatsachen der Welt, sich selbst

einschließend, ist logisch. Ist diese Logik als Bedingung jeder

Möglichkeit nicht inhaltlich sinnvoll bestimmt erkennbar, hat sich der

Blick des Erkenntnissuchenden ins Ontologische zu wenden.

736 TLP 4.12, S. 33. 737 TLP 7, S. 85. 738 Wobei in Radikalisierung des Solipismusgedanken fraglich ist, ob das solipistische Ich

überhaupt ein anderes Ich als das eigene weltkonstituierend denken kann. (Vgl.

ANSCOMBE 2001, S. 166) Im Sinne einer Pädagogik, die ihr Wissen an andere

weiterzugeben sucht, soll der Solipismus im vorliegenden Zusammenhang nicht in dieser

radikalisierten Form aufgefasst werden. 739 Tagebücher 1914-1916, 11.6.16, S. 167.

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Beginnen wird die Erkenntnissuche als eine sprachliche, liegt doch die

Logik in allem und zugleich allem zugrunde. Somit hat der

autodidaktisch Erkenntnissuchende ebenso wie derjenige, der andere

auf der Erkenntnissuche begleitet – der Lehrer740 – die fragende

Sprachanalyse als Methode der Erkenntnissuche zur Verfügung.

Sofern Sprache und Welt als logische Abbilder voneinander betrachtet

werden, verspricht nämlich eine Untersuchung der Sprache eine

Annäherung an Welt. Ausgangspunkt ist der Alltagssatz. Ihn gilt es auf

den Elementarsatz zu reduzieren. Weiter ist, WITTGENSTEIN folgend,

ein „allgemeines Urzeichen der Logik“741 zu finden. Mit dem

Auffinden der allgemeinen Satzform geht die Erkenntnis einher, eine

bloße logische Form erkannt zu haben:

„Der Satz kann die logische Form nicht darstellen, sie spiegelt sich in ihm. Was sich in der Sprache spiegelt, kann sie nicht darstellen. Was sich in der Sprache ausdrückt, können wir nicht durch sie ausdrücken. Der Satz zeigt die logische Form der Wirklichkeit. Er weist sie auf.“742

Diese logische Form, welche die Struktur, nicht aber den Inhalt von

Sprache zu zeigen vermag, lässt auf die Struktur der Welt schließen.

Es gibt eine „Logik der Tatsachen“743; erkennbar werden die

Bedingungen der Welt, nicht aber, was oder wie die Welt ist. Das liegt

an der Unmöglichkeit, die Erkenntnisse über die Welt als eindeutig

wahre Aussagen formulieren zu können.

740 Obgleich im Tractatus logico-philosophicus – anders als in PLATONs Dialog Kratylos und in

AUGUSTINs Lehrgespräch De magistro – nicht vom Lehrer und seinem pädagogischen

Handeln die Rede ist, soll hier eine pädagogische Deutung versucht werden. Insofern

werden die Ergebnisse der Sprach-Welt-Analyse auf Erkenntnisvermittlung bezogen. 741 TLP 5.472, S. 57. 742 TLP 4.121, S. 33. 743 TLP 4.0312, S. 29.

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„Die Sätze der Logik demonstrieren die logischen Eigenschaften der Sätze, indem sie sie zu nichtssagenden Sätzen verbinden. Diese Methode könnte man auch eine Nullmethode nennen.“744

Die Möglichkeit, Welt-Erkenntnisse eindeutig wahr formulieren zu

können, liegt außerhalb der Logik. Sie hat sich selbst schrittweise

negiert.745 Ein „außerhalb der Logik“ ist nicht zu denken. Der

Erkenntnissuchende ist auf das Schweigen geworfen.

Der Lehrer, der eine solche Erkenntnissuche anleitet, wird in

seiner Demonstration eines Befragens von Sprache ebenfalls an diesen

Nullpunkt der Methode kommen, deren Sprachanalysen Reduktionen

zum Schweigen sind und die deshalb „Nullmethode“ genannt werden

kann. Auch ein lehrendes Fragen ist nicht mehr möglich, denn „wenn

sich eine Frage überhaupt stellen lässt, so kann sie auch beantwortet

werden.“746 Eine ganze pädagogische Tradition, die des Fragens,

beginnend mit dem PLATONischen Sokrates,747 wird wie auch die

Philosophie748 mit der Erkenntnis, dass logisch keine Antwort zu

finden ist, sinnlos. Dem Schüler, welcher erkennt, dass sein Fragen

unbeantwortbar wird, wird wie seinem Lehrer dieses Fragen obsolet.

„Wir fühlen, dass, selbst, wenn alle möglichen wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt sind. Freilich bleibt dann eben keine Frage mehr; und eben dies ist die Antwort.“749

Der Lehre und dem Fragen steht nämlich am Ende der logischen

Erkenntnissuche nur das Gerüst der Welt zur Verfügung. Die Inhalte

744 TLP 6.121, S. 72. 745 Vgl. SCHEIER 1991, S. 212. 746 TLP 6.5, S. 84. 747 Vgl. dazu jüngst FISCHER 2004. 748 Vgl. TLP: Vorwort, S. 9. 749 TLP 6.52, S. 85.

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der Welt, ihr Sinn, sind logisch nicht erfassbar. Dies zu vermitteln

scheint die Aufgabe des Pädagogen, der die Welt mittels Sprachanalyse

lehrt. Aber er kann dann nur das Schweigen lehren.

Das WITTGENSTEINsche Schweigen ist kein beredtes

Schweigen. Es ist Ausdruck der Grenzen logischer Erkenntnis von

Welt. Eröffnet Logik den Sinn von Welt nicht, lassen sich keine

Wahrheits-Aussagen über Welt treffen, muss man über sie schweigen.

Der Sinn von Welt verweist laut WITTGENSTEIN auf zwei Bereiche:

Ethik und Metaphysik, genauer Gott. Ethik heißt für ihn unter

anderem: „den Sinn des Lebens zu erkunden“750. Gott verbürgt diesen

Sinn:

„An einen Gott glauben heißt, die Frage nach dem Sinn des Lebens verstehen. An einen Gott glauben heißt sehen, daß es mit den Tatsachen der Welt noch nicht abgetan ist. An Gott glauben heißt sehen, daß das Leben einen Sinn hat.“751

Beide – die Ethik wie auch Gott – liegen außerhalb von Logik,752 das

heißt, außerhalb der Welt, denn für Ethik gilt „Es ist klar, daß sich die

Ethik nicht aussprechen läßt. Die Ethik ist transzendental.“753 Zu

Gott wird gesagt: „Wie die Welt ist, ist für das Höhere vollkommen

gleichgültig. Gott offenbart sich nicht in der Welt.“754 Ethik trägt zu

einem epistemologischen Ansatz nichts bei und treibt die vorliegende 750 E, S. 10f. Gott ist nach DÖRPINGHAUS nur eine Möglichkeit, diesen Sinn zu verbürgen.

(Vgl. DÖRPINGHAUS 2003) 751 Tagebücher 1914-1916, 8.7.16, S. 168. 752 Vgl. E, S. 1 und 18. Dieser Satz legt für die Forschung eine kantische Deutung

WITTGENSTEINs nahe. Im Rahmen dieser Arbeit wird das Wort „transzendental“ aber

von seiner lateinischen Ursprungsbedeutung her – transcendere, überschreiten, übersteigen

– als ein Hinweis auf das Überschreiten von Logik und Welt gelesen. Vgl. dagegen:

DÖRPINGHAUS 2003, S. 58ff. 753 TLP 6.421, S. 83. 754 TLP 6.432, S. 84.

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Untersuchung nicht voran. Sie wird deshalb nicht weiter untersucht.755

Mit dem Gedanken an eine Offenbarung durch Gott knüpft

WITTGENSTEIN an die Tradition an, welche Erkenntnis in

Annäherung an Gott erhofft.756 Dieser Tradition entlehnt er auch das

„Gleichnis“, die „Allegorie“757 oder Narration758 von Gott als dem

Schöpfer der Welt:

„Man sagte einmal, daß Gott alles schaffen könne, nur nichts, was den logischen Gesetzen zuwider wäre. – Wir können nämlich von einer unlogischen Welt nicht sagen, wie sie aussähe.“759

WITTGENSTEIN setzt sich von der hier erzählten Tradition ab,760

obgleich er Bedingungen festlegt, denen Gott unterläge, nähme man

den tradierten Gedanken des Schöpfergottes weiter an. Er hätte sich

an die Gesetze der Logik zu halten, so, wie der sprechende und

erkenntnissuchende Mensch auch.761 Die Schöpfung eines solchen

Schöpfers ist nicht zu denken. Er müsste den Beginn der

Ableitungskette von voraussetzendem A priori und vorausgesetzten

Tatsachen, Sachverhalten, Dingen bzw. Elementarsätzen und Namen

initiiert haben, ohne ihr selbst zuzugehören. Gehörte er ihr an, wäre

nämlich Welt als Schöpfung Offenbarung. Das nimmt

755 Zum Zusammenhang von Ethik und Pädagogik als Schlussfolgerungen aus dem

Tractatus logico-philosophicus ist die Dissertation von Norbert MICHEL (Vgl. MICHEL 1981)

grundlegend. Vgl. auch DÖRPINGHAUS 2003. 756 Dafür ist die AUGUSTINische Theorie, so wie sie in Kapitel 1.2 dieser Arbeit dargestellt

ist, ein Beispiel. 757 Beides: E, S. 16. 758 Vgl. DOMASCHKE 2000, S. 241. 759 TLP 3.031, S. 17. 760 Vgl. CHURCHILL 2001, S. 53. 761 Vgl. TLP 3.03, 3.032, S. 17 sowie DOMASCHKE 2000, S. 233f.

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WITTGENSTEIN aber nicht an.762 Ist Gott demnach ein „unverfügbarer

Anfang“763 oder sind Gott, Ich und Welt als eins zu denken764?

Konstituiert das Ich aus seinen logischen Analysen der

Tatsachen der Welt erst diese Welt, ist der Solipsist der Schöpfergott

der Tractatus-Konzeption.765 Seine Schöpfung kommt aber an ein

Ende, sofern er ihr keinen Sinn zu geben vermag, denn er ist als

Schöpfer den Gesetzen der Logik unterworfen, die nicht mehr als die

Bedingung der Möglichkeit von Sinn zeigt. Dass Welt dennoch Sinn

hat, ist nach WITTGENSTEIN nicht erklärbar, weil logisch nicht fassbar,

außerhalb von Logik aber nicht denkbar ist. Der Sinn der Welt bleibt

ein „Wunder“:

„Es ist das Erlebnis, bei dem man die Welt als Wunder sieht. Nun bin ich versucht zu sagen, der richtige sprachliche Ausdruck für das Wunder der Existenz der Welt sei kein in der Sprache geäußerter Satz, sondern der richtige Ausdruck sei die Existenz der Sprache selbst. Aber was heißt es dann, sich des Wunders bei manchen Gelegenheiten bewußt zu sein, ein andermal dagegen nicht? Denn indem ich die Artikulierung des Wunderbaren vom Ausdruck mit Hilfe der Sprache auf den Ausdruck mittels der Existenz der Sprache verlagere, sage ich wieder nichts weiter, als daß wir außerstande sind, das, was wir ausdrücken wollen, zum Ausdruck zu bringen, und daß alles, was wir über das absolut Wunderbare sagen, weiterhin Unsinn bleibt.“766

Als solches mag es Gott zuzuschreiben sein; Gott und Wunder

entziehen sich aber der sprachlichen Welterkenntnis, liegen im

Schweigen.

762 Vgl. TLP 6.432, S. 84. 763 DÖRPINGHAUS 2003, S. 59. 764 Vgl. CHURCHILL 2001. 765 Vgl. ANSCOMBE 2001, S. 166. 766 E, S. 18.

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Der Schüler des Tractatus hätte seine Determiniertheit in Logik

zu erkennen. Diese ist ihm zu vermitteln, ebenso wie ihre Grenzen.

Angesichts des Wunders „Sinn“ jenseits dieser Logik müssen Lehrer

und Schüler schweigen. Tractatus logico-philosophicus ist kein Lehrbuch,

weil an seinem Ende keine positive Lehre steht, sondern nur die

Defizienz des logischen Ansatzes offenkundig ist. Daher bleibt

WITTGENSTEIN nur die Auforderung, die Ergebnisse des Tractatus zu

überwinden.767 Hinsichtlich einer solchen Überwindung bleibt aber

nur zu schweigen, denn außerhalb von Logik ist keine Welt.

767 Vgl. TLP 6.54, S. 84.

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Ludwig WITTGENSTEIN (1889-1951), hier ca. 1951768

768 Abbildung: WUCHTERL/HÜBNER 2001, S. 121. Daten: Vgl. WUCHTERL/HÜBNER

2001, S. 137ff.

197

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3.2 „Und der Begriff des Wissens ist mit dem des Sprachspiels verkuppelt.“769: Reden bei WITTGENSTEIN

I. Lebensform/-en ersetzt bzw. ersetzen die verlorene

Ontologie.

II. Sprache ist die Lebensform des Menschen.

III. Sprache ist die Summe von Sprachspielen.

III.I Die Lebensform gibt den Sprachspielen ihre

Funktionen, Ziele und Zwecke, Dienste, Rollen

und Anwendungen vor.770

III.II Plurale Sprachspiele verweisen im Umkehrschluss

auf plurale Lebensformen.

IV. Den Sprachspielen liegen gebrauchsgebundene Logiken zu

Grunde.

IV.I Wahrheit und Regelhaftigkeit unterliegen im Sinne

ihrer Sprachspiel-/Gebrauchsgebundenheit

mehrwertiger Logik, sind uneindeutig.

IV.II Erkennen, Wissen, Gewissheit sind im Sinne der

mehrwertigen Logik ungewiss.

V. Dennoch: Es wird Sprache gespielt.

VI. Familienähnlichkeiten zwischen Sprachspielen verweisen auf

ihre Vergleichbarkeit. Die familienähnliche Korrelation

verbürgt die Möglichkeit zum Sprachspiel.

VII. Erkenntnis und ihre Vermittlung finden unter Anerkenntnis

ihrer Gewissheitsrelativität redend statt. In diesem Sinne ist

logische Pädagogik redend.

769 ÜG § 560, S. 232. 770 Vgl. MAJETSCHAK 1996, S. 379. Vgl. dazu auch PU § 19, S. 245f., PU S. 489.

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3.2.1 Sprachgebrauch unabhängig von ontologischen Voraussetzungen in WITTGENSTEINs Philosophischen Untersuchungen

Anlass für die Philosophischen Untersuchungen771 ist WITTGENSTEIN der

Trieb des Menschen, seine eigene Sprache „mißzuverstehen“772.

Diesem Trieb meint er selbst mit dem Tractatus logico-philosophicus773

erlegen zu sein. In einer Kritik an der Sprachauffassung des

AUGUSTINUS, genauer an dessen Vorstellungen über das kindliche

Erlernen von Sprache, wie dieser sie in den Confessiones entfaltet,774

wendet WITTGENSTEIN sich von der Abbildtheorie seiner

Frühphilosophie ab. Die dem Spracherwerb zugrundeliegende

kritisierte Sprachauffassung wird zusammengefasst als ein eindeutiger

Zusammenhang von Name und Ding, der als bedeutungstragend die 771 Die Philosophischen Untersuchungen (PU), posthum 1953 von G.E.M. ANSCOMBE, G.H.

von WRIGHT und Rush RHEES veröffentlicht (vgl. PU, Bemerkungen der Herausgeber, S.

227), fassen WITTGENSTEINs Arbeiten aus den Jahren zwischen 1936/37 und 1950

zusammen. (Vgl. GLOCK 2000g, S. 276) Nach mehreren gescheiterten

Veröffentlichungsversuchen wünschte er selbst eine gemeinsame Publikation mit dem

Tractatus logico-philosophicus (TLP), da sie seine Auseinandersetzung mit dem Frühwerk

sind. (Vgl. PU, Vorwort, S. 232 sowie GRAYLING 1996, S. 87ff.) Gegenüber der dort

vertretenen Abbildtheorie legt WITTGENSTEIN hier eine Gebrauchstheorie vor, welche

die Normalsprache nicht länger zu idealisieren, sondern in ihrer verborgenen

Regelhaftigkeit zu verstehen sucht. Die Philosophischen Untersuchungen sind in Aphorismen

verfasst; auf einen ersten, in nummerierte Paragraphen gegliederten Teil folgt ein zweiter,

nicht bezifferter, dessen Zufügung eine Entscheidung der Herausgeber ist. (Vgl.

SCHULTE 1997, S. 130) Oftmals findet man kurze Dialoge mit einem alter ego vor, in

denen WITTGENSTEIN verschiedene sprach- bzw. philosophiegeschichtliche Positionen

einnimmt und dadurch gegeneinander abwägt. (Vgl. GLOCK 2000g, S. 276) Die

Philosophischen Untersuchungen sind nicht klar zu Kapiteln zusammengefasst. Wenngleich es

in der Forschung eine gebräuchliche Gliederung gibt (vgl. GLOCK 2000g, S. 278), ist es

empfohlen, je nach Erkenntnisinteresse eigene Zusammenfassungen zu wählen. (Vgl.

SCHULTE 1997, S. 132) 772 PU § 109, S. 298f. 773 TLP. Vgl. Kapitel 3.1 dieser Arbeit. 774 Vgl. Confessiones I.8, S. 30ff.; PU § 1, S. 237ff.

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Basis der gesamten Sprachkonstruktion bilde,775 und auf die hin das

Lehren von Sprache „Abrichtung“776 sei. Gegründet auf die ostensive

Definition777, die ebenso beibehalten wird wie der Grundsatz, Sprache

und Welt zusammen zu denken, markiert § 7 den Übergang von der

frühen zur späten Sprachtheorie WITTGENSTEINs:

„In der Praxis des Gebrauchs der Sprache [...] ruft der eine Teil die Wörter, der andere handelt nach ihnen; im Unterricht der Sprache aber wird sich dieser Vorgang finden: Der Lernende benennt die Gegenstände. D.h. er spricht das Wort, wenn der Lehrer auf den Stein zeigt. – Ja, es wird sich hier die noch einfachere Übung finden: der Schüler spricht die Worte nach, die der Lehrer ihm vorsagt – beides sprachähnliche Vorgänge.

Wir können uns auch denken, daß der ganze Vorgang des Gebrauchs der Worte [...] eines jener Spiele ist, mittels welcher Kinder ihre Muttersprache erlernen. Ich will diese Spiele ‚Sprachspiele‘ nennen, und von einer primitiven Sprache manchmal als einem Sprachspiel reden.

Und man könnte die Vorgänge des Benennens der Steine und des Nachsprechens des vorgesagten Wortes auch Sprachspiele nennen. Denke an manchen Gebrauch, der von Worten in Reigenspielen gemacht wird.

775 Vgl. ebd. 776 PU § 5, S. 239. Der Begriff „Abrichtung“ bezeichnet in den Philosophischen

Untersuchungen eine Vorstufe der Erklärung. Wird er an dieser Stelle auf eine Form des

Unterrichts angewandt, die WITTGENSTEIN jetzt gegenüber früheren Auffassungen

ablehnt, benutzt er ihn durchaus für pädagogisches Handeln, das er in seinem Spätwerk

für sinnvoll erachtet. So wird ein Kind etwa auf das Lernen durch Zeigen abgerichtet.

(Vgl. PU § 157, S. 320 sowie GLOCK 2000c, S. 99) 777 Mit einer hinweisenden oder auch ostensiven Definition ist das Zeigen gemeint. Im

Tractatus zeigt Logik Welt. (Vgl. TLP 4.121, S. 33) Die Philosophischen Untersuchungen

unterscheiden das Zeigen auf auf Gegenstände im kritisierten AUGUSTINischen Sinne

(vgl. z.B. PU § 6, S. 240), der hinweisenden Definition von einem„Personennamen“,

einem „Farbwort“, einem „Stoffnamen“, einem „Zahlwort“ oder dem „Namen einer

Himmelsrichtung“ (PU § 28, S. 252) sowie von privaten Affektionen (vgl. PU § 258, S.

362). (Vgl. Insges. HACKER 1993a, S. 41ff. sowie LANGE 1998, S. 145ff.)

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Ich werde auch das Ganze: der Sprache und der Tätigkeiten, mit denen sie verwoben ist, das ‚Sprachspiel‘ nennen.“778

Nach der ersten Sprachvorstellung WITTGENSTEINs führen Hinweise

des Zeigens und Vorsagens dazu, dass ein Schüler nicht nur die

Wörter, sondern auch die Gegenstände kennen lernt.

Zeichengebrauch und Sprache lehren Welt. Das unterstellte

Abbildverhältnis besagt: Das Kind erlernt eine Logik, die scheinbar

auf Ontologie verweist; umgekehrt ist die Logik vermeintlich

ontologisch verbürgt. Sich von diesem AUGUSTINischen und auch

Traktatischen Sprach-Bild abwendend führt WITTGENSTEIN die

Sprachspiel-Metapher ein. Sie interpretiert die lehrende Abrichtung

von Kindern auf ihre Erstsprache als etwas Spielerisches. Als Ur-

Sprachspiel wird das abbildtheoretische benannt, von dem

WITTGENSTEIN zugleich mit dem Gedanken des Sprachspiels Abstand

nimmt und Sprache in eine Vielzahl sprachlich-spielerischer

Handlungen umdeutet.779 Mit der Sprachspiel-Metapher verweist

WITTGENSTEIN auf eine unüberschaubare Menge sprachlicher

Tätigkeiten, etwa: beschreiben, berichten, informieren, zustimmen,

bestreiten, spekulieren, Befehle geben, Fragen stellen, Geschichten

erzählen, schauspielern, singen, Rätsel raten, Spaß machen, Probleme

lösen, übersetzen, fordern, danken, grüßen, fluchen, beten, warnen, in

778 PU § 7, S. 241; Ausl. v. G.v.S. 779 GOERES verweist auf eine Übergangsphase, in der WITTGENSTEINs Denken sich von

der Überzeugung, mit dem Elementarsatz und dem logischen Kalkül die Sprache

abschließend erfasst zu haben, hin zur Vielfältigkeit ihrer möglichen Erscheinungsformen

entwickelt. (Vgl. GOERES 2000, S. 127ff.) HINTIKKA und HINTIKKA beschreiben diesen

„Sinneswandel“ detailierter. (Vgl. HINTIKKA/HINTIKKA 1996, S. 212ff.) GLOCK führt

den Begriff „Sprachspiel“ auf die Arithmetik-Auffassung der Formalisten als ein Spiel

zurück, die WITTGENSTEIN seit 1930 übernommen und ausgeweitet habe. (Vgl. GLOCK

2000l, S. 325) Er ist ein WITTGENSTEINscher Neologismus, der die Ähnlichkeits-

merkmale sprachlicher Akte betont. (Vgl. LANGE 1998, S. 140f.)

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Erinnerung rufen, Gefühle ausdrücken usw.780 Dieser „Vielfältigkeit

ihrer Phänomene“781 wird die frühere Festlegung von Sprache, nur ein

Elementarsatz trage Bedeutung, nicht gerecht. Gegen einen rein

logisch kalkulierenden und definierenden Ansatz setzt er jetzt die

„Beschreibung“782. Sprache wird beschrieben als

„Verwobenheit nicht nur von verbalem und faktischem Handeln, sondern auch [...] als Zeichengebrauch [der] ein riesiges Feld menschlicher Tätigkeit bestimmt, [WITTGENSTEIN beschreibt,] daß Sprache in ihrer einfachsten wie kompliziertesten Form nichts ist als ein jeweils spezifisches konkretes Sprachspiel, was aber zugleich bedeutet: Sprache ‚überhaupt‘ ist ein offenes System von Sprachspielen, ist Sprachspiel. Und schließt ein, daß jede sprachliche Äußerung gesellschaftliches Handeln ist, und jede praktische Handlung ‚sprachlich‘.“783

Allen sprachlichen Tätigkeiten ist als „Familienähnlichkeit“784 der

Spielcharakter gemeinsam. Der Begriff des Spiels impliziert aber, dass

ihnen nicht eins gemeinsam ist, so wie „Brettspiele, Kartenspiele,

Ballspiele, Kampfspiele usw.“785 lediglich die Gemeinsamkeit haben,

dass alle Spiele sind, aber doch sehr verschiedene Spiele. Deshalb

erscheint es dem WITTGENSTEIN der Philosophischen Untersuchungen

780 Vgl. PU § 23, S. 250; § 27, S. 252; § 180, 334; § 288, S. 371f.; § 654, S. 476; Auswahl

nach GRAYLING 1996, S. 93. 781 MAJETSCHAK 1996, S. 376. 782 PU § 109, S. 298f. 783 BEZZEL 1988, S. 20; Ausl. u. Zus. v. G.v.S. Vgl. PU § 19, S. 245f. 784 Erstmalig ist dieser Begriff in Anlehnung an Nietzsche und als Kritik an Spengler im

Big Typescript gebraucht: „innerhalb der Familie gibt es eine Familienähnlichkeit, während

es auch zwischen den Mitgliedern verschiedener Familien eine Ähnlichkeit gibt; die

Familienähnlichkeit unterscheidet sich von der Ähnlichkeit so und so etc.“ (BT 4.60.3.1,

S. 180; vgl. GLOCK 2000d, S. 107) WITTGENSTEIN bezeichnet damit eine spezifische

Form der Analogie (vgl. TEUWSEN 1988), die auf das Universalienproblem zielt (Vgl.

WIMMER 2001, Sp. 196) Zur Entwicklung des Begriffs bei WITTGENSTEIN: Vgl. GOERES

2000, S. 167ff. 785 PU § 66, S. 277.

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auch verfehlt, von e i n e r „Sprache“ zu sprechen. Er betont mit

dem Vergleich von Sprache und Spiel die „Mannigfaltigkeit“ und

„Verschiedenartigkeit“786 aller möglichen sprachlichen Tätigkeiten. Sie

haben vergleichbare Ähnlichkeiten, aber keinen „notwendig

gemeinsamen Wesenskern“787.

Sah der Tractatus die Bedeutung eines Wortes im Gegenstand,

den es benennt,788 stellen die Philosophischen Untersuchungen zunächst

einmal in Frage, was „Bedeutung“ überhaupt sei.789 Man kann

definieren und erklären, worin die Bedeutung eines bestimmten

Wortes liegen soll, aber „Erklärungen haben irgendwo ein Ende“790,

obgleich es erforderlich ist, sprachlich zu handeln.791 Daraus folgert

WITTGENSTEIN:

„Man kann für eine große Klasse von Fällen der Benützung des Wortes ‚Bedeutung‘ – wenn auch nicht für alle Fälle seiner Benützung – dieses Wort so erklären: Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.“792

Diese „Gebrauchstheorie der Bedeutung“793 ist keine Definition,794

sondern so offen und weit angelegt wie der Begriff der Sprachspiele.

„Gebrauch“ verweist darauf, welche verschiedenen „Funktionen“795,

„Ziele“ und „Zwecke“796, „Dienste“797, „Rollen“ und

786 Beides: GRAYLING 1996; S. 94. 787 MAJETSCHAK 1996, S. 376. 788 Vgl. TLP 3.22, S. 19 und PU § 1, 237f. 789 Vgl. PU §§ 1 und 2, S. 237f. 790 ebd. 791 Vgl. ebd. 792 PU § 43, S. 262f. 793 GRAYLING 1996, S. 96. Mit diesem Konzept ist die Pragmatik als Bedeutungstheorie

begründet. (Vgl. BUSSMANN 1990, S. 264 sowie LEWANDOWSKI 1990a, S. 143ff.) 794 Vgl. GRAYLING 1996, S. 97. 795 Vgl. PU § 11, S. 243; § 17, S. 245; § 274, S. 367; § 556, S. 447f.; § 559, S. 449. 796 Vgl. PU § 5, S. 239; § 6, S. 240; § 8, S. 241; § 348, S. 390.

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„Anwendungen“798 Ausdrücke innerhalb der Sprache „spielen“799

können, was wiederum vom jeweiligen Sprachspiel abhängt, innerhalb

dessen sie verwendet werden.

Sprachfähigkeit besteht demnach darin, „Ausdrücke [einer

Sprache] in den vielen verschiedenen Sprachspielen anzuwenden, zu

denen diese Ausdrücke gehören können“800. Spracherwerb müsste

folglich im Erlernen einer so beschriebenen „Technik“801 liegen.

Sprache verstehen heißt, die Technik der Anwendung eines Ausdrucks

in verschiedensten Sprachspielen beherrschen und mit dem Ausdruck

in verschiedensten Sprachspielen agieren.802 Sprache ist eine soziale

Handlungs-Praxis, und verweist als solche auf die menschliche

Existenzweise:

„Das Wort ‚Sprachspiel‘ soll hier hervorheben, daß das Sprechen der Sprache ein Teil ist einer Tätigkeit, oder einer Lebensform.“803

und: „‚So sagst du also, daß die Übereinstimmung der Menschen entscheide, was richtig und was falsch ist?‘ – Richtig und falsch ist, was Menschen sagen; und in der Sprache stimmen die Menschen überein. Dies ist keine Übereinstimmung der Meinungen, sondern der Lebensform.“804

Der Begriff der Lebensform ist mehrdeutig.805 Zunächst verweist er

auf gemeinschaftlichen Konsens, quasi einen sensus communis, als die

797 Vgl. PU § 87, 289f. 798 Vgl. PU §§ 66 ff., S. 277ff. Auswahl insgesamt nach GRAYLING (GRAYLING 1996, S.

96). 799 GRAYLING 1996, S. 97. 800 GRAYLING 1996, S. 97; Zus. v. G.v.S. 801 PU § 199, S. 344. 802 Vgl. ebd. sowie GRAYLING 1996, S. 99. 803 PU § 23, S. 250. 804 PU § 241, S. 356. 805 Vgl. zu den Deutungsansätzen der Forschung GLOCK 2000e.

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Voraussetzung für bedeutungstragendes sprachliches Handeln

überhaupt. Da im Umkehrschluss aber auch gilt: Keine menschliche

Gemeinschaft ist ohne Sprache denkbar, kann sprachliches Agieren als

die fundamentale Lebensform des Menschen verstanden werden.

Sprache ist Lebensform. Damit ersetzt der Begriff der Lebensform

drittens jene Ontologie806, von der WITTGENSTEIN sich mit der

Abbildtheorie verabschiedet hatte: „Das Hinzunehmende, Gegebene

– könnte man sagen – seien Lebensformen.“807 Über etwas außerhalb der

Sprache Liegendes, ihr ontologisch Vorhergehendes und sie

Bestimmendes war Aussagen zu treffen am Ende des Tractatus für

unmöglich erklärt worden, hierüber ist zu schweigen.808 Dennoch

erscheint das Schweigen WITTGENSTEIN nicht als ein Nichts.

„Das Unaussprechbare (das, was mir geheimnisvoll erscheint und ich nicht auszusprechen vermag) gibt vielleicht den Hintergrund, auf dem das, was ich aussprechen konnte, Bedeutung bekommt.“809

Hinsichtlich eines ontologischen Hintergrundes ist Schweigen, er ist

nicht verfügbar. Vor diesem Hintergrund ist Reden dennoch möglich

und sinnvoll, denn WITTGENSTEIN bestimmt in den Philosophischen

Untersuchungen die Lebensform als etwas der Logik Inhärentes, das ihr

zugleich vorausgeht. Sie ist der Sprache inhärent, sofern sie mit der

menschlichen Existenzweise, in Sprachspielen zu agieren, identisch ist,

sie geht ihr voraus, da sie den Sprachspielen Funktionen, Ziele und

Zwecke, Dienste, Rollen und Anwendungen vorgibt.810 In der

806 Vgl. zu dieser alten Ontologie: Vgl. LANGE 1998, S. 157ff., S. 308ff.; zu den

Lebensformen: „wie er nunmehr das Leben als ‚Wesen der Welt‘ betrachtet“ (GOERES

2000, S. 199). 807 PU S. 572. 808 Vgl. TLP 6.4312, 6.5, 6.522, 7, S. 84f. 809 VB 1931, S. 472. 810 Vgl. MAJETSCHAK 1996, S. 379. Vgl. dazu auch PU § 19, S. 245f., PU S. 489.

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Pluralität möglicher Sprachspiele, denen plurale Vorgaben zugrunde

liegen, kann schließlich auch plural von Lebensformen die Rede sein.

3.2.2 Die Logiken der Philosophischen Untersuchungen

Die Abwendung WITTGENSTEINs von der Sprachauffassung des

Tractatus vollzieht sich nicht nur auf allgemeinlogischer, sondern auch

auf formallogischer Ebene. Sie bezieht sich hier auf den Übergang von

der Theorie der idealen Sprache zur Theorie der Alltagssprache. Hatte

WITTGENSTEIN zunächst versucht, die Sprache auf ihr kristallreines,

scharfgeschnittenes Wesen zu reduzieren, ist ihm in den Philosophischen

Untersuchungen deutlich, dass er damit der realen Sprache nicht gerecht

wird. Sprache ist realiter keine Summe aus Elementarsätzen; vielmehr

muss die Sprache bereinigt und beschnitten werden, um jenem Ideal

zu entsprechen, das er nun selbst als vorurteilsbeladen verwirft.

„Wir erkennen, daß, was wir ‚Satz‘, ‚Sprache‘ nennen, nicht die formelle Einheit ist, die ich mir vorstelle, sondern die Familie mehr oder weniger miteinander verwandter Gebilde. – Was aber wird nun aus der Logik? Ihre Strenge scheint hier aus dem Leim zu gehen. – Verschwindet sie damit aber nicht ganz? – Denn wie kann die Logik ihre Strenge verlieren? Natürlich nicht dadurch, daß man ihr etwas von ihrer Strenge abhandelt. – Das Vorurteil der Kristallreinheit kann nur so beseitigt werden, daß wir unsere Betrachtung drehen. (Man könnte sagen: Die Betrachtung muß gedreht werden, aber um unser eigentliches Bedürfnis als Angelpunkt.)“811

Der Perspektivenwechsel von einem idealen Satz hin zur Pluralität der

Sprachspiele812 lässt WITTGENSTEIN dennoch die Forderung nach

einer klaren korrekten logischen Stringenz seiner Überlegungen

aufrechterhalten.813 Er verfährt weiterhin logisch, zwar nicht länger

811 Ebd. 812 Vgl. PU § 81, S. 286 sowie auch LANGE 1998, S. 212. 813 Vgl. PU § 101ff., S. 296ff.

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ausschließlich kalkulierend,814 vielmehr gebrauchslogisch, denn die

„Logik unserer Ausdrücke“ heißt jetzt „den Gebrauch unserer Worte

[...] darzustellen“815. Nicht länger fällt WITTGENSTEIN dem

„Nimbus“816 einer Onto-Logik anheim, das heißt, nicht länger nimmt

er an, die Logik zeige eine ihr zugrundeliegende und sie

durchdringende Ontologie auf.817 Vielmehr kommt es ihm nun darauf

an, die Gesetze der scheinbar offenkundig und doch unverständlich

vor ihm liegenden Sprache verstehen zu lernen,818 und zwar in ihren

alltäglichen Anwendungsmöglichkeiten.819 Da diese vielfältig sind,

verlässt WITTGENSTEIN damit den Bereich der zweiwertigen, hin zu

einer mehrwertigen Logik.820 Dies wird im Folgenden zu erläutern

sein.

3.2.2.1 Die Logik der Sprachspiele

In der Reflexion über seinen frühen Logik-Begriff spezifiziert

WITTGENSTEIN sein eigenes logisches Missverständnis. Die

814 Vgl. GOERES 2000, S. 222ff. 815 Insges.: PU § 345, S. 389; Ausl. v. G.v.S. GOERES nennt dies eine „grammatische

Spiel-Regel-Logik“ (GOERES 2000, S. 233). 816 PU § 97, S. 294. 817 Vgl. ebd. 818 Vgl. PU § 89, S. 291 sowie GLOCK 2000f, S. 209. 819 Vgl. PU § 134, S. 305. 820 BOCHEŃSKI definiert die zweiwertige Logik als ein auf der klaren Zuordnung zu den

Werten wahr und falsch basierendes System, wohingegen mehrwertige Logiken über diese

beiden hinaus graduelle Zwischenwerte zulassen. (Vgl. BOCHEŃSKI 1970 § 42.15, S. 383

sowie § 49.08, S. 469ff.) GOERES weist darauf hin, WITTGENSTEIN fordere nach Aufgabe

der idealen Sprache eine umfassendere Logik als die ARISTOTELische. (Vgl. GOERES

2000, S. 222f.) Nach BOCHEŃSKI hingegen legen ARISTOTELES und die Scholastik

alltagssprachliche Logik vor. (Vgl. BOCHEŃSKI 1970 § 10.27, S. 56) Das entspricht auch

der in dieser Arbeit vertretenen These, dass ARISTOTELES, THOMAS VON AQUIN und

der späte WITTGENSTEIN eine Traditionslinie bilden. (Siehe Einleitung)

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abbildliche Vorstellung von „Satz, Sprache, Denken, Welt“ 821 ist auf

die formelle Strukturidentität der genannten Relata gegründet. Sie

initiiert einen allein auf Namen konzentrierten Atomismus, der zwar

das Wesen der Sprache in den Blick zu nehmen sucht, an eben dieses

aber nicht heranreicht. Das Wesen der Sprache wird von

WITTGENSTEIN nämlich nicht länger im Elementaren gesehen,

sondern im Sprachgebrauch, der erst Bedeutung schafft, sich aber der

Betrachtung des Kalküls entzieht. Der Gebrauchstheorie entspricht

die Sprachspiel-Metapher822. Hatte WITTGENSTEIN früher die

Spielfiguren fokussiert,823 interessiert er sich jetzt für die möglichen

Spielzüge.

Die Sprachspiele werden uneindeutig gedacht, was das topo-

und chronologische Bild einer vielgestaltigen und unübersichtlichen

Stadt zeigt:

„Unsere Sprache kann man ansehen als eine alte Stadt: Ein Gewinkel von Gäßchen und Plätzen, alten und neuen Häusern, und Häusern mit Zubauten aus verschiedenen Zeiten; und dies umgeben von einer Menge neuer Vororte mit geraden und regelmäßigen Straßen und mit einförmigen Häusern.“824

Das neue Bild von der Sprache verweist auf ihre Logik.825 Die Stadt ist

zwar befestigt, unterliegt aber einem Wandel, der durch Verfall,

Abrisse und Neubauten entsteht. Es gibt Neues und Altes, Geplantes

und Gewachsenes, Praktisches und Unpraktisches, Schönes und

Hässliches. Für die Sprache gilt Entsprechendes: Sie hat eine zur Zeit

gebräuchliche Form, die sich aber im Gebrauch ändert. Alte

821 PU § 96, S. 294. 822 Zum Begriff allgemein vgl. HINTIKKA/HINTIKKA 1996, S. 271ff.; LANGE 1998, S.

140ff. sowie LEWANDOWSKI 1990g, S. 1052. 823 Vgl. PU § 108, S. 298. 824 PU § 18, S. 245; vgl. dazu auch GOERES 2000, S. 137f. 825 Vgl. ÜG § 501, S. 220.

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Wendungen werden ungebräuchlich oder reformiert, erweisen sich aus

pragmatischen oder ästhetischen Gründen als passend oder unpassend

im sprachlichen Agieren. Auch gibt es nicht nur Häuser, sondern auch

Gassen in der Stadt bzw. nicht nur Namen, sondern auch andere

Wortarten in der Sprache.826 Die sprachliche Vieldeutigkeit lässt

WITTGENSTEIN sogar den Spiel-Begriff anzweifeln.

„Man kann sagen, der Begriff ‚Spiel‘ ist ein Begriff mit verschwommenen Rändern. – ‚Aber ist ein verschwommener Begriff überhaupt ein Begriff?‘ – Ist eine unscharfe Photographie überhaupt ein Bild eines Menschen? Ja, kann man ein unscharfes Bild immer mit Vorteil durch ein scharfes ersetzen? Ist das unscharfe nicht oft gerade das, was wir brauchen?“827

Die abbildtheoretische Vorstellung davon, was ein Begriff sei, beruht

auf ontologischer Eindeutigkeit: Einem Gegenstand ist ein Name

zuzuordnen. Diese Zuordnung ist, logisch zweiwertig gedacht,

entweder wahr oder falsch. Hat man eine Entscheidung entweder für

das Wahre oder für das Falsche getroffen, ist diese Zuordnung

eindeutig. Bezogen auf den Spiel-Begriff WITTGENSTEINs liegt eben

diese Eindeutigkeit nicht vor. Da er nicht länger abbildtheoretisch,

sondern gebrauchstheoretisch denkt und der jeweilige Gebrauch die

Bedeutung von Begriffen bestimmt, werden Begriffe vieldeutig.

Insofern WITTGENSTEIN mit dem Begriff „Spiel“ eben diese

Vieldeutigkeit bezeichnet, ist er im durch ihn bezeichneten

Zusammenhang gerade in seiner Unbestimmtheit angemessen. Die

Uneindeutigkeit von wahr oder falsch, die Unmöglichkeit, begrifflich

eindeutig festzulegen, welches Sprachspiel gerade gespielt wird,828

verweist auf die Mehrwertigkeit der Sprachspiel-Logik. Die

826 Vgl. PU § 38, S. 259. 827 PU § 71, S. 280. 828 Vgl. PU § 654, S. 476.

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Uneindeutigkeit ist das unscharfe, verschwommene, der Sprache

angemessene Sprachspiel.

3.2.2.2 Die Logik des Wahrheits- bzw. Falschheitsgebrauchs

Die Eindeutigkeit der zweiwertigen Logik des Tractatus gilt in den

Philosophischen Untersuchungen nicht mehr. Sie ist bezogen auf die beiden

Werte „wahr“ und „falsch“ „ein schlechtes Bild“829. Vielmehr

erscheint es WITTGENSTEIN gegen seine eigene Forderung nach

logischer Eindeutigkeit830

„als sagte man ‚Schachkönig ist die Figur, der man Schach ansagen kann.‘ Aber das kann doch nur heißen, daß wir in unserem Schachspiel nur dem König Schach geben. So wie der Satz, daß nur ein Satz wahr sein könne, nur sagen kann, daß wir ‚wahr‘ und ‚falsch‘ nur von dem prädizieren, was wir einen Satz nennen. Und was ein Satz ist, ist in einem Sinne bestimmt durch die Regeln des Satzbaus (der deutschen Sprache z.B.), in einem andern Sinne durch den Gebrauch des Zeichens im Sprachspiel. Und der Gebrauch der Wörter ‚wahr‘ und ‚falsch‘ kann auch ein Bestandteil dieses Spiels sein; und dann gehört er für uns zum Satz, aber er ‚paßt‘ nicht zu ihm. Wie wir auch sagen können, das Schachgeben gehöre zu unserem Begriff vom Schachkönig (gleichsam als ein Bestandteil desselben). Zu sagen, das Schachgeben passe nicht auf unsern Begriff von den Bauern, würde heißen, daß ein Spiel, in welchem den Bauern Schach gegeben wird, in welchem etwa der verliert, der seinen Bauern verliert, - daß ein solches Spiel uninteressant wäre, oder dumm, oder zu kompliziert, oder dergleichen.“831

Was für einen Satz oder eine Sprache als wahr oder falsch gilt, ob gar

diese logischen Werte überhaupt in ihnen gelten, hängt von der

Auffassung ab, die man vom Satz bzw. von der Sprache hat, also von

der dieser Auffassung zugrundeliegenden Lebensform.832 Aus einem

gebrauchstheoretischen Blickwinkel bestimmt das Spiel, genauer, 829 PU § 136, S. 307. 830 Vgl. auch PU § 437, S. 417. 831 Ebd. 832 Vgl. PU § 241, S. 356 sowie GLOCK 2000m, S. 371.

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bestimmen die Spielregeln ob oder inwiefern Richtigkeit oder

Falschheit angemessene Maßstäbe sind. „Wahr“ oder „falsch“ können

unter Anwendung der Sprachspiel-Metapher im Sinne einer

zweiwertigen Logik keine passenden Ordnungskriterien für die

Zuweisung von Geltung mehr sein. Vielmehr ist von

Gewissheitswerten gradueller Spiel-/Regel-Angemessenheit oder –

Unangemessenheit auszugehen. Es „kommt auf das System von

Hypothesen, Naturgesetzen an, in welchem wir das Phänomen der

Gewißheit betrachten“833. Wie gezogen, gespielt wird, entspricht dem

Spiel; das Spiel bestimmt die Angemessenheit. Ihm zu entsprechen ist

die Regel. Es muss gespielt werden, alles andere ist ein

Missverständnis der Sprache. 834

3.2.2.3 Die Logik des Regelfolgens

Es wird unterschieden zwischen ‚eine Regel aufstellen‘ und ‚einer

Regel folgen‘, genauer zwischen Regeln für andere machen, um sie

etwas zu lehren,835 der Regel eines Lehrers folgen,836 aber auch etwas

scheinbar regelhaft tun, ohne dass die Regel von außen erkennbar

ist.837 Ausgangspunkt der Überlegungen zum Regelhaften ist für

WITTGENSTEIN die pädagogische Lebensform des Unterrichts,

genauer das Sprachspiel des Mathematikunterrichts. Ein Schüler wird

dazu aufgefordert, verschiedene Additionen – „‚+n‘“838 – 833 PU § 325, S. 382f. 834 Vgl. PU § 345, S. 389 sowie LANGE 1998, S. 141f. 835 Vgl. z.B. PU § 185, S. 336. 836 Vgl. z.B. ebd. 837 Vgl. z.B. PU § 236, S. 354. GLOCK unterscheidet in diesem Zusammenhang den

normativen Charakter einer Regel von der Intention, sie verstehen zu wollen. (Vgl.

GLOCK 2000j, S. 295) HACKER und BAKER differenzieren zwischen vier Aspekten: dem

Instruktions-, dem Definitions-, dem Erklärungs-, dem Rechtfertigungs und dem

Evaluations-Charakter der Regel. (Vgl. HACKER/BAKER 1994, S. 45ff.) 838 PU § 185, S. 336.

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durchzuführen.839 Dabei wird er dazu abgerichtet, der vorgegebenen

Regel zu folgen wie einem Befehl.840 Macht er dabei aus der

Perspektive des Lehrers als demjenigen, der die Regel im Unterrichts-

Sprachspiel aufgestellt hat, Fehler, so ist dies darauf zurückzuführen,

dass der Schüler die Regel nicht verstanden hat. Dabei ist es nicht

zweckmäßig, die Erklärung der unverstandenen Regel zu

wiederholen.841 Aus der Perspektive des Schülers erscheint sie als

„Zauber“842, Mythologie843; er kann lediglich versuchen, die Regel

intuitiv844 zu befolgen, was ihr „‚blind‘“ 845 zu folgen heißt.

Die einzige Möglichkeit, eine Regel verstehend zu

durchdringen, ist die quasi solipsistische846 eigene Regeldefinition

durch den Schüler.

„Wie soll er wissen, welche Farbe er zu wählen hat, wenn er ‚rot‘ hört? – Sehr einfach: er soll die Farbe nehmen, deren Bild ihm beim Hören des Wortes einfällt. – Aber wie soll er wissen, welche Farbe das ist, ‚deren Bild ihm einfällt‘? Braucht es dafür ein weiteres Kriterium? (Es gibt allerdings einen Vorgang: die Farbe wählen, die einem beim Wort .... einfällt.)

„‚Rot‘ bedeutet die Farbe, die mir beim Hören des Wortes ‚rot‘ einfällt – wäre eine Definition. Keine Erklärung des Wesens der Bezeichnung durch ein Wort.“ 847

Dem Befehl einer Farbauswahl zu folgen heißt hier, dass der Schüler

die Regel, der er auf den ersten Blick aufgrund des Befehls folgt, bei 839 Vgl. ebd. 840 Vgl. PU § 186, S. 337; § 189, S. 338; § 198, S. 344; § 206, S. 346. 841 Vgl. PU § 185, S. 336. 842 PU § 234, S. 354. 843 Vgl. PU § 221, S. 351. 844 Vgl. PU § 186, S. 337; § 197, S. 343; § 213, S. 349. 845 PU § 219, S. 351. 846 Zur Auseinandersetzung WITTGENSTEINS mit dem Solipsismus des Tractatus in den

Philosophischen Untersuchungen, die eine Abwendung von diesem Standpunkt bedeutet: Vgl.

GLOCK 2000k, S. 323ff. 847 PU § 239, S. 355.

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genauer Betrachtung selbst aufstellt. Er bestimmt die Farbe nicht,

indem er versucht, abbildtheoretisch seine Aussage anhand eines „Ur-

Rots“ abzugleichen; vielmehr bestimmt er selbst durch seinen

Wortgebrauch für eine Farbe, was in diesem unterrichtlichen

Sprachspiel rot sei. Damit ist der Schüler der Philosophischen

Untersuchungen ein „Sprachspieler“848, der eine Praxis erlernt, die

wieder zur Lebensform und den durch sie bestimmten Sprachspielen

zurückführt. Der solipsistische Sprachspieler findet zwar

lebensförmige sprachliche Regeln vor, an denen er sich intuitiv

orientieren kann, indem er aber innerhalb seiner Sprachspiele „von

Fall zu Fall der Anwendung, [...] äußert, was wir ‚der Regel folgen‘,

und was wir ‚ihr entgegenhandeln‘ nennen“849, erfindet er letztlich

seine Lebensform selbst. Diese verweist hinsichtlich der Regel auf die

Konvention, den „Gebrauch“, die „Gepflogenheit“850, ihr zu folgen851,

und basiert auf der schlichten Erklärung

„Habe ich die Begründungen erschöpft, so bin ich nun auf dem harten Felsen angelangt, und mein Spaten biegt sich zurück. Ich bin dann geneigt zu sagen: ‚So handle ich eben.‘“852

WITTGENSTEIN fasst demnach das Regelfolgen als ein Handeln auf,

das sich in den Sprachspielen und Lebensformen zeigt. Insofern mit

der Lebensform auf den sensus communis der Sprachspielgemeinschaft

verwiesen ist, deren Handeln geregelt abläuft, erscheint die Regel als

848 Der Begriff stammt von MEDER und bezeichnet bei ihm ein postmodernes

Bildungsideal, in seinem Zusammenhang genauer bezogen auf die Anforderungen der

„neuen Technologien“. (Vgl. MEDER 2004) Im Rahmen dieser Arbeit ist damit derjenige

gemeint, der gelernt hat, angesichts des offenen, unscharf beränderten Sprachspiels als

WITTGENSTEINsche Metapher für die sprachliche Handlungs-Existenz des Menschen

mit dem ebenso unsicheren Wissensbegriff umzugehen und sprachlich zu agieren. 849 PU § 201, S. 345; vgl. auch PU § 198, S. 344. 850 Beides: PU § 198 ff., S. 343ff. 851 Vgl. PU § 198, S. 343f.. 852 PU § 217, S. 350.

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etwas Öffentliches. Eine private Regel ist sinnlos,853 ebenso wie eine

private Sprache. Somit markiert die Auffassung des Regelfolgens als

eine öffentliche Handlungsweise den Übergang zu WITTGENSTEINs

Zurückweisung einer Privatsprache, welche die Möglichkeit trotz des

Tractatischen Schweigegebots zu reden abschließend begründet.

3.3.3 Die Logik zu reden

Das Ende des Tractatus weist die Ontologie zurück. Die Wendung zu

den Lebensformen in den Philosophischen Untersuchungen, die jetzt der

Bedeutung vorgängig sind, könnte den Schluss nahe legen, dass die

Ontologie von Außen nach Innen geklappt wird.854 Der Sprache

Vorausgehendes ist in der Tradition (PLATON, ARISTOTELES,

AUGUSTINUS, THOMAS) schweigend, allerdings inhaltsvoll, sinnstiftend

gedacht855. Das WITTGENSTEINsche Schweigen verweist zwar auf

Gott, das Mystische, das Ethische,856 bleibt aber inhaltsleer; es lassen

sich keine Aussagen über ein außerhalb der Sprache Liegendes treffen.

Die Vermutung eines im Inneren verborgenen Sinns verweist auf den

Gedanken einer Privatsprache. Sofern WITTGENSTEIN diese

zurückweist, verneint er auch eine Ontologie im Innern der Seele,

wenngleich er Wissen in der Seele verortet857. Die Zurückweisung des

Privatsprachenarguments858 erfolgt in mehreren argumentativen

Schritten.

853 Vgl. PU § 202, S. 345. 854 Dass die Lebensformen eben so nicht zu lesen sind betont auch GLOCK. (Vgl. GLOCK

2000e, S. 201) 855 Siehe die Kapitel 1.1, 2.1, 1.2 sowie 2.2 dieser Arbeit. 856 Vgl. TLP 6.421, S. 83; 6.432, S. 84; 6.522, S. 85. 857 Vgl. PU § 149, S. 314f. 858 Detailliert: Vgl. LANGE 1998, S. 261ff.

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WITTGENSTEIN rekurriert mit seiner Argumentation auf eine

Denktradition der Moderne, nach welcher die abbildtheoretische

Bedeutungstheorie auf die Affektion, Empirie und Ratio des

Einzelnen – sei er nun Individuum oder Subjekt genannt –859

übertragen ist. Nicht, wie bei AUGUSTINUS, die Gegenstände der

Objektwelt, sondern die individuellen, subjektiven „Empfindungen,

Erlebnisse, Gedanken“860 stellen die Urbilder dar, die durch die

Sprache abgebildet sind. Insofern wäre jede Sprache Privatsprache, so

die Überlegung.861 Am Beginn seiner diese zurückweisenden

Argumentation stellt WITTGENSTEIN heraus:

„Die Wörter dieser Sprache sollen sich auf das beziehen, wovon nur der Sprechende wissen kann; auf seine unmittelbaren, privaten Empfindungen. Ein Anderer kann diese Sprache also nicht verstehen.“862

Eine solche Sprache ist demnach deshalb privat, weil sie sich auf

Privates bezieht, nämlich innere Zustände, und weil sie sich mancher

Ausdrücke bedient, die für jemand Außenstehenden nicht verständlich

sind. Sofern der Sprechende hier der einzige ist, der weiß, was seine

Sprache bezeichnet, ist er epistemologisch ein Wissender, weshalb

hinsichtlich der WITTGENSTEINschen Auseinandersetzung mit dem

Privatsprachenargument von einer epistemischen Privatheit

gesprochen wird.863 Eben diese zweifelt er allerdings an und betont

nicht das Wissen, etwa um die Empfindung des Schmerzes, sondern

859 Ersteres wird z.B. von Descartes, letzteres in erster Linie von Kant vertreten. (Vgl.

GLOCK 2000h, S. 279ff.) Zur Geschichte des Privatsprachenarguments, WITTGENSTEINs

Standpunkt und die an diese anschließende Diskussion eingeschlossen: Vgl. GARVER

1969, S. 106-118. 860 GLOCK 2000i, S. 285. 861 Vgl. ebd. 862 PU § 243, S. 356. 863 Vgl. GLOCK 2000h, S. 278 sowie HACKER 1993a, S. 25ff.

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deren Zugehörigkeit zu dem privat über sie Sprechenden als ein

Besitzverhältnis864:

„Von mir kann man überhaupt nicht sagen (außer etwa im Spaß), ich wisse, daß ich Schmerzen habe. Was soll es den heißen – außer etwa, daß ich Schmerzen habe?“865

Ob nun der Besitz von Schmerzen oder von Besitz von Erkanntem,

das Wissen, Schmerzen zu haben, wesentlicher ist, verliert vor der

Einlassung „‚So handle ich eben‘“866 als der Letztbegründung von

Reden überhaupt an Relevanz. Beides kann man nicht sagen, auch

Inneres wird nicht abgebildet.867 Es wird gesprochen. Dieses Sprechen

unterliegt Regeln, die nicht als Privat-Regeln zu denken sind.

„Darum ist ‚der Regel folgen‘ eine Praxis. Und der Regel zu folgen glauben ist nicht: der Regel folgen. Und darum kann man nicht der Regel ‚privatim‘ folgen, weil sonst der Regel zu folgen glauben dasselbe wäre, wie der Regel folgen.“868

Wäre eine Regel privat, unterläge es allein dem Gutdünken des

Einzelnen, worin sie besteht und ob er sie befolgt hat oder nicht. Das

widerspricht aber dem WITTGENSTEINschen Regel-Begriff. Es bedarf

einer objektiven Beurteilung, ob der Regel entsprochen wurde, denn

„die Rechtfertigung besteht doch darin, daß man an eine unabhängige

Stelle appelliert“869. Das stellt den öffentlichen Charakter von Sprache

heraus.870 Beurteilungskriterien für die Regelhaftigkeit von Sprache

verweisen mit dem Öffentlichen auf ihr Äußeres, aber auch auf ihre

864 HACKER nennt dies „private ownership“ (HACKER 1993a, S. 19). Vgl. auch ebd.ff.

sowie GLOCK 2000h, S. 278. 865 PU § 246, S. 357. 866 PU § 217, S. 350. 867 Vgl. PU § 315, S. 380. 868 PU § 202, S. 345. Zum Zusammenhang von Privatsprachenargument und dem Begriff

der Regel vgl. auch HINTIKKA/HINTIKKA 1996, S. 311ff. 869 PU § 265, S. 363f. 870 GRAYLING 1996, S. 110.

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Geltungskriterien, Wahr, Falsch und deren Zwischenwerte, ihr

Inneres. Dieses Innere der Sprache könnte ja bei Annahme einer

Privatsprache mit dem Inneren des privat Redenden korrespondieren.

Unter Fokussierung der ostensiven Definition871, genauer der

Übertragung des Hinweisens auf die private Sprache, macht

WITTGENSTEIN allerdings deutlich, dass Geltungskriterien und

Privatheit einander widersprechen.

„Aber ich spreche, oder schreibe das Zeichen, und dabei konzentriere ich meine Aufmerksamkeit auf die Empfindung – zeige also gleichsam im Innern auf sie. – Aber wozu diese Zeremonie? denn nur eine solche scheint es zu sein! Eine Definition dient doch dazu, die Bedeutung eines Zeichens festzulegen. – Nun, das geschieht eben durch das Konzentrieren der Aufmerksamkeit; denn dadurch präge ich mir die Verbindung des Zeichens mit der Empfindung ein. – ‚Ich präge sie mir ein‘ kann doch nur heißen: dieser Vorgang bewirkt, daß ich mich in Zukunft richtig an die Verbindung erinnere. Aber in unserem Falle habe ich ja kein Kriterium für die Richtigkeit. Man möchte hier sagen: richtig ist, was immer mir als richtig erscheinen wird. Und das heißt nur, daß hier von ‚richtig‘ nicht geredet werden kann.“872

In einer solchen regelhaften Anwendung des Zeigens auf eine innere,

private Sprache zeigt sich, dass ein privat Redender gar nicht wissen

kann, ob seine Privatsprache Geltung hat. Weder bewährt sie sich

öffentlich, denn sie ist der Öffentlichkeit nicht zugänglich, noch

bewährt sie sich privat, denn der Solipsist als Schöpfer seiner Regeln

verfängt sich in der Tautologie. „Regeln einer privaten Sprache“ sind

lediglich „Eindrücke von Regeln“873. Der Solipsist hat die Regeln

aufgestellt. Für die Befolgung der Regeln stellt er auch die

notwendigen Kriterien auf. Damit gibt er letztlich nur sich selbst recht

und sagt nichts über seine Sprache aus. Für diese „bedarf [... es] einer

871 Vgl. PU § 258, S. 361. 872 PU § 258, S. 362. 873 PU § 259, S. 362.

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Rechtfertigung, die Alle verstehen“874. Das setzt voraus, sich mit

Anderen zu verständigen, ihnen die Regel plausibel zu machen, aber

auch deren Bestätigung bzw. Zustimmung.875

Darüber hinaus lässt sich über Empfindungen nichts

Geltungshaftes aussagen:

„‚Aber du wirst doch zugeben, daß ein Unterschied ist, zwischen Schmerzbenehmen mit Schmerzen und Schmerzbenehmen ohne Schmerzen.‘ Zugeben? Welcher Unterschied könnte größer sein! – ‚Und doch gelangst du immer wieder zum Ergebnis, die Empfindung selbst sei ein Nichts.‘ – Nicht doch. Sie ist kein Etwas, aber auch nicht ein Nichts! Das Ergebnis war nur, daß ein Nichts die gleichen Dienste täte wie ein Etwas, worüber sich nichts aussagen läßt. Wir verwarfen nur die Grammatik, die sich uns hier aufdrängen will.“ 876

Ontologie schweigt nicht nur im Außen (Gott), sondern auch im

Innen (Privatsprache)877. Dennoch wird logisch gespielt. Wörtern wird

in Sprachspielen Bedeutung beigemessen. Ihr lebensförmiger

Gebrauch878 ist selbstevident.

Mit den familienähnlichen Gebräuchen, die deutlich werden,

wenn man die bedeutungsvollen Anwendungen von Wörtern in

verschiedenen Sprachspielen vergleicht, liegt ein Universalitäts-

Gedanke vor,879 der das Reden in seinen Vollzügen aus sich selbst

heraus begründet. Dabei argumentiert WITTGENSTEIN nicht vom

Begriff des Spiels her und meint mit der Verwendung dieses Wortes

nicht, dass alle Sprachspiele ein substantielles Sprachspiel

874 PU § 261, S. 362f.; Ausl. u. Zus. v. G.v.S. 875 Zu den Begriffen „Verständigung und Zustimmung“: Vgl. DÖRPINGHAUS 1999. 876 PU § 304, S. 376. 877 Vgl. PU § 315, S. 380. 878 Vgl. PU § 247, S. 358. 879 Vgl. WIMMER 2001, S. 195f. sowie TEUWSEN 1988, S. 15ff.

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Page 219: SCHWEIGEN und REDEN Studien zum Zusammenhang von … · Scholastik und der Moderne bereits für wahrheitskritisch. Wer als pädagogisch Hörender schweigt, schweigt aus einer relativierenden

abbildeten.880 Vielmehr verweist er mit dem Attribut, die Sprachspiele

hätten Familienähnlichkeiten, auf ein quasi genetisch

festgeschriebenes, aber dennoch offenes Ähnlichkeitsverhältnis, das

im Spannungsfeld zwischen Individualität und Verwandtschaft mit

Anlässen für Vergleichbarkeit spielt.

„Ich kann diese Ähnlichkeiten nicht besser charakterisieren durch das Wort ‚Familienähnlichkeiten‘; denn so übergreifen und kreuzen sich die verschiedenen Ähnlichkeiten, die zwischen den Gliedern einer Familie bestehen: Wuchs, Gesichtszüge, Augenfarbe, Gang, Temperament, etc. etc. – Und ich werde sagen: die ‚Spiele‘ bilden eine Familie.“881

Die Abstraktion führt nicht zur ontologisch begründeten Substanz,

die als verbindender Allgemeinbegriff zum Urbild und Beginn einer

abbildtheoretischen Ableitungskette herhalten könnte, vielmehr

begründet die Verwobenheit der logischen Momente – auf der

Mikroebene der Wörter, auf der Metaebene der Sprachspiele – die

fundamentale Gebrauchsmöglichkeit von Sprache.

„Warum nennen wir etwas ‚Zahl‘? Nun, etwa, weil es eine – direkte – Verwandtschaft mit manchem hat, was man bisher Zahl genannt hat; und dadurch, kann man sagen, erhält es eine indirekte Verwandtschaft zu anderem, was wir auch so nennen. Und wir dehnen unseren Begriff der Zahl aus, wie wir beim Spinnen eines Fadens Faser an Faser drehen. Und die Stärke des Fadens liegt nicht darin, daß irgendeine Faser durch seine ganze länge läuft, sondern darin, daß viele Fasern einander übergreifen.“882

Die Zahl dient WITTGENSTEIN als ein Begriffsbeispiel, von dem

ausgehend auf Mathematik und die Möglichkeit mathematischer

Gebräuche abstrahiert werden kann. Beschrieben wird die

Verwobenheit von vielen einzelnen Fadenfasern, aus der ein Faden

entsteht. Analog dazu ist auf eine Verwobenheit von Wörtern zu 880 Vgl. PU § 66, S. 277f. 881 PU § 67, S. 278. 882 Ebd.

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schließen, die Sätze, von Sätzen, die Sprachspiele und von

Sprachspielen, die das Sprachspiel der Sprache entstehen lässt.883

Verwoben sind diese sprachlichen Aspekte aufgrund von

Ähnlichkeiten und sei es ganz basal aufgrund der Korrelation, dass alle

sprachlich sind. Weil es Ähnlichkeiten zwischen ihnen und ihren

potentiellen Gebräuchen gibt, ist Verständigung möglich.

Das Lernen als Aneignung von Wortbedeutungen und das

dadurch ermöglichte Sprachspielen, zwei logische Momente, die

ihrerseits zum gebrauchstheoretischen Erkenntnis- und

Wissensbegriff der Philosophischen Untersuchungen führen, hängen

schließlich mit dem Aspekt der Familienähnlichkeit zusammen.

„Frage dich in diesen Schwierigkeiten immer: Wie haben wir denn die Bedeutung dieses Wortes (‚gut‘ z.B.) gelernt? An was für Beispielen; in welchen Sprachspielen? (Du wirst dann leichter sehen, daß das Wort eine Familie von Bedeutungen haben muß.)“884

Da sich ein imaginierter Schüler des späten WITTGENSTEIN bei

fehlender Ontologie nicht mehr mit seiner Sprache den Dingen der

Welt zuwenden kann, ist er auf die rein logischen Sprachspiele

verwiesen. Er ist zunächst dazu aufgefordert, den Wortgebrauch in

diesen Sprachspielen zu prüfen, dabei ihre familienähnlichen

Vergleichbarkeiten mit zu bedenken und sich dadurch einem

zusammenschauenden, offenen, weiten Abstraktions-Begriff

anzunähern, welcher der Wortbedeutung näher kommt als ein

definierend-kalkulierend abbildtheoretisch eingeschränkter, wie er

noch im Tractatus vorliegt. Dem gemäß liegen auch Erkennen und

Wissen nicht definitorisch fest, sondern sind variabel, da ihre Geltung

883 Vgl. PU § 108, S. 298. 884 PU § 77, S. 283.

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sprachspielbezogen ist.885 Das zu vermitteln ist die Aufgabe des

Lehrers im pädagogischen Sprachspiel.886

Erkennen, Wissen und deren Vermittlung, die Bildung bleiben

an die Sprache als ihr Medium gebunden, was WITTGENSTEINs

Beantwortung der Frage „Wie erkenne ich, daß diese Farbe Rot ist?“

belegt: „‚Ich habe Deutsch gelernt.‘“887 Entscheidend ist hier nicht, die

genannte Nationalsprache. Vielmehr geht es WITTGENSTEIN darum

zu betonen, dass der erkenntnisbezogene Zugriff auf Welt daran

gebunden ist, wie sprachlich auf empirische Wahrnehmungen reagiert

wird. Dabei ist der Maßstab dieser Reaktion nicht die dingliche Welt

als Gegenstand des Abgleichens, sondern die bereits bekannten

Sprachspiele, die ein Feld möglicher Wortbedeutungen

gebrauchstheoretisch anzeigen. Bei der Entwicklung eines möglichen

Unterrichts ist zuerst noch die ostensive Definition von zentraler

Wichtigkeit.

„Wie erkenne ich, daß dies rot ist? – ‚Ich sehe, daß es dies ist; und nun weiß ich, daß dies so heißt.‘ Dies? – Was?! Welche Art der Antwort hat auf diese Frage einen Sinn?

(Du steuerst immer wieder auf eine innere hinweisende Erklärung hin.)

Auf den privaten Übergang von dem Gesehenen zum Wort könnte ich keine Regeln anwenden. Hier hingen die Regeln wirklich in der Luft; da die Institution ihrer Anwendung fehlt.“888

So, wie der Lehrer im Sprachunterricht AUGUSTINischen Zuschnitts

bei der Abrichtung auf Namen die entsprechenden Gegenstände zeigt,

zeigt der Anhänger des Privatsprachenarguments innerlich auf durch

das zu lernende Wort bezeichnete Ding. Das wäre zum einen immer

885 Vgl. z.B. ÜG § 18, S. 122. 886 Vgl. LYOTARD 1994, S. 157ff.. 887 Insges. PU § 381, S. 400. 888 PU § 380, S. 400.

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noch quasi-ontologisch, zum anderen gilt, dass es keine Regel gibt, die

den privaten Regelgebrauch regelt. Dieser „infinite Regress“889 ist eine

Kritik nicht nur an der Privatsprache, sondern auch am Regelfolgen

überhaupt:

„Ich sagte von der Anwendung eines Wortes: sie sei nicht überall von Regeln begrenzt. Aber wie schaut denn ein Spiel aus, das überall von Regeln begrenzt ist? dessen Regeln keinen Zweifel eindringen lassen; ihm alle Löcher verstopfen. – Können wir uns nicht eine Regel denken, die die Anwendung der Regel regelt? Und einen Zweifel, den jene Regel behebt – und so fort?“890

Eine Regel, die das Regeln regelte, wäre eine Beschränkung der

Offenheit der Sprachspiele. Zweifel, die Uneindeutigkeit von wahr

und falsch, das Ungeregelte der Gewissheit gehörten zum

lebensförmigen Bild vom Sprachspiel.891

Ein Lehrer, der den Philosophischen Untersuchungen folgt, muss die

Frage „Wie kann man wissen, daß man es zeigen kann, wenn ....., daß

man es also erkennen kann, wenn man es sieht?“892 aushalten und

dennoch Sprachgebrauch als eine Technik lehren, denn „[e]inen Satz

verstehen, heißt, eine Sprache verstehen. Eine Sprache verstehen,

heißt, eine Technik beherrschen“893 und bereits bestehende

Sprachspiele „selbständig weiterschreib[en]“894. In einem

beispielgeleiteten Unterricht, 895 der aus pädagogischem Sprachhandeln

besteht, ist auf die Pluralität möglicher Sprachspiele hinzuweisen. Der

Lehrer kann sie sich zunutze machen für eine logische Pädagogik, die

889 TEUWSEN 1988, S. 99. 890 PU § 84, S. 287. 891 Vgl. ÜG § 497, S. 219. 892 PU § 388, S. 402. Vgl. TEUWSEN 1988, S. 48. 893 PU § 199, S. 344. 894 PU § 143, S. 312; Änd. V. G.v.S. 895 Vgl. PU § 208, S. 347f.

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der Auffassung Rechnung trägt, dass die Lebensformen des Menschen

sprachlich sind,896 auch wenn er sich seiner sprachlich verfassten

Erkenntnisse nicht mehr gewiss sein kann.

896 Vgl. LANGE 1998, S. 144ff., S. 225ff.

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Schweigen und Reden bei Ludwig WITTGENSTEIN – Zusammenfassung

Am Ende des Tractatus logico-philosophicus steht die Erkenntnis, dass

WITTGENSTEIN seine Sprachkritik an das Ende der Korrelation von

Logik und Ontologie geführt hat. Hatte er durch die Anlage der

Sprachanalyse als Abbildtheorie noch einen idealen ontologischen

Bezugspunkt zugrunde gelegt, ist ihr Ergebnis deren Verlust. Die

Logik der Welt ist im Tractatus die einzige Gewissheit, mit der

gearbeitet werden kann. Die Welt wird als logisch aufgebaut

angenommen. Abbildung liegt nur vor, wenn Sprache eine logische

Struktur hat, denn nur dann ist sie strukturidentisch mit der logisch

strukturierten Welt. Folglich soll Sprache so weit reduziert werden,

dass sie sich auf ihre elementaren Zeichen beschränkt. Nur ein solcher

Elementarsatz wäre ein tatsächliches Abbild von Welt. Worin liegt

aber der Sinn eines Satzes wie fx? Die Sinnfrage führt WITTGENSTEIN

zur Frage nach Wahrheit. Wahrheit sucht er in einer

Verallgemeinerung des Elementarsatzes. Die aus ihm abgeleitete

allgemeine Wahrheitsfunktion zeigt aber schließlich nicht mehr als die

Bedingung der Möglichkeit von Wahrheit. Inhalt oder Wesen der

Wahrheit, der Sinn von Sprache bleiben unberührt. Sie scheinen

außerhalb von Logik zu liegen, verweisen auf das Mystische, das

Höhere, Gott. Darüber lassen sich keine logischen Aussagen machen.

Da die logisch aufgebaute Welt aber nicht anders zu erkennen gesucht

werden kann als logisch, Sprache nur als logisches Abbild von Welt zu

denken ist, ist der Mensch in Schweigen geworfen.

Der WITTGENSTEIN des Tractatus hat außerhalb von Logik

nichts. Wahrheit wird von ihm weder ideal noch göttlich erfasst. Er

sucht sie in eine Formel zu bannen, die den Erweis bringt, dass

Wahrheit sich inhaltlich nicht fassen lässt. Was sich nicht fassen lässt,

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ist auch nicht lehrbar. Allenthalben ein Nachvollziehen der

sprachkritischen Haltung, die zum Verlust von Wahrheits-Gewissheit

führt, könnte Unterrichtsgegenstand sein. Da aber das Aufdecken des

Unvermögens der Logik sein Ergebnis ist, wird selbst das

Unterrichtsgespräch unmöglich. Ein Lehrer des Tractatus führt seine

Schüler ins Schweigen.

Dennoch sieht WITTGENSTEIN sich mit den Philosophischen

Untersuchungen dem Faktum gegenüber, dass trotz aller Sprachkritik

gesprochen wird. Jenseits von Idealsprache findet er Alltagssprache

vor und kommt nicht umhin, diese als Lebensform des Menschen zur

Kenntnis zu nehmen. Sie manifestiert das Reden. Der Vielgestaltigkeit

und Offenheit ihrer Gebräuche wird die Sprachspiel-Metapher zur

angemessenen Analysefigur. Wahrheit ist zwar auch hier nicht fassbar;

zumindest wird ihr eine zweiwertige Logik nicht gerecht. Dennoch

ergeben sich sprachspielgebundene Geltungen. Das Sprachspielen, das

heißt die gebrauchsabhängige Anwendung von Wörtern je nach

Sprachspiel wird zur pädagogischen Aufgabe. Familienähnlichkeiten

ermöglichen vergleichbares Sprachspielen, letztlich ist aber nach den

Philosophischen Untersuchungen die Offenheit und Unbegrenztheit der

sprachlichen Praktiken zu lehren, so dass Schüler sich im

unüberschaubaren Gewinkel der Sprachspiele zurechtfinden lernen

und souveräne Sprachspiel-Akteure werden.

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Schluss

Die vorliegende Arbeit hat den Zusammenhang von Bildung und

Sprache in den Blick genommen. Pädagogische Vollzüge – Lehren,

Unterrichten und Vermitteln – sind aus der Perspektive der

Korrelation pädagogischen Redens und Schweigens analysiert worden.

Es hat sich gezeigt, dass keineswegs zugleich mit dem Ende der Rede

der pädagogische Vollzug endet, sondern vielmehr das Schweigen

innerhalb des pädagogischen Vollzuges Korrelat der Rede ist und mit

ihm eine Vermittlungseinheit bildet. Analog zur bereits bestehenden

Geschichte pädagogischen Redens ist eine Geschichte pädagogischen

Schweigens entstanden. Eine Geschichte des bildungsrelevanten

Schweigens komplettiert die bereits tradierte Historie der

pädagogischen Rede, die in dem Faktum begründet ist, dass

Ausformungen pädagogischen Vermittelns, des Unterrichtens, der

Unterweisung, der Ausbildung sich in Rede niederschlagen und diese

Rede bereits ihre von der pädagogischen Disziplin be- und

ausgearbeitete Geschichte hat. Reden und Schweigen sind

komplementär und korrelativ aufeinander bezogen. Die Geschichte

der pädagogischen Rede ist zugleich Geschichte pädagogischen

Schweigens.

Pädagogisches Schweigen als eine Art des Schweigens wurde

nach Texten von PLATON, Aurelius AUGUSTINUS und dem frühen

Ludwig WITTGENSTEIN erörtert. ARISTOTELES, THOMAS VON AQUIN

und der späte WITTGENSTEIN stehen dem mit ihren Darlegungen

pädagogischen Redens gegenüber, wenngleich das Schweigen auch

hier implizit Hintergrund der exemplifizierten Denkvollzüge ist.

PLATONs Kratylos, der Ausgangspunkt der sprach- und zugleich

bildungstheoretischen Tradition, deren Nachweis die vorliegende

Arbeit ist, und AUGUSTINs De magistro – beide Lehrgespräche,

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Gespräche der Unterweisung, des Unterrichts, die als solche den

Zusammenhang von Bildung und Sprache offenkundig zeigen –

finden in WITTGENSTEINs Tractatus logico-philosophicus ihre radikalste

Zuspitzung. Weder der Kratylos noch De magistro stellen Sprache als

Welterkenntnis eröffnend dar, schon ihnen ist Wahrheit als Ziel- und

Maßgabe logisch unerreichbar. Der Traktat führt diesen Gedanken zu

Ende. Verweisen PLATON und AUGUSTINUS auf das Korrelat der

defizienten pädagogischen Rede, das pädagogische Schweigen, treibt

WITTGENSTEIN diese sprachliche Defizienz so auf die Spitze, dass –

seinem Frühwerk rückhaltlos folgend – das Ende einer logischen

Pädagogik auszurufen wäre.

Auf die einzelnen Standpunkte bezogen, hat sich folgendes

gezeigt: PLATON fasst Wahrheit ontologisch auf und verortet sie im

Ideenhimmel. Der gleichewigen, jenseitigen Schau der Ideen, die

Wahrheits-Erkenntnis bedeutet, entspricht diesseitig die Impotenz des

Menschen zu einer solchen Wahrheits-Erkenntnis. Er vermag Welt

nicht in wahrer, zutreffender Weise zu erkennen, geschweige denn zu

lehren. Gleiches gilt für die PLATONische Logos-Konzeption. Einem

idealen Jenseits-Logos steht ein defizienter Diesseits-Logos

gegenüber. Die Anwendung von Abbild-, Gebrauchs- und

Flusstheorie auf sprachliche Erkenntnissuche führt ins Nichtwissen

als das Fundament sprachlichen Zugreifens auf Welt. Beginnt Sprache

mit Nichtwissen, führt konsequenter Weise jede logische Überlegung

zu diesem Ausgangspunkt zurück. Schweigen ist die Folge.

Hinsichtlich des diesseitigen Logos bezeichnet das Schweigen das

defiziente Sprach- und Erkenntnisvermögen des Menschen. Bezogen

auf die jenseitige Sprachlichkeit ist das Schweigen Zeichen eines

idealen Logos. Schweigen hat sich im PLATONischen Sinne erwiesen

als der sprachliche Habitus im Angesicht der Idee, und zwar als ein

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nicht-tönender Monolog der Seele. Der Schweigende hat erkennend

an Wahrheit teil.

Diese PLATONische Schweige-Idee findet bei AUGUSTINUS ihr

christianisiertes Analogon. Auch letzterer fasst Wahrheit ontologisch

auf, und zwar als Teil seines Gottesbegriffs. Das vollkommene

göttliche Sein schließt vollkommene Wahrheit ein; das endliche,

unvollkommene menschliche Sein schließt vollkommene

Wahrheitserkenntnis aus. Gott ist Schöpfer der Welt und Ursprung

von Wahrheit. Somit verursacht er beides, das zu Erkennende und

dessen Erkenntnis. Der Mensch, als ein Teil göttlicher Schöpfung, ist

auf deren und die Wahrheit Gottes überhaupt ausgerichtet. Insofern

Gott sprachlich schafft und seine Schöpfung sich sprachlich

offenbart, ist die erkenntnissuchende Ausrichtung des Menschen auf

Gott sprachlicher Art. Wie PLATON verweist AUGUSTINUS auf eine

erkenntnis- und sprachtheoretische Divergenz zwischen Jenseits und

Diesseits, die allerdings durch das Streben des Menschen nach dem

Göttlichen zu überwinden gesucht wird. Da der diesseitige Mensch als

ein endlicher und unvollkommener nicht erkennen oder lehren kann,

erschließt sich ihm auch nach AUGUSTINUS Welt nicht als wahr. Seine

Sprache ist zwar Abbild der Sprache Gottes, göttliche Sprache

zeichnet sich aber durch Vollkommenheit aus, menschliche durch

Unvollkommenheit. Die so benannte Differenz lässt sich durch das

attributive Gegensatzpaar schweigend – tönend näher bestimmen.

Wie der PLATONische Mensch kann auch der AUGUSTINische redend

nicht erkennen. Seine Möglichkeit zu erkennen ist es zu schweigen.

Der Ideenschau entsprechend, verheißt die Gottesschau

Wahrheitserkenntnis. Dieser jenseitigen, ewigen Anbetung Gottes

entspricht Schweigen als logischer Habitus.

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Aus pädagogischer Perspektive ist innerhalb der

AUGUSTINischen Logik-Konzeption Christus von besonderem

Interesse. Er ist höchster Lehrer und Logos, summus magister. In seinem

ontologischen Status zugleich Gott und Mensch, vermittelt er

zwischen beiden. Schweigt der Mensch, nimmt er eine Haltung ein,

die Belehrung und Erleuchtung durch Gott ermöglicht. Eine solche

Belehrung und Erleuchtung vollzieht sich schweigend. Christus

partizipiert als Sohn Gottes an dessen Wahrheit; als Mensch wird er

für den Menschen Lehrer göttlicher Wahrheit, summus magister. Die

konzipierende Sprache Gottes ist schweigend, erst das von ihm

gezeugte Wort, Christus, ist tönend. Der Mensch, der erkennen will

und deshalb die schweigende Haltung einnimmt, also aus

pädagogischen Gründen schweigt, wird durch Christi Sprachlichkeit

verständlich belehrt. Die menschliche Partizipation an göttlicher

Wahrheit wird aber eine schweigende bleiben. Der im Schweigen

Belehrte ist zwar durch diese Belehrung ein Erleuchteter, seine eigene

Rede bleibt allerdings defizient. Sie enthält Wahrheit schweigend.

Somit vermag der Belehrte lediglich andere Menschen, die auch

Schüler Christi sind, an durch ihn Erkanntes zu erinnern oder

assoziierte Fragen aufzuwerfen. Erst im Jenseits verheißt gleichewige,

schweigende Gottesschau teilhabende, vollkommene

Wahrheitserkenntnis. Sie ist nach AUGUSTINUS ein nicht-tönender

Dialog von Seele und göttlichem Logos im Schweigen.

In WITTGENSTEINs Tractatus logico-philosophicus akkumuliert der

Aufweis logischer Defizienz, wie er mit PLATONs Kratylos und

AUGUSTINs De magistro vorliegt, zu einer vehementen Sprachkritik.

Diese zerstört als ihr Ergebnis den Zusammenhang von Logik,

Ontologie und Erkenntnistheorie, den diese Arbeit aus dem

hellenistischen Logos-Begriff gewonnen hatte. Zu Beginn des Tractatus

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geht WITTGENSTEIN allerdings noch von diesem aus. Er nimmt die

Logik der Welt an, die ihm gewiss ist. Diese Logik der Welt

manifestiert einen abbildtheoretischen Ansatz. Welt und sie

abbildende Sprache sind logisch aufgebaut. Im Umkehrschluss bildet

Sprache Welt nur dann ab, wenn diese ebenso logisch ist wie jene.

Daraufhin ist Sprache zu untersuchen. Sie auf das Wesentliche zu

reduzieren erscheint WITTGENSTEIN zweckmäßig. Er führt Sprache

auf ihre elementaren Zeichen zurück. Ist diese Reduktion

vorgenommen, stellen sich Fragen: Was wird abgebildet? Wie lässt

sich feststellen, ob zutreffend – wahr oder falsch – abgebildet wird?

Ist dies nicht genau bestimmbar, führt das zur Sinnfrage von Sprache

überhaupt. Aus der Verallgemeinerung des Elementarsatzes, welche

WITTGENSTEIN die allgemeine Wahrheitsfunktion nennt, gewinnt er

aber nicht mehr als die Bedingung der Möglichkeit von Wahrheit. Sie

zeigt die Unerreichbarkeit von substantiellen Wahrheitsaussagen.

Solche liegen außerhalb der Logik, das heißt, außerhalb des sprachlich

Denkbaren, im Schweigen. Mit diesem Begriff ist bei WITTGENSTEIN

aber keine belehrende Ontologie wie die PLATONische Idee oder der

AUGUSTINische Gott bezeichnet. Er verweist mit dem Schweigen

zwar auf etwas, das er das Mystische, das Höhere, Gott nennt. Dies ist

aber tatsächlich logisch unerreichbar, unaussprechlich. Angesichts

einer solchen Unaussprechlichkeit einer nicht benennbaren Welt hat

der Menschen zu schweigen.

An dieser Stelle lässt sich nur die durch den Traktat

repräsentierte Sprachkritik pädagogisch vermitteln. Schülern den

Zweifel an sprachlich formulierten und verfassten

Wahrheitsansprüchen nahe zu bringen ist der einzige mögliche

Gegenstand von Lehre, Unterricht und Vermittlung, der bleibt. Da

aber die Lehre, der Unterricht, die Vermittlung von logischer

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Defizienz eben dieser selbst unterliegt, heben sie sich in ihren eigenen

pädagogischen Vollzügen auf. Wird logische Pädagogik schweigen

müssen?

Demgegenüber gehen – die Ergebnisse dieser Arbeit weiter

zusammenfassend – ARISTOTELES, THOMAS VON AQUIN und der

späte WITTGENSTEIN von der Potenz pädagogischen Redens aus. Sein

Korrelat, das pädagogische Schweigen, bleibt aber auch hier

Begründungshintergrund. Im einzelnen: Die in Peri hermeneias

entfaltete Sprach- und Erkenntnistheorie ist wie das gesamte

ARISTOTELische Weltbild durch den unbewegten Beweger initiiert. Er

verbürgt die sprachliche und wahre Erkennbarkeit von Welt durch

den Menschen. Dieser erkennt logisch, denn Wissen ist ebenso

grammatikalisch konzipiert wie die Sprache selbst, so dass der Mensch

sprachlich Wissen erwerben kann. Ist er zum Wissenserwerb befähigt,

so auch zur sprachlich-lehrenden Wissensvermittlung. In Peri

hermeneias wird der Logos als Rede untersucht, genauer Aussagewörter

und -sätze, Propositionen. ARISTOTELES führt den Nachweis ihrer

Geltungsrelevanz anhand von alltagssprachlichen Analysen, die vor

dem Hintergrund einer Idealsprache betrieben werden.

Analyseinstrument ist die konträre und kontradiktorische

Kombination von Urteilssätzen. Da ARISTOTELES auf der Basis des

Logos-Begriffs Wahrheit nicht nur logisch, sondern auch ontologisch

begreift, ist die Ontologie Prüfstein solcher zunächst rein logischen

Analysen. Aufbauend auf empirischen Erfahrungen des logisch

Erkenntnissuchenden, führen sprachliche Abstraktionen ausgehend

von den Kategorien über das Akzidentelle und das Substantielle hin

zum Universellen. Das Universelle hat hier die Qualität des

Prinzipiellen, das nicht allein die ARISTOTELische Aussagenlogik,

sondern vielmehr auch pädagogische Rede ermöglicht. ARISTOTELisch

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gedacht meint pädagogische Rede ein logisches Fragen, welches zuerst

das Wesentliche der Substanz durch Trennung vom Akzidentellen,

dann das Universelle vermittels Abstraktion herausdestilliert. Dies gilt

es – ihm folgend – Schülern zu vermitteln, um so eine logische

Annäherung an Ontologisches zu ermöglichen. So könnte man sie in

Lehre, Unterricht und Vermittlung, in pädagogischen Vollzügen, das

Auffinden von Urteilssätzen lehren.

Für THOMAS De magistro ist Gott erste Ursache, causa prima, von

Welt im Allgemeinen und menschlicher Sprach- und

Vernunftbegabung im Besonderen, zu welcher der Mensch in einem

Analogieverhältnis steht. Er steht dies, insofern THOMAS Gott als den

Schöpfer eines prinzipiellen, universellen menschlichen Verstandes

denkt. Zugleich gibt er dem Menschen eine aktive, potentielle

Erkenntnisfähigkeit ein. Gott ist beider (onto-)logische Ursache; als

solche ist er schweigend. Verursacht ist der Mensch als Partizipient

göttlicher Intelligibilität und zwar ob seines prinzipiellen wie auch

potenziellen Verstandes. Deshalb ist er erkenntnis- und lehrfähig.

Ersteres ebenso in pädagogischer Rede wie letzteres. In diesem Sinne

hat sich der Lehrer, mit dem sich THOMAS in De magistro

auseinandersetzt, als einer erwiesen, der logisch auf Ontisches zugreift.

Die göttlichen, universellen Prinzipien seines Verstandes bewirken

dies mit seiner Verstandesaktivität gemeinsam. Summus magister ist auch

für THOMAS Christus. In logischer Betrachtung ist er ihm verbum mit

göttlichem und menschlichem Aspekt, so wie er grundsätzlich

zugleich Gott und Mensch ist. Folglich vermag er ein Zweifaches. Er

lehrt, erstens, den Menschen die Sprache Gottes. Zweitens bedeutet

Christi sprachliche Menschwerdung Vergöttlichung des menschlichen

Logos-gebundenen Einhergehens der drei Momente des Logos im

sprachlichen Erkennen von Seiendem. Das ist eine Analogie zwischen

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Mensch und Gott; er hat die sprachlich verfassten universellen

Verstandesprinzipien mit seinem und deren Schöpfer gemeinsam.

Insofern Gott auch causa prima alles Ontischen ist, begründet dies die

menschliche Potenz, Welt als eine logische zu erkennen. Der

universal-prinzipielle Logos göttlich konzipierender Sprachlichkeit

liegt als Urgrund von Sprache schweigend vor. Der Ort seines

Vorliegens ist die Seele des Menschen. Hier ist seine Möglichkeit zu

pädagogischer Rede verortet. Deren Paradigma ist der Pädagoge

Christus, der logische Erkenntnisvermittler. Der Mensch vermag –

THOMASisch gedacht – ihm folgend pädagogisch zu reden. Diese

pädagogische Rede bezeichnet das Zusammenwirken von

Verstandesprinzipien und intellectus agens, also seine Potenz zu

sprachlich-erkennender Verstandestätigkeit, welche lehrend zu

begleiten der Mensch imstande ist.

WITTGENSTEIN trägt mit seinem Spätwerk, den Philosophischen

Untersuchungen, der Tatsache Rechnung, dass Pädagogen sich redend

vollziehen, obgleich er der Zusammenschau von Logik, Ontologie

und Erkenntnistheorie, in dessen Tradition er mit dem Tractatus logico-

philosophicus gleichwohl steht, an dessen Ende abgeschworen hatte.

Seine Analysen von Normalsprache, die einer mehrwertigen Logik

unterliegen, sind – trotz Verlust der Ontologie aus der Logos-Triade –

eine Zuspitzung der Möglichkeiten pädagogischen Redens.

Alltagssprache zeigt Redepraxis und damit auch pädagogische

Redepraxis. WITTGENSTEIN geht von dieser aus, denn er hält an der

Vorstellung fest, dass sich der Mensch angesichts von Welt und einem

auf sie bezogenen Erkenntnisstreben sprachlich vollzieht. Sprache ist

die fundamentale Lebensform des Menschen; alle anderen

Lebensformen gehen aus ihr hervor. Die Sprachgebräuche, welche

WITTGENSTEIN zum Gegenstand seiner Untersuchungen macht, sind

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vielgestaltig und offen. Das drückt die Sprachspiel-Metapher aus.

Wahrheit zeigt sich – obgleich ontologisch stumm – in Sprachspielen

als je Geltungshaftes, das sich sprachspielgebunden aussagen lässt.

Diese Sprachspielgebundenheit verweist darauf, wie pädagogische

Rede hier zu denken ist. Sie liegt in einem Sprachspielen, dessen

Geltungsgebrauch innerhalb von Lehre, Unterricht und Vermittlung

zu prüfen ist und sich zu erweisen hat. Pädagogische Vollzüge, die

genau dies zu vermitteln suchen, können dabei auf

Familienähnlichkeiten von Wörtern zurückgreifen, ein Universalitäts-

Konzept, das die Offenheit und Unbegrenztheit sprachlicher Vollzüge

mit bedenkt. Wer sich im unüberschaubaren Gewinkel aus

Sprachspielen sprachlich zu vollziehen lernt, ein souveräner

Sprachspieler wird, ist den Philosophischen Untersuchungen gemäß durch

pädagogische Rede sprachlich gebildet.

Problemgeschichtlich betrachtet, hat sich die dem antiken

Logos-Begriff entnommene Zusammenschau von Logik, Ontologie

und Erkenntnistheorie als tragfähig erwiesen, vor-plurale

Wahrheitszweifel anhand des Schweige-Rede-Korrelats nachzuweisen.

Zwar bricht mit dem Verlust der Ontologie die Möglichkeit weg,

Sprache und eine an sie gebundene Erkenntnismöglichkeit

abbildtheoretisch darzustellen, dennoch bleibt Erkenntnissuche und -

vermittlung sprachlich zu denken, liegt im Gebrauch. Die

Gegenwartspädagogik trägt dem Rechnung, etwa mit dem Konzept

des Sprachspielers897 oder der Wiederbelebung enthymematischer

Geltungsprüfung in rhetorischer Tradition.898 Als Habitus des Schülers

ist angesichts zweifelhafter Geltungslagen aus der hier vorgelegten

Geschichte pädagogischen Schweigens das Schweigen als 897 Vgl. MEDER 2004. 898 Vgl. DÖRPINGHAUS/HELMER 1999; DÖRPINGHAUS/HELMER 2002a, dort besonders

DÖRPINGHAUS/HELMER 2002b sowie DÖRPINGHAUS/HELMER 2004.

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bildungsrelevant zu gewinnen. Dieser führt in eine Didaktik des

Schweigens, als deren Vorüberlegungen diese Arbeit gelten soll. Die

Didaktik des Schweigens herauszuarbeiten wird im Anschluss an sie zu

geschehen haben. Das Vorliegende mündet in acht

zusammenfassenden Konklusionen:

I. Pluralismus nimmt Vorbehalte gegenüber der Wahrheit für

sich in Anspruch.899 Der Gedanke ist nicht neu, was die

Kapitel über das Schweigen belegen. Es gibt eine Tradition

seit der griechischen Antike, genauer seit PLATON, welche

die Nicht-Lehrbarkeit von Wahrheit sprachlich begründet

und als angemessene Haltung die des Schweigens einnimmt.

II. Die logische Bindung von Wahrheit, Erkennbarkeit der

Wahrheit und Lehrbarkeit der Wahrheit, das Korrelat aus

Schweigen und Reden, verheißt Antworten auf die plurale

Wahrheitsfrage aus den in dieser Arbeit entfalteten beiden

systematischen Traditionslinien des Schweigens und Redens.

III. Nimmt der Pluralismus seinen ihm eigenen

Pluralitätsgedanken900 ernst, muss diese Pluralität antike,

christliche, genauer patristische und scholastische (nota bene!),

ideal- und normalsprachliche, das heißt zusammengefasst,

logische und (metaphysisch-) ontologische (nota bene!)

Ansätze einschließen. Damit wendet sich diese Arbeit

explizit gegen eine Tradition, die seit postaufklärerischen

Zeiten eben die besonders hervorgehobenen Theoriearten

899 Vgl. LYOTARD 1994, S. 30ff. WELSCH 1994, S. 13ff. WELSCH 1997, S. 139ff. 900 Vgl. WELSCH 1997, S. 128f.

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ausschließt.901 Als Problem mag der Wahrheitsanspruch der

genannten Sprachspiele erscheinen, aber die Arbeit hat

gezeigt, dass Vorbehalte gegenüber Wahrheit auch innerhalb

dieser gegeben sind. Sie gehören nicht auf den historischen

„Kehrichthaufen“902.

IV. Dem Menschen ist Seiendes vorgegeben,903 dahingestellt, ob

es ideal (PLATON), metaphysisch (ARISTOTELES,

AUGUSTINUS, THOMAS) oder im mystisch Unsagbaren

(früher WITTGENSTEIN) verbürgt, gedacht wird. Der

Mensch findet eine Welt vor. Selbst, wenn die einzige

Zugangsweise seine Sprache ist, die ihn quasi solipsistisch

auf eben diese begrenzt (TLP), zwingt den Menschen sein

In-die-Welt-gestellt-Sein zu sprachlichem Agieren (PU) als

Umgang mit Welt.

V. Wahrheit, Erkenntnis und beider Lehrbarkeit entziehen sich,

sind schweigend. Dennoch ist Reden die einzige

Möglichkeit, mit diesen Schwierigkeiten umzugehen. Das

zeigt die vorliegende Arbeit in Anbindung an den antik-

heraklitischen Logos-Begriff. Dies korrespondiert mit der

Erfahrung eines jeden Pädagogen, dass alle Erklärung,

Demonstration oder Exemplarik an ein Ende führt:

Erkenntnis lässt sich nicht „machen“, sie vollzieht sich

außersprachlich, im Innern, im Schweigen. Dennoch bleiben

901 Gemeint ist der immer wieder vorgebrachte Vorwurf des „Ontologie-Verdachts“. Vgl.

auch SIEBERT 1992, S. 41f. und etwa KRAMPF 1973. 902 HELMER 1998, S. 109. 903 MEIXNER 2004, S. 9ff.

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Fragen, die zu Erkenntnis anregen und auffordern oder als

Chancen, diesem Problem redend zu begegnen.904

VI. Erkenntnisse sind ohne Wahrheitsanspruch zu lehren. In

der Unsicherheit ungewissen Wissens muss der Lehrer eben

mit dieser Ungewissheit umzugehen lehren und doch

Inhalte vermitteln (substantiell schweigend, formaliter

redend).

VII. In einer lauten, medien- und reizüberfluteten Gegenwarts-

Welt erscheint es nicht sinnvoll, auch noch unterrichtliche

Situationen mit medialen Reizen zu überfrachten, wie es

gegenwartsdidaktische Ansätze gemeinhin tun.905

Erkenntnissen – wenn auch mit eingeschränktem

Geltungsanspruch – sollte Raum gegeben werden. Dieser

Raum wird als letztes Ergebnis dieser Arbeit im Schweigen

gesehen. Kontemplation erscheint nicht nur im Mittelalter,

sondern auch in der Gegenwart als pädagogisch sinnvolle

Übung.

VIII. Diese Konklusionen weisen den Weg zu einer Didaktik des

Schweigens.

904 Vgl. Kapitel 1.2.3 dieser Arbeit. 905 Vgl. OTTO 1995. Kritisch: GRUSCHKA 2002. Ausnahmen bilden FLECHSIG 1996 und

GUTJAHR 2004, die beide historisch arbeiten.

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Abbildungsverzeichnis PLATON: ZEMB, J.-M.: ARISTOTELES. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. 16.

Auflage. Reinbek bei Hamburg 2002. (= rororo Bildmonographien; 50063) S. 39.

Aurelius AUGUSTINUS: CHENU, M.-D.: THOMAS VON AQUIN. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten.

8. Auflage. Reinbek bei Hamburg 1998. (= rororo Bildmonographien; 50045) S. 106.

ARISTOTELES: DELIUS, Christoph/GATZEMEIER, Matthias/SERTCAN, Deniz/WÜNSCHER,

Kathleen: Geschichte der Philosophie von der Antike bis heute. Köln 2000. S. 15.

THOMAS VON AQUIN: CHENU, M.-D.: THOMAS VON AQUIN. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten.

8. Auflage. Reinbek bei Hamburg 1998. (= rororo Bildmonographien; 50045) S. 106.

Ludwig WITTGENSTEIN, ca. 1919: WUCHTERL, Kurt/HÜBNER, Adolf: WITTGENSTEIN. Mit Selbstzeugnissen und

Bilddokumenten. 12., neu überarbeitete Auflage. Reinbek bei Hamburg 2001. (= rororo Bildmonographien; 50275) S. 77.

Ludwig WITTGENSTEIN, ca. 1951: WUCHTERL, Kurt/HÜBNER, Adolf: WITTGENSTEIN. Mit Selbstzeugnissen und

Bilddokumenten. 12., neu überarbeitete Auflage. Reinbek bei Hamburg 2001. (= rororo Bildmonographien; 50275) S. 121.

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ders.: De Genesi ad litteram. In: MIGNE, J.P. (Ed.): Patrologiae Cursus Completus. Series Prima, In Qua Prodeunt Patres, Doctores Scriptoresque Ecclesiae Latinae A Tertulliano Ad Gregorium Magnum. Patrologiae Tomus XXXIV. S. Aurelii Augustini Tomus Tertius. Paris 1845. Sp. 245 -486. [hier: AUGUSTINUS: D. Gen. a. litt.]

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BIBLIA SACRA Iuxta Vulgatam Versionem. 4., verbesserte Auflage. Stuttgart 1994.

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BOETHIUS: De Consolatione Philosophiae. Libri V. In: Migne, J.-P.: (Ed.): Patrologiae Cursus Completus Sive Biblioteca Universalis, Integra, Uniformis, Comoda, Oeconomica, Omnium SS. Patrum, Doctorum Scriptorumque Ecclesiasticorum Qui Ab Aevo Apostolico Ad Innocentii III Tempora. Series Prima In Qua Prodeunt Patres, Doctores, Scriptoresque Ecclesiae Latinae A Tertulliano Ad Gregorium Magnum. Patrologiae Tomus LXIII: Ennodius, Hormisda Papa, Trifolius Presbyter, Elpis, Boetius. Caeterorum Tomus Unicum. – Boetii Tomus Prior. Paris 1847. Sp. 547-886.

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WUCHTERL, Kurt: Struktur und Sprachspiel bei WITTGENSTEIN. Frankfurt a.M.

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ders./HÜBNER, Adolf: Ludwig WITTGENSTEIN mit Selbstzeugnissen und

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ZEMB, J.-M.: ARISTOTELES. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. 16.

Auflage. Reinbek bei Hamburg 2002. (= rororo Bildmonographien; 50063) ZIMMERMANN, Jörg: WITTGENSTEINs sprachphilosophische Hermeneutik.

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