SCHWER- PUNKTE UND TRENDS IN DER WERKSTOFF- TECHNIK · 2016. 6. 12. · Aus dem Inhalt THEMEN...

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SCHWER- PUNKTE UND TRENDS IN DER WERKSTOFF- TECHNIK BERICHTE AUS DER RHEINISCH- WESTFÄLISCHEN TECHNISCHEN HOCHSCHULE AACHEN AUSGABE 1/2003 ISSN-NR. 0179-079X

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BERICHTE AUS DERRHEINISCH-WESTFÄLISCHENTECHNISCHENHOCHSCHULEAACHEN

AUSGABE 1/2003

ISSN-NR.0179-079X

SCHWER-PUNKTEUNDTRENDSIN DERWERKSTOFF-TECHNIK

BERICHTEAUS DERRHEINISCH-WESTFÄLISCHENTECHNISCHENHOCHSCHULEAACHEN

AUSGABE 1/2003

ISSN-NR.0179-079X

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Aus dem Inhalt

Vorwort des Rektors 4

Schwerpunkte und Trends in der Werkstofftechnik 6

Die Schülerwettbewerbe des Werkstoff-Forums 8

Die werkstoffkundlichen Studien- und Lehrangebote an der RWTH 10

Licht verdrängt Strom in der Produktion 12

Textilbewehrter Beton 18

Gemeinsam forschen in Stahl und Glas 22

Retina-Implantate 24

Was ist eigentlich ein Hochleistungsmetall? 26

Regeneration von Zahnbetterkrankungen 29

aachen polymer chain 31

Nanotechnologie in der Werkstoffforschung 32

Charakterisierung fadenkontaktierender Maschinenelemente 38

Kompetenznetzwerk für Faserverbundkunststoffe an der RWTH Aachen 40

Die richtige Oberfläche – Der Schlüssel zum Erfolg 43

Kernspintomograph im Taschenformat 46

Bakterienkulturen in keramischen Trägerstrukturen 48

Rüstzeug für die Materialien von morgen 52

Metallische Schäume und Schwämme als Werkstoffe der Zukunft? 53

Kleben von Mikrobauteilen 56

Der Sonderforschungsbereich 370 „Integrative Werkstoffmodellierung“ 58

Formgebung zwischen fest und flüssig 60

ADI – ein hochwertiger Gusseisenwerkstoff mit Leichtbaupotenzial 63

Aus der Redaktion: 66

Namen & Nachrichten 66

Internet wird zum Medium der Produktentwicklung 70

Das „Jahr des Hochschulsports“ beginnt in Aachen 72

Bücher 76

Diskussionsforum 80

Impressum

Herausgegeben imAuftrag des Rektors:Dezernat Presse und Öffentlichkeitder RWTH AachenTemplergraben 5552056 AachenTelefon 02 41/80-943 27Telefax 02 41/80-923 [email protected]://www.rwth-aachen.de

Redaktion:Christof Zierath

Verantwortlich:Toni Wimmer

Redaktionelle Mitarbeit:Björn GürtlerRenate KinnyThomas von Salzen

Titel:Einlegen des teilflüssigen Bolzens für die Herstellung eines Pumpen-gehäuses in das Thixoschneide-werkzeug

Rücktitel:Lichtbogenspritzen einer Stahlschichtauf schäumbares Aluminium-Halbzeug im easyFoam-Prozess

Fotos: Peter Winandy

Art direction:Klaus Endrikat

Druck:kuper-druckEduard-Mörike-Straße 3652249 Eschweiler

Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier

Das Wissenschaftsmagazin „RWTH-THEMEN“ erscheint einmal pro Semester.Nachdruck einzelner Artikel, auch auszugsweise, nur mitGenehmigung der Redaktion.Für den Inhalt der Beiträge sind allein die jeweiligen Autoren verantwortlich.

Sommersemester 2003

THEMEN

SCHWERPUNKTE UND TRENDSIN DER WERKSTOFFTECHNIK

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Vorwort

ie RWTH Aachen baut ihre interdisziplinären Strukturen be-ständig aus, denn interdisziplinäre Strukturen bieten einebesondere Chance zu wissenschaftlicher Innovation. Die

Hochschule identifiziert zukunftsweisende Lehr- und Forschungs-felder und bearbeitet diese unter Bündelung ihrer Kräfte. Internoder extern erkannte neue Lehr- und Forschungsfelder werdenkonsequent aufgegriffen und in Sonderforschungsbereichen, For-scherverbünden, Interdisziplinären Foren, Graduiertenkollegs undfachübergreifenden Abschlussarbeiten effektiv bearbeitet. DieseKooperationen ebnen häufig den Weg hin bis zu marktreifen Pro-dukten.

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Unter diesen Gesichtspunkten vollzog sich im Jahre 1988 dieGründung des Werkstoff-Forums als eines der mittlerweile aufsechs angewachsenen Interdisziplinären Foren der RWTH. Wis-senschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Fachge-bieten schaffen mit diesen Forschungsplattformen Verbünde, diebestens geeignet sind, Wissenstransfer innerhalb der Hochschuleebenso wie über ihre Grenzen hinaus zu gewährleisten. Durch diePflege eines internen und externen Dialoges auch über Leistungs-maßstäbe wird das Bewusstsein für den akademischen Wettbe-werb geschärft. Zudem entstehen zahlreiche neue Impulse insbe-sondere in den Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften ausKontakten zur technisch-wirtschaftlichen Realität. Durch enge Ko-operationen wird die Nähe der RWTH Aachen zur Wirtschaft alsWettbewerbsvorteil bewusst gepflegt.

Die Interdisziplinären Foren der RWTH Aachen haben sich mitihren flexiblen Strukturen in der Vergangenheit bestens bewährtund werden dies auch in Zukunft mit höchster Effizienz tun. ImWerkstoff-Forum haben die Fakultäten für Mathematik, Informatikund Naturwissenschaften, für Bauingenieurwesen, für Maschinen-wesen, für Bergbau, Hüttenwesen und Geowissenschaften, fürElektrotechnik und Informationstechnik sowie die Medizinische Fa-kultät in Zusammenarbeit mit zentralen Einrichtungen der Hoch-schule und regionalen wie internationalen Wirtschaftsunterneh-men beachtliche Ergebnisse geliefert. Auf die Schwerpunkte undTrends in der Werkstofftechnik der Zukunft – dargestellt in dieserAusgabe der RWTH-THEMEN – dürfen wir alle gespannt sein.

Univ.-Prof. Dr. Burkhard RauhutRektor

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Besser ankommen

Gut, vielleicht sind wir in den 100 Jahren, die wir Autos bauen, manchmal über das Ziel hinausgeschossen. Aber wer neue Wege gehen

möchte, der muss mutig sein. Und mal ganz ehrlich: Wäre doch schade, wenn wir dieses – zugegeben etwas ungewöhnliche – Experiment

nicht gewagt hätten. Also werden wir genauso weitermachen, damit wir in 100 Jahren wieder begeistert zurückblicken können.

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Keine Zukunft ohne Vergangenheit.

Und auch in der Vergangenheit waren wir unserer Zeit voraus.

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EMEN as Verständnis über Werk-

stoffe, deren Eigenschaf-ten, Verarbeitbarkeit, Be-

ständigkeit und Herstellbarkeitist ein Schlüssel zu leistungsfähi-gen Volkswirtschaften. Ohne dieHalbleiterwerkstoffe gäbe es kei-ne künstliche Intelligenz, ohnedie Polymerwerkstoffe keine um-fassende Versorgung mit Ge-brauchsgütern, Kleidung, Isola-tionsstoffen, ohne die metalli-schen Werkstoffe keine tempe-raturbeständigen hochfesten Ma-schinen, Motoren, Mechaniken,ohne die mineralischen Werk-stoffe und Keramiken kein Bau-en, keine feuerfesten Systeme,ohne Glas kein Licht und keineTransparenz. Diese Liste derwerkstoffbezogenen Funktionenund Anwendungen zeigt trotzihrer Unvollständigkeit bereitsdie zentrale Rolle der Werkstoff-technik für die moderne Indus-triegesellschaft. So sind vieledenkbare neue Produkte undProzesse für ihre Verwirklichungauf neue Werkstoffe angewie-sen.

Daher überrascht auch nichtdie erfolgreiche Entwicklung desWerkstoff-Forums an der RWTHAachen. Inzwischen kann dasWerkstoff-Forum auf eine fünf-zehnjährige Erfolgsgeschichte zu-rückblicken. Der Startschuss fürdas Werkstoff-Forum wurde imJuli 1988 von Wissenschaftlernverschiedener Fachrichtungender RWTH Aachen gegeben. Siesetzten sich die Förderung derfachübergreifenden, interdiszi-plinären Forschung auf dem Ge-biet der Werkstoffe zum Ziel.

Heute ist das Werkstoff-Fo-rum der Zusammenschluss vonmehr als fünfzig Professoren aussechs verschiedenen Fakultäten.Sie haben sich in den sechs Ar-beitsgruppen Metalle, Glas undKeramik, aachen polymer chain,Aachen Composite Engineers,Verbundwerkstoffe und Werk-stoffverbunde sowie elektroni-sche Materialien zusammenge-schlossen, um interdisziplinäreForschungsprojekte zu initiierenund durchzuführen. Sechs ver-schiedene Sonderforschungsbe-reiche (SFB) lassen die vielfälti-gen Forschungsgebiete erken-nen, in denen die Mitglieder desWerkstoff-Forums aktiv sind.

Um die Vielfältigkeit der wis-senschaftlichen Arbeit in denSonderforschungsbereichen desWerkstoff-Forums darstellen zukönnen, haben wir beispielhaftBeiträge aus den Sonderfor-schungsbereichen ausgewählt:

Der Beitrag „Der Sonderfor-schungsbereich 370, IntegrativeWerkstoffmodellierung“ gibteinen Überblick über die Ent-wicklung, Struktur und Arbeits-weise dieses Sonderforschungs-bereiches. Heute hat bei vielenProjekten die Abbildung desMaterialverhaltens und des Her-stellungsprozesses in mathema-tischen Modellen eine große Be-deutung. So kann die erfolgrei-che Begehung des SFB 370„Integrative Werkstoffmodellie-rung“ im September 2002 alsein besonderer Erfolg angesehenwerden. Der bereits seit 1993bestehende SFB wurde wegenseiner einzigartigen Durchgän-gigkeit bei der Modellierung desWerkstoffs über die unterschied-lichen Fertigungsstufen bis hinzum fertigen Bauteil von denGutachtern als exzellent bewer-tet.

Ein zweites gleichwertigesAnliegen dieses Sonderfor-schungsbereiches besteht in derdimensionsübergreifenden Be-schreibung von Werkstoffeigen-schaften durch physikalische Mo-delle. Dies wird durch die Abbil-dung der mikroskopischen undmakroskopischen Eigenschaftendes Werkstoffes erreicht. Durchdie modellhafte Beschreibungdieser Prozesse und die Umset-zung dieser Beschreibungsmo-delle in Programme zur Berech-nung der Entstehung des Werk-stoffgefüges unter Beeinflus-sung der Fertigungsprozessekönnen der experimentelle Auf-wand und die Kosten bei derEntwicklung und Herstellungneuer Produkte (Halbzeuge undBauteile aus metallischen oderpolymeren Werkstoffen) deut-lich verringert werden.

Mit dem Beitrag „Formge-bung zwischen fest und flüssig –Neue Entwicklungen beim Thi-xoforming“ wird ein Überblicküber die Aktivitäten des SFB 289„Formgebung metallischer Werk-stoffe im teilerstarrten Zustandund deren Eigenschaften“ gege-ben. Durch das Thixoforming,welches im Temperaturbereichzwischen Solidus- und Liquidus-temperatur angeordnet ist, er-reichen Metalllegierungen bei

geeigneter Mikrostruktur Fließ-eigenschaften, die eine Formge-bung komplexer Bauteile mithohen Festigkeitsanforderungenerlaubt. Es kann zwischen demkonventionellen Druckguss unddem konventionellen Gesenk-schmieden eingeordnet werdenund kombiniert die Vorteile bei-der Verfahren.

Der Beitrag „Kleben von Mi-krobauteilen – Applikation vonKlebstoffen in der Mikrosystem-technik“ zeigt einen Ausschnittder Forschungsarbeiten des Teil-projekts „Mikrokleben“, das imRahmen des Sonderforschungs-bereiches 440 bearbeitet wird.Der SFB 440 „Montage hybriderMikrosysteme“ wurde im Jahr1997 mit dem Ziel eingerichtet,Grundlagenwissen in der Mikro-systemtechnik zu erarbeiten, umeine fundierte Basis für zukünfti-ge industrielle Anwendungen zuschaffen.

Aus dem SFB 561 „Thermischhochbelastete, offenporige undgekühlte Mehrschichtsystemefür Kombi-Kraftwerke“ stammtder Beitrag „Licht verdrängtStrom in der Produktion“. DerBeitrag setzt sich mit dem Pro-blem der Anfertigung von Kühl-bohrungen in Turbinenkompo-nenten auseinander. Die Zielset-zung des SFB 561 liegt in derSchaffung von technischen undwissenschaftlichen Grundlagen,um in einem Kombi-Kraftwerkim Jahre 2025 Gesamtwirkungs-grade von rund 65 Prozent zuerreichen. Dazu müssen Turbi-neneintrittstemperaturen von1350 Grad Celsius in der Gas-turbine und 650 bis 720 Grad inder Dampfturbine verwirklichtwerden. Diese Temperaturensind nur durch die Entwicklungneuer Werkstofflösungen undspezieller Kühlsysteme zu reali-sieren.

Der Sonderforschungsbereich532 „Textilbewehrter Beton –Grundlagen für die Entwicklungeiner neuartigen Technologie“ist mit dem Beitrag „Textilbe-wehrter Beton – Interdisziplinä-re Entwicklung einer neuen Tech-nologie“ im Themenheft vertre-ten und beschäftigt sich mit derEntwicklung eines neuen Ver-bundwerkstoffs, der die günsti-gen Materialeigenschaften desBetons mit denen der techni-schen Textilien kombiniert.

Weitere Beiträge in diesenRWTH THEMEN sind:

Ein Beitrag über die „aachenpolymer chain“, die eine Arbeits-gruppe des Werkstoff-Forumsist. In ihr finden sich praktischalle Forschungsfelder, die denProzess der Erzeugung und Ver-arbeitung von Polymerwerkstof-fen betreffen.

Der Beitrag „Gemeinsam for-schen in Stahl und Glas“ zeigteinen Überblick über die Historieund die Projekte des im Novem-ber 2002 neu eröffneten Zen-trums Metallische Bauweisen(ZMB).

Die Arbeiten des Kompetenz-zentrums für Prozesssimulation„SimPRO“ auf dem Gebiet derSimulation verschiedenster Ar-beitsprozesse an den Werkstof-fen Metall, Kunststoff, Keramikund den nötigen Folgeverfah-ren, wie Schweißen, Schneiden,Sintern, Fügen, Oberflächenbe-handlung und Beschichte wer-den in dem Beitrag, „Rüstzeugfür die Materialien von mor-gen“ dargestellt.

Der Beitrag „Die Nanotech-nologie in der Werkstofffor-schung – Kleiner Maßstab mitgroßen Auswirkungen“ gibt ei-nen Überblick über Aktivitätendes im Februar 2002 gegründe-ten NanoClubs. Der NanoClubist eine Kompetenz- und Kom-munikationsplattform zur syner-getischen Bündelung der Aktivi-täten im Bereich der Nanowis-senschaften und der Nanotech-nologie an der RWTH Aachen.

Der Beitrag über die „Charak-terisierung fadenkontaktierenderMaschinenelemente“ beschäf-tigt sich mit der Vorhersage derKennwerte von fadenkontaktie-renden Elementen in Textilma-schinen.

Die Aktivitäten der AachenComposite Engineers (ACEs),eine Arbeitsgruppe des Werk-stoff-Forums, werden in demBeitrag „Kompetenznetzwerkfür Faserverbundwerkstoffe“vorgestellt. Die Aachen Compo-site Engineers beschäftigen sichmit der Weiter- und Neuent-wicklung von Faserverbund-kunststoffen, welche wie kaumein anderer Werkstoff ein enor-mes Leichtbaupotenzial, also einHöchstmaß an mechanischenEigenschaften bei gleichzeitiggeringem Gewicht, besitzen.

Ernst Schmachtenberg

Schwerpunkte und Trends in der WerkstofftechnikFächerübergreifende, interdisziplinäre Forschung an der RWTH Aachen

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Der Beitrag zum werkstoff-kundlichen Studien- und Lehr-angebot zeigt die vielfältigenMöglichkeiten eines werkstoff-kundlichen Studiums an derRWTH Aachen.

In dem Beitrag „Die Schüler-wettbewerbe des Werkstoff-Forums“ werden diese jährlichstattfindenden Wettbewerbevorgestellt.

Der Beitrag „Was ist eigent-lich ein Hochleistungsmetall?“zeigt die Aktivitäten des For-schungsnetzwerks für innovativeHochleistungswerkstoffe. Einerder Forschungsschwerpunktedes Netzwerks für die Zukunftbildet der Werkstoff Titan, derhohe mechanische Festigkeit –ähnlich wie Stahl – mit deutlichniedrigerem spezifischen Ge-wicht und hoher Korrosionsbe-ständigkeit kombiniert.

Der Artikel „Retina Implan-tat – Stand der Forschung inDeutschland“ gibt einen Über-blick über Behandlungsmöglich-keit der Augenerkrankung Reti-nitis pigmentosa mit einem Reti-na-Implantat.

Der Beitrag über die „Regene-ration von Zahnbetterkrankun-gen“ zeigt die Möglichkeiten derTherapie von Zahnbetterkran-kungen mit Hilfe von resorbier-baren Polymeren als Träger the-rapeutischer Substanzen.

In dem Beitrag „Die richtigeOberfläche – Der Schlüssel zumErfolg“ wird ein Überblick überdie experimentelle Entwicklungund Simulation von innovativenBeschichtungsprozessen gege-ben.

Der Artikel „Kernspintomo-graph im Taschenformat“ be-schäftigt sich mit dem zerstö-rungsfreien Prüfen mit magneti-scher Resonanz für die unter-schiedlichsten Anwendungsge-biete und Materialien.

In dem Beitrag „Bakterien inkeramischen Funktionshohlräu-men“ werden die Möglichkeitender Immobilisierung von aero-ben Mikroorganismen durch dieEntwicklung einer hinsichtlichder Sauerstoffversorgung opti-mierten keramischen Träger-struktur gezeigt.

Der Beitrag „Zellulare Werk-stoffe“ aus der ArbeitsgruppeWerkstoffverbunde zeigt denBrückenschlag zwischen hohenFestigkeiten bei gleichzeitig ge-ringem Gewicht von Metall-schäumen, keramischen Struk-turen und Polymerschäumen.

Der Beitrag „ADI – ein hoch-wertiger Gusseisenwerkstoff mitLeichtbaupotenzial“ gibt einenÜberblick über die Eigenschaftenund die gleichzeitig hohen An-forderungen an die Zerspan-technik für diesen Konstrukti-onswerkstoff.

Wegen der Vielfältigkeit der For-schungsthemen mit werkstoff-technischem Bezug kann in die-ser Ausgabe der RWTH THEMENnur beispielhaft berichtet werden.Dabei haben wir versucht, dieBreite der Werkstoff-Forschungan der RWTH Aachen darzustel-len. Leider konnten nicht alleAspekte berücksichtigt werden,die bei Redaktionsschluss vor-lagen, aber wir dürfen schonhier versichern, weitere Heftezur Werkstoff-Forschung an derRWTH Aachen werden folgen.Allen, die am Zustandekommendieses Themenhefts mitgearbei-tet haben, sei an dieser Stellefür ihr Engagement sehr herz-lich gedankt.

Autor:

Univ.-Prof.Dr.-Ing. ErnstSchmachtenberg ist Inhaber desLehrstuhls für Kunststoff-Werk-stofftechnik und Sprecher desWerkstoff-Forums.

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Harald Cremer

Die Schülerwettbewerbe des Werkstoff-Forums

„Schnupperforschung“ weckt Begeisterung für das Studium

m das Interesse an mate-rial- und werkstoffwis-senschaftlichen Fragestel-

lungen bei Schülern und Schüle-rinnen zu wecken, veranstaltetdas Werkstoff-Forum seit demWintersemester 2000/01 jähr-lich einen Wettbewerb zum The-ma Werkstoff-Forschung. Miteinem selbst gewählten Themaaus der Welt der Werkstoffekönnen Schüler und Schülerin-nen der Jahrgangsstufen 10 bis13 ihre Teilnahme an dem Wett-bewerb in der Geschäftsstelle desWerkstoff-Forums anmelden.Die Schülerinnen und Schülererhalten so die Möglichkeit,einen Einblick in die werkstoff-wissenschaftliche Forschung zubekommen. Dabei verfolgt derWettbewerb das Ziel, jungenMenschen durch diese „Schnup-perforschung“ eine Orientier-ungshilfe für die spätere Berufs-wahl zu geben.

Um das Interesse zu wecken,werden Schulen in ganz Nord-rhein-Westfalen und den angren-zenden belgischen und nieder-ländischen Gemeinden ange-schrieben. Neben Einzelperso-nen haben auch ganze Klassenund Kurse die Möglichkeit, amSchülerwettbewerb teilzuneh-men.

Zur Unterstützung bei wis-senschaftlichen Fragestellungenbekommt jedes Team einen Be-treuer aus der Hochschule zurSeite gestellt. Die Betreuer ste-hen den Teams mit Rat und Tatzur Seite und ermöglichen ihnendie Durchführung von Versuchenin den Instituten der RWTH Aa-chen. Somit stehen den jungenForschern die vielfältigen Mess-apparate und das Know-howder Hochschule zur Verfügung.

Am Anfang eines jeden Schü-lerwettbewerbs steht eine Auf-taktveranstaltung, zu der dieTeams an die RWTH eingeladenwerden und ihre Betreuer ken-nen lernen. Bei den anschließen-den Besichtigungen in den Insti-tuten des Werkstoff-Forums er-leben die Schüler „Wissenschaftlive“.

Den Schülerteams stehennun zur Bearbeitung ihres The-mas cirka fünf Monate zur Ver-fügung. In dieser Zeit gilt es, dieselbst gestellte Aufgabe mit vielEngagement wissenschaftlich so-wie originell und mit Phantasiezu bearbeiten. Nach der Abgabeder Arbeiten erfolgt die Bewer-tung durch eine Jury, die sich

aus Professoren der Hochschulezusammensetzt.

Die eingereichten Arbeitenzeigen ein großes Spektrum aninteressanten Fragestellungenaus der Werkstofftechnik undbetreffen verschiedenste Mate-rialien wie Metalle, Kunststoffe,Biomaterialien und Verbund-werkstoffe.

So beschäftigte sich der Sie-ger des ersten Wettbewerbsvom Aachener Inda-Gymnasiumin seinem Forschungsprojekt„Festplatte contra CD-Rewrita-ble: Welches Medium ist der op-timale Massenspeicher hinsicht-lich Kapazität und Übertragungs-leistung?“ mit der Frage, wieweit die Kapazität und Geschwin-

digkeit von Festplatten nochvergrößert werden kann – undgewann damit den ersten Preis.

Zwei Schüler des Gymnasi-ums der Stadt Würselen wurdenfür ihre Arbeit „Biopolymereund ihr Abbau“ mit dem zwei-ten Platz ausgezeichnet. Sie be-schäftigten sich mit den Abbau-möglichkeiten von Kunststoffeninsbesondere durch Schimmel-pilzkulturen und durch Mikroor-ganismen im Kompost.

Der dritte Preis beim erstenSchülerwettbewerb wurde vonder Jury zweimal vergeben: einSchülerteam von der Mies-van-der-Rohe-Schule in Aachen ana-lysierte die „Haltbarkeit undSchmiedbarkeit von Renneisen“.Das Team vom Berufskolleg fürGestaltung und Technik derStadt Aachen beschäftigte sichmit der „Verwertung von Mobil-telefonen zu Toilettendeckeln“.

Auch beim zweiten Schüler-wettbewerb des Werkstoff-Fo-rums wurden wieder viele span-nende Themen aus der Welt derWerkstoffe bearbeitet. So er-forschte das vierköpfige Teamdes Kölner Albertus-Magnus-Gymnasiums „Membranen undAufbauten für SchülerInnenex-perimente – Brennstoffzellen imLow-Cost-Experiment“ underrang damit den ersten Platz.Sie hatten sich die Aufgabe ge-stellt, mit den in jedem Hobby-labor zugänglichen Ressourceneine funktionsfähige Brennstoff-zelle zu konstruieren, derentransparente Bauweise zugleichdie Wirkungsweise einer Brenn-stoffzelle unmittelbar erkennenlässt.

Den zweiten Preis gewannein Team aus Bochum mit derBearbeitung des Themas „Her-stellung und Schmiedbarkeit vonRenneisen“.

Hier wurde anschaulich dar-gestellt, wie die alten Germanenund Römer ihr Eisen zur Herstel-lung ihrer Schwerter erzeugten.Außerdem wurde ein Überblicküber die historische Entwicklungder Eisen- und Metallherstellungvon der Antike bis zur Gegen-wart gegeben und von den Schü-lern selbst ein „Rennofen“ inForm eines kleinen Vulkansnachgebaut, um dort das Eisenaus dem Erz zu gewinnen.

Die „Einarbeitung eines fes-tigenden Gewebes in (brüchige)Werkstoffe“ war das zentraleThema des Teams vom Kreis-gymnasium Heinsberg. Sein Ziel

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war es, einen Verbundwerkstoffherzustellen, dessen Eigenschaf-ten sich durch eine größere Fest-igkeit und eine kostengünstigereProduktion als die des Aus-gangswerkstoffs auszeichnet.Die Schüler wählten als Träger-material ein Bauschutt-Zement-Gemisch, in das Aluminiumstrei-fen eingearbeitet wurden. ZurBestimmung der Festigkeit deshergestellten Verbundmaterials,wurden die Kennwerte des Aus-gangsmaterials mit dem des her-gestellten Verbundwerkstoffs im3-Punkt-Biege-Zug-Versuch ver-glichen. Die Jury honorierte dieinnovative Idee mit dem 3. Preis.

Inzwischen läuft die dritteRunde des Schülerwettbewer-bes, bei dem Preise von insge-samt 3.500 Euro ausgelobt sind.Auch in diesem Jahr gab es wie-der viele Anmeldungen zu denunterschiedlichsten Werkstoff-Themen wie zum Beispiel:

Damast – Dichtung undWahrheit; Materialanalyse undVergleich im historischen Kontext

Herstellung eines stromleit-fähigen Polymers und Untersu-chung seiner Eigenschaften

Herstellung von biologischabbaubarem Schaumstoff

Warum verlieren „TesaPowerstrips“ nach dem „Zie-hen“ ihre Klebefähigkeit?

„Ultraschnelle“ Legierungenfür die optische Datenspeiche-rung

Auf den Spuren der altenÄgypter – Die Batterie von Bag-dad

Diese zahlreichen Anmel-dungen zeigen erneut das Inte-resse junger Menschen an For-schung und Wissenschaft. Durchden Wettbewerb gelingt es, dieSchranken zwischen der heran-wachsenden nächsten Generati-on und der Wissenschaft abzu-bauen und die Hochschule alsTeil einer innovativen Gesell-schaft zu erfahren. Dabei sollteherausgehoben werden, dassdies nur durch das zusätzlicheEngagement vieler Wissen-schaftlicher Mitarbeiter der be-teiligten Fachgebiete möglich ist,die sich neben ihren täglichenDienstaufgaben für den Schüler-wettbewerb engagieren. Nichtzuletzt auch geht der Dank andas Rektorat und den Vereinder Freunde und Förderer derRWTH Aachen, proRWTH, so-wie an die Degussa AG, die sichan den Preisgeldern maßgeblichbeteiligen.

Autor:

Dipl.-Ing.Harald Cremer istGeschäftsführer des Werkstoff-Forums.

Bild 1: Schülerin beim Drei-Punkt-Biegeversuch währenddes 2. Schülerwettbewerbs.

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Die werkstoffkundlichen Studien-und Lehrangebote an der RWTH

Ein breites Angebot verhilft zu hoch qualifizierten Abschlüssen

ie Möglichkeiten eineswerkstoffkundlichen Stu-diums an der RWTH sind

sehr umfangreich. Im Folgendensollen exemplarisch vier werk-stoffkundliche Studiengänge ander RWTH Aachen vorgestelltwerden.

I. MaterialwissenschaftenIm Wintersemester 1999/2000wurde zum ersten Mal der inter-disziplinäre Studiengang „Mate-rialwissenschaften“ an derRWTH angeboten. Der neueStudiengang, der gemeinsamvon der Fakultät für Mathema-tik, Informatik und Naturwissen-schaften, der Fakultät für Ma-schinenwesen, der Fakultät fürBergbau, Hüttenwesen undGeowissenschaften sowie derFakultät für Elektrotechnik undInformationstechnik getragenwird, führt nach sechs Semes-tern zum ersten berufsqualifi-zierenden Abschluss, dem Bach-elor. Ziel des Studiengangs istes, die naturwissenschaftlichenGrundlagen mit einer ingenieur-wissenschaftlichen Ausbildungim Hinblick auf die Entwicklungneuer Materialien mit maßge-schneiderten Eigenschaften zuverbinden. Durch das angestreb-te solide Grundlagenwissen imBereich der Materialwissenschaf-ten ergeben sich gute Einstiegs-möglichkeiten für Tätigkeiten inIndustrie und Forschungsinstitu-ten. Dabei liegen die Tätigkeits-felder im Bereich der Herstel-lung, Verarbeitung, Anwendungund Optimierung von leistungs-fähigen Materialien.

Nach erfolgreichem Ab-schluss eines Bachelorstudiumsoder einer gleichwertigen Quali-fikation besteht seit dem Win-tersemester 2000/2001 an derRWTH die Möglichkeit, sich fürden viersemestrigen Masterstu-diengang „Materialwissenschaf-ten“ einzuschreiben. Neben ei-nem gemeinsamen Kernbereichmit Schwerpunkten auf dem Ge-biet der Simulation und Model-lierung sowie den analytischenMethoden erfolgt eine Speziali-sierung mit Anwendungsbezugim Rahmen von vier möglichenVertieferrichtungen: Elektroni-sche und optische Materialien,Mikro- und Nanotechnologie,Konstruktionswerkstoffe sowieOberflächentechnik und Kataly-se. Die Absolventen des Master-studiums sind zur Promotion be-rechtigt.

Weitere Informationen sindim Internet unter http://www.rwth-aachen.de/matwiss/index.html abrufbar.

Ihre Ansprechpartnerin fürden Studiengang Materialwis-senschaften ist Dr. rer.nat.Myrjam WinningInstitut für Metallkunde undMetallphysik Telefon 02 41/80-68 63/-68 99Telefax 02 41/88 88 301e-mail: [email protected]

II. Metallurgie und Werkstoff-technikDer Studiengang Metallurgieund Werkstofftechnik (MuW) istein ingenieurwissenschaftlicherStudiengang mit den Schwer-punkten Werkstofferzeugung, -verarbeitung, -modellierungund -anwendung. Neben Mate-rial- und Werkstoffkunde spielenauch Chemie, Hochtemperatur-technik und Prozesstechnik einewichtige Rolle.

AAuuffbbaauu ddeess SSttuuddiiuummssNach dem Grundstudium, indem die Grundlagen über dieBauteile maschineller Einrichtun-gen und Maschinenkunde, derChemie (anorganisch und physi-kalisch), der Elektrotechnik undelektrischer Maschinen, der Ma-thematik, der Physik und dertechnischen Mechanik vermitteltwerden, erfolgt eine fachlicheAusrichtung durch die Wahl ei-ner der folgenden Studienrich-tungen.

MMeettaalllliisscchhee WWeerrkkssttooffffeeDie außergewöhnlichen mecha-nischen und elektrischen Eigen-schaften metallischer Werkstoffemachen technischen Fortschritterst möglich. Sie sind aus derLuft- und Raumfahrt, der Elek-tro- und Fahrzeugindustrie, derChemietechnik und vielen ande-ren Bereichen als Konstruktions-und Funktionswerkstoffe nichtwegzudenken. Die Studienrich-tung „Metallische Werkstoffe“vermittelt die Grundlage für dasVerständnis der Eigenschaftenvon Metallen und macht mit mo-dernen Untersuchungsmetho-den vertraut. Die Kenntnis dergrundlegenden Mechanismenbildet die Basis für Vorhersagendes Werkstoffverhaltens sowiefür eine gezielte Beeinflussungder Eigenschaften metallischerWerkstoffe. Hiermit eröffnetsich die Möglichkeit, systema-

tisch neue Werkstoffe mit defi-nierten, maßgeschneiderten Ei-genschaften zu entwickeln.

MMiinneerraalliisscchhee WWeerrkkssttooffffeeGlas, Keramik, Zement und an-dere im Wesentlichen aus mine-ralischen Roh- oder Reststoffenhergestellte Werkstoffe spielenin vielen Anwendungsbereichenwie dem Baugewerbe, dem Ma-schinenbau, der Medizin- undUmwelttechnik sowie in der Fer-tigungstechnik und der Metall-urgie eine bedeutende Rolle. Indieser Industriebranche findenalle Prozessstufen vom Rohstoffbis zum Endprodukt unter einemDach statt, was Verständnis undBeherrschung der Abläufe vor-aussetzt. Die Studienrichtung„Mineralische Werkstoffe“ ver-mittelte Kenntnisse über die Ei-genschaften, Entwicklung, Her-stellung und Anwendung dieserbreiten Werkstoffgruppe.

PPrroozzeesssseeDie Prozesstechnik hat in dermetallurgischen und werkstoff-verarbeitenden Industrie einenüberaus hohen Stellenwert.Durch die ständige Weiterent-wicklung industrieller Prozessemüssen fortlaufend neue Fragenbeantwortet werden. Die Stu-dienrichtung „Prozesse“ siehtihren Schwerpunkt in der Ver-fahrenstechnik, also in der Er-zeugung und Verarbeitungmetallischer Werkstoffe zu Halb-zeugen und Bauteilen sowie inden Grundlagen der Prozess-und Verfahrensentwicklung undder Anlagenplanung. Allen Stu-dienrichtungen sind mehrereVertiefungsfächer als Studiums-schwerpunkte zugeordnet. Durchdie Wahl eines der nachfolgen-den Vertiefungsfächer legen dieStudierenden ihre Vertiefungs-richtung fest.

Studienrichtung MMeettaalllliisscchheeWWeerrkkssttooffffee::

MetallkundeWerkstoffwissenschaften

StahlWerkstoffwissenschaften

Nichteisenmetalle

Studienrichtung MMiinneerraalliisscchheeWWeerrkkssttooffffee::

GlasKeramikBaustoffeWerkstoffwissenschaften

Nichtmetallischer AnorganischerWerkstoffe

Studienrichtung PPrroozzeessssee::StahlmetallurgieNichteisenmetallurgieUmformtechnikGießereitechnikProzess- und Anlagentechnik

Weitere Informationen sind imInternet unter http:// www.rwth-aachen.de/MuW/ abruf-bar.

Ihre Ansprechpartner für denStudiengang Metallurgie undWerkstofftechnik sind die Fach-kräfte in der Studienberatungder Fachgruppe Metallurgie undWerkstofftechnikIntzestraße 1, 52056 AachenTelefon 02 41/80-958 59Telefax 02 41/80-922 83 e-mail: [email protected]

III. Werkstoffinformatik Der neue und ausschließlich ander RWTH Aachen angeboteneDiplomstudiengang Werkstoff-informatik vermittelt den Studie-renden die Fähigkeit, informa-tionstechnische Probleme derMaterialwissenschaften, derWerkstofftechnik und der ein-schlägigen industriellen Prozess-technik zu verstehen und mitwissenschaftlichen Methoden zubearbeiten. Mit gleichwertigenSchwerpunkten in der Informa-tik und der Werkstofftechnik ler-nen die Studierenden Aufgabenin der Entwicklung, der Anwen-dung und der Integration von in-formationstechnischen Konzep-ten im Umfeld der Werkstoff-technik selbstverantwortlich zulösen. Besonderer Wert wird ge-legt auf die Förderung naturwis-senschaftlicher und methodi-scher Denkweisen bei der Pro-blemlösung. Der Inhalt der Aus-bildung wird ausgerichtet an denaktuellen Anforderungen der na-tionalen und internationalen In-dustrie.

Das Studium ist auf einebreite Qualifizierung ausgelegt.Das erlangte Wissen befähigt zuanspruchsvollen Tätigkeiten aufdem Gebiet der Forschung undEntwicklung, in der industriellenProduktion im Bereich der Be-triebsführung, im Ingenieurwe-sen, in der Instandhaltung, Pla-nung und Qualitätsüberwa-chung.

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AAuuffbbaauu ddeess SSttuuddiiuummssDas Studium der Werkstoffinfor-matik ist gegliedert in ein vierse-mestriges Grund- und ein sechs-semestriges Hauptstudium. Da-rin integriert ist ein Praxisseme-ster, das auch im Ausland absol-viert werden kann. Jede Veran-staltung wird innerhalb einesStudienjahres abgeschlossenund studienbegleitend geprüft.

GGrruunnddssttuuddiiuummAnders als im reinen Informatik-studium beinhaltet bereits dasGrundstudium umfassende na-turwissenschaftliche und techni-sche Module1. Die Informatikausbildung2. Die naturwissenschaftliche

Ausbildung 3. Die ingenieurwissenschaftli-

chen Grundlagen

HHaauuppttssttuuddiiuummDas Hauptstudium umfasst ne-ben den Pflichtfächern auchWahlpflichtfächer im Umfangvon zwölf Semesterwochenstun-den (SWS), freie Wahlfächer imUmfang von 18 SWS, ein Pro-jektierungspraktikum und eineDiplomarbeit.

Die Wahlpflichtfächer kön-nen aus einem Katalog gewähltwerden. Mit ihnen können dieStudierenden ihre Kenntnissewahlweise in den BereichenWerkstoff- und Prozesstechnik,Modellbildung, Simulation oderindustrielle Informationstechnikvertiefen.

Die Grundlagenausbildungwird nicht mit dem Grundstudi-um abgeschlossen, sondern imHauptstudium fortgesetzt. Hin-tergrund ist eine frühzeitige undlangfristige Verzahnung mit an-wendungsorientierten Fächern.Im Unterschied zur gängigen In-formatik und zur ComputationalEngineering Science gliedernsich die Fächer der Werkstoffin-formatik in sechs verschiedeneModule: 4. Informatik 5. Mathematik 6. Werkstoff-und Prozesstechnik7. Modellbildung8. Simulation9. Industrial IT

Weitere Informationen sind imInternet unter http://www.werkstoffinformatik.rwth-aachen.de abrufbar.

Ihr Ansprechpartner für denStudiengang Werkstoffinforma-tik ist Univ.-Prof.Dr.-Ing.Ulrich Epple Turmstraße 46, 1. Etage, R105,52064 Aachen Telefon 02 41/80-943 39Telefax 02 41/80-922 38e-mail: [email protected]

IV. WerkstofftechnikDie Vertiefungsrichtung Werk-stofftechnik kann von allen Stu-dierenden des Maschinenbau-studiums belegt werden. Sie istan alle gerichtet die an der„Hochzeit der Werkstoffe“ undan der Lösungsfindung und tech-nischen Umsetzung von an-spruchsvollen Aufgabenstellun-gen mitwirken wollen.

Unter „Hochzeit der Werk-stoffe“ verstehen wir, wennmindestens zwei Werkstoffpart-ner unter Wahrung ihrer Vortei-le in einer technisch anerkann-ten Funktionseinheit lösbar oderuntrennbar zusammenfinden.Der Brückenschlag zwischen denWerkstoffgruppen Metalle, Ke-ramiken und Kunststoffe – derEhering sozusagen – sorgt fürden Austausch von Kraft, Wär-me, Stoff und Elektrizität undbündelt die Vorteile in makro-skopischen und mikroskopischenWerkstoffverbunden.

Die genartige Verschmel-zung zu mikroskopischen Ver-bundwerkstoffen ermöglicht Ab-kömmlinge mit maßgeschnei-derten Eigenschaften für Her-stellung, Anwendung, Recyclingund Entsorgung. Jeder der Part-nerwerkstoffe ist bestrebt, amattraktivsten zu bleiben oder zuwerden und treibt so die Werk-stoffentwicklung wellenartig vo-ran.

Nur die Kombination vonmaßgeschneiderten Werkstof-fen, werkstoffgerechter Kon-struktion und Verbindungstech-nik, qualitätsgesicherter Ferti-gung und anwendungsorientier-ter Prüftechnik hat Aussicht auftechnischen und wirtschaftlichenErfolg.

Diesem Umfeld entsprech-end haben wir die Vertieferrich-tung Werkstofftechnik struktu-riert. Da wir nicht nur an derGenerierung, sondern insbeson-dere an der Umsetzung von in-novativen Ganzheitslösungeninteressiert sind, haben wir dieWerkstofftechnik in der Studien-richtung Produktionstechnik an-gesiedelt.

Ihre Ansprechpartner für dieVertiefungsrichtung Werkstoff-technik sind:

Studienrichtungsbetreuer Pro-duktionstechnik: Univ.-Prof.Dr.-Ing. Fritz KlockeUniv.-Prof.Dr.-Ing.Horst R.Maier (Vertreter)Dipl.-Ing.Tobias Schröder Telefon 02 41/80-277 37

Vertiefungsrichtungsbetreuer:Univ.-Prof.Dr.-Ing.Horst R.MaierDipl.-Ing. Isabelle SüdmeyerTelefon 02 41/80-967 03 ●

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Alexander Horn, Ernst Wolfgang Kreutz, Reinhart Poprawe, Marc Talkenberg, Ralph Wagner, Jens Willach

Licht verdrängt Strom in der ProduktionLaserstrahlung als universelles Werkzeug im 21. Jahrhundert

OOppttiisscchhee TTeecchhnnoollooggiieennDas 21. Jahrhundert wird dasJahrhundert des Photons. Alssolches wurde es vom Bundes-ministerium für Bildung und For-schung (BMBF) und dem VereinDeutscher Ingenieure (VDI) inder Deutschen Agenda „Opti-sche Technologien für das 21.Jahrhundert“ ausgerufen, nach-dem im 20. Jahrhundert dasElektron im Mittelpunkt ange-wandter Forschung stand unduns die Kommunikationstechno-logien und den Computer ge-bracht hat. Neben dem IT-Spe-zialisten wird in Zukunft der OT-Experte in nahezu allen techni-schen Bereichen gefragt sein.Umsatz, Beschäftigtenzahlenund Wachstum dieser Branchesprechen deutlich dafür. Womitgesagt ist, dass die optischenTechnologien dieses neue Jahr-hundert ganz wesentlich bestim-men werden.

Der Einsatz von Licht treibtimmer stärker Innovationen inder Wirtschaft voran. Die opti-schen Techniken werden immerbreiter genutzt: Von den Laser-strahlen in der Materialbearbei-tung und Medizin über die Glas-faserleitungen und optischen Da-tenspeicher bis hin zu neuen,Energie sparenden Beleuchtungs-techniken.

Viele optische Bauteile mitden unterschiedlichsten Funktio-nen wie Schalter oder Verstärkersind bereits heute vorhandenund neue werden hinzukom-men. Analog zur Entwicklungder Mikroprozessoren werden je-doch viele Möglichkeiten erstdurch Miniaturisierung und Inte-gration der existierenden undzukünftigen Funktionselementeerschlossen.

MMiikkrrootteecchhnniikkAm Lehrstuhl für Lasertechnikder RWTH Aachen werden Ver-fahren entwickelt, Licht in Wel-lenleitern auf einem flachen Trä-germaterial zwischen optischenFunktionselementen zu leiten –ähnlich wie elektrische Leiter-bahnen und Bauteile auf einemMikrochip oder einer Computer-platine.

Dabei gibt es zwei Ansätze:(1.) Die Lichtleiterbahnen wer-den entweder direkt mittels La-serstrahlung in das Volumeneines transparenten Materialsgeschrieben oder (2.) vergleich-bar mit dem Platinenätzen wer-den freistehende Lichtwellenlei-

terbahnen mit Laserstrahlungaus einer Schicht auf einem Trä-ger ausgeschnitten.

(1.) Zur Herstellung von Wel-lenleitern in transparentem Ma-terial (zum Beispiel BK7 Glasoder Quarzglas) verwendet manLaserstrahlung mit einer Puls-dauer von cirka 100 Femtose-kunden (1fs=10-15s), welchestark fokussiert das Material irre-versibel modifiziert. Durch Än-derung von Bindungszuständenin der Glas-Matrix vergrößertsich das Volumen im bestrahltenBereich. Der Brechungsindexwird dadurch verändert und lei-tet entsprechend der induziertenÄnderung die optische Strah-lung.

Beim Fokussieren der ultra-kurz gepulsten Laserstrahlung intransparenten Werkstoffen wirddas Material aufgeheizt und in-nerhalb von wenigen Pikose-kunden bildet sich ein dichtesPlasma aus. Sind die entstehen-den Drücke zu groß, so reißt dasMaterial und eine Druckwelle,welche sich mit cirka 7000 m/sausbreitet, entsteht (Bild 1).

(2.) Ein Substrat wird mittelsPulsed Laser Deposition (PLD)mit einer 1-2µm dicken lichtleit-fähigen Schicht, zum Beispiel Li-thiumniobat (LiNbO3 ), verse-hen. Bereiche davon werden mitFemtosekundenlaserstrahlungabgetragen, so dass der lichtlei-tende Wellenleiter frei stehenbleibt (Bild 2).

Durch geeignete Kombinati-on von Lichtwellenleitern ausunterschiedlichen Materialienund elektrischen Schaltkreisenkönnen voraussichtlich in eini-gen Jahren elektrooptische Kom-ponenten gefertigt werden, sozum Beispiel schnell schaltbarekurzgepulste Platinenlaser mitunterschiedlichen Wellenlängen– mit den sich daraus ergeben-den Möglichkeiten für die nochfernen mit optischer Strahlungbetriebenen Computer.

MMiikkrroossttrruukkttuurriieerruunnggPhotosensitive Gläser setzen sichaus einer Vielzahl von polyva-lenten Ionen zusammen. DieGlasbasismischung besteht ausSilizium-, Aluminium- und Lithi-umoxid. Durch Beimischen vonAlkali- und Erdalkalioxiden kanngezielt die Koordination und dieAnordnung polyvalenter Ionengesteuert werden. Um photo-sensitives Glas zu erhalten, wer-den schließlich kleine Konzentra-

Bild 1: Risse in BK7 Glas undSchockwellenausbreitung vorund während der Bestrahlung.

Bild 2: Freistehender Wellenlei-ter (Rasterkraftmikroskopie) aufeinem planaren Substrat(LiNbO3 auf Glas).

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Zur genauen Herstellung vonMikrobohrungen setzt das ILTein Fünf-Achsen-Positionier-system ein. Mikrostrukturenbeliebiger Geometrie und Nei-gung lassen sich so erzeugen.

Foto: Peter Winandy

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tionen von Metall und Selten-Erd-Ionen der Schmelze beige-mischt. Photosensitives Glas be-sitzt außergewöhnliche me-chanische, thermische und opti-sche Werkstoffeigenschaftenwie große Härte, chemische Be-ständigkeit sowie optische Trans-parenz und eignet sich hervorra-gend zur Herstellung von Struk-turen im Mikrometerbereich mitgroßen Aspektverhältnissen(Strukturtiefe : Strukturbreite)und kleinen Wandneigungen. Ineinem dreistufigen fotografi-schen Herstellungsprozess wirddas Glas selektiv belichtet, dielatente Struktur mittels Wärme-behandlung entwickelt undschließlich in einem Säurebadfixiert.

Typische Anwendungsberei-che mikrostrukturierter photo-sensitiver Gläser sind beispiels-weise die Mikrotechnologie unddie Luft- und Raumfahrttechnik.

Laserbestrahlung verändertdie Absorption, Brechzahl, Farbeund Struktur der Gläser. Hierspielen atomare Eigenschaftenvon polyvalenten Cer- und Sil-ber-Ionen und Zink- und Anti-mon-Ionen eine entscheidendeRolle, aber auch die Laserwel-lenlänge und die Laserpulsener-gie. Cer-Ionen geben bei UV-Laserbestrahlung Elektronen ab,die von elektrostatischen Haft-zentren (Defekten) im Glas ein-gefangen und festgehalten wer-den. Die in den Haftzentren ein-gefangenen Elektronen erzeu-gen visuell milchigtrübe Glasbe-reiche und Veränderungen derAbsorption. Durch kurzzeitigeErwärmung das Glases werdenunter anderem die Haftzentrengeöffnet. Die diffundierendenLadungen reduzieren einwertigeSilber-Ionen und bilden zusam-men elektrisch neutrale Silbera-tome. Weitere Erwärmung führtdie Silberatome im Glas zu Na-no-Partikeln zusammen. Die Sil-ber-Nano-Partikel erzeugen vi-suell auch eine Gelbfärbung derbestrahlten Bereiche und bildenKeime für die nachfolgendeKristallitbildung (Lithiummeta-silikat). Der Wechsel von deramorphen Glasphase zur kristal-linen Phase führt zur dramati-schen Änderung der Dichte unddes Ausdehnungskoeffizienten.Mittels isotropen chemischenÄtzens werden schließlich die la-serbestrahlten und wärmeent-wickelten strukturierten Bereichemit zwanzig- bis fünfzigfach grö-

ßerer Geschwindigkeit geätzt alsdie unbelichtete, umgebendeGlasphase. Das Ergebnis sind:Mikrostrukturen (Sacklöcher, Ka-näle) mit großen Strukturtiefenund kleinen Strukturbreiten so-wie mit kleinen Ätzwinkeln fürdie Mikrotechnologie.

EEnneerrggiieetteecchhnniikkHerausforderungDie Schonung der natürlichenRessourcen ist bei der Bereitstel-lung elektrischer Energie eineder wichtigsten Herausforderun-gen der Zukunft. Ein wesentli-cher Beitrag kann durch die Stei-gerung der Effizienz von Kraft-werken und hier insbesonderevon Kombi-Kraftwerken geleis-tet werden.

Heute erzielen modernekombinierte Gas- und Dampf-turbinen-Kraftwerke bei Feue-rung mit Erdgas Gesamtwir-kungsgrade von 58 Prozent. Da-bei werden mit etwa 1230 GradCelsius in Gasturbinen und ma-ximal 600 Grad Celsius inDampfturbinen bereits Tempe-raturen erreicht, die die Belas-tungsgrenzen der eingesetztenWerkstoffe überschreiten, sodass nur über komplexe Kühl-verfahren und anspruchsvollekonstruktive Lösungen ein si-cherer und langlebiger Betriebder Anlagen möglich ist.

Der Sonderforschungsbe-reich 561 „Thermisch hochbelas-tete, offenporige und gekühlteMehrschichtsysteme für Kombi-Kraftwerke“ hat sich zum Zielgesetzt, durch interdisziplinäreForschung, an der Strömungs-fachleute, Strukturmechaniker,Werkstoffwissenschaftler undFertigungstechniker beteiligtsind, die technischen und wis-senschaftlichen Grundlagen zuschaffen, um in einem Kombi-Kraftwerk der Zukunft ab etwadem Jahre 2025 Gesamtwir-kungsgrade von rund 65 Pro-zent zu erreichen. Dazu werdenTurbineneintrittstemperaturenvon etwa 1500 Grad Celsiusangestrebt.

KonzeptDamit Turbinenkomponentendieser Temperaturbelastungstandhalten können, muss ne-ben der Entwicklung hochtem-peraturbeständiger Werkstoffeund dem Einsatz von kerami-schen Wärmedämmschichtenvor allem eine effiziente Küh-lung der Komponenten erreicht

Optische Energie der fokussier-ten Laserstrahlung lässt Metallschmelzen und verdampfen.Hiermit können zum Beispielbeim Trepanieren durch kreisför-miges Schneiden Kühlbohrungenvon 200 Mikrometer Durch-messer in bis zu fünf Millimeterdickes Metall geschnitten werden.

Foto: Peter Winandy

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EMEN werden. Zurzeit werden 0,75

Kühlbohrungen pro Quadrat-zentimeter mit einem Durch-messer von cirka 0,8 Millimeternin die hochbelasteten Kompo-nenten eingebracht. Im Betriebströmt Gas als Kühlmedium ausden Bohrungen und bildet einenschützenden Film zwischen Ma-terial und verbranntem Heißgas.Zur Realisierung einer Effusions-kühlung soll die Bohrungsdichteauf 100 Bohrungen pro Qua-dratzentimeter erhöht und derDurchmesser auf 200 Mikrome-ter reduziert werden. Ähnlichwie beim Transpirieren aus Po-ren der menschlichen Haut wer-den minimale Kühlmengen ausder Oberfläche der Turbinen-schaufel abgegeben.

Hierzu wird das Bohren der200 Mikrometer großen Kühl-bohrungen mit Festkörperlaser-strahlung mit Pulsdauern von100-500 Mikrosekunden unter-sucht. Beim Perkussionsbohrenwerden mit gepulster Laser-strahlung bei bestimmter Wie-derholfrequenz mehrere Pulseauf dieselbe Stelle eingestrahlt,bis ein cirka 80 Mikrometergroßes Durchgangsloch ent-steht. Der Schmelzaustrieb er-folgt dabei nach oben entgegender einfallenden Laserstrahlung.Danach wird durch kreisförmi-ges Schneiden (Trepanieren) aufden Solldurchmesser von 200Mikrometer aufgeweitet. Dabeierfolgt der Schmelzaustrieb auseiner offenen Fuge nach untenund reduziert die Ablegung dererstarrten Schmelze auf derOberfläche. Vorteil des Trepa-nierens sind flexible und gut re-produzierbare, durchflussbestim-mende Bohrungsdurchmesser.Bei einer Materialdicke von 2,5Millimetern, die bei bis zu 60Grad geneigten Bohrungen aufeffektiv fünf Millimeter ansteigt,und einer Schnittfugenbreite vonnur 60 Mikrometern müssenbeim Schmelzaustrieb ähnlichwie bei der Strömung in einemStrohhalm rückhaltende Ober-flächenkräfte überwunden wer-den. Zur Unterstützung desSchmelzaustriebes und damitzur Steigerung der Effizienz wirdein Prozessgasstrahl koaxial zurLaserstrahlung eingesetzt.

Um einen flächendeckendenthermischen Schutz der Turbi-nenkomponenten sicherzustel-len und den wirkungsgradmin-dernden Kühlmittelbedarf weiterreduzieren zu können, soll derKühlgasstrom nach dem Austre-ten aus der Kühlbohrung in ei-nem trichterförmigen Auslassaufgeweitet werden. Dazu wer-den die keramischen Wärme-dämmschichten mit Festkörper-laserstrahlung kleiner Pulsdauern(Pikosekunden) strukturiert (Bild 3). Dabei wird das Materialüberwiegend verdampft, so dasssich nur wenige Abtragprodukteauf der Turbinenschaufel abla-gern. Das verwendete Zirkon-

oxid ist säulenförmig aufgebaut.Die Säulen können bei Vibratio-nen in der Turbine gegeneinan-der abgleiten. Auf diese Weisewird vor allem beim Hochfahrender Turbine ein Abplatzen derkeramischen Wärmedämm-schichten vermieden.

Autoren:

Dipl.-Phys.Alexander Horn istWissenschaftlicher Mitarbeiteram Lehrstuhl für Lasertechnik(LLT).Dr. rer.nat. Ernst WolfgangKreutz ist Akademischer Direktoram Lehrstuhl für Lasertechnik(LLT).Univ.-Prof.Dr. rer.nat.ReinhartPoprawe M.A. ist Inhaber desLehrstuhls für Lasertechnik (LLT)und Leiter des Fraunhofer-Insti-tuts für Lasertechnik ILT.

Dipl.-Phys.Marc Talkenberg istWissenschaftlicher Mitarbeiteram Lehrstuhl für Lasertechnik(LLT).Dipl.-Phys.Ralph Wagner istWissenschaftlicher Mitarbeiteram Lehrstuhl für Lasertechnik(LLT).Dipl.-Phys. Jens Willach ist Wis-senschaftlicher Mitarbeiter amLehrstuhl für Lasertechnik (LLT).

Bild 3: Struktur eines Auslass-trichters in einer Wärmedämm-schicht (Zirkonoxid).

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Josef Hegger, Norbert Will

Textilbewehrter BetonInterdisziplinäre Entwicklung einer neuen Technologie

EinführungSeit langem bietet der zement-gebundene Beton den Bauinge-nieuren ein breites Feld von kon-struktiven Gestaltungs- und Her-stellungsmöglichkeiten. Seinegeringe Zugtragfähigkeit wirddurch eine eingelegte Beton-stahlbewehrung kompensiert. Er-setzt man die Betonstahlbeweh-rung durch die in anderen Berei-chen bereits etablierten techni-sche Textilien, entsteht der neueVerbundwerkstoff „Textilbe-wehrter Beton“ (Bild 1), dessenMaterialverhalten sowie Lang-zeitbeständigkeit noch nichtvollständig bekannt sind. Erstdie genaue Kenntnis seiner Ei-genschaften ermöglicht die Be-urteilung und Auswahl der An-wendungen bezüglich der tech-nischen Möglichkeiten, derWirtschaftlichkeit und des Inno-vationspotenzials.

Erste Ergebnisse zeigen, dassaufgrund der korrosionsbestän-digen textilen Bewehrung undder damit verbundenen gerin-gen Betonüberdeckung die Rea-lisierung dünnwandiger Bauteilemöglich ist. Filigrane Elementeaus Textilbeton stellen eine völ-lig neue Anwendung des Bau-stoffes Beton dar und erweiterndie Planungsfreiheit von Archi-tekt und Ingenieur.

Forschungsaktivitätendes SFB 532Die Entwicklung des Textilbe-tons baut auf den Grundlagendes Glasfaserbetons mit Kurzfa-sern auf und hat zum Ziel, denWirkungsgrad der in den Betoneingelegten Fasern zu steigern.Während die Kurzfasern beiGlasfaserbetonen annäherndgleichmäßig verteilt und zufälligausgerichtet sind, kann eine tex-tile Bewehrung aus Langfasern –wie bei Stahlbeton – gezielt inRichtung der Zugbeanspru-chung angeordnet werden (Bild 2).

Die mechanischen Eigen-schaften textilbewehrter Bauteilesind noch nicht hinreichend be-kannt. Bekannte Modelle ausdem Stahlbetonbau lassen sichohne zusätzliche Betrachtungennicht anwenden, da es sich beiden textilen Bewehrungssträn-gen nicht um homogene Quer-schnitte sondern um Faserbün-del handelt, die ein grundlegendanderes Verbundverhalten alsBetonstähle aufweisen.

Bild 1: Glasfasertextil und tex-tilbewehrtes Element.

Bild 2: Schematische Darstel-lung der Wirkungsweise vonTextilbeton.

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Vor diesem Hintergrundwurde die „Schaffung der tech-nisch-wissenschaftlichen Grund-lagen zur ingenieurmäßigen Ent-wicklung einer neuartigen Tech-nologie für textilbewehrte Be-tonbauteile“ als Gesamtziel desSonderforschungsbereiches 532formuliert. Um dieses Ziel zu er-reichen, sind umfangreiche Un-tersuchungen im Hinblick auf

die Auswahl und Herstellungder Ausgangsmaterialien,

die mechanische Modellie-rung des Verbundwerkstoffes,

die Dauerhaftigkeit sowiedie Produktion und Anwen-

dung erforderlich. Hiermit sind die Grundlagen fürinnovative Anwendungen unterarchitektonisch und ingenieur-mäßig kreativen Gesichtspunk-ten gegeben.

Nach Bewilligung durch dieDeutsche Forschungsgemein-schaft (DFG) hat der SFB 532„Textilbewehrter Beton – Grund-lagen für die Entwicklung einerneuartigen Technologie“ an derRWTH Aachen seine Arbeit imJuli 1999 mit zwölf Teilprojektenbegonnen, die in interdisziplinä-rer Zusammenarbeit die Berei-che Stofftechnik, MechanischeModellierung und Produktions-technik bearbeiten (Bild 3). Da-bei sind aufgrund der großenfachlichen Breite sechs Instituteaus den Fakultäten Mathematik,Informatik und Naturwissen-schaften, Maschinenwesen so-wie Bauingenieurwesen betei-ligt. So haben zunächst der Lehr-stuhl für Textilchemie und Ma-kromolekulare Chemie (TMC),das Institut für Textiltechnik(ITA), das Institut für Baufor-schung (ibac), der Lehrstuhl fürBaustatik und Baudynamik (LBB)und das Institut für Massivbau(IMB) die werkstoffbezogeneGrundlagenforschung vorange-trieben. Im Jahr 2001 wurde dasLaboratorium für Werkzeugma-schinen und Betriebslehre (WZL)aufgenommen, um die Maschi-nentechnologie zur Herstellungtextilbewehrter Bauteile zu ent-wickeln.

Die Auswahl und Charakteri-sierung geeigneter Fasermateria-lien sowie deren Weiterverarbei-tung zu Textilien konzentriertesich zunächst auf alkaliresistenteGlasfasern (AR-Glas), die ver-fügbar und im Gegensatz zu üb-lichen Glasfasern (E-Glas) in ze-mentgebundenen Matrizes lang-zeitbeständig sind. Parallel dazu

Bild 3: Struktur des SFB 532.

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EMEN wurden Feinbetone entwickelt

und Versuche an Kleinkörpernund Bauteilen aus textilbewehr-tem Beton durchgeführt. DieForschungsergebnisse verdeutli-chen, dass die Tragfähigkeit vorallem durch die Wechselwirkungzwischen innerem und äußeremVerbund der Filamentgarne –das sind chemisch-technisch er-zeugte Fasern – bestimmt wird.Der direkte Kontakt der Fila-mente mit der Betonmatrix lie-fert einerseits hohe Verbundfes-tigkeiten und ist aber anderer-seits verantwortlich für denschädigenden Einfluss der Alka-lität bei Glasfilamenten. Eskonnte gezeigt werden, dass imWesentlichen die Filamente mitdirektem Kontakt zur Matrix dasVerbundverhalten bestimmen.Die Leistungsfähigkeit des inne-ren Verbundes zwischen den Fi-lamenten ist dagegen vergleichs-weise gering.

Um die erkannten offenenThemenbereiche fachspezifischkompetent abzudecken, wurdeder SFB im zweiten Förderungs-zeitraum um fünf neue Teilpro-jekte erweitert. Die Gesamtzahlder beteiligten Forschungspart-ner erhöhte sich mit dem Lehr-und Forschungsgebiet Klebtech-nik (LKT), dem Lehrstuhl fürStahlbau (LfS), dem Geodäti-schen Institut (GIA) und demLehrstuhl für BaukonstruktionenII (Bauko II) auf zehn Institute.Im Bereich der Werkstoffe sollenneben den bisher betrachtetenMaterialien nun auch Basalt, Car-bon und Aramide eingesetztwerden. Zur Verbesserung desinneren Verbundes bieten sichOberflächenmodifizierungen derEinzelfilamente, neue Garntech-nologien sowie der Einsatz vonpolymeren Phasen zur Laminie-rung von Garnen und Textilienan. Ziel aller Maßnahmen ist dasEinstellen eines definierten Ver-bundes, der die Zugfestigkeitdes gesamten Garnquerschnittesausnutzt und ein günstiges Last-Verformungsverhalten der Bau-teile sicherstellt. Durch die Inte-gration von Teilprojekten zurMess- und Verbindungstechniksowie der Einbeziehung einesInstituts aus der Fakultät fürArchitektur werden dem Bau-stoff mittelfristig neue Einsatz-gebiete erschlossen.

Durch den Einsatz von Fein-betonen sind glatte Oberflächenund scharfkantige Profilierungenund Fugen realisierbar, die zu ei-nem völlig neuen Erscheinungs-bild von Betonflächen führen.

Die bisher vorliegenden Er-gebnisse verdeutlichen, dasstextilbewehrter Beton eine sinn-volle Alternative zu herkömmli-chen Werkstoffen darstellt. Da-bei steht nicht im Vordergrund,Stahl- oder Spannbetonkon-struktionen zu ersetzen, sondernneue Anwendungsgebiete zu er-schließen. Diese Anwendungenkönnen sowohl im klassischenBaubereich als auch im Gebietvon Verbrauchs- und Konsum-gütern angesiedelt sein. Fürsämtliche Einsätze gilt es, diegünstigen Eigenschaften vonTextilien und Beton auszunut-zen, um dauerhafte und beiHerstellung, Montage und Un-terhaltung wirtschaftliche Bauteilezu realisieren.

Autoren:

Univ.-Prof.Dr.-Ing. Josef Heggerist Inhaber des Lehrstuhls undLeiter des Instituts für Massivbausowie Sprecher des SFB 532.Dr.-Ing.Norbert Will ist Oberin-genieur im Institut für Massivbauund Koordinator des SFB 532.

Mögliche AnwendungenTextilbewehrter Beton bietet einbreites Spektrum von Anwen-dungen, entweder als Alternati-ve zu herkömmlichen Baustof-fen oder aufgrund seiner günsti-gen Eigenschaften für vollstän-dig neue Anwendungsbereiche.Eine erste Anwendung textilbe-wehrter Fassadentafeln erfolgtbei der Erweiterung der Ver-suchshalle des Instituts für Mas-sivbau der RWTH Aachen (IMB).Für die Fassadenbekleidung wer-den neuartige, textilbewehrteBetonelemente entwickelt, dieim sichtbaren Bereich als ge-schlitzte Tafeln an der Tragkon-struktion befestigt werden (Bild 4).

Bild 4: Sandwichelemente undFassadenplatten aus Textilbeton.

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EMEN

Cornel Abratis, Reiner Kopp

Gemeinsam forschen in Stahl und GlasEröffnung und Betrieb des Zentrums Metallische Bauweisen (ZMB)

m 6. November 2002 istdas Zentrum MetallischeBauweisen (Bild 1), ein

innovativer Neubau aus Stahlund Glas im Erweiterungsgebietder RWTH Aachen, feierlich er-öffnet worden. Mehr als 200Gäste aus Politik, Wirtschaft undWissenschaft nahmen an derEinweihungsfeier teil.

Das Zentrum MetallischeBauweisen (ZMB) vereint Wis-senschaftler aus den Fakultätenfür Bauingenieur- und Maschi-nenwesen sowie aus der Fach-gruppe für Metallurgie undWerkstofftechnik. Die Institutefür Bildsame Formgebung, Eisen-hüttenkunde, Kraftfahrwesen,Schweißtechnische Fertigungs-verfahren, Stahlbau und Werk-stoffwissenschaften werden ge-meinsam Projekte im Bereich dermetallischen Bauweisen bearbei-ten. Da bei den heutigen techni-schen Herausforderungen Spe-zialkenntnisse meist mehrererFachdisziplinen notwendig sind,die von einem Institut allein nichtmehr abgedeckt werden können,bündeln die genannten sechsInstitute ihre Kompetenz imZMB, um komplexe Forschungs-aufgaben zu meistern. So ent-steht auch ein neues Kompetenz-zentrum für Industrie und Hand-werk. Im Mittelpunkt der Ent-wicklungsarbeiten wird die zu-sammenhängende Prozesskettevon Herstellung, Verarbeitungund Anwendung metallischerWerkstoffe stehen.

Die Idee eines solchen Kom-petenzzentrums wurde im Werk-stoff-Forum der RWTH Aachengeboren. Während der letztenzehn Jahre sind verschiedene An-sätze für einen Neubau disku-tiert und Sponsoren gesuchtworden. Die StudiengesellschaftStahlanwendung e.V., die Stif-tung Stahlanwendungsfor-schung e.V., Sponsoren aus derIndustrie, der Bund und dasLand Nordrhein-Westfalen ha-ben schließlich den Bau einesneuen Demonstrations- undPrüfzentrums für metallischeBauweisen ermöglicht.

Im ZMB werden neben For-schungsaktivitäten auch Aus-und Weiterbildungs- sowie In-formationsveranstaltungen an-geboten. Darüber hinaus ist vor-gesehen, in Ausstellungen De-monstrationsobjekte aus For-schung und industrieller Praxisder Hochschulöffentlichkeit undexternen Fachleuten zu präsen-

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tieren. Seminare, Workshopsund Vortragsveranstaltungen fürStudierende sowie Fachleute ausIndustrie und Handwerk werdendas Angebot des ZMB abrun-den.

In praxisnahen Forschungs-projekten wird die Entwicklung,Herstellung und Prüfung inno-vativer Großbauteile aus Stahlund Stahlverbunden sowie dieEntwicklung von Leichtbaukom-ponenten für die Verkehrstech-nik betrieben. Beispielsweisesteht die Verbesserung der pas-siven Sicherheit moderner Auto-mobilkarosserien im Mittelpunkteines Forschungsprojektes desZMB, das durch die Studienge-sellschaft Stahlanwendung e.V.gefördert wird, gemeinsam mitden Firmen Muhr und BenderKG, ThyssenKrupp Stahl AG undVolkswagen AG. Bei Betrach-tung heutiger Unfallstatistikenhat die prozentuale Zahl derUnfallopfer, die durch einenseitlichen Aufprall tödlich verun-glücken, erschreckend zuge-nommen. Somit gilt das Haupt-augenmerk der Weiterentwick-lung nicht mehr allein demFrontalcrash, sondern auch demSeiten- sowie Pfahlaufprall. DieInstitute für Kraftfahrwesen undBildsame Formgebung werdenunter Beteiligung der Institute

Bild 1: Der Neubau des Zen-trums Metallische Bauweisen(ZMB).

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für Eisenhüttenkunde undSchweißtechnische Fertigungs-verfahren eine innovative Bo-denstruktur in Stahlblech-Leicht-bauweise entwickeln, fertigenund prüfen. Ziel dieses Projektesist es, die Struktur der Boden-gruppe als auch des seitlichenSchwellers so zu gestalten, dassein ausreichend großer Überle-bensraum für die Fahrzeuginsas-sen beim seitlichen Pfahlaufprallsichergestellt wird. Mittels inno-vativer Halbzeuge, Fertigungs-verfahren und Werkstoffenimmt das ZMB Veränderungenan einer marktrelevanten Roh-karosserie vor und führt Crash-tests durch. Die Ergebnisse wer-den der Öffentlichkeit im Herbst2004 vorgestellt.

Das ZMB entwickelt auchLösungen zur Verbesserung derSicherheit von Stahlschutzplan-ken im Autobahnbereich. Diedazugehörigen Untersuchungenumfassen die Bewertung desWerkstoffeinsatzes von ober-flächenveredelten Stählen sowiedie konstruktive Auslegung derStahlschutzplanke unter Berück-sichtigung verschiedener An-prallsituationen. In Simulations-rechnungen wird die Wider-standfähigkeit der Planken aufAnprall von Personen- und Last-kraftwagen mit unterschiedli-chen Geschwindigkeiten undAnprallwinkeln getestet und inrealen Versuchen verifiziert.Auch wird die Verzinkung vonwarmgewalztem Flachband undderen Korrosionsbeständigkeitim Gegensatz zur bisherigenStückverzinkung von Stahlplan-ken untersucht.

Nicht nur die Verkehrstech-nik spielt eine wichtige Rolle imZMB, sondern auch neue Ent-wicklungen im Bauwesen. Einkommendes Projekt beinhaltetForschungsaufgaben zur Kon-zeption und Fertigung solarther-mischer Kraftwerke, die der al-ternativen Gewinnung elektri-scher Energie dienen (Bild 2).Solarthermische Kraftwerke fin-den ihr Einsatzgebiet in sehrsonnenreichen Gegenden derErde. Doch bevor sie vermehrtzum Einsatz kommen können,bedarf es grundlegender Unter-suchungen in Bereichen derKonstruktion, Formgebung, Fer-tigung und Oberflächenbe-schichtung. Diese Untersuchun-gen werden aus einer Handdurch die im ZMB vertretenenInstitute erfolgen. Das ZMB leis-

tet damit einen aktiven Beitragzum Umweltschutz.

Das neue Gebäude ist auchein Demonstrationsobjekt fürinnovativen Stahlbau. Der Werk-stoff Stahl ist im Foyer sowie inden Seminar- und Büroräumenoffen zugänglich. Möglich wur-de diese Anwendung durch ei-nen neuentwickelten feuerfestenStahl, der in dieser Form erstma-lig im ZMB-Gebäude zur An-wendung gekommen ist. DieGlasfassade besticht nicht nurdurch ihr anmutendes Äußeres,sondern auch durch eine ausge-klügelte Klimatechnik, die imFoyer einen maximalen Tempe-raturunterschied von zwei GradCelsius zwischen Sommer undWinter ergibt. Neuartig und inseiner Größe einzigartig inDeutschland ist die 22 Meterlange Spannplatte in der Halledes ZMB (Bild 3). Auf ihr kön-nen Brücken, Eisenbahnwag-gons und andere metallischeBauweisen unter anderem aufBelastungen wie Biegung undTorsion sowohl statisch als auchdynamisch geprüft werden.

Mit der Einweihungsfeierwurde der Betrieb des Zentrumsdurch die sechs Institute aufge-nommen.

Autoren:

Dipl.-Ing.Cornel Abratis ist Wis-senschaftlicher Mitarbeiter imInstitut für Bildsame Formge-bung.Univ.-Prof.Dr.-Ing.Reiner Koppist Rektoratsbeauftragter für dieInterdisziplinären Foren, Dekander Fakultät für Bergbau, Hüt-tenwesen und Geowissenschaf-ten sowie Inhaber des Lehrstuhlsund Leiter des Instituts für Bild-same Formgebung.

Bild 2: Ein im ZMB entwickelterSonnenkollektor.

Bild 3: Spannplatte in der Halledes ZMB.

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Thomas Laube Wilfried Mokwa Stefanie Müller-Kämpf Horst A.Richter Thomas Schanze Uwe Schnakenberg Bernd Sellhaus Thomas Stieglitz Peter Walter

Medizinischer HintergrundRetinitis pigmentosa (RP) ist eineerbliche Augenerkrankung, beider bestimmte Bereiche der Netz-haut (Retina) degenerieren. InDeutschland leiden etwa 40.000Menschen an der noch unheil-baren Krankheit. Merkmale sindNachtblindheit, eine Einschrän-kung des Gesichtsfeldes sowiedie Verminderung des Kontrast-und Farbsehens. RP tritt bereitsim jugendlichen Alter und in denmittleren Lebensjahren auf. Be-merkenswert ist, dass bei cirka80 Prozent der RP-Patienten dieNervenzellen (Ganglienzellen) inder Netzhaut intakt sind und nur„tiefere“ Schichten geschädigtsind. Die Ganglienzellen leitendas in der Netzhaut verarbeiteteLicht als elektrisches Signal andas Zentralnervensystem (ZNS)weiter.

Ziel des Lösungsansatzes„RETINA-Implantat“ ist es, diefunktionierenden Ganglienzellenmit 3D-Mikroelektroden zu sti-mulieren. So wird ein Signal imZNS erzeugt. Das Signal in derSehrinde soll dem RP-Patienteneine visuelle Orientierung undeine grobe Identifizierung vonFormen ermöglichen.

RETINA STIMULATORAn der Entwicklung eines Retina-stimulators (RS) wird zurzeit inDeutschland, den USA und inJapan gearbeitet. In Deutschlandarbeiten zwei Gruppen an derepiretinalen (auf der Retina lie-gend) und subretinalen (zwi-schen Retina und Pigmenthe-pithel) Lösung. Das epiretinaleImplantat besteht aus einer Mi-krokamera mit einem Sender inForm einer Brille. Signale undEnergie werden elektromagne-tisch übertragen. Das Empfän-germodul ist in der hinterenKapsel des Auges in Form einerintraokularen Linse platziert.Empfängermodul, Stimulations-elektronik und Elektrodenarraymit zurzeit 25 Elektroden sindmit einem Flachbandkabel ver-bunden (Bild 1). Die optoelek-tronische Lösung, also die kabel-lose Signal- und Energieübertra-gung, ist Gegenstand der For-schung.

Der RS ist das Produkt einerachtjährigen Zusammenarbeitvon mehreren Instituten und Kli-niken. Die wichtigsten Teilvor-haben sind:

das Chipdesign von Empfän-germodul und Stimulationselek-tronik,

die Trägerstruktur aus Poly-imid,

das Elektrodenarray,die Montage- und Kapse-

lungstechnik sowiedie Implantationschirurgie.

In-vitro- und In-vivo-VersucheBBiiookkoommppaattiibbiilliittäätt:: Alle verwen-deten Materialien sind sowohlim Labor als auch im Tiermodellauf ihre Biokompatibilität undihre Langzeitstabilität getestetworden.

Die Fertigung von Funkti-onsmustern des RS ist etabliert,so dass bereits jetzt zehn Funkti-onsmuster für die Implantationin zwei Tiermodellen (Katze undSchwein) zur Verfügung stehen.Im Juli 2002 ist der erste RS inMarburg in ein Katzenauge im-plantiert worden). Nach dem Ab-klingen der akuten Reaktion aufden chirurgischen Eingriff ohneüberschießende Gewebereaktion(Fibrose), funktioniert der Stimu-lator auch noch nach sechs Mo-naten. Die ersten Humanim-

plantationen werden derzeit imZentrum für Augenheilkundeder Universität Köln vorbereitet,zurzeit werden Patienten nachgenau definierten Anforderun-gen ausgewählt.

HHiissttoollooggiiee:: Bisher sind fünfzigAugen verschiedener Spezies(Kaninchen, Katze, Schwein) mitImplantaten in Aachen histolo-gisch aufgearbeitet und begut-achtet worden (Bild 2). Durchden Einsatz neuartigen Einbet-tungsmaterials und eines Spezi-al-Mikrotommessers ist es mög-lich, die aus Gewebe, Polymer,Titanium und elektronischenChips bestehenden Präparate zuschneiden. Das histologischeVerfahren ist so weit entwickelt,dass damit das Interface zwi-schen Netzhaut und Elektroden-array auch immunhistologischbeurteilt werden kann.

BBiioocchheemmiisscchhee FFiixxiieerruunngg ddeessRReettiinnaa--SSttiimmuullaattoorrss:: Für eineoptimale Signalübertragung zwi-schen Elektroden und Ganglien-zellen ist das Elektrodenarray sozu fixieren, dass der Kontaktzwischen der Elektrode und derNervenzelle über lange Zeit sta-bil ist. Gelingt das, kann wahr-scheinlich die Lernfähigkeit derSehrinde des ZNS genutzt wer-den, ähnlich wie bei dem Coch-lea-Implantat.

Die Fixation ist ein Zwei-Stu-fen-Prozess:1. Adhäsive Befestigung mitbeispielsweise einem Fibrin-Kle-ber2. Gezielte Zellproliferation indie Poren der Silikonhülle desElektrodenarrays (vgl. RWTH-Themenheft 2/2002, S. 53).

Beim subretinalen RS ist derElektrodenchip unter der Netz-haut platziert und wird durch dieRetina fixiert. Obwohl das Mo-dul für die Energie- und Signal-übertragung auch hier auf derNetzhaut befestigt ist, sind Sig-nal- und Energieübertragung dienoch zu lösenden Aufgaben.

EExxppeerriimmeenntteellllee PPhhyyssiioollooggiiee:: FürMobilität und Orientierung desProbanden, damit er größereObjekte oder Bewegungen vonPersonen erkennen kann, ist einSehwinkel von etwa zehn Graderforderlich. Mit einem RS-Im-plantat kann wahrscheinlich eineAuflösung von einem Grad Seh-winkel erreicht werden. Trotz-dem sollten die alltäglichen Ob-liegenheiten wie Essen, Waschenoder Ankleiden damit möglichsein.

Mit der Informationstheoriesteht eine relative, neutrale Be-wertungsmethode zur Quantifi-zierung der mittels elektrischerStimulation in das Nervensystemübertragbaren Information zurVerfügung. Beim elektrophysio-logischen Ansatz sind Strom,Energie und Frequenz sowie lo-

Retina-ImplantateZum Stand der Forschung in Deutschland

Bild 1: Skizze des Retina-Stimu-lators (RS), (Quelle: Mokwa,IMS-Duisburg).

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kale Auflösung und Detektionder Signale in der Sehrinde (Cor-tex) wichtige Parameter. Derzeitwird die cortikale Auflösunggrößerer Bereiche in akuten Ver-suchen an Katzen mit feinen Na-delelektroden und auch mit op-tischen Methoden getestet. DasZiel der Simulationsversuche istes, ein Optimum zwischen denerwähnten Anforderungen zufinden. Elektrodendichte, Über-tragungsrate, Auflösung und dieanderen Kriterien sind aufeinan-der abzustimmen.

PROTOTYPINGund VERMARKTUNGTrotz der noch zu lösenden Auf-gaben ist das RS-Implantat so-weit gediehen, dass erste Hu-manexperimente wahrscheinlichnoch im Jahr 2003 vorgenom-men werden. Parallel dazu sinddas Redesign zu starten undweitere Prototypen zu fertigen.Die Phase 3 des RETINA-IM-PLANTAT-Projekts wird unterder Führung eines Industriekon-sortiums in Zusammenarbeit mitden bisherigen Forschungspart-nern im Frühjahr beginnen.Wichtige Schritte des partiellenRedesigns sind:

Optimierung der Stimulati-onsalgorithmen der Ganglienzel-len unter Beachtung der Reakti-on der Sehrinde im ZNS (Auflö-sung in Ort und Zeit, Darstel-lung von Formen und Bewegun-gen, Intensität, etc.)

neues Chipdesign von Emp-fangs- und Stimulationsmodul

Langzeitstabilität der bioche-mischen Fixation des Elektro-denarrays auf der Netzhaut.Von besonderem Interesse istdie Humanimplantation und dererste Seheindruck des Patienten.Auf der Basis der Tierexperimen-te und dem informationstheore-tischen Ansatz ist der Sehein-druck sowohl mit 100 als auchmit 500 Elektroden berechnetund simuliert worden.

VVeerrmmaarrkkttuunngg:: Der aktive RS istdas Ergebnis einer multidiszi-plinären Kooperation zwischenNaturwissenschaftlern, Ingeni-euren und Medizinern von sechsUniversitäten in Nordrhein-Westfalen und Hessen sowiezwei Fraunhofer-Instituten.

Das nächste Ziel ist, in Zu-sammenarbeit mit einem indu-striellen Partner das Retina-Im-plantat zur Marktreife zu führen.Das erarbeitete Know-how derInstitute und Kliniken wird damitdirekt zur Produktentwicklunggenutzt. Das Projektmanage-ment, die klinischen Studien unddie Vermarktung obliegen demIndustriekonsortium.

Autoren:

Dr.med.Dipl.-Ing.ThomasLaube ist Oberarzt der Abteilungfür Erkrankungen des hinterenAugenabschnitts der Univer-sitätsaugenklinik Essen.Univ.-Prof.Dr. rer.nat.WilfriedMokwa ist Inhaber des Lehr-stuhls für Werkstoffe der Elek-trotechnik I und Leiter des Insti-tuts für Werkstoffe der Elektro-technik sowie Abteilungsleiteram Fraunhofer-Institut für Mi-kroelektronische Schaltung undSysteme (IMS) in Duisburg.Dipl.-Biochem.Stefanie Müller-Kämpf ist Wissenschaftliche Mit-arbeiterin der AG Biomaterialienam Lehrstuhl für Pathologie.Dr.-Ing.Horst A.Richter ist Lei-ter der AG Biomaterialien amLehrstuhl für Pathologie.Dr. rer.nat. Thomas Schanze istLeiter der Retina-Implantat-Gruppe der AG AngewandtePhysik/Neurophysik der Univer-sität Marburg.

Dr.-Ing.Uwe Schnakenberg istAbteilungsleiter und Akademi-scher Oberrat im Institut fürWerkstoffe der Elektrotechnik.Dr.med.Bernd Sellhaus ist Lei-tender Oberarzt im Institut fürNeuropathologie.PD Dr-Ing.Thomas Stieglitz istLeiter der Arbeitsgruppe Neuro-prothetik am Fraunhofer-Institutfür Biomedizinische Technik(IBMT) St. Ingbert.PD Dr.med.Peter Walter istLeitender Oberarzt der Abtei-lung für Netzhaut- und Glaskör-perchirurgie des Zentrums fürAugenheilkunde der Universitätzu Köln.

Das Verbundvorhaben RETINA-IMPLANTAT wird vom BMBFgefördert.

Bild 2: Histologisches Präparataus dem Kaninchenauge, DieZellen sind in die Poren der per-forierten Silikon-Hülle einge-wachsen. (Quelle: AG Biomate-rialien, Pathologie Aachen).

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Wolfgang Bleck, Andreas Bührig-Polaczek, Bernd Friedrich, Reiner Kopp, Sonja Schneider, Dieter Georg Senk

Was ist eigentlich ein HDas Forschungsnetzwerk für innovative Hochleistungswerkstoffe stellt sich vor

ochleistungsmetalle sindWerkstoffe, die heute ander Spitze des technisch

Machbaren liegen und in vielenAnwendungsgebieten herausra-gende Eigenschaften zeigen.Beispiele sind hohe Festigkeitund Zähigkeit bei extremen Tem-peraturen, hohe Energieabsorp-tion bei geringem Gewicht oderLeitfähigkeit für Elektrizität undMagnetismus bei gleichzeitigerhervorragender Fügbarkeit.Durch Hochleistungsmetalle sindTechnik und Medizin in der La-ge, hohe Lebensqualität zu er-möglichen und sicher zu stellen.

In der Regel sind solche Me-talle hochlegiert. Die Basismetal-le für die Legierungen sind Ei-sen, Aluminium, Magnesium,Nickel, Kupfer, Titan und dieEdelmetalle. Erst in der Kombi-nation mit anderen chemischenElementen erhalten sie besonde-re Eigenschaften. Herstellungund Verarbeitung sind meistaufwändig und anspruchsvoll.Innovative Metalllegierungen,die maßgeschneidert neue ex-treme Eigenschaftskombinatio-nen aufweisen, werden in Aa-chen erfolgreich entwickelt. Esreicht jedoch nicht aus, einenneuartigen metallischen Werk-stoff, der durch chemische Zu-sammensetzung und Strukturgekennzeichnet ist, zu entwi-ckeln und darzustellen. Auch dieHerstellverfahren vom Aus-gangsrohstoff über Schmelz-und Legierungstechnik, Formge-bungs- und Strukturbildungs-prozesse sowie die dazugehö-rende Prüf- und Analysetechniksind bedeutsam. Weitere Aspek-te, die die Entwicklung beglei-ten, sind verantwortungsbe-wusster und nachhaltiger Um-gang mit Rohstoffen, Hilfsstoffenund das Recycling verbrauchterProdukte.

Das Netzwerk:Als neues Forschungsnetzwerkfür innovative Hochleistungsme-talle haben sich vier Institute derRWTH Aachen, angesiedelt inunmittelbarer Nachbarschaft ander Intzestraße, zusammenge-schlossen (Bild 1). Die insgesamtannähernd zweihundert Mitar-beiter aus den Instituten für Ei-senhüttenkunde (IEHK), Bildsa-me Formgebung (IBF), Metallur-gische Prozesstechnik und Me-tallrecycling (IME) und demGießereiinstitut (GI) bilden dieForschungskompetenz für Sys-

H

temlösungen. Das Netzwerk dervier prozess- und werkstofftech-nisch ausgerichteten Institute istin die Fachgruppe Metallurgieund Werkstofftechnik eingebun-den. Es besteht eine enge Zu-sammenarbeit mit den Institutenfür Metallkunde und Metallphy-sik (IMM), dem Lehrstuhl fürWerkstoffchemie (WCh) sowie

mit den Instituten für Industrie-ofenbau (IOB), für Prozessleit-technik (PLT) und für Gesteins-hüttenkunde (GHI). Über An-Institute, Spin-offs und derHochschule angegliederte Verei-ne kann auf zusätzliches Know-how zurückgegriffen werden.Innerhalb der Fachgruppe befin-den sich weitere Forschungs-

Bild 1: Struktur des Forschungs-netzwerks Hochleistungsmetalle.

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ENHochleistungsmetall?

netzwerke für Oberflächentech-nik, Werkstoff- und Prozesssi-mulation und NichtmetallischeHochleistungswerkstoffe in derEntwicklung.

Die Ausstattung:Eine einzigartige Ausstattung,die von der Schmelzmetallurgieüber unterschiedliche Gieß- undUmformanlagen zur Herstellungvon Halbzeug in verschiedenenProduktformen bis zur Fertigungvon Prinzipbauteilen reicht, er-möglicht die integrierte Behand-lung von Problemlösungen undForschungsansätzen. Mit diesemEquipment können industrielleVerfahren im Pilot- und Ver-suchsmaßstab bis zur Serienpro-duktion abgebildet werden:

Schmelzöfen in den Größen-ordnungen von 0,1 bis 1000Kilogramm mit Vakuum-,Schutzgas- und Drucktechnik fürden Hochtemperaturbereich,

ein neuer in Europa einzigarti-ger Druck-Elektroschlackeum-schmelzofen für hochreine Me-talle,

Gießanlagen für Einzelstückeund kontinuierlich geführte Er-starrungsprozesse, darunter so-wohl eine horizontale als aucheine vertikale Zweirollen-Band-gießanlage,

ein Glüh- und Tauchbeschich-tungssimulator,

eine Druckgussmaschine mitEchtzeitregelung,

Einrichtungen zum Ringwal-zen, Schmieden, Walzen,

eine Tiefziehpresse und eine Kugelstrahlanlage für die

Blechumformung. Vorbereitet und begleitet

werden die Experimente mit Hil-fe mathematischer Modelle, wo-bei die Prozesse in Simulations-gruppen computergestützt be-rechnet werden. Gleichzeitigstehen Laboratorien für die che-mische Analytik zur Messungvon Eigenschaften schmelzflüssi-ger Phasen, zur Wärmebehand-lung und für die Werkstoffprü-fung zur Verfügung. Somit kanndie Prozesskette zur Herstellungeines Werkstoffs, ausgehendvon den Primär- und Sekundär-

rohstoffen bis hin zum Bauteilselbst, praktisch angewendetwerden, um zukünftige Anfor-derungen an die Hochleistungs-metalle zu erfüllen.

Themenschwerpunkte des Netz-werks sind:

Entwicklung einer kostengün-stigen Titanherstellungsstrategieunter Nutzung der Aluminother-mie und des Elektro-Schlacke-Umschmelzens

Erprobung endabmessungs-naher Gießverfahren für hochle-gierte Werkstoffe mit direkterKombination von Gießen undWalzen

Weiterentwicklung von Mate-rialien mit definierten magneti-schen Eigenschaften für denWerkstoffeinsatz im IT-Bereich

Entwicklung zellularer metalli-scher Werkstoffe in Form vonSchäumen oder Schwämmen,die im Vergleich zum Vollmate-rial ein erhebliches Potenzial zurGewichtsersparnis von Kon-struktionswerkstoffen bieten

Entwicklung intelligenter Bau-

teile, wie belastungsangepassteStrukturen mit variabler Geome-trie oder verschleißbeständigerBeschichtung

Quantitative Vorhersage derKorrosionsbeständigkeit hochle-gierter Werkstoffe durch neueelektrochemische Prüfverfahren

Verfahrensentwicklung zurHerstellung intermetallischerWerkstoffe mit hohem Rein-heitsgrad durch Zentrifugierender Kristalle aus der Schmelze

Berührungsloses Schmelzenfür hochreine Materialien

Erprobung neuer Messsyste-me zur Reinheitsgradquantifizie-rung

Numerische Simulation mitHilfe der Verknüpfung von Mo-dellierungsmodulen für die ver-schiedenen Prozessschritte beimGießen und Umformen. Dabeiwerden metallphysikalisch ba-sierte Modulansätze in Finite-Elemente-Methoden(FEM)-Pro-gramme integriert.

Einen der Forschungsschwer-punkte für die Zukunft bildet derWerkstoff Titan, der hohe me-

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EMEN chanische Festigkeit (ähnlich wie

Stahl) mit deutlich niedrigeremspezifischen Gewicht und hoherKorrosionsbeständigkeit kombi-niert. Erst seit 1946 ist Titantechnisch herstell- und nutzbarund findet Anwendungen in derLuft- und Raumfahrtindustrie,im Rennsport, aber auch in derMedizintechnik als Implantatma-terial (Bild 2). Problematisch sindaber der hohe Schmelzpunkt so-wie die starke Sauerstoffaffinität,die sowohl die schmelzmetallur-gische Herstellung aus Erzen undSchrotten als auch die Weiterver-arbeitung durch Gießprozesseund endabmessungsnahe Form-gebung erschwert. Das Schmel-zen, Raffinieren und Gießenmuss „tiegellos“ zum Beispielmit elektromagnetischen Kräftenerfolgen, da übliche feuerfesteoxidkeramische Stoffe durch dasTitan reduziert und zerstört wer-den würden. Die Forschung kon-zentriert sich auf die Entwick-lung neuer metallurgischer Ver-fahren, die der kostengünstigenHerstellung größerer Titanmen-gen dienen, auf kontinuierlicheGießverfahren von Titanvorma-terial, auf die Massivumformungvon Titan sowie auf die Blech-umformung zum Beispiel durchKugelstrahlen (Bild 3) und aufdie weitere Optimierung der Ei-genschaften für neue Anwen-dungsgebiete.

Die Partner des Forschungs-netzwerks gehen die Herausfor-derung an, auch diesen bishernoch sehr teuren Werkstoff fürbreite Anwendungen verfügbarzu machen.

Autoren:

Univ.-Prof.Dr.-Ing.WolfgangBleck ist Inhaber des Lehrstuhlsund Leiter des Instituts für Eisen-hüttenkunde (IEHK).Univ.-Prof.Dr.-Ing.AndreasBührig-Polaczek ist Inhaber desLehrstuhls für Gießereiwesenund Leiter des Gießerei-Instituts(GI).Univ.-Prof.Dr.-Ing.Bernd Friedrich ist Inhaber des Lehr-stuhls für Metallurgische Pro-zesstechnik und Metallrecyclingsowie Leiter des Instituts fürMetallhüttenkunde und Elektro-metallurgie (IME).Univ.-Prof.Dr.-Ing.Dr. h.c.Dr.-Ing. E.h.Reiner Kopp istInhaber des Lehrstuhls undLeiter des Instituts für BildsameFormgebung (IBF).Dipl.-Ing. Sonja Schneider istWissenschaftliche Mitarbeiterinim Institut für Eisenhüttenkunde(IEHK).Univ.-Prof.Dr.-Ing.Dieter GeorgSenk ist Inhaber des Lehrstuhlsfür Metallurgie von Eisen undStahl.

Bild 2: Titan als Implantatmate-rial in der Zahnprothetik.

Bild 3: Blechumformung mitKugelstrahlen.

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ie entzündlichen Erkran-kungen des Zahnhalteap-parates zählen weltweit

zu den verbreitetsten Infektio-nen in der Mundhöhle. UnterBildung weicher, mit Bakterien be-siedelter Beläge (Plaque) auf derZahnoberfläche und dem umge-benden Zahnfleisch entwickeltsich dabei eine chronische Ent-zündung des Zahnhalteappara-tes, die Parodontitis marginalis,die unbehandelt zum Abbau deszahntragenden Knochens undschließlich zum Zahnverlustführt (Bild1).

Herkömmliche Therapiever-fahren sehen vor allem die in-strumentelle Reinigung der Zahn-und Wurzeloberfläche und dieEntfernung des entzündetenWeichgewebes vor. Das Ziel beidiesem Ansatz ist die Wieder-herstellung einer festen Verbin-dung zwischen dem Zahn undden anderen Anteilen des Zahn-halteapparates. Während derWundheilung verhindert aberdas rasche Wachstum des Zahn-fleisches die Regeneration derzerstörten Gewebestrukturendes Alveolarknochens, des Wur-zelzements und des Faserappa-rats.

Der gegenwärtige therapeu-tische Ansatz versucht durchImplantation von so genanntenBarrieremembranen das uner-wünschte Wachstum des Zahn-fleisches entlang der Wurzel-oberfläche mechanisch zu ver-hindern. Damit kann der Zer-störungsprozess zwar gestopptwerden, die eingetretene Schä-digung ist aber endgültig.

Ein mehr biologischer Thera-pieansatz hingegen soll die wün-schenswerte Regeneration derangegriffenen Gewebe „aus ei-gener Kraft“ ermöglichen. Stich-worte hierfür sind Tissue Engi-neering und Biotechnologie: Re-sorbierbare Polymere werden mitbioaktiven Wirkstoffen wieWachstumsfaktoren oder Anti-biotika ausgestattet. Diese Trä-gerelemente können in die defek-ten Regionen implantiert werdenund sich je nach Bedarf und ab-hängig vom Schweregrad der Er-krankung völlig unschädlich fürden Körper auflösen. Dabei wer-den die Wachstumsfaktoren frei-gesetzt und können auf diesemWeg das geschädigte Gewebeanregen, neues, funktionsfähi-ges zu bilden. Das unkontrollier-te Wachstum des Zahnfleischskann parallel dazu unter Freiset-

Hans-Georg Gräber, Friedrich Lampert

Regeneration von ZahnbetterkrankungenResorbierbare Polymere als Träger therapeutischer Substanzen

D zung inkorporierter Antikörpererfolgreich gestoppt werden. Dieherkömmlichen, rein mechani-schen Barrieren werden damitüberflüssig. Das Wachstumsver-halten verschiedener Zell- undGewebearten auf molekularerEbene steuern zu können, ist ge-genüber dem herkömmlichenBehandlungsspektrum ein völligneuer therapeutischer Ansatz.Dieses Prinzip ist auch bei vielenanderen Erkrankungen weit überdie Mundhöhle hinaus anwend-bar und verspricht eine erfolgrei-che Heilung.

Als Applikationsmodell für dievorgesehenen Therapeutika stel-len wir uns ein biokompatiblesimplantierbares „drug releasesystem” (Freisetzung von bioak-tiven Substanzen aus einem ge-schlossenen System) aus resor-bierbaren Polymeren vor, in de-nen die Wachstumsfaktoren undAntikörper immobilisiert vorlie-gen. Dafür eignen sich unter-schiedliche Polymermaterialien,wie das seit Jahren klinisch inva-siv gestestete Polylactid, das sichdurch seine hohe Biokompatibi-lität und eine gute Resorbierbar-keit auszeichnet. Ein Derivat die-ses Polymers ist das Poly-D,L-La-ctid-co-Trimethylencarbonat,das eine herausragende plasti-sche Verarbeitbarkeit bei Körper-temperatur besitzt. Dadurch istes möglich, dem Material eine

dreidimensionale Form zu ge-ben, die sich einem Defekt ent-lang des Zahnes oder der Wur-zeloberfläche exakt anpasst.

In unserem Labor werdenPolylactidgranulat und die bio-aktiven Substanzen (Proteine)vermengt und im Institut fürKunststoffverarbeitung derRWTH Aachen in trockenemZustand in einer CO2-Gasbela-dungsanlage unter hohem Druckund bei niedrigen Temperaturenzu verschiedenen Geometrienwie Folien oder mikrozellulärenSchäumen verarbeitet. Durchgezielten Druckverlauf lässt sichdie Porosität des Polymers steu-ern. Das fertige Trägermaterial,im Englischen als „scaffold” be-zeichnet, kann schließlich ohneAktivitätsverlust der bioaktivenSubstanzen durch Gamma-Be-strahlung sterilisiert werden.

Die so hergestellten belade-nen Formkörper könnten nacherster chirurgischer Interventionpassgenau in den parodontalenDefekt eingesetzt werden. Wäh-rend des hydrolytischen Abbausder Scaffolds sollen die Antikör-per kontinuierlich freigesetztwerden und steuern so auf mo-lekularer Ebene kontrolliertWundheilung und Regenerationdes Zahnhalteapparates.

Ein weiterer regenerations-fördernder Ansatz ist die Her-stellung geeigneter räumlicher

Bild 1: Parodontitis marginalisim Unterkiefer. Ablagerung vonweichen und harten Belägen aufder Zahnoberfläche am Restge-biss und massive Entzündungdes Zahnfleisches.

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Strukturen für die Besiedelungund das Durchwachsen von kör-pereigenen Zellen aus dem Zahn-halteapparat. Neben porösenScaffolds sind dafür besondersgut textile Polymergewebe ge-eignet, die aus gesponnenenPolylactid-Einzelfilamenten zumehrlagigen resorbierbarenVliesen gewebt werden können.Im Institut für Textiltechnik derRWTH Aachen können dabeigerichtete Faserstrukturen er-zeugt werden, die der Zellbesie-delung entgegen kommen (Bild2). Nach der Entnahme wenigergesunder Zellen aus dem Zahn-fleisch können diese im Laborvermehrt und auf den vorberei-teten textilen Trägern kultiviertwerden. Nach ausreichenderZellbesiedelung sollen die Vliesein den parodontalen Defekt ein-gesetzt werden. Durch die Re-sorption des Trägermaterials wer-den die Zellen wieder freigege-ben und sollten die Neubildungzahntragender Gewebe ermögli-chen.

Gelingt es, derartige High-Tech-Produkte in großen Men-gen herzustellen, so erhält diezahnärztliche Praxis ein innovati-ves, hochwirksames Therapie-verfahren zur effektiven Rege-nerationstherapie bei der Be-handlung der VolkskrankheitParodontitis.

Autoren:

Dr.med.Hans-Georg Gräber istOberarzt in der Klinik für Zahn-erhaltung, Parodontologie undPräventive Zahnheilkunde.Univ.-Prof.Dr.med.dent. Fried-rich Lampert ist Inhaber desLehrstuhls für KonservierendeZahnheilkunde und Direktor derKlinik für Zahnerhaltung, Paro-dontologie und PräventiveZahnheilkunde.

olymere Werkstoffe sinddie Grundlage für neueTechnologien und innova-

tive Produkte. Daher verwun-dert es nicht, dass der Verbrauchvon polymeren Werkstoffen einIndikator für industrielles Wachs-tum und gesellschaftliche Pros-perität ist. Im globalen Wettbe-werb um Arbeitsplätze, Märkteund Lebensqualität wird einmaßgeblicher Faktor sein, dasPotenzial dieser Werkstoffgrup-pe bei der Entwicklung neuerProdukte ausschöpfen zu kön-nen, ja Schrittmacher dieser Ent-wicklung zu sein.

Vor dem Hintergrund desstark angewachsenen Wissensund der ausdifferenzierten Tech-nologie wie auch des zu erwar-tenden Nutzens einer verstärk-ten Forschungsanstrengung imBereich der Polymerwerkstoffeist ein interdisziplinäres Arbeitenzwischen Naturwissenschaftenund Ingenieuren dringend gebo-ten. Aus dieser Feststellung folg-te der Entschluss der an derRWTH Aachen tätigen Wissen-schaftler, die „aachen polymerchain“ zu gründen.

Beteiligt an dieser Projekt-gruppe sind:

Univ.-Prof.Dr. rer.nat. Bern-hard Blümich, Inhaber des Lehr-stuhls für MakromolekulareChemie

Univ.-Prof.Dr.-Ing.Dipl.-Wirt.Ing.Thomas Gries, Inhaberdes Lehrstuhls für Textilmaschi-nenbau und Leiter des Institutsfür Textiltechnik

Univ.-Prof.Dr.-Ing. EdmundHaberstroh, Lehr- und For-schungsgebiet Kautschuktech-nologie

Bild 2: Vliesstruktur für dieBesiedelung und das Durch-wachsen von körpereigenenZellen.

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Univ.-Prof. em.Dr. rer.nat.Hartwig Höcker, Lehrstuhl fürTextilchemie und Makromole-kulare Chemie

Univ.-Prof.Dr.-Ing.WolfgangMarquardt, Inhaber des Lehr-stuhls für Prozesstechnik

Univ.-Prof.Dr.-Ing.Dr.-Ing.E.h.Walter Michaeli, Inhaber

des Lehrstuhls und Leiter desInstituts für Kunststoffverarbei-tung

Univ.-Prof.Dr. rer.nat.MartinMöller, Inhaber des Lehrstuhlsfür Textilchemie und Makromo-lekulare Chemie sowie Direktordes Deutschen Wollforschungs-instituts

Univ.-Prof.Dr.-Ing. ErnstSchmachtenberg, Inhaber desLehrstuhls für Kunststoff-Werk-stofftechnik.

Wie der Polymerwerkstoffselbst, so kann auch sein Wer-degang vom Kohlenwasserstoffzum Endprodukt als eine Kettegesehen werden. In dieser Ketteerfährt der Stoff eine Reihe vonTransformationsprozessen, aus-gehend vom monomeren Koh-lenwasserstoff bis hin zum ferti-gen Endprodukt.

Entlang dieser Kette liegenauch die wissenschaftlichen Fä-cher mit Bezug auf die Polymer-werkstoffe. So kann man derWerkstofferzeugung die Arbeits-schwerpunkte Polymersynthese,Polymeranalytik und Polymer-prozesstechnik zuordnen. Dane-ben stehen die Bereiche, die sichmit der Verarbeitung und An-wendung der Polymerwerkstof-fe beschäftigen, die Kunststoff-technik und die Textiltechnik.

Wie an kaum einem anderenWissenschaftsstandort findetsich an der Rheinisch-Westfäli-schen Hochschule Aachen eindichtes Netz von Wissenschaft-lern und Instituten mit Bezug zuden Polymerwerkstoffen. Durchdie Verknüpfung dieser Kompe-tenzen entsteht die aachen poly-mer chain.

Diese Projektgruppe hat sichzum Ziel gesetzt, durch die Bün-delung ihrer Fähigkeiten auch inumfassenden Forschungs- undEntwicklungsaufgaben als lei-stungsfähiger Partner der Wirt-schaft wie auch der öffentlichenHand wirksam zu werden. Sowill sie einen Beitrag dazu lei-sten, die Region als Wirtschafts-standort der Kunststoff erzeu-genden wie auch der Kunststoffverarbeitenden Industrie in ihrerLeistungsfähigkeit weiter auszu-bauen.

Autoren:

Dipl.-Ing.Harald Cremer istGeschäftsführer des Werkstoff-Forums.Univ.-Prof.Dr.-Ing. ErnstSchmachtenberg ist Inhaber desLehrstuhls für Kunststoff-Werk-stofftechnik und Sprecher desWerkstoff-Forums.

Harald Cremer, Ernst Schmachtenberg

aachen polymer chainWissenschaft stärkt Kunststoff verarbeitende und erzeugende Industrie

Bild 1: Struktur der „aachenpolymer chain“.

Bild 2: Produktion von Rohstahlund Kunststoff 1950 bis 2000.

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Marion E. Franke, Gernot Güntherodt

Nanotechnologie in der WerkstoffforschungKleiner Maßstab mit großen Auswirkungen

ie Nanotechnologie giltals eine der Schlüssel-technologien des 21.

Jahrhunderts. Wie kaum eineandere Disziplin erfordert sie dieenge Zusammenarbeit verschie-dener Fachrichtungen wie Che-mie, Physik, Biologie, Medizinund Ingenieurwissenschaften.Diese unterscheiden sich aller-dings nicht nur in ihren For-schungsinteressen, häufig wer-den deutlich unterschiedlicheSprachen gesprochen. Die Über-windung solcher Barrieren unddie fachliche Zusammenführungder unterschiedlichen Themen-bereiche ist eine der Aufgabendes RWTH-NanoClubs. Dieserwurde im Februar 2002 von denProfessoren Güntherodt (II. Phy-sikalisches Institut), Kurz (Institutfür Halbleitertechnik/AMO),Mayer (Gemeinschaftslabor fürElektronenmikroskopie) undSimon (Institut für AnorganischeChemie) an der RWTH Aachengegründet. Der Club ist eineKompetenz- und Kommunikati-onsplattform zur synergetischenBündelung der Aktivitäten im Be-reich der Nanowissenschaftenund der Nanotechnologie an derRWTH.

Aber was ist Nanotechnolo-gie? Ein Nanometer (nm) ist einMillionstel Millimeter. Daherdenkt man bei dem SchlagwortNanotechnologie häufig zu-nächst an die Miniaturisierungelektronischer Bauelemente, bei-spielsweise für Computer. Dabeisind die Anwendungen der zu-grundeliegenden Prinzipien inWirklichkeit vielfältiger und rei-chen bis zur Möglichkeit, durchgezielt erzeugte nanoskaligeStrukturen auch die mechani-schen Eigenschaften von Werk-stoffen in entscheidendem Maßezu verbessern. Nachfolgend sindeinige Beispiele der NanoClub-Aktivitäten im Hinblick auf dieMaterialforschung dargestellt.

Die Forschung an elektroni-schen Materialien dient unter an-derem der Weiterentwicklungder magnetischen Datenspei-cherung und Sensorik auf demGebiet der Magnetoelektroniksowie dem Vorantreiben derQuanten-Informationsverarbei-tung auf dem Gebiet der Spin-elektronik. Letztere soll sich denSpin eines Elektrons zu Nutzemachen. Dies ist eine Eigen-schaft, die Elektronen zusätzlichzur Masse und elektrischen La-dung inne haben. Es ist eine Art

Eigendrehimpuls, fast als wärenElektronen rotierende Kugelnoder Spielkreisel. Das Besonderedaran ist, dass die Elektronen ineinem Magnetfeld zwei ver-schiedene Energien aufweisen –je nachdem ob ihr Spin auf-oder abwärts weist. Dies stelltzwei zusätzliche Informations-grade dar. Der Spin ist aber auchschneller und leichter manipu-lierbar als die Ladung der Elek-tronen. Ein erstes konzeptionel-les Bauelement der Spin-Elektro-nik ist der Spin Transistor (Bild1). In diesem werden die Spinsbeispielsweise aus einer ferro-magnetischen (FM) Elektrode(Polarisator) in einen Halbleiterinjiziert und durch eine zweiteFM-Elektrode analysiert. DieSpins können sich im Halbleiterbewegen und durch eine „Gate“-Elektrode manipuliert werden.Damit erhält man zum Beispieleinen Spin-Schalter, der in pro-grammierbaren Logik-Schaltun-gen mit geringem Leistungsver-brauch eingesetzt werden kann.Für die FM-Polarisatoren ist manderzeit weltweit auf der Suchenach geeigneten Materialien.Von besonderem Interesse sind

Bild 1: Spin Transistor.

dabei halbmetallische Ferroma-gnete oder magnetische Halblei-ter, die bei Zimmertemperaturhochpolarisiert sind.

Die Magneto-Elektronik wid-met sich der technologischen Re-alisierung eines neuen, nichtflüchtigen Computer-Arbeits-speichers, dem so genannten„magnetic random access me-mory“ (MRAM). Dieser soll denbisherigen flüchtigen Speicherauf Ladungsbasis (DRAM, D=dynamic) ablösen. FunktionaleEinheit dieses Speichers ist diemagnetische Tunnelzelle, beider zwei FM-Schichten durch ei-ne oxidische Isolatorschicht ge-trennt sind (Bild 2, links). BeiStromfluss senkrecht zu denSchichten ist der Widerstandhoch für die antiparallele Aus-richtung der Magnetisierungbeider Schichten, dagegen kleinfür eine parallele Ausrichtung.Die Ausrichtung der Magnetisie-rungen wird durch das die Ad-ressierleitungen umgebende Ma-gnetfeld gesteuert und definiertsomit die Bits „1“ oder „0“ (Bild2, rechts). Die materialwissen-schaftliche Herausforderung be-steht derzeit in der Herstellung

oxidischer Isolatorschichten mitDicken unter einem Nanometerund einer Homogenität über die200 bis 300 Nanometer Durch-messer eines Silizium-Wafers.

Derart dünne Schichten kön-nen mit herkömmlichen Metho-den nicht abgebildet werden. Da-her spielt für den NanoClub diehochauflösende Analytik eine be-deutende Rolle. Darunter fasstman alle Verfahren zusammen,die sich mit der Charakterisie-rung des Gefüges, der atomarenStruktur, der chemischen Zu-sammensetzung und der elek-tronischen Struktur der unter-suchten Materialien auf der Na-nometerskala befassen. Heutekennt man verschiedene Verfah-ren, die eine Untersuchung allerdieser Eigenschaften mit atoma-rer Auflösung erlauben. Bild 3(links) zeigt eine Rasterelektro-nenmikroskopaufnahme vondrei Tunnelkontakten (Kreu-zungspunkte), die mit Schatten-maskendeposition hergestellt

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Bild 2: Gesamtkonzept einesmagnetischen Computer-Spei-chers.

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wurden. Bild 3 (links) zeigt eineTransmissionselektronenmikro-skopaufnahme einer zwei Nano-meter „dicken“ oxidischen Iso-latorschicht (Tunnelbarriere)zwischen zwei FM-Elektroden.

Mit den Methoden der Nano-analytik ist neben der Analyseauch die Bearbeitung der nano-skaligen Strukturen möglich. Vongroßer Bedeutung sind hier un-ter anderem lithografische Ver-fahren, die auf Verwendung vonElektronen- und Ionenstrahlenberuhen. Kürzlich wurde die Viel-falt der an der RWTH zu diesemZweck zur Verfügung stehendenGeräte noch entscheidend ver-stärkt durch die Installation zwei-er Instrumente der neuesten Ge-rätegeneration, eines hochauflö-senden analytischen Transmissi-onselektronenmikroskops undeiner „Focused Ion Beam Work-station“ (FIB). Die RWTH Aachen

Bild 3: Rasterelektronenmikro-skopaufnahme von drei Tunnel-kontakten (links) und Transmis-sionselektronenmikroskopauf-nahme der Oxid-Tunnelbarriere(rechts).

Der Weg ist die langfristigangelegte strategischePartnerschaft mit unserenKunden in der Luft- undRaumfahrtindustrie, derAutomobilindustrie, der Bau-industrie und im Maschinen-und Anlagenbau.

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EMEN ist damit eine der ersten Univer-

sitäten in Deutschland, in denendiese Gerätekombination zurVerfügung steht. Die FIB-Anlageverwendet einen intensiven, aufwenige Nanometer fokussiertenIonenstrahl, um mit höchsterPräzision das Material zu bear-beiten. Damit wird die Herstel-lung nanostrukturierter Funkti-onsmaterialien mit neuen Eigen-schaften realisierbar.

Neben der Oberflächen-strukturierung ist die gezielteOberflächenfunktionalisierungvon großem Interesse. Materiali-en – funktionalisiert mit Biomo-lekülen – könnten so für den Ein-satz in der Medizin maßge-schneidert werden. In diesemZusammenhang spielt die An-bindung von Biomolekülen anMetall- oder Halbleiteroberflä-chen bei der Entwicklung neuerdiagnostischer Verfahren einewichtige Rolle. Metallnanoparti-kel von nur wenigen Nanome-tern Durchmesser können alsoptische Sonden für die Kopp-lung oder Faltung von DNA-Molekülen oder Proteinen die-nen. Die gezielte räumliche Zu-sammenlagerung der mit A- be-ziehungsweise A´-DNA-Strän-gen markierten Gold-Nanoparti-kel durch Ausbildung von AA´-Doppelhelix-Strukturen (Bild 4a)führt zu einer definierten Ände-rung der optischen Eigenschaf-ten der Nanopartikel (Bild 4b).Auch die Mikroelektronik hat dieDNA für sich entdeckt. Als struk-turprägendes Templat (ein Tem-plat ist eine Art Schablone) mitextrem hoher Bindungsspezifitätsoll das Erbgutmolekül in Zu-kunft zum Aufbau funktionellerBauelemente dienen.

Abschließend sei die Klasseder nanoporösen Materialien ge-nannt. Diese weisen Poren miteinem Durchmesser im Bereichkleiner Moleküle auf, also voneinem bis wenigen Nanometern.Auf diese Weise können kleineMoleküle von größeren Mole-külen getrennt werden. Dieserso genannte Molekularsiebeffektist schon seit vielen Jahren be-kannt und wird in der chemi-schen Industrie in großem Um-fang zur Stofftrennung oder inkatalytischen Prozessen genutzt.Erst in jüngster Zeit ist es durchIntegration solcher Materialienin Mikroelektrodenstrukturen(Bild 5, links oben) gelungen,hochselektive Gassensoren zuentwickeln. Damit kann Ammo-

Bild 4: a) Räumliche Zusammen-lagerung (Konjugation) vonGold-Nanopartikeln durch Ver-einigung von A- und A’-DNA-Strängen (DNA-Hybridisierung.Reaktionsschema. b) Lösung mitisolierten Partikeln (links) und

niak (NH3) in Kraftfahrzeug-und Kraftwerksabgasen aufge-spürt werden. Dies geschiehtdurch die spezifische Wechsel-wirkung von NH3-Molekülenmit beweglichen Protonen (H+-Ionen). Über einen weiten Tem-peraturbereich wird dadurch dieMobilität der Protonen erhöht.Sensoren dieses Typs sollen innaher Zukunft zur On-board-Diagnose von SCR-Katalysato-ren (Selective Catalytic Reduc-tion, Umwandlung von Stickoxi-den zu Stickstoff) für Dieselab-gase eingesetzt werden.

Die ausgewählten Beispieleaus dem Bereich der materialbe-zogenen Nanowissenschaften

weisen auf zwei wichtige Aspek-te hin. Zum einen wird das en-orme Potenzial der Nanotechno-logie deutlich, durch nanoskali-ge Strukturierung oder gezielteOberflächenfunktionalisierungdie Eigenschaften herkömmli-cher Materialien für bestimmteAnwendungen Maß zu schnei-dern. Zum anderen unterstreichtdie Interdisziplinarität der Nano-technologie die Notwendigkeit,dass die an der RWTH Aachenvorhandenen und sehr vielseiti-gen Aktivitäten und Kompeten-zen durch den NanoClubgebündelt werden.

Autoren:

Dr. rer.nat.Marion E. Franke istKoordinatorin des RWTH-Nano-Clubs.Univ.-Prof.Dr. sc.nat.GernotGüntherodt ist Sprecher desRWTH-NanoClubs und Inhaberdes Lehrstuhls für Experimental-physik II A.

mit konjugierten Partikeln(rechts). Der Farbunterschiedresultiert aus der Veränderungder optischen Eigenschaften(Plasmoresonanz) im netzwerk-artigen Verbind der Partikel.

Bild 5: In der Mitte ist die unbe-schichtete Mikroelektroden-struktur dargestellt sowie linkseine Vergrößerung der kammar-tig ineinandergreifenden Gold-elektroden. Das rechte Bild zeigtdie mit nanoporösem Materialbeschichtete Mikroelektroden-struktur wie sie als Gassensoreingesetzt wird.

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Professoren Gernot Güntherodt(rechts) und Joachim Mayer(links) mit der elektronen-mikroskopischen Aufnahmeeiner magnetischen Speicher-zelle für Anwendungen inMRAMs (Magnetic RandomAccess Memory). Die Zellewurde mit der Focused IonBeam (FIB)-Workstation imHintergrund präpariert.

Foto: Peter Winandy

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Die Feldemissions-Rasterelek-tronenmikroskopie ermöglichtdie hochauflösende, nanometer-genaue Analyse von Mikrostruk-turen in metallischen Materiali-en und Legierungen.

Foto: Peter Winandy

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Arne Barinka, Wolfgang Dahmen, Tobias Fürderer, Thomas Gries

Charakterisierung fadenkontaktierenderMaschinenelemente

Innovative Ansätze durch interdisziplinäre Kooperation

adenkontaktierende Ele-mente werden in vielfälti-gen Formen und sehr ho-

hen Stückzahlen (etwa eine Mil-lion Stück pro Jahr) in Textilbe-trieben eingesetzt. Diese Textil-maschinenelemente sind unteranderem wegen der teilweise ho-hen Ablaufgeschwindigkeitendes Fadens einer erheblichen Be-lastung ausgesetzt. Der Einsatznicht perfekt angepasster Ma-schinenteile kann zu einer unzu-reichenden Qualität der textilenProdukte führen und unter Um-ständen sogar Maschinenausfäl-le verursachen.

Aus diesem Grund sind dieHersteller von Textilmaschinenund ihre Zulieferer daran inter-essiert, Bauteile zu entwickeln,deren Oberfläche auf das Ein-satzgebiet möglichst gut abge-stimmt ist. Wünschenswert isthier eine Simulation der Prozess-eigenschaften auf Basis derOberflächenkennwerte. Dies istmomentan jedoch nicht mög-lich. In der Praxis ist die Entwick-lung von neuen Oberflächen einProzess der kleinen Schritte, beidem auf Erfahrungswissen auf-bauend unterschiedliche Ober-flächentopographien hinsichtlichihrer Eignung getestet werden.Dies führt zu langen Entwick-lungszeiten.

Es existiert eine Vielzahl vonMethoden zur Charakterisierungvon Oberflächen, von denen vielebereits den Status von interna-tionalen Normen besitzen. DieseMethoden wurden in der Regelfür metallische oder harte Ober-flächen entwickelt, die mit ande-ren harten oder metallischenOberflächen in Interaktion tre-ten.

Eine Methode ist die Ermitt-lung von Kennwerten aus so ge-nannten Tastschnittmessungen.Diese Methode ist Stand derTechnik für die Überprüfung derOberflächenrauhigkeit in der Au-tomobilindustrie und in prak-tisch allen Sparten der Metall-zerspanung. Das Oberflächen-profil wird bestimmt, indem einTaster mit einer Diamantspitzeüber die zu prüfende Oberflächegeführt wird (Bild 1). Das Profilwird in die Komponenten Form-abweichung, Welligkeit und Ab-weichungen höherer Ordnungaufgeteilt und mit der Idealober-fläche verglichen. Hierbei ist dieRauhigkeit als Abweichung hö-herer Ordnung definiert.

Aus der Rauhigkeit lassensich eine Vielzahl von unter-schiedlichen Kennwerten be-rechnen. Es wurde immer wie-der versucht, einzelne Kennzah-len, wie die Rauhtiefe Rt oderden arithmetischen Mittenrauh-wert Ra, mit Garnschädigungoder dem Reibverhalten zu kor-relieren. Dies ist jedoch nichtmöglich. Die Interaktion zwi-schen Garn und Oberfläche istviel zu komplex, um sie mit ei-ner einzigen Oberflächenkenn-zahl beschreiben zu können.1Daher liegt die Idee nahe, meh-rere Kennzahlen zu kombinie-ren. Mit dieser Methode ist eineVorauswahl der Oberflächen imGroben bereits möglich.2 EineVorhersage der Reibeigenschaf-ten gelingt damit jedoch nochnicht. Hierfür müssen zusam-men mit der geeigneten Aus-wahl von Kennzahlen selbstler-nende Systeme eingesetzt wer-den. Diese Systeme zeichnensich dadurch aus, dass sie auf Ba-sis von vorhandenen Informatio-nen lernen können und damitzukünftige Ereignisse vorhersa-gen können. Hiermit ist es mög-lich, Garneigenschaften auf derBasis von Oberflächenkennwer-ten vorherzusagen.3

Die Fadenfreundlichkeit vonOberflächen wird im Textilma-schinenbau oft durch Speziali-sten anhand von Rasterelekro-nenmikroskopaufnahmen (REM)der Fadenführer beurteilt. DerSpezialist nimmt eine Einteilungin „fadenfreundliche” und „fa-denschädigende” Oberflächenauf der Basis seines Erfahrungs-wissens vor. Um diese perso-nengebundene Methode zu ob-jektivieren, werden am Institutfür Textiltechnik REM-Aufnah-men mit digitaler Bildverarbei-tung so aufbereitet, dass charak-teristische Merkmale klassifiziertund quantifiziert ausgegebenwerden. Hierbei wird besondersWert gelegt auf die Erkennungvon Oberflächendefekten.

Ein innovativer Ansatz wur-de in Zusammenarbeit mit demLehrstuhl für Mathematik unddem Institut für Geometrie undPraktische Mathematik derRWTH Aachen entwickelt. DieMitarbeiter beschäftigen sichseit längerem mit der mathema-tischen Filterung von Bildern.Einer dieser Filter ist der so ge-nannte Waveletfilter. Waveletssind ein in der Signal-Analyseverbreitetes mathematisches

Hilfsmittel, das in den letztenJahren zunehmend in der Bild-verarbeitung Anwendung fin-det. Mit ihrer Hilfe kann ein Sig-nal oder Bild in Form einer Ent-wicklung, ähnlich einer Fourier-Entwicklung, dargestellt werden.Aufgrund der speziellen Eigen-schaften der Wavelets ist diesebesonders gut geeignet, um lo-kale Eigenschaften des Bildes,zum Beispiel Unstetigkeiten wieetwa Kanten, zu behandeln.

Die Mathematik konnte inden letzten Jahren zeigen, dassman an dieser Entwicklung vonmehrdimensionalen Funktionendie Glattheit in einem mathema-tischen Sinne ablesen kann. Diedort entwickelten Vorgehens-weisen werden zur Klassifizie-rung der Oberflächenstrukturenherangezogen.

Oberflächen von fadenkon-taktierenden Maschinenelemen-ten sind in der Regel unregel-mäßig strukturiert. Die Anwen-dung eines zweidimensionalenWavelet-Filters zerlegt die REM-Aufnahmen der Oberfläche ineine Grobstruktur und verschie-dene, den Raum-Richtungen 0, 45 und 90 Grad zugeordneteDetail-Anteile. Diese Anteileerlauben eine Reihe von Rück-schlüssen auf die Größe undForm der Feinstrukturen derOberfläche. Mehrfach hinterein-ander angewendet können sosowohl Makrostrukturen wie dieHügeligkeit der Oberfläche alsauch Mikrostrukturen erfasstwerden.

Die so ermittelten Werte ha-ben gegenüber Tastschnittmes-sungen den Vorteil, dass sie nichtnur einen Schnitt der Oberflächerepräsentieren, sondern die Ei-genschaften der Fläche beschrei-ben. Die errechneten Werte kön-nen ebenso wie die Kennwert-kombinationen der Rauheitspa-rameter mit selbstlernendenSystemen kombiniert werden.

Mit den beschriebenen Me-thoden wird an einem Grundla-genprojekt untersucht, inwie-weit das Reibungsverhalten derPaarung „Garn – Fadenkontak-tierendes Element“ vorherge-sagt werden kann. Darüber hin-aus werden auch neue Wegezur Charakterisierung von Ober-flächen entwickelt, die auf diebesondere Problematik der tex-tilen Anwendungen zugeschnit-ten ist.

Literatur:1 Ehrler, P., Guse, R.: Reibungs-verhalten von Filamentgarnen:Der Einfluss der Rauhigkeit oxid-keramischer Fadenleitorgane beihoher Fadengeschwindigkeit.Chemiefasern-Textilindustrie 24(1974), 726 ff.2 Gries, Th.: Anforderungsge-rechte Dünnschichtsysteme fürfadenführende Textilmaschinen-elemente. Dissertation, RWTHAachen, Aachen 1995.3 Callhoff, Ch.: Verbesserungtextiler Fertigungsverfahrendurch neue fadenkontaktierendeBauteile. Dissertation, WTHAachen, Aachen 2000.

Autoren:

Dipl.-Math.Arne Barinka istWissenschaftlicher Mitarbeiterdes Instituts für Geometrie undPraktische Mathematik.Univ.-Prof.Dr. rer.nat.WolfgangDahmen ist Leiter des Institutesfür Geometrie und PraktischeMathematik. Dipl.-Ing.Tobias Fürderer istWissenschaftlicher Mitarbeiterdes Instituts für Textiltechnik.Univ.-Prof.Dr.-Ing.Dipl.-Wirt.Ing.Thomas Gries ist Leiter desInstituts für Textiltechnik undInhaber des Lehrstuhls für Tex-tilmaschinenbau.

Die Publikation enthält Ergebnis-se aus dem DFG-Forschungsvor-haben Wu 159/12-1 der RWTHAachen. Wir danken der Deut-schen Forschungsgemeinschaftfür die finanzielle Förderung die-ses Forschungsvorhabens.

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Prüfen der Fadenzugkraft imlaufenden Prozess an der drei-dimensionalen Flechtmaschine.

Foto: Peter Winandy

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(FVK) besitzen wie kaumein anderer Werkstoff ein

enormes Leichtbaupotenzial, sieweisen ein Höchstmaß an me-chanischen Eigenschaften beigleichzeitig geringem Gewichtauf. Aber auch eine außerordent-liche Schwingfestigkeit und Kor-rosionsbeständigkeit sowie einhohes Energieaufnahmevermö-gen zählen zu den besonderenMerkmalen.

Eine Vorreiterfunktion hin-sichtlich der Nutzung dieser her-ausragenden werkstoffspezifi-schen Leistungsfähigkeit hatteund hat sicherlich die Luft- undRaumfahrtindustrie. So bestehenzum Beispiel unter dem Stich-wort „Schwarzer Rumpf“ inten-sive Entwicklungsbemühungen,den gesamten Flugzeugrumpfeines Airbus in Kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff darzu-stellen, an denen auch AachenerHochschulinstitute beteiligt sind.Aber auch in anderen Anwen-dungsgebieten werden die Vor-teile der FVK zunehmend ge-nutzt. So lassen sich durch kon-sequenten Leichtbau mit FVKeffiziente Produktionssystememit hoher Dynamik und auchenergiesparende Automobilerealisieren, was nicht zuletzt imHinblick auf eine nachhaltigeRessourcen- und Umweltscho-nung von Bedeutung ist. ZurEnergiegewinnung werden FVKseit geraumer Zeit in Form vonFlügeln für Windkraftanlageneingesetzt – ein Markt mit ei-nem rasanten Wachstum. Aberauch im Sportsektor garantiertdieser innovative Werkstoffimmer neue Höchstleistungen.

Um dieser Entwicklung vonder Hochschulseite her Rech-nung zu tragen, haben Aache-ner Institute wie das Institut fürLeichtbau (IfL), das Institut fürKunststoffverarbeitung (IKV),das Institut für Textiltechnik (ITA)und das Fraunhofer-Institut fürProduktionstechnik IPT ihr Faser-verbund-Know-how gebündeltund mit „ACEs“ (Aachen Com-posite Engineers) ein leistungs-starkes Kompetenznetzwerk auf-gebaut, wie die weiteren Aus-führungen verdeutlichen werden.

Die Natur als VorbildWie es geht, hat uns die Natureindrucksvoll vorgemacht. Sonutzen Pflanzen diese ausgeklü-gelte Verbundbauweise, um denNaturgewalten im rauen LebenStand zu halten. Betrachtet manetwa den Querschnitt eines Bau-mes, wird das Konstruktions-prinzip einer solchen Strukturdeutlich. Die axial ausgerichte-ten Zellulosefasern bewirken mitihrer Festigkeit, dass der Baumbei Biegebelastungen nichtbricht, selbst wenn starke Wind-böen an ihm zerren. Und auchim Bereich von Astgabeln weißdie Natur, wie sie die natürlichenVerstärkungsfasern entspre-chend der Kraftflussrichtungenanordnen muss (Bild 1). Für denZusammenhalt der Fasern in ei-nem solchen Verbund sorgt eineporöse Lignin-Matrix.

Richtig Dimensionieren – faser-verbundgerechtes Denken alsSchlüssel zum ErfolgBei den von Menschenhand her-gestellten Verbunden von Ver-stärkungsfasern wie Glas-, Koh-lenstoff- und Naturfasern mit ei-ner Kunststoffmatrix ist die struk-turmechanische Funktionsweisesehr ähnlich. Durch eine ge-schickte Kombination von Fa-sern und Matrix können Bauteileentsprechend der äußeren Bela-stung entworfen werden. DemKonstrukteur obliegt es dabei,die richtungsabhängigen Eigen-schaften zu berücksichtigen(Anisotropie) und die lasttragen-den Verstärkungsfasern gezieltauszurichten. Im Vergleich zuisotropen Metallen – also vonMetallen, die gleiche physikali-sche wie chemische Eigenschaf-ten aufweisen – ist somit in Sa-chen Design ein Umdenken er-forderlich. Eine eins zu eins Sub-stitution führt hier selten zum Er-folg. Vielmehr ist faserverbund-gerechtes Denken und Konstru-ieren erforderlich.

Bild 1: Der Baum – ein StückEvolutionsgeschichte in SachenVerbundbauweise.

Das komplexe Material- undVersagensverhalten von FVKmuss durch Experimente ver-standen und durch geeignetemathematische Modelle und Be-rechnungsmethoden in eine fürden Konstrukteur handhabbareForm gebracht werden. DieseZielsetzungen werden vom Insti-tut für Kunststoffverarbeitung(IKV) und vom Institut für Leicht-bau (IfL) in verschiedenen Pro-jekten verfolgt. So wurde amIKV in den letzten Jahren dasVersagensverhalten in umfang-reichen Studien detailliert analy-siert (Bild 2). Dabei konnte dasVersagenskriterium nach Puck,das heute zu den fortschrittlich-sten Modellvorstellungen zähltund kürzlich erst in einer welt-weiten ’Failure Exercise‘ zumSieger gekürt wurde, experi-mentell verifiziert werden. Da-neben wird am IKV die Abnah-me der mechanischen Kennwer-

Thomas Gries, Ingo Kleba, Markus Linke, Hans-Günther Reimerdes, Ernst Schmachtenberg, Florian Schmidt, Bernd Veihelmann, Manfred Weck

Kompetenznetzwerk für Faserverbundkunststoffean der RWTH AachenLeichtbau pur mit neuen Werkstoffen

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te durch Matrixbrüche, die nichtzwangsläufig zum Versagen desBauteils führen, untersucht undmodelliert, so dass zukünftig ei-ne noch exaktere Abbildung derRealität möglich wird.

Am IfL wird in Kooperationmit dem ITA und dem IKV einProjekt bearbeitet, in dem dasIfL die strukturmechanischenGrundlagen zur Dimensionie-rung von 3D-versteiften Flächen-tragwerken erarbeitet. Schwer-punktmäßig wird das Aufbrin-gen von Versteifungen durchNähen untersucht. Nähen bietethier den Vorteil, dass die Zer-störung des FVK infolge von De-laminationen – also durch dasLösen von Faserschichten, diedurch die Kunststoffmatrix mit-einander verbunden sind – wir-kungsvoll verhindert werdenkann. Weiterhin werden am IfLBerechnungsverfahren für dieAuslegung von versteiften Flug-zeugrümpfen aus FVK ent-wickelt, die selbstverständlichauf andere Leichtbaukonstruk-tionen übertragen werden kön-nen. Das Verhalten von FVK beiCrash- und Impact-Belastungenwird sowohl experimentell alsauch analytisch-numerisch un-tersucht.

Bild 2: Versagensverhalten vonFVK bei unterschiedlichenWerkstoffbeanspruchungen.

Nicht-tolerierbarer Zwischenfaserbruch in der Außenschicht durch Querdruck-Beanspruchung

Tolerierbarer Zwischenfaserbruch in der Innenschicht unter Querzug-Beanspruchung

Auf die Architektur der Verstär-kungsfasern kommt es anSind die erforderlichen Faserori-entierungen im Bauteil ermittelt,gilt es geeignete Fertigungsver-fahren auszuwählen. Modernetextile Verfahren, die am ITA in-tensiv erforscht werden, bietendabei aufgrund ihres hohen Auto-matisierungsgrades ein großesPotenzial für eine wirtschaftlicheHerstellung der geforderten Fa-serarchitekturen. Die klassischenVerfahren wie Weben und Flech-ten müssen jedoch auf das zuverarbeitende Material – meistspröde Hochleistungsfasern –angepasst werden.

Darüber hinaus sind mittler-weile hochkomplexe neue Ferti-gungsverfahren wie das 3D-Flechten verfügbar, die eine sehrgroße Freiheit bei der Gestaltungder Faserhalbzeuge ermöglichen.Das 3D-Flechtverfahren des ITAermöglicht neben einer lastge-rechten Faserorientierung dieHerstellung komplexer Preforms.Dies sind endkonturnahe Faser-Vorformlinge, die aus Gründender Wirtschaftlichkeit zuneh-mend an Bedeutung gewinnen.Bei der Herstellung flächiger 2D-Faserhalbzeuge können beiden so genannten Multiaxial-Gelegen (MAG) heute bereits biszu acht Lagen mit unterschied-lichen Faserorientierungen in

einem Schritt realisiert werden.Zur Kombination von 2D- und3D-Halbzeugen zu großen,komplexen Preforms eignen sichverschiedene Nähverfahren. Da-bei werden vermehrt neue ein-seitige Nähtechniken eingesetzt.Das ITA verfügt hier über einenselbst entwickelten Nähkopf. AmITA können somit Garne zu 2D- und 3D-Textilien verarbeitetwerden, die anschließend kon-fektioniert und als belastungsge-rechte Preforms für die anschlie-ßende Imprägnierung mit derKunststoffmatrix bereitgestelltwerden.

Verarbeitungs- und Maschinen-technik – Potenziale neuerVerfahren nutzenMit ein Grund für den zuneh-menden Einsatz von FVK istsicherlich auch die stetige Opti-mierung und Entwicklung neuerinnovativer Fertigungsverfahrenund Maschinentechniken zurVerarbeitung der textilen Halb-zeuge zum letztendlichen FVK-Produkt. Auch hier verfügt dieRWTH Aachen über eine breiteKompetenz.

So sind am IKV nahezu allegängigen FVK-Verarbeitungs-verfahren von der Wickel-, Pul-trusions- und Autoklavtechniküber die verschiedenen Flüssig-imprägnierverfahren bis hin zu

Umformtechniken für thermo-plastische FVK sowie der Press-technik Gegenstand der For-schung. Neben der Generierunginnovativer Neuerungen wird da-bei das Wissen um diese Tech-nologien in öffentlich geförder-ten Projekten und direkten Ko-operationen mit der Industriestetig ausgebaut. Hierbei wirdauch der Kontakt zu den ande-ren Aachener Instituten gesuchtund genutzt. So werden derzeitgeeignete Strategien zur Harz-imprägnierung und letztendli-chen Formgebung der vom IfLdimensionierten und vom ITAgefertigten komplexen Preformsaus MAG mit aufgenähten Ver-steifungselementen entwickelt.In einem weiteren aktuellen Pro-jekt wird die Nutzung der Ultra-schallmesstechnik zur Prozess-überwachung bei solchenFlüssigimprägnierverfahren ana-lysiert. Hierdurch kann sowohlder Härtungsprozess der Harz-matrix als auch die Imprägnie-rung der Verstärkungsfasernwährend der Injektion deszunächst dünnflüssigen Harzeserfasst werden – ein wichtigerSchritt in Richtung Fertigungs-optimierung und Qualitätssiche-rung bei diesen nicht nur für dieAutomobilindustrie interessan-ten Fertigungsverfahren.

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EMEN Sinnvoll ergänzt wird diese

Kompetenz im Bereich FVK-Ver-arbeitungstechnik durch die For-schung am Fraunhofer IPT. Kern-gebiete sind die Bauteilentwick-lung und -fertigung, die Ent-wicklung und Optimierung vonFertigungs- und Automatisie-rungsprozessen, die Spezialma-schinenentwicklung sowie diespanende Bearbeitung von Fa-serverbundwerkstoffen. AktuelleForschungsschwerpunkte um-fassen die Maschinen- und Pro-zessentwicklung zur Verarbei-tung thermoplastischer FVK (Bild3) für Anwendungen aus derOffshore-Industrie, dem Auto-mobilbau sowie der Medizin-technik. Innerhalb dieser Schwer-punkte wurden in enger Zusam-menarbeit mit Industriepartnernbeispielsweise eine Wickelanlagezur Herstellung von Leichtbau-Pipelines von bis zu 3.000 Me-tern Länge sowie eine Pultrusi-onsanlage zur Produktion vonOperationsnadeln mit nur weni-gen Mikrometern Durchmesserentwickelt.

Gemeinsam zum ErfolgZusammenfassend kann festge-halten werden, dass an derRWTH Aachen ein geballtesKnow-how in Sachen Faserver-bundtechnologie vorliegt. Mehrnoch hat sich durch die fachü-bergreifende Zusammenarbeitder einzelnen Institute ein engesund kraftvolles Kompetenznetz-werk etabliert. Historisch be-trachtet geht diese Entwicklungbereits auf die Mitte der achtzi-ger Jahre zurück, als an derRWTH der Sonderforschungsbe-reich SFB 332 eingerichtet wur-de, der über 14 Jahre von derDFG gefördert wurde. Diese in-terdisziplinäre Kooperation hatdie wissenschaftliche Zusam-menarbeit der Faserverbund-technologen in Aachen nachhal-tig geprägt.

Um diese Tradition auchüber den SFB 332 hinaus erfolg-reich fortzusetzen, wurde als Teildes Werkstoff-Forums die Initia-tive ACEs ins Leben gerufen. So-mit wird die führende Positionder RWTH noch stärker imMarkt transparent. Der Nutzendieses Kompetenznetzwerks fürdie industrielle Praxis liegt klarauf der Hand: ACEs offeriert ne-ben einer durchgängigen Tech-nologieberatung durch gebün-delte Fachkenntnis die Erarbei-tung ganzheitlicher Systemlö-sungen von der Rohstoffauswahlund Konstruktion über die kon-zeptionelle Technologieentwick-lung und Prozessgestaltung bishin zur praktischen Umsetzungeines Entwicklungsvorhabens.

Autoren:

Univ.-Prof.Dr.-Ing.Dipl.-Wirt.Ing. Thomas Gries ist Inhaberdes Lehrstuhls für Textilmaschi-nenbau und Leiter des Institutsfür Textiltechnik (ITA).Dr.-Ing. Ingo Kleba ist Abtei-lungsleiter im Institut für Kunst-stoffverarbeitung (IKV).Dipl.-Ing.Markus Linke ist Wis-senschaftlicher Mitarbeiter imInstitut für Leichtbau (IfL).Univ.-Prof.Dr.-Ing.Hans-Günther Reimerdes ist Inhaberdes Lehrstuhls und Leiter desInstituts für Leichtbau (IfL).Univ.-Prof.Dr.-Ing. ErnstSchmachtenberg ist Inhaber desLehrstuhls für Kunststoff-Werk-stofftechnik.

Dipl.-Ing. Florian Schmidt istWissenschaftlicher Mitarbeiterim Institut für Werkzeugmaschi-nen und im Fraunhofer-Institutfür Produktionstechnik (IPT).Dipl.-Ing.Bernd Veihelmann istWissenschaftlicher Mitarbeiter imInstitut für Textiltechnik (ITA).Univ.-Prof.Dr.-Ing.Dr.-Ing. E.h.Manfred Weck ist Inhaber desLehrstuhls und Leiter des Insti-tuts für Werkzeugmaschinensowie Mitglied des Direktoriumsdes Fraunhofer-Instituts für Pro-duktionstechnologie (IPT).

Bild 3: Herstellung von FVK-Pipelines mit einer neuartigenWickeltechnik.

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gal ob es sich um menschli-che Haut, um die Schuppeneines Fisches oder die Rin-

de eines Baumes handelt: DieOberfläche eines Organismus’übernimmt in der Natur beson-dere Aufgaben. Dazu gehörender Schutz vor äußeren Einflüs-sen, Funktionen des Stoffwech-sels oder auch die Abschreckungvon Feinden durch ein gefähr-lich erscheinendes Äußeres.

Die Natur hat über Jahrmil-lionen die Struktur der äußerenHülle perfektioniert. Heute eifertder Mensch diesem Vorbild inder Werkstoffkunde nach. Wirsprechen dabei von der „techni-schen Oberfläche“, die durchden Mensch gestaltet wird. Zielist stets die Erfüllung besondererAufgaben durch die Oberfläche.Mit der immer stärker voran-schreitenden Technisierung er-geben sich neue Aufgabenfelderund Möglichkeiten. Eines der be-kanntesten frühen Anwendungs-gebiete für Oberflächentechno-logie ist der Korrosionsschutzvon Eisenwerkstoffen.

Der technologische Fort-schritt stellt auf vielen Gebietenstetig steigende Anforderungenan Werkstoffe und insbesonderean die Bauteiloberflächen. Hier-zu gehören zum Beispiel nebendem klassischen Korrosions- undVerschleißschutz die elektrischeIsolation oder der Hitzeschutz.Diese Anforderungen könnenhäufig nur durch Verbundwerk-stoff- oder Werkstoffverbundlö-sungen erfüllt werden. Die Er-forschung neuer Werkstoffe undvor allem die Entwicklung inno-vativer Verfahren zur Verbesse-rung der Oberflächeneigenschaf-ten durch moderne Beschich-tungstechnologien gewinnen zu-nehmend an Bedeutung. DieseEntwicklungen werden durchdie Techniken des Modellierensund Simulierens unterstützt. Heu-te existieren eine Vielzahl von Be-schichtungsverfahren, von denendas Lackieren das mit Abstandbekannteste ist. Daneben habensich weitere Verfahren etablie-ren können, mit denen der Hori-zont der Oberflächentechnikdeutlich erweitert wurde. Mitihnen können sowohl Metall- alsauch Keramikschichten auf na-hezu alle Substratmaterialienaufgebracht werden.

Diesen technischen Schwer-punkten widmet sich das Lehr-und Forschungsgebiet Werk-stoffwissenschaften der RWTH

Bild 1: Simulation des Beschich-tens beim Thermischen Spritzen.

Bild 2: Elektronenmikroskopi-sche Aufnahme eines pulverför-migen Zusatzwerkstoffs für dasThermische Spritzen.

Aachen mit den Technologien„Thermisches Spritzen“ und„Physical Vapour Deposition“(PVD). Bei letzterem handelt essich um eine Dünnschichttech-nologie. Die experimentellen Ar-beiten der beiden Forschungs-gruppen laufen parallel und inenger Zusammenarbeit mit dentheoretischen Berechnungen derGruppe „Modellierung und Si-mulation“. Die Gruppe „Löt-technologie“ beschäftigt sich ne-ben dem Fügen von Werkstof-

fen auch mit der Panzerung vonOberflächen.

Wie funktioniert die Beschich-tung einer Oberfläche mittelsThermischen Spritzens und PVDgrundsätzlich? Das Vorgehen istbei beiden Verfahren zunächstidentisch. Nach dem Reinigenund der Vorbereitung der zu be-schichtenden Fläche (zum Bei-spiel durch Sandstrahlen oderdurch Vorbehandlung mit Laser-strahl) wird ein Schichtwerkstoffaufgebracht. Beim Thermischen

Erich Lugscheider, Klaus Seemann

Die richtige Oberfläche – Der Schlüssel zum Erfolg

Experimentelle Entwicklung und Simulation von innovativen Beschichtungsprozessen

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Thermisches Spritzen einerHochtemperatur-Oxidations-schutzschicht für die Gastur-binenanwendung.

Foto: Peter Winandy

Bild 3: Querschliff einer circa100 µm dicken thermischgespritzten Schicht.

Spritzen wird dieser in Partikel-form auf die zu beschichtendeOberfläche aufgespritzt. Beim PVD-Verfahren wird der Schicht-werkstoff hingegen aufgedampft.Auf dem zu beschichtenden Bau-teil angekommen, erstarrt oderkondensiert das Material undbildet die neue funktionelle Ober-fläche.

Mit dem Thermischen Sprit-zen lassen sich relativ großeSchichtstärken von etwa 50 Mi-krometern bis zu mehreren Milli-metern realisieren. Der Schicht-aufbau ist durch eine lamellenar-tige Struktur gekennzeichnet.Generell ist auch die Herstellungganzer Bauteile möglich. Bei die-sem Verfahren sind der Werk-stoffauswahl nahezu keine Gren-zen gesetzt. Die wichtigsten Ver-fahren des Thermischen Sprit-zens sind grob nach der Art desAufschmelzens des Beschich-tungswerkstoffs in Flamm-, Licht-bogen- und Plasmaspritzen ein-geteilt.

Die neuste Verfahrensent-wicklung ist das Kaltgasspritzen.Hierbei wird der Beschichtungs-werkstoff nicht mehr in einerFlamme, einem Lichtbogen oderin Plasma aufgeschmolzen, son-dern nur noch durch einen sehrschnellen und kalten Überschall-gasstrahl beschleunigt. Der Vor-

teil dieses Verfahrens liegt in dergeringen Erwärmung des zu be-schichtenden Bauteils und desSchichtwerkstoffs, der bei hohenTemperaturen häufig zu uner-wünschter Oxidation neigt.

Generell lassen sich Kunst-stoffe, Metalle und Keramikenzu Schichten verarbeiten und siekönnen auch beschichtet wer-den. Anwendungen für das Ther-mische Spritzen finden sich heu-te nahezu überall: Von der ma-nuellen Vor-Ort-Korrosions-schutzbeschichtung von Stahl-elementen in der Bauindustriebis hin zur automatisiertenBeschichtung von Humanim-plantaten mit Hilfe des Plasma-spritzverfahrens. Zu häufigen An-wendungsfällen zählen Walzen-beschichtungen für die Folien-und Papierherstellung. Weiterhinkonnte sich das ThermischeSpritzen im Bereich der Automo-bilindustrie, in der Luftfahrt undin der Energietechnik etablieren.

In den letzten Jahren zähltenverstärkt die Nanotechnologieund die Prozessdiagnostik zuden Forschungsschwerpunktenam Lehr- und ForschungsgebietWerkstoffwissenschaften. MitHilfe der Prozessdiagnostik las-sen sich thermische Spritzpro-zesse grundlegend charakterisie-ren. Mit Hilfe dieser Methoden

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Einstellen des Spritzabstandeszwischen Brenner und Substrat.

Foto: Peter Winandy

werden Prozessregelungen ent-wickelt, wodurch zukünftig deut-lich verbesserte Qualitätskon-trollen während des Beschich-tungsvorgangs ermöglicht wer-den.

Die PVD-Dünnschichttech-nologie wird heute meistens beiWerkzeugbeschichtungen ange-wendet. Hierbei werden dieSchichtausgangswerkstoffe indie Gasphase oder in den Plas-mazustand überführt. Das sozerstäubte Material kondensiertauf dem zu beschichtenden Bau-teil und wächst dort als Schichtauf. Bei vielen Fertigungsopera-tionen wie dem Fräsen und Boh-ren sind PVD-Beschichtungenzum industriellen Standard ge-worden. Diese Beschichtungenwerden seit kurzem auch in Bau-märkten angeboten. Selbst indiesem etablierten Bereich istkein Ende der Weiterentwick-lung absehbar. Neue Werkstoffewie Diamant und Bor-Nitridkommen zur Anwendung undauch die Fertigungsverfahrenwerden weiter entwickelt. Titan-Nickel (TiN) war die erste für dieStahlbearbeitung verwendeteSchicht. Dieser Werkstoff stießbald in vielen Bereichen an seineGrenzen. So konnten mit Titan-Aluminium-Nickel-Schichten aufGrund höherer Oxidationsbe-

ständigkeit, Warmfestigkeit undVerschleißbeständigkeit deutlichleistungsfähigere Werkzeuge her-gestellt werden.

Auch die Bereitstellung vonEnergie unter ökologisch undökonomisch sinnvollen Bedin-gungen erfordert ein Höchst-maß an Einsatz modernster Be-schichtungstechnologie. Dazugehören Wärmedämmschichtenfür stationäre Gasturbinen undauch für Flugtriebwerke. Um ei-nen möglichst hohen Wirkungs-grad und damit eine optimaleAusnutzung der fossilen Energiezu erreichen, ist eine möglichsthohe Brenngastemperatur not-wendig. Wärmedämmschichtenschützen hierbei metallischeKomponenten in den Turbinenvor den extrem hohen Tempera-turen.

Mit der steigenden Rechen-leistung von Computern wirddie Simulation von technischenProzessen zunehmend an Be-deutung gewinnen. Die Vielzahlder möglichen Kombinationenaus Verfahren, Werkstoffen undzu erreichenden Bauteileigen-schaften wird auch zukünftigvermehrt den Einsatz von Simu-lation erfordern, um den experi-mentellen Aufwand bei derSchichtentwicklung zu minimie-ren. Die Entwicklung leistungs-

starker Modellierungsmethodengehören somit am Lehr- und For-schungsgebiet Werkstoffwissen-schaften zu den Schwerpunktender kommenden Forschungsak-tivitäten. Hierbei kommen zumBeispiel molekulardynamischeMethoden zur Beschreibung desSchichtwachstums bei PVD-Pro-zessen zum Einsatz. Das Ziel istdie Simulation von Schichtstruk-turen auf molekularer Ebene zurBeschreibung der Schichteigen-schaften.

Autoren:Univ.-Prof.Dr. techn. Erich Lug-scheider ist Professor für dasLehr- und ForschungsgebietWerkstoffwissenschaften.Dipl.-Ing.Klaus Seemann istWissenschaftlicher Mitarbeiteram Lehr- und ForschungsgebietWerkstoffwissenschaften.

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EMEN erstörungsfreies Prüfen ist

ein Thema mit vielen An-wendungen. Ein historisches

Kunstwerk oder ein Lebewesenwird man grundsätzlich ohneProbenentnahme prüfen wollen.Das gleiche gilt für teure odersicherheitsrelevante Produkte.Aus der Medizin sind hierzu ge-eignete Verfahren bekannt, un-ter anderem die Kernspintomo-graphie. Hiermit kann man nichtnur beliebig orientierte Schnitt-bilder durch den Körper aufneh-men, sondern auch quasi schoneinfache Gedanken lesen undEinblicke in die Funktion des Ge-hirns erlangen. Für die Untersu-chung wird der Mensch in derÖffnung eines supraleitendenMagneten positioniert und mitHochfrequenzwellen abgetastet.Diese Apparatur lässt sich fürviele Anwendungen in Medizinund Materialforschung auch zueinem mobilen Gerät verklei-nern. Die Verfügbarkeit einesmobilen Kernspintomographenim Taschenformat eröffnet inte-ressante neue Anwendungen fürdie zerstörungsfreie Prüfungund Qualitätskontrolle im Be-reich der weichen Materie.

Kernspinresonanz (NMR)Kernspinresonanz – NMR (Nu-clear Magnetic Resonance) –bezeichnet den Funkverkehr mitRadiowellen zwischen Messge-rät, dem NMR-Spektrometer undAtomkernen, die einem starkenMagnetfeld ausgesetzt sind. Die-ses Verfahren ist in der chemi-schen Analytik zur Strukturauf-klärung fest etabliert. KurtWüthrich erhielt im Jahre 2002für seine NMR-Arbeiten zurStrukturaufklärung biologischerMakromoleküle den Nobelpreisfür Chemie. Moderne NMR-Spektrometer verwenden ausGründen der Messempfindlich-keit teure supraleitende Magne-te mit sehr starken und homo-genen Feldern. Bei der NMR-Bildgebung werden zum Erhaltder Ortsinformation magneti-sche Zusatzfelder gepulst. Ne-ben der Zahl der Protonen be-stimmt insbesondere die so ge-nannte NMR-Relaxationszeit T2den Kontrast im Kernspintomo-gramm. Diese stoffspezifischeZeitkonstante wird in charakteri-stischer Art und Weise von denBewegungen der Moleküle be-stimmt. So bewegt sich ein Mo-lekül in der Flüssigkeit viel freierund schneller als ein Molekül im

Festkörper oder ein Segment ei-ner makromolekularen Kette imdreidimensionalen Netzwerk ei-nes Gummimaterials. Dement-sprechend ist die T2-Zeit für Mo-leküle in der Flüssigkeit längerund der Bildbereich heller als derfür Moleküle im festeren Mate-rial. In erster Näherung wird T2mit zunehmender Härte einesMaterials kürzer.

Die Ausrüstung für NMR be-steht aus einem Magneten undeiner Sende- und Empfangsein-heit für Radiowellen. Für die Spek-troskopie und die Bildgebung istdie Ausstattung gewöhnlich orts-fest und teuer, dafür aber hoch-empfindlich und vielseitig in denAnwendungsmöglichkeiten. Hier-bei umschließt der Magnet denzu messenden Objektbereich.Bei Spezialisierung auf die Mes-sung von Relaxationszeiten kön-nen tragbare Permanentmagne-te und PC-Spektrometer einge-setzt werden. Eine in der Pro-duktkontrolle von Autoreifen er-probte NMR-Sonde ist die ander RWTH Aachen entwickelteNMR-MOUSE® (MObile Univer-sal Surface Explorer). Die NMR-

MOUSE® besteht aus einem Per-manentmagneten und einer Sen-de- und Empfangsantenne fürNMR-Frequenzen im Bereichvon 20 Megahertz. Die Sondewird auf das Objekt aufgelegt,so dass das Magnetfeld in dasObjekt von einer Seite eindringt.Was Mitte der neunziger Jahreim spielerischen Versuch ent-standen ist hat, sich schnell alsnützlich für praktische Anwen-dungen und hochinteressant fürdie wissenschaftliche Grundla-genforschung herausgestellt. In-zwischen sind eine Vielzahl vonMessmethoden und Anwendun-gen für die NMR-MOUSE® be-kannt.

Von der Gummivulkanisation zu Klebungen zu Wasser imantiken FreskoGummi besteht aus makromole-kularen Ketten, die bei der Vul-kanisation mit Schwefel zu einemdreidimensionalen Netzwerk ver-knüpft werden. Eine Gummire-zeptur besteht aus vielen Kom-ponenten, ähnlich einem Back-rezept für Brot. Je nach Rezepturund Vulkanisationsbedingungen

Professor Bernhard Blümich mit seinen Assistenten FredericoCasanova und Ivan Perlo.

Foto: Peter Winandy

Bernhard Blümich

Kernspintomograph im TaschenformatZerstörungsfreies Prüfen mit Magnetischer Resonanz

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wird ein anderes Material erzielt.Der Hersteller versucht Rezepturund Verarbeitung für die jeweili-ge Anwendung zu optimieren,um so zum Beispiel ein Hochlei-stungsprodukt wie einen schein-bar einfachen Autoreifen zu fer-tigen, der mehr als 50.000 Kilo-meter Fahrkomfort und -sicher-heit gewährt. Mit der NMR-MOUSE® kann durch Messen derT2-Relaxation das Vulkanisations-ergebnis am fertigen Objekt inwählbarer Tiefe zerstörungsfreigeprüft und die gleichbleibendeQualität des Fertigungsprozessesüberwacht werden. Recht ein-drucksvoll kann man die Ände-rung der T2-Zeit mit dem Aus-härten eines feuchtigkeitshärten-den Polyurethan-Dickschichtkle-bers verfolgen. Solche Kleber wer-den zum Verbinden der Wind-schutzscheibe mit der Karosserieim PKW-Bereich eingesetzt. DieMessung an Prüfkörpern ausGlas, Gummi und Metall ergab,dass der Kleber erst nach 30 Ta-gen voll ausgehärtet war, imVergleich zu den Herstelleranga-ben, die die Belastbarkeit derKlebung nach einer Aushärtezeitvon fünf Tagen angeben.

Ein weiteres Beispiel ist diezerstörungsfreie Messung an al-ten Büchern und Fresken. Hiergibt die NMR Information überden Erhaltungszustand des Pa-piers sowie den Feuchtegehaltund die Verteilung der mit Was-ser gefüllten Poren im Baumate-rial. Die Verteilung der T2-Zeitenwassergetränkter Baustoffe isthäufig ähnlich der sonst durchEinpressen von giftigem Queck-silber gemessenen Porengrößen-verteilung. Dies wurde unter an-derem an einem alten, nassenrömischen Fresko in der Nähedes Colosseums in Rom demon-striert. Ohne das kostbare Fres-ko zu berühren wurde mit derdavor gehaltenen NMR-MOUSE®

der Zerfall des NMR-Signals ge-messen und anschließend in eineVerteilung von T2-Zeiten zerlegt.Diese Verteilungen zeigen einenhohen Feuchtegehalt in dengroßen Poren für das Fresko,weniger Feuchte in den großenPoren der das Fresko tragendenZiegelwand und noch wenigerWasser im Ziegel einer benach-barten Wand.

Kernspintomograph imTaschenformatZiel einer DFG-Forschergruppean der RWTH ist es, das Poten-zial der NMR-Bildgebung mitder NMR-MOUSE® in Medizinund Materialforschung zu er-gründen. Über weitere Spulenzur Erzeugung gepulster Zusatz-felder können mit der NMR-MOUSE® auch Bilder wie in derKernspintomographie erzeugtwerden. Noch sind die Auflö-sung und die Empfindlichkeit dergroßen Kernspintomographennicht erreicht, doch die Messzeitfür die Bilder konnte bereits umzwei Größenordnungen aufwenige Minuten verringert wer-den. In der Materialforschungsind die Anforderungen an Auf-lösung und Messzeit wenigerkritisch als in der Medizin, sodass die mobile NMR-Technolo-gie zuerst in Produkt und Pro-zesskontrolle, zum Beispiel amExtruder, und in der Fertigungvon Elastomerprodukten erfolgt.Gemessen an der rasantenEntwicklung der medizinischenKernspintomographie werdenaber bald auch die ersten medi-

zinisch signifikanten Untersu-chungen an Sehnen und Ge-lenken erfolgen.

Autor:

Univ.-Prof.Dr. rer.nat.Dr. h.c.Bernhard Blümich ist Inhaberdes Lehrstuhls für Makromole-kulare Chemie im Institut fürTechnische Chemie und Makro-molekulare Chemie und Leiterdes Zentrums für MagnetischeResonanz (MARC).

Der zurzeit weltweit kleinsteKernspintomograph für dieMaterialforschung und Werk-stoffprüfung in Medizin undFahrzeugtechnik. Im Hinter-grund ein klassischer Tomographmit etwa fünf Tonnen Gewicht.

Foto: Peter Winandy

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EMEN eit vielen Jahren werden

Mikroorganismen zur Pro-duktion von Medikamen-

ten, Vitaminen und Nahrungser-gänzungsmitteln eingesetzt. Diemit Hilfe der Biotechnologie ent-wickelten Verfahren arbeiten da-bei oft schonender als die klassi-sche Chemie, da die biologischeFermentation unter physiologi-schen Bedingungen durchge-führt wird, also bei moderatenTemperaturen und Drücken undohne Verwendung von Lö-sungsmitteln. Die Umwandlungvon nachwachsenden Rohstof-fen durch Mikroorganismen indas gewünschte Produkt ist zu-dem ein ökonomischer und öko-logischer Vorteil.

Es stehen eine große Anzahlvon Kultivierungsverfahren zurVerfügung. Grundsätzlich unter-scheidet man diese Technikennach dem „Aufenthaltsort“ derMikroorganismen. Entweder le-ben die Mikroorganismen freisuspendiert in der Nährlösungund müssen kontinuierlich me-chanisch (Filtration, Sedimentati-on) im Bioreaktor zurückgehal-ten werden. Oder die Mikroor-ganismen wachsen auf einerfesten Trägerstruktur und ver-bleiben dauerhaft ohne Abtren-nung im Bioreaktor.

Die so genannte Immobili-sierung (Fixierung) von Mikroor-ganismen auf einer festen Trä-gerstruktur bietet sehr interes-sante Möglichkeiten zur Effizi-enzsteigerung und Vereinfa-chung von Bioprozessen. Durchdas Zurückhalten der lebendenund produzierenden Mikroorga-nismen im Bioreaktor lassen sichkontinuierliche Prozesse mit ho-her Raum-Zeit-Ausbeute ver-wirklichen. Der sonst sehr auf-wändige Trennprozess des ge-wonnenen Produktes von derNährlösung und den Organis-men wird deutlich vereinfacht.

Verschiedene Immobilisie-rungstechniken haben sich inden letzten Jahren bei Enzym-präparationen, bei anaeroben(nicht atmenden) Mikroorganis-men und bei Bakterienkulturenmit geringem Sauerstoffbedarfetabliert und werden heute in-dustriell eingesetzt. Alle bisheri-gen Immobilisierungsversuchevon aeroben (atmenden) Mikro-organismen mit zum Teil hohemSauerstoffbedarf führten jedochzu keinen nennenswerten Lei-stungssteigerungen.

Bild 1: Bioreaktor.

Das größte bisher noch un-gelöste Problem bei Bioprozes-sen mit immobilisierten aerobenMikroorganismen ist der Sauer-stofftransfer von der Luft in dieFlüssigkeit. Um eine optimaleVersorgung der Mikroorganis-men zu gewährleisten, muss die-ser Stoffübergang so hoch undschnell wie möglich sein. Je bes-ser der Stoffübergang, umsomehr Mikroorganismen könnenin dem System leben. Die Pro-duktivität des Biosystems steigtmit der Erhöhung der Sauer-stoffversorgung. Es ist bereitsbei konventionellen Bioprozes-sen mit frei suspendierten Mi-kroorganismen schwierig füreinen ausreichenden Sauerstoff-transfer zu sorgen. Bei Reakto-ren mit zusätzlich immobilisier-ten Mikroorganismen ist derSauerstoffbedarf pro Reaktorvo-lumen noch höher und folglichnoch schwieriger zu decken. Umüberhaupt nennenswerte immo-bilisierte Mengen an produzie-renden Mikroorganismen zu er-reichen, müssen möglichst gro-ße besiedelbare Oberflächen zurVerfügung gestellt werden undder Sauerstoffeintrag in das Nähr-medium muss erhöht werden.

Im Rahmen eines von derDeutschen Forschungsgemein-schaft (DFG) geförderten Pro-jekts befasst sich das Institut fürProzess- und Anwendungstech-nik Keramik (IPAK) zusammenmit dem Institut für Bioverfah-renstechnik (BioVT) mit der Ent-wicklung einer hinsichtlich derSauerstoffversorgung optimier-ten keramischen Trägerstrukturfür die Immobilisierung von aer-oben Mikroorganismen. DieseTrägerstruktur wird in einem Bio-reaktor kontinuierlich von Nähr-lösung und Luftblasen durch-strömt (Bild 1).

Das gewählte Strömungs-konzept durch die Trägerstruk-tur ist dem Aufbau von biologi-schem Körpergewebe nachemp-funden. Im menschlichen Körperwerden die Organe und Mus-keln mit einer Struktur von gro-ßen zu- und abführenden Adernmit den dazwischen liegenden,sich fein verästelnden Aderge-fäßen totraumfrei über das Blutver- und entsorgt. Anders als inLebewesen, bei denen der Sau-erstoff in der Lunge in das Blutübergeht und vom Hämoglobinzum Ort des Verbrauchs trans-portiert wird, soll in diesem Pro-jekt die Luft in Blasenform mit

Jochen Büchs, Horst R. Maier, Karen Otten, Juri Seletzky

Bakterienkulturen in keramischen TrägerstrukturenNeue Verfahren und Materialien ermöglichen optimierte Sauerstoffversorgung

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ENUntersuchen der Sauerstoffver-sorgung von Mikroorganismenin einem Bioreaktor. Ziel istunter anderem die Produktionvon Vitaminen durch Mikro-organismen.

Foto: Peter Winandy

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EMEN durch die Keramikmonolithen ge-

leitet werden.Die verwendeten Träger-

strukturen sind Keramikmono-lithen mit definierter Kanal- undPorenstruktur (Bild 2), die inähnlicher Form bereits im Auto-mobilbau als Katalysatoren undDieselrußfilter zum Einsatz kom-men. Die Makro- und Mikroka-näle sorgen für eine gleichmäßi-ge und totraumarme Durchströ-mung der Monolithen. Das sichzwischen den Kanälen befindli-che Wandmaterial ist porös unddient als Nistplatz für die immo-bilisierten Mikroorganismen (Bild3). Die Abstände zwischen denKanälen, also die Dicken derzwischen ihnen liegenden porö-sen Wände, sind klein gehalten,um eine möglichst vollständigeVersorgung der Mikroorganis-men mit Sauerstoff durch Diffu-sion zu erreichen.

Die Blasendurchströmungsoll in zwei unterschiedlichenAnsätzen erfolgen. Beim so ge-nannten „bubble train flow“ bil-den sich aus Blasen mit einemDurchmesser größer als der Ka-naldurchmesser beim Eintritt inden Kanal zylinderförmige Bla-sen aus. Es ergibt sich ein sehrdünner Flüssigkeitsfilm zwischender zylindrischen Blase und derKanalwand. Das zweite geplanteKonzept zur Blasenerzeugungberuht auf der Verteilung sehrfeiner Mikroblasen. Durch die soerzeugte sehr große Stoffaus-tauschfläche soll eine optimaleSauerstoffversorgung der Mikro-organismen im System erreichtwerden. Mit diesen Ansätzensoll die immobilisierte Biomasse-menge aktiv atmender aeroberMikroorganismen deutlich überdas bekannte Maß hinaus ge-steigert werden, um diese Tech-nik möglichst auch wirtschaftlichinteressant zu machen.

Bild 3: Mikroorganismen aufSiliziumkarbid.

Bild 2: Kanalstruktur eines Kera-mikmonolithen.

Autoren:

Univ.-Prof.Dr.-Ing. JochenBüchs ist Inhaber des Lehrstuhlsund Direktor des Instituts fürBioverfahrenstechnik.Univ.-Prof.Dr.-Ing.Horst R.Maier ist Inhaber des Lehrstuhlsund Direktor des Instituts fürKeramische Komponenten imMaschinenbau und Direktor desInstituts für Prozess- und An-wendungstechnik Keramik.Dipl.-Ing.Karen Otten ist Wis-senschaftliche Mitarbeiterin imInstitut für Prozess- und Anwen-dungstechnik Keramik. Dipl.-Wirt.Ing. Juri Seletzky istWissenschaftlicher Mitarbeiteram Lehrstuhl für Bioverfahrens-technik.●

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Vermessen von porösen kera-mischen Trägerstrukturen inScheiben- und Kanalbauweiseals Nistplätze für Mikroorganis-men.

Foto: Peter Winandy

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EMEN er Schlüssel zu einer ge-

steigerten Leistungsfähig-keit von Produkten liegt

oftmals im Werkstoff. Vom End-kunden wird dieser zwar kaumwahrgenommen, für die Eigen-schaften eines Artikels ist dasMaterial aber von großer Bedeu-tung. Oft werden für den Ein-satzfall speziell konzipierte Werk-stoffe gewählt, über die nur be-grenztes Erfahrungswissen ver-fügbar ist. An dieser Stelle setztdie Werkstoffsimulation an, mitder eine Vorhersage des Materi-alverhaltens durch Berechnungmöglich wird. Insbesonderewenn der Verarbeitungsprozessund die Produkteigenschaften inWechselwirkung treten, ist dasKompetenzzentrum für Prozess-simulation (SimPRO) der RWTHAachen gefragt.

Das Bundesministerium fürBildung und Forschung fördertdieses Zentrum zusammen mitdem Ministerium für Wissen-schaft und Forschung des Lan-des Nordrhein-Westfalen. DieArbeiten des im Jahre 2000 er-öffneten Kompetenzzentrumsbeschäftigen sich mit der Simu-lation verschiedenster Arbeits-prozesse an den WerkstoffenMetall, Kunststoff, Keramik(Urform-, Umform- und Mikro-struktursimulation) und dennötigen Folgeverfahren wieSchweißen, Schneiden, Sintern,Fügen, Oberflächenbehandlungund Beschichten.

Hervorgegangen ist das Kom-petenzzentrum SimPRO aus demWerkstoff-Forum der RWTH, ei-nem Zusammenschluss von rundfünfzig Professoren, die sich inden Arbeitsgemeinschaften Me-talle, Polymere, Glas/Keramik,elektronische Materialien undVerbundwerkstoffe engagieren.Dabei ist SimPRO ein hervorra-gendes Beispiel für die konse-quente Weiterentwicklung derlangjährigen, intensiven Tätig-keiten der RWTH auf dem wei-ten Gebiet der Materialwissen-schaften. Um die Vielfalt derFragestellungen im Bereich derSimulation verschiedenster Pro-zesse abdecken zu können, wur-den die Forschungskapazitätenund das Know-how von neun In-stituten der Hochschule im Kom-

petenzzentrum SimPRO gebün-delt: ACCESS e.V. (Gieß- undErstarrungssimulation), Institutfür Bildsame Formgebung - IBF(Schmieden, Umformen), Insti-tut für Eisenhüttenkunde - IEHK(Wärmebehandlung, Phasenum-wandlung), Institut für Kunst-stoffverarbeitung - IKV (Spritz-gießen, Extrusion, Pressen vonFaserverbundbauteilen), Institutfür Keramische Komponenten imMaschinenbau - IKKM (Sintern,Fügen), Lehrstuhl für Lasertech-nik - LLT (Schneiden, Fügen),Institut für Metallkunde und Me-tallphysik - IMM (Materialent-wicklung), Institut für Schweiß-technische Fertigungsverfahren- ISF (Schweißen) und das Lehr-und Forschungsgebiet Werk-stoffwissenschaften - WW (Be-schichtung, Oberflächentechno-logie).

Das Ziel des Kompetenzzen-trums ist die bedarfsorientierteWeiterentwicklung und Nutzungvon Materialmodellen und Simu-lationstechniken. Diese erfolgenvor dem Hintergrund einerdurchgängigen Simulation derProzessabläufe und Eigenschafts-änderungen vom Ausgangs-werkstoff bis zum hergestelltenBauteil. Dazu sind umfangreicheKooperationen mit der Roh-stoffindustrie und mit Verarbei-tern, wie sie an der RWTH alsexzellenter Standort für die Ma-terialwissenschaften und dieWerkstofftechnik vorliegen, beider Prozesssimulation unabding-bar. Des Weiteren bietet Sim-PRO Beratung von Unterneh-men in der Werkstoff- und Pro-duktentwicklung an, führt Semi-nare und Workshops durch undist auch an der Ausbildung vonzukünftigen Anwendern, näm-lich den Studierenden aus ver-schiedenen Bereichen der Mate-rialwissenschaften und der Werk-stofftechnik, beteiligt. Schließlichstehen eine umfassende Aus-stattung in der Prozess- undMesstechnik sowie leistungsstar-ke Rechenanlagen zur Verifikati-on der Simulation, zur Ermitt-lung notwendiger Werkstoffda-ten und zur Lösung komplexerFragestellungen zur Verfügung.Als zentrale Anlaufstelle für dieIndustrie wurde eine SimPRO-Geschäftsstelle am Institut fürKunststoffverarbeitung einge-richtet.

Nicht nur für die Spitzenfor-schung sind die Erkenntnisse ausder Prozesssimulation wichtigund wesentlich, auch etablierteVerfahren der industriellen Ferti-gung besitzen Verbesserungspo-tenziale, die durch die Simulati-on erst nutzbar gemacht wer-den. So werden beispielsweiseGetränkedosen von der Ver-packungsindustrie in extremgroßen Stückzahlen hergestellt,und zwar überwiegend im Tief-und Streckziehverfahren. Dabeiwerden ebene Blechbahnen mitHilfe von Stempeln umgeformt.Ein Teil des Blechs ist Verschnittund wandert zunächst in dieWertstofftonne. Um diesen Pro-zess zu optimieren, lässt sich dieSimulation einsetzen. Dabei ge-staltet es sich als trickreich, denArbeitsschritt der Umformungzu simulieren, da das Blech tück-isch ist und mit Anisotropienaufwartet. Anisotropie steht hierfür unterschiedliche Materialei-genschaften je nach Bearbei-tungsrichtung: Abhängig vonder jeweiligen Legierung besitztdas Blech parallel zur Walzrich-tung eine hohe Zugfestigkeit.Quer zur Walzrichtung ist diesebeträchtlich geringer, bei ande-ren Legierungen kann aber dieseSituation genau umgekehrt sein.Dieser Sachverhalt verlangt Be-achtung bei seiner Nachstellungin mathematischen Modellen.Den Werkstoffforschern ist esjedoch gelungen, ein Computer-modell zu entwickeln, das dieseAnisotropien besonders gut vor-hersagen und in weiteren Be-rechnungsschritten berücksichti-gen kann.

Nach der fünfjährigen Lauf-zeit des Kompetenzzentrums fürProzesssimulation ist Ende 2004eine Ausgründung aus der RWTHangestrebt. Ob die Nachhaltig-keit des Zentrums durch den Ver-kauf von benutzerfreundlicherSimulationssoftware oder durchdas Angebot von Dienstleistun-gen gesichert wird, ist letztlichnoch nicht absehbar. Aber Spin-Off-Unternehmen sind sicherlichFernziele.

Autoren:

Dipl.-Ing.Andreas Franz ist Wis-senschaftlicher Mitarbeiter imKompetenzzentrum für Prozess-simulation (SimPRO).Univ.-Prof.Dr.-Ing.Dr.-Ing. E.h.Walter Michaeli ist Inhaber desLehrstuhls und Leiter des Insti-tuts für Kunststoffverarbeitungsowie Vorsitzender des Kompe-tenzzentrums für Prozesssimula-tion (SimPRO).

Weitere Informationen zu Sim-PRO unter:www.rwth-aachen.de/simpro

Andreas Franz, Walter Michaeli

Rüstzeug für die Materialien von morgenSimulation lautet ein Zauberwort der Werkstoff-Forscher

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Die Natur macht es uns vorOb Kork, Balsaholz, Koralle,Knochen, Schwamm, Pflanzen-halm oder Blatt – die Natur istnicht massiv. Betrachtet man sieetwas näher, so erkennt manihren porösen Aufbau. Auch Le-bensmittel wie Cornflakes, Chips,Mousse au Chocolat oder Brotund Kuchen besitzen eine zellu-lare Struktur. Der zellulare Auf-bau verbindet hohe Festigkeitenmit geringem Gewicht, was idealfür den Leichtbau ist.

Von der Natur lernenSeit wenigen Jahrzehnten be-ginnt auch der Mensch, poröseWerkstoffe herzustellen und zuverwenden – Styropor oder PU-Schäume in Sandwichstrukturenzur Isolierung. Der Einsatz porö-ser Keramiken kam mit der Ein-führung des Katalysators. Aber:

Wo bleiben die metallischenSchäume und Schwämme?Weltweit wird rege an der Her-stellung von metallischen zellu-laren Werkstoffen geforscht.Diese werden untergliedert inoffenporige Schwämme und ge-schlossenporige Schäume. Siedienen als Crashabsorber, Filter-element, Wärmetauscher oderMaterial für den Leichtbau, je-doch es bleiben noch viele offe-ne Fragen. Durch das kontrol-lierte Aufschäumen lassen sichgezielt verschiedene Dichteneinstellen: Aluminiumschäumemit Dichten von 0,3 - 0,8 g/cm3

schwimmen sogar.

Alle zellularen Werkstoffe wer-den an der RWTH erforschtNoch besitzen die Metallschäu-me nicht den Entwicklungsstandder Kunststoff- oder kerami-schen Schäume und Schwäm-me. Dass dies nicht so bleibt,daran arbeiten gleich mehrereForschungsinstitute der RWTHAachen. In der Arbeitsgruppe„Werkstoffverbunde“ desWerkstoff-Forums gibt es eineinstitutsübergreifende Zusam-menarbeit auf dem Gebiet derzellularen Werkstoffe. Die Erfah-rungen mit und das Know-howüber Polymerschäume, welcheaus der Palette der modernenWerkstoffe nicht mehr wegzu-denken sind, werden vom Insti-tut für Kunststoffverarbeitung(IKV) eingebracht. Vor allem inden Bereichen des Spritzgießens,der Extrusion und der Polyure-thanverarbeitung finden intensi-

ve Forschungsaktivitäten statt.Schwerpunkte sind dabei dieEntwicklung spezieller Aggrega-te zur Injektion physikalischerTreibfluide während des Verar-beitungsprozesses, die Analyseder Verarbeitungsprozesse unddie Charakterisierung der Verar-beitungseigenschaften unter an-derem mit Ultraschallprüfungen.Ein weiterer wesentlicher Aspektist die Qualitätssicherung. Hier-zu wird am IKV ein Bildverarbei-tungssystem zur Analyse der her-gestellten Schaumstrukturenentwickelt, welches Aussagenüber die Größenverteilung der inder Schaumstruktur enthaltenenBlasen erlaubt.

Das Institut für KeramischeKomponenten im Maschinen-bau (IKKM) befasst sich in ei-nem seiner Schwerpunkte mitden Grundlagen und Herstel-lungsverfahren von keramischenStrukturen mit geschlossenenund offenen Poren oder auchFunktionshohlräumen. Der eigen-entwickelte Werkstoff Ökoporwird zum Beispiel als Schall-dämpfer in Flugzeugmotoreneingesetzt, ist aber auf Grundseiner Bioverträglichkeit und derMöglichkeit durch gradierte Po-renverteilungen knochenähnli-che Strukturen nachzubildenauch als Implantatwerkstoff undals Nistplatz für Vitamin C er-zeugende Bakterien in der Ent-wicklung. Ein anderes Herstel-lungsverfahren nutzt vorhande-ne Polymerschwämme, die miteiner keramischen Masse be-schichtet und anschließend aus-gebrannt werden. Diese nun ke-ramischen Schwämme könnenals Filter für hohe Temperaturenund aggressive Medien zum Bei-spiel in Stahlschmelzen einge-setzt werden. Diese und weitereBeispiele (Dieselrußfilter, Mem-branen, Feuerfestwerkstoffe fürdie Metallurgie) zeigen die Viel-seitigkeit keramischer zellularerWerkstoffe. Die Prozesstechnikfür die Serienfertigung großerFilter von 40 mal 40 ZentimeterKantenlänge ist am Institut fürGesteinshüttenkunde (GHI) ent-wickelt worden. Hier werdenauch umweltfreundliche Verfah-ren ohne Polymerzersetzung er-probt.

Metallschäume und -schwäm-me: Werkstoffe des neuen Jahr-hunderts?Die Entwicklung von Metall-schäumen wurde in den letztenJahren massiv vorangetrieben.Die Zielrichtungen der verschie-denen Forschungsvorhaben las-sen sich unterteilen in Herstel-lungsverfahren, Entwicklung vonVerbundstrukturen sowie inOberflächenmodifikation undFunktionalisierung dieser neuenWerkstoffe.

Neue HerstellungsverfahrenAm Institut für Eisenhüttenkun-de (IEHK) der RWTH Aachenwird offenporiger Metallschaumin einem neuen Verfahren dar-gestellt. Das Schlicker-Reakti-ons-Schaum-Sinter(SRSS)-Ver-fahren ermöglicht die Herstel-lung offenporiger Metallschäu-me aus verschiedenen Eisen-und Stahlpulvern sowie hoch-schmelzenden Metallen und Le-gierungen. Vorteile des Verfah-rens sind die einfache und um-weltfreundliche Prozessführung.Bei dem Prozess wird aus einemMetallpulver und einem Lö-sungsmittel ein so genannter

Erich Lugscheider, Matthias Maurer

Metallische Schäume und Schwämmeals Werkstoffe der Zukunft?Forschungsaktivitäten der AG-Werkstoffverbunde des Werkstoff-Forums

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EMEN Schlicker, der mit konzentrierter

Phosphorsäure versetzt wird. Inder Suspension entstehen beider chemischen Reaktion zwi-schen Metallpartikeln und SäureWasserstoffgasbläschen, die einAufschäumen des Schlickers be-wirken, und es bildet sich einMetallphosphat, welches zum„Einfrieren“ der Schaumstrukturführt. Nach dem Trocknen desGrünlings bei Raumtemperaturwird dieser zu einem offenpori-gen Metallschaum gesintert. Mitdem SRSS-Prozess ist die Her-stellung von Verbundwerkstof-fen wie einem Stahlrohr inSchaum oder einem Schaum-Stahlblechverbund und vonSchaumbauteilen realisierbar.Zusätzlich werden am IEHK diemechanischen Eigenschaften ver-schiedener metallischer Schäumebei hohen Temperaturen unter-sucht.

Eine potenzielle Anwendungfür poröse metallische Werkstof-fe findet sich in der Energieer-zeugung: Im Niederdruckteil derDampfturbine kondensierenWassertropfen aus dem übersät-tigten Dampf aus. Diese Was-sertropfen führen zu Erosions-schäden an den Laufschaufeln,wodurch das Profil der Lauf-schaufel zerstört wird. Dies führtzu Wirkungsgradverlusten derNiederdruckdampfturbine unddamit des gesamten Kraftwer-kes. Daher wird am Institut fürWerkstoffkunde IWK ein pulver-metallurgisches Verfahren zurHerstellung eines Schichtwerk-stoffes mit offener Porosität ent-wickelt, mit dem eine flächigeAbsaugung der Wassertropfenmöglich sein soll. Dieses Verfah-ren soll später auf Nickelbasis-werkstoffe übertragen werden,um in Hochtemperaturbauteileneine flächige Kühlung zu ermög-lichen.

Am Gießereiinstitut (GI)werden im Feingussverfahrenoffenporöse Metallschwämmesehr hoher Porosität hergestellt.Derartige Feingussschwämmewerden mittlerweile auch kom-merziell für Wärmetauscher, Fil-ter oder Flammdurchschlagsi-cherungen angeboten. Die Pa-lette dieser gießtechnisch her-stellbaren Metallschwämmereicht von Aluminiumbasis überKupfer und Zink bis hin zu hoch-schmelzenden Legierungen.Durch Eingießen oder gleichzei-tiges Gießen von Massivbautei-len lassen sich mittels der Fein-

gusstechnik des Gießereiinstitutsauch Verbundstrukturen herstel-len. Realisiert wurden bisherWärmetauscher.

Verbundstrukturen mit Metall-schäumen, -schwämmen undMetallgewebenAm Institut für Bildsame Form-gebung IBF werden Verbund-strukturen – so genannte Gitter-bleche – entwickelt, welcheKernlagen aus Drahtgewebeoder Streckmetall besitzen unddaher ebenfalls als zellular be-trachtet werden können. DieKernlagen werden durch Schwei-ßen oder Kleben mit den Deck-blechen gefügt und eignen sichaufgrund der hohen Biegestei-figkeit und des geringen Eigen-gewichts besonders für Leicht-baustrukturen. Darüber hinauswerden geschweißte Gitterble-che mit einer Drahtgewebezwi-schenlage gegenwärtig für denEinsatz als Kühlkomponenten inDampfturbinen entwickelt. Hiersoll durch die Hohlräume im In-nern der Struktur ein Kühlmedi-um geleitet werden, das überfeine Bohrungen an der Blecho-berfläche ausströmt und so –analog zur menschlichen Haut –für eine Effusionskühlung(Schwitzkühlung) sorgt.

Eine innovative Methode, dasFlächenträgheitsmoment mit we-nig Masse zu erhöhen, ist derEinsatz struktureller Polymer-schäume zur Optimierung vonAutomobilkarossen. Das Lehr-und Forschungsgebiet Klebtech-nik (LKT) entwickelt mit Kleb-stoffherstellern und der Auto-mobilindustrie Möglichkeiten,strukturelle Schäume in crash-relevanten Zonen des Automo-bils einzusetzen: Hohle Stahlpro-file der Karosserie werden mitgeschäumten Epoxidharzen aus-gekleidet. Der ungeschäumteKlebstoff wird in dem Bauteilplatziert, bindet beim Aufschäu-men im Ofen adhäsiv an diesesan und härtet aus. Dieser struk-turelle Verbund trägt innerhalbder Träger, Schweller und Säu-len des Automobils erheblich zurSteifigkeit und Festigkeit bei undkann zudem das Bauteilverhal-ten bei einem Crash bedeutendbeeinflussen. Des weiteren wur-den am LKT lösbare Schraubver-bindungen sowie Klebeverbin-dungen für Metallschaum-Deck-blech-Verbunde erfolgreich ent-wickelt.

Am Institut für Eisenhütten-kunde IEHK wurden Sandwich-verbunde aus Stahldeckblechenund Aluminiumschaumkern ent-wickelt und umfangreich cha-rakterisiert. Schäumbares Alumi-niumhalbzeug wird hierbei mitStahlblechen walzplattiert undnachfolgend in einem Ofen auf-geschäumt. Vor dem Aufschäu-men können die Blechverbundeumgeformt werden, so dass dieMöglichkeit besteht, dreidimen-sional geformte Bauteile zu er-zeugen. Die erzeugbaren Struk-turen zeichnen sich durch einehohe massenspezifische Biege-steifigkeit aus.

Am Institut für Schweiß-technische FertigungsverfahrenISF wurden erfolgreich Verfah-ren entwickelt, um Aluminium-schäume und Sandwichstruktu-ren aus Aluminiumschäumenund Aluminiumdeckblechen mitverschiedenen Schweißverfahrenzu fügen. Es wurden hier insbe-sondere mit dem Metall-Inert-gasschweiß(MIG)-Verfahren gu-te Ergebnisse erzielt, die dieGrundlage für eine entsprechen-de Dissertation bildeten.

Im Lehr- und Forschungsge-biet WerkstoffwissenschaftenWW werden mittels thermischerSpritzverfahren Deckschichtenauf verschiedene Metallschäumeaufgebracht und damit gezieltderen Eigenschaften verbessert –

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so das Verschleißverhalten, dieOberflächenqualität oder dieFestigkeit des neuen Verbundes.Die aufgespritzten Schichtenkönnen metallischer oder kera-mischer Natur sein und eine last-tragende Funktion übernehmen.Solche Verbunde mit Kernlagenaus Metallschaum eignen sichbesonders für Leichtbauanwen-dungen. So will man der Naturein Stück näher kommen, ähn-lich dem Aufbau eines Kno-chens: Außen fest und dicht –innen leicht und porös.

OberflächenmodifizierteMetallschäumeAluminiumschäume, welche nurungenügende Verschleißeigen-schaften besitzen, können durchBeschichtungen mittels Laserab-scheideverfahren (Pulsed LaserDeposition) an ihrer Oberflächeveredelt werden. Ferner könnenam Lehrstuhl für LasertechnikLLT die Oberflächen mittels La-serbearbeitung maßgeschneidertstrukturiert und funktionalisiertwerden, indem Verschlüsse ge-öffnet oder Mikrometer großeMaterialbereiche abgetragenwerden. Oberflächenmodifizie-rungen und Charakterisierungenvon Oberflächen zellularer Me-talle oder Keramiken, welche alsImplantate in den menschlichen

Körper eingesetzt werden sollen,werden am Lehrstuhl für Textil-chemie und MakromolekulareChemie im Deutschen Wollfor-schungsinstitut DWI durchge-führt.

Autoren:

Univ.-Prof.Dr. techn. Erich Lug-scheider ist Sprecher der AG„Werkstoffverbunde“ und Pro-fessor für das Lehr- und For-schungsgebiet Werkstoffwissen-schaften.Dipl.-Ing.Matthias Maurer istWissenschaftlicher Mitarbeiteram Lehr- und ForschungsgebietWerkstoffwissenschaften.

Die Autoren danken den Mit-gliedern der Arbeitsgruppe„Werkstoffverbunde“ desWerkstoff-Forums für ihreUnterstützung.

Lichtbogenspritzen einer Stahl-schicht auf schäumbares Alumi-nium-Halbzeug im easyFoam-Prozess. Im Vordergrund Vor-ratsspulen für die Spritzdrähteaus kupferummanteltem Stahl.

Foto: Peter Winandy

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Anette Brandenburg, Ulrich Dilthey, Markus Schleser

Kleben von Mikrobauteilen Applikation von Klebstoffen in der Mikrosystemtechnik

ie Bedeutung der Mikro-systemtechnik ist in denvergangenen Jahrzehn-

ten vor allem durch die rasanteEntwicklung im Bereich der Com-putertechnologie geprägt wor-den. Die dort etablierten Ferti-gungsverfahren ermöglichen dieHerstellung großer Stückzahlenmonolithisch aufgebauter Mi-krosysteme auf Siliziumbasis.

Daneben gewinnen in jüngs-ter Zeit, bedingt durch die fort-schreitende Miniaturisierung vonmechanischen, elektrischen undoptischen Komponenten, auchhybrid aufgebaute Mikrosyste-me zunehmend an Bedeutung.Diese vereinen die genanntenKomponenten beziehungsweiseFunktionen zu einem Gesamt-system.

Neben Sensoren und Akto-ren für Kraftfahrzeuge gelangenvermehrt auch Anwendungenaus den Bereichen Informations-,Bio- und Medizintechnik zur An-wendungsreife. Ein interessantesBauteil aus der Medizintechnikist in diesem Zusammenhang dieam Fraunhofer-Institut für Pro-duktionstechnologie (IPT) ent-wickelte minimalinvasive Punk-tionsnadel (Bild 1).

Von zentraler Bedeutung beider Herstellung hybrider Mikro-systeme ist die Montage der un-terschiedlichen Komponenten zueinem funktionalen Gesamtsys-tem mittels leistungsfähiger Fü-getechnologien. Das Kleben vonMikrobauteilen ist ein Verfahrenmit zahlreichen Vorteilen. Derapparative Aufwand ist ver-gleichsweise gering, und das Ver-fahren eignet sich sowohl zurEinzelteilfertigung als auch zurMassenproduktion. Auch wer-den die zu fügenden Bauteilekeiner übermäßigen thermi-schen Belastung ausgesetzt undim Betrieb auftretende Span-nungspitzen können durch dieplastische Verformbarkeit derKlebschicht ausgeglichen wer-den. Da die Fügeaufgaben beider Montage von hybrid aufge-bauten Mikrosystemen einegroße Palette anwendungsrele-vanter Werkstoffe und Fügeteil-geometrien umfassen, wirkt sichdie gute Eignung des Verfahrenshierfür besonders vorteilhaft aus.Schließlich lassen sich neben derGewährleistung der strukturellenFestigkeit auch Funktionen di-rekt in die Klebschicht integrie-ren. Diese umfassen das Leitenbeziehungsweise Trennen von

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Elektrizität, Wärme, Licht undFluiden oder ganz allgemein dasKapseln von Bauteilen zumSchutz gegen Beschädigungen.

Bei der Übertragung derTechnologie vom Makro- in denMikrobereich erhöht sich auf-

grund der kleinen Dimensionendie Komplexität des Dosier- undApplizierprozesses der Klebstoffeerheblich. Unter Dosieren ver-steht man in diesem Zusammen-hang die Bereitstellung eines de-finierten Klebstoffvolumens un-ter Applizieren dessen Auftragsauf die Fügestelle. Für die Kleb-stoffapplikation von Voluminagrößer als 100 Nanoliter werden

heutzutage vorwiegend Dosierereingesetzt, die Druck-Zeit-ge-steuert arbeiten oder über dieDrehzahl einer DosierschneckeKlebstoff fördern (Auger-Dosie-rer). Unterhalb von 100 Nanoli-tern arbeiten diese Dosierer inder Regel nicht ausreichend re-produzierbar.

Aus diesem Grund wurdeam Institut für Schweißtechni-sche Fertigungsverfahren (ISF)eine modular aufgebaute Mikro-dosieranlage entwickelt, in diesich verschiedene Vorrichtungenzum Dosieren von Klebstoffenim Mikrobereich integrieren las-sen. Eine besonders leistungs-fähige Vorrichtung ist der eben-falls am ISF konstruierte und ge-fertigte Kolbendosierer, der denKlebstoff durch Verfahren eineselektrisch angetriebenen Kol-bens fördert.

Bild 1: Minimalinvasive Punk-tionsnadel.

Einrichten der Mikrodosieran-lage für Polymere zum Klebeneines Mikromischer-Bauteils für die Biotechnologie.

Foto: Peter Winandy

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Dieses Dosierprinzip besitztden Vorteil, dass das verdrängteVolumen vom Fließverhaltendes geförderten Fluids unabhän-gig ist. Umgebungstemperatur,Fördergeschwindigkeit oder Ge-gendruck haben keine Auswir-kungen auf den Dosierprozess.Für die durchgeführten Untersu-chungen wurden Mikrolitersprit-zen mit einem Volumen vonzehn bis 50 Mikrolitern als Do-sierer verwendet, deren Kolbenmit einer schrittmotorbetriebe-nen Linearführung verfahrenwurden. Die Genauigkeit der Li-nearführung beträgt 0,1 Mikro-meter und ermöglicht so dasVerdrängen von minimal 150Picolitern Klebstoff. Als Auftrag-werkzeug werden Kapillaren ausGlas, Edelstahl oder Kunststoffim Durchmesserbereich von 20bis 700 Mikrometern verwendet.Diese müssen, je nach Anforde-rungen an den Dosierprozess,gegebenenfalls noch modifiziertwerden, etwa durch Beschichtender Kapillarenmantelfläche mitPolymeren.

Der Applikationsvorganglässt sich in drei wesentlichePhasen gliedern (Bild 2).

Im Dosierer wird eine defi-nierte Menge Klebstoff ver-

drängt, die an der Kapillarenöff-nung austritt und dort einenhängenden Tropfen (Meniskus)bildet. Anschließend wird dieKapillare abgesenkt, bis der hän-gende Tropfen die Fügeteilober-fläche berührt. Die hierbei ent-stehende fluide Verbindungweist die Form eines Katenoidsauf. Durch das nachfolgendeAnheben der Kapillare reißt dasKatenoid und eine bestimmteKlebstoffmenge wird so auf dasBauteil übertragen, während einTeil des Klebstoffs an der Kapil-lare verbleibt. Größe und Form

der applizierten Menisken hän-gen entscheidend von den Ei-genschaften der Kapillare, desKlebstoffs und der Substratober-fläche ab.

Das Verhältnis zwischendem an der Kapillare bereitge-stellten Dosiervolumen und demauf das Substrat übertragenenAppliziervolumen lässt sich mit-tels so genannter Applizierkenn-linien beschreiben. Hierzu wer-den die Radien und Durchmes-ser der Klebstofftropfen mithilfeeiner in die Anlage integriertenCCD-Kamera vermessen. Ausden Messwerten lässt sich dasbereitgestellte und das aufgetra-gene Tropfenvolumen berech-nen und für die Kombination

Autoren:

Dr.-Ing.Anette Brandenburg istAkademischer Oberrat am Insti-tut für Schweißtechnische Ferti-gungsverfahren.Univ.-Prof.Dr.-Ing.UlrichDilthey ist Professor für das FachSchweißtechnische Fertigungs-verfahren und Direktor des Insti-tuts für Schweißtechnische Ferti-gungsverfahren.Dipl.-Ing.Markus Schleser istWissenschaftlicher Mitarbeiteram Institut für Schweißtechni-sche Fertigungsverfahren.

von Kapillare, Klebstoff undSubstratoberfläche in einem Dia-gramm auftragen.

Der Verlauf der so ermittel-ten Applizierkennlinien lässt sichnumerisch beschreiben und indie modular aufgebaute Steue-rungssoftware der Mikrodosier-anlage implementieren. Dies er-möglicht die gezielte Variationdes applizierten Klebstoffvolu-mens und dessen Steuerung in-nerhalb enger Grenzen.

Ziel der weiteren Arbeiten istes, die komplexen Abhängigkei-ten zwischen den einzelnen Ein-flussparametern auf den Appli-zierprozess mithilfe von geeig-neten mathematischen Metho-den zu beschreiben, um die An-zahl der benötigten Kennlinienzu reduzieren.

Die beschriebenen For-schungsarbeiten stellen einenAusschnitt der Untersuchungendes Teilprojekts „Mikrokleben“dar, das im Rahmen des von derDFG geförderten Sonderfor-schungsbereiches 440 bearbeitetwird.

Bild 2: Berührender Klebstoff-auftrag mit Kapillare.

Einlegen der oberen Mikromi-scherplatte aus Pyrex als Teil desgeklebten Dreischicht-Verbun-des aus Pyrex-Silizium-Pyrex.

Foto: Peter Winandy

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Martin Deilmann, Günter Gottstein

Der Sonderforschungsbereich 370Richtungsweisende Simulationskonzepte bei der Werkstoffmodellierung

bgleich metallischeWerkstoffe bereits seitJahrtausenden bekannt

sind und zu Gebrauchsgegen-ständen verarbeitet werden,gründet sich das moderne Ver-ständnis von Werkstoffen imwesentlichen nur auf die Ent-wicklungen des vergangenenJahrhunderts. Eine der wichtig-sten Entdeckungen der moder-nen Werkstoffwissenschaftenwar die fundamentale Erkennt-nis, dass die makroskopischenEigenschaften von Werkstoffendurch ihre Mikrostruktur be-stimmt werden, also durch dieräumliche Verteilung der chemi-schen Elemente und der Kristall-defekte. Diese Mikrostruktur istim Zuge der Herstellungsketteeines Bauteils Änderungen un-terworfen, so zum Beispiel beider Herstellung eines längsnaht-geschweißten Rohres. Mit jedemVerarbeitungsschritt ändert sichalso die Mikrostruktur in charak-teristischer Weise und mit ihrdas Eigenschaftsspektrum desWerkstoffs.

Daher ist eine Beschreibungvon Werkstoffeigenschaften aufder Basis makroskopischer Zu-standsgrößen wie Dimension,Gestalt oder chemische Zusam-mensetzung prinzipiell ausge-schlossen. Vielmehr wird die Mi-krostruktur eines Werkstoffs aufeiner Größenskala definiert, diemehrere Zehnerpotenzen unter-halb der Bauteildimensionenliegt, nämlich vom atomistischenbis zum mesoskopischen Bereich.Andererseits ist es durch gezielteVeränderung der Mikrostrukturmittels Steuerung des Herstel-lungsverfahrens möglich, die Ei-genschaften eines Werkstoffsbei unveränderter chemischerZusammensetzung in weitenGrenzen zu ändern. Dieser Zu-sammenhang definiert das werk-stofftechnische Problemfeld, dasbegrenzt wird von den Eckpfei-lern Mikrostrukturoptimierung,Eigenschaftsprognose und Kos-tenminimierung.

Ziel des von der DeutschenForschungsgemeinschaft (DFG)geförderten Sonderforschungs-bereiches (SFB) 370 ist die mo-dellhafte Beschreibung dieserZusammenhänge und ihre durch-gängige Anwendung auf die Her-stellungsgeschichte eines Pro-duktes. Die Struktur des SFB hin-sichtlich seiner Gliederung inProjektbereiche und Teilprojekteorientiert sich daher an dieser

O

Beschicken der Probenkammereines Feldemissions-Rasterelek-tronenmikroskops mit einemIntel Pentium Computerchip.

Foto: Peter Winandy

Produktionskette. Ein zweitesgleichwertiges Anliegen des SFBbesteht in der dimensionsüber-greifenden Beschreibung vonWerkstoffeigenschaften mittelsAnbindung von physikalischenModellen an die makroskopi-sche Ebene, auf der sie ingeni-eurwissenschaftlich genutzt wer-den können. Die Zusammenar-beit von verschiedenen Institu-ten mit unterschiedlicher Einord-nung zwischen Grundlagenwis-senschaften und anwendungso-rientierten Ingenieurwissen-schaften in den Teilprojekten re-flektiert diese Zielsetzung.

Entwicklung des Sonder-forschungsbereichesDer Sonderforschungsbereich370 „Integrative Werkstoffmo-dellierung“ wurde bereits imJahre 1994 eingerichtet und vorkurzem bis Ende 2005 weiter be-willigt. Nach der Konsolidierungdes SFB in der ersten Antrags-phase und der Entwicklung mo-dularer Programmsysteme in derzweiten Bewilligungsperiodewurden im dritten Antragszeit-raum Modelle und Module mit-einander verknüpft und dieDurchgängigkeit der Herstel-lungskette in der Simulation rea-lisiert. Dazu war es notwendig,

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EN„Integrative Werkstoffmodellierung“

die Verbindung verschiedenerModellebenen herzustellen unddie gegenseitige Beeinflussungphysikalischer Vorgänge zu er-fassen, denn in dieser komple-xen nichtlinearen und daher sub-til empfindlichen Wechselwir-kung liegt ja die Erscheinungs-vielfalt der Mikrostrukturen be-gründet und damit die eigentli-che Schwierigkeit der Werkstoff-modellierung. In seiner kom-menden vierten Antragsphasewird sich der SFB mit der Pro-gnose kritischer Eigenschaftenausgewählter Bauteile befassen.

Neben der Modellierungwurden besondere Anstrengun-gen unternommen, die Compu-tersimulationen experimentell zuvalidieren. Diese experimentelleValidierung der Modellprogno-sen steht gleichrangig neben derModellierung selbst, da die Güteder Übereinstimmung mit demExperiment der einzige Indikatorfür die Qualität eines Modellsist.

Struktur des Sonderforschungs-bereichesWerkstoffmodellierung ist welt-weit ein aktuelles Thema undGegenstand der Forschung. Esist jedoch typisch für dieses For-schungsgebiet, dass (theoreti-sche) Methodenentwicklungund experimentelle Ermittlungvon Werkstoffdaten getrenntverlaufen. Dadurch können ge-nerelle Trends beschrieben oderEinzelergebnisse angepasst wer-den, aber die Prognosefähigkeitfür industrielle Prozesse bleibtungeklärt. Zur Herstellung undCharakterisierung der im SFBbearbeiteten Bauteile bringendie an diesem SFB beteiligtenInstitute ihre Infrastruktur undKapazität von bestehendengroßtechnischen Anlagen undExperimentiereinrichtungen indie Forschungsarbeiten ein. Da-zu gehören Anlagen zum Ver-gießen von Metallen, zum Be-schichten, zum Spritzguss vonKunststoff, Walz- und Schmie-deaggregate zum Umformensowie Glühöfen für die Wärme-behandlung. Für die mechani-sche Prüfung stehen modernsteEinrichtungen zur Verfügung.Da das Gefüge eine zentraledurchgehende Bedeutung fürdie Modellierung hat, ist einesorgfältige und möglichst ge-naue Charakterisierung des Ge-füges (Korngröße, Umwand-lungsgrad, Morphologie, Textur,

Versetzungsdichte) von vorran-giger Wichtigkeit für den ge-samten SFB. Deswegen wurdefür den gesamten SFB eine zen-trale Einheit für Mikrostruktur-untersuchungen als eigener Pro-jektbereich eingerichtet.

Hauptarbeitsgerät praktischaller Arbeitsgruppen ist der Com-puter. Der Umfang der numeri-schen Rechnungen für den SFBmacht eine Ausstattung mit denleistungsfähigsten Computernunverzichtbar.

Arbeitsweise desSonderforschungsbereichesDie Organisation der Arbeitsvor-gänge und Projekte ist an typi-sche Prozessfolgen angelehnt,die ausgehend vom Rohstoffschließlich das Bauteil mit seinengewünschten Eigenschaften lie-fert (Bild 1). Dabei sind grund-sätzlich drei Prozessstufen zuunterscheiden, nämlich einmaldie Herstellung der festen Phase,entweder aus dem flüssigenoder dem gasförmigen Zustand,zweitens die Nachbehandlungdes erzeugten Werkstoffs zurVeränderung seiner Form oderseines Zustands, und schließlichdie Fertigung des Bauteils mitentsprechenden Anforderungenan seine Eigenschaften. Je nachBauteil oder Verfahren kannzwischen diesen Prozessstufeneine periodische Abfolge statt-finden (bei Umformung undWärmebehandlung), könnenganze Prozessformen über-sprungen werden (zum Beispielendabmessungsnahes Gießen)oder alle drei Prozessstufen ineinem Vorgang vorkommen(etwa beim Schweißen). Aus die-ser Verflechtung ergeben sichzwangsläufig die drei Projektbe-reiche, in die der SFB gegliedertist.

Er wäre kein ingenieurwis-senschaftlicher SFB, wenn er sichnicht mit konkreten Bauteilen be-fassen würde. Vier Bauteile ausAluminium, Stahl, Superlegie-rungen und Kunststoff werdenim Rahmen des SFB hergestellt,untersucht und modelliert.

Als Beispiel sei ein tiefgezo-gener Napf aus einem gewalz-ten und geglühten Aluminium-blech einer typischen Tiefziehle-gierung für Dosenband genannt.In einer Kokille wird ein Alumini-um-Barren vergossen, nach derHomogenisierung warmgewalzt,aufgewickelt und abgekühlt,kaltgewalzt und geglüht. Nach

Bild 1: Struktur des SFB und derPartner.

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jedem Prozessschritt wird dasGefüge umfassend charakteri-siert. Dem geglühten Blech wirdeine Ronde entnommen, aus derein Näpfchen tiefgezogen wird.Die relevanten Kennwerte wer-den aus der Prozesskette be-rechnet und parallel experimen-tell ermittelt. Das Ziel der Be-rechung ist das Zipfelprofil, dasmit einer mikrostruktur- undtexturgestützten FEM-Simula-tion (nach der Finite-Elemente-Methode) ermittelt werden kann(Bild 2).

Dass die beschriebene The-matik ingenieurwissenschaftlichzeitgemäß und richtungswei-send ist, wird dadurch belegt,dass mittlerweile die europäi-schen Stahl- und Aluminiumin-dustrien diese Themenstellungaufgegriffen und analog zumSFB so genannte „Through-Pro-cess Modelling“ Programmeaufgelegt haben. Dabei wurdendie konzeptionellen Ansätze desSFB, nämlich modularer Aufbaudurchgängiger Mehrebenenmo-delle im wesentlichen für kom-merzielle Werkstoffe übernom-men. Die häufigen Anfragen aus

der Industrie an die am SFB be-teiligten Partner und die bera-tende Mitgliedschaft im SFB vonVertretern namhafter Werk-stoffindustrien in Deutschland be-legen die Relevanz der Proble-matik und das Interesse für diemodernen Modellierungs- undSimulationsmethoden, die imRahmen des SFB entwickeltwurden.

Autoren:

Dr.-Ing.Martin Deilmann istOberingenieur am Institut fürMetallkunde und Metallphysik.Univ.-Prof.Dr. rer.nat.GünterGottstein ist Inhaber des Lehr-stuhls und Direktor des Institutsfür Metallkunde und Metallphy-sik.

m Temperaturbereich zwischenSolidus- und Liquidustempe-ratur – also zwischen Festzu-

stand und Verflüssigung – errei-chen Metalllegierungen bei ge-eigneter Mikrostruktur Fließei-genschaften, die die Formge-bung komplexer Bauteile mit ho-hen Festigkeitsanforderungenerlauben. Das hier besondersgeeignete Thixoforming ist einVerfahren, das zwischen demkonventionellen Druckguss unddem konventionellen Gesenk-schmieden eingeordnet werdenkann. Es kombiniert die Vorteilebeider Verfahren. Die Legierungwird dabei auf die Verarbeitungs-temperatur erwärmt, bei der einFlüssigphasenanteil zwischen 40und 60 Prozent vorliegt. In die-sem Zustand verhält sich dasMaterial thixotrop, vorausge-setzt die festen Partikel sind fein-körnig und rund. Wird thixotro-pes Material geschert, entfestigtes, was für die Formgebung ge-nutzt werden kann. Bisher un-tersuchte Verfahrensvariantendes Thixoforming sind Thixo-giessen, Thixoschmieden undThixostrangpressen. Viele Bei-spiele für Thixo-Bauteile sind imFahrzeugbau zu finden, da dieseTechnologie für die Automobil-industrie aus zwei Blickwinkelninteressant ist.

Zum Einen spielt der AspektLeichtbau hier eine sehr wichtigeRolle. Die thixotropen Fließei-genschaften ermöglichen einegute Formfüllung auch bei kom-plexen Formen, ohne dabei dietypischen Druckgussfehler wiePorosität oder Einschlüsse inKauf nehmen zu müssen, die diemechanischen Eigenschaften be-einträchtigen. Eine belastungs-optimierte Konstruktion der Bau-teile, die durch das Thixofor-ming möglich wird, hilft Gewichteinzusparen.

Der andere Aspekt ist dieVerkürzung der Prozesskette.Das Thixoforming ist ein Präzisi-onsverfahren. Im Gegensatzzum konventionellen Schmiedenkann das Bauteil in einem einzi-gen Formgebungsschritt herge-stellt werden. Weitere Beispieleaus dem Fahrzeugbau sindQuerlenker aus der Aluminium-legierung A356, von denen jähr-lich 200.000 Stück durch Thixo-giessen hergestellt werden, oderKarosseriebauteile (A- und B-Säule) aus der gleichen Legie-rung, deren jährliche Stückzahl500.000 beträgt.

ProzessfensterBei der Serienfertigung gilt es,ein sehr enges Prozessfenster zubeherrschen. Vor allem die Tem-peraturempfindlichkeit des Pro-zesses ist gravierend, da sich dieEigenschaften des teilerstarrtenMaterials bei unterschiedlichenTemperaturen sehr stark verän-dern.

Ein Ziel des Sonderforschungs-bereichs (SFB) 289 der Deut-schen Forschungsgemeinschaft(DFG) „Formgebung metalli-scher Werkstoffe im teilerstarr-ten Zustand und deren Eigen-schaften“ ist es, das Prozessfen-ster für die gesamte Prozessket-te zu ermitteln. Diese bestehtaus den Schritten Vormaterial-herstellung, Wiedererwärmung,Formgebung und Wärmebe-handlung. Am Ende der Arbei-ten zum Prozessfenster soll dieMöglichkeit stehen, Bauteile ineiner Kleinserie mit sicher repro-duzierbaren guten mechani-schen Eigenschaften herzustel-len.

Wichtige Werkzeuge zur Er-mittlung des Prozessfensterssind rheologische Grundversu-che das Fließverhalten betref-fend, thermochemische- undStrömungssimulationen sowiedie quantitative Gefügecharak-

Bild 2: Durch FEM-Simulationermitteltes Zipfelprofil einestiefgezogenen Aluminium-Nap-fes.

Maike Horst, Reiner Kopp

Formgebung zwischen

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terisierung. Hier werden zumBeispiel Gefügeparameter wieKontiguität (Maß für den Zu-sammenhang der festen Kör-ner), Formfaktor und Matrixcha-rakter ermittelt, die auch dieThixoformbarkeit eines Werk-stoffs mit bestimmen. In Bild 1ist beispielhaft für einen Stahlder Verlauf des Formfaktors, derKontiguität und die korrespon-dierende Gefügekonstitution fürunterschiedliche Haltezeiten dar-gestellt. Die unterschiedlichenArbeitspunkte werden im Son-derforschungsbereich innerhalbvon vernetzten Projektbereichenbearbeitet.

Thixoforming von Stahl-legierungenEin Schwerpunkt der Arbeiten istdie Formgebung teilerstarrterStahllegierungen. Im industriel-len Maßstab werden zu diesemZeitpunkt noch keine Stahllegie-rungen für das Thixoformingverwendet. Das Potenzial diesesVerfahrens liegt vor allem beiden schwer gießbaren Stahlle-gierungen.

Thixoforming von Stahl stellthöchste thermische und mecha-nische Ansprüche an die Werk-zeugwerkstoffe. Der Tempera-turbereich, in dem zum Beispieldie Legierung 100Cr6 für dasThixoforming geeignet ist, be-ginnt bei 1440 Grad Celsius. Eswerden sowohl vollkeramische

als auch durch Bedampfen be-schichtete metallische Werkzeu-ge auf ihre Temperatur- undKorrosionsbeständigkeit gete-stet.

New RheocastingEin neues Verfahren, bei demder Prozessschritt Wiedererwär-mung eingespart werden kann,ist das „New Rheocasting“. DieSchmelze wird dabei in einengekühlten Tiegel definiert abge-gossen und auf die Zieltempera-tur zwischen Solidus- und Liqui-dustemperatur abgekühlt. Dabei

entsteht eine feinkörnige Phase.Das teilerstarrte Material wirddann nach einer kurzen Homo-genisierungsphase dem Schmie-de- oder dem Gießprozess zuge-führt. Die wirtschaftlichen Vor-teile dieser Verfahrensvarianteliegen auf der Hand, da keinThixo-Vormaterial hergestelltwerden muss. Zudem könnenGrat, Pressrest und Anguss er-neut dem Prozess zugeführtwerden (In-house-Recycling).

ThixofügenDie Kombination von Formge-bungs- und Fügeprozessen er-möglicht die Herstellung vonmultifunktionalen Bauteilen ineinem Schritt. Es wurden im SFB

erste Versuche zum Fügen zwei-er Stahlsorten durchgeführt. Da-bei wurde eine Gewindestangein den Hohlraum (Kavität) ein-gesetzt, die während des Form-gebungsprozesses von teilflüssi-gem Material umflossen wurde.Durch das Aufschrumpfen deserkaltenden Werkstoffs auf dieGewindestange und durch Ver-schweißvorgänge an den Grenz-flächen kann ein dauerhafterWerkstoffverbund erzeugt wer-den (Bild 2).

PrototypeninitiativeDie neun Mitgliedinstitute desSonderforschungsbereichs 289bieten ihr technisches Know-how zur Durchführung von Ver-suchen zur Prototypenherstel-lung an, damit Interessenten ausder Industrie die technologi-schen Vorteile auf ihr Produkt-spektrum übertragen und ein-setzen können. Ein erster Ar-beitskreis zum Thixoforming vonStahl hat bereits mit einem sol-chen Projekt begonnen.

Die Mitgliedinstitute des Son-derforschungsbereichs 289 sind:GHI Lehrstuhl für Keramik undFeuerfeste WerkstoffeGI Gießerei-InstitutIBF Institut für Bildsame Form-gebungIEHK Institut für Eisenhütten-kundeIME Institut für Metallhütten-kunde und ElektrometallurgieIRT Institut für RegelungstechnikIVT Lehr- und Forschungsgebietfür Mechanische Verfahrens-technikMCh Lehrstuhl für Werkstoff-chemieWW Lehr- und Forschungsge-biet Werkstoffwissenschaften

Autoren:

Dipl.-Ing. Maike Horst ist Wis-senschaftliche Mitarbeiterin amInstitut für Bildsame Formge-bung (IBF).Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c.mult. Dr.-Ing. E.h. Reiner Koppist Inhaber des Lehrstuhls undDirektor des Instituts für Bild-same Formgebung (IBF).

fest und flüssigNeue Entwicklungen beim Thixoforming

Bild 1: Verlauf des Formfaktorsund der Kontiguität als Funktionder Haltezeit im isothermenAbschreckversuch.

Bild 2: Thixofügen zweier Stahl-legierungen.

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Blick auf die hydraulischeSchneidepresse mit demThixoschneidewerkzeug.

Foto: Peter Winandy

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tofflicher Leichtbau stelltaktuell eindeutig eine derwesentlichen Herausforde-

rungen in vielen Industriezwei-gen dar. Insbesondere im Auto-mobilbau spielt dieser eine ent-scheidende Rolle bei der Aus-wahl geeigneter Werkstoffe undwird sowohl von kundenspezifi-schen als auch von legislativenAspekten beeinflusst. Ein wesent-licher Aspekt darunter ist die Ver-ringerung der Schadstoffemis-sionen und der laufenden Fahr-zeugkosten durch einen verrin-gerten Kraftstoffverbrauch auf-grund eines verringerten Ge-wichts.

Es muss allerdings berück-sichtigt werden, dass neben demLeichtbaupotenzial eines Werk-stoffs noch weitere Eigenschaf-ten erfüllt werden müssen. Dazuzählen Recyclingfreundlichkeit,geringe Kosten, geringe Ge-räuschbelästigung im Einsatz undnatürlich auch eine gute Bear-beitbarkeit. Traditionelle Kon-struktionswerkstoffe werden indiesem Zusammenhang zuneh-mend durch neue Materialien er-setzt, wobei nicht nur Werkstof-fe mit geringer Dichte, sondernauch Werkstoffe mit hoher spe-zifischer Festigkeit zum Einsatzkommen. Aus dem Werkstoff-spektrum der im Automobilbauaugenblicklich diskutierten hoch-festen Gusswerkstoffe wie zumBeispiel GGV (Gusseisen mitVermiculargraphit), hochfestenLeichtmetalllegierungen wie Ti-tanaluminiden sowie Metall-Ke-ramik Verbundwerkstoffen wieden Metal Matrix Composites(MMC) wird besonders demhochfesten ADI-Gusseisen eineimmer bedeutendere Rolle fürviele Anwendungen einge-räumt.1

Dieses ADI-Gusseisen (eng-lisch Austempered Ductile Iron,deutsch austenitisch-ferritischesGusseisen oder neuerdings auchausferritisches Gusseisen mit Ku-gelgraphit) besitzt durch ein sogenanntes Zwischenstufenver-güten eine für Eisengusswerk-stoffe ungewöhnliche Kombina-tion aus hoher Zugfestigkeit (jenach Sorte 800 - 1400 N/mm²)und hoher Bruchdehnung (bisweit über 10 Prozent). Außer-dem zeichnet es sich durch einebessere Verschleißfestigkeit undDämpfung gegenüber Stahl glei-cher Härte sowie durch guteRecyclebarkeit und verhältnis-mäßig geringe Kosten aus.2

Bild 1: Typische Anwendungenfür hochfestes ADI-Gusseisen.Foto: WZL

Charaktertisch für den ADI-Werkstoff und Grund für seineexzellenten mechanischen Ei-genschaften ist das besonderefeinstrukturierte austenitisch-fer-ritische Grundgefüge. Der Aus-tenit ist darin allein durch denfür Gusswerkstoffe typischenhohen Kohlenstoffanteil stabili-siert und frei von Karbiden, diebei einem Stahl gleicher Wärme-behandlung vorliegen. Es sinddaher auch keine weiteren we-sentlichen Legierungsbestand-teile zur Austenitstabilisierungerforderlich, sondern nur leichteLegierungszugaben für dieDurchvergütung. Eine möglicheUmwandlung des Austenits inMartensit bei plastischer Verfor-mung ist ein weiterer Vorteil desWerkstoffs, da wälzbelasteteOberflächen im Einsatz aufhär-ten oder durch Oberflächenver-festigungsverfahren enormeDauerfestigkeitssteigerungenerreicht werden können.

Durch seine besonderen Ei-genschaften bietet der ADI-Werkstoff die Möglichkeit, so-wohl bestehende Sphäroguss-komponenten konstruktiv zuverbessern, als auch Bauteile ausStahl oder Aluminium zu substi-tuieren. Im Fahrzeugbau findensich dafür Anwendungen insbe-sondere in den Bereichen Fahr-werk für Querlenker und Rad-naben oder im Antriebsstrangfür Kurbelwellen und im Getrie-bebereich für Hohlräder in Pla-netengetrieben. Ein aktuelles an-spruchsvolles Anwendungsbei-spiel ist eine Trägerplatte ausADI für die Zahnräder an derStirnseite des Volkswagen-10-Zylinder-Dieselmotors für dieFahrzeugtypen Touareg undPhaeton.3

Eine wesentliche Vorausset-zung für die Umsetzung derarti-ger Entwicklungen in neue ADI-Anwendungen ist eine gute Zer-spanbarkeit. Während Bearbei-tungsproblemen bei Kleinserienhäufig mit einer getrennten Vor-bearbeitung vor der Wärmebe-handlung begegnet wird, ist beiSerienanwendungen wie im Au-tomobilbau aus wirtschaftlichen

und logistischen Gründen einekomplette Bearbeitung im ver-güteten Zustand erforderlich.Eine Bearbeitung vor der Wär-mebehandlung wäre aus zerspa-nungstechnischer Sicht zwar vor-zuziehen, allerdings ist die Volu-menzunahme durch die Gefüge-umwandlung genau zu bestim-men und bei der Zerspanung zuberücksichtigen. Hohe Toleranz-,Oberflächen- und Gefügeanfor-derungen an die funktionalenOberflächen machen aber auchin diesem Fall meist eine spanen-de Bearbeitung nach der Wär-mebehandlung erforderlich. Einegetrennte Bearbeitung vor undnach der Wärmebehandlung istaus wirtschaftlicher Sicht äußerstungünstig. Aus diesem Grundgeht der Trend zu einer mög-lichst endkonturnahen Rohteil-herstellung und zu einer kom-pletten spanenden Bearbeitungauch der höherfesten ADI-Sor-ten im vergüteten Zustand.4

Um die Bearbeitbarkeit einesneuen Konstruktionswerkstoffszu gewährleisten, müssen mög-lichst frühzeitig die Zerspanbar-keitsmechanismen geklärt undgegebenenfalls Werkzeuge in Be-

Fritz Klocke, Carsten Klöpper

ADI – ein hochwertiger Gusseisenwerkstoff mit Leichtbaupotenzial

Spezielle Eigenschaften stellen hohe Anforderungen an die Zerspantechnik

S

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EMEN zug auf Schneidstoff, Beschich-

tung und Geometrie angepasstwerden. Inwieweit Bearbeitungs-probleme den Serieneinsatz ei-nes neuen Werkstoffs herauszö-gern können, zeigt das BeispielGGV für Hochleistungsdieselmo-toren. Hier stellten die Bearbei-tungsoperationen Schrupp- undSchlichtfräsen sowie das Auf-bohren der ZylinderlaufbahnenProbleme dar, die erst nach ge-eigneten Werkzeugneuentwick-lungen hinreichend gelöst wur-den.5

Aus diesem Grund werdenam Werkzeugmaschinenlaborder RWTH Aachen für das ADI-Gusseisen sowohl Grundlagen-untersuchungen zur Zerspanungals auch Optimierungen von Fer-tigungsverfahren durchgeführt.Durch das vielfältige Anwen-dungsspektrum in den BereichenGetriebe-, Fahrwerk- und An-triebsstrangkomponenten unddie Variationsmöglichkeiten desADI-Werkstoffs in Bezug auf Fes-tigkeit und Legierungsbestand-teile besteht erheblicher For-schungsbedarf, um bereits im Vor-serienstadium rechtzeitig mögli-chen Bearbeitungsproblemenvorzubeugen. In enger Zusam-menarbeit mit Gießereiherstel-lern, Werkzeugherstellern undEndanwendern wurden und wer-den in verschiedenen öffentlichgeförderten und bilateralen Pro-jekten entsprechende Untersu-chungen durchgeführt.

In bisherigen Arbeiten wurdegezeigt, dass sich das besondereMikrogefüge und dessen spezi-elle Eigenschaften stark auf dieZerspanbarkeitsmechanismenauswirken. Hohe Festigkeit, ho-he Verschleißfestigkeit und hoheDehn- und Verformbarkeit so-wie das für Gusswerkstoffe typi-sche heterogene Gefüge produ-zieren höhere statische und dy-namische Belastungen sowohlmechanischer als auch thermi-scher Natur. Auch sind diese Be-lastungen nahe an der Schneid-kante und führen in Abhängig-keit der Geometrie des Werk-zeugs teilweise früh zum Versa-gen. Durchgeführte Optimie-rungen für die Fertigungsverfah-ren Fräsen und Bohren hinsicht-lich der Werkzeuggeometrieaber auch des Schneidstoffs undder Beschichtung lassen erheb-liche Verbesserungen erkennen.Für das FertigungsverfahrenDrehen lässt ein Übergang zuhochharten keramischen

Schneidstoffen erhebliches Po-tenzial erwarten. Hier sind aller-dings Randbedingungen wie Ma-schinensteifigkeit und Schnitt-strategie genau auszulegen. Un-tersuchungen für die VerfahrenGewinden und Tiefbohren sindgeplant.

Literatur:1 Flegel, H.; Mertens, T.; Behr,T.: Zerspanung zukünftigerFahrzeugkomponenten. Zer-spanseminar 2002, Aachen,Deutschland, 29.-30.10.2002, S. 157-170.2 Keough, J. R.: An ADI MarketPrimer. Part 1. Foundry Mana-gement & Technology, 123(1995) 10, pp. 28-31.3 Röhrig, K.: ADI – Eigenschaf-ten, Bauteilentwicklung undAnwendungen. Gießerei-Praxis,(2002) 8, S. 289-297.4 Day, S.; Röhrig, K.: ADI – einhochwertiger, aber auchanspruchsvoller Gusseisenwerk-stoff. konstruieren und gießen,24 (1999) 4, S. 17-26.5 Kassack, J.: Bearbeitung neuerWerkstoffe für Motorenkompo-nenten. Zerspanseminar 2002,Aachen, Deutschland, 29.-30.10.2002, S. 171-182.

Autoren:

Univ.-Prof.Dr.-Ing. Fritz Klockeist Inhaber des Lehrstuhls fürTechnologie der Fertigungsver-fahren, Direktor am Laboratori-um für Werkzeugmaschinenund Betriebslehre (WZL) undLeiter des Fraunhofer-Institutsfür Produktionstechnologie IPT. Dipl.-Ing.Carsten Klöpper istWissenschaftlicher Mitarbeiteram Lehrstuhl für Technologieder Fertigungsverfahren amLaboratorium für Werkzeugma-schinen und Betriebslehre(WZL).

Bild 2: Leichtbaupotenzial desADI-Gusseisens am Beispiel desVerhältnisses von Dichte zuStreckgrenze (Quelle: AppliedProcess).

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ENProbeneinbau in die FIB-Work-station. Mit dem Ionenstrahlwird aus der magnetischenSpeicherzelle MRAM (MagneticRandom Access Memory) eineLamelle mit 50 NanometerDicke „herausgeschnitten“. An-schließend wird sie elektronen-mikroskopisch abgebildet.

Foto: Peter Winandy

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Vier Millionen Lichtpulse pro Se-kunde sendet der von Dr. rer.nat.Albrecht Bartels, im Rahmenseiner Dissertation am Institutfür Halbleitertechnik der RWTHentwickelte Femtosekundenlaseraus. Im Vergleich zu dem neuar-tigen Laser schafft ein konven-tionelles System nur 100.000Pulse in der Sekunde. Dafür er-hielt Bartels nun im Rahmen ei-ner Festveranstaltung im Gäste-haus der RWTH den Promo-tionspreis 2002 der VDE-Landes-vertretung Nordrhein-Westfalen.

Das Neue an den Femto-sekundenlasern ist einerseits diehöhere Zahl der Pulse pro Sekunde, die jeweils nur0,00000000000001 Sekundenlang sind. Andererseits strahlt einsolcher Laser im zeitlichenDurchschnitt nur mit einer Leis-tung von einem Watt. Allerdingssind die Pulse so unvorstellbarkurz, dass die Leistung imMoment des Auftreffens auf einMaterial ein Megawatt beträgt.

Derzeit arbeitet Bartels amNational Institute of Standardsand Technology in den USA anAnwendungen für seine bahn-brechende Entwicklung.

Der Wissenschaftsrat der Tsche-chischen Technischen Univer-sität (CTU) Prag hat im letztenJahr die Ehrenwürde eines „Dok-tors der technischen Wissen-schaften“ an Professor Dr.-Ing.Vladimir Blazek vom Institut fürHochfrequenztechnik der RWTHAachen verliehen. Damit wür-digt die Prager Hochschule Pro-fessor Blazeks herausragendeFähigkeiten auf dem Gebiet derHochfrequenztechnik. Sie ehrtihn für seine Verdienste um dieKoordinierung der interdiszi-plinären Forschung in den bio-medizinischen Ingenieurwissen-schaften und zeichnet ihn fürseine Leistungen als Rektorats-beauftragter für die Zusammen-arbeit der RWTH Aachen mitder CTU Prag aus.

Die Ehrendoktorwürde der Phi-losophischen Fakultät der RWTHerhielten Prof.Dr.Hanna Dama-sio und ihr Gatte Prof.Dr.Anto-nio R.Damasio.

Die Arbeiten der Damasiosbewegen sich auf einem Gebiet,das derzeit in der Geistes- undKulturwissenschaft viel Auf-merksamkeit findet: dem Be-reich des – teilweise rätselhaften– Zusammenhangs von neuro-nalen und geistigen Prozessen.Außerdem repräsentieren sie in idealer Weise das Wissen-schaftsverständnis, dass sich vie-le Forschungsgegenstände auf-grund ihrer transdisziplinärenNatur in den traditionellen Diszi-plinengrenzen nicht angemessenuntersuchen lassen. Die Aus-zeichnung unterstreicht somitauch die interdisziplinäre Orien-tierung der Geisteswissenschaf-ten an der RWTH.

Beide haben an der Univer-sität Lissabon ihre akademischeAusbildung erhalten und mitdem Doktortitel in Medizin ab-geschlossen. Seit Mitte der sieb-ziger Jahre lehren sie an derUniversity of Iowa, zu der dieRWTH seit langen Jahren guteForschungskontakte unterhält.

Namen

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Rektor Prof.Dr. Burkhard Rau-hut begrüßte anlässlich der Un-terzeichnung eines Rahmenver-trages zwischen der GeneralMotors Corporation und derRWTH Aachen den Direktor derEntwicklungsabteilung für An-triebssysteme von General Mo-tors, Dr. Hazem A. Ezzat, sowieDr.Sherif H. El Tahry.

Ziel des Rahmenvertrags istdie Einrichtung einer langfristigangelegten Zusammenarbeit beider gemeinsamen Erforschungvon aktuellen Fragestellungen inder Entwicklung von Antriebs-konzepten im Automobilbau.Dies soll im Rahmen eines „Colla-borative Research Laboratory“erfolgen, dessen Co-Direktorendie Herren El Tahry (seitens Ge-neral Motors) und Prof.Dr. Nor-bert Peters, Direktor des Insti-tuts für Technische Mechanik(seitens der RWTH) sind. ImRahmen dieser Zusammenarbeitwerden an mehreren Institutender RWTH Forschungsarbeitendurchgeführt, die gemeinsamdefiniert und von General Mo-tors finanziert werden. Für dienächsten fünf Jahre ist ein Fi-nanzvolumen von 3,75 Millio-nen Euro vorgesehen. Für dienächsten zwei Jahre wurden be-reits sieben Projekte formuliertund abgestimmt, welche dieVerbesserung der Verbrennungim Dieselmotor zum Ziel haben. Im Herbst 2001 konstituiertesich das Fraunhofer-Institutszen-trum Schloss Birlinghoven(Fraunhofer IZB) aus den dortansässigen Instituten für Auto-nome Intelligente Systeme (AIS),Angewandte Informationstech-nik (FIT), Medienkommunikati-on (IMK) und WissenschaftlichesRechnen (SCAI). Zum Grün-dungsvorsitzenden des Instituts-leiterrats wurde der Leiter desFIT und Inhaber des Lehrstuhls

für Informatik V, Univ.-Prof.Dr.rer.pol. Matthias Jarke, gewählt.Anderthalb Jahre nach der Fusi-on der Institute fällt die Zwi-schenbilanz sehr positiv aus. Sokonnten die Drittmittel um 60Prozent auf über 21 MillionenEuro und die Zahl der Arbeits-plätze um fünf Prozent gestei-gert werden. 2002 wurde eindringend benötigtes Institutsge-bäude fertiggestellt und mit demBau eines Robotiklabors begon-nen. Vier gemeinsame Berufun-gen wurden bereits mit denABC-Universitäten RWTH Aa-chen, Bonn und Köln durchge-führt, weitere sind in der Diskus-sion. Einen Durchbruch für dasInstitutszentrum bedeutete imOktober 2002 die Finanzie-rungszusage für das auf Interna-tionalisierung und Studienbe-schleunigung in der angewand-ten Informatik fokussierte Pilot-vorhaben „Bonn-Aachen Inter-national Center for InformationTechnologie“ (B-IT).

Die RWTH Aachen hat auf An-trag ihrer Fakultät für Architek-tur den Leitenden Baudirektordes Hochbauamtes der StadtKassel, Dipl.-Ing.Hans-JoachimNeukäter, zum Honorarprofes-sor ernannt. Neben seinerhauptberuflichen Tätigkeit wirdNeukäter künftig an der Aache-ner Hochschule im Fachgebiet„Konstruktive Elemente imräumlichen Gestalten“ lehren.

Vor Verleihung der Bezeich-nung eines Honorarprofessorsengagierte sich der Leiter desKasseler Hochbauamtes bereitsseit vielen Jahren als Lehrbeauf-tragter in Aachen. Darüber hin-aus gewann Hans-JoachimNeukäter überregionales Anse-hen durch die Betreuung her-vorragender Bauvorhaben,durch viele Veröffentlichungenund durch seine Mitarbeit imHessischen Städtetag.

Die Technische UniversitätDarmstadt verlieh auf Antragder Fachbereiche Bauingenieur-wesen und MaschinenbauUniv.-Prof.Dr.-Ing.Dr.h.c. Nor-bert Peters, Direktor des Insti-tuts für Technische Mechanikder RWTH, die Würde eines Eh-rendoktors. Peters erhielt dieAuszeichnung in Anerkennung„seiner herausragenden wissen-schaftlichen Leistungen, insbe-sondere auf dem Gebiet derTheorie turbulenter Verbren-nungsprozesse und deren An-wendung auf technische Syste-me“, heißt es in der Urkunde.

Der Aachener Professor istweltweit einer der produktivstenund herausragensten Wissen-schaftler auf dem Gebiet derVerbrennung und genießt inWissenschaft und Industrie einehohe Anerkennung. Der wissen-schaftlich bekannteste Teil sei-nes Lebenswerks sind seine Theo-rien zum Flamelet-Konzept derturbulenten Verbrennung, dieheute als Grundlage für die Vor-ausberechnung und Auslegungvon Verbrennungsmaschinendienen.

Seit 15 Jahren arbeiten Wissen-schaftler aus aller Welt an einemSystem, das die Sauerstoffver-sorgung und den Kohlendioxid-austausch innerhalb des Körpersvollbringt, Lunge und Herz nichtbelastet und einfach zu handha-ben ist. Prof.Dr.-Ing.HelmutReul vom Institut für Biomedizi-nische Technologien der RWTHAachen hat bei der Entwicklungeines solchen „Oxygenators“die Spitzenposition eingenom-men. Er kombiniert eine für dieHerzchirurgie entwickelte Mi-kropumpe mit Hohlfaserbündelnzu einem kompakten Gasaus-tauschsystem, das durch dieBeinvene implantiert werdenkann. Dieses Prinzip, das vomInstitut und dem AachenerKompetenzzentrum Medizin-technik (AKM) perfektioniertwird, hat die Jury des Innovati-onswettbewerbs zur Förderungder Medizintechnik überzeugtund die Aachener Wissenschaft-ler zu den Gewinnern erklärt.

Der Preis wurde im Novem-ber 2002 im Rahmen der Düs-seldorf Medizinmesse MEDICAüberreicht. Zwei Millionen Eurogingen an die insgesamt elfGewinnerinnen und Gewinner.

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EMEN

Das Aachener Ärzte- und For-scherteam unter der Leitung vonPD Dr.med. Patrick Schauertevon der Medizinischen Klinik Ides Universitätsklinikumsgewann im November 2002 denInnovationspreis zur Förderungder Medizintechnik mit einemneuen Verfahren, das Herzope-rationen sicherer machen soll.Dabei werden die Nerven, diedas Herz ansteuern, elektrisch sostimuliert, dass der Herzschlagwährend der Operation beliebig„an- und ausgeschaltet“ wer-den kann. Miniaturpumpsyste-me – und keine riesige Herz-Lungen-Maschine – überneh-men die Aufgabe, das Blut wei-ter im Körper zirkulieren zu las-sen. Im Gegensatz zu herkömm-lichen Methoden wird die Ope-ration am schlagenden Herzenvereinfacht und sowohl das Herzals auch der gesamte Organis-mus geschont. Auf der Düssel-dorfer Medizinmesse MEDICAwurden elf Innovationspreisemit einem Gesamtvolumen vonzwei Millionen Euro vergeben.

Im Jahr 2001 machte die Che-mikerin Dr.Song-I Han bereitsSchlagzeilen, als es ihr gelang,die natürlichen internen Prozes-se von Tropfen zu visualisieren.Gemeinsam mit Kollegen vomInstitut für Technische Chemieund Makromolekulare Chemieder RWTH Aachen unter Lei-tung von Univ.-Prof.Dr.Bern-hard Blümich hat sie damals dasInnenleben fallender Tropfenauf Film gebannt. Im letztenJahr erhielt sie den „RaymondAndrew Prize 2002“ aus denHänden der „Groupement AM-PERE“.

Mithilfe der Magnetreso-nanztomographie, die bisher inder Medizin bei der Untersu-chung des menschlichen Körpersangewandt wurde, kann diemagnetische Ausrichtung derAtomkerne des Wassers gemes-sen werden. Damit sind dieStrömungsmuster im Wasser-tropfen darstellbar. Weil derTropfen aber sehr schnell durchdie Messkammer fällt, bleibenfür die Aufnahme lediglich zehnMillisekunden. Eine gute Auflö-sung ist in dieser Kürze kaummöglich. Song-I Han ließschließlich zehn Stunden langTropfen für Tropfen durch dieMesseinrichtung fallen, um eineinziges, möglichst gut aufgelö-stes Bild zu bekommen. Abergleicht ein Tropfen dem ande-ren? Die Antwort überraschteselbst das Forscherteam: Nachzehn Stunden und knapp34.000 Tropfen ergab sich eingestochen scharfes Bild. Das Er-gebnis: Die Strömungsverhält-nisse und Fließmuster im Inne-ren unzähliger Tropfen sehenalle gleich aus.

Aufgrund seiner langjährigenVerbindung zur RWTH wurdedem Weseler BauunternehmerDr.-Ing. Friedrich Carl Trappnun die Ehrenbürgerwürde derAachener Hochschule verliehen.Er folgt damit seinem 1989 ver-storbenen Vater, Dr.-Ing. ErnstTrapp, der ebenfalls Ehrenbür-ger der RWTH war.

In seiner Begrüßungsanspra-che betonte der Rektor derRWTH, Univ.-Prof.Dr.BurkhardRauhut, die Bedeutung diesesTitels. Der Ehrenbürger der Uni-versität soll – genau wie seinPendant in einer Stadt – teilha-ben und Zugehörigkeit fühlen.

Seine „freundschaftliche Ver-bindung zu Aachen“ betonteder Geehrte, in dessen Namenjährlich der renommierte F.C.Trapp-Preis an herausragendeAbsolventen des FachbereichsBauingenieurwesen vergebenwird, in seiner Dankesrede.

Bereits 1981 wurde TrappMitglied im Verwaltungsrat vonproRWTH, den Freunden undFörderern der Aachener Hoch-schule. 1995 gründete er dieTrapp-Stiftung, um die hochdo-tierten F.C.Trapp-Preise zu stif-ten.

Die jährliche Generalversamm-lung von UNITECH Internationalfand vom 5. bis 6. September2002 an der RWTH Aachen statt.

Zusammen mit der ETH Zü-rich, der Ecole PolytechniqueParis, dem Imperial College Lon-don, der TU Delft sowie den Po-lytechnischen Hochschulen vonMailand und Madrid ist dieRWTH Aachen Mitglied in die-sem Netzwerk von Anbieternhochwertiger universitärer Inge-nieurausbildung. Für das Studi-enjahr 2002/2003 sind 85 Stu-dierende aus acht Ländern ein-geschrieben. Die Teilnehmerbekommen die Gelegenheit,praktische Erfahrungen in denFührungsetagen großer Konzer-ne wie zu gewinnen. Diese Aus-landsaufenthalte fördern dasFachwissen, das multikulturelleVerständnis und die soziale Kom-petenz.

Zu den Themen der Tagunggehörten die Weiterentwicklungdieses einzigartigen Austausch-programms für Studierende auchin Zeiten wirtschaftlicher Um-strukturierungen und Schwierig-keiten. In der Vergangenheitzeigte es sich, dass die Absol-venten des Programms eindeuti-ge Vorteile auf dem einge-schränkten Arbeitsmarkt hatten.Dies bestärkt UNITECH, bei derAuswahl weiterer Partner auchin Zukunft auf eine hohe Qua-lität zu achten. In Workshopswurden aktuelle Wirtschaftsthe-men und organisatorische Fra-gen erörtert. Die Generalver-sammlung dient auch dem in-tensiven Austausch von Lehren-den, Studierenden und Vertre-tern der Wirtschaft.

Im letzten Jahr wurden imRahmen eines Festbanketts imKrönungssaal des Aachener Rat-hauses erstmals Diplome an die-jenigen Absolventen verliehen,die sowohl ihr normales Studiumals auch das UNITECH-Aus-tauschprogramm absolviert ha-ben.

Namen

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Univ.-Prof.Dr.-Ing.Dr.-Ing. E.h.Manfred Weck, als langjährigerInhaber des Lehrstuhls für Werk-zeugmaschinen am Laboratori-um für Werkzeugmaschinenund Betriebslehre (WZL) derRWTH Aachen einer der profi-liertesten deutschen Hochschul-lehrer des Maschinenbaus, wur-de im November 2002 65 Jahrealt. Mit Erreichen der Altersgren-ze scheidet Weck im Laufe desJahres 2003 aus dem Hoch-schuldienst aus.

Seine berufliche Laufbahnbegann der 1937 in Solingengeborene Wissenschaftler miteiner Werkzeugmacherlehre.Nach dem anschließenden Ma-schinenbau-Studium an derStaatlichen Ingenieurschule fürMaschinenwesen Iserlohn undan der RWTH, seinen Assisten-ten-Jahren und der Promotionam WZL bei Prof. Herwart Opitzführte ihn sein Weg zunächst indie Industrie, wo er als techni-scher Leiter tätig war.

1973 wurde er auf den Lehr-stuhl für Werkzeugmaschinendes Werkzeugmaschinenlaborsberufen und zum Direktor desInstituts ernannt, dem er in denJahren 1980 bis 2002 mehrfachals Geschäftsführender Direktorvorstand. Mit der Gründung desAachener Fraunhofer-Institutsfür Produktionstechnologie IPTim Jahre 1980 wurde Weck zumMitglied des Direktoriums undLeiter der Abteilung Produkti-onsmaschinen ernannt.

Seinem Selbstverständnisfolgend übernahm Prof.WeckVerantwortung auch in der aka-demischen Selbstverwaltung sei-ner Hochschule. So leitete er inden Jahren 1991 und 1992 alsDekan die Geschicke der Fakul-tät für Maschinenwesen.

Die weltweite Wertschät-zung und Bedeutung des Aa-chener Wissenschaftlers findetihren Niederschlag in zahlrei-chen Ehrungen und Auszeich-nungen. Auf die Borchers-Me-daille der RWTH Aachen folgte1974 die Taylor-Medaille der In-ternationalen Forschungs-Verei-nigung der Fertigungstechnik(CIRP). Die TU Hannover verliehWeck 1992 die Ehrendoktor-würde. 1995 erhielt er den Jakob-Wallenberg-Preis der Königli-chen Schwedischen Akademieder Ingenieurwissenschaften.Erst kürzlich verlieh ihm der Ver-ein Deutscher Ingenieure (VDI)die Herwart-Opitz-Medaille.1983 wurde Weck zum Mitgliedder Akademie der Wissenschaf-ten des Landes Nordrhein-West-falen berufen, seit 1993 ist erMitglied der Academie Scien-tiarium et Artium Europaea,Innsbruck, und 1994 wurde erzum Mitglied der KoninklijkeAcademie Voor Wetenschap-pen, Letteren En Schone Kunst-en des Königreiches Belgien be-rufen. 1998 erhielt Weck denErnst-Blickle-Preis der SEW-Eu-rodrive-Stiftung für seine außer-gewöhnlichen Leistungen alsFachmann der Produktions- undAntriebstechnik.

Im letzten Jahr wurde an Dr.Young-Sup Huh die Würdeeines Senators Ehren halber ver-liehen. Damit werden seineaußerordentlichen und vorbildli-chen Verdienste als Alumnus derHochschule um die Förderungder deutsch-koreanischen Zu-sammenarbeit gewürdigt.

Huh wurde am 9. Oktober1941 in Korea geboren. NachAbschluss der Highschool 1960erwarb er 1964 an der SeoulNational University den Bachelorof Science an der Metallurgi-schen Fakultät. Direkt danachkam er an die RWTH Aachen,wo er nach seiner Diplomprü-fung 1968 beim Altrektor Univ.-Prof.Dr.Ottmar Knacke eineDoktorarbeit mit dem Titel „Un-tersuchung von Reibungsquofi-zienten zwischen Metall undGraphit bei hoher Geschwindig-keit“ begann. 1970 musste erdie Arbeiten an der Dissertationeinstellen, da er zum Wehrdienstnach Korea einberufen wurde.Am Ende seiner Dienstzeit gingHuh nicht nach Deutschlandzurück, sondern trat als Abtei-lungsleiter in die Korea GreenCross Corp., einem führendenPharmahersteller, ein. 1980wurde er Präsident und ChiefExecutive Officer (CEO), 1992schließlich Chairman und CEO.In dieser Zeit wurde die KoreaGrean Cross Corp. in vielen Be-reichen zum Marktfürher inKorea. So wurde zum Beispielein Hepatitis B-Impfstoff ent-wickelt, der heute der weltweitam häufigsten injizierte ist.

Aus Sicht der RWTH Aachenist neben diesen beruflichen Ak-tivitäten Huhs auch sein Enga-gement bei der Vertiefungdeutsch-koreanischer Zusam-menarbeit und Freundschaft be-sonders hervorzuheben. Huh ge-hört zu den Gründungsmitglie-dern der „Koreanischen Alumni-vereinigung der RWTH Aa-chen“, deren Vorsitz er 1999übernahm. Mit etwa 250 Alum-ni in Korea, von denen 160 Mit-glieder der „Koreanischen Al-umnivereinigung der RWTH Aa-chen“ sind, stellt Korea für dieHochschule eine wichtige Brückefür Ostasien dar. Zudem über-nahm Huh im Jahr 2000 die Prä-sidentschaft der Koreanisch-Deutschen Gesellschaft.

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EMEN ie Entwicklung und Pro-

duktion von Waren wirdimmer häufiger von

Teams gesteuert, die regionaloder global verteilt agieren undkommunizieren. Dadurch erge-ben sich neue Anforderungen andie Kommunikationswerkzeuge.Das Zauberwort heißt „Collabo-rative Product Commerce“, kurzCPC. Dabei handelt es sich umSoftware-Systeme, die ihremNutzer über das Internet den Zu-griff auf sämtliche mit der Pro-duktentstehung verknüpften In-formationen ermöglichen, unab-hängig von Zeit und Ort. DieseSysteme führen Daten aus denverschiedensten Quellen zusam-men und machen sie räumlichgetrennten Projektpartnern ge-meinsam zugänglich. In demnoch jungen Feld der CPC-Platt-formen gaben bis vor kurzemkleine Software-Schmieden denTakt vor. Jetzt drängen auchgroße Software-Häuser in denzukunftsträchtigen Markt.

Die Hochschulen Nordrhein-Westfalens wollen diese rasanteEntwicklung für die Forschungund Entwicklung nutzen. Des-halb wurde jüngst an der RWTHAachen die Initiative „Produkt-entwicklung über verteilte Stand-orte“ gegründet. Die Federfüh-rung von ProVerStand, so dieKurzform, haben Professor JörgFeldhusen und seine MitarbeiterInka Baumgart, Nils Macke undErwin-Zahari Nurcahya vom Ins-titut für Allgemeine Konstrukti-onstechnik des Maschinenbaus(IKT) übernommen. Im April2002 beantragten sie beim LandFördermittel in Höhe von 3,8Millionen Euro, um den Rech-nerverbund NRW mit CPC-tauglicher Hard- und Softwareauszurüsten. 13 Hochschulein-richtungen des Landes unter-stützten den Antrag. Ende 2002gaben die Deutsche Forschungs-gemeinschaft (DFG) und derWissenschaftsrat grünes Licht:Die beantragten Fördermittelwurden in vollem Umfang be-willigt.

Die Gutachter überzeugte vorallem die Wahl der Software:Jörg Feldhusen und seine Mitar-beiter hatten sich für Windchillentschieden, ein Produkt desweltweit tätigen Software-Ent-wicklers PTC. Windchill wird aufzentralen Servern installiert undkann über das Internet von na-hezu jedem Ort mit den ge-bräuchlichen Browsern aufgeru-fen werden. Zudem unterstütztes den für die Forschung anHochschulen so wichtigen„Open source“-Gedanken: Miteiner eigenen Entwicklungsum-gebung können jederzeit neueSoftware-Module und Benutzer-oberflächen für die individuelleNutzung des Systems geschaf-fen werden.

An dem erfolgreichen Pro-jektkonzept war das Rechen-und Kommunikationszentrum(RZ) der RWTH maßgeblich be-teiligt. Derzeit richtet es einenzentralen Windchill-Server ein,der mit Oracle-Datenbankenvernetzt wird. Auf diese soll abdem Sommer 2003 über denRechnerverbund NRW landes-weit zugriffen werden können.Für die Pflege und Wartung desSystems wird dann ebenfalls dasAachener Rechen- und Kommu-nikationszentrum sorgen.

Nach Auskunft von Jörg Feld-husen bilden das IKT, das RZ undEinrichtungen und Institute ande-rer Hochschulen des Landes der-zeit den Kern der ProVerStand-Initiative. Daneben haben sichschon jetzt zwanzig weitereHochschuleinrichtungen in Nord-rhein-Westfalen für eine aktiveBeteiligung an landesweiten Pro-jekten entschieden. Zu diesemZweck werden für die jeweiligenInstitute eigene Server installiert.Und schließlich gibt es noch einedritte Gruppe: Die Unentschlos-senen auf den Zuschauerbänken,die vom Team am IKT über dieFortschritte und die neuestenEntwicklungen informiert wer-den. Langfristig werden sich vieleaus dieser Gruppe ProVerStandanschließen.

Schon im kommenden Win-tersemester will Jörg Feldhusendas CPC-System in der Lehreeinsetzen. Bisher gab es an denHochschulen nur theoretischenUnterricht über CPC-Plattfor-men, jetzt wird erstmals einpraktisches Training angeboten.Zwei Studierenden-Teams sollenvon verschiedenen Orten aus mitHilfe von Windchill eine Aufgabezur Produktentwicklung bearbei-ten und dabei eng miteinanderkommunizieren. Die beidenTeams werden an der RWTHAachen und an einer anderenUniversität des Landes sitzen.Die eine Gruppe wird die Rolledes Auftraggebers, die anderedie des Auftragnehmers spielen.

Ein Vorbild für die zu lösen-de Aufgabe könnte die Entwick-lung eines Autoschiebedachessein, die ein Autohersteller beieinem Zulieferer in Auftrag gibt.Dabei übermittelt der Herstellerzuerst bestimmte Spezifikatio-nen wie etwa die äußeren Ab-messungen und die Belastun-gen, denen das Dach widerste-hen muss. Der Zulieferer ent-wickelt daraufhin ein Modell desDachs, das den geforderten Ei-genschaften entspricht, und daser über die Kommunikations-plattform seinem Auftraggeberdetailliert vorstellt. Ist dieser mitdem Vorschlag zufrieden, kanndas Modell realisiert werden.

Was sich im Beispiel einfachanhört, ist in Unternehmen mithistorisch gewachsenen Produk-tionsabläufen nicht immer ein-fach umzusetzen. Produktions-prozesse müssen definiert, fürdie Software aufbereitet undschließlich in Teamwork opti-miert werden. Für manche Fir-men bedeutet dies eine großeHerausforderung.

Auch der Betrieb der elektro-nischen Kommunikationsplatt-form ist alles andere als eineRoutineaufgabe. So muss dasSystem rund um die Uhr verfüg-bar sein und bis zu 3.000 Zugrif-fe pro Sekunde ermöglichen. EinSystemabsturz muss schnellst-möglich behoben, sämtliche Da-ten müssen gesichert werden.Informationsflüsse zwischen denProjektpartnern verschiedenerUnternehmen müssen durch ge-nau definierte Zugriffsberechti-gungen sicher abgegrenzt wer-den, damit Kernkompetenzender Partner nicht preisgegebenwerden. Bei diesen Fragen siehtdas Team vom IKT konkretenForschungsbedarf. Die InitiativeProVerStand will auch hier aktivwerden.

Autor:

Dr. Forstwiss. Thomas Früh istMitarbeiter des Dezernats Pres-se- und Öffentlichkeitsarbeit.

Thomas Früh

Internet wird zum Medium der Produktentwicklung

Initiative „ProVerStand“ schafft Kommunikationsplattform für Unternehmen

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ENEinrichten der Mikrodosieran-lage für Polymere zum Klebeneines Mikromischer-Bauteils für die Biotechnologie.

Foto: Peter Winandy

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EMEN er Hochschulsport ist aus

dem Leben unsererHochschulen nicht weg-

zudenken. Er ist wichtig für daskulturelle und soziale Leben“,dies verdeutlichte Dr. MichaelVesper, Minister des LandesNordrhein-Westfalen für Städte-bau, Wohnen, Kultur und Sportbeim offiziellen Anpfiff desdeutschlandweit ersten „Jahrdes Hochschulsports“. Der Mini-ster vermutete im Vorfeld derHochschulsportgala in der Sport-halle am Königshügel, dass das„Jahr des Hochschulsports“über Jahre Maßstäbe setzenwerde, durchaus auch für ande-re Länder. Die Gala war in die-sem Jahr allerdings mehr als nurdie Präsentation des facettenrei-chen Sportangebots an derRWTH. Sie war auch der Start-schuss zu einem Marathon ausmehr als 50 Veranstaltungenrund um die Körperertüchtigungan den Universitäten und Fach-hochschulen des ganzen Landes.Die Palette reichte von Wett-kämpfen und Turnieren bis hinzu Vorträgen und Tagungen.Das HochschulsportzentrumAachen agiert das ganze Jahrüber als Koordinations- undOrganisationszentrum und rich-tet unter anderem die Hoch-schulturniere im Beachvolleyballund Reiten aus. Das Team rundum Nico Sperle, dem Leiter desAachener Hochschulsportzen-trums, leistete schon im Vorfeldhervorragende Organisationsar-beit.

Björn Gürtler

Das „Jahr des Hochschulsports“

D

„denkSPORTbewegt“ –unter diesem Motto steht dasSportjahr. Dies bedeutet nichtnur die aktive Teilnahme amsportlichen Wettstreit, sondernbeinhaltet auch die theoretischeAuseinandersetzung mit demThema. Deshalb wird erstmals –zum Abschluss des Jahres – der„NRW-Hochschulsport-Förder-preis für den wissenschaftlichenNachwuchs“ vergeben. Bei die-sem mit insgesamt 6.000 Eurodotierten Preis kann der akade-mische Nachwuchs aller Fach-richtungen seine deutschsprachi-gen, bisher unveröffentlichten,wissenschaftlichen Arbeiten zumThema Hochschulsport ins Ren-nen schicken. Die besten Um-setzungen werden zum Ende desJahres ausgezeichnet und veröf-fentlicht.

Allein in Aachen nehmenrund 10.000 Studierende undHochschulangehörige wöchent-lich Angebote in 87 Sportartenwahr. Gut die Hälfte der Veran-staltungen finden in und aufSportanlagen der Hochschulestatt. Diese Zahlen verdeutlichendie Wichtigkeit der Offerten anangehende Akademiker und Mit-arbeiter. Heute hält man sichzum Beispiel beim Spinbiking,einem vom Musik untermaltenAusdauertraining auf Indoor-fahrrädern, mit Savate, einerfranzösischen Kampfsportart, beider Füße und Hände eingesetztwerden oder mit Baba-Roll, demRollstuhlbasketball, fit.

Exotische Sportarten wurdenauch bei der Gala in der restlosausverkauften Halle am Königs-hügel vorgestellt. „The Blackand White Slaves“ aus Aachenzeigten Caipoeira, eine Misch-ung aus brasilianischer Kampf-kunst und athletischem Tanz,während die „Las Payas“ vonder RWTH und der FH Aachenbeim Flamenco iberische Gefüh-le in den Aachener Winter brach-ten. Aber auch aus den anderenUniversitäten des Landes warenmit Gruppen zur Gala in diewestlichste Hochschule der Bun-desrepublik angereist. Das Bal-lettstudio der Universität Bonnzeigte klassischen Tanz und dieBreakdance Gruppe der Deut-schen Sporthochschule Kölnzeigten ihr Programm „Reflex“.Die „Turnnados“ von der Uni-versität Münster oder die „Tur-narounds“ aus Bielefeld erinner-ten eher an zirzensische Akroba-tik als an Turnvater Jahn. Insge-samt 21 Gruppen und Sportar-ten sorgten für ein dreistündigesProgramm.

Trotz seiner Begeisterungmusste Minister Vesper eineschwierige finanzielle Lage desLandes einräumen. Dessen un-geachtet hat das Land die Mittelin diesem Jahr ausgeweitet und300.000 Euro zur Unterstützungdes Hochschulsports zur Verfü-gung gestellt. Allerdings konnteder Minister eine Sicherung desStatus Quo nicht garantieren.Für ihn, der sich mit Fußball undJogging fit hält, sind die Mitteljedoch eine gute Investition:„Aus dem Hochschulsport sindauch viele Spitzensportlerinnenund Spitzensportler hervorge-gangen.“ Damit könne sichNRW als Sportland profilieren.

Der Rektor der RWTH, Pro-fessor Dr. Burkhard Rauhut, un-terstrich vor allem den integrati-ven Charakter, den der Sport fürneue und auch ausländischeStudierende hat – er erleichteredie Kontaktaufnahme. Aberauch als Ausgleich zum sitzen-den Studierendennalltag und alsImageträger sei der Sport nichtzu unterschätzen. Es sei erstaun-lich, so der ehemalige Ruderer,Handballer und EishockeyspielerRauhut, was die Öffentlichkeit

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Bundesweit erste Veranstaltung dieser Art setzt Maßstäbe

Bild 1: Die Gruppe „Rollaix“während ihres Auftritts.Foto: Uli Weber

wahrnehme. Professor Dr. Jür-gen Schmidt, stellvertretenderVorsitzender der Landesrekto-renkonferenz von der Westfäli-schen Wilhelms-UniversitätMünster, sieht auch die so ge-nannten „soft skills“ gestärkt.Sport würde Teamfähigkeit undLeistung voraussetzen. Auch derAufbau eines Wir-Gefühls, einergemeinsamen Identität, würdeaufgebaut.

Lob für die Aachener undihre Stadt gab es seitens derLandeskonferenz Nordrhein-Westfalens für den Hochschul-sport. „Nicht überall sind dieStädte so offen wie in Aachen“,bescheinigte ihr VorsitzenderMichael Fahlenbock. Oberbür-germeister Dr. Jürgen Lindennahm den Ball gerne auf und be-zeichnete den Hochschulsportals unglaubliche Bereicherung.Mit einem kurzen Rückblick indie Geschichte erinnerte er angroße Handball- und Basketball-

zeiten in den sechziger und sieb-ziger Jahren, als sogar einigeBundesligaspieler ihr Studium inder Kaiserstadt absolvierten undauch Titel und Pokale für dieRWTH errangen. Die Studieren-den hätten auch neue Sportar-ten nach Aachen gebracht undin diesem Zusammenhang ver-wies der Oberbürgermeister aufdie Rugby- und Baseballmann-schaften, die ihre Keimzellen imHochschulsport hatten. DerHochschulsport würde nicht nurneue und ausländische Studie-rende leichter integrieren, son-dern auch die Studierenden mitder Bevölkerung zusammenbringen.

Autor:

Björn Gürtler M.A., ist Mitarbei-ter des Dezernats Presse- undÖffentlichkeitsarbeit.

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Prüfen von Schwingungsdämp-fern bei Schienenfahrzeugen mitdem mobilen Kernspintomogra-phie-Verfahren zum Vermeidenvon Kondenswasseransamm-lungen und Korrosionsbildung.

Foto: Peter Winandy

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EMEN m Februar 2002 feierte Mat-

thias Gatzemeier, Emeritusdes Lehrstuhls für Praktische

Philosophie der RWTH, seinen65. Geburtstag. Freunden, Stu-dierenden und Kollegen war esein Herzensanliegen, ihm ausdiesem Anlass eine Festschrift zuwidmen. Der Band ist Anfangdieses Jahres erschienen.

Gatzemeier wurde 1937 imniedersächsischen Haselünne ge-boren. Nach dem Abitur im Jahre1957 am Gymnasium der Maris-ten in Fürstenzell bei Passau stu-dierte er zunächst an der priva-ten Hochschule der Maristenebendort Theologie und Philo-sophie, wechselte aber bereits1958 an die Universität Münsterzum Studium der KlassischenPhilologie, Alter Geschichte undPädagogik. Nach seiner Promo-tion 1967 nahm Gatzemeier eineStelle als Wissenschaftlicher As-sistent bei Friedrich Kombartel inKonstanz an, wo er sich 1973mit der Schrift „Theologie alsWissenschaft?“ habilitierte.Nach einer Professurvertretungin Hamburg und einem Lehrauf-trag in Marburg wurde er 1975zum Professor für das Lehrge-biet „Praktische Philosophie“am Philosophischen Institut derRWTH Aachen ernannt.

Seine oft interdisziplinär an-gelegten Lehrveranstaltungenbescherten Gatzemeier einengroßen Kreis von Studierenden.Er war stets darauf bedacht,dass seine Studierenden seineThesen nicht kritiklos annah-men, sondern er ermunterte da-zu, sie kritisch zu hinterfragen.Neben seiner Lehrtätigkeit enga-gierte er sich in den Gremien derHochschule und verband seineErkenntnisse auf dem Gebiet derPraktischen Philosophie mit ak-tuellen gesellschaftlichen Fra-gen. So wirkte er beim Aufbaudes Dokumentationszentrums„Ethik der Wissenschaften/Technikphilosophie“ mit und istMitglied in Tierschutzkommis-sionen des Landes und des Bun-des.

In der vorliegenden Fest-schrift „Antike und Gegenwart“beleuchten Schülerinnen undSchüler Gatzemeiers und auchWeggefährten aus anderenLehrstühlen der RWTH mit ihrenBeiträgen die beiden Schwer-punkte seiner Lehr- und For-schungstätigkeit, die er nie iso-liert betrachtete. Eine puristischeBeschäftigung mit der antikenPhilosophie lehnt Gatzemeierebenso ab wie eine Auseinan-dersetzung mit aktuellen The-men, die das Denken der Antikeaußer Acht lässt. Die Fruchtbar-keit der Verbindung von histori-scher und systematischer Argu-mentation ist dokumentiert inzahlreichen Aufsätzen Gatze-meiers, die in einer Neueditionin Kürze erscheinen werden.

Jürgen Villers (Hg.), Antike undGegenwart. Festschrift für Mat-thias Gatzemeier, Würzburg(Königshausen u. Neumann),2003.

Machbaren verändern. Auchwenn die Anwendungen der mo-dernen Medizin, Medizin- undBiotechnologie auf die Heilungvon Krankheiten abzielen, siemüssen jederzeit transparentund nachvollziehbar sein undsich einer ethischen Beurteilungunterziehen lassen.

In dem von Karl R.Keglerund Max Kerner herausgege-benen Band „Der künstlicheMensch“ haben Mediziner, Na-turwissenschaftler, Informatiker,Philosophen und Sozialwissen-schaftler zu einem fächerüber-greifenden Dialog zusammen ge-funden. In verständlicher Spra-che erörtern sie die drängendenFragen, die sich aus den neuenTechnologien ergeben: Sind dieSchöpfungen Künstlicher Intelli-genz und die Eingriffe in diemenschliche Erbinformation not-wendige Ziele und unabwend-bare Konsequenz des wissen-

Spätestens seit dem Beginndes neuen Jahrtausends wissenwir aber, dass der Mensch in derLage ist, zwar nicht Leben zu er-schaffen, zumindest jedoch Lebenzu reproduzieren und gezielt zuverändern. Die Wissenschaft hateine Grenze überschritten, dieFolgen lassen sich erahnen abernoch lange nicht abschätzen. Eseröffnen sich Wege, die zumWohl der Menschheit führen,aber auch solche, die uns er-schrecken lassen. Was aber aufjeden Fall nach diesem Grenz-übertritt eingetreten ist, ist eineErschütterung unserer Auffas-sung von menschlicher Individu-alität. Zumindest in unserenKöpfen sind wir nicht länger un-verwechselbar. Dem eigenenKlon gegenüber zu stehen, istdenkbar. Nicht nur unsere Iden-tität ist erschüttert, auch unsereVorstellung von Humanität wirdsich durch die Erweiterung des

aust schafft auf der Bühneeinen Homunkulus, RabbiLoew erweckt den Golem

zum Leben und Dr. Frankensteingelingt es, seinem Monster Le-ben einzuhauchen. Der Mensch-heitstraum vom künstlichenMenschen ist alt. In Überliefe-rungen, Märchen und in der Li-teratur sind die Schöpfer künstli-cher Kreaturen nahezu immermit großem Optimismus bei derSache, hingegen betrachten ihreMitmenschen dieses Tun mitFurcht und Skepsis.

Die Bemühungen von Wis-senschaftlern seit dem 18. Jahr-hundert menschenähnliche Ma-schinen zu konstruieren, die demMenschen in ihren Fertigkeitenund mit ihrer Intelligenz überle-gen sind, wurden von Teilen derÖffentlichkeit mit Sorge betrach-tet und von großen Literatenwie E. T.A.Hoffmann oder Sta-nislaw Lem sehr kritisch kom-mentiert. Der Aufstand der Ma-schinen, die Bedrohung durchvom Menschen erschaffeneKreaturen ist jedoch bis heuteausgeblieben.

Antikes Denken als Grundlage zum Verstehen der Moderne

Festschrift für Matthias Gatzemeier

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Ist die Schöpfung jetzt unser?„Der künstliche Mensch“ – Eine Veröffentlichung des Forums

Technik und Gesellschaft

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schaftlichen Fortschritts? Wirddurch sie eine neue Qualität desMachbaren erzielt? Wie sind dieethischen Grenzen zu ziehenund abzusichern?

Neben den Herausgebernsind seitens der RWTH Aachenauch Bernd Klosterhalfen undChristian Mittermayer vom Insti-tut für Pathologie unter den Au-toren vertreten.

Die Publikation geht zurückauf die Projektwochen „Derkünstliche Mensch – Visionendes Machbaren“, die das Außen-Institut im Jahr 2000 durchge-führt hat.

Karl R.Kegler, Max Kerner (Hg.):Der künstliche Mensch. Körperund Intelligenz im Zeitalter ihrertechnischen Reproduzierbarkeit,Köln (Böhlau) 2002.

n der anschaulichen und sehrlebendigen Sprache ihrer Stu-dienjahre schildert Rose Marie

Lehnhof ihre Erlebnisse in denJahren 1933 bis 1945. Im Jahrder Machtergreifung der Natio-nalsozialisten ist die Autorinzwölf Jahre alt und langsamschleicht sich Bedrohliches in ihrLeben. Die sorglose Zeit am Ly-zeum in Eschweiler findet ein En-de, als jüdische Geschäfte boy-kottiert und jüdische Mitschüle-rinnen nicht zum Abitur zugelas-sen werden. Lehnhof selbst er-lebt als Enkelin einer jüdischenGroßmutter zunehmend die Aus-wirkungen des nationalsozialisti-schen Rassenwahns. Sie kannsich aber nach bestandenemAbitur für das Studium der Che-mie in Berlin einschreiben – eineEntscheidung gegen ihre Nei-gung zu Geschichte und Litera-tur. Sie weicht als „Nichtarierin“auf ein in der Industrie verwert-bares, vielleicht sicheres Studiumaus. Doch schon bald gibt es inBerlin Versuche, Lehnhof vonder Universität zu relegieren. Zuihrem Glück öffnet im Jahr 1940die TH Aachen wieder ihrenLehrbetrieb (wegen der Grenz-nähe wurde die Hochschule 1939für zwei Semester geschlossen)und sie kehrt zurück ins Rhein-land.

In Aachen geht es ruhiger zuals in der Hauptstadt, aber auchhier sind die Nazis nicht untätig.Zu den vom Aachener AStA de-nunzierten und von der Hoch-schule vertriebenen Professorengehört auch der hoch angesehe-ne Chemiker Paul Ernst Levy.Rose Marie Lehnhof beschreibt,wie der Schüler Levy's, der spä-tere Professor für OrganischeChemie Fritz Reinartz, seinen frü-heren Mentor vor Ausbruch desKrieges ermutigt, Zuflucht beiVerwandten in Brüssel zu su-chen und wie er Levy's Hab undGut über die Grenze nach Bel-gien schafft. Couragiert schütztReinartz später auch die Studen-tin Lehnhof vor rassistischen An-feindungen. Er ebnet ihr nachseinem Ruf nach Karlsruhe dortden Weg zur erfolgreichen Di-plomprüfung und holt sie alsAssistentin an sein Institut, wosie bis Kriegsende unbehelligtbleibt.

Rose Marie Lehnhof schil-dert Episoden, die zeigen, dassMenschlichkeit auch unter ei-nem Menschen verachtendenRegime lebbar ist. Bei allem Be-drohlichem und Schrecklichemwie dem Verschwinden vonKommilitonen und Dozentenoder dem offenen Angriff desbraunen Mobs auf ihre Mutterfinden sich in Aachen und späterin Karlsruhe Inseln der Solidaritätund menschlicher Wärme.

Rose Marie Lehnhof, Tausend-undein Jahr. AutobiographischeMitteilungen einer Nichtarierin,Bad Honnef (Bock), 2001.

„Tausendundein Jahr“Schulzeit und Studium während des deutschen Faschismus

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er Beitrag über Elektro-sensibilität ist angesichtsder noch wenig erforsch-

ten, durchaus auch umstrittenenund schon gar nicht in ein ge-schlossenes Wissensgebiet über-geführten komplexen Problema-tik wichtig und zu begrüßen; ersoll in seinem wesentlichen Inhaltauch keinesfalls geschmälert wer-den.

Im einleitenden Absatz wirdjedoch die Behauptung aufge-stellt, dass der in populärwissen-schaftlichen Abhandlungen undso genannten Erfahrungsberich-ten dargestellte Zusammenhangzwischen elektromagnetischerEinstrahlung zum Beispiel des Mo-bilfunks und vielerlei Beschwer-den dort zwar als gegeben an-gesehen wird, dass aber die Ur-sachen und Entstehung derarti-ger unspezifischer Gesundheits-und Befindlichkeitsstörungen un-einheitlich seien, und dass „„eeiinneeVVeerrbbiinndduunngg mmiitt eelleekkttrroommaaggnneettii--sscchheenn FFeellddeerrnn wwiisssseennsscchhaaffttlliicchhnniicchhtt eeiinnmmaall aannssaattzzwweeiissee bbeelleeggtt““sei.

Dies ist schlicht falsch unddarf der Tragweite halber nichtunwidersprochen bleiben – daherdiese Zuschrift.

Richtig ist vielmehr, dass lan-ge vor der Einführung der der-zeitigen Mobilfunktechnik, min-destens seit 1993, eine großeZahl (mehrere Hundert) von spe-zifischen Berichten über wissen-schaftliche Ergebnisse von For-schungen und Untersuchungenzur elektromagnetischen Einstrah-lung und der dabei entstehen-den biologischen Einzelwirkun-gen und Wirkungsketten beiZelle, Tier und Mensch vorliegen.Zu nennen sind DNA-Brüche,Öffnung der Blut-Hirn-Schran-ke, Melatonin-Blockade, Blut-plättchenverklumpung, Infarkte,Schädigung des Immunsystems,Gedächtnisminderung, Tinnitus,Krebsauslösung (unter anderemHirntumore, Leukämie) und vielemehr, die vielfältige Befindlich-

keits- und Gesundheitsschädi-gungen bis hin zur Todesfolgeauslösen können und ausgelösthaben.

Über diese Berichte existiereneine Reihe von (betont sorgsamselektierenden) Übersichtsstudi-en (zum Beispiel die ECOLOG-Studie, ein Report der schweize-rischen Umweltbehörde) sowienationale und internationale Da-tenbanken. Die Übersichtsstudi-en bestätigen nicht nur die In-halte, sondern durchaus auch diewissenschaftliche Relevanz deruntersuchten Veröffentlichungen,und Zweifel an der Seriositätund Reputation der Wissenschaft-ler und Institutionen sind auchgenerell keinesfalls angebracht.Alle möglichen Zusammenhängesind damit sicher noch nicht ge-klärt, aber „das Puzzle ist schonsehr weitgehend angefüllt“.

Ergänzend liegt eine Reihevon epidemiologischen Studienvor, die das oben erwähnte Bildin flächendeckend mit Mobil-funk versorgten Feldern eindeu-tig bestätigen, und in denen un-ter anderem auch der Einflusspsychogener Ursachen unter-sucht und statistisch als nicht-korreliert zum Beispiel mit Kreis-laufstörungen festgestellt wird.Darüber hinaus existiert eine er-drückend große Anzahl von Be-richten über die aufgetretenenGesundheitsstörungen, Krank-heitsverläufe, auch Fehl- bezie-hungsweise Totgeburten undTodesfälle, Unbewohnbarkeitvon Wohnungen, Lebensfeind-lichkeit von Stallungen und Wei-den infolge der Dauereinwir-kung durch die Mobilfunk-Basis-stationen und DECT-Schnurlos-Telefone sowie der Wirkungender Handys, und zwar bei Feld-stärken weit unterhalb der Grenz-werte.

Dies sind belegte und be-zeugte Tatsachen, die nicht le-diglich deshalb ignoriert werdendürfen, weil sie nicht mit der der-zeit (noch) herrschenden (undleider erkennbar interessen-affi-nen) „offiziellen Lehrmeinung“übereinstimmen. In der Geschich-te der Wissenschaften hat es die-se Situation ja schon oft gegeben,und stets wie hier gab es dabeiPressionen, Dokumentenunter-drückung, Beweismanipulatio-nen und Verleumdungen, undstets war es dann doch die eta-blierte Wissenschaft, die sich spä-ter (oder zu spät) hat bewegenmüssen.

Das Ganze wird bestärktdurch die beweislogische Axio-matik, gemäß der jegliche Aus-sage zu einer Unbedenklichkeiteine Annahme zur Generalisie-rung (Ersatz des Restrisikos zwi-schen der Feststellung „KeineWirkungen bekannt“ und derAussage „Schädigungsfrei“) im-pliziert, die nicht erst durch dasgänzliche und konsistente Erfor-schen aller Zusammenhänge, son-dern bereits durch einen einzi-gen begründeten Zweifel falsifi-ziert wird.

Dazu kommt der Umstand,dass die Festlegung der gesetzli-chen Grenzwerte auf lückenhaf-ter Basis beruht (lediglich Berück-sichtigung der thermischen Wir-kungen, also integrierend ener-giebezogen, und nicht der dyna-mischen Wirkungen der nieder-frequent gepulsten Hochfre-quenz-Strahlung hinsichtlich bio-chemischer und neurologischerEffekte im lebenden Organis-mus), dass weder Langzeitwir-kungen noch Vorsorgefaktoreneinbezogen wurden, und dassdamit die ganze Herleitung derGrenzwerte sachlich und logischunkorrekt ist. Entsprechend istdie offizielle Schutzaussage „hin-sichtlich aller Wirkungen unbe-denklich bei Einhaltung derGrenzwerte“ wissentlich falsch,und die Technik hätte so nichteingeführt werden dürfen (manvergleiche damit einmal die ob-waltende Vorsorge und tatkräf-tigen Handlungen im sicher auchnicht vollständig erforschten Ge-biet BSE).

Der letztere Punkt begrün-det rechtlich gesehen auch be-reits eine so genannte „plausibleUrsachenvermutung“, bei der eskeinesfalls erst der Vervollstän-digung eines ganzen Wissens-komplexes bedarf, sondern wodann „ganz normale Indizien“ausreichen, hier also zu einemtechnischen Anwendungsgebietmit seinen „Kollateralschäden“.Vulgo: Eine nasse Wand in einemBauwerk ist nass, auch wenn dieWege des Wassers dahin nochnicht vollständig erkundet sind.

Angesichts der vorliegendenErkenntnisse und Indizien be-steht auch weitgehend kein For-schungsbedarf mehr zu den auf-tretenden Schadenswirkungen,sondern nur ein Willensbedarfhinsichtlich der Tatsachen-Aner-kennung der Schädlichkeit undder Heranziehung der Verant-wortlichen – es ist dazu unter an-derem zu verweisen auf den„Freiburger Appel“ und das kürz-lich erschienene Buch von Gras-berger und Kotteder, „Mobil-funk – ein Freilandversuch amMenschen“.

Selbstverständlich bestehtweiterhin bedeutender For-schungsbedarf zur Entwicklungschädigungsminimaler Technik,möglicherweise auch entspre-chender Grenzwerte, und natür-lich auch zum vorliegenden The-ma der Elektrosensibilität. Diesdarf jedoch nicht als Ausweich-feld für die gravierenden unddrängenden Probleme des Mobil-funks herhalten mit der Auswir-kung, dass es nun nochmalsdauert (cui bono?), bis endlichder derzeit stattfindenden „Ge-noläsion“ Einhalt geboten wird.Diese bezahlen nicht nur Tiereund Menschen mit ihrer Unver-sehrtheit, sondern das bringtvielerorts Wertverluste und kos-tet steigende Anteile der Gesund-heitsbudgets.

Unserer RWTH ist weiterhinzu wünschen, dass sie ihrenhoch anerkannten wissenschaft-lichen und praktischen Rang er-hält und ausbauen kann; unddies steht ganz sicher über derRücksicht auf wirtschaftliche In-teressen Dritter. Wissenschaftund Technik sollen uns dienen,Maßstab ist das Leben.

A.H.Volger

Prof.Dr.-Ing.Alexander H.Vol-ger ist Honorarprofessor derRWTH, von 1977 bis 2001 hatteer einen Lehrauftrag für „Tech-nik der Datenverarbeitung imBauwesen“. Er ist unter ande-rem seit 1987 öffentlich bestell-ter und vereidigter Sachverstän-diger für Systeme und Anwen-dungen der Informationsverar-beitung, besonders im GebietKonstruktion, Fertigung undBautechnik.

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n der Zuschrift wird die Mei-nung einer zahlenmäßig klei-nen, aber sehr umtriebigen

Gruppe in der Bevölkerung wie-dergegeben, die der Überzeu-gung ist, die elektromagneti-schen Felder des Alltags seiendie Ursache für diverse gesund-heitliche Beschwerden sowie ern-ste Krankheiten (umgangssprach-lich: „Elektrosmog“). Ständig mitmanipulierten Informationenversorgt wird diese „Glaubens-gemeinschaft“ von eigenen Pre-digern, die nur ausgewählte Be-richte und Abhandlungen her-anziehen und ausschließlich die-se, eingefärbt und ergänzt um ei-gene Deutungen, für ihre – ent-sprechend einseitigen – Schlussfolgerungen benutzen.

So wird als Beweis für dieExistenz des „Elektrosmogs“pauschal auf mehrere HundertArbeiten verwiesen, ohnejedoch auch nur einige konkretzu nennen. Die mehreren Tau-send vorliegenden Publikatio-nen, die dagegen die behaupte-ten Effekte, zum Teil in Wieder-holung der durchgeführten Ver-suche, nicht bestätigen konnten,werden einfach tot geschwie-gen. Darüber hinaus findetweder eine notwendige physika-lische und biologisch-medizini-sche Differenzierung der Litera-tur statt, noch werden die Publi-kationen nach einheitlichenQualitätskriterien bewertet.

Anstelle wissenschaftlicherBeweisführung und Abwägungwird pauschal von „Genoläsion“gesprochen, und so grundver-schiedene Phänomene wie DNA-Strangbrüche, Öffnung der Blut-Hirn-Schranke, Blutplättchenver-klumpung oder Melatonin-Block-ade werden gemeinsam als be-legte Wirkungen elektromagne-tischer Felder präsentiert. DemAutor ist offensichtlich nichtklar, mit welchen ungeheurenBegriffen er da polemisiert. Es istaußerdem absurd, ätiologischund pathogenetisch, völlig unter-schiedliche Erkrankungen wieKrebs, Infarkte, Fehl- beziehungs-weise Totgeburten sowie diversesubjektive Befindlichkeitsstörun-gen auf eine einzige Ursache,nämlich die Felder des Mobil-funks, zurückzuführen. Obwohlder Verfasser der Zuschrift ver-sucht, seinen Ausführungen ei-nen sachkundigen Anstrich zugeben, ist seine Argumentation– milde ausgedrückt – unwissen-schaftlich und tendenziös.

Die suggestive Erinnerung anhistorische Fälle von Pressionen,Dokumentenunterdrückung, Be-weismanipulationen und Ver-leumdungen lässt die Frage auf-kommen, in welcher Welt der Au-tor lebt. Es ist geradezu naiv, zuglauben, dass man heutzutageweltweit eine komplette wissen-schaftliche Gemeinde beeinflus-sen oder gar „kaufen“ könnte.Der Informationsfluss ist soschnell und die Konkurrenz derWissenschaftler so groß, dass je-der Fehltritt in die eine oder an-dere Richtung durch Überprü-fungen binnen kürzester Zeitaufgedeckt würde. Viele zuvorbereits berichtete Effekte konn-ten auf diese Weise im Nachhin-ein auf unzulässige Versuchspla-nung und -durchführung, An-wendung unangemessener oderrudimentärer Methoden – oderauch ganz schlicht auf Datenfäl-schung – zurück geführt wer-den.

Deshalb greifen wir bei derBeurteilung des aktuellen Kennt-nisstandes grundsätzlich auf dieumfangreich vorhandene welt-weite wissenschaftliche Literaturzurück. Die Literatur wird nachphysikalischen und medizinischenKriterien in homogene Profileaufgeteilt und zusammenhän-gend und einheitlich bewertet.Die zugrunde liegende Literaturzu biologisch-medizinischen Un-tersuchungen, überwiegend aus„peer-reviewed“ wissenschaftli-chen Zeitschriften, wird in derWissensBasierten LiteraturDa-tenBank (WBLDB) des femu(Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglich-keit, Aachen) aufbereitet und istmit inzwischen über 6.200 Titelnjedem Interessierten kostenlosüber das Internet (http://www.femu.rwth-aachen.de) zur Ein-sicht zugänglich.

In Kürze wird diese Literatur-datenbank um einen bereits er-arbeiteten Zweig mit den Ergeb-nissen epidemiologischer Studi-en erweitert. Der laufende Aus-bau der WBLDB in englischerSprache, in der die allermeistenPublikationen verfasst sind, wirdab etwa Mitte Mai 2003 um einInformationssystem in deutscherSprache (http://www.emf-por-tal.de) ergänzt. Hier können auchNichtfachleute, unterstützt voneinem Erklärungswörterbuch undweiteren Erläuterungs- und Such-hilfen, auf sämtliche Inhalte derWBLDB zurückgreifen und sichselbst uneingeschränkt und ob-jektiv über den jüngsten Wis-senstand bezüglich der Wirkun-gen elektromagnetischer Felderauf den Organismus informie-ren.

Selbstverständlich hat jeder-mann das Recht, seine persönli-che Meinung über den so ge-nannten „Elektrosmog“ zu äu-ßern, auch wenn er nicht als aus-gewiesener Fachwissenschaftlergilt. Schließlich können nur aufdiesem Wege Defizite im Wissen(und eventuelle damit verbunde-ne Ängste in der Gesellschaft)erkannt und durch zugeschnitte-ne Forschung und geeigneteKommunikation beseitigt wer-den. Es ist aber unzulässig, dasswie in diesem Fall derart pseu-dowissenschaftliche Meinungenunter dem Mantel des Hoch-schullehrers verbreitet werden.Dies würde dem Ruf der RWTHAachen nachhaltig schaden.

J. Silny, W.Dott, G.A.Wiesmüller

Prof.Dr.-Ing.habil.med. Jiri Silnyist Leiter des Forschungszen-trums für Elektro-MagnetischeUmweltverträglichkeit (femu).Univ.-Prof.Dr. rer.nat.WolfgangDott ist Direktor des Instituts fürUmweltmedizin und Dekan derMedizinischen Fakultät.PD Dr.med.Gerhard AndreasWiesmüller ist Leiter der Um-weltmedizinischen Ambulanz(UMA) des Universitätsklini-kums.

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Thermisches Spritzen einerHochtemperatur-Oxidations-schutzschicht. Der Kopf desBrenners wird justiert.

Foto: Peter Winandy

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