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TITELFOTO Vincent Curutchet hat Alex Thomson auf dessen „Hugo Boss" fotografiert YACHT-LESER-HOTLINE Alles unter einer Nummer: Abo-Service, Kleinanzeigen, Heftnachbestellungen u. v. m. SCHWERPUNKT FOILS 22 TRAGFLÄCHEN FÜRALLE Beneteau bringt mit der Figaro 3 das erste feilende Serienboot auf den Markt. Nur ein Einzel- fall, oder heben bald auch herkömmliche Fahrtenyachten ab? Ein Trendreport 30 WIDER DIE SCHWERKRAFT Dass Boote ihr angestammtes Element, das Wasser, nahezu komplett verlassen, war für die meisten Menschen lange unvorstellbar. Noch heute fragen sich viele, wie so etwas überhaupt möglich ist. Wir erklären es 34 BEWEGTE GESCHICHTE Versuche, Boote übers Wasser gleiten zu lassen, gab es bereits vor 150 lahren. Der Durch- bruch im Regattasport gelang aber erst in jüngster Zeit. Ein Blick zurück 36 QUOVADIS? Fakt ist, Yachten können übers Wasser gleiten. Fakt ist aber auch, dass das bislang nur für I lighlech-Racer gilt. Ob sich daran in Zukunft etwas än- dern wird, ist ungewiss. Was dafür und was dagegen spricht - ein Faktencheck 0521/55 99 11

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TITELFOTO Vincent Curutchet hat Alex Thomson auf dessen „Hugo

Boss" fotografiert

YACHT-LESER-HOTLINE

Alles unter einer Nummer: Abo-Service, Kleinanzeigen,

Heftnachbestellungen u. v. m.

SCHWERPUNKT FOILS

22 TRAGFLÄCHEN FÜRALLE Beneteau bringt mit der Figaro 3 das erste feilende Serienboot auf den Markt. Nur ein Einzel­fall, oder heben bald auch herkömmliche Fahrtenyachten ab? Ein Trendreport

30 WIDER DIE SCHWERKRAFT Dass Boote ihr angestammtes Element, das Wasser, nahezu komplett verlassen, war für die meisten Menschen lange unvorstellbar. Noch heute fragen sich viele, wie so etwas überhaupt möglich ist. Wir erklären es

34 BEWEGTE GESCHICHTE Versuche, Boote übers Wasser gleiten zu lassen, gab es bereits vor 150 lahren. Der Durch­bruch i m Regattasport gelang aber erst in jüngster Zeit. Ein Blick zurück

36 QUOVADIS? Fakt ist, Yachten können übers Wasser gleiten. Fakt ist aber auch, dass das bislang nur für I lighlech-Racer gilt. Ob sich daran in Zukunft etwas än­dern wird, ist ungewiss. Was dafür und was dagegen spricht - ein Faktencheck

0521/55 99 11

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DasSEGELN AUFTRAGFLÄCHET*! erlebt einen ungeahnten Höhenflu, Beneteau bringt im Sommer als erste Großserienwerft eine Kielyacht.

Foils. Was ist, was war und was noch kommt

VON MICHAELGOOD UND JOCHEN RIEKER

DERTREND Die Experlmentalphase ist vorbei, jetzt hält die Foil-Technologie Einzug in den Serienbau. Doch sie taugt längst nicht für alle S. 24 DIE FUNKTION

JA^rum Segelyachten mit Foiisabheben können - und was es dafüralles braucht S.30 DIE ENTSTEHUNG Tragflügelboote gibt es schon seit 150 Jahren. Wichtige Wegepunkte der Entwicklung S. 34 DIE NEUHEITEN Was der Markt bietet: von der simplen Einhand-Joile bis zum Carbon-Trimaran S.36 DERFAKTENCHECK Pround Kontra: Was für, was gegen den Einsatz von Foils im Serienyachtbau spricht S. 37

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E r galt schon zu seinen Lebzeiten als einer der ganz Großen des Segel­sports. Nicht nur seemannschaft­liche Meisterstücke wie der Sieg bei der Einhand-Transatlantikregatta Ostar 1964 b e g r ü n d e t e n seinen

Ruhm. Eric Tabarly war auch ein begnadeter Tüftler und Visionär. Zu einer Zeit, als das Segeln auf Trag­flügeln noch i m frühen Experimentalstadium steckte, prophezeite der sonst wortkarge Bretone bereits: „Un jour, tous les bateaux voleront."

Tabarly sprach diesen für ihn ungewöhnlich markigen Satz vor genau 30 Jahren. Erst 30 Jahren, muss man sagen, denn es ist keine lange Spanne in der Hntwicldung des Yachtbaus. Selbst vor 15 Jah­ren galt noch als Spinner, wer die Prognose wieder­holte. Inzwischen aber ist vieles anders. Auch wenn es zu früh wäre, von einem Durchbruch der Foil-Technologie auf breiter Front zu sprechen, so ist sie doch fraglos der Mega-Trend der Zeit.

Mehr denn je sogar. Gerade ist die Vendee Globe zu Ende gegangen. Das spektakuJäre Einhand­rennen nonstop um die Welt hat die Entwicklung beschleunigt und die Zweiller Lügen gestraft. Vier Foiler auf den ersten vier Rängen! Die Ergebnisliste liest sich wie ein Manifest für den Einsatz von Trag­flächen auf Rennyachten.

»Eines Tages werden alle Segelboote fliegen!«

EricTaba rly, Pionier und HochseeJield

Und noch ein aktuelles Ereignis wird die nauti­sche Weit buchstäblich beflügeln: Beneteau hat als erster Großscrienhersteller der Welt vor wenigen Wochen den Bau eines 32-Fuß-Bootes mit Foils an-gekündigt - die dritte Generation der Einheitsklasse Figaro (s. o.). Das ehrgeizige Projekt des Weltmarkt­führers aus Frankreich hat allerorten für reichlich Aufregung gesorgt, denn bisher haben noch nicht einmal kleine, auf moderne schnelle Einrumpf­yachten spezialisierte Werften wie JPK, Pogo oder Seascape den Trend aufgegriffen.

Wird die Figaro 3 also zu einer Art Revolutions­führer für eine neue Gattung von Serienyachten mit Tragflügeln werden? Markiert sie bereits die Wen­de, die später einmal als entscheidendes Ereignis für die Erfüllung von Eric Tabarlys visionärer Vor­hersage von 1987 beschrieben werden wird? Oder bleiben die Foiler auf lange Sicht ein Nischenpro­dukt - aufsehenerregend, aber am Ende doch mehr sportlicher Spleen als Mainstream?

Wer sich innerhalb der Szene umhört, kann zum Projekt Figaro 3 viele unterschiedliche Meinungen vernehmen, auch durchaus laritische. Die Macher von Beneteau aber sind überzeugt von den guten Erfolgsaussichten. Die Werft baut in Nantes dafür sogar eine eigene Produktion mit eigenem Team auf, die Beneteau Racing Division (BRD). Das lässt

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SPRUNGBRETT FÜR HOCHSEEHELDEN

EineKlasse, drei Generationen: 2019 feiert die FIGARO ihr 30-jähriges Bestehen. Zum Jubiläum baut BENETEAU einen 32-Fuß-Renner, der seiner Zeit voraus ist

Wer eine Laufbahn im Hochsee-Rennsportanstrebt, kommt bei seiner Planung an einem Boot kaum vorbei: der „Figaro" von Beneteau, In Frankreich als strik­te Einheitsklasse etabliert, bietet sie die perfekte Plattform und ei n seh r selektives Wettbewerbs­umfeld für künftige Profis. Wer sich in dervieibeachteten Renn­serie „La Soiitaire du Figaro" seine Sporen verdient, gilt fast zwangsläufig als Kandidatfurdie höheren Weihen des Ein- und Zweihand-Zirkus in Class 4 0 oder Open 60 , Dies entspricht dem typischen Werdegang der jungen,französischen Offshore-Eiite. Dass Beneteau diedritte Generation der Figaro mit Foils auflegt, kommt nichtvon unge­fähr- denn Tragflügel bestim­men die Entwicklung in der Hochseeszene. Bei Mini 6 50 und Open 6 0 sind sie bereits Stand der Technik, in der Class 40 wird ihre Einführung disku­tiert. Da sollte und durfte die Fi­garo 3 nicht hintanstehen.

FIGARO 1989 -2003

Konstr l-'lnot/Berrel

Rumpf länge 9,14 m Wasserlinie 8,40 m Breite 3,25 m Tiefgang 1,80 m Gewiclit 2,4 t BallastZ-anteil 0,9 t/37,5 %

Großsegel Hl,3 in'-^ Genua(130 %) 30,3 m-

FIGARO 2003 -2018

Konstrukteur Marc Lombard

Rumpflänge J0,I5 m

Wasserlinie 9,82 m Breite 3,43 m Tiefgang 2,10 m Gewicht 3,1 t BallastZ-anteil 1,1 l/36 % Großsegel 36,6 Genua ( 1 0 6 % ) 30,0

FIGARO 2019

Konstrukteur VPLP

Rumpflänge 9,75 in Wasserlinie 9,00 in Breite 3,40 m Tiefgang 2,50 m Gewicht 2,9 t BallastZ-anteil 1,1 t/38% Großsegel 39,5 m' Genua ( 1 1 0 % ) 30,5 m-

nicht gerade darauf schlief^en, dass es sieb hier le­diglich um eine PR-Aktion handelt.

A uch bei der Konstruktion machen die Franzosen keine halben Sachen. Für die Figaro 3 zeichnen die Experten von VPLP v e r a n t w o r t l i c h , dem derzeit

wohl gefragtesten Büro für Hochleistungsyachten. Die vier erstplatzierten Open 60 der Vendee Globe sind alle auf ihren Rechnern entstanden - ein bei­spielloser Erfolgsnachweis.

Mitbegründer Vincent Lauriot-Prevost fasst den Auftrag von Beneteau so zusammen: „Wir soll­ten ein Boot entwickeln, das einerseits ein sehr mo­dernes und leistungsstarkes Konzept verfolgt - also mit Foils - , andererseits aber auch auf einer sehr

AHDERSRUM Das Foil der Figaro 3 ist

nach unten und innen gebo­gen. Die Erfinder nennen es „Chistera". Das Profil tritt

knapp unter Deckshöhe aus

zuverlässigen, robusten und darüber hinaus auch noch bezahlbaren Konstruktion aufbaut." Anders als bei Neubauten für Profiteams in der Tmoca-Klas-se, wo durchgängig i n Kohlefaser und in aufwän­digsten Verfahren produziert w i r d , sollte die Figa­ro 3 in Serie entstehen können, mit gröf^eren Tole­ranzen, mehr Robustheit, für ungleich weniger Geld. Lauriot-Prevost beschreibt die Aufgabe des­halb auch als „eine echte Herausforderrmg".

Leichter hatten es der VPLP-Impressario und seine Kollegen mit der Ausrichtung des Bootes. Die Figaro 3, welche ihre 15 Jahre lang aktiv gesegelte Vorgängerin ablösen w i r d , ist als Einheitsklasse für die französische Hochsee-Rennserie „La Solitaire du Figaro" konzipiert, mit einem starken Fokus auf Ein- und Zweihand-Betrieb. —>

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ANPASSUNGSFÄHIG Sind die Foils eingezogen (o legen sie eng am Rumpfan. Das machldie Figaro 3

relativ unproblematisch beim Anlegen

STRAPAZIERBAR Die Tragllacfien müssen extrem hohe

Lasten vertragen. Dies fordert zusätzliche Schotten und Strukturen im Rumpf (u.)

Die ältere Figaro-Generation habe definitiv aus­gedient, sagt Gianguido Cirotti, der Marketing-Di­rektor von Beneteau und Leiter der werfteigenen Racing Division. Zusammen seien die bisher rund hundert gebauten Schiffe vom Typ Figaro 2 immer­hin schon rund achtmal um die Welt geprügelt wor­den. Zeitgemäßer Ersatz ist also fällig.

Das neue Projekt kommt zum richtigen Zeit­punkt. Hochsee-Segelregatten sind attraktiv gewor­den, nicht nur für junge, ambitionierte Sportler, die eine Profikarriere anstreben, sondern auch für die Fans, die dank der guten Medialisierung viel näher dran sind am Geschehen als früher. Warum also nicht die nachrückende Generation von Soloskip­pern mit ähnlichen Booten ausstatten wie die Flel-den auf ihren Open 60?

Es geht in diesem Punkt nicht nur u m Marke­ting, um den Cooiness-Faktor. Auch technische Überlegungen sprechen fürdasTragflügel-Konzept, Foils produzieren auf der Leeseite einer Segelyacht

»Im Falle einer Kollision gehen die Foils

kaputt, nicht das Boot«

Vinceni Lauriot-Prevost, Konstrukteur

dynamischen Auftrieb und damit - verstärkt durch die Hebelwirkung des ausgefahrenen Flügels - ein erhebliches aufrichtendes Moment. Konkret be­deutet dies: mehr Segel tragevermögen, mehr Leis­tung, mehr Geschwindigkeit.

Dafür kann Beneteau bei der Figaro 3 auf Was­serballast komplett verzichten, welcher noch beim Vorgängermodell zum Einsatz kam. Die gefüllten Tanks der Figaro 2 bedeuteten immerhin nicht we­niger als 270 Kilogramm zusätzliches Gewicht. Statt statischen Ballast in Luv bunkern zu müssen, er­zeugt die neue Figaro dank Foils dynamischen Auf­trieb in Lee.

D iese Tragflügel sind außergewöhnlich und in dieser Form für Einrumpfboote bisher beispiellos. Beneteau nennt sie „Chistera", in Anlehnung an den sichel­

förmigen Wurfhandschuh beim Pelota, einem vor allem in Portugal beliebten Ballspiel. Anders als die sogenannten „Dali"-l^oils, die bei den 60-Fuß-Imo-ca-Yachten meist zum Einsatz kommen, sind die Flügel der Figaro 3 von oben nach unten und zu­dem einwärts gebogen.

Das bringt einige Vorteile mit sich, insbesondere bezüglich des Handlings. Sind die Foils ganz einge­zogen, liegen sie eng am Rumpf an, der Überstand bleibt gering - wichtig vor allem im Hafen, um wie gewöhnlich festmachen zu können - , ohne weit ausladende Abstandshalter zur Pier beim Längs-seitslicgen und ohne zwischen zwei Dalben hän­genzubleiben. Auch beim Start zu einer Regatta verringert sich so das Kontaktrisiko, weshalb das Ausfahren der Foils möglicherweise sogar per Klas­senregel vor dem Start unterbunden wird.

Konstrukteur Vincent Lauriot-Prevost erklärt das Konzept und die Funktion der Figaro-Lösung wie folgt: „Ihre Foils sind vielseitiger und flexibler einsetzbar als ,Daii'-Foils. Bei Leichtwind und ge­ringer Krängung zum Beispiel tauchen die Flügel weniger stark ein und bieten somit weniger Wider­stand. Segelt das Boot dagegen mit Druck und La­ge, entwickeln die Foils einerseits einen vertikalen Auftrieb in Lee, andererseits auch eine horizontale Kraft nach Luv zur Reduzierung der seitlichen Ab­drift. Deshalb kann die Kielfinne auf der Figaro 3 wesentlich schlanker und auch dünner ausfallen. Dies reduziert den Widerstand zusätzlich."

Lauriot-Prevost kann den Effekt mit eindrucks­vollen Zahlen belegen. Bei 15 Knoten Fahrt durchs Wasser erzeugt der Foil in Lee einen beträchtlichen vertikalen Lift von rund 400 Dekanewion, also fast das Äquivalent einer halben Tonne. Rechnet man das u m 200 Kilogramm geringere Gewicht der Figa­ro 3 i m Vergleich zu ihrer Vorgängerin hinzu und den fehlenden Wasserballast von 270 Kilogramm,

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INTERVIEW

verdrängt die Yacht i m Einsatz insgesamt 900 K i ­logramm weniger - zirka ein Drittel des Gesamt­gewichts. Ein enormer Effekt, der sich unmittelbar auf das Geschwindigkeitspotenzial auswirkt u n d den Schwenk von Beneteau zur Tragflügel-Techno­logie erklärt.

Zwar gibt es bisher noch keine Praxiswerte, an denen sich das festmachen lässt. Die Konstrukteure von VPLP haben aber am Computer theoretische Leistungsdiagramme ermittelt, die durchaus viel­versprechend erscheinen. Danach segelt die Figa­ro 3 bei sieben Knoten Wind und 90 Grad wahrem Windeinfallsvvinkel rund fünf Prozent schneller als die Vorgängerin. Bei I S Knoten Wind auf einem Winkel von 110 Grad sind sieben Prozent mehr Ge­schwindigkeit d r i n . Und das ist noch längst nicht alles: Bei 30 Knoten Wind und 130 Grad Windein­fall steigert sich der Zugcwinn auf annähernd 20 Prozent mehr Fahrt

Diese Zahlen mögen vielleicht enttäuschend wirken, wenn man sie mit der Entwicklung von an­deren foilendcn Bootsklassen vergleicht - zum Bei­spiel mit der Polling Moth, die durch den Einsatz von Tragflügeln das Geschwindigkeitspotenzial schlagartig um fast 100 Prozent steigerte. Auch die neuen, leichten Sport-Katamarane mit Foils errei­chen Topwerte, die um 30 bis 50 Prozent über de­nen konventioneller Kats liegen.

Allerdings ist dieser Bezug unzulässig. Motte wie Mehrrumpfer sind, anders als die Figaro 3 und anders auch als die neuesten Open 60, sogenannte VoU-Foiler. Das helfet: Sie heben ihren Rumpf voll­ständig aus dem Wasser. Der durch die Foils gene­rierte Auftrieb ist bei ihnen größer als die Schwer­kraft von Boot und Mannschaft zusammen gerech­net. Anders ausgedrückt: Diese Konstruktionen sind einem Flugzeug näher als einem traditionellen Verdrängerboot.

Die Figaro 3 dagegen w i r d ein sogenannter Se-mi-Foiler sein, genau wie andere Kielboote mit Tragflügeln oder die allermeisten Fahrtenkatama­rane mit gebogenen Schwertern. Die Auftriebskraft ihrer Foils reicht längst nicht aus, um den Rumpf komplett austauchen zu lassen. Allerdings ist der Effekt groß genug, u m die Schwimmwasserlage an­zuheben und damit die benetzte Oberfläche sowie den Widerstand signifikant zu reduzieren - u n d zwar umso mehr, je schneller die Fahrt.

G eht da langfristig vielleicht noch mehr? Ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch Einrumpfyachten i m Flugmodus über die See gleiten? Ja und nein. Physika­

lisch und praktisch ist es heute schon möglich, das hat nicht zuletzt die Quant 23 aus der Schweiz be­wiesen. Sie gilt als erstes vollständig „fliegen- —>

Der Markt verlangt nach mehr Innovationen, sagt G\At\G\J\DOG\ROJl\. Der Marketing-Direktor von

Beneteau leitet auch die Entwicklung der Figaro 3

WENIGER GEWICHT, DAFÜR HEHR

PERFORMANCE"

YACHT: Weshalb setzen Sie bei der neuen Figaro erstmals auf Tragflächen? Gianguido Girotti: Ein Boot mit Foils zu entwickeln ent-sprichtderstarken Nach­frage nach einem leichten, leistungsfafiigen Konzept. Mit den Tragflächen kön­nen wir auf Wasserballast verzichten und erhalten gleichzeitig mehrauf­richtendes Moment, Also: weniger Gewicht, dafür mehr Performance.

Wird die Figaro 3 richtig „fliegen" können? Nein, bestimmt nicht. Bei viel Wind hilf tderAuftr ieb vom Foil, die benetzte Flä­che am Rumpf und so den Widerstand zu reduzieren. Wichtigeralsdas Fliegen sind unsausgewogene und sichere AIIround-Eigen­schaften sowie eine gute Leistung unter allen mög­lichen Windbedingungen.

Warum überhaupt eine neue Einheitsklasse? Die Figaristi warten schon sehnlichstauf ein neues, spannenderes Schiff, und sie werden zusammen mit

uns den Schritt vollziehen. Die aktuellen Boote der Fi-garo-2-Klasse haben schon reichlich Seemeilen auf der Uhr Es ist höchste Zeit, sie zu ersetzen

Bleibt das Interesse an der Figaro 3 weitgehend auf Frankreich begrenzt? Wir hoffen, dass sich das neue Boot noch viel mehr auf internationaler Ebene verbreitet als der Vorgän­ger, also auch außerhalb von Frankreich und nicht nur innerhalb der Figaro-Rennserie. Dafür ist das Konzept breiter ausgelegt und hat zudem auch einen Starkeren Fokus auf den Zweihand-Betrieb und für größere Crews.

Wo werden die Boote gebaut? Wir haben in der Nähe von Nantes eine neue Infra­strukturbegründet. Jetzt sind wir dort so weit, dass wir produzieren können. Wir erwarten, dass wir demnachstdie Formen für die Figaro 3 erhalten. Schon im Sommer 2017 werden dann die ersten Vorserien boote fertig sein.

Ab wann beginnt die Auslieferung an die Eigner? Wirwerden zunächst 50 Stückder Figaro 3 fertigen. Die Boote werden aber noch nicht ausgeliefert, wir lagern siezwischen. Für den Aufbau der neuen Renn Serie im Jahr 2019 ist es wichtig, dass niemand von einem zeitlichen Vor­sprung profitieren kann. Die ersten 5 0 Kauferwer­den ihre Figaro 3 also alle gleichzeitig bekommen, und zwar erst Ende 2018.

Haben Sie schon einen Preis definiert? Nein, noch nicht. Wi r sind noch in Verhandlungen mit Segelmachern und Elektro­nik-Anbietern.

Wir hören von 150 ODO Euro. Kommt das hin? Ja, der Endpreis wird davon nicht weit entfernt sein.

Werden alle Boote dieselbe Ausstattung haben? Ja, wirstreben eine strikte Einheitsklassean. Dasgilt sogar für die Instrumente, den Autopiloten sowiefür die Segel. Alles identisch!

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28 SCHWERPUNKT • FOILS YACHT b 2017

SPORTLER AUF STELZEN

Lange vor Kielyachten segelten Jollen und Kats in der

DRITTEN DIMENSION

Auch wenn die Vor- und Frühgeschichte des Foilens weit zurückreicht (s. S. 34) - der Übergang vom Expe­rimentalstadium zur Massenfertigung ist noch gar nicht lange her. Erst nach der Jahrtausendwende ka­men in der Moth- und A-Cat-Klasse Serienboote mit Tragflügeln auf den Markt. Der eigentliche Boom, der zu einer immer größeren Fülle an Konstruktionen führ­te, setzte gar erst in den vergangenen zwei, drei Jahren ein. Getrieben v̂ /urde die Entwicklung von Jollen und Katamaranen, bevor mit der Quant 23 das erste Sport­boot und mit dem Gunboat G4 der erste bewohnbare Kajut-Katamaran abhob. Das hat gute Gründe. Je grö­ßer ein Boot, desto teurerder Aero-Zuschlag, denn fürs Fliegen ist Leichtbau absolut oberstes Prinzip. Der wohl meistverkaufte Foiler derzeit heißt Waszp, eine Art Je-dermann-Mottefur rund 12 000 Euro.

WASZP GFK und Aluminium statt Kohletaser. Die Wespe aus Australien istdasgünstige

Serien-Äquivalent zur Moth

FOILING LASER Für Einsteiger und zum

Ausprobieren gibt es einen Satz Foils zum

Nachrüsten des Lasers

FLYING PHANTOM Gilt als Wegbereiter iur den

Trend. FHeute wird der Kat mit Foils bereits international in stattlichen Feldern gesegelt

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YACHT 6 2 0 1 7 29

FLUG-PIONIER Die Klasse iier INT E R N ATIO N AL M OTH /oi/f schon am

längsten - und liefert Fans dabei ein echtes Spektakel

Man hört sie kaum, und man sieht sie nur kurz. Mit einem leisen Zischen flitzen sie vorbei und hinterlassen mit ihren filigranen Stelzen lediglich eine unscheinbare Spur auf der Wasserober­fläche. Wer die filigrane Kohlefaserdolle beherrscht, kann satte 30 Knoten Top-Speed erreichen - und das miteinem gerade mal 3,30 Meter langen und lediglich 35 Kilogramm leichten Winzling. In keineranderen Klasse hat das Thema Foiling so ein­drucksvoll und nachhaltig eingeschlagen wie bei der International Moth. Inner­

halb von wenigen Jahren hatdie Einhand-Konstruk-tionsklasse die Metamor­phose vom Gleiter zum Foi­ler fast vollständig vollzo­gen. Gegen 5000 Ein­heiten sind heute weltweit registriert, vieledavon sind Foiler, unteranderem alle neuen Boote. Furdie kommende Welt­meisterschaft im Juli 2017 am Gardasee haben sich 200Starterausüber20 Nationen eingeschrieben, und alle segeln auf Booten mit Foils, Schon ab acht Knoten Wind kann ein Seg-lervon 80 Kilogramm mit einer modernen Moth ab­

heben, so lautet die Faust­regel i n der Klasse, Schwert und Ruder sind T-Foils mit waagerecht angebauten Tragflügeln. Die Proliltiefe ist bei beiden Foils einstell­bar. Das Ruderfoil wird überdie Drehung des Pin­nenauslegers getrimmt, das Hauptfoil am Schwert übereinen automatischen Widerstandsgeber, Auch wenn es leicht und schwerelos aussieht: Foilen mit einer Moth erfordert viel Gefühl und Übung, Nur werfleißig trainiert, ist „ready for takeoff" - und landet nicht nach jeder Bo gleich wieder im Nass,

Viel Auftrieb, wenig Gewicht. Die komplett aus Kohlefaser gebauten Hotten foilen schon ab acht Knoten Wind

Abheben und Abfliegen. Moth-Segeln ist wie Rodeo-Reiten: Es gewinnt, wer sich am längsten oben halten kann

des" Einrumpf-Kielboot aus Serienfertigung über-baupt und wurde voriges Jahr mit dem Titel Euro­pas Yacht des [ahrcs ausgezeichnet.

Ihre Konstruktion basiert auf einem Leichtbau-Rumpf in Scow-Form, ausgestattet mit DSS-Foils (Dynamic Stability System). Anders als „Dali"- oder „Chistera"-Flügel erzeugen die langen, gesichelten DSS-ProJile ausschließlich vertikalen Auftrieb, aber keine seitliche Führung. Damit bleiben der Festkiel oder zumindest zusätzliche Schwerter gegen die Abdrift unerlässlich. Auf dem gleichen Prinzip ba­sierend, sorgt in Frankreich gerade ein weiterer Voll-Flicger für Turbulenzen in der Szene - der auf DSS-Foils umgerüstete Versuchs-Mini 6.50 „SEAir". Er soll offenbar schon bei relativ wenig W i n d ab­heben und dabei erstaunliche Geschwindigkeiten erreichen. Bis dato gibt es davon zwar einen Video­beweis, aber noch keine verwertbaren Daten.

Sicher ist, dass es nicht die letzte aufsehenerre­gende Entwicklung in der Hochseeszene sein wird, nachdem letzten Herbst schon der iVIini „Arkema" (s. YACHT 4/17) mit Foils und Flügelrigg Furore ge­macht hat. Sicher ist freilich auch, dass Foilen, zu-mal mit komplett abgehobenem Rumpf, auf fange Sicht und für die meisten Freizeitsegler Wunsch­traum bleiben wird.

»Foils werden keinen Einfluss

auf Fahrten­yachten haben«

Hugh Welbourn, Konstrukteur und DSS-Erfinder

Die Figaro 3 von Beneteau mag eine Brücke bauen zwischen Profis und Amateuren, sie könnte ein Wegbereiter sein im Serienyachtbau. Doch zeigt sie auch die Grenzen der Physik auf. Nur i n jeder Hinsicht aufs Nötigste reduzierte Regattaboote pro­fitieren bisher wirklich von Foils - so wie Hochleis­tungs-Katamarane oder schnelle Jollen und Sport­boote.

D avon komplett unberührt bleiben da­gegen die anderen 95 Prozent des Mark­tes, insbesondere sämtliche Fahrten­boote. U n d das w i r d sich so schnell

auch nicht ändern, sagen in seltener Einstimmig­keit praktisch alle namhaften Konstrukteure und Fachexperten. Zu träge, zu schwer, zu langsam sind die Tourenboote mit ihren hohen Ballastanteilen und schweren Einbauten, als dass sie nennenswert von Foils profitieren würden. Dazu müsstcn sie schon in Kohlefaser laminiert werden, mit redu­ziertem Ausbau. Das Trendthema Nummer 1 im Yachting segelt an der am meisten verbreiteten Gat­tung von Booten also weit vorbei.

So gesehen w i r d Eric Tabarlys Prophezeiung wohl auf lange Sicht unerfüllt bleiben. Aber er hat sich ja auch auf keine Jahreszahl festgelegt.

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GRENZEN DER MACHBARKEIT

In die Weiterentwicklung der FOIL-TECHNOLOGIE werden Millionen investiert. Es geht nicht nur um Geschwindigkeit, sondern um

Flugstabilität und Zuverlässigkeit. Dennoch werden nur wenige profitieren

D er Trend zu Tragflügeln beschäftigt gerade Entwickler auf nahezu al­len Ebenen des Segelsports - im Serienbau ebenso wie in der Kö-nigsklassc, dem America's Cup. Während die einen noch über das

„Warum" diskutieren, tüfteln die anderen mit Hochdruck längst am „Wie"

Käme es, wie es schon so oft gekommen ist, könnte der i m Mai beginnende Cup das Thema Foi­ling erneut noch mehr befeuern, als es die Rennen der fliegenden AC 72 vor vier Jahren vermochten. Die neuen Boote, obschon deutlich kleiner und fi­ligraner, werden vor allem bei Leichtwind noch leistungsfähiger sein, noch wendiger, noch schnel­ler. Wahrscheinhch fliegen sie permanent über den Kurs, bleiben selbst in der Wende auf Foils. Schon

»Für ein Foil rechnen wir

mehrere hundert Variationen«

Dr. Martin Fischer, Konstrukteur

jetzt gelten die Neukonstruktionen, die dieser Tage ihr Debüt geben, als die am höchsten entwickelten Segelboote aller Zeiten.

Doch der Technologietransfer von den Cup-pern in die Serienfertigung w i r d gering sein, auch das steht bereits fest. Zu groß ihr Abstand von allem Herkömmlichen, das schwimmt - und zu speziali­siert die Lösungen, die den Umgang mit den Boli-den überhaupt ermöglichen.

Während i m Bootsbau moderne Errungen­schaften des Segelsports sonst gern, rasch und nicht selten auch sinnfrei übernommen werden - er­innert sei an Flügclkiele oder Kimmkanten -, lassen sich Foils nicht so ohne weiteres adaptieren.

Selbst Konstrukteur I lugh Welbourn, der als Er­finder des Dynamic Stability System (DSS) zu den vehementesten Fürsprechern der Tragflächentech-

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nik zählt, benennt unumwunden die Grenzen der Realisierbarkeit: „Ein Foil erzeugt mehr aufrichten­des Moment und damit deutlich höhere Lasten in Rumpf und Rigg", sagt der Brite. Um diese zu kom­pensieren, müssten aufwändige Strukturverstei­fungen ins Boot eingebaut werden. Dadurch und durch das in den Rumpf eingezogene Profil ginge unter Deck eine Menge Platz verloren. Außerdem lägen die Kosten deutlich höher als bei einem Boot ohne Foils. „Schon allein deshalb ist der Einsatz auf normalen Yachten sehr fragwürdig."

A ndraz Mihelin, Mitbegründer von Sea­scape, geht sogar noch einen Schritt weiter - er hält Foils aus Sicht eines Se­rienbootsbauers schlicht für verzicht­

bar. „Wir haben das Thema eingehend analysiert, insbesondere in jüngster Zeit, da wir Innovationen gegenüber grundsätzlich sehr aufgeschlossen sind. Aber wir haben uns bis auf Weiteres dagegen ent­schieden. Es sieht cool aus, bringt aber unter dem Strich nichts."

Das mag verwundern, weü Seascapes - anders als die meisten Großserienmodelle - zwei unver­zichtbare Voraussetzungen fürs Foilen bereits mit­bringen: Sie sind vergleichsweise leicht und dank sehr viel Segelfläche voll gleitfähig. Dadurch wür­den sie mit zunehmender Geschwindigkeit über­proportional vom bei Fahrt erzeugten Auftrieb der Tragflächen profitieren.

Alierdings haben Berechnungen von Sam Ma-nuard, dem Konstrukteur der noch jungen sloweni­schen Werft, ergeben, dass der Effekt nicht ausrei­chen würde: „Die Vorteile bei halbem und raumem Wind gehen an der Kreuz komplett verloren." Unter acht Knoten Bootsgeschwindigkeit ist der Wider­stand der Tragflächen größer als der Auftrieb. Nur Boote, die auch bei leichten Bedingungen am Wind solche Werte erreichen können, erzielen unterm Strich signifikante Vorteile. Alles andere wäre ein „One trick pony" sagt Werftchef Mihelin - ein Boot, das nur auf einem Kurs begeistert, kein Allroundcr.

Die Mehrkosten beziffert er auf 20 bis 30 Pro­zent - „mindestens!" Deshalb und weil das Verhält­nis von Widerstand zu Auftrieb bei Einrumpf\'ach-tcn wie den Seascapes einfach nicht aufgeht, kom­men Foils zumindest kurz- bis mittelfristig für ihn nicht in Frage. Er sieht sie allenfalls für Jollen und Sportkats als sinnvoll an; da rechnet er mit weiteren neuen Modellen. „Vielleicht ist mit dem Einsatz selbstjusüerender elektronischer Steuerungssyste­me für die Tragflügel auch bei Kielyachten noch mehr möglich", sagt er. Bis dahin aber wäre schon genug gewonnen, wenn „mehr Werften Boote bau­ten, die gleiten - dann wird auch das Fliegen später einfacher". —>

Krängungsmoment - Kielauftrieb - Seitenkraft vom Rigg

Seitenkraft vom Rigg

Aufrichtendes Moment - Masse {V,

Seitenkratt vom Kiel Foil-Krah Foil-Auftrieb

Masse

GEWALTIGER KRAFTAKT Bei einem Open 6 0 neuester Generation wirken viele Kräfte zusammen. Das Foil in Lee

und der ausgescfiwenkte Kiel generieren beide dynamiscfien Auftrieb {grüne Pfeile). Bei einer Gesell wind ig keit von 20 Knoten erzeugen die Rumpfanfiange zusammen bis zu

sechis Tonnen Lift - das sind rund 75 Prozent des Gesamtgewichts der Yacht

AUFTRIEB VS. WIDERSTAND

Das Prinzip ist denkbar einfach. Aber die praktische Umsetzung ist EXTREM ANSPRUCHSVOLL

Für moderne Ein rumpf­boote kommen verschiede­ne Arten von Foils in Fra­gen Schiffe mit Canting Keel, wie zum Beispiel die Imoca Open 6 0 derVen-dee Globe, benötigen ein Foil, das nicht nur Auftrieb produziert, sondern auch die seitliche Abdrift verhin­dert, weil der ausgeschwenk­te Kiel diese Aufgabe nicht ubernehmen kann. An der Spitze abgewinkelte Flügel produzieren beides, Lilt und Seitenfuhrung (I, u.).

Hatdas Boot jedoch einen fest angebauten gut profi­lierten Kiel oder ein zusätz­liches Schwert, wird die Abdrift bereits ausreichend darüberminimiert. Dann reicht ein gerades DSS-Foil (M.), Es produziert eine f~1enge Auftrieb und dazu weniger Widerstand, weil die Oberfläche insgesamt kleineristals bei L-Foils. Einen Kompromiss bieten die Tip-Down - oder Chiste­ra-Foils, wie sie jetzt bei der neuen Figaro 3 zur Anwen­

dung kommen. Die nach unten und einwärts gebo­genen Tragflächen erzeu­gen wie die L-Foils vertika­len Auftrieb und gleichzei­tig eine Kraft gegen die Abdrift. Im Fall der Figaro kann die Finne des Festkiels deshalb sehr schlank sein. Der Vorteil derChistera-Foils: Segelt das Boot bei wenig Wind aufrecht, bleibt die benetzte Flache am Foil klein und der Widerstand im Wassergeringerais bei DSS- oder L-Foils.

L-Forls (auch „Dali"-Foils genannt) erzeugen zugleich Auftrieb und Seitenkraft

DSS-Foils generieren nur Lift. Gegen seitliche Abdrift wirken Kiel oder Schwert

„Chistera"-Foils der Figaro 3 funktionieren wie „Dalis" und haben bei Leichtwind Vorteile

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32 YACHT 6 2017

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Dr. Martin Fiscfier arbeitet am anderen Ende des Tragflügel-Spektrums - u n d genau an jenen Details, die eines Tages vielleiclit den Durchbruch i m Foilen für jedermann bringen könnten.

Der Deutsche in Diensten des französischen America's-Cup-Teams Groupama gilt als einer der namhaftesten und erfalirensten Entwickler auf die­sem Gebiet. „Fliegen an sich ist nicht so schwierig" sagt er. Das Problem sei vielmehr, eine stabile und dauerhafte Flugphase zu gewährleisten. „Das ist die eigentliche Herausforderung."

Fischers Bemühen gilt der Optimierung der Tragflächen-Profile. Sie sollen so klein wie möglich sein, um den Widerstand zu minimieren, gleichzei­tig aber genug Auftrieb bieten für frühes Foilen. Der Konstniktetir nutzt dazu extrem komplexe Opti­mierungsverfahren. „Um einen möglichen Flügel zu evaluieren, rechnen wir mehrere hundert verschie­dene Varianten durch - selbst Hochleistungscom­puter brauchen dafür zwei ganze Tage."

Schließlich läuft alles auf einen Kompromiss hinaus: Je höher die Flugstabilität zum Beispiel ei­nes AOKatamarans sein soll, desto größer ist der dafür notwendige Widerstand an der Tragfläche -oder der Hegelaufwand beim Nachführen von de­ren Anstellwinkel. Dabei gilt es, den Kat permanent in mehreren Achsen zu justieren, ihn unabhängig von Windböen oder Wellen, Beschleunigung oder Verzögerung über dem Wasser zu halten.

Zum einen geht es um die „Pitch Stability'", also die ausgewogene Fluglage in Fahrtrichtung. Diese wird bei den Cuppern durch die sogenannten Ele­vatoren an den Ruderblättern reguliert. Das sind kleine Foils, die ähnlich funktionieren wie die Hö­henruder beim Flugzeug. Anspruchsvoller ist, so Fischer, die Steuerung der Flughöhe, die „Heave Stability". Nur wenn beides gelingt, hält der Kat sein Equil ibrium - und vermeidet bremsende Bauch­landungen.

D ie Katamarane beim Cup sind soge­nannte Dreipunkt-Foiler. Sie „stehen" quasi auf drei Beinen, auf der L - oder Z-förmigen Tragfläche in Lee und auf

den beiden kleineren Foils an den Ruderblättern. Der Tragflügel in Luv w i r d jeweils aufgeholt, nicht nur, weil dies hydrod^Tiamisch vorteilhaft ist, son­dern weil es die Regeln des Cups so vorschreiben. Nur während der Manöver und maximal für 15 Se­kunden dürfen beide Foils unten sein. Dieser Um­stand verlangt den Teams eine bestens koordinierte Mannschaftsleistung sovde exaktes Timing ab.

Alltags- und massentauglich ist diese Funk­tionsweise nicht. Deswegen tendieren Hersteller von Katamaranen und Trimaranen für eine breitere Käuferschicht jetzt auch eher in die Richtung von

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YACHT 6 2 0 1 7 SCHWERPUNKT . FOILS 33

Vierpunkt-Foi lcrn; bei ihnen bleiben alle vier Rumpfanbänge dauerhaft abgesenkt. Natürlich produzieren vier Tragflächen i m Wasser mehr W i ­derstand als nur deren drei, dafür w i r d die Fluglage stabiler und das Durchfoilen i m Manöver einfacher.

y erglicben mit den Mehrrumpfbooten ist die Entwicklung von Einrumpfern mit Foils um eine Komponente erschwert: der Krängung. Anders als Kats und Tris,

die schon ihrer schieren Breite wegen ausreichend Form Stabilität aufweisen, ist beim Einrumpfboot deutlich mehr aufrichtendes Moment nötig, damit das Boot nicht kentert. Gegen die seitliche Kraft wirken Kielballast, Wasserballast oder das Mann­schaftsgewicht auf der hohen Kante. Pfunde also, die i m Grunde das Allerletzte sind, was man fürs Fliegen brauchen kann.

Mit den Foüs als Hebel in Lee lässt sich das auf­richtende Moment zwar zusätzlich unterstützen, die Schwerkraft aber dennoch nicht komplett neu­tralisieren. Deswegen werden größere Einrumpf­boote wohl nicht so schnell komplett abheben kön­nen. Für Monos gilt zumindest für die nahe Zu­kunft: Foilen ja. Fliegen nein.

Anders als die Flügel von Flugzeugen in der Luft produzieren die Foils i m Wasser deutlich mehr Auf­triebskraft. Das liegt an der Dichte des Mediums. Das bedeutet aber auch, dass die Tragflügel enor­men Druck verkraften müssen. Der Auftrieb an ei­nem Hydrofoil steigt im Quadrat mit der Zunahme der Geschwindigkeit. Eine profilierte Tragfläche von einem Quadratmeter zum Beispiel erzeugt bei einer Geschwindigkeit von 20 Knoten eine Auf­triebskraft von rund fünf Tonnen.

Foils müssen also extrem robust gebaut sein, um die nötige Festigkeit zu bieten, dürfen aber zu­gleich nicht allzu schwer ausfallen. Diesen wider­sprüchlichen Anforderungen an die Konstruktion ist nur mit hochwertigen, extrem belastbaren und deshalb auch sündhaft teuren Kohiefaserverbin-dungen nachzukommen. So wundert es kaum, dass Flügel für einen Open 60 allein schon zwischen 300 000 und 400 000 Euro kosten.

Wegen ihrer schieren Größe und des daraus re­sultierenden enormen Hebels sind Foils bei Hava­rien mit Treibgut ein Problem. Auch das bewies die jüngste Neuauflage der Vendee Globe. Bei einem heftigen Zusammenstoß mit einem unbekannten Objekt im Südatlanuk wurde der Steuerbord-Flügel von Alex Thomsons „Hugo Boss" regelrecht abge­rissen. Thomson, zu dem Zeitpunkt in Führung lie­gend, war für den Rest des Rennens benachteiligt.

Bleibt zu hoffen, dass die künftige Entwicklung nicht nur auf noch mehr Leistung abzielt, sondern auch auf Sicherheit und Zuverlässigkeit.

HÄRTETEST

Bei der VENDEEGLOBE traten erstmals Foiler in einer Regatta um die Welt an. Vier lagen am Ende ganz VORN

Von den 29 Teilnehmern des Einhand-Nonstop-Ren-nens starteten sieben auf Open 60 mitlragflügeln, darunter mit Pieter Heere-ma ein chancenloser Ama­teur. Zwei Foiler schieden aus, die restlichen vier räumten ab: Platz 1 bis 4 furdie Boote der neuesten Generation, Viel deutlicher

oben, „Hugo Boss" mit längeren Profilen unten

kann ein Reifezeugnis nicht ausfallen. Auch die Zeilen der Erst­platzierten haben die Er­wartungen bestätigt: Wie-dereinmal regnete es Re­korde- sowohl furdie bis­her beste Zeit ins Ziel wie auch für mehrere Zwischen­etappen und fürdas größte Etmal. SiegerArmei Le

Cleac'h benötigte auf der „Banque Populaire VIH" nur 74 Tage und drei Stun­den, Auch Alex Thomson auf der „Hugo Boss" als Zweiter unterbot noch die Referenzzeit von Frangois Gabart von 2012 / 13 , In vierJahren, beim nächsten Mal, wird ohne Foils wohl kaum noch etwas gehen.

Die Tragflächen der „Hugo Boss" entsprechen DSS-Foils mit einem zusätzlichen Winglet ganz außen gegen seitliche Abdrift

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Trendsetter. Der Aluminium-Tri .Paul Ricard" von Eric Tabarly setzte Rekordmarken

WIE DIE BOOTE FLIEGEN LERNTEN

Der Trend zum Foilen ist noch jung, die Entwicklungsgeschichte allerdings reicht mehr als 150 Jahre zurück. Von Pionieren und ihren TOLLKÜHNEM KISTEN

D er Hype rund u m Foils und „flie­gende" Segelboote Ist gerade erst r ichtig losgebrochen. Dabei bat die Tragflügel-Technologie, die den meisten Seglern heute noch fremd, wenn nicht sogar abge­

dreht erscheint, eine erstaunlich lange Entwick­lungsgeschichte hinter sich.

Bereits 1861, also vor mehr als 150 Jahren, baut der Fmgländer Thomas Wüliarn Moy zwei fixe Trag­flügel unter eine Schaluppe, die er von einem Pfer­degespann entlang eines Kanals ziehen lässt. Über­lieferungen zufolge wird der Rumpf dabei komplett aus dem Wasser gehoben.

Dieser bahnbrechenden Erfindung folgt an­schließend eine ganze Reihe von motorisierten Ex­perimentalfahrzeugen, nicht selten m i t militäri-

1947 Die „Mayfly", ein umgebauter

A-Cat mit V-Foils, erreicht anlässlich der International Speedweek in Weymouth eine Geschwindigkeit von

19,38 Knoten.

1970 David Keipers „Williwaw"

gilt als der erste tourentaug­liche Foiler überhaupt,

Mitdem 32-Fuß-Tnmaran segelt sein Erbauer mehrals

20 0 0 0 Seemeilen durch den Sudpazifik.

schem Hintergrund. Auf dem Kontinent gilt Enrico Forlani als einer der Pioniere. Der italienische Kon­strukteur entwickelt 1906 das erste autonom fahren­de Tragflügelboot. Auf dem Lago Maggiore erreicht es, von einem Motor angelrieben, eine Höchst­geschwindigkeit von 38 Knoten. Das Gefährt inspi­riert in der Folge den US-Erfinder Alexander Gra­ham Bell zum Bau seiner „HD-4", die 1919 einen neuen Weltrekord aufstellt, der mehr als ein Jahr­zehnt Bestand haben sollte: 61,6 Knoten.

Der erste bekannte Einsatz von Hydrofoils auf Segelbooten geht auf das Jahr 1938 zurück. Die Amerikaner Robert Gilruth und BiU Carl bauen sich einen kleinen, 3,65 Meterlangen Katamaran mit einer großen V-förmigen Tragfläche an einer Kon­struktion unter Wasser. Das Boot kann bereits bei nur fünf Knoten Wind abheben und erreicht eine

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Geschwindigkeit von immerhin zwölf Knoten - da­mals eine Sensation.

Mit dem Versuchsträger „Monitor" geht Cior-don Baker noch einen Schritt weiter. An der Ent­wicklung der Konstruktion heteiligt sich sogar die US-Navy. Der Einrumpfer verfügt über seitlich an­gebaute Leiter-Foils. Später, vom herkömmÜchcn Rigg auf zwei starre Flügelsegel umgerüstet, setzt die „Monitor" mit 30.4 Knoten eine Rekordmarke für segelgetriebene Wasserfahrzeuge, die selbst heute noch achtbar erscheint.

E ine bedeutende Rolle in der Entwicklung von Foils für Segelboote nimmt der Fran­zose Eric Tabarly ein. Er baut 1976 einen Tornado-Rumpf zu einem kleinen T r i -

maran um und konstruiert Tragflächen für die Sei­tenschwimmer sowie für das Ruder. Tabarly experi­mentiert akribisch mit verschiedenen Foils, Profil­tiefen und Einstellungen und überträgt seine Er­fahrungen danach auf die Konstruktion des ersten wirklichen Hochsee-Foilers, den Trimaran „Paul Ricard". 1980 pulverisiert Tabarly damit den Trans­atlantik-Rekord des Schoners „Atlantic" aus dem Jahr 1905. Die „Paul Ricard" benötigt für die Strecke nur zehn Tage und fünf Stunden.

Einen ähnlichen Anteil an der Weiterentwick­lung wie Tabarly hat sein Landsmann Alain The-bault mit dem Tri-Foller „Hydroptere". Basierend auf dem Konzept von „Paul Ricard", wird der 2005 gebaute Trimaran mehrmals stark modifiziert und

1990 DerTrifoilervon HobieCat

mit Doppelrigg erreicht 30 Knoten Geschwindigkeit und istdamitdas schnellste in Serie gebaute Segelboot.

1994 AlainThebault unternimmt

erste Versuche mit seinem ex­perimentellen Trimaran

„Hydroptere". 2 0 0 9 schafft er einen neuen Rekord über 5 0 0 Meter: 51,36 Knoten.

1999 Australische Moth-Segier

setzten erstmals T-Foils ein. Von 2 0 0 4 an siegen bei den Weltmeisterschalten nurnoch

„fliegenden Motten".

2012 Im Oktober 2012 gelingt es

Team New Zealand erstmals, mit seinem AC72-Kat voll­

ständig abzuheben. Es istder Beginn einer neuen Ära im

Americas's Cup, Heute foilen die Boote sogar beim Wenden,

die Technologie weiter verfeinert. „Hydroptere" setzt 2009 zwei Bestmarken: 51,36 Knoten i m Schnitt über 500 Meter und 50,17 Knoten über die Seemeile. Dazu knacken die Speed-Freaks aus Frankreich erstmals überhaupt auch die schier un­glaubliche Marke von 100 Kilometern pro Stunde. Damit ist der „Hydroptere" das schnellste Segel­boot der Welt überhaupt.

Allerdings haben die Bestmarken der Franzo­sen nicht lange Bestand. Nach einem Jahrzehnt un­ermüdlicher Forschungs- und Entwicklungsarbeit gelingt dem Australier Paul Larson mit der „Sail-rocket 2" im November 2011 ein neuer Weltrekord, der bis heute ungebrochen ist. Das ausschließlich für Speed-Rekorde konstruierte asymmetrische an­gelegte Segelgerät erreicht in Namibia über die 500-Meter-Strccke eine halsbrecherische Geschwindig­keit von 65,45 Knoten; in der Spitze sind es sogar 68,01 Knoten. Unter Idealbedingungen hält Larson auch mehr als 70 Knoten für möglich.

Bedenkt man, wie früh und wie stürmisch sich das Potenzial der Rekordjäger auf Tragflügeln ent­faltete, so dauerte der Transfer der Technik in den Serienbau vergleichsweise lange. Vorreiter war die International-Moth-Klassc. Nach einigen Prototy­pen, die Ende der Neunziger in Australien entstan­den, offerierten Fastacraft und später Bladerider die ersten Motten auf Foils. Sie waren zunächst um­stritten, lösten aber schon bald nach ihrer Markt­einführung einen regelrechten Boom aus - und gel­ten als Wegbereiter des aktuellen Foil-Trends.

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36 SCHWERPUNKT . FOILS YACHT 6 2 0 1 7

TF 10TRIFOILER

Wenn es ein nautisches Pendant zu Ferrari gibt, dann kommt ihmderneueTF 10 wohl am nächsten - ein Gentleman-Racer, der elektrisiert, aber nicht überfordert. Die sehr leicfite Vollcar­

bon-Konstruktion mit Nomex-Wabenkern ist als Vierpunkt-Foiler konzipiert, beide Schwerter bleiben also stets gefiert.

Dank elektrohydraulisch verstellbarer Flügel lasst sich das Boot mit kleiner Crew segeln. Es ist trailerbar, bietet unter Deck fast Stehhohe und zwei Kojen.

Mit 30 Knoten Top-Speed ist es das wohl schnellste be-wohnba re Tragf I ügelboot.

525 0 0 0 Euro. .www. hollandcomposites.nl

Konstrukteur.. More//i Si Melvin

Lüa (Rump(länge) 10,00 m Breite/reduziert 6,80/2,50 m Gewicht 1,1 t Segelllächea.W 77,0

BEFLÜGELT Der BOOTSMARKT bietet immer mehr und immer vielfältigere Neuheiten mit Foils. Eine Auswahl aktueller Konstruktionen - vom Blau wasserkreuzer bis zum Regatta-Kat

SPEED FOILER

Made in Germany. Dieser 25-Fuß-Foiler entstehL bei Evonik in Essen in ultimativer Leichtbauweise. Der 7,62

Meter lange Kat soll als vielseitige Plattform für ver­schiedene Renn Serien dienen und konkurriert mit dem Easy To Fly (Mitte). Hinter dem Projekt steht Kat-Exper-

te Roland Gabler, • www.speedfoiler.com

AERONAMICSFLO 1

Der 4,25 Meter lange und nur 45 Kilogramm schwere Foiler aus Holland war einer der Stars auf der

Messe in Düsseldorf. Die seitlichen Foils lassen sich per Schotzug wechselseitig

aufholen und absenken. Der Preis: 12 700 Euro. • www.aeronamics.com

EASY TO FLY

Nichts für schwache Nerven Der nur 325 Kilogramm

schwere Easy To Fly aus dem Rennstall von Absolute Drea-mer in Frankreich kann lassig über 3 0 Knoten erreichen

Furdie Konstruktion zeichnet der iranzosische Foil-Experte Güillaume Verdier verant­

wortlich. Den ultimativen Kick zum Schnell segeln gibt es

ab 160 0 0 0 Euro, Das Boot wurde in der letzten YACHT

(Heft 5/17) vorgestellt, • www-ea sytofly.fr

INFINIT! 56 C

Mit ihr hält die Tragflügeltechnik Einzug ins Segment schneller Langfahrtyachten. Infiniti Yachts zeigt erste Pläne für einen „High Performance Bluewater Cruiser". Die DSS-Foils sollen hier vor allem die Krängung reduzieren und sofiir eine

stabile, aufrechtere Schwimmlage sorgen. Die Carbon-Konstruktion, gezeichnet von

Farr Yacht Design, verfiigt über einen Hubkiel und doppelte Ruderblätter.

http://www.infinitiperfarmanceyacht5.com

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Y A C H T fa 201 7 37

ZUKUNFT ODER ZEITGEISTPHÄNOHEN?

Der Einsatz von Tragflügeln im Serienbootsbau weckt bei manchen HOFFNUNG, bei anderen durchaus begründete SKEPSIS.

Wasfiir, was gegen die Technologie spricht - der Fakten-Check

PRO

M an kann das Thema drehen und wen­den, wie man möchte: Außer einem Plus an Geschwindigkeit insbesonde­re aufräumen Kursen und dem Cooi­

ness-Faktor gibt es kaum stichhaltige Argumente fürs Foilen. Zumal diese Vorteile teuer erkauft wer­den müssen: Der Bauaufwand wächst erheblich, selbst bei kleinen Jollen, der Mehrpreis ist enorm. Das allein schon bremst die Verbreitung. Auch die teils tückische Beherrschbarkeit spricht gegen eine rasche Verbreitung der Foiler.

O Sensation Kaum etwas hat mehr Wow-EHekt. Wenn ein Boot nicht mehr durchs Wasser pflügt oder gleitet, sondern wie von Geisterhand angehoben förmlich über die Wellen iiiegt, erlebt man Segeln neu - ond zählt fraglos zu den Vorreitern. O Speed Der Einsatz von Foils geht in den meisten Fäl­len mit einer markanten Leistungssteigerung einher, vor allem bei Sport-Katamaranen und lollen, die damit in bisher ungeahnte Bereich vorstoßen O Innovation Wer sich fürTechnik und Physik interes­siert, findet auf den neuen Booten reichlich geistige Be­schäftigung und bei Kiassenkollegen regen Austausch. Foiler sind meist Tüftler, immer auf der Suche nach Ver­besserungen. Ostabilität Bei Ein rümpf booten können DSS-Foils mit ihrem Auftrieb in Lee helfen, das Boot im Seegang zu stabilisieren. Allerdings gilt dies nicht für alle Konstruk­tionen.

WAS MEINEN SIE? Spannend - oder spinnerf^ Wir möchten wissen, wie Sie über den Trend zum Foilen denken. Machen Sie mit bei unsererOnline-Umfrage!

www.yacht.de, Webcode #111566

FOILS IN DER YACHT

FOILIHG MOTH (YACHT 21/06)

MIRABAULTLX FOILER (YACHT 18/09)

HYDROPTlRE (YACHT 2/10)

AMERICA'S CUP2013 (YACHT 22/13)

FOILEN-SPEZIAL (YACHT 17 /15)

QUANT 23 (YACHT 19/15)

GUNBOAT G4 (YACHT 15/16)

ARKEMA MINI 6.50 (YACHT 4/17)

EASY TO FLY (YACHT 5/17)

KONTRA

O b sich Foils i m Serien-Yachtbau je­mals werden durchsetzen können, er­scheint aus heutiger Sicht fraglich - zu stark ist das Diktat des Leichtbaus, zu

gering noch das Angebot an automatisch geregel­ten Systemen zur Steuerung der beweglichen An­hänge. Dagegen sprechen das Komfortbedürfnis vieler Eigner und die Preissensitivität i m Markt. Diese Faktoren begrenzen das Potenzial der Tech­nologie so stark, dass ihr Einsatz auf breiter Front schlicht kontraproduktiv wäre.

O Komplexität Foils produzieren gewallige Auftriebs­kräfte. Damit diese effizient umgesetzt werden können, müssen Rumpf, Deck und selbst das Rigg massiv ver­steift werden. Das erhöht den Bauaufwand ebenso wie das Gewicht. O Kosten Form und Konstruktion der Tragflachen sind enorm anspruchsvoll. Selbst wenn man ansonsten nur wenig an einem Boot anpassen wurde, läge der Preis um mindestens 20 Prozent höher. O Nutzen Foilserhöhen den Bedienaufwand. Ihr Einsatz erfordert Zeit und Erfahrung. Zudem ist ihre Wirkung meist auf bestimmte Kurse und Windfenster hin opti­miert. Hochseeyachten müssenaberunterallen Bedin­gungen ahnlich gut funktionieren. O Platzbedarl Die Tragflügel müssen ein- und ausgefah­ren werden können, um ein Anlegen im Hafen zu er­möglichen. Die Fuhrungen und Befestigungen unter Deck sind so umfangreich, dass ausgerechnet im Be­reich des Salons der nutzbare Raum massiv einge­schränkt wurde - für Tourenyachten unsinnig. O Kollisionsgefahr Das Risikofüreinen Zusammenstoß mit einem schwimmenden Gegenstand oder mit einem anderen Boot ist bei ausgefahrenen Foils großer. Selbst im eingezogenen Zustand ragen sie noch über den Rumpf hinaus. Das erschwert beim Längsseitsgehen das Festmachen, aber auch das Anbordkommen.