Scriptum Block IV

45
Funktionssysteme und biologi- sche Regulation Begleitend zu den Vorlesungen in Block IV Bertram Woitok

description

Leider weit davon entfernt fertig zu sein, ich habs einfach mal pro forma hochgeladen, möglicherweise kann irgendjemand Nutzen daraus ziehen.

Transcript of Scriptum Block IV

Page 1: Scriptum Block IV

Funktionssysteme und biologi-sche Regulation

Begleitend zu den VorlesungeninBlock IV

Bertram Woitok

Page 2: Scriptum Block IV
Page 3: Scriptum Block IV

Inhaltsverzeichnis iii

Inhaltsverzeichnis

I. Physiologie 1

1. Steuerung und Regelung 31.1. Regelkreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.2. Verdeutlichung anhand von Beispielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

2. Kardiovaskulares System 72.1. Cor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.2. Vaskulares System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

3. Vegetatives Nervensystem 133.1. Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133.2. Reizleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143.3. Pharmakologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

4. Willkurmotorik 19

5. Sinnesphysiologie 215.1. Sehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215.2. Horen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

6. Hormonelle Regulation 256.1. Hormone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256.2. Klassifizierung von Hormonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256.3. Regulation des endokrinen Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

7. Energie– und Warmehaushalt 317.1. Energiehaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317.2. Warmehaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

II. Biochemie 35

8. Verdauung 378.1. Gastrointestinale Sekrete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378.2. Absorption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

Literaturverzeichnis 41

Page 4: Scriptum Block IV
Page 5: Scriptum Block IV

Teil I.

Physiologie

Page 6: Scriptum Block IV
Page 7: Scriptum Block IV

3

1. Steuerung und Regelung

Es gibt im Organismus verschiedene Arten der Steuerung und Regelung. Neurogen uber dievegetativen Nervenbahnen fur schnelle Effekte, Hormonal fur mittel– und langfristige Wirkun-gen, lokale Signale konnen auch durch Metabolische Produkte erzeugt werden und in Muskelngeben Muskelspindeln eine Ruckmeldung an das Nervensystem.

Steuerung Hier wird nach einem Modell oder Handlungsplan vorgegangen um ein vordefinier-tes Ziel zu erreichen ohne jedoch eine Ruckmeldung zu erhalten. Es ist vergleichbar mit einerAutobahnfahrt welche mit gleichmaßigem Tempo durchgefuhrt werden soll, dennoch kommtes zu Geschwindigkeitsschwankungen da das Tachometer nicht permanent im Auge gehaltenwird.

Regelung Schaltet man bei obigem Beispiel den Tempomaten ein, so halt das Auto konstantseine Geschwindigkeit, auch an Steigungen. Die Geschwindigkeit wird also anhand einer Ruck-meldung automatisch geregelt. Es werden Festwertregelungen bei denen ein konstanter Sollwertgehalten werden soll von Folgeregelungen bei denen ein dynamischer Sollwert erreicht werdensoll unterschieden.

Ruckkoppelung Von einer negativen Ruckkoppelung spricht man wenn in Folge einer durchplotzliches Einwirken einer Storgroße bedingte Abweichung vom Sollwert ein Einpendeln aufdas Ausgangsniveau stattfindet. Bei einem sich selbst verstarkendem System spricht man voneiner positiven Ruckkoppelung. Hierbei ist oft eine Korrektur durch außere Einflusse notwendig.

1.1. Regelkreise

Regelkreise werden durch das Vorhandensein von Storgroßen erforderlich und durch anato-mische Begebenheiten wie der Muskelkraft oder der Beweglichkeit eines Gelenkes begrenzt.Erkrankungen konnen als Ausbruche aus den Regelkreislaufen verstanden werden, wobei einAusfall eines beliebigen Teils des Kreislaufs zu solch einer Fehlfunktion fuhren kann.

Als Regelgroße wird jener Systemzustand verstanden fur dessen Erreichen die Regelung notwen-dig ist, wobei die Fuhrungsgroße den Sollwert vorgibt, und eine Storgroße kann Reaktionenerforderlich machen. Das zu Regelnde System wird als Regelstrecke verstanden, der Reglerselbst als Stellgroße. Ist in einer Regelstrecke der Signaleingang proportional zur Signalausga-be, so spricht man von einer linearen Regelstrecke, wobei im Falle einer Sinusschwingung dieFrequenz gleich bleibt und sich nur Amplitude und Phase andern. Der momentane Zustandwird von einem Fuhler gemessen und jede Regelabweichung festgestellt.

Regelkreise sind nicht auf den Korper beschrankt, sondern gelten auch fur soziale Komponen-ten. Sie haben eine gewisse Reaktionszeit1 und haben eine Tendenz uberzuschwingen und sich

10,5 s bei der Adaption des Auges.

Page 8: Scriptum Block IV

4 1. Steuerung und Regelung

Regler Operation Funktion

P Produkt y ∝ x− wD Differential y ∝ d(x−w)

dtI Integral y ∝

∫(x− w)dt

Tabelle 1.1.: Drei Reglertypen und die mathematische Funktionen welche sie erzeugen.

Ubertragungselement

P ProportionalelementD Differentielles ElementI Integrales ElementTt TotzeitelementT1 Verzogerungselement 1. OrdnungT2 Verzogerungselement 2. Ordnung

Tabelle 1.2.: Typen von linearen Ubertragungselementen. In der Praxis kommen immer Kom-binationen dieser Elemente vor.

dann einzustellen. Bei Reizfolgen kommt es abhangig von deren Frequenz zu einer Dauerre-aktion oder wenn die Frequenz zu hoch ist zu einer Unempfindlichkeit und somit zu keinerReaktion.

Es gibt drei Arten von Reglern welche nach den Kurven benannt sind welche ihr eingreifen er-zeugt (→ Tabelle 1.1). Allgemein gilt, je wichtiger die physiologische Reaktion, desto komplexerder Regler.

1.1.1. Analyse und Synthese

Zur Analyse wird ein bestehendes System anhand eines charakteristischen Impulses getestetund Ruckschlusse aufgrund der gemessenen Reaktion gezogen.

Bei der Synthese wird versucht eine gegebene Regelstrecke durch Biomedizinische Technik zuersetzen.

Eingang Element Ausgang

Sprungfunktion P Sprungfunktion mit Faktor in der AmplitudeSprungfunktion D NadelfunktionSprungfunktion I stetig ansteigende FunktionSprungfunktion Tt Zeitverzogerte WeitergabeSprungfunktion T1 konvergenz gegen SollwertSprungfunktion T2 Anstieg uber Wert und dann Sinusformiges Einpendeln

Tabelle 1.3.: Physiologische Reaktionen der einzelnen Ubertragungselemente auf einen Reiz inForm einer Sprungfunktion.

Page 9: Scriptum Block IV

1.2. Verdeutlichung anhand von Beispielen 5

Pruffunktion Setzt man einen sehr kurzen, sehr starken Reiz, so spricht man von einer Nadel-funktion, stellt sich sehr schnell ein neues Niveau ein, so handelt es sich um eine Sprungfunktion.Diese enthalten ebenfalls alle Sinusfunktionen.

Ein Beispiel fur eine PT2–Funktion ist das balancieren eines Stabes auf der Handflache, wobeidas Senkrechte stehen des Stabes die Regelgroße ist. Wird dem eine Storgroße in Form einesStoßes (Nadelfunktion) zugesetzt, so muss mit der Hand eine Gegenbewegung durchgefuhrtwerden um ein herabfallen des Stabes zu verhindern.

1.1.2. PID–Regler

Durch eine Kombination verschiedener Ubertragungselemente kann eine sehr feinfuhlige Gegen-reaktion herbeigefuhrt werden, wobei zur sofortigen Reaktion uber ein Differentielles Elementeine Nadelfunktion erzeugt wird in deren Folge ein Prportionalelement das zu erreichende Ni-veau grob einstellt. Ein Integralelement sorgt fur eine Feinnivelierung.

Stabilitat kann jedoch nur innerhalb des Regelbereichs erreicht werden. Werden mehrere Be-reiche durch ein Regelsystem abgedeckt, so spricht man von einem multistabilen System.

1.1.3. Homoostase

Als Homoostase wird der Zustand eines stabilen inneren Milieus bezeichnet. Er dient der Er-haltung einigermaßen gleicher Umgebungs– und Arbeitsparameter auch bei stark wechselnderAktivitat. Homoostase ist das Ziel aller physiologischen Regelkreislaufe, und wird nahezu aus-schließlich durch negative Ruckkoppelungen erreicht.

1.2. Verdeutlichung anhand von Beispielen

1.2.1. Arterieller Mitteldruck

Pressorezeptoren im Aortenbogen messen kontinuierlich den Blutdruck und melden diesen andas im Hirnstamm lokalisierte Kreislaufzentrum. Eine Justierung des Blutdruckes erfolgt uberSchlagvolumen und Frequenz am Herzen, sowie in den Gefaßen durch den peripheren Gefaß-wiederstand sowie den venosen Ruckstrom.

Die Regelung erfolgt hormonell, so forciert renales Angiotensin eine periphere Vasokonstriktioneine mittelfristige Steigerung des arteriellen Mitteldrucks. Eine Langfristige Regulation erfolgtdurch Regelung des Flussigkeitshaushaltes, so kann bei anhaltender Steigerung des Druckesdie Diurese gesteigert werden und so das Volumen in den Gefaßen gesenkt werden.

Physiologisch wird der Blutdruck erhoht um bei Muskelbelastung eine Hyperperfusion desMuskelgewebes zu erzielen. Eine pathologische Erhohung des Gefaßwiederstandes, etwa beiArteriosklerose, fuhrt ebenfalls zu — in diesem Fall Krankhaft — erhohtem Blutdruck.

Da der Druck im Gehirn konstant bleiben muss konnen Hirngefaße ihren Durchmesser in ei-nem gewissen Rahemn Blutdruckabhangig andern. Versagt dieses System, etwa aufgrund einerUberschreitung der Regelgrenzen, besteht bei zu hohem Druck die Gefahr von Blutungen undOdemen, bei zu niedrigem Druck kann es zu Ischamien2 kommen.

2Risikofaktor fur neurodegenerative Erkrankungen wie Morbus Alzheimer.

Page 10: Scriptum Block IV

6 1. Steuerung und Regelung

1.2.2. Diabetes Mellitus

Typ I: Juveniler Diabetes Aufgrund fehlender Insulinproduktion erfolgt kein Glucoseabbaubis zum erreichen einer toxischen Dosis. Die Gabe von fremdem Insulin gilt in diesem Fall alsMittel der Wahl.

Typ II: Altersdiabetes Eine altersdegenerativ bedingte erhohte Lipidkonzentration im Blutinhibiert den Glucoseabbau auch bei Vorhandensein von Insulin, was zu einer Uberproduktionvon Insulin fuhrt. Da bei dieser Form epitheliale Kaliumkanale eine wichtige Rolle spielen kannoft durch deren Blockade ein Therapieerfolg erzielt werden. Reicht dies nicht aus muss derInsulinspiegel mittels Fremdinsulin noch weiter angehoben werden.

Page 11: Scriptum Block IV

7

2. Kardiovaskulares System

2.1. Cor

Das Herz besteht aus 2 × 1010 Zellen und ist normal etwa 300g schwer. Ist es vergroßert, sospricht man von einer Hypertrophie, wobei das Herz bis zu 500g schwer werden kann ohneProbleme zu verursachen — ein Wert der von Sportlern durchaus erreicht wird.

Die Muskelfasern sind in der inneren und der außeren Herzschicht spiralformig, in der mittlerenSchicht zirkular angeordnet. Das Herz besteht aus zwei voneinander getrennten Systemen ausVorhofen (Atria) und Kammern (Ventrikel), welche von Venen gespeist werden und in Arterienmunden. Klappen verschließen Atria und Ventrikel gegeneinander1 und schotten die Arterienab. Die Klappen werden nicht muskular gesteuert sondern reagieren rein auf Druck.

2.1.1. Herzaktion

Die vier Klappen bilden die Ventilebene welche elektrisch Isoliert, so das die Reizleitung nuruber den AV–Knoten erfolgen kann. Wahrend der Systole bewegt sich die Ventilebene nachunten und vergroßert somit die Atria, was einen Sog erzeugt und ein entscheidender Faktorbei deren Fullung ist. Entgegengesetzt verlauft die Diastole in der die Ventrikel gefullt werden.Die Ventilebene bewegt sich dazu nach oben und Vergroßert dadurch die Ventrikel. Spat inder Diastole kommt es zu einer aktiven Fullung durch Kontraktion der Vorhofe (P–Welle imEKG). Haben diese ihr maximales Volumen erreicht schließen die AV–Klappen.

Systole Die Systole ist die Austreibungsphase des Herzens. Sie ist als Zeitraum zwischender R–Zacke des EKG bis zum II. Herzton definiert und dauert konstant 300ms. In ihrerAnspannungsphase muss erst der Diastolische Arteriendruck uberwunden werden um einenRuckstrom aus der Aorta zu verhindern. Solange sind alle Klappen geschlossen. Diese Phaseist gekennzeichnet durch einen sehr schnellen Druckanstieg. Der maximale Auswurf erfolgtnachezu zeitgleich mit der Ventrikelrepolarisation (T–Welle).

1rechts: Trikuspidalklappe; links: Mitralklappe

Bereich Rechts Links

Atrium 2–8 mmHg 5–10 mmHgVentrikel 2–25 mmHg 5–125 mmHgArterie 10–25 mmHg 80–120 mmHg

Schlagvolumen 70 ml 70 ml

Tabelle 2.1.: Die Druckverhaltnisse die charakteristisch fur die einzelnen Bereiche des Herzenssind.

Page 12: Scriptum Block IV

8 2. Kardiovaskulares System

Diastole Die Diastole ist die Erschlaffungsphase des Herzens in welcher die Ventrikel erneutgefullt werden. Sie ist als Zeitraum zwischen dem II. Herzton und der R–Zacke des EKGdefiniert und dauert bei normaler Frequenz 700ms. Eine Steigerung der Herzfrequenz verkurztdie Diastole, und ab einer Herzfrequenz von 160–180 beginnt das Herzminutenvolumen zusinken, die Schlagleistung wird Insuffizient. Der Grund dafur ist die verkurzte Diastolendauer2

in der die Ventrikel nicht mehr vollstandig gefullt werden konnen.

2.1.2. Herztone und Herzgerausche

Herztone Herztone sind Physiologische Gerausche, wobei normal nur der I. und II. Herztonhorbar sind, der III. und IV. nur bei verstarktem Auslosemechanismus. Der I. Herzton ist eindunkler, sonorer Schall der sein punctum maximum uber der Herzspitze erreicht und durchden Schluss der AV–Klappen verursacht wird. Der II. Herzton klingt heller und wird durchden Schluss der Taschenklappen hervorgerufen. Der III. Herzton ist ein reines Strohmungs-gerausch das bei der passiven Ventrikelfullung auftritt, und der IV. Herzton wird von derVorhofkontraktion hervorgerufen.

Herzgerausche Herzgerausche sind pathologisch und werden durch turbulente Stromungenund dadurch verstarkte Wirbelbildungen, Klappenschaden und Shunt–Vitien (VSD) hervorge-rufen. Turbulente Stromungen kommen durch ein Ansteigen der Reynold’schen Zahl3 zustande.Klappenschaden zeigen sich entweder als Stenose (Verengung) oder als Insuffizienz. In der Sy-stole sind Stenosen der Taschenklappen und Insuffizienzen der AV–Klappen zu horen, in derDiastole genau umgekehrt.

2.1.3. Herzleistung

Es besteht eine Beziehung zwischen der kardialen Leistung und der Enddiastolischen Wand-spannung (Vorlast, Preload) welche von der Starling–Kurve beschrieben wird und aus der einoptimaler Dehnungsbereich4 hervorgeht. Wird dieser unterschritten, etwa bei Volumenmangel,so uberlappen sich die Aktinfilamente und die Kontraktionskraft sinkt, es kommt zu Durstund Volumenmangelerscheinungen bis hin zum Schock, was mit Transfusionen und Infusionenbehandelt werden kann. Bei Uberdehnung kann der Muskel ebenfalls nicht richtig arbeiten, wasbei Uberwasserung und Aortenstenose auftritt und mit Steigerung der Diurese beziehungsweiseBehebung der Stenose therapiert wird5.

Die Herzkraft ist abhangig von der Calciumkonzentration welche in Ruhe im Zytosol 10−7 moll

betragt und bei der Depolarisation auf 10−5 moll steigt. Da die Extrazellulare Calciumkon-

zentration 10−3 moll betragt besteht immer ein elektrochemische Calciumgradient der in die

Muskelzellen gerichtet ist.

Bei der Depolarisation der Plasmamembran kommt es auch zur Offnung der DHP–Kanale wel-che uber Ryanadinrezeptoren eine Calciumfreisetzung aus dem Sarkoplasmatischen Retikulumauslosen, man spricht von einer Calciuminduzierten Calciumfreisetzung. Sind diese Kanaleblockiert oder Zerstort kommt es zu einer elektromechanischen Entkoppelung mit pulsloser

2Bei einer Frequenz von 150 nurmehr 160ms = 23% der physiologischen Dauer.3Re = v×D×ρ

η; Strohmungsgeschwindigkeit v, Gefaßdurchmesser D, spezifisches Gewicht ρ, dynamische Blut-

viskositat η4Sarkomerlange: 2,2 µm5Historisch: Aderlass

Page 13: Scriptum Block IV

2.1. Cor 9

elektrischer Aktivitat (PEA) im EKG, welches normofrequent und unauffallig ist6. Calciumbindet an Troponin C und hemmt den Troponin–Inhibitor7.

Die Enddiastolische Wandspannung bestimmt die Sauerstoffversorgung des Herzens, wahrenddie Systolische Wandspannung (Nachlast) den Sauerstoffverbrauch regelt. Der Sauerstoffver-brauch des pro 100g Herz pro Minute betragt 8ml in Ruhe und ist bei Belastung bis zu 80mlSteigerbar. Er wird von Nachlast, Herzfrequenz und Inotropie bestimmt. Die Sauerstoffex-traktion aus den Koronararterien liegt konstant bei 70%, und ein erhohter Sauerstoffbedarferfordert daher eine erhohte Perfusion, welche bis zu 10× steigerbar ist (Koronare Reserve).Die Perfusion des linken Ventrikels ist fast nur in der Diastole moglich, da in der Systole imVentrikel der gleiche Druck herrscht wie in den Koronararterien. Daher ist die Perfusion deslinken Ventrikels besser, je großer der Unterscied von Systolischem und Diastolischem Druck ist(Koronararterielles Fenster). Allerdings begunstigt prinzipiell ein hoherer Diastolischer Druckund eine langere Diastole ebenfalls die Koronare Perfusion, daher ist das Therapieziel bei Ko-ronarer Minderperfusion auch die Senkung der Nachlast und Verlangerung der Diastole durchGabe von Diuretika8 und Nitraten (NO). Ist die Spannung der Herzwand wahrend der Diastolehoch, so werden die weiter innen liegenden Gefaße abgedruckt und es kommt zur Ischamie indiesen Bereichen und Angina Pectoris Beschwerden mit ST–Senkungen in v2–v5 im EKG.

Die Koronare Perfusion liegt in Ruhe pro 100g Herz pro Minute bei 80ml, und ist bis zu800ml steigerbar, abhangig von Wandspannung, Frequenz, Druckunterschied zwischen Aortaund rechtem Atrium sowie dem Koronaren Wiederstand9. Sie ist nicht vegetativ gesteuertund wird durch den sehr potenten Vasodilatator Adenosin10 sowie NO, H+, K+, CO2, PG12,Bradykinin oder schlichten Sauerstoffmangel im Herzen gesteigert.

Sympatikus In der Anspannungsphase nimmt der Druck in den Ventrikeln mit 1, 5×103mmHgsec

zu (Inotropie), was durch Sympatikuseinfluss auf bis zu 1, 5 × 104mmHgsec gesteigert werden

kann, wodurch auch die Durchflussgeschwindigkeit steigt. Unter Sympatikuseinfluss steigertsich ebenfalls die Flussrate des Calciums in beide Richtungen. Dazu werden die Gap–junctionsdurch Proteinkinase G geoffnet, was zu einer Offnung der Calciumkanale fuhrt und dadurchmehr Calcium an Troponin C binden lasst um die Herzkraft zu steigern. Ebenfalls gesteigertwird der Rucktransport des Calciums in das Sarkoplasmatische Retikulum.

Energiegewinnung Die Energie des Herzens kommt Hauptsachlich aus der Verstoffwechselungfreier Fettsauren (50%), Glucose (30%) und Lactat (20%), welche aerob uber Citratzyklus undAtmungskette abgebaut werden. Bei Sauerstoffminderversorgung geht das Herz zum anaerobenLactatbildenden Stoffwechsel uber und der Anteil des Lactats am Energiehaushalt steigt auf65%.

6Abzugrenzen von der Herzbeuteltamponade, welche ebenfalls eine PEA erzeugt bei der das Herz jedoch einenKompensationsversuch unternimmt in Folge dessen die Frequenz in Bereiche von uber 180 steigt, erst wenndiese nicht mehr aufrecht erhalten werden kann sinkt sie bis zur Asystolie.

7Troponin–T ist ein struktureller Bestandteil von Troponin und hat einige Bedeutung bei der Infarktdiagnostik.8Historisch: Aderlass9Bei Koronarer Stenose dramatisches Absinken der Perfusion der betroffenen Areale.

10Dephosphoryliertes AMP

Page 14: Scriptum Block IV

10 2. Kardiovaskulares System

2.2. Vaskulares System

Arterien sind dickwandiger, muskoloser und dehnbarerer als Venen, wobei die Aorta den hochs-ten Anteil elastischer Fasern enthalt und die Arteriolen den hochsten muskularen Anteil. DieVenen, welche kein Elastin enthalten, konnen ebenfalls kontrahieren um den Ruckstrohm zuerhohen.

Windkessel–Effekt Um bei rhythmischer Pumpbewegung einen konstanten Blutstrom zu er-halten wird in der Systole Volumen in der Aorta zunachst zuruckgehalten indem diese sichausdehnt. Das angesammelte Volumen wird wahrend der Diastole gleichmaßig an das Systemweitergegeben, so ensteht ein konstanter Strom, was die Beschleunigungsarbeit die das Herzverrichten muss senkt. Im Alter kommt es haufig zu einem pathologischen Verlust der Elastizi-tat und damit zu hoher Beschleunigungsarbeit und hohen Druckamplituden da in diesem Fallkleine Volumensteigerungen ausreichen um den Druck im System drastisch zu erhohen.Im Kreislauf ist die arterielle Blutdruckamplitude abhangig von Schlagvolumen, peripheremWiderstand und der Gefaßelastizitat. Die Widerstande lassen sich dort analog elektrischerWiderstande in Reihe berechnen.

RGesamt = R1 +R2 + ...+Rn

Da die Organe mit Ausnahme des Hepatischen Kreislaufs alle gleichzeitig versorgt werdengelten fur diese die Regeln der parallelen Widerstande.

RGesamt =1

R1+

1

R 2+ ...+

1

Rn

Den hochsten Widerstand bieten aufgrund der starksten Muskulatur die Arteriolen, den großtenGesamtquerschnitt und die niedrigste Stromungsgeschwindigkeit findet man in den Kapillaren.

Blutviskositat Mit steigender Stromungsgeschwindigkeit sinkt die Blutviskositat (Hamato-krit). Dieser zunachst paradox wirkende Umstand hat seine Erklarung in der Summe verschie-dener Einzelphanomene. Zunachst verteilt sich die Stromung Parabelformig im Gefaß, da dieErythrozyten am Rand des Gefaßes Reibung erzeugen und dort langsamer fliesen. Des weiterenrotieren Erythrozyten in der Stromung und passen ihre Form an um optimale Flusseigenschaf-ten zu erzielen. Aufgrund dieser Anpassungen entsteht ein Stromungsmechanischer Sog zurMitte des Gefaßes. Daher sind die Flusseigenschaften des Blutes geschwindigkeitsabhangig undbei hohen Geschwindigkeiten besser.

Muskeltonus der Arteriolen Uber den Muskeltonus der Arteriolen kann neben der kapillarenPerfusion auch der Blutdruck reguliert werden, wobei das Gefaß auf ein großes Volumen miteiner Konstriktion reagiert (Bayliss–Effekt). Diese erfolgt langsam um den Sauerstoff und ATP–Verbrauch gering zu halten.Das Myosin der glatten Muskelzellen wird durch die MLC–Kinase phosphoryliert, wobei sichim glatten Muskel kein Troponin nachweisen lasst. Die Deaktivierung der MLCK erfolgt durchden cAMP bzw. cGMP aktivierte MLCK Inhibitor.Hoher Scherstress am Endothel induziert eine Abgabe des Vasodilators NO dessen secondMessenger das cGMP ist. Neben Adrenalin und Noradrenalin fuhren auch ADH und andereSignalmolekule zur Vasokonstriktion.

Page 15: Scriptum Block IV

2.2. Vaskulares System 11

Rezeptor Wirkung Ausloser

α1 Vasokonstriktion Adrenalinα2 Vasokonstriktion Noradrenalin (Feedback Hemmung)β2 Vasodilation cAMP aktivierte PKA

Tabelle 2.2.: Ubersicht uber die am Herz Wirksamen Rezeptoren und ihre Ausloser.

2.2.1. Druckregulation

Organe Der Druck in Organen betragt in der Regel 35mmHg, wobei ein HydrostatischerDruck zur Abgabe von Flussigkeit fuhrt, und ein hoher Kolloidosmotischer Druck zur Resorp-tion, wobei hier nur ein kolloidosmotischer Gradient zu uberwinden ist da das Endothel furIonen frei permeabel ist.

Gewebe Im Gewebe ist der Normdruck bei 25mmHg. Auf der arteriellen Seite der Kapillarewird also Flussigkeit in das Gewebe Filtriert bis der Druck ausgeglichen ist, auf der venosenSeite wird Flussigkeit resorbiert bis 20mmHg erreicht sind. Die sich daraus ergebende Differenzsammelt sich in den Lymphgefaßen.

Ungleichgewichte Bei venosem Ruckstau, ausgelost durch Herzinsuffizienz, kommt es zuFlussigkeitsansammlungen (Odemen) im Gewebe, was sich je nach betroffener Herzseite ineinem Lungenodem oder in geschwollenen Beinen zeigt. Ebenfalls zu Odemen kommt es beieinem Absinken des Kolloidosmotischen Druckes bei Nahrstoffmangel (Hungerodem) oder Le-berinsuffizienz.

Zu einer erhohten Reabsorption kommt es bei einem Anstieg des kolloidosmotischen Druckesin den Gefaßen, etwa durch Dehydrierung, und durch Arteriolenkosntriktion im Falle einesSchockes.

Organschwellungen bei arterieller Hypertonie werden durch den Bayliss–Effekt verhindert.

Arterieller Blutdruck Das Renin–Angiotensin–Aldosteron–System (RAA) dient der Blutdruck-einstellung bei niedrigem arteriellen Mitteldruck. Zunachst wird in der Leber Angiotensinogenfreigesetzt, welches durch Renin in Angiotensin I umgewandelt wird, welches wiederum vomangiotensin commuting Enzyme (ACE) in Angiotensin II umgewandelt wird und eine Vaso-konstriktion auslost. Weiterhin stimuliert Angiotensin II die Sekretion von antiduretischemHormon (ADH) in der Hypophyse welches zusammen mit Aldosteron die Menge der in derNiere abfiltrierten Flussigkeit reduziert11.

Der Arterielle Blutdruck ist altersabhangig, da Kinder aufgrund einer niedrigeren Korpergroßeeinen geringeren hydrostatischen Druck uberwinden mussen und in hoherem Alter pathologi-sche Veranderungen wie Arteriosklerose auftreten.

Verhalten bei Belastung Bei korperlicher Belastung reagieren die Gefaße mit einer Dilationim Bereich der Skelettmuskulatur, wodurch der zentrale Blutdruck sinkt. Dies hat einen An-stieg von Herzfrequenz, Schlagvolumen und damit Herzminutenvolumen sowie eine Engstellungzentraler Arterien und Venen zur Folge.

11Eine verstarkte Diurese kann demnach durch einen ADH–Hemmer ausgelost werden.

Page 16: Scriptum Block IV

12 2. Kardiovaskulares System

Schock Ein Absinken des Arteriellen Blutdrucks wird an den Pressorezeptoren registriert undes werden durch den Sympatikus Gegenmaßnahmen eingeleitet. Diese sind periphere Vasokon-striktion, welche zu Blasse fuhrt, Steigerung des Herzminutenvolumens, sowie Engstellung vonArteriolen und Venen. Der Kapillardruck sinkt ab, wodurch mehr Flussigkeit im System bleibt,es kann sogar zu verstarkter Resorption und damit zur Volumensteigerung kommen. Es greiftaußerdem das RAA–System.

Venoses System Das Venose System ist ein exzellenter Blutspeicher in dem normalerweiseein Druck von 15−20mmHg herrscht. Der Ventilebenenmechanismus des Herzens erzeugt einenUnterdruck welcher den Blutstrom vorantreibt, unterstutzt wird er von Venenklappen die einenRuckfluss verhindern und der Muskelpumpe. Dabei wird bei Bewegung von außen Druck aufdie Venen ausgeubt was bei intakten Venenklappen den Blutstrom erheblich antreibt. Hinzukommt der Abdomino–Thorakale–Pumpmechanismus welcher durch das inspirative Anhebendes Thorax durch einen Unterdruck den venosen Ruckstrom zum Herzen erhoht.Der Druck in den Herznahen Venen wird als Zentraler Venendruck (ZVD) bezeichnet undbetragt 2−8mmHg. Er reflektiert das Zirkulierende Blutvolumen und steigt bei Uberwasserungund Herzinsuffizienz.

Page 17: Scriptum Block IV

13

3. Vegetatives Nervensystem

Pharmakologisch verwendet man Agonisten und Antagonisten zur Stimulation oder Bremsungdes Nervensystems. Da nahezu alle Medikamente unerwunschte Nebenwirkungen haben mussendiese bekannt sein und sind im Kontext des Patienten zu sehen und abzuwagen, beispielsweisesollte einem Kraftfahrer kein mudemachendes Medikament gegeben werden.

3.1. Organisation

Das Nervensystem ist in zwei Bereiche gegliedert, das somatische Nervensystem, in welchemSchnelligkeit der Leitfaktor ist, und das daher direkt innerviert ist. Es ist im Vorderhorn desRuckenmarks lokalisiert. Im Gegenzug dazu steht das vegetative oder autonome Nervensys-tem das eine genaue Feinabstimmung verschiedener Faktoren erzielen muss da es die Funktionder inneren Organe reguliert und sich in die Gegenspieler Sympaticus und Parasympaticusaufteilt. Da es hier wichtig ist moglichst fein regulieren zu konnen und die Geschwindigkeiteine untergeordnete Rolle spielt sind zwei Neurone in Serie geschaltet und uber ein autono-mes Ganglion, welches der Feinregulation dient, verbunden. Die pregangliolare Synapse istionotrop1, die postgangliolare metabotrop geschaltet. Die nicotinischen Rezeptoren an diesenGanglien unterscheiden sich nur schwach von denen der Skelettmuskulatur. Da sie auch imGehirn vorkommen ist Acetylcholin (ACh) fur die Konzentration wichtig.

Das vegetative System ennerviert glatte Muskulatur, Herz, Exokrine und viele Endokrine Dru-sen (was zu einem trockenen Mund bei Sympatikusaktivitat fuhrt2.

Im Parasympaticus kommen außerdem noch muscarinische Rezeptoren vor, welche ein G–Protein aktivieren das je nach Typus uber Ziel und Dauer des Effekts entscheidet. Die Emp-findlichkeit und Reaktion einer Zelle auf ein solches Signal ist also genetisch programmiert.Interneurone in den Ganglien haben ebenfalls eine Steuerungsfunktion, wobei das Signal wel-ches die Zelle erreicht immer eine Summe der einzelfaktoren ist. Pharmakologisch ist es dahersehr schwierig eine auf diesem Wege eine gezielte Wirkung zu erzielen, aber viele Toxine intera-gieren mit diesem System und konnen so verheerende Wirkungen haben. So blockiert Nikotin inhohen Dosen, oder ein Nikotinahnlicher Stoff welche in den Fruchten des Goldregens enthaltenist, die nikotinischen Rezeptoren und damit das vegetative Nervensystem als ganzes.

Weiterhin gibt es das Darmnervensystem und viszerale Afferenzen welche standig ruckmeldunguber den Status der vegetativen Funktionen liefern.

Parasympatikus Der Parasympatikus dient der Regeneration und Bereitstellung von Ener-giereserven. Er ist in Hirnstamm und Kreuzmark lokalisiert, als pre– und postgangliolarerNeurotransmitter dient ACh.

1Offnet einen kleinen Kationenkanal und fuhrt somit zur Depolarisation der Zielzelle.2Archaisch: Gegner spuckten vor einem Kampf aus, mitunter auch einander an, um zu beweisen das sie keine

Furcht haben.

Page 18: Scriptum Block IV

14 3. Vegetatives Nervensystem

Sympatikus Er dient der Mobilisierung von Energie, und stimuliert Korperfunktionen welchefur die adaquate Reaktion auf Notfallsituationen notig sind, ohne dabei jedoch eine Organ-schadigung zu riskieren. Dabei werden vorhandene Energiereserven in Form von Glucagon undFettsauren abgebaut. Es kommt außerdem zu einer subtilen Umverteilung des Blutstroms zuden Muskeln hin. Bei einer uberaktivierung kommt es durch einen generellen Stimulus imGehirn zu einem Konzentrationsverlust. Er ist in Brust– und Lendenmark lokalisiert, als pre-gangliolarer Neurotransmitter dient ACh, postgangliolar werden Adrenalin und Noradrenalineingesetzt.

Viszerale Afferenzen Sie machen etwa 80% des N. Vagus aus, und bestehen aus Mecha-nosensoren zur Druckregistrierung, Chemosensoren, Osmosensoren zur pH–Bestimmung undNociceptoren zur Schmerzwahrnehmung.

Darmnervensystem Das Darmnervensystem besteht aus genauso viele Nerven wie das Rucken-mark und dient der Koordination der Darmmotorik, Sekretion, Resorption und Durchblutung.Viele sensorische Neurone geben Ruckmeldung uber die Darmbewegungen und die Zusammen-setzung des Darminhaltes.

Die Koordination der Darmmuskulatur ist von besonderer Bedeutung, da Ring– und Langs-muskulatur so koordiniert werden mussen das kein Ruckfluss entsteht wenn der Darminhaltdurchgemischt wird, gleichzeitig darf der Inhalt auch nicht zu schnell nach vorne gepresst wer-den. Die Langsmuskulatur verschließt also einen Abschnitt in beide Richtungen, so dass dieQuermuskulatur grundlcih durchmischen kann.

3.2. Reizleitung

Cholinabhangige Neurone setzen Acetylcholin (ACh) frei, welches im Sympatikus pragangliolar,und im Parasympaticus generell als Neurotransmitter eingesetzt wird.

Pharmakologisch kann zwischen ionotropen und verschiedenen metabotropen Rezeptoren un-terschieden werden.

Bei einer Hyperpolarisation kommt es zu einer Hemmung der Adenylatcyklase und damit zurDesensibilisierung. Daher hat ACh am Herzen eine dampfende Wirkung.

Im Sympatikus werden meist G–Protein gekoppelte adrenergene Rezeptoren durch Noradrena-lin aktiviert, wobei verschiedene Ubertragungswege moglich sind. Die Sympatisch aktiviertenSchweißdrusen werden allerdings uber ACh aktiviert, daher kann auch eine Stimulation desParasympaticus zu Schweißausbruchen fuhren.

Dopamin Dopamin dient meist als Vorstufe fur Noradrenalin, hat aber auch selbst Transmit-terwirkung in Niere3 und Mesenterium. Es wird in der substantia nigra und anderen Hirnstam-marealen sowie einigen Interneuronen der Ganglien gebildet und gibt eher langsame Signale.Es gibt funf verschiedene D–Rezeptoren, welche sowohl stimulieren als auch hemmen konnen.Dopamin lost ein positives psychisches Befinden aus und findet sich daher in Psychopharmakaund Drogen wie Kokain wieder.

3Bei Nierenversagen kann eine spinale Dopamingabe hilfreich sein.

Page 19: Scriptum Block IV

3.3. Pharmakologie 15

Adrenalin und Noradrenalin Die Weiterentwicklung des Adrenalins ist das Noradrenalin, wel-ches in der Wirkung nicht unahnlich ist, aber differente Affinitat zu verschiedenen Rezeptorenhat4. Adrenalin und Noradrenalin kommen im Korper im Verhaltnis 4 : 1 vor. Die Bildung vonAdrenalin erfolgt in den Nebennieren.

Der β2–Rezeptor regelt Vaso– und Bronchiodilatation und federt zu starke Konstriktionen ab,indem die MLCK durch cAMP inhibiert wird. Daher ist ein β2–Agonist das Mittel der Wahlbei Behandlung von Asthmaanfallen.

Psychopharmaka blockieren den α1–Rezeptor, was zu einem massivem Blutdruckabfall fuhrt.Bei der Behandlung ware eine Gabe von Adrenalin kontraindiziert da es das Medikamentnicht von den α1–Rezeptoren verdrangen kann, aber gleichzeitig an β2–Rezeptoren bindet wasden Blutdruck weiter abfallen lasst. In diesem Fall der Adrenalinumkehr ist eine Gabe vonNoradrenalin indiziert da dieses aufgrund hoherer Affinitat zum α1–Rezeptor diesen besetzenkann und nicht am β2–Rezeptor bindet.

Beispiel des Zusammenspiels anhand des Pupilenreflexes Da die optischen Nerven gekreuztsind gelten Informationen immer fur beide Augen, wobei der N. Oculomotoricus parasympa-tisch und der N. Ophtalmicu Sympatisch ist (Pupillenstellung, Schreckgeweitete Augen). Licht-einfall wird vom N. Opticus an den N. Oculomotoricus gemeldet, welcher dann eine Engstellungauslost. Daher handelt es sich hierbei um eine Storung der Afferenz.

Bei Storung des N. Opticus wird bei Beleuchtung des defekten Auges nur eine Schwache Re-aktion an beiden Augen erzielt, bei Beleuchtung des gesunden Auges reagieren beide normal.

Bei Storung des N. Oculomotoricus reagiert das defekte Auge gering und das gesunde normal,unabhangig davon welches beleuchtet wird, es handelt sich also um eine efferente Storung.

3.3. Pharmakologie

Allgemein muss in der Pharmakologie bei der Wahl eines Medikaments immer zwischen seinenerwunschten und unerwunschten Wirkungen abgewogen werden.

3.3.1. Parasympathomimetika

Herz–Kreislauf–System Sie erhohen den Vagotonus (Bradykardie), Verzogern die AV–Uberleitungund Dliatieren die Gefaße durch NO–Freisetzung. Dies geschieht als Effektkomplex.

Der Gefaßtonus wird eigentlich durch den Sympatikus geregelt, allerdings finden sich in Gefaß-wanden M3–Rezeptoren, obwohl ACh durch die im Blut befindliche Acetylcholinesterase dortgespaltet wird. Auch bei direkter Applikation von ACh kann dieses nur kurz wirken. Pharmako-logisch kann man dies aber durch Entwicklung spezieller Molekule die zwar an M3–Rezeptoren,nicht aber an Acetylcholinesterase binden konnen. Bei Aktivierung setzen die M3–RezeptorenNO frei, welches uber cGMP ein G–Protein aktiviert das zur Vasodilatation fuhrt. Ein solchesMedikament lasst sich gut gegen Angina Pectoris (→ Kapitel 2.1.3) einsetzen.

Es kommt zur Kontraktion von glatter Muskulatur und zur Anregung der Drusenfunkti-on. Des weitern kommt es zu einer Bronchiokonstriktion, weshalb diese Medikamente beiAsthmapatienten einen Status Asthmaticus auslosen konnen. Gerade deswegen konnen aber

4Adrenalin hat zu β2–Rezeptoren eine 50× hohere Affinitat als Noradrenalin.

Page 20: Scriptum Block IV

16 3. Vegetatives Nervensystem

Muscalinrezeptor–Antagonisten als Mittel gegen Asthma Bronchiale eingesetzt werden. Eineweitere Anwendungsmoglichkeit ist die Therapie von Inkontinenz5.Ein solches Medikament ist der Acetylcholinesterase–Hemmer Neostigmin. Acetylcholinesterasespaltet ein Molekul ACh in weniger als einer Millisekunde, benotigt fur ein Molekul Neostigminjedoch 30 Minuten.

Therapieindikationen Glaukom: Das Kammerwasser fliest uber die Pupille in den Augenin-nenraum ein.Pilocarpin: Es wird aus einem Strauch der in den Anden wachst gewonnen und wurde schonvon den dortigen Indios als Schweistreibendes Mittel verwendet.

Alkylphosphate Ihre Kapazitat zur Hemmung von Acetylcholinesterase und damit zur Uber-stimulation des Parasympatikus macht diese Molekule zu potenten Nervengiften welche oftals Kampfstoff6 eingesetzt werden. Fruher war auch die Verwendung als Pflanzenschutzmittelgebrauchlich (E605). Bei dieser Vergiftung ist auch eine Weitstellung der Pupillen moglich daauch der Sympatikus stimuliert wird. Es kommt auch zu Sensibilitatsstorungen und

”Kribbeln“

der Haut, außerdem zu einer zentralen Atemlahmung an der Medulla Oblongata.Atropin kann zwar einige dieser Wirkungen beseitigen, hebt aber weder die Wirkung an neuro-muskularen Endplatten, noch in den Ganglien auf, daher ist eine endotracheale Intubation undkontrollierte Beatmung obligat. Da Alkylphosphate in hohem Maße Fettloslich sind und daherHaut und Blut–Hirn–Schranke leicht passieren konnen ist in besonderem Maße auf Eigenschutzzu achten.Das Medikament Oxime kann als Zwitterion durch einen nukleophilen Angriff auf Phosphat-gruppen diese herausreisen und so dephosphorylieren und in letzter konsequenz Muskeln wiedergangbar machen. Allerdings kann es die Blut–Hirn–Schranke nicht passieren.

3.3.2. Parasympatolytika

Zu dieser Gruppe zahlen Medikamente welche die Wirkung des Parasympatikus negieren, ub-lichwerweise handelt es sich dabei um Muscarinantagonisten.Es kommt zu Stimulation der Herzaktivitat, Mydriasis (Weitstellung der Pupillen) und Ein-schrankung von glatter Muskulatur sowie Drusenfunktion.Eingesetzt werden Mascarinantagonisten bei ACh–induziertem AV–Block und als Antidepres-siva, wobei sie bei aufgrund ihrer Harnverhaltenden Wirkung bei Mannern mit Prostatapro-blemen kontraindiziert sind.

Atropa Belladonna Die Tollkirsche (eng.: deadly nightshade) gehort zur Gattung der Nacht-schattengewachse, und fuhrt bei Intoxikation neben der parasympatischen Hemmung zu Ver-wirrtheit und erotisch aufgeladenen Halluzinationen, findet aber in der Drogenszene kaumVerwendung da die todliche Dosis sehr leicht erreicht werden kann. Bei einem Erwachsenenbetragt die todliche Dosis etwa 50 Beeren, bei Kindern genugen bereits zwei bis drei Beeren.Der Name leitet sich einerseits aus der Griechischen Mythologie ab, wo die Gottin Atropa alsdie unabwendbare welche den Lebensfaden durchschneidet verehrt wird. Andererseits wurde

5Ein geringer Muskeltonus der Blase und ein hoher Muskeltonus des Sphincter sind wichtig fur die Kontinenz-phase und eine Funktion des Sympatikus, bei Miktion kehren sich die Muskelspannungen um. Die Steuerungerfolgt im Hirnstamm.

6Giftgasanschlag in der U–Bahn von Tokio 1995.

Page 21: Scriptum Block IV

3.3. Pharmakologie 17

Wirkungskomplex Leiden Medikament

G.I.–Trakt, Harnwege Koliken ButylscopolaminAtemwege, Herz Asthma bronchiale Ipratropium

Bradykardie, AV–Block AtropinAuge, ZNS Mydriatikum Tropicamid, Atropin

Morbus Parkinson BenzatropinReisekrankheit Scopolamin

Antidot–Therapie Alkylphosphatvergiftung Atropin

Tabelle 3.1.: Einige klinische Anwendungen von Muscarinrezeptor–Antagonisten.

in der Renaissance ein Tollkirschextrakt verwendet um bei Frauen eine Mydriasis zu erreichenwelche einen erotischen Blick erzeugt, daher der Name Belladonna. Dies wird auch heute nochvon Photographen praktiziert.

Dem Atropin verwandt ist das Bilsenkraut, welches fruher statt Hopfen dem Bier zugesetztwurde, und sich immer noch in der Bezeichnung

”Pils“ wiederfindet.

Datura Innoxia Historisch wurden Stechapfelraucherungen in Indien gegen Astma Bronchialeeingesetzt, was von den Englandern in Form von Zigarren gegen Asthma exportiert wurde.

Es kommt immer wieder zu Vergiftungen durch selbst gesammelte Tees die diese Pflanzenunbeabsichtigt enthalten.

Klinik Butylscopolamine sind schlecht im Darm resorbierbar, und sollten daher immer intra-venos appliziert werden. Ein verbreitetes Medikament ist Buscopan R©.

Mit M1–Rezeptor Hemmernkann die Sekretion von Magensaure schon in den autonomen Gan-glien unterbunden werden, nur dort sind diese Rezeptoren lokalisiert. Weitere Moglichkeitensind die Hemmung der H+/K+–ATPase sowie Histaminhemmer.

Bei einem Hinterwandinfarkt kommt es meist zur Bradykardie da eine niedrige Herzfrequenzden Sauerstoffbedarf senkt und so das betroffene Areal begrenzt. Eine Therapie erfolgt durchvorsichtige Atropingabe, wobei unbedingt eine Tachykardie vermieden werden muss um dasInfarktaareal nicht zusatzlich zu belasten. Ebenfalls ein AV–Block Grad II wird durch applika-tion von Atropin thearpiert. Obwohl M3–Rezeptoren in den Gefaßwanden vorhanden sind istbei Atropingabe kein Blutdruckabfall zu erwarten.

Im Auge wirkt Atropin sehr lange, bis zu einer Woche. Daher verliert es seine Bedeutung inder Augenmedizin.

Mit Benzatropinen lassen sich Tremores wie sie etwa bei Morbus PARKINSON auftreten be-handeln.

Patienten mit der vielseitig bekannten Reisekrankheit kann durch Histaminantagonisten Er-leichterung verschafft werden.

Atropinvergiftung Hierbei kommt es zu einer sehr fruhen Einsetzung der Drusenhemmung,weshalb ein trockener Mund bei nahezu allen Patienten auftritt. Bei Kindern kommt es haufigzu geroteter und heißer Haut, weshalb man von einem Atropinflush spricht. Es kommt zu einemtoxischen Fieber mit verminderter Schweißproduktion.

Page 22: Scriptum Block IV

18 3. Vegetatives Nervensystem

Bei der Therapie gilt das das einfachste Mittel meist das beste ist, gegen die Hyperthermie wirdalso ein Eisbeutel appliziert. Als ACh–Hemmer wird Physiostigmin verwendet da dieses auchZentral wirkt, wobei auf eine vorsichtige, fraktionierte Gabe zu achten ist um Uberreaktionenzu vermeiden.

Page 23: Scriptum Block IV

19

4. Willkurmotorik

Solche Aktionen setzen eine Motivation, welche im kortikalen und subkortikalen Motivationsa-realen un d im Limbischen System entsteht, voraus. Weiterhin muss eine Handlungsstrategieund ein Bewegungsprogramm entwickelt werden, sowie eine Selektion des Neuronensystemsstattfinden damit es zu einer Bewegung kommen kann. Die motorischen Einheiten geben danneine Ruckmeldung uber die stattgefundene Muskelkontraktion. Die Koordination der Kraft,die Feinmotorik1, wird uber die Pyramidenbahnen gesteuert welche sich allerdings erst spatentwickeln.

1Oft uber die Fahigkeit zum”Pinzettengriff“ definiert.

Page 24: Scriptum Block IV
Page 25: Scriptum Block IV

21

5. Sinnesphysiologie

Lateralinhibition Es kommt zu einem Reizeinfall mit unterschiedlicher Intensitat. Die Rezep-toren greifen diesen Reiz auf, und hemmen die umliegenden Rezeptoren mit 1

4 der Reizintensitat(→ Abbildung 5.1).

Summationseffekte Kommt es zu einer Folge von Reizen welche die Auflosung unterschreiten,so kommt es zu einer Summation dieser Reize durch Uberlagerung der Aktionspotentiale, manspricht von der Critical flicker fusion frequency (CFFF), wobei entweder I × F oder I × tkonstant ist.

Adaptation Bei konstantem Reiz nimmt der Rezeptor mit der Zeit weniger Signal wahr, wasdie Empfindung im Gehirn schwacht. Eine Adaptation ist immer eine Einstellung auf einengewissen Bereich.

Kontrast Die Summe aus Helligkeit und Farbe ergibt ein scharfes Bild.

5.1. Sehen

Sichtbares Licht besteht aus Elektromagnetischen Wellen im Wellenlangenbereich von λ =400nm...700nm. Der Stevens–Exponent fur Helligkeit ist 0,2.

Horopta Einen Kreis auf dem die Scharf abgebildeten Punkte liegen nennt man Horopta. Allepunkte die von diesem abweichen werden optisch doppelt gesehen, was zentral korrigiert wird.(Ausfall dieser Korrektur bei Doppelt–Sehen?)

5.1.1. Optik der Augen

Die Flussigkeit der Cornea gibt dem Linsensystem eine Brechkraft von 32 Dioptrin, das ge-sammte System hat 59 Dioptrin. Da sich beim Tauchen der Brechungsindex an der Cornea

8 | 4↓ ↓ ↓ ↓ ↓ ↓ ↓ ⇓ ↓ ↓ ↓ ↓ ↓ ↓ ↓

... | × | × | × | × | × | × | × | ...↓ ↓ ↓ ↓ ↓ ↓ ↓ ↓4 4 4 5 1 2 2 2

Abbildung 5.1.: Darstellung der Lateralinhibition. Die Reize werden mit 14 ihrer Kapazitat von

den benachbarten Rezeptoren gehemmt, wodurch es an der Kontrastgrenze zuSummationseffekten kommt.

Page 26: Scriptum Block IV

22 5. Sinnesphysiologie

andert kommt es zu einer Weitsichtigkeit unter Wasser wenn keine Tauchbrille verwendet wird.Die Linse ist elastisch und strebt Kugelform an, wird jedoch durch zirkular angeordnete Banderzum M. ciliaris flach gehalten. Durch Kontraktion des M. ciliaris wird eine starke Linsenkrum-mung ermoglicht wodurch nahe Gegenstande scharf gesehen werden konnen (Nahakkommodati-on). Zusatzlich konvergieren die Augen zueinander und die Pupillen verengen sich um SperischeAbberationen1 zu vermeiden, allerdings ist in diesem Fall eine starkere Beleuchtung notig.

Presbyopie Die Linse verliert im Alter ihre Elastizitat und bleibt im flachen Zustand. DieseAlterssichtigkeit wird als Presbyopie2 bezeichnet und ist nicht gleichzusetzen mit Weitsich-tigkeit, da hier die Linse auf eine individuelle Entfernung fixiert wird, weitsichtige Menschenbenotigen daher bei Presbyopie eine Sehkorrektur fur den Nahbereich wie fur den Fernbereich.

Sparische Storungen Bei einem zu langem Auge spricht man von Myopie, der Scharfe Punktfur entfernte Objekte liegt bei relaxiertem M. ciliaris vor der Retina, und kein Mechanismusdes Korpers ist in der Lage dies zu Korrigieren[1]. Die Korrektur erfolgt mit einer KonkavenLinse vor dem Auge.

Ein zu kurzes Auge wird als Hyperopie bezeichnet, bei entspanntem Auge werden paralleleLichtstrahlen nicht ausreichend gebrochen und der scharfe Punkt liegt hinter der Netzhaut.In der Regel kann dies vom Auge durch Akkomodation ausgeglichen werden, wird die Linsejedoch Presbyoptisch so kann in der Ferne nicht mehr scharf gesehen werden, geschweige dennin der Nahe[1]. Abhilfe kann durch eine Konkave Linse vor dem Auge geschaffen werden.

5.1.2. Netzhaut und Photorezeptoren

Es treten zwei Typen von Rezeptoren auf, Stabchen fur Dammerungssicht (skotopisches Se-hen) und Zapfen fur Tageslicht (photopisches Sehen), wobei von den Zapfen drei Subtypenunterschieden werden, ein Rotan–Rezeptor fur die Rotwahrnehmung, ein Deutan–Rezeptor furdie Grunwahrnehmung und ein Tritan–Rezeptor fur die Blauwahrnehmung. Daher spricht manvon der Duplizitatstheorie und Trichromatismus. Fur eine Farbwahrnehmung sind mindestenszwei der genannten Zapfentypen notig, sind keine Zapfen vorhanden spricht man von Achro-matismus oder vollstandiger Farbenblindheit die mit sehr schlechtem sehen gekoppelt ist. Ent-wicklungsgeschichtlich stammen diese Sinneszellen nicht von Nerven ab, sondern von Epithel.Die entwicklungsgeschichtlich alteren Stabchen bestehen aus Disci, wahrend die Zapfen ausDisci und Lamellen bestehen. Stabchen sind mit zehn Millionen haufiger vertreten als die sechsMillionen Zapfen.

In der Fovea centralis der Retina sind nur Zapfen lokalisiert, weshalb bei Dammerung unscharfergesehen wird. Der Austritt des N. Opticus, die Papilla, enthalt keine Rezeptoren, stellt alsoeinen blinden Fleck dar. Da die Gefaßversorgung vor der Netzhaut liegt fallen permanentAdernschatten auf die Retina und werden durch Akkomodation ausgeblendet3. Die Auflosungin der Fovea betragt etwa eine Winkelminute, was etwas mehr als ein Zapfen Abstand zwischenzwei trennbaren Punkten bedeutet. Liegen die Punkte dichter beieinander, so erscheinen sieals ein hellerer Punkt. Aufgrund der lateralen Anordnung der Stabchen ist ihre Auflosungdramatisch schlechter.

1Abbildungsfehler am Rand bei gekrummten Linsen2Abgeleitet von

”Presbyter“, den Gemeindealtesten.

3Durch laterale bewegte Beleuchtung ist es moglich diese Adernschatten sichtbar zu machen, und das Adern-schattenbild abzuzeichnen.

Page 27: Scriptum Block IV

5.1. Sehen 23

5.1.3. Farbsehen

Das Menschliche Auge nimmt Spektralfarben wahr, wobei weiß aus auf dem Farbkreis gegen-uberliegenden Farben erzeugt wird. Farbe dient in erster Linie der Kontrastverstarkung wobeidas photopische Maximum bei 555nm und das skotopische Maximum bei 505nm liegt. Daherkommt es bei Dammerung zu einer Blauverschiebung wobei Rot dann nurmehr als Schwarz ge-sehen wird. Man nennt dies PURKINJE–Verschiebung. Da Grun in der Mitte des Spektrumsliegt werden Rot und Grun bei fehlenden Deutan–Rezeptoren Gelb, bei fehlendem Rotan–Rezeptor wird Grun Gelb und Rot Schwarz.

5.1.4. Funktion der Photorezeptoren

Im Reizlosen Zustand besteht ein permanenter Na+/Ca 2+–Dunkelstrom. Durch einen Reiz hy-perpolarisieren die Sinneszellen durch schließen der Na+–Kanale. Lamellen und Disci enthaltenRhodopsin, in dem Retinal enthalten ist, welches bei Belichtung aus seiner 11–cis–Form in eineall–trans–Form ubergeht. Es kommen vier verschiedene Typen von Rhodopsin vor.

Die Na+–Kanale werden durch cGMP offengehalten, bei Belichtung wird es zu GMP umgewan-delt was die Schließung der Kanale bewirkt. Bei einem Sinken der Ca 2+–Konzentration wirddie Guanatcyclase aktiviert und GTP zu cGMP umgebaut. Da dies aufgrund einer Ca 2+–Pumpe standig geschieht ist uber langere Zeit eine Steigerung der Intensitat notig um dasUrsprungliche Niveau zu erreichen (Adaptation).

5.1.5. Elektroretinogram ERG

Die α–Welle wird aus allen Rezeptoren simultan abgeleitet.

5.1.6. Rezeptive Felder

Rezeptive Felder sind definierte Abschnitte welche konzentrisch antagonistisch aufgeteilt sind.Es werden on–center–Felder, bei denen es bei Belichtung zu einer Verkurzung der Reizintervallekommt, von off–center–Feldern, bei denen Belichtung zu einem Reizausfall fuhrt, unterschieden.Wahrend der Dunkeladaptation wird der antagonistische Bereich rekrutiert um eine bessereSicht zu gewahrleisten. Dadurch wird, auf kosten des Auflosevermogens, die Lichtempfindlich-keit gesteigert. Rezeptive Felder gibt es auch fur Farbwahrnehmung, wobei im Zentrum roteund peripher grune Rezeptoren angeordnet sind. Um eine hohere Auflosung zu erzielen uberlap-pen rezeptive Felder einander. Liegt eine Kontrastgrenze in einem rezeptiven Feld, so wird dasSignal durch ein Kontrastneuron gesenkt. Rezeptive Felder sind oval, richtungsspezifisch undlangenspezifisch4. Sie sind in der Lage auf den Winkel aufeinandertreffender Kontrastgrenzenzu reagieren.

5.1.7. Optische Bahn

Die Leitungsbahn der Stabchen ist um ein Neuron langer, weshalb sie bei Tageslicht von denAktionspotentialen der Zapfenbahnen uberlagert werden da diese Schneller leiten.

4Der Reiz sollte in das Zentrum passen.

Page 28: Scriptum Block IV

24 5. Sinnesphysiologie

Corpus Geniculatum Die beiden ventralen Bahnen des Corpus Geniculatum sind fur dieWahrnehmung von Bewegung und Kontrast zustandig und sind magrozellular, bestehen al-so aus großen Zellen. Die vier dorsalen Bahnen werden fur das Sehen von Form und Farbeverwendet und bestehen aus wesentlich kleineren Zellen, sind also parvozellular.

Hirnrinde Hier kommt es zur parallelen Verarbeitung von Farbe, Form, Bewegung und raum-licher tiefe5.

5.2. Horen

Beim Horen wird die Depolarisation der Sinneszellen durch einen K+–Einstrom erzeugt. DieReize sind Schallwellen im Bereich von 16Hz...20000Hz, wobei die niedrigste Horschwelle bei4000Hz liegt. Ein Gerausch das alle Wellenbereiche enthalt wird als weises Rauschen bezeich-net, ein Gerausch das nur niederfrequente Wellen enthalt als rosa Rauschen. Die Lautstarkewird in Dezibel angegeben, wobei eine Verdoppelung der Lautstarke einer Anderung von +6dBentspricht6 (→ Gleichung 5.1).

dBSPL = 20× log pxp0

(5.1)

Das Mittelohr der Saugetiere ist eine Anpassung an das Leben in der Luft. Die Endolympheist sehr Kaliumreich, die perilymphe Natriumreich. Gleichgewichtszellen sind mit Kinozilien,welche auch afferent innerviert sind, ausgestattet. Die Ubertragung der Schwingungen erfolgtdurch die Schwingungen der Tektorialmembran. Auch in Ruhe wird ein geringes Spontanpo-tential erzeugt. Die inneren Haarzellen erzeugen bei niederfrequenten Reizen eine repetitiveund bei hochfrequenten Reizen eine tonische Depolarisation. Zur Adaptation werden die Io-nenkanale mittels eines Aktin/Myosin–Systems verschoben.

5.2.1. Tonotopie

Unter Tonotopie versteht man die Zuordnung von Frequenzen in der Cochlea. Dazu nimmt diescala media der Cochlea die sich Kreisformigen Schwingungen auf, welche sich als Wanderwelleuber die scala media bis zu einem Maximum ausbreiten. Die Lage des Maximums ist abhangigvon der Eingangsfrequenz. Jede Horbare Frequenz hat einen Rezeptorpunkt auf der scala me-dia, wobei hohe Frequenzen (c””’) nahe am Mittelohr lokalisiert sind. Schadigungen an diesemSystem sind abhangig von Frequenz und Einwikzeit. Vor allem jedoch sind sie irreversibel. Beieiner Steigerung der Reizfrequenz werden Nachbarzellen rekrutiert um diesen adaquat weiter-geben zu konnen. Die Frequenzanalyse findet anhand der Orstkodierung der Wanderwelle, derAktionspotentiale der Frequenzsysteme sowie der Periodizitatsanalyse statt.Schallwellen welche aus dem Ohr reflektiert werden heißen otoakustische Emissionen.

Prestin Dieses Molekul ist in der Lage die Wanderwelle zu verstarken indem es die Fa-sern schneller als das Aktin/Myosin–System stellen kann. Es kommt zu einer Verstarkungder Schwingungen. Bei einem Ausfall dieses Systems wird Sprache schlechter verstanden, undauch ein Horgerat hilft nur bedingt.

5Da die Augen in einer Ebene liegen ist zur Bestimmung der raumlichen Tiefe nur die Querdisperation not-wendig.

6Analog entspricht eine Halbierung −6dB.

Page 29: Scriptum Block IV

25

6. Hormonelle Regulation

6.1. Hormone

Peptidhormone gehen den normalen Preteinsyntheseweg. Sie sind wasserloslich und bestehenaus ca 3...200 Aminosauren, ihre Halbwertszeit im Korper reicht von 5...90 Minuten. Da sie diePlasmamembranen nicht durchdringen konnen befinden sich die Rezeptoren fur Peptidhormonean der Zellaußenseite. Peptidasen terminieren das Signal durch den Abbau des Hormons, dieAminosauren konnen wiederverwendet werden.Schilddrusenhormone, Katecholamine und Steroidhormone entstehen aus den Vorstufen Thy-rosin beziehungsweise Cholesterin durch einen enzymkatalysierten Prozess. Da diese Hormonelipophil sind benotigen sie im Blut Transportproteine wie das Albumin. Die Rezeptoren sind amZellkern lokalisiert, manchmal auch im Zytoplasma, in welchem Fall das Hormon als Rezeptor–Hormon–Komplex am Zellkern eintrifft und dort eine Genexpression auslost. Der Abbau dieserHormone erfolgt in der Leber.Neben den Hormonen aus endokrinen Drusen (→ Tabelle 6.1) und diffusem endokrinem System(→ Tabelle 6.2) gibt es noch Gewebshormone welche meist nur lokale Wirkung zeigen. Diessind Eikosanoide, Histamin, Serotonin1 und Bradykinin.

6.2. Klassifizierung von Hormonen

Hormone konnen entweder nach ihrer Funktion (→ Tabelle 6.5) oder ihrem Wirkmechanismus(→ Tabelle 6.6) klassifiziert werden. Bei der Wirkung uber cAMP wird das Signal uber ex-trazellulare Rezeptoren aufgefangen welche im Zytoplasma ein G–Protein aktivieren welcheswiederum Adenylatcyclase aktiviert und damit zur Bildung von cAMP fuhrt. Dadurch wird eineProteinkinase A aktiviert die alles in ihrer Umgebung phosphoryliert. Bei einem Signalweg uberIP3 wird Proteinkinase C aktiviert und außerdem Ca 2+ freigesetzt. Das Tyrosinkinase–Systemwird durch Bindung von Insulin durch Autophsphorylierung aktiviert, und Phosporyliert sei-nerseits dann Signalproteine. Es ist dieses System das bei einer Insulinresistenz eingeschranktist.

6.3. Regulation des endokrinen Systems

Alle Funktionen des Korpers zeigen zeitabhangige, rhythmische Variationen. Grundlage da-fur sind die zirkadianen Variationen welche dem Organismus einen Grundrhythmus von 24,5Stunden vorgeben der dann an Umwelteinflusse angepasst werden kann. Ein Beispiel hierfurist die Cortisolausschuttung die jeden Morgen kurz vor acht Uhr stattfindet um den Kreislaufanzuregen. Es kommen jedoch auch Rhythmen mit kurzeren Intervallen vor, so kommt es alle15 Minuten zu einer minimalen Insulinausschuttung und alle 90 Minuten zu einer Ausschut-tung von GnRH. Diese Rhythmik ist notwendig um die Rezeptoren nicht zu Desensibilisieren.

1Serotonin wird auch als Neurotransmitter eingesetzt.

Page 30: Scriptum Block IV

26 6. Hormonelle Regulation

Endokrine Drusen Hormone/Neuropeptide

Adenohypophyse LH, FSH, ACTH, TSH, STH, ProlaktinSchilddruse Thyroxin, TriiodthyroninNebenschilddruse ParathormonPankreas (Langerhans- Inseln) Insulin, Glukagon, Somatostatin, pankreati-

sches PolypeptidNebennierenrinde Mineralokortikoide, Glukokortikoide, Andro-

geneNebennierenmark Adrenalin, Noradrenalin, Enkephaline

Ovar Ostrogene, Gestagene, Inhibin, Relaxin, Ac-tivine, Follistatin

Testis Androgene, Inhibin

Plazenta hCG, hPL, Progesteron, Ostrogene

Tabelle 6.1.: Die wichtigsten endokrinen Drusen und Ihre Hormone.

Kommt es zu solch einer Desensibilisierung so wird die Zahl der expremierten Rezeptoren ver-ringert (down regulation). Daher ist es notwendig medikamentose Hormongaben ebenfalls inIntervallen zu applizieren. Zu niedrige Hormonspiegel fuhren zu einer Erhohung der Zahl derexpremierten Rezeptoren (up regulation). Ebenfalls ist eine Steuerung uber eine Anderung derRezeptoraffinitat, etwa durch Phosphorylierung, moglich.

6.3.1. Regelkreise

Hormone unterliegen Regelkreisen (→ Kapitel 1.1) und arbeiten meist mit negativer Ruckkop-pelung, Ausnahme ist hier der LH–peak vor dem Eisprung, welcher durch positive Ruckkoppe-lung erzeugt wird. Glandotrope Hormone wirken an einer Druse, nicht glandotrope anderweitig.

Page 31: Scriptum Block IV

6.3. Regulation des endokrinen Systems 27

Hormonprod. Gewebe und einzelne endokri-ne Zellen

Hormone/Neuropeptide

Glandula pinealis MelatoninHypothalamus Releasing- und Inhibiting Hormone (GnRH,

GHRH, CRH, TRH, Somatostatin); Adiure-tin, Oxytocin

Diverse ZNS- Regionen Alle NeuropeptideC-Zellen der Schilddruse CalcitoninLungenepithel NeuropeptideHerzvorhofe Atriopeptin = atriales natriuret. Peptid

(ANP)Leber Angiotensinogen, IGF I, IGF IIGastrointestinaltrakt Diverse Hormone und NeuropeptideNiere Renin, Erythropoietin, CalcitriolFettzellen LeptinImmunsystem Thymushormone, Cytokine

Tabelle 6.2.: Die wichtigsten hormonproduzierenden Gewebe und Ihre Hormone/Neuropeptide.

Page 32: Scriptum Block IV

286.

Horm

onelle

Regu

lation

Peptidhormone Amine (Catecholamine)

Chemie 3...200 Aminosauren, hydrophil Tyrosin–Abkommlinge, hydrophilSyntheseorte ZNS, autonomes NS, Hypophyse,

Magen–Darm– Trakt u.a.ZNS, autonomes NS

Biosynthese Peptidbiosynthese enzymatisch aus VorlaufernSekretion Exozytose von Sekretgranula Exozytose von SekretgranulaTransport meist frei meist freiBlut-Hirn-Schranke nicht (oder fraglich) permeabel nicht (oder fraglich) permeabelHalbwertszeit im Plasma Minuten bis Stunden SekundenAbbau Proteolyse in Plasma und Niere enzymatisch, MAO, COMTRezeptoren Zellmembran ZellmembranWirkung Aktivierung von Second-messenger-

SystemenAktivierung von Second–messenger-Systemen

Wirkungsdauer Minuten bis Stunden Sekunden bis Minuten

Tabelle 6.3.: Zusammenfassung der wichtigsten Eigenschaften von Peptidhormonen und Aminen.

Page 33: Scriptum Block IV

6.3.R

egula

tion

des

endokrin

enS

ystem

s29

Aminosaurederivate (Schilddrusenhor-mone)

Steroidhormone

Chemie Tyrosin–Abkommlinge, Tri– und Te-traiodthyronine, hydrophob

Sterane mit 18...27 C-Atomen, hydro-phob

Syntheseorte Schilddruse Nebennierenrinde, Ovar, Testis, PlazentaBiosynthese enzymatisch aus Vorlaufern enzymatisch aus VorlaufernSekretion Diffusion DiffusionTransport gebunden an Plasmaproteine und spezi-

elle Transportproteinegebunden an Plasmaproteine und spezi-elle Transportproteine

Blut-Hirn-Schranke permeabel permeabelHalbwertszeit im Plasma Tage StundenAbbau in der Leber durch Glukuronierung, Sul-

fatierungin der Leber durch Glukuronierung, Sul-fatierung

Rezeptoren Zellkern Zellkern, ZytosolWirkung Kontrolle der Transkription und mRNA-

StabilitatKontrolle der Transkription und mRNA–Stabilitat

Wirkungsdauer Tage Stunden bis Tage

Tabelle 6.4.: Zusammenfassung der wichtigsten Eigenschaften von Aminosaurederivaten (Schilddrusenhormonen) undSteroidhormonen.

Page 34: Scriptum Block IV

30 6. Hormonelle Regulation

Funktion Hormone

Kontrolle Energie-liefernder Stoffwechselpro-zesse

Insulin, Glucagon, Catecholamine, Glucocor-ticoide, Schilddrusenhormone

Regulation des Wasser- und Elektrolythaus-haltes

Mineralcorticoide, Renin-Angiotensin-System, Adiuretin, Atriopeptin, Parathor-mon, Calcitonin, Calciferole

Regulation des Wachstums STH, IGF-1, Androgene, Ostrogene

Regulation der Fortpflanzung Androgene, Ostrogene, GestageneBildung und Sekretion von Verdauungssekre-ten

gewisse GI-Hormone, (N.vagus)

Tonusanderung des Gefaß- und Respirations-systems

Catecholamine, Angiotensin II, diverse Ge-webshormone

Kontrolle der Zelldifferenzierung und derZellteilung

Tabelle 6.5.: Klassifizierung von Hormonen nach ihrer Funktion.

Wirkungsmechanismus Hormone

Wirkung uber cAMP Adrenalin/Noradrenalin, Glukagon, ADHWirkung uber Inositoltriphosphat (IP3 )und/oder Ca2+- Calmodulin

Angiotensin II, TRH

Wirkung uber Rezeptor-assoziierte Protein-Kinasen

Insulin, EGF, STH, IGF-I

Wirkung uber Bindung an intrazellul. Rezep-toren

Steroidhormone, Schilddrusenhormone

Wirkung uber cGMP (NO) Natriuretische Peptide

Tabelle 6.6.: Klassifizierung von Hormonen nach ihrem Wirkungsmechanismus

Page 35: Scriptum Block IV

31

7. Energie– und Warmehaushalt

7.1. Energiehaushalt

Der großte Teil der Energiegewinnung erfolgt in den Mitochondrien durch β–Oxidation, Citrat–Cyklus und Atmungskette. In braunem Fettgewebe leiten an der Atmungskette beteiligteEntkoppelungsproteine den Protonengradienten um und nutzen ihn zur Warmeentwicklung.Die Energiegewinnung kann durch Cyanid gehemmt werden da dieses die Cytochromoxidasehemmt, wodurch keine weiter Energie bereitgestellt wird.Der Gesamtenergieumsatz beim Mann betragt in Ruhe ungefahr 10000...12000KJ

d , bei schwererkorperlicher Arbeit ist dies auf bis zu 25000KJ

d steigern. Der Grundumsatz wird bei thermo-neutralen Bedingungen1 in der Wachphase nach dem Aufwachen gemessen. Der Anteil von Fettam Korpergewicht verringert den Grundumsatz, und da Manner einen hoheren Muskelanteilbesitzen ist auch ihr Grundumsatz hoher. Als Faustregel fur den Grundumsatz gilt:

GU ≈ 1Kcal

Kg Korpergewicht/h

Eine hohe Warmeausbeute lasst sich mit dem Abbau von Proteinen erzielen, 25...30 % desEnergieumsatzes werden als Warme abgegeben. Geistige Arbeit verbraucht Energie im Ge-hirn, erhoht aber auch den Muskeltonus. Es besteht eine Beziehung zwischen dem Grundum-satz und der Korpermasse, daher haben kleine Tiere einen hohen spezifischen Grundumsatz dasie — wie auch ein Saugling — ein ungunstiges Verhaltnis von Korpergroße zu Korperoberfla-che aufweisen. Der Energieumsatz wird durch Belastungen wie chirurgische Eingriffe, Trauma,Steroidtherapie, Sepsis, Verbrennungen oder andere klinische Bilder erhoht. Gemessen wird derEnergieumsatz durch indirekte Kalorimetrie (Ruheenergieumsatz) oder doppelt stabil markier-tes Wasser (Gesamtenergieumsatz). Bei letzterem wird dem Probanden eine definierte Menge2H2

18O per Oral verabreicht und die Ausscheidung gemessen, wobei 2H nur in Form von Was-ser und 18O als Wasser und Kohlendioxid abgegeben werden. Diese Methode ist sehr aufwendigund teuer und wird daher nur zu wissenschaftlichen Zwecken durchgefuhrt.

Berechnung des Energieumsatzes Mit EU =Energieumsatz in KJmin , NO2

= O2–Verbrauch

in lmin und EqO2

= Energie–Aquivalent des Sauerstoffs in KJl lasst sich der Energieumsatz

mit folgender Formel berechnen, wobei der Wert EqO2Nahrungsabhangig ist, aber mit guter

Naherung als 20 angenommen werden darf.

EU = NO2× EqO2

(7.1)

Bei Belastung steigt der Sauerstoffverbrauch und damit auch der Energieumsatz.Der Respiratorische Quotient lasst sich wie folgt angeben (Angaben in l

min):

RQ =exp CO2

insp O2

(7.2)

1Temperatur und Luftfeuchtigkeit.

Page 36: Scriptum Block IV

32 7. Energie– und Warmehaushalt

Er ist Abhangig von Nahrstofftyp, Nahrstoffumbau (in geringem Maße) und Hyperventilation.

Hypothalamus Im Hypothalamus befinden sich Hunger– und Sattheitszentren die uber Heiß-hunger und Appetitverlust wesentliche Einflussnahme auf den Energiehaushalt nehmen konnen.Ebenfalls ist eine Steuerung des Energieumsatzes durch den Sympatikus vorgesehen.

7.2. Warmehaushalt

Ziel der Warmeregulation ist es die Korperkerntemperatur moglichst konstant bei 37 C zuhalten, wobei als Kern Rumpf und Kopf definiert sind, der Rest wird als Peripherie bezeichnet.In den oberen Extremitaten sinkt die Temperatur nach distal von 32 C nach 28 C ab, in denunteren Extremitaten von 34 C nach 31 C. Die Korperkerntemperatur schwankt innerhalbeines 24–Stunden–Rhythmus. Diagnostisch ist eine Messung umso aussagekraftiger je naheram Kern sie vorgenommen wurde, als genaueste gilt die rektale Messung.

Innerer Warmestrom Im inneren Warmestrom wirkt das Blut als Warmeleiter, ein geringerAnteil der Warme wird auch uber Konduktion2 ubertragen. Abhangig ist dies von Isolations-faktoren wie subkutanem Fettgewebe und der sympatikusabhangigen Schalenperfusion. Einwichtiger Mechanismus dabei ist der Gegenstrom–Warmeaustausch, da bei verengten ober-flachlichen Venen der großte Teil des venosen Blutes an den Arterien entlang zuruckgefuhrtwird. Dabei entzieht es dem Arteriellen Blut Warmeenergie um sich selbst wieder zu erwarmen.Auf diese Art kommt es nach distal zu einer sukzessiven Abkuhlung der Extremitat und zurKonservierung der Warme im Korperkern. Der gleiche Mechanismus kann dazu verwendet umWarme abzufuhren.

Außerer Warmestrom Hierunter werden außere Einflusse zusammengefasst, etwa Umgebung-stemperatur, leitende Medien (Wasser) und Strahlung (Sonne). Alle Umgebungstemperaturenuber 30 C konservieren Warme, kuhlere Temperaturen entziehen Warme. Ein Mechanismuszur außeren Warmeregulation ist auch die Verdunstungskuhle welche bei der Verdunstung vonSchweiß entsteht, wobei dieser Mechanismus nur moglich ist wenn der Dampfdruck auf derHaut hoher ist als im umgebenden Medium. Eine Warmeabgabe uber Hitzestrahlung ist nurdann moglich wenn die Umgebung kuhler ist.

Temperaturbelastung Bei Kaltebelastung kommt es zu physiologischer Gegensteuerung durchKaltezittern, zitterfreie Warmebildung durch Abbau von braunem Fettgewebe sowie Drosse-lung der oberflachlichen Durchblutung (Vasokonstriktion). Es kommt in der Regel weiterhinzu Willkurlicher Muskelkontraktion und Wahl angemessener Bekleidung.

Bei Warmebelastung kommt es zu physiologischen Veranderungen um die Korperkerntempera-tur zu senken, dazu wird die oberflachliche Durchblutung sowie die evaporative Warmeabgabeerhoht. Verhaltensbedingt kann man der Belastung begegnen indem man passende Bekleidungwahlt, korperliche Aktivitat einschrankt und sich anderer Hilfsmittel (Ventilatoren, Klima,Wasser, etc.) bedient.

2Konduktion: Ubertragung von Energie durch Kontakt, etwa von Gewebe zu Gewebe, aber auch auf unbelebteMaterie.

Page 37: Scriptum Block IV

7.2. Warmehaushalt 33

Beschreibung/Symptome

Hitzekollaps kurzfristige Bewusstlosigkeit bei starker peripherer Vasodilatation; hau-fig in Verbindung mit einem Volumenmangel

Hitzekrampfe Muskelkrampfe bei schwerer korperlicher Arbeit und vermehrten Elek-trolytverlusten; reversibel bei Zufuhr elektrolythaltiger Flussigkeiten

Hitzeerschopfung Dehydratation mit Elektrolytverlusten; i.d.R. bei nicht-akklimatisiertenPersonen, die bei extremer Hitze korperlich tatig sind. Symptome: Kopf-schmerzen, Tachykardie, Ubelkeit, Tachypnoe, Hypotension bis zum Kol-laps. Kein Gewebeschaden!

Hitzschlag stark ansteigende KKTemp. in Verbindung mit einem Zusammenbruchdes thermoregulatorischen Systems. Risiko bei Adipositas, Infekten, Al-kohol, nicht-akklimatisierten und trainierten Personen, inadaquater Be-kleidung.

Tabelle 7.1.: Durch Hitze hervorgerufene Kreislaufstorungen.

Die Thermische Behaglichkeit ist die Temperatur welche als angenehm empfunden wird. Sie istabhangig von Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeit, Strahlungstemperatur,Warmeproduktion und Kleidung. Mit zunehmender Arbeit sinkt sie ab.

7.2.1. Temperaturregulation

Thermosensoren in ZNS und Peritoneum, sowie auf der Haut geben Aufschluss uber die Um-gebungstemperatur. Parallel zu den Thermosensoren werden bei Temperaturen die fur denKorper gefahrlich werden konnen auch die Schmerzsensoren aktiv. Kaltesensoren befinden sichhauptsachlich am Kern. Die Regulation erfolgt uber den Hypothalamus.

Fieber Fieber wird durch pyrogene Cytokine, welche an der Blut–Hirn–Schranke die Prostag-landinbildung (PGE II) stimulieren und damit den Sollwert fur die Temperatur herauf regeln.Dadurch werden Mechanismen in Gang gesetzt welche einer Kaltebelastung entgegenwirkensollen. Zur Ruckbildung werden die Mechanismen zur Bekampfung der Warmebelastung ver-wendet. Fiebersenkende Medikamente wirken uber eine Hemmung der Prostaglandinsynthese.

Hyperthermie Es kann aber auch zu erhohter Korpertemperatur nach physischer Belastungoder Hitzexposition kommen. Ebenfalls sind maligne Hyperthermien als Anasthesiekomplika-tionen beschrieben. Die Folgen sind Hitzekollaps, Hitzekrampfe, bei Anstauung uber langereZeit Hitzeerschopfung und als Extremform Hitzschlag mit Organschaden und Koma. Ein Hitz-schlag ist ein ernstzunehmendes klinisches Bild bei dem es zum Zusammenbruch der zentral-nervosen Thermoregulatorischen Systeme kommt.

Hypothermie Als Hypothermie wird ein Absinken der Korperkerntemperatur auf unter 35 Cbezeichnet. Ursachen hierfur sind Kalteexposition, Medikamente (z.B. Barbiturate), Alkohol,schwerer Schilddrusenhormonmangel sowie Storungen des ZNS (Trauma, cerebraler Insult)mit Beeintrachtigung der Thermoregulation. Es kommt zu Beeintrachtigungen der cerebralen

Page 38: Scriptum Block IV

34 7. Energie– und Warmehaushalt

Funktion bis hin zur Bewußtlosigkeit, zu Bradykardien oder elektrophysiologischen Beeintrach-tigungen des Myokards, außerdem zu Azidose.

Akklimatisation In Folge der Warmeakklimatisation kommt es zu einer Zunahme der Schweiß-sekretion, zu einer Abnahme des Elektrolytgehalts im Schweiß und zu einer verstarkten Aufnah-me von Wasser. Außerdem verschiebt sich dir Kerntemperaturschwelle, bei der das Schwitzenbeginnt, nach unten.Bei der Kalteakklimatisation kommt es zu einem Absinken der Zitterschwelle und Nachlassender Kaltempfindung.Generell ist Warmeakklimatisation besser moglich als Kalteakklimatisation, da ein Schutz ge-gen Kalte wichtiger ist.

Page 39: Scriptum Block IV

Teil II.

Biochemie

Page 40: Scriptum Block IV
Page 41: Scriptum Block IV

37

8. Verdauung

Die Verdauung ist die Grundlage des Stoffwechsels und liefert dem Korper Energie und Nahr-stoffe fur den Anabolismus. Sollte die Verdauung gestort sein so kann die Nahrung noch sogesund sein, es wird zu Problemen kommen.

8.1. Gastrointestinale Sekrete

Um Nahrstoffe moglichst effizient aus dem Speisebrei zu extrahieren bedient sich der Orga-nismus verschiedener Gastrointestinaler Sekrete. Muzine schutzen vor Selbstverdauung unddas Magensekret wirkt bakterizid, wenn auch einige Viren in der Lage sind dieses Milieu zuuberleben. Auch der Speichel ist zu dieser Kategorie zu zahlen. Uber ihn wird auch Alkoholausgeschieden und er kann Viren wie Hepatitis B oder HIV enthalten.

8.1.1. Belegzellen

Sauresekretion In den Belegzellen des Magens lauft — getrieben von der Carboanhydrase1

— die folgende Reaktionsfolge ab:

CO2 + H2OCarboanhyddrase−−−−−−−−−−→ H2CO3 −−→ HCO−

3 + H+

Das entstehende Proton wird mittels einer H+/K+–ATPase gegen seinen Gradienten sezerniert.Auf der Blutseite arbeitet ein HCO−

3/Cl−–Antiport, und das auf diese Art in die Zelle gebrachteChlorid wird sofort luminal sezerniert um das freie Proton abzufangen.

Eine Uberfunktion der Salzsauresekretion fuhrt zu Ulcera und Sodbrennen.

Intrinsischer Faktor Als intrinsischen Faktor bezeichnet man ein Glycoprotein welches denextrinsischen Faktor Vitamin B12 bindet. Der Proteinkomplex wird im Ileum resorbiert, ge-schieht dies nicht so ist die Folge eine Vitamin B12 Mangelanamie (periziose Anamie).

8.1.2. Hauptzellen

In den Hauptzellen des Magens wird Pepsinogen gebildet welches erst im Lumen durch denniedrigen pH–Wert und bereits vorhandenes Pepsin zu Pepsin gespalten wird. Diese Spaltungerfolgt durch limitierte Proteolyse, bei der nur eine spezifische Peptidbindung irreversibel gelostwird. Der optimale pH–Wert fur Pepsin betragt zwei.

1Die Carboanhydrase ist ein sehr schnell arbeitendes Enzym dessen begrenzender Faktor die Diffusionsrate ist.Dies dient dazu das Blut frei von Gasblasen zu halten.

Page 42: Scriptum Block IV

38 8. Verdauung

Enzym Funktion

Carboxypeptidasen spalten einzelne Aminosauren von Proteinenab

Pankreasamylase wird aufgrund ihres niedrigen Molekularge-wichtes auch in der Niere filtriert

Cholesterinesterase spaltet CholesterinesterRibonuklease, Desoxy– produzieren Nukleoside oder Teile davon

Tabelle 8.1.: Ubersicht uber die Pankreasenzyme.

8.1.3. Nebenzellen

Die Nebenzellen stellen den Selbstschutzmechanismus des Magens indem sie Muzine herstellen.Muzine bilden eine Glycoproteinschicht2, welche fur Pepsin und Saure nicht permeabel ist, aufder Magenschleimhaut. Da sie durch PGE gebildet werden ist bei einer Einnahme von Aspirin R©

darauf zu achten nicht zu viel zu nehmen um die Schutzfunktion des Magens aufrechtzuerhalten.

8.1.4. Pankreas

Die Aktivierung von Trypsin fungiert als”Hauptschalter“ fur die Pankreasenzyme. Das Pankre-

as sezerniert eine Reihe von Enzymen, welche alle durch limitierte Proteolyse aktiviert werden(→ Tabelle 8.1). Zuwenig Lipase im Blut deutet auf eine Pankreasinsuffizienz hin welche sichin Steatorhoe3 außert. Man kann auch Lipasehemmer dazu benutzen um die Fettabsorptionim Magen zu senken und so eine Diat unterstutzen.

8.1.5. Duodenum

Peptide werden nicht in einzelne Aminosauren gespalten, da die Transporter mit einem ATPauch auch Di– oder Tripeptide transportieren konnen. Es ist daher am effizientesten Tripeptidezu Absorbieren und sie erst im Anschluss vollstandig zu zerlegen. Die einzelnen Aminosaurenwerden ins Blut abgegeben. Auf der Blutseite wirkt außerdem eine Na+/K+–ATPase. Die Auf-nahme der Peptide erfolgt durch einen Peptid/H+–Symport.

8.2. Absorption

Eine Absorption der Nahrstoffe erfolgt erst im Darm in Duodenum, Jejonum und Ileum aufeiner Absorptionsflache von rund 200m2. Die im Darm befindlichen Bakterien stellen unteranderem vom Korper benotigtes Vitamin K her.

8.2.1. Kohlenhydrate

Polysaccharide werden schon im Mundraum durch α–Amylase ansatzweise gespalten, die Haupt-verdauung findet jedoch im Darm statt, wo samtliche Zucker durch entsprechende Enzyme

2Die Aminosauren welche mit Zuckern verestert werden sind Serin und Threonin.3Fettstuhlen

Page 43: Scriptum Block IV

8.2. Absorption 39

O||

O – — S — CH2 — CH2 — NH3

||O

Abbildung 8.1.: Die Aminosaure Taurin: Aminoethylsulfonsaure

gespalten werden. Mangelt es an solch einem Enzym so kommt es zu Lebensmittelunvertrag-lichkeiten4

Die Aufnahme von Glucose erfolgt entlang des Gradienten, daher ist dafur kein weiterer Ener-gieaufwand notig. Das dabei mittransportierte Na+ wird Basal durch eine Na+/K+–ATPase ausden Zellen entfernt. Die Glucose verlasst die Zellen Basal durch einen Kanal. Dieser Prozess istnicht Insulingesteuert und wird bei der oralen Durchfalltherapie eingesetzt, da den osmotischaktiven Stoffen Glucose und Natrium Wasser in den Organismus folgen wird.

8.2.2. Lipide

Lipide mussen durch Gallensalze gelost werden, andere hydrophobe Stoffe wie etwa Billirubinwerden mit hydrophilen Gruppen konjugiert um eine bessere Loslichkeit zu erzielen. Die ausCholesterin synthetisierten Gallensalze sind sehr gute Detergentien, da sie auf einer Seite desMolekuls drei hydrophobe und auf der andern Seite drei hydrophile Gruppen besitzen. Aus-gangspunkt fur die Synthese ist neben Cholesterin auch die Aminosaure Taurin5. Gallensalzewerden zur Losung von Gallenfarbstoffen, Steroidhormonen und Medikamenten die zur Aus-scheidung bestimmt sind benotigt. Ebenfalls detergente Wirkung haben teilweise gespalteneTriglyceride welche so die Verdauung unterstutzen. Die so gebildeten Micellen zerfallen amBurstensaum der Mukosazellen wo die Lipide dann aufgenommen werden.

4Weit verbreitet ist die Lactoseunvertraglichkeit bei Lactasemangel.5Da dies die einzige bekannte Funktion von Taurin ist wird es Energydrinks wohl nur wegen der Anspielung

auf Taurus (gr.: Stier) zugesetzt.

Page 44: Scriptum Block IV
Page 45: Scriptum Block IV

41

Literaturverzeichnis

[1] Guyton, Hall: Textbook of Medical Physiology, 11. Auflage 2006, Elsevier/Saunders

[2] Schmidt, Lang: Physiologie des Menschen, 30. Auflage 2007, Springer–Verlag