Scriptum zum Praktikum Notfallmedizin · für Ausbildung und Durchführung der Wiederbelebung...

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Klinik für Anästhesiologie Universität Heidelberg 1 S S k k r r i i p p t t N N o o t t f f a a l l l l m m e e d d i i z z i i n n Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Klinik für Anästhesiologie Stand 08/2017

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Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Klinik für Anästhesiologie

Stand 08/2017

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Inhaltsverzeichnis

1 Einführung

2 Algorithmen Reanimation

2.1 Primärdiagnostik

2.2 Grundsätze einer Reanimation

2.3 Kreislaufstillstand unklarer Genese

2.4 Asystolie

2.5 Elektromechanische Dissoziation

2.6 Kammerflimmern

2.7 Ventrikuläre Tachykardie

3 Leitsymptom Atem- , Herz-Kreislauf- und ZNS- Störungen

3.1 Atemstörungen

3.2 Herz-Kreislauf-Störungen

3.3 ZNS-Störungen

3.4 Spezielle Notfälle (Polytrauma, akutes Abdomen, Verbrühung,

Verbrennung)

4 Erweiterte Pharmakologie

4.1 Allgemeines

4.2 Medikamente zur kardiovaskulären Therapie

4.3 Medikamente zur Sedierung oder Narkoseinduktion

4.4 Bronchospasmolytika

4.5 Antidot-Gabe

4.6 Infusionstherapie

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1 Einführung

Nachdem 1974 erstmals von der American Heart Association (AHA) Standards für die

kardiopulmonale Reanimation publiziert wurden, die weltweit verbindliche Leitlinien

für Ausbildung und Durchführung der Wiederbelebung festlegten, erfolgte als Ergebnis

von interdisziplinären Diskussionen und auf Grund neuerer wissenschaftlicher

Erkenntnisse in den Jahren 1980, 1986 und 1992 eine stetige Weiterentwicklung. In

Analogie zur AHA wurde in Europa der European Resuscitation Council (ERC)

gegründet, der seinerseits 1992 eigene Leitlinien veröffentlichte. In Deutschland wurde

innerhalb der Bundesärztekammer (BÄK) mit dem "Deutschen Beirat für Erste-Hilfe und

Wiederbelebung" ebenfalls ein Gremium geschaffen, das 1991 auf bundesdeutsche

Verhältnisse abgestimmte Richtlinien herausgab.

Dieses Skript und die Inhalte des Notfallpraktikums basieren im Wesentlichen auf den

Empfehlungen des European Resuscitation Council (ERC), die seit 1998 mehrfach

überarbeitet wurden.

Diese kommentieren und modifizieren die Empfehlungen des International Liaison

Committee on Resuscitation (ILCOR). Im ILCOR haben Vertreter der AHA, des ERC,

der Heart and Stroke Foundation of Canada (HSFC), des Australian Resuscitation

Council (ARC), Resuscitation Council of Southern Africa (RCSA) und des Council of

Latin America for Resuscitation gemeinsame Empfehlungen für die Behandlung des

Herz-Kreislaufstillstandes erarbeitet.

In einer Konsensuskonferenz aller beteiligten Fachgesellschaften am 15. August 2000

wurden die Leitlinien erstmalig gemeinsam von den amerikanischen und europäischen

Arbeitsgruppen überarbeitet und modifiziert. Die neuesten aktuellen Empfehlungen aus

der Veröffentlichung im Oktober 2015 sind dabei in diesem Skript berücksichtigt.

Dieses Skript kann allerdings kein erweitertes Lehrbuchwissen vermitteln und dient

ebenso wenig als Ersatz desselben. Zur Vorbereitung und insbesondere zur Vertiefung

des Praktikums ist also eine weiterführende ausführliche theoretische

Weiterbildung mittels Fachliteratur absolut notwendig und gewünscht. Weiterhin soll

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jeder Studierende eigenständig für die Abläufe im Schema der Asystolie und für

das Kammerflimmern bis zum zweiten Kurstag ein Flussdiagramm erstellen,

dessen Bewertung mit in die Unterrichtsnote einfließt. Eine gute Informationsquelle

hierfür sind die Internetseiten der ERC, hier können die jeweils aktuellen Leitlinien

nachgeschlagen werden.

Am 2. Kurstag erfolgt dann die Ausgabe eines standardisierten Flussdiagramms.

Im Abschnitt ”erweiterte Pharmakologie” wird der Schwerpunkt auf die im Rahmen

einer Reanimation benutzten Medikamente gelegt. Der verbleibende Teil bietet einen

stichpunktartigen Überblick über weitere wichtige Substanzen zur kardiovaskulären

Therapie und Sedierung, sowie zu den im Notfall geeigneten Infusionslösungen.

Grundlegende theoretische Kenntnisse zur Pharmakologie und Pathophysiologie

werden dabei im Praktikum vorausgesetzt.

Der Kursteilnehmer sollte anhand dieses Skriptes und der nachfolgenden praktischen

Ausbildung an Reanimationstrainern in der Lage sein, eine Reanimation zu beginnen

und nach den angegebenen aktuellen Leitlinien aufrechtzuerhalten. Therapeutische

Ansätze zur antiarrhythmischen kreislaufstabilisierenden Therapie wie auch zur

Sedierung eines Notfallpatienten können daraus abgeleitet werden. Zur Technik der

Intubation, Beatmung und Herzdruckmassage sei auch auf Kurs begleitende

Vorlesungen und einschlägige Fachliteratur verwiesen. Während des Praktikums

können auch weiterführende Notfälle behandelt werden, die den Rahmen eines

Flussdiagramms allerdings deutlich überschreiten.

Wie jedes Gebiet der Medizin unterliegt auch die Notfallmedizin einem steten Fluss.

Demzufolge können die hier vorgestellten Grundlagen innerhalb kurzer Zeit überholt

und ersetzt sein. Eine fortlaufende Information sollte also gerade in der Notfallmedizin

für jeden Arzt selbstverständlich sein. Wir sind jedoch bemüht, Änderungen der

aktuellen Richtlinien im Rahmen dieses Skripts fortlaufend zu berücksichtigen.

- Stand 08 / 2017 -

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2 Algorithmen Reanimation

Algorithmen sind einprägsame Vorgehensweisen, die in bestimmten Situationen ein

weitgehend schematisiertes und damit verzögerungsfreies Handeln ermöglichen.

Als Flussdiagramm dargestellt, wird der algorithmische Ablauf von Diagnostik und

Therapie besonders gut ersichtlich.

Algorithmen wurden dabei für gewisse Standardsituationen entworfen. Wer im

entsprechenden Augenblick nach ihnen handelt, wird dem Patienten in der Regel eine

adäquate Behandlung zukommen lassen. In besonderen Situationen kann es jedoch

von Vorteil sein, die Algorithmen zu verlassen. So wird sich etwa ein erfahrener

Intensivmediziner unter bestimmten Umständen nicht daran gebunden fühlen. Ein

Abweichen sollte aber stets begründet erfolgen.

Ihre Aufgabe:

Entwickeln Sie bis zum zweiten Praktikumstag einen schriftlichen Ablaufplan für

die Asystolie und für das Kammerflimmern. Sie erhalten diesen Ablauf im

Anschluss zurück.

Die Vor- und Nachteile der Algorithmen sind offensichtlich. Sie bieten in komplexen

Situationen - besonders dem wenig Erfahrenen - eine sichere Leitschiene, die

schnelles Handeln ermöglicht und den Kopf für andere Dinge - z.B. für organisatorische

Aufgaben während einer Reanimation - freihält. Die Arbeit im Team wird erleichtert, da

die Vorgehensweise in ihren Grundzügen bekannt ist.

Nachteilig erscheinen die unkritische Anwendung, sowie die Erstellung von

Flussdiagrammen für sehr komplexe Gegebenheiten. Dies resultiert meist in

ausufernden Diagrammbäumen, welche weder übersichtlich noch leicht einzuprägen

sind. Deshalb werden hier nur Algorithmen für Reanimationssituationen vorgestellt.

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2.1 Primärdiagnostik

Die Primärdiagnostik ist ein wesentlicher Bestandteil jeder Notfallsituation. Kann sich

doch hinter der Erstmeldung eines Laien ”lebloser Patient” ein harmloser Rausch oder

ein Herz-Kreislaufstillstand verbergen. Jegliche Zeitverzögerung führt unter Umständen

zu schweren Schädigungen oder zum Tod des Patienten.

Die Primärdiagnostik besteht dabei aus folgenden Komponenten:

a) Absicherung der Unfallstelle / Eigensicherung:

Es muss ein Grundsatz jedes Arztes sein, bei Ankunft an der Unfallstelle diesen Punkt

zu prüfen, nicht zuletzt wegen der ihn begleitenden Personen. Gerade bei dramatisch

wirkenden Unfällen wird über den Drang zu helfen, oft die nötige Vorsicht vergessen.

Für den Laien gilt zudem, möglichst früh einen Hilferuf abzusetzen ("phone first").

Wichtige Notrufnummern sind hierbei die europäische Notrufnummer “112“ und ggf.

die Notrufnummer „110“ der Polizei. Unbedingt sind beim Absetzen eines Notrufes der

Ort, eine Verdachtsdiagnose und die Anzahl der betroffenen Personen zu nennen

(„Wo? Was? Wie viele? Welcher Art? Warten auf Rückfragen!“).

b) Ansprechen und ggf. Schmerzreiz:

Der Versuch einer Kontaktaufnahme mit dem Patienten leitet die Diagnostik ein.

Lautes und forsches Ansprechen ist hier angebracht. Schwerhörigkeit und

Vigilanzminderung mit eingeschränkter Geräuschempfindlichkeit können einen nicht

ansprechbaren Patienten vortäuschen. Erst wenn es gelungen ist, mit dem Patienten in

Kontakt zu treten, wird man einen beruhigenden Tonfall vorziehen. (Das Ansprechen

kann dabei mit leichtem Schütteln oder Klopfen auf die Schulter verknüpft werden.

Achtung: Trauma mit Frakturen!). Im Gegensatz zu den bisherigen Empfehlungen wird

das Setzen eines Schmerzreizes nicht mehr ausdrücklich gefordert. Dennoch kann

durch einen unverzüglich kräftigen Schmerzreiz in der supraclavikulären Region

wertvolle Information erlangt werden. Die Reaktion auf diesen Reiz kann dabei grob

eingeteilt werden in:

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keine Antwort, ungezielte oder gezielte Antwort

Die Prüfung auf Schmerzreaktion dient dabei wie die primäre Ansprache in erster Linie

zur Festlegung des Vigilanzniveaus. Sie entscheidet nicht über den Beginn einer

Reanimation. In jedem Fall muss - auch bei gezielter Antwort - sofort zum nächsten

Punkt übergegangen werden.

c) Atmung (und ggf. Pulskontrolle):

Ein ausreichender Gasaustausch ist wie die Organperfusion einer der wichtigsten

Parameter der Notfallmedizin. Leider ist es selbst für den Geübten manchmal

schwierig, eine suffiziente Atmung festzustellen. Seitengleiches Heben des Thorax

ohne Einziehungen des Abdomens bietet nur einen unsicheren Hinweis auf den

Umfang der Ventilation. Auch bei Schaukel- oder Schnappatmung ist eine Thorax-

bewegung zu beobachten, die jedoch nicht mit einer ausreichenden Atmung

einhergeht.

Besonders günstig ist es daher, wenn man ein deutlich vernehmbares

Atemgeräusch über Mund und Nase des Patienten hört. Streng genommen ist dies der

einzige verlässliche Hinweis auf eine vorhandene Atmung.

Im Rahmen der Primärdiagnostik gilt die Auskultation als sehr zeitraubend und zudem

als unzuverlässig. Auch die Gesichtsfarbe kann nur im ungünstigen Fall (Zyanose) als

Kriterium herangezogen werden, da viele Patienten unter Umständen trotz deutlich

eingeschränkter Spontanatmung eine rosige Haut aufweisen.

Bei jedem Zweifel, ob eine suffiziente Spontanatmung vorliegt, wird unverzüglich der

Kopf überstreckt und der Esmarch`sche Handgriff (s. Praktikum) angewandt. Es kann

eine kurze Mundinspektion erfolgen, ggf. mit digitaler Ausräumung bzw. Absaugung

von Erbrochenem etc. (Vorsicht bei Verdacht auf Schädigung der Halswirbelsäule). In

manchen Fällen kann damit eine deutlich verbesserte Atmung erreicht werden.

Die Pulskontrolle ist in der Primärdiagnostik mittlerweile von untergeordneter

Bedeutung. Gleichzeitig zur Atmungskontrolle kann eine Pulskontrolle durchgeführt

werden. Diese erfolgt über der A. carotis (=zentraler Puls (alternativ A. femoralis)). Dies

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darf aber auf keinen Fall weitere Maßnahmen verzögern. Oftmals ist eine korrekte

Pulskontrolle bei einem kritischen Notfallpatienten auch für den Geübten schwer. Eine

Überprüfung des Karotispulses wird für Laien aus diesem Grund nicht mehr

empfohlen. Laien sollten vielmehr nach einer normalen Atmung bzw. Reaktion auf

Ansprache/Schmerzreiz suchen.

Da bei zentralisiertem Kreislauf periphere Pulse möglicherweise nicht mehr tastbar sind

(z.B. A. radialis), ist eine Prüfung hier ungeeignet. Ein fühlbarer Karotispuls beweist

jedoch nicht, dass eine ausreichende Perfusion vorliegt, denn der systolische Druck

kann unter 50 mmHg liegen. Daher muss nach der Feststellung ”Puls vorhanden” und

Sicherung der zweiten Vitalfunktion ”Atmung” der Kreislauf weiter abgeklärt werden:

Wenn der Puls palpabel ist, im Verlauf immer Blutdruck messen!

Eine zügige Primärdiagnostik sollte nur ca. 15 Sekunden dauern!

Eine möglichst zeitnahe Pupillenkontrolle ist weiterhin sicherlich hilfreich. Jede

initiale Zeitverzögerung ist jedoch zu vermeiden, da der Befund nicht für die

Entscheidung zur Reanimation herangezogen werden kann. Im weiteren Verlauf ist

eine Pupillenkontrolle im Rahmen der Untersuchung nach dem ABCDE-Schema in

jedem Fall durchzuführen.

Enge und lichtreagible Pupillen bei Beginn der Reanimation oder die zunehmende

Verengung während der Reanimation können als positiv gewertet werden.

Seitendifferenzen sind als möglicher Hinweis auf ein zerebrales Geschehen zu

registrieren. Der Blick in die Pupillen sollte daher - wie auch die Beurteilung der

Hautfarbe – auch während der Reanimation regelmäßig erfolgen.

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Zusammenfassung:

Die Primärdiagnostik ist der Einstieg in jede Notfallsituation. Sie sollte schnell und ohne

Verzögerung durchgeführt werden. Im Rahmen der Primärdiagnostik sind stets nur

wenige Schritte zu durchlaufen. (Zeitbedarf von etwa 15 sec)

Jeder Arzt sollte in der Lage sein, in dieser Zeit die Situation einzuschätzen und

die richtigen Schritte einzuleiten:

- ggf. Unfallstelle sichern

- Ansprache, ggf. Schmerzreiz

- Atem- (und ggf. Puls-)Kontrolle

- Notruf absetzen – Telefonnummer 112

2.2 Grundsätze einer Reanimation

Für jede Reanimation (CPR = cardiopulmonary resuscitation), gleichgültig ob

Kammerflimmern, Asystolie oder eine andere Form des Herz-Kreislaufstillstands

vorliegt, gelten einige gemeinsame Grundsätze (ALS – advanced life support):

Nach Primärdiagnostik nur Entscheidung: Reanimation ”ja” oder ”nein”.

Keine halbherzige Reanimation:

Ziel der Thoraxkompressionen ist die Generierung eines Minimalkreislaufs

und eines koronaren und zerebralen Perfusionsdrucks zur Gewährleistung

der Durchblutung der lebenswichtigen Organe Gehirn und Herz. Jede

Unterbrechung der Thoraxkompressionen führt zu einem raschen Abfall des

Perfusionsdruckes, so dass jede Unterbrechung so kurz wie möglich

gehalten werden muss.

Die Herstellung eines Minimalkreislaufs durch eine Drucktiefe von 5 cm

(nicht tiefer als 6cm) durch die Thoraxkompressionen (Frequenz: 100-

120/min) und eine adäquate Beatmung (Inspirationszeit 1 Sekunde für eine

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Beatmung – Ziel: Heben des Thorax, höchstmögliche inspiratorische

Sauerstoffkonzentration (FiO2), 10 Beatmungshübe/Minute –

Hyperventilation vermeiden!) müssen schnellstmöglich aufgenommen und

ohne vermeidbare Verzögerung bis zum Ende der Reanimation

aufrechterhalten werden.

Der Druckpunkt für die Thoraxkompressionen liegt im Übergang von

mittlerem zu unterem Sternumdrittel (oder gemäß Leitlinie: Sternummitte).

Sauerstoff (nicht die Intubation) ist ein wichtiges Notfallmedikament in der

initialen Notfallsituation

Jede Reanimation, die nicht unter idealen Bedingungen begonnen wird,

erfordert einen Notruf zur Unterstützung.

Schnellstmögliche Defibrillation bei defibrillierbaren Rhythmen (ggf.

nach CPR) verbessert das Outcome deutlich!

Nach Wiederherstellung eines Spontankreislaufes ist das Vermeiden von

Fieber unbedingt zu vermeiden. Ein zielgerichtetes Temperaturmanagement

ist wichtig. Eine nachfolgende Hypothermie (Kühlung auf 32-34°C bzw.

36°C) verbessert vermutlich das neurologische Outcome.

2.3 Kreislaufstillstand unklarer Genese

Wenn kein EKG zur Verfügung steht, kann eine Differenzierung zwischen

Kammerflimmern (KF) bzw. pulsloser ventrikulärer Tachykardie (VT) und Asystolie

bzw. elektromechanische Dissoziation (EMD; Synonym: pulslose elektrische

Aktivität = PEA) nicht getroffen werden. Es wird die kardiopulmonale Reanimation

eingeleitet und eine schnellstmögliche Rhythmusanalyse (auch via AED) angestrebt!

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2.4 Asystolie

Die Asystolie kann diagnostische Schwierigkeiten bereiten. Eine Verwechslung mit sehr

feinem Flimmern ist möglich. Im Zweifelsfall immer daran zu denken, die

Ableitungselektroden und die max. Amplitudenvergrößerung am EKG-Gerät zu

verändern.

Primär wird jedoch immer die CPR aufgenommen!

Das Verhältnis Thoraxkompressionen zu Beatmung ist dabei wie bei allen anderen

Formen des Herz-Kreislaufstillstandes 30 : 2, solange der Patient nicht intubiert ist.

Ist die Asystolie diagnostiziert, erhält der Patient 1 mg Adrenalin iv. Der iv-Zugang ist

dabei Mittel der Wahl. Die aktuellen Leitlinien propagieren alternativ die intraossäre

Medikamentengabe auch beim Erwachsenen mit spezieller intraossärer Nadel. Eine

endobronchiale Gabe von Medikamenten wird nicht mehr empfohlen.

Um peripher injizierte Medikamente sicher in das zentrale Kompartiment zu befördern

muss mit 20ml Flüssigkeit nachgespült und die betreffende Extremität für zehn bis 20

Sekunden hochgehalten werden.

Eine Repetition des Adrenalinbolus von 1 mg erfolgt danach alle 4 Minuten.

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Zusammenfassung – Asystolie :

– unmittelbar Aufnahme von Thoraxkompressionen und Beatmung (30:2)

– 1 mg Adrenalin so rasch wie möglich applizieren.

– Sicherung des Atemweges, ggf. Intubation oder supraglottischer Atemweg

– EKG- und Pulskontrolle alle 2 Minuten

– bei fortbestehender Asystolie Fortführung der CPR-Maßnahmen

– 1 mg Adrenalin alle 4 Minuten (wurde einmal mit der Gabe von Adrenalin

begonnen wird diese auch bei einem Wechsel in einen defibrillierbaren

Rhythmus alle 4 Minuten fortgesetzt)

Bewertung weiterer optionaler Maßnahmen:

1. Keine Hochdosis-Katecholamintherapie

In klinischen Studien konnte gezeigt werden, dass der primäre Einsatz von

hochdosiertem Adrenalin (10 mg Boli) durch vermehrte Probleme in der

Postreanimationsphase sogar potentiell schädlich sein kann.

2. Keine initiale Blindpufferung

Der Stellenwert einer Blindpufferung mit Natriumbikarbonat im Rahmen der CPR wurde

abgestuft. Erst bei protrahierter Reanimation kann die Option der Blindpufferung

(z.B. Nabic 8,4 % 50 - 100 ml) erwogen werden. Bei nachweisbarer metabolischer

Azidose (BGA) kann die Pufferung gezielt erfolgen.

3. Externe Schrittmacher

Zudem sollte im Verlauf einer Reanimation der mögliche Einsatz eines externen

Schrittmachers überprüft werden. Dies gilt insbesondere bei der Behandlung nicht

beeinflussbarer hämodynamisch relevanter bradykarder Rhythmusstörungen oder

wenn im EKG isoliert P-Wellen vorliegen. Nach Schrittmacherapplikation ist immer ein

"Pseudo"-EKG-Signal zu beobachten, dessen Effektivität obligat mittels Pulskontrolle

zu verifizieren ist.

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4. Lyse unter Reanimation

Bei klinischem Verdacht auf eine zugrunde liegende Lungenembolie stellt auch die

Lyse unter Reanimation eine wichtige Therapieoption dar.

Cave: längere Reanimationsdauer nach erfolgter Lyse! Personelle Hilfe anfordern!

Anmerkung:

Die Indikation und der Zeitpunkt zur Intubation muss nach den vorliegenden

Umständen festgelegt werden. Bei der Asystolie ist jedoch eine frühzeitige Intubation

von Vorteil, da sie eine 100%ige Oxygenierung ermöglicht. Wichtigster Fokus bleibt

aber die möglichst kontinuierliche Herzdruckmassage (maximale Unterbrechung

von 5 Sekunden).

Des Weiteren sollte man zügig einen sicheren peripher venösen Zugang anstreben

(auch V. jugularis externa möglich), alternativ ist ein intraossärer Zugang zu etablieren.

Auch gibt es keine klaren zeitlichen Vorgaben, wann eine Reanimation zu beenden ist.

Dies muss im Einzelfall entschieden werden und obliegt dem behandelnden Arzt.

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2.5 Elektromechanische Dissoziation (EMD)

Synonym: pulslose elektrische Aktivität (PEA)

EMD und PEA sind Synonyme für die gleiche Form des Herz-Kreislaufstillstandes.

Oftmals gibt es eine konkrete behebbare Ursache für diese Situation, die zwar eine

elektrische Aktion des Herzens erkennen lässt, jedoch nicht zu einem ausreichenden

Auswurf führt. Als Beispiel seien hier angeführt:

Pneumo-/ Hämatothorax, Perikardtamponade, Lungenembolie etc.

Grundsätzlich wird hier wie bei der Asystolie vorgegangen, wobei frühestmöglich nach

möglichen Ursachen des Herz-Kreislaufstillstandes zu suchen ist (s.o.).

Hier sei die besondere Bedeutung der Sonographie betont.

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2.6 Kammerflimmern (KF)

KF ist beim Erwachsenen die häufigste Ursache eines Herz-Kreislaufstillstandes (ca.

70%) und hat insgesamt die beste Prognose.

Aufgrund der aktuellen Studienlage ist beim Herz-Kreislaufstillstand mit

Kammerflimmern oder pulsloser Ventrikulärer Tachykardie die schnelle Defibrillation

(auch mittels AED) Mittel der 1. Wahl. Noch bevor die EKG-Klebeelektroden

angebracht sind, kann man sich eine rasche Information verschaffen, indem man die

Elektroden des Defibrillators (Paddles) ungeladen aufsetzt. Wichtig ist auch hier, dass

die Basismaßnahmen der CPR (Thoraxkompressionen: Beatmung mit 30:2) sofort und

unmittelbar begonnen werden - Ausnahme: eine Defibrillation kann umgehend

durchgeführt werden. Eine Unterscheidung in beobachteten und nicht-beobachteten

Herzkreislaufstillstand erfolgt nicht mehr.

Zur Defibrillation wird die Verwendung von selbst-haftenden Defibrillations-Pads

empfohlen, um die Pause von Thoraxkompression zu minimieren sowie eine für den

Helfer sichere Defibrillation sowie eine EKG-Ableitung zu ermöglichen. Alternativ

können Defi-Paddles verwendet werden.

Initial wird ein Schock verabreicht: Für monophasische Defibrillatoren gilt als Gold-

Standard: Defibrillation mit 360 Joule

Für biphasische Geräte gilt als Empfehlung:

Erste Defibrillation mit mindestens 150 Joule (geräteabhängig)

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Direkt nach jeder Defibrillation wird stets für 2 Minuten im 30:2 Rhythmus reanimiert.

Somit erfolgt nicht wie früher eine EKG- und Pulskontrolle direkt im Anschluss an die

Defibrillation, sondern gemäß den aktuellen ERC-Leitlinien erst nach 2-minütigem CPR-

Intervall. Findet sich in dieser Überprüfung von EKG und Puls wieder die Indikation zur

Defibrillation, so wird eine sofortige 2. Stromapplikation (monophasisch 360J,

biphasisch 150-360J, je nach Herstellerempfehlung) notwendig, sofort gefolgt von

einem 2-Minuten-CPR-Intervall.

Diesem folgt wieder eine Puls und EKG-Kontrolle nach 2 Minuten. Besteht das KF

weiter, wird erneut defibrilliert. Nach der 3. Defibrillation erfolgt mit Beginn der

Thoraxkompressionen die Applikation von 1mg Adrenalin und 300mg Amiodaron

iv/io. Dann folgt erneut eine 2-minütige CPR mit anschließender Puls- und EKG-

Kontrolle.

Adrenalin wird auch in diesem Schema im weiteren Verlauf alle 4 Minuten wiederholt.

Nach der 5. Schockabgabe wird zusätzlich 150mg Amiodaron wiederholt gegeben.

Amiodaron ist nach Studienlage das Antiarrhythmikum der 1. Wahl bei

defibrillierbaren Rhythmen unter CPR.

Bei der CPR sollten die Thoraxkompressionen möglichst nicht unterbrochen werden,

wobei Kompression und Entlastung gleich lang sein sollten.

Fazit: Absolut entscheidend ist die möglichst kontinuierliche CPR mit

Thoraxkompressionen:Beatmung im Verhältnis 30:2, z.B. auch während des

Ladevorganges des Defibrillators.

Mögliche Alternativen bei protrahiertem Verlauf:

evtl. Gabe anderer Antiarrhythmika, wie z.B. Ajmalin, Sotalol

evtl. Pufferung mit Natriumbikarbonat bei nachgewiesener Azidose nach

Blutgasanalyse

Ein präkordialer Faustschlag wird nicht empfohlen.

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Zusammenfassung des Vorgehens bei KF:

– Primärcheck

– Alarmierung von weiteren Teammitgliedern (Defibrillator/AED anfordern).

– Aufnahme von Thoraxkompressionen und Beatmung (30:2)

– Rhythmusanalyse, sobald ein Defibrillator/AED verfügbar ist

– Biphasische Einzeldefibrillation mit mind. 150 Joule, alternativ

monophasische Einzeldefibrillation mit 360 Joule

– Thoraxkompressionen nur so kurz wie möglich unterbrechen (< 5 Sekunden)

– Nach Defibrillation sofortige Wiederaufnahme der Thoraxkompressionen und

Beatmung (30:2) für 2 Minuten, dann erst Rhythmusanalyse.

– Bei fortbestehendem Kammerflimmern/pulsloser VT erneute (2.) biphasische

Einzeldefibrillation mit 150-360 Joule (je nach Herstellerempfehlung), alternativ

monophasische Einzeldefibrillation mit 360 Joule.

– Nach Defibrillation sofortige Wiederaufnahme von Thoraxkompressionen und

Beatmung (30:2) für 2 Minuten, dann erst Rhythmusanalyse.

– Bleibt Kammerflimmern/pulslose VT weiterhin bestehen erneute (3.) biphasische

Einzeldefibrillation, alternativ monophasische Einzeldefibrillation mit 360 Joule.

– Nach 3. erfolgloser Defibrillation erfolgt mit Beginn der Thorax-

kompressionen Applikation von 1mg Adrenalin + 300mg Amiodaron iv/io.

– Bleibt Kammerflimmern/pulslose VT weiterhin bestehen, folgen weitere

Adrenalin-Einzeldefibrillation-CPR-Sequenzen.

Anmerkung zu Amiodaron:

In den neuesten Empfehlungen wird Amiodaron als Antiarrhythmikum der 1. Wahl

empfohlen. Als Anfangsbehandlung einer instabilen breiten Kammerkomplex-

Tachykardie wird Amiodaron noch vor Lidocain und Adenosin empfohlen. Auch für die

stabile monomorphe und polymorphe ventrikuläre Tachykardie werden Amiodaron

oder Sotalol bevorzugt, allerdings Kontraindikation bei Torsade-de-pointes

(Magnesium).

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Anmerkung zu Vasopressin:

aktuell keine Therapieempfehlung

Anmerkung zum Defibrillator:

Bei jeder Reanimation ist die Kenntnis der Funktionsweise des Defibrillators

(Einschalten, Wahl der Energiestufe, Laden, Defibrillieren, Entladen ”scharfer Paddels”

bei Abbruch der Maßnahme, Bedeutung des Synchronisationsschalters) und des

Vorgehens (Benutzung von Gel, korrekte Platzierung der selbst-haftenden

Defibrillations-Pads bzw. der Paddels und Anpressdruck, Schutz anwesender beteiligter

und unbeteiligter Personen) essentiell. Eine Einweisung findet im Rahmen des

Praktikums statt. Da aber eine beträchtliche Anzahl verschiedener Hersteller diese

Geräte anbieten, sei an dieser Stelle empfohlen, sich mit den vorhandenen Geräten

am Ort der eigenen ärztlichen Tätigkeit frühzeitig vertraut zu machen.

Vor jeder Aufnahme einer ärztlichen Tätigkeit sollte sich jeder Arzt über Art,

Umfang, Funktionsweise und Lagerungsort der Notfallausrüstung vertraut

machen.

Wichtig:

Aktuell werden aufgrund verbesserter Reanimationserfolge zunehmend biphasische

Defibrillatoren eingesetzt. Als Empfehlung (Geräte- und Herstellerabhängig!) wird

meist eine Energie von 200 Joule gegeben.

Auch die Aufnahme der Therapieoption „Lyse unter CPR“ ist zu beachten, wobei in

diesem Fall im Anschluss eine verlängerte CPR von 60 – 90 Minuten empfohlen wird.

Dies ist notwendig, um sowohl eine mechanische als auch pharmakologische

Fragmentierung eines möglichen Thrombus der pulmonalen Strombahn

(Lungenembolie) zu erreichen.

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2.7 Ventrikuläre Tachykardie (VT)

Die VT kann diagnostische Probleme bereiten. Entgegen den eindeutigen klinischen

Auswirkungen der Asystolie und des KF ist bei der VT jeder klinische Zustand vom

funktionellen Kreislaufstillstand (ohne Auswurfleistung des Herzens) bis zum subjektiv

beschwerdefreien Patienten mit palpablem Puls und messbarem Blutdruck möglich. Die

Therapie richtet sich primär nach dem Befinden des Patienten. Je schlechter die

Hämodynamik, desto aggressiver die Therapie.

Lediglich bei der pulslosen VT sollte entsprechend dem Schema des

Kammerflimmerns (Defibrillation) reanimiert werden. Alle anderen Möglichkeiten

werden je nach Klinik antiarrhythmisch medikamentös oder mit Kardioversion (R–

Zacken getriggerte Abgabe des Elektroschocks) behandelt.

Das klinische Bild wird hierbei durch die Klinik des Patienten und die hämodynamische

Situation bestimmt.

Cave: Der wache Patient muss zur Kardioversion sediert werden

Zusammenfassung:

1. Asystolie und EMD erfordern neben Thoraxkompressionen und Beatmung (30:2)

eine medikamentöse Reanimation!

2. Kammerflimmern und pulslose VT erfordern eine schnellst mögliche

Defibrillation und begleitende medikamentöse Therapie!

Schock - Schock - Schock - Medikament - Schock - Schock - Medikament - Schock …

Beachte: Aktuelle Empfehlungen zur Kinderreanimation sind der Website des ERC

zu entnehmen (www.erc.edu)

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3 Leitsymptom Atem- , Herz-Kreislauf- und ZNS- Störungen

3.1 Atemstörungen

Die Ursachen einer Atemstörung lassen sich in zentrale, mechanische und periphere

Störungen unterteilen. Als Beispiele für zentrale Störungen seien das Schädel-

Hirntrauma, Intoxikationen [z.B. mit Opiaten (Atemdepression)] und zentralnervöse

Krankheitsbilder genannt.

Wichtigste mechanische Ursachen sind sicherlich thorakale Verletzungen mit

Rippenserienfraktur, Hämato- bzw. Pneumothorax und ggf. nachfolgender Entwicklung

eines Spannungspneumothorax, aber auch eine Erschöpfung der Atemmuskulatur

auf Grund einer neuromuskulären Grunderkrankung. Des Weiteren kommen vor allem

bei Kindern Fremdkörperaspirationen, eine Verlegung der proximalen Atemwege im

Bereich des Pharynx, Larynx oder der Trachea in Frage. Auch internistische

Ursachen wie Pneumonien, infektexazerbierte COPD oder Asthma sind häufige

Ursachen.

Anhand von Atemtiefe und Atemfrequenz muss man in der Notfallsituation schnell

entscheiden, ob eine ausreichende Ventilation vorliegt (Auskultation, umgehender

Einsatz des Pulsoxymeters etc.). Evtl. kann auch anhand der Atemperiodik auf das

zugrunde liegende Problem geschlossen werden (z.B. Kussmaulsche Atmung bei

Coma Diabeticum, Cheyne-Stokes-Atmung bei ZNS-Störungen).

Im Rahmen der Reanimation bietet die endotracheale Intubation mit obligatem

Einsatz der Kapnographie die besten Voraussetzungen einer optimalen

Oxygenierung:

- Sicherung der Atemwege mit der Möglichkeit 100% Sauerstoff und ein ausreichend

hohes Atemminutenvolumen (AMV) zu applizieren

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- fast kompletter Aspirationsschutz (cave: Gefahr der fehlenden Schutzreflexe beim

Bewusstlosen)

Nachteilig erscheint die Komplexität des Vorganges, der ohne suffizientes Training

und eingewiesenen Helfer nur schwer durchzuführen ist. Der Zeitpunkt der Intubation

sollte dabei vom behandelnden Arzt selbst festgelegt werden, dieser beurteilt dabei

auch die gegebenen Umstände und seine eigenen Fähigkeiten (Alternative

Larynxmaske, Larynxtubus).

Besonders wichtig ist, durch Intubationsversuche keine Zeit zu vergeuden und nach

erfolgter Intubation eine genaue Lagekontrolle vorzunehmen. Es sollte eine

Kapnographie verwendet werden, um die korrekte Lage des Endotrachealtubus zu

bestätigen. Eine Auskultation erfolgt immer zuerst über dem Magen, dann über

beiden Lungenseiten. Im Zweifelsfall bei unklarer Tubuslage muss der Tubus wieder

entfernt, eine überbrückende Maskenbeatmung durchgeführt werden und zu einem

späteren Zeitpunkt erneut ein Intubationsversuch erfolgen.

Fast immer ist eine überbrückende Maskenbeatmung für den Patienten viel

nützlicher, zumal beim Kammerflimmern als häufigste Form des Herz-

Kreislaufstillstandes eine sofortige Elektrotherapie notwendig ist. Die Beatmung über

die Maske bedarf dabei weniger Hilfsmittel und kann fast unverzüglich begonnen

werden. Die Maskenbeatmung kann allerdings auch schwierig durchzuführen sein,

wobei Hilfsmittel und Tricks zur Verfügung stehen (Güdel-Tubus, doppelter C-Griff,

Kopf überstrecken etc.).

Daher sollte die Effektivität ständig überprüft werden. Auch kann ein leicht erhöhter

Beatmungsdruck (> ca. 20 cmH2O) den Magen mit Luft füllen und die

Aspirationsgefahr beim stets als nicht nüchtern geltenden Notfallpatienten erheblich

erhöhen. In jedem Falle sollte das wichtigste Notfallmedikament „Sauerstoff”

eingesetzt werden.

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Anmerkung:

Beim spontan atmenden Patienten mit deutlicher Hypoxie zeigen die klinischen

Erfahrungen, dass die Applikation von Sauerstoff über Gesichtsmaske mit Reservoir

am effektivsten ist. Nasensonden führen beim respiratorisch insuffizienten Patienten,

der dann durch den Mund atmet, oft nicht zum gewünschten Erfolg.

Das Tidalvolumen bei einer Beatmung mit Sauerstoff sollte ca. 6-7ml/kg KG (500 - 600

ml) bei einer Frequenz von ca. 10-12/Minute betragen. Zudem ist der Einsatz

alternativer Methoden zur Atemwegssicherung wie Güdel- und Wendl-Tubus,

Larynxmaske, Kombitubus oder Larynxtubus möglich (siehe Praktikum).

Die Beatmung über Mund-zu-Nase oder Mund-zu-Mund ist als Notlösung zu

verstehen, wenn keine anderen Hilfsmittel vorhanden sind. Außer den ungünstigen

hygienischen Verhältnissen ist hier die fehlende Möglichkeit zusätzlich Sauerstoff

zuzuführen zu bemerken. Über den Fachhandel sind zudem Schutzmasken zu

beziehen, die u.a. in Form eines Schlüsselanhängers mitgeführt werden können (z.B.

Ambu®).

3.1.2 Notfall: Asthma Bronchiale

Definition:

Anfallsweise auftretende Atemnot, die mit einer generalisierten Spastik der Atem-

wege einhergeht.

Die Ursachen, die zu einem Schleimhautödem, zur Produktion eines sehr zähen

Bronchialschleims und der Verengung der Bronchialmuskulatur (Bronchospasmus)

führen (asthmatische Trias), sind entweder extrinsischer Natur (allergisch), oder

intrinsisch bedingt, wie beispielsweise durch Schmerzmittel ausgelöstes Asthma,

Asthma nach/bei Bronchitis, Asthma bei körperlicher Belastung.

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Leitsymptome:

Dyspnoe, anfallsartige Atemnot, häufig in den frühen Morgenstunden, häufig

Hustenattacken, Einsatz der Atemhilfsmuskulatur, verlängertes Exspirium, Angst und

Unruhe bis zu Panikattacken, selten Zyanose.

Auskultation: Giemen und Brummen sowie trockene RGs

Einschätzung des Schweregrads eines Asthmaanfalls:

- Patient kommuniziert in ganzen Sätzen = leichter Asthmaanfall

- Patient spricht nur noch wenige Worte = mittelschwerer Asthmaanfall

- Patient spricht Ein-Wort-Sätze = schwerer Asthmaanfall

Behandlung des akuten Anfalls:

Der Asthmatiker im akuten Anfall profitiert in seiner Angst am stärksten von verbaler

Beruhigung. Bei allergischem Asthma steht an erster Stelle das Ausschalten des

auslösenden Agens.

Lagerung: Oberkörperhochlagerung zum Einsatz der Atemhilfsmuskulatur

Medikamente:

1. Dosieraerosole wie Fenoterol (Berotec)-Aerosol (initial 2 Hübe, dann alle 3-5

Minuten 1 weiterer Hub; maximal 12/Tag))

– Procedere mit Dosieraerosolen: Patienten erst ausatmen lassen, dann während

der Inspiration applizieren, Inspiration zu Ende führen lassen!

– Problematik: Asthmatische und generell dyspnoeische Patienten zeigen eine

geringe Fähigkeit, in ihrer bestehenden Atemnot konzentrierte Atemmanöver

durchzuführen, d.h. Dosieraerosol-Applikationen gelingen im schweren Asthma-

und Atemnotanfall eher schlecht.

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– Lösung: Inhalative Applikation der Medikamente mittels Verneblung. Die

klinische Erfahrung zeigt hierfür einen deutlich besseren Erfolg hinsichtlich einer

bronchodilatierenden Therapie.

2. Volumen- und Elektrolytsubstitution: Kristalloide Lösungen verbessern (senken)

die Viskosität des produzierten Schleims.

3. Kortikosteroide iv (z.B. Solu-Decortin 150-250 mg)

4. weitere Additiva: ggf. zusätzlich Bricanyl (Terbutalin) 0,5 mg sc und/oder

Bronchospasmin (Reproterol) iv

Beta 2-Sympathomimetika sind Mittel der 1. Wahl!

Eine weitere Alternative stellt die inhalative Gabe von Adrenalin (Verneblung von

Adrenalin pur) oder die titrierte iv-Gabe von Adrenalin (Verdünnung 1:100) dar.

Anmerkung:

Theophyllin (Euphylong, 200 - 300 mg i.v.) wird in europäischen Gremien kritisch

diskutiert (wegen Tachykardie unbedingt EKG-Monitoring erforderlich).

Eine Gefahr stellt die Erschöpfung der Atemmuskulatur mit arterieller Hypoxie dar

(SpO2 85% unter maximaler O2-Therapie, pCO2 60 mmHg, zunehmende

Verwirrtheit und Somnolenz), die im Status Asthmaticus mit fehlendem Ansprechen

auf die Therapie endet und laut Definition > 1h andauert.

Ultima Ratio im Status Asthmaticus:

Ketaminnarkose mit Ketamin (Ketanest) hoch dosiert 1,5 – 4 mg/kg KG

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3.2 Herz-Kreislauf-Störungen

Die präklinische Versorgung von Patienten mit akuten Störungen der Herz-

Kreislauffunktion macht im Rettungswesen einen Hauptteil aller Einsätze aus.

Hier reicht das Spektrum von primär kardial bedingten Fällen wie Herzinfarkt, Angina

Pectoris oder Rhythmusstörungen bis hin zu den verschiedenen Schockformen, der

Lungenembolie oder der Anaphylaxie.

Eine nähere Beschreibung und Therapieausführungen würden sicherlich den Rahmen

dieses Skriptes sprengen, so dass auf entsprechende Fachliteratur zur Notfallmedizin

verwiesen wird.

Ziel aller Bemühungen ist es aber auch hier, durch die entsprechenden Maßnahmen

die Primärvitalfunktionen Atmung und Kreislauf zu sichern, um eine Hypoperfusion

vor allem der zentralen Organe zu vermeiden.

3.2.1 Behandlung Akutes Coronarsyndrom (ACS)

(siehe auch ERC-Leitlinien)

Sicherung der Verdachtsdiagnose durch:

a) klinisches Bild (z.B. Vernichtungsschmerz, Ausstrahlung, Todesangst, Dyspnoe,

Kaltschweißigkeit)

b) typische EKG-Veränderungen bei Registrierung eines 12-Kanal-EKGs (z.B.

Erstickungs-T, ST-Hebungen oder Senkungen)

c) laborchemische Enzymveränderungen (z.B. Troponin, CK, CKMB) – meist erst

innerklinisch nachweisbar

Bei klinischem Verdacht auf akuten Infarkt sollte der Patient eine standardisierte

Therapie erhalten:

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1. Sauerstoffgabe

Nach Überprüfen der Vitalzeichen beim hypoxischen/dyspnoeischen Patienten

Verbesserung der Oxygenierung durch Sauerstoffapplikation über Gesichtsmaske mit

Reservoir. Sicherlich kommt auch einer entsprechenden Beruhigung durch den Arzt

eine wichtige Rolle zu. Beim unkomplizierten Infarkt ohne Dyspnoe, Hypoxie oder

Zeichen einer Herzinsuffizienz wird eine unkritische hochdosierte Sauerstoffgabe nicht

mehr empfohlen, da eine Hyperoxämie das Infarktareal vergrößern kann (Ziel-SpO2:

94-98%).

2. Koronardilatation/Vorlastsenkung

Bei hypertensiven Blutdruckwerten initiale Applikation von Nitro-Spray (0,4 mg / Hub).

Cave: keine Nitro-Applikation bei systolischen Werten < 90-100mmHg oder weiteren

Kontraindikationen, z.B. Aortenstenose, Einnahme von Sildenafil etc.

3. Analgesie und Sedierung

Bei Beschwerden titrierte iv-Applikation von Morphin (meist 5 – 10 mg). Zur

Vermeidung von Übelkeit und Erbrechen ggf. vorheriger Einsatz von Antiemetika (z.B.

Paspertin). Bei entsprechender Titration des Morphins ist auf Grund der sedierenden

Komponente eine zusätzliche Sedierung mit Benzodiazepinen meist nicht notwendig.

4. Antikoagulation

Zur Verhinderung eines Appositionsthrombus werden Aspirin (ERC: 75-325mg;

häufig praktiziert: 500mg) und Heparin (70-100 IE/kg, häufig praktiziert: 5000 IE)

intravenös appliziert. Zusätzlich kann bei Patienten mit STEMI-Verdacht die Gabe von

ADP-Rezeptor-Antagonisten prähospital oder in der Notaufnahme bei geplanter

Koronarintervention erwogen werden.

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5. Beta-Blocker

Bestehen keine Kontraindikationen für den Einsatz eines Beta-Blockers (Asthma,

Bradykardie, Hypotonie) kann dieser bei tachykarder Kreislaufsituation schon

präklinisch verabreicht werden. Allerdings wird die präklinische Standardgabe von

Betablockern nicht empfohlen.

6. Transport ins Zielkrankenhaus

Wenn immer möglich, ist direkt ein Krankenhaus mit Möglichkeit zur

Koronarangiographie anzufahren. Eine prähospitale Aktivierung des Herzkatheterlabors

kann nicht nur Behandlungsverzögerungen reduzieren, sondern auch die

Patientensterblichkeit verringern und sollte daher bei einem STEMI regelhaft erfolgen.

3.2.2 Behandlung einer Anaphylaxie

(siehe auch ERC-Leitlinien)

Sicherung der Verdachtsdiagnose durch:

a) klinisches Bild (Tachykardie, Hypotonie, Rötung durch periphere

Vasodilatation, Dyspnoe, Juckreiz durch Histaminfreisetzung etc.)

b) Anamnese (bekannte allergische Disposition)

Bei klinischem Verdacht auf eine schwere allergische Reaktion sollte der Patient eine

standardisierte Therapie (AAC-Regel) erhalten:

1. Agens entfernen

2. 0,5mg Adrenalin im (ggf. alternativ verdünnte Gabe iv, titriert)

3. Kortison hochdosiert (z.B. 500 mg Solu-Decortin iv)

Des Weiteren Verbesserung der Oxygenierung durch Sauerstoffapplikation über

Gesichtsmaske mit Reservoir (mind. 8l O2 /min) und Beruhigung durch den Arzt. Neben

einer Volumenzufuhr werden Antihistaminika (H1-Blocker) verabreicht.

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In der Regel profitieren die Patienten aufgrund der peripheren Vasodilatation von einer

initialen Schocklagerung.

Typische Auslöser anaphylaktischer Reaktionen sind im präklinischen Bereich

Südfrüchte, Nüsse, Wespen- bzw. Bienengift, im klinischen Bereich vor allem

Antibiotika, NSAR, Latex, KM und im Bereich der Anästhesie Muskelrelaxantien.

3.3 ZNS-Störungen

In der Notfallmedizin treten akute Störungen des ZNS relativ häufig auf. Zu

unterscheiden sind dabei im Wesentlichen zerebrovaskuläre Erkrankungen wie

Apoplex, Transitorische Ischämische Attacke (TIA), Subarachnoidalblutungen

(SAB), traumatische Ereignisse wie das Schädel-Hirntrauma (SHT), der epileptische

Anfall und in seltenen Fällen auch infektiöse Ursachen, wie z.B. Meningitis (cave:

Eigenschutz!) oder Enzephalitis. Zur jeweiligen spezifischen Therapie sei auf

Fachliteratur verwiesen. Wesentlich bleibt aber auch hier die bestmögliche

Oxygenierung bei gesichertem Atemweg und eine ausreichende Organperfusion

(Beurteilung anhand eines arteriellen Mitteldrucks > 65mmHg).

Vor allem bei Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma, Hirndrucksymptomatik und einem

Glasgow-Coma-Scale (GCS) < 9 ist eine frühe Intubation anzustreben.

GCS: Beurteilung des neurologischen Zustandes anhand motorischer und verbaler

Antwort sowie Augenreaktion

Mit Hirndruck muss gerechnet werden bei:

initialer Pupillendifferenz (Anisokorie) oder Ausbildung im weiteren Verlauf

(engmaschige Kontrollen!)

erkennbarem Schädeltrauma (Prellmarken, Blutung aus dem äußeren

Gehörgang, Liquorrhoe)

initial länger andauernder Bewusstlosigkeit (an BZ-Bestimmung denken!)

typischem Unfallhergang (z.B. Sturz aus größerer Höhe)

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3.3.1 Maßnahmen bei Verdacht auf Hirndruck:

1. Lagerung

Oberkörperhochlagerung, sofern es die Kreislaufsituation erlaubt (ca. 30°)

2. Rasche Narkoseeinleitung

Einleitung und Aufrechterhaltung der Narkose z. B. mit Thiopental (Trapanal®), einem

Opiat und einem Muskelrelaxans zur Senkung des Hirndrucks (Senkung des zerebralen

Metabolismus) in Abhängigkeit der Glasgow-Coma-Scale

3. bei akuter Einklemmung milde Hyperventilation (Atemfrequenz ca. 20/min)

Vasokonstriktion im zerebralen Perfusionsgebiet (ca. 33 - 35mmHg)

Kontrolle der Beatmung mittels Kapnographie / Kapnometrie

4. Gabe von Osmodiuretika

z.B. Mannitol-Lösung 1mg/kg KG

Engmaschige Blutdruckkontrollen müssen durchgeführt werden, um einer

hypotonen Kreislauflage rechtzeitig entgegenwirken zu können. Mitentscheidend ist

hierbei eine ausreichende zerebrale Perfusion durch Aufrechterhaltung eines

systolischen Blutdrucks > 90 mmHg. Eine antiödematöse Therapie mittels

Osmofundin wird zumeist erst in der Klinik begonnen.

Wichtig: Zerebraler Perfusionsdruck CPP = MAP – ICP

MAP = Mittlerer arterieller Druck

ICP = Intrazerebraler Druck

Anmerkung:

Hochdosiertes Kortison ist entgegen einer weit verbreiteten Meinung beim Polytrauma

und auch beim SHT präklinisch kontraindiziert. Nur beim isolierten Rückenmarkstrauma

ohne weitere Begleitverletzungen kann nach bildgebender Diagnostik die Option

Kortikosteroide in der Klinik überprüft werden.

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3.3.2 Krampfanfall (epileptischer Anfall):

Zur Krampfdurchbrechung werden in der Regel kurzwirksame Benzodiazepine wie

Clonazepam (Rivotril®) oder auch Midazolam (Dormicum®) eingesetzt. Eine

Therapieoption stellt auch das länger wirksame Diazepam (Valium) dar.

Neben der Sauerstoffgabe steht im akuten Krampfanfall der Schutz des Patienten

vor weiteren Verletzungen im Vordergrund. Das früher propagierte Einbringen eines

Beißkeils wird inzwischen nicht mehr empfohlen.

Erst bei einem Status Epilepticus wird als Ultima Ratio Thiopental (Trapanal®) als

Antikonvulsivum eingesetzt. Allerdings zieht dies die Notwendigkeit der Sicherung des

Atemwegs und der Ventilation mittels endotrachealer Intubation und Beatmung nach

sich.

3.3.3 BZ-Entgleisung

Da sich eine Hyperglykämie sehr langsam entwickelt, ist im präklinischen Bereich die

Hypoglykämie weitaus häufiger. Bei jeder unklaren Bewusstseinsstörung ist an eine

Hypoglykämie zu denken (BZ-Messung). Klinische Zeichen bei (noch) nicht

bewusstseinsgestörten Patienten sind neben einer eventuellen Anamnese Angst,

Blässe, Zittern, Unruhe, Heißhunger, Herzrasen, Schwitzen, weite Pupillen,

Sehstörungen oder Parästhesien.

Präklinische Substitution im Erwachsenenalter:

bei Bewusstlosigkeit: 8-10g Glucose iv (entspricht 20-25ml G40%)

Glucosegabe immer streng intravenös (Rücklaufprobe der Viggo!)

Gabe immer fraktioniert nach Wirkung

Wichtig: Engmaschige Kontrollen, ggf. Nachinjektion(en)

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Cave: Messung immer möglichst weit vom Substitutionsort entfernt. Applikation über

sicheren periphervenösen Zugang

Beachte:

1) Patienten mit einer Sufonylharnstoff-Therapie müssen auf Grund großer sekundärer

Hypoglykämiegefahr immer stationär aufgenommen werden.

2) Geschäftsfähigkeit nach Hypoglykämie sehr eingeschränkt (stabiles und betreutes

Umfeld wichtig)

3.4 Spezielle Notfälle

3.4.1 Polytrauma (siehe auch Traumatologie, Skript M. Münzberg, C. Frank, C.G.

Wölfl – BG Unfallklinik Ludwigshafen)

Definition: Verletzung mehrerer Körperregionen oder von Organsystemen, wobei

wenigstens eine Verletzung oder die Kombination mehrerer Verletzungen vital

bedrohlich ist (zu unterscheiden von der Mehrfachverletzung ohne vitale Bedrohung

oder der schweren, lebensbedrohlichen Einzelverletzung).

- geschätzte Anzahl pro Jahr: ca. 40.000 (keine amtliche, statistische Erhebung)

- häufigste Todesursache bei unter 40-Jährigen

- stumpfe Verletzungen mit über 90% führend (in Deutschland)

- überwiegend männliches Geschlecht

- alle Körperregionen betreffend

- Gesamtletalität ca. 20%!

Der Verdacht auf eine Polytraumatisierung ergibt sich u.a. bei einem Sturz aus mehr

als drei Meter Höhe, Motorrad- oder Autounfall mit höherer Geschwindigkeit,

Einklemmung oder Verschüttung, Tod eines Fahrzeuginsassen, Explosions-

verletzungen, hoher Energiewirkung (Fahrzeugdeformierung) etc.

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Die lebensbedrohlichen Verletzungen bei einem Polytrauma und schwere

Schädelverletzungen müssen notfallmäßig versorgt werden. Hier gilt das Motto: „Treat

first what kills first!“

Um dieses Ziel zu erreichen gibt es für die präklinische Traumaversorgung und den

Schockraum weltweit etablierte Diagnose- und Therapiekonzepte, die sich am

sogenannten ABCDE Schema orientieren. Dabei sind die einzelnen Buchstaben

ABCDE in der Reihenfolge standardisiert und prioritätenorientiert mit Pathophysiologien

hoher Mortalität verknüpft. Die Algorithmen helfen mit einer systematischen

Untersuchung und Therapie die zugrundeliegenden Verletzungen zu erkennen und zu

behandeln, ohne Wesentliches zu übersehen. Außerhalb der Klinik helfen sie

zielorientiert die Transportpriorität festzulegen (der Verletzte gehört in die nächste

geeignete Klinik). Außerdem haben die Prinzipien der Reevaluation zur Erfassung

dynamischer Situationen einen hohen Stellenwert. Nur bei nicht lebensbedrohlichen

Situationen wird die Diagnostik und Therapie mit der dann auch möglichen Breite

durchgeführt.

PHTLS ist damit eine Hilfe zur stets qualitativ hochwertigen Versorgung von (Schwer-)

Verletzten in der Präklinik. Analog dazu besteht mit ATLS ein Kursformat für die daran

anknüpfende klinische Versorgung im Schockraum.

PHTLS

Bei PHTLS (Prehospital Trauma Life Support) beginnt die initiale Beschäftigung mit

dem präklinischen Trauma mit Aspekten der Sicherheit, Szene und Situation (beachte

Eigen- und Fremdsicherung: Absichern der Unfallstelle, Erkennen von sonstigen

Gefahren wie z.B. Elektrizität, Einsturzgefahr). Hierzu muss man sich die notwendigen

Informationen einholen und bildet eine erste Einschätzung. Beim Eintreffen am

Unfallort wird nach rascher Orientierung ein erster Eindruck (General Impression)

formuliert (Sichtung und ggf. Triage). Danach werden Atemweg und HWS-

Immobilisation (A), Breathing (B), Circulation (C), Disability (D) und Environment (E)

abgeklärt (Primary Assessment).

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Notwendige Maßnahmen müssen unverzüglich eingeleitet werden, wie zum Beispiel:

- sofortige Sauerstoffgabe (mind. 8l O2/min) über Gesichtsmaske mit Reservoir bei

spontan-atmendem Patienten

- Intubation und Beatmung sollte bei Atemstillstand, Bewusstlosigkeit,

respiratorischer Insuffizienz, drohender Aspiration, Verlegung der Atemwege,

drohendem und manifestem Schock erfolgen (geeignete Medikamente: s.u.)

- thorakale Dekompression und Thoraxdrainage sind bei

Spannungspneumothorax (Auskultation) und Pneumothorax bei Beatmung Mittel

der Wahl

- Blutstillung mit Kompressionsverbänden, manuelle Kompression, Tamponade

schwerer oraler/nasaler Blutungen, ggf. Anlegen eines Tourniquet als Ultima

Ratio

Es wird bestimmt, ob man es mit einem kritisch Verletzten zu tun hat und welche

Transportpriorität besteht. Ist der Patient kritisch verletzt, muss ein unverzüglicher

Transport in die nächste geeignete Klinik erfolgen. Die weitere Behandlung kann auf

dem Transport erfolgen. Bei nicht-kritisch Verletzten schließt sich ein Secondary Survey

an.

In diesem Secondary Assessment wird das potentielle Verletzungsmuster eruiert,

hierbei erfolgt die Untersuchung von (Gesichts-)Schädel mit Pupillenkontrolle, Thorax

mit Auskultation und Halsgebiet, Abdomen, Wirbelsäule, Becken und Extremitäten

(Durchblutung, Motorik, Sensibilität) unter ständiger Kontrolle der Vitalfunktionen.

Ziel der präklinischen Therapie ist es, lebensbedrohliche Zustände zu erkennen, zu

therapieren bzw. anzutherapieren und den Patienten transportfähig zu machen, um ihn

schnellstmöglich einer adäquaten, definitiven Therapie in einem geeigneten

Zielkrankenhaus zuzuführen.

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ATLS (Advanced Trauma Life Support)

Nach Voranmeldung durch den Rettungsdienst wird je gemeldetem Zustand des

Patienten bzw. Unfallkinematik der Schockraumalarm ausgelöst. Bei Ankunft des

Patienten im Schockraum haben alle Mitglieder anwesend zu sein. Bei der Übergabe

sollte kurz und prägnant der Unfallmechanismus, sowie der Zustand des Patienten und

die durchgeführten Maßnahmen in ABCDE-Struktur übergeben werden. Danach erfolgt

die strukturierte und prioritätenorientierte Untersuchung des Patienten. Die Struktur des

ABCDE sollte eingehalten werden und die gefunden Pathologien laut und deutlich mit

dem gesamten Team kommuniziert werden. Es ist weiterhin, wie auch präklinisch,

darauf zu achten, dass der Patient nur inline mobilisiert wird (HWS und/oder

Immobilisation der gesamten WS) um weitere Schäden („do no further harm“) zu

vermeiden. Sollte bei der strukturierten Untersuchung an einem der Punkte eine

Pathologie bei einem kritischen, hämodynamisch instabilen Patienten gefunden

werden, welche eine sofortige Intervention erforderlich macht, wird die weitere

Untersuchung sofort unterbrochen und die entsprechende Intervention durchgeführt.

Auch hier gilt das Prinzip der Prioritätenorientiertheit („Treat first what kills first“).

Bei hämodynamisch stabilen Patienten und entsprechender Unfallkinematik sollte man

nach Abschluss des Primary Assessments eine CT-Polytraumaspirale veranlassen und

im Anschluss sollte ein Secondary Assessment erfolgen, um die Anzahl der „Missed

Injuries“ so gering wie möglich zu halten.

Zusammenfassung:

Frühzeitige Entscheidung kritischer / nicht kritischer Patient!

Nutze Möglichkeiten zur schnellen Rettung, wenn Patient in Zwangslage!

Beachte das Zeitmanagement - Beurteilung der Transportpriorität!

Wiederbeurteilung nach ABCDE in regelmäßigen Abständen!

Prüfe Indikation zur Ganzkörperimmobilisierung!

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PHTLS Deutschland Beurteilung und Management

Inhalt Maßnahmen

Scene

Safety

Was? Wie? Wo? Wer? Notfallmeldung/Alarmierung Leitstelle, Sicherheitskleidung, Helme, Untersuchungshandschuhe und Schutzbrillen tragen

Situation Wetter, nächstes Traumazentrum, wie viele Verletzte, Kinematik etc.

ggf. weitere Einsatzmittel nachfordern

General Impression

– erster Eindruck?

Ansprechbar? Atmung vorhanden? Puls vorhanden? Signifikante Blutung?

deutliche Kommunikation ans Team potentiell kritisch vs. nicht kritisch ggf. bereits Krankenhaus, Hubschrauber usw. verständigen

Primary Assessment / Erstuntersuchung und Behandlung

A Airway / Atemweg inkl. manueller Immobilisierung der HWS

Inspektion Verlegung durch eigene Zunge, Blut, Erbrochenes etc.

Aufforderung Mund zu öffnen ggf. Mund manuell ausräumen Esmarch-Handgriff, Absaugen, Guedel- oder Wendl-Tubus, Intubation oder alternative Atemwegssicherung ggf. chirurgischer Atemweg

B Breathing / Belüftung – Ventilation

Atemfrequenz abschätzen suffiziente Atmung? Zyanose? Atemzugtiefe abschätzen Thoraxexkursion und –stabilität Auskultation Halsvenenstauung

bei <12 oder >20/min ggf. assistierte Beatmung Sauerstoffgabe 100% Monitoring mit SpO2-Messung Thoraxentlastung bei Spannungspneumothorax ggf. Transport organisieren

C Circulation / Kreislauf

starke Blutung (sichtbar/vermutet)? Hautbeurteilung Rekapillarisierungszeit Pulsstatus (peripher/zentral, -qualität, -frequenz) Evaluation der Blutungsräume (Thorax, Abdomen, Becken, Oberschenkel)

Blutung stoppen - Druckverband, Tourniquet Beckenschlinge bei V.a. Beckenfraktur ggf. iv-Zugänge, ggf. Volumen (low-Volume-Infusionstherapie!) ggf. Transport organisieren

D Disability / Neurologie

Glasgow Coma Scale Pupillenstatus grobe Motorik/Sensorik der Extremitäten

ggf. Transport organisieren

E Expose – Environment / Entkleidung - Wärmeerhalt

Untersuchung und Sichtung suspekter Körperteile

Entkleiden mit Schere Wärmeerhalt! ggf. spezielle Wärmedecke

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Secondary Assessment / weiterführende Untersuchung Erst nachdem lebensbedrohliche Probleme behandelt sind! Ggf. erst auf dem Transport!

Vitalwerte Atemfrequenz, -tätigkeit (Atemzugvolumen, -minutenvolumen) Monitoring/Überwachung der Vitalparameter (EKG, SpO2, RR) Blutzucker-Messung Temperatur-Messung

Bodycheck -

Ganzkörperuntersuchung

Inspektion Palpation Auskultation ggf. Reposition von Frakturen, Schienung ggf. Immobilisation

Anamnese S Symptome A Allergien M Medikation P Patienten-/Krankengeschichte, Vorerkrankungen L letzte Mahlzeit E Ereignis/Erinnerung

Frakturbehandlung Frakturen werden normalerweise durch Längszug oder den entgegengesetzten Unfallmechanismus reponiert. Vor Reposition ist auf pDMS zu achten. Befunde sind zu dokumentieren und an Behandler weiterzugeben. Schienungen erfolgen z.B. mit Splints. Offene Verletzungen ggf. Fotodokumentation, damit möglichst viel Information bis zum Abnehmen des Verbandes im OP transportiert wird. Danach steril abdecken! Spezielle Frakturen/Luxationen erfordern ein angepasstes Vorgehen – siehe hierzu entsprechende Lehrbücher! Beispiele komplikationsträchtiger Verletzungen: Schulterluxation: N. axillaris Humerusfraktur: N. radialis Knieluxation: N. peroneus

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3.4.2 Akutes Abdomen:

Definition:

Akute Manifestation von Erkrankungen im Bauchraum, die einer sofortigen Diagnostik

und Therapie bedürfen.

Leitsymptome:

Schmerz, Abwehrspannung, Übelkeit, Erbrechen, reduzierter Allgemeinzustand bis

hin zum Schock, gestörte Ausscheidung etc.

Klinisch imponieren Bauchschmerzen, die umschrieben oder diffus sind, akut oder

über Stunden und Tage entstanden sein können sowie Übelkeit und Erbrechen. Des

Weiteren können Meteorismus, Schonhaltung und Abwehrspannung als Zeichen einer

diffusen peritonealen Reizung auftreten. Begleitend finden sich zudem

Allgemeinsymptome wie Fieber, Exsikkose, Angst, Inappetenz, oberflächliche

Atmung, Kaltschweißigkeit, Tachykardie und Hypotonie bis hin zum Schock. Die

Therapie in der Prähospitalphase erfolgt bei den meist nicht eindeutigen Befunden

symptomatisch mit Volumensubstitution, eventuell Gabe von Antiemetika,

Analgetika und Sauerstoff.

3.4.3 Verbrühung:

Definition:

Thermische Schädigung durch heiße Flüssigkeiten oder Dampf

3.4.4 Verbrennung:

Definition:

thermische Verletzung der Haut und der Gewebe durch

a) Flammen (Verbrennung im eigentlichen Sinne)

b) heiße Gegenstände (Kontaktverbrennungen)

c) chemische Verbrennungen

d) elektrische Verbrennungen

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1) Feuer bzw. Strahlung von Lichtbogen oder Blitz

2) Verbrennungen durch Stromfluss durch den Körper (tiefe

Gewebsverkohlungen, Knochenschäden)

3) Strahlung (---Strahlung), UV-Strahlung

Verbrennungen und Verbrühungen sind abhängig von Temperatur und

Einwirkdauer!

In der Laienhilfe erfolgt nach Entfernen der Kleidung (anklebende Kleidungsteile

umschneiden, nicht abreißen!) nach Möglichkeit eine Kühlung des verbrannten Areals

mit ca. 15-25ºC kaltem Wasser für max. 5 bis 10 Minuten zur Analgesie (cave: keine

Kühlung größerer Areale am Körperstamm Auskühlungsgefahr).

Nach der Kühlung erfolgt ein steriles Abdecken der Wundflächen. Ein weiteres

Auskühlen des Patienten ist zu vermeiden (Rettungsfolie, Rettungsdecken etc.).

Die noch verbreitete Meinung, durch intensivierte Kühlung eine verminderte

Verbrennungszone zu erreichen, ist durch diverse Studien widerlegt, die sogar eine

Vergrößerung des Nekroseareals nach Kühlung mit Eis beschreiben. Auch die

ausgeprägte Hypothermie bringt weitere Dysbalancen (z.B. Gerinnungsstörungen) mit

sich.

Wichtig: adäquate medikamentöse Schmerztherapie

Stichworte:

Röte, Blässe, Blasen, Verkohlung (cave: Inhalationstrauma, s.u.) und die Ausdehnung

in % der Körperoberfläche (KOF) nach der Neunerregel nach „WALLACE“

Frühzeitig sollte Sauerstoff appliziert und ein sicherer periphervenöser Zugang gelegt

werden, über den die Möglichkeit der Applikation von Analgetika und kristalloiden

Lösungen besteht. Abhängig von Verbrennungsgrad und Ausdehnung der Verbrennung

sollte unverzüglich mit einer Volumentherapie (Parkland-Formel) begonnen werden,

sowie der Patient nach Stabilisation in eine Spezialabteilung für

Schwerbrandverletzte gebracht werden (z.B. BG-Klinik Ludwigshafen).

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Bei Verdacht auf ein Inhalationstrauma sollte die Indikation zur Intubation großzügig

gestellt werden (cave: Zuschwellen des Atemwegs!).

Kriterien für die Einweisung in eine Abteilung für Schwerbrandverletzte:

- Patienten mit Beteiligung von Gesicht, Händen, Füßen, Genitalbereich oder

sonstigen komplizierten Lokalisation

- Patienten mit mehr als 15% zweitgradig oder > 10% drittgradig verbrannter KOF

- Patienten mit Begleitverletzungen, Inhalationsschäden, sowie Kinder < 8 Jahre und

Erwachsene > 60 Jahre, Patienten mit Verbrennungen durch Elektrizität/Strom

(Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin)

4 Erweiterte Pharmakologie

4.1 Allgemein

In Notfallsituationen stehen heute unzählige Substanzen für unterschiedliche

Indikationen zur Verfügung. Um den Rahmen dieses Skripts nicht zu sprengen,

möchten wir uns daher auf die wichtigsten Substanzen in der Reanimation (z.B.

Sauerstoff, Adrenalin, Amiodaron) sowie auf andere, oft benutzte Medikamente bei

häufiger auftretenden Notfallsituationen beschränken.

Dieses Skript kann also nur einen Überblick vermitteln. Es kann und soll die genauen

Informationen in der Fachliteratur nicht ersetzen.

a) Neben- und Wechselwirkungen:

Jedes Medikament hat außer den Zielwirkungen auch unerwünschte

Nebenwirkungen. Diese können gerade unter Notfallbedingungen unerwartet in den

Vordergrund treten.

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einige Faustregeln:

Sedierende und atemdepressive Wirkungskomponenten können durch

zerebrale Vorschädigung, Alter und Schockzustand verstärkt werden.

Alter, kardiale Erkrankungen und Hypovolämie vertiefen eine durch

Medikamente ausgelöste Kreislaufdepression.

Jede Kombination ähnlich wirkender Medikamente kann additiv oder

überadditiv wirken.

Selbst als harmlos deklarierte Substanzen müssen unter den o.g.

Umständen vorsichtig eingesetzt werden. So kann es z.B. auch unter

Benzodiazepinen zu einem deutlichen Blutdruckabfall kommen.

Sedierende, analgetische und kreislaufwirksame Medikamente sollten, wenn

möglich, immer nach Wirkung dosiert werden.

b) Applikation:

Es gibt kaum einen Notfall mit Indikation zur stationären Einweisung ohne

intravenösen Zugang. Lediglich der Zeitpunkt der Punktion und die Art des

Zugangs können variieren.

Zentralvenöse Katheter sind präklinisch zumeist überflüssig.

Krankheitsbilder mit Verdacht auf hohen Volumenbedarf verlangen mehrere

(mind. 1-2) großlumige Zugänge. Erfahrungsgemäß können selten mehr als

3 Zugänge optimal genutzt werden.

Die meisten anderen Notfälle sind mit einem gut laufenden, mittelgroßen

periphervenösen Zugang ausreichend ausgestattet (auch die Reanimation!)

Die Anlage eines intraossären Zuganges ist dann indiziert, wenn die Anlage

eines periphervenösen Gefäßzuganges verzögert ist oder misslingt. Diese

Indikation gilt gemäß den aktuellen ERC-Leitlinien sowohl für Kinder als auch

für Erwachsene.

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Intravenöse Gabe bei Reanimation:

Grundsätzlich sollte nach jeder Applikation eines Medikaments eine Bolusgabe von 20

ml Infusionsflüssigkeit erfolgen (+Anheben des Armes), um eine sichere

Einschwemmung des Medikaments in den zentralen Kreislauf zu erreichen. Wichtig ist

die exakte intravenöse Lage, um Wirkungsverzögerungen und Gewebeschädigungen

zu vermeiden, zudem muss eine sachgerechte Fixierung erfolgen.

Intraossärer Zugang:

Untersuchungen haben gezeigt, dass der intraossäre (io) Gefäßzugang effektiv, in

der Handhabung einfach und häufig ohne Komplikationen zu etablieren ist. Alle

gängigen Notfallmedikamente können über einen io-Zugang appliziert werden.

Insbesondere im Kindesalter stellt der intraossäre Zugang die Alternative der Wahl

bei verzögertem oder misslungenem periphervenösen Zugang dar und kann häufig

sehr schnell etabliert werden. Auch bei erwachsenen Notfallpatienten gewinnt der

intraossäre Zugang in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung und wird auch in

den aktuellen ERC-Leitlinien entsprechend berücksichtigt. Wesentliche Voraussetzung

zur Etablierung des intraossären Zugangs ist das Vorhandensein einer entsprechenden

(Kinder- oder Erwachsenen-) intraossären Nadel. Für eine Volumentherapie ist sie

beim Kind nur eingeschränkt, beim Erwachsenen jedoch nicht geeignet.

Endotracheale Gabe:

Wird in den Leitlinien nicht mehr empfohlen: Der Wirkungseintritt ist mit der iv-Gabe

zwar vergleichbar, Wirkungsdauer und -dosis jedoch schlecht steuerbar.

Nasale Gabe:

Mittlerweile existieren Devices, mit denen nasal Medikamente (z.B. Midazolam,

Morphin, Fentanyl, Ketanest) appliziert werden können. Die Aufnahme erfolgt über die

nasalen/oropharyngealen Schleimhäute. Der Wirkungseintritt ist annähernd so schnell

wie nach iv-Gabe. Eine nasale Medikamentenapplikation ist beispielsweise bei einem

Krampfanfall eine sinnvolle Alternative zu einer schwierigen Anlage eines iv-Zuganges.

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Intramuskuläre und subkutane Gabe :

Diese ist im Notfall selten indiziert (Ausnahme: Anaphylaxie), da die Resorption

unsicher und langsam erfolgt. Bei Verdacht auf Vorliegen eines

Myokardinfarkts/Schlaganfalls oder einer Lungenembolie ist jede intramuskuläre Gabe

zu unterlassen, um keine Kontraindikation für eine potentielle Lyse zu schaffen.

4.2 Medikamente zur kardiovaskulären Therapie:

Adrenalin (Suprarenin®)

1 Ampulle à 1 ml = 1 mg oder Durchstechflasche à 100ml=100 mg

Wirkungen :

Adrenalin ist ein hochpotentes direktes Sympathomimetikum, das bei der

kardiopulmonalen Reanimation einen besonderen Stellenwert einnimmt. In niedriger bis

mittlerer Dosis steht die ß-agonistische Wirkung im Vordergrund.

(positive Chronotropie, Inotropie, Dromotropie, Bathmotropie, Bronchospasmolyse)

Mit steigender Dosis erhält man eine zunehmende -mimetische Wirkung, die zu einer

ausgeprägten Vasokonstriktion führt. Adrenalin führt daher in mittlerer bis hoher

Dosierung durch Erhöhung des Herzzeitvolumens und Zunahme des peripheren

Widerstands zu einer Steigerung des arteriellen Blutdrucks und der koronaren

Perfusion.

Adrenalin in der Reanimation:

Adrenalin wird hier unter Annahme folgender Mechanismen - die jedoch nicht alle in

klinischen oder experimentellen Studien nachgewiesen sind - eingesetzt:

verbesserter Auswurf durch positive Inotropie des wieder schlagenden

Herzens

Begünstigung einer Spontanaktivität erregungsbildender Zentren (gleichzeitig

Gefahr der Aktivierung ektoper Foki / Arrhythmiepotential)

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Erhöhung des koronaren Perfusionsdruckes durch periphere

Vasokonstriktion

Verbesserung des myokardialen Sauerstoffangebots beim Kammerflimmern

Umwandlung von feinem in grobes KF, welches leichter zu defibrillieren ist

Unerwünschte Wirkungen:

Jede der oben genannten Wirkungen von Adrenalin kann durch die geringe

therapeutische Breite zu schweren Komplikationen führen:

akute hypertensive Krise

Herzinsuffizienz durch Erhöhung der Nachlast

Tachyarrhythmie bis hin zum Kammerflimmern

Die Anwendung am nicht reanimationspflichtigen Patienten sollte nur durch den

Erfahrenen erfolgen, da bereits geringste Dosen deletäre Folgen haben können

(Verdünnung 1:100 bzw. 1:10).

Indikationen:

Asystolie (Mittel der 1. Wahl), Kammerflimmern, EMD, Kreislaufunterstützung bei Low-

Output-Syndrom, schwere Anaphylaxie, therapieresistente Bradykardie, schwerster

septischer Schock, schweres Asthma…

Dosierung und Applikation:

a) Asystolie und EMD :

Initial 1 mg iv 15 g/kg KG als Bolus (Kinder 10 µg / kg KG)

Bleibt ein Erfolg aus, wird diese Dosis alle 3-5 Minuten wiederholt. Dabei wird

üblicherweise Adrenalin 1:10 verdünnt, um eine optimale Einschwemmung in den

zentralen Minimalkreislauf zu erreichen und ein Verbleiben von relevanten Restmengen

in der Spritze zu verhindern.

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b) KF und pulslose VT:

Adrenalin wird bei Kammerflimmern/pulsloser VT nach der dritten erfolglosen

Defibrillation eingesetzt. Dosierung und Applikation erfolgen wie bei der Asystolie. Hier

wird jedoch zügig nach Gabe erneut defibrilliert. Zusätzlich zur Adrenalingabe erfolgt

nach der dritten erfolglosen Defibrillation die Gabe von Amiodaron.

Ein unkritischer hochdosierter Einsatz von Adrenalin (z.B. 10mg Boli) ist nicht

empfohlen.

c) Kreislaufunterstützung beim Low-Output-Syndrom:

Die kontinuierliche Applikation von Adrenalin mittels Perfusor sollte nur unter intensiv-

medizinischen Bedingungen erfolgen. Ansonsten in Verdünnung 1:100 jeweils in ml-

Boli.

d) Schwere Anaphylaxie:

Hier wird die vasokonstriktorische, bronchospasmolytische und antihistaminerge

Wirkung von Adrenalin ausgenutzt.

Gabe von 0,5mg intramuskulär (Leitlinie), eine iv-Gabe wird dem erfahrenen Anwender

gewährt, hierbei Titration nach Wirkung (Verdünnung initial 1:100 bzw. 1:10 bei

schwerer Anaphylaxie)

Noradrenalin (Arterenol®)

1 Ampulle à 1ml = 1mg

Durch seine fast ausschließlich -mimetische Wirkung ist Noradrenalin ein starker

Vasokonstriktor und kann damit zur Kreislaufunterstützung bei Volumenmangel

(1:100 oder ggf. 1:10) angewendet werden. In tierexperimentellen Studien wird der

Nutzen von Noradrenalin bei der Reanimation zwar stetig diskutiert, hat bislang aber

keinen Platz in diesem Rahmen erlangt.

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Atropin (Atropin®)

1 Ampulle à 1 ml = 0,5 mg

Wirkungen :

Parasympatholytikum: Atropin begünstigt die Erregungsbildung in Sinusknoten und

Vorhof, sowie die Erregungsleitung in Vorhof und AV-Knoten. Da die Ventrikel nicht

vom N. Vagus versorgt werden, hat Atropin keinen pharmakologischen Effekt auf die

ventrikuläre Funktion.

Weitere Wirkungen von Atropin: Inhibition verschiedener Drüsen, Relaxation der

glatten Muskulatur einzelner Organe etc.

Unerwünschte Wirkungen :

Tachykardie, Tachyarrhythmie, Verwirrtheit, zentral anticholinerges Syndrom

Indikationen :

In der Notfallmedizin fast ausschließlich zur Behandlung von Sinus- und

Vorhofbradykardien und AV-Blockierungen.

Dosierung und Applikation :

Bradykardie : initial 5 - 10 g / kg KG iv (Erwachsene 1 Amp. à 0,5 mg)

tritt keine oder nur eine ungenügende Wirkung ein, wird die Dosis

bis maximal 3mg iv erhöht.

Amiodaron (Cordarex®):

1 Ampulle à 3 ml = 150 mg

Amiodaron vereint eine Reihe von Eigenschaften in Bezug auf seinen

antiarrhythmischen Therapieansatz. So kommen beta-blockierende Wirkung und

Auswirkung auf die Überleitung durch K-Kanal vermittelte Inhibition zum Tragen.

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Im Rahmen einer Reanimation erfolgt die initiale schnelle Gabe von zwei Ampullen

(300 mg). Bei Erfolglosigkeit nach weiterer Defibrillation erfolgt eine Wiederholung mit

150 mg.

Bei Patienten mit vorhandenem Kreislauf unbedingt langsame iv-Gabe über 20

Minuten (cave: Blutdruckabfall).

Besonderheiten zu Amiodaron und zu weiteren Antiarrhythmika wie Ajmalin oder

Sotalol sind der Fachliteratur zu entnehmen.

Lidocain (Xylocain oder Lidocard®)

1 Ampulle à 5 ml = 100 mg

Wirkungen:

Lokalanästhetikum mit antiarrhythmischer Wirkung bei ventrikulären

Rhythmusstörungen.

Lidocain bewirkt im Vergleich zu anderen Antiarrhythmika eine wesentlich geringere

Kreislaufdepression sowie eine weniger ausgeprägte Hemmung der AV-Überleitung.

Unerwünschte Wirkungen:

Bei kardiovaskulärer Vorschädigung oder Hypovolämie: möglicher Blutdruckabfall, AV-

Block bei Vorschädigung oder Hyperkaliämie.

Bei Überdosierung:

Verwirrtheit bis hin zum Krampfanfall. Wird Lidocain über mehrere Tage

angewendet, ist weit unter der maximalen Dosierung von 6 g/Tag die Entwicklung eines

komaartigen Zustandes möglich (neurotoxisch).

Indikationen:

Ventrikuläre Rhythmusstörungen: Kammertachykardie, VES...

Dosierung und Applikation:

Bolusgabe: initial 1 mg / kg KG; Erhöhung der Gesamtdosis bis max. 3 mg / kg KG

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Kalzium

Als Kalziumglukonat oder Kalziumchlorid (enthält die doppelte Substanzmenge pro ml)

verfügbar.

Der Einsatz von Kalzium ist in der Notfallmedizin nur in den wenigsten Fällen indiziert:

Intoxikation mit Kalziumantagonisten, Flußsäure

nachgewiesene Hypokalzämie

nachgewiesene Hyperkaliämie

(Magnesium besitzt nur bei Torsade-de-Pointes und nachgewiesener

Hypomagnesiämie eine Indikation)

Natriumbikarbonat

Pufferlösung, die meist in der 8,4%-igen Lösung vorliegt (hier entspricht 1 ml genau 1

mmol). Bikarbonat wird in der Reanimation zurückhaltend eingesetzt, da eine

überschießende Azidosekorrektur wesentliche Nachteile mit sich bringt:

Erhöhung des pCO2, der wegen des niedrigen Herzzeitvolumens kaum über

den Gasaustausch gesenkt werden kann. Besser ist eine ausreichende

Ventilation, um die bestehende Azidose zu therapieren.

Compliance - und Kontraktionsstörungen des Myokards

CAVE: Katecholamine sollten nicht in eine laufende Bikarbonatinfusion gegeben

werden, da sonst eine partielle Inaktivierung auftritt.

Indikationen :

langer und erfolgloser Verlauf einer Reanimation

nachgewiesene metabolische Azidose

nachgewiesene Hyperkaliämie

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Dosierung und Applikation:

0,5-1 mmol/kg KG - ca. 70 ml initial beim normalgewichtigen Erwachsenen als

Kurzinfusion

Nitroglycerin (Nitrolingual®)

Injektionslösung: 1 Ampulle à 5 ml = 5 mg

Pumpspray: ein Hub enthält 0,4 mg

Zerbeißkapseln: erhältlich mit 0,2; 0,4 und 1,2 mg

Wirkungen:

Nitroglycerin erweitert vorwiegend die Gefäße im Niederdrucksystem. Dies führt zu

einem ausgeprägten venösen Pooling mit Abnahme der Vorlast des rechten und

konsekutiv des linken Ventrikels.

Weiterhin wird ein direkter koronardilatierender Effekt für die Wirksamkeit bei

pektanginösen Beschwerden verantwortlich gemacht. Infolge der Vasodilatation kommt

es in der Regel zum Blutdruckabfall sowie zu einer reflektorischen Tachykardie.

Unerwünschte Wirkungen:

- überschießende Blutdrucksenkung (insbesondere bei Hypovolämie)

- Tachykardie

- Übelkeit

- Kopfschmerzen

Indikationen:

Mittel der Wahl bei pektanginösen Beschwerden und hypertonen

Krankheitsbildern mit erhöhter Vorlast (z.B. kardiogenes Lungenödem).

Cave: rasche Blutdrucksenkung, daher engmaschige Kontrollen obligat!

Kontraindikation: erhöhter Hirndruck (Gefäßdilatation führt zu Hirndruckanstieg)

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Dosierung und Applikation:

Spray: 1 - 2 Hübe sublingual; evtl. Repetition im Verlauf

Zerbeißkapseln: 0,4 - 0,8 mg (wie Spray)

Cave: Aspiration bei Somnolenz!

iv-Gabe: extrem potentes Medikament 1 ml ( 1 mg) 1:10 verdünnen

Wirkungseintritt: 1 - 5 Minuten

Wirkdauer: 5 - 20 Minuten

Einzelheiten zu anderen Antihypertensiva wie Adalat® (Nifedipin) oder Ebrantil®

(Urapidil) sind bitte der Fachliteratur zu entnehmen.

4.3 Medikamente zur Sedierung oder Narkoseinduktion

Propofol (Disoprivan®)

Ampullen/Durchstechflaschen mit 1%iger (10mg/ml) und 2%iger (20mg/ml) Lösung

Propofol ist ein kurz wirksames Hypnotikum ohne eigene analgetische Wirkung, es

eignet sich in niedriger Dosierung zur Sedierung sowie in höherer Dosierung zur

Narkoseinduktion bzw. zur Aufrechterhaltung einer TIVA (total-intravenösen

Anästhesie). Dosisabhängig kommt es zur Atemdepression bis hin zur Apnoe, die bei

Intubationsdosen praktisch immer vorhanden ist.

Unerwünschte Wirkungen:

Bei schneller Injektion von Propofol kommt es häufig zu einer Venenreizung mit

Injektionsschmerz. Insbesondere bei älteren und kardial vorbelasteten Patienten kann

es zu einem relevanten Blutdruckabfall durch Reduktion des peripheren Widerstandes

und der Inotropie kommen.

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Dosierung und Applikation:

Sedierung: 5-10mg Boli titriert nach Wirkung

Narkoseinduktion: 1,5-2,5 mg/kgKG (Bolus), Aufrechterhaltung: 6-12 mg/kg/h (Perfusor)

Wirkungseintritt: 30 Sekunden, Wirkdauer: 4-6 Minuten

Beurteilung:

Propofol zeichnet sich durch viele positive Eigenschaften aus: antiemetische Wirkung,

repetitive Gaben (auch zur Sedierung) möglich, gute Steuerbarkeit bei kurzer

Wirkdauer, Senkung der zentralen Stoffwechselleistung und damit Minderung des

zentralen O2-Verbrauchs.

Thiopental (Trapanal®)

Ampulle (Trockensubstanz) à 500 mg, aufzulösen in 20 ml NaCl 0,9%

Thiopental ist ein kurz wirksames Barbiturat ohne eigene analgetische Wirkung.

Bei Gabe von 3-7 mg/kg KG wird eine ausreichende Schlaftiefe zur Intubation oder für

kurze schmerzarme Eingriffe erreicht. Es kommt dabei dosisabhängig zu einer

Atemdepression bis hin zur Apnoe, die bei Intubationsdosen praktisch immer

vorhanden ist.

Unerwünschte Wirkungen:

Thiopental ist eine stark alkalische Substanz, die bei paravenöser oder akzidenteller

intraarterieller Injektion zu schweren Nekrosen führen kann. Thiopental erfordert somit

einen sicheren venösen Zugang.

Cave: Ausgeprägter Blutdruckabfall vor allem bei älteren und hypovolämen Patienten.

Dosierung und Applikation:

3 - 7 mg / kg KG iv zur Intubation, Wirkungseintritt: 10-20 sec, Wirkdauer: 5-10 min

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Beurteilung:

Thiopental ist durch seine starke Kreislaufdepression nur bedingt in der

Notfallmedizin einsetzbar (Ausnahme: Status Epilepticus und isoliertes Schädel-Hirn-

Trauma). Hier können eine Reduktion des zellulären Metabolismus und eine

Senkung des Hirndrucks vorteilhaft sein.

S-Ketamin (Ketanest S®)

Ampulle zu 2 ml mit 50 mg entspricht 25 mg/ml

Ampulle zu 5 ml mit 25 mg entspricht 5 mg/ml

Ampulle zu 10 ml mit 250 mg entspricht 25 mg/ml

Bei oben genannten Ampullen liegt Ketamin als Enantiomer vor.

Cave: Gerade bei Ketamin ist es essentiell, genaue Dosierungen zu kennen und

aufgezogene Spritzen mit Angabe des Stoffes und der Konzentration (mg/ml) zu

bezeichnen.

Ketamin ist eine Substanz mit sehr guter analgetischer Wirkung, die in höherer

Dosierung zu einer dissoziativen Anästhesie, also gleichsam zu einer Abkopplung

des Patienten von seiner Umwelt führt.

Atem- und Schutzreflexe bleiben dosisabhängig relativ lange erhalten.

Eine Dosierung über 0,5 mg/kg KG sollte jedoch nur erfolgen, wenn die Möglichkeit

zur Beatmung und Intubation besteht. Der besondere Stellenwert von Ketamin wird

durch seine kardiovaskulären Wirkungen erklärt:

1. Ketamin erhöht in den meisten Fällen Blutdruck und Herzfrequenz, was

seine Indikation gerade bei Patienten im hypovolämischen Schock unterstreicht.

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2. Die Stabilisierung des Kreislaufverhaltens wird jedoch mit einem erhöhten

Sauerstoffverbrauch des Myokards erkauft. Ketamin eignet sich daher nur

bedingt in Fällen mit koronarer Herzkrankheit (KHK) und kardiogenem Schock.

Ketamin besitzt in sehr hoher Dosierung zudem eine klinisch nutzbare broncho-

spasmolytische Wirkung.

Unerwünschte Wirkungen:

- Hypersalivation

- Steigerung des myokardialen O2-Verbrauchs

- Halluzinationen und Albträume, die fakultativ auftreten und durch Vorgabe von

Benzodiazepinen teilweise oder ganz unterdrückt werden können

Dosierung und Applikation von S-Ketamin:

zur Analgesie: 0,25 - 0,5 mg/kg KG iv

(bei höherer Dosierung ggf. Beeinträchtigung der Spontanatmung/der Schutzreflexe)

zur Intubation bzw. Narkoseinduktion: 1 - 1,5 mg/kg KG iv

ausgeprägter Status asthmaticus: 1,5 – 4 mg/kg KG iv / Intubation!

Wirkungseintritt: 30 - 60 sec / Wirkungsdauer: 5 - 30 Minuten

Beurteilung :

Ketamin ist ein geeignetes Medikament zur Intubation von Patienten im

hypovolämen Schock.

Ketamin eignet sich nicht bei Patienten im kardiogenen Schock, da es den

myokardialen Sauerstoffbedarf erhöht.

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Benzodiazepine:

Benzodiazepine stellen eine Stoffgruppe mit weitgehend ähnlichem Wirkungsprofil dar:

Anxiolyse

antikonvulsive Wirkung (unterschiedlich ausgeprägte Wirksamkeit)

dosisabhängige Sedierung bis Hypnose

Atemdepression bei abnehmender Vigilanz

primär geringe Wirkung auf die Herz- und Kreislauffunktion (bei

hypovolämischen und kardiovaskulär vorgeschädigten Patienten können

Benzodiazepine jedoch ausgeprägte Blutdruckabfälle auslösen)

paradoxe Reaktionen mit Unruhe und Agitation sind bei allen Substanzen

möglich; vornehmlich bei geriatrischen Patienten.

Benzodiazepine sollten zur Sedierung immer titriert werden, da erhebliche

interindividuelle und altersbedingte Unterschiede bestehen. Eine Narkoseinduktion ist

zwar prinzipiell möglich, wegen der hohen Anfangsdosierung und der langen Wirkdauer

aber nur bedingt zu empfehlen. Zur Sedierung des beatmeten Patienten ist fast immer

eine Kombination mit Opioiden angezeigt, was eine bessere Tolerierung des

endotrachealen Tubus bei geringerer Dosis der Benzodiazepine bewirkt.

Im Rahmen dieses Skripts sollen nur zwei wichtige Vertreter erwähnt werden:

1. Midazolam (Dormicum®)

Ampulle à 1 ml mit 5 mg bzw. Ampulle à 3 ml mit 15 mg bzw. Ampulle à 5 ml mit 5 mg

Midazolam besitzt unter den Benzodiazepinen die kürzeste Eliminations-

halbwertszeit und gilt dadurch als gut steuerbar. In der Praxis weist es jedoch eine

besonders hohe interindividuell unterschiedliche Wirksamkeit und Wirkungsdauer

auf. Die Dosierung nach Wirkung ist daher gerade bei diesem Medikament anzuraten.

Indikationen:

Aufrechterhaltung der Sedierung des beatmeten Patienten durch fraktionierte

Nachinjektionen mit guter Steuerbarkeit der Sedierungstiefe bei relativ geringen

kardiovaskulären Nebenwirkungen.

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Dosierung und Applikation :

Sedierung: 0,1 mg/kg KG; 2 - 5 mg (bis 10 mg) iv / unbedingt titrieren!

Des Weiteren steht mit Diazepam (Valium) ein im Verhältnis zu Midazolam sehr lang

wirksamer Wirkstoff zur Verfügung (1 Ampulle enthält 10 mg Diazepam).

Diazepam unverdünnt verabreichen, da es in vielen Lösungsmitteln ausfällt!

Etomidat (Hypnomidate®, Etomidate Lipuro®)

Ampulle à 10 ml mit 20 mg entspricht 2 mg/ml

Sehr kurz wirksames Hypnotikum, ohne eigene analgetische Wirkung. Etomidat

besitzt unter den Induktionsmedikamenten neben Ketamin (s.o.) die geringste

kardiovaskuläre Depression (Indikation bei kardial belasteten Patienten)

Nach Gabe der Intubationsdosis tritt praktisch immer eine Apnoe auf.

Unerwünschte Wirkungen :

- Blutdruckabfall bei vorbestehenden kardiovaskulären Erkrankungen/Hypovolämie

- Auslösung von Myoklonien (Rückbildung bei Opiat- und Benzodiazepingabe)

- negative Auswirkungen im Sinne einer Nebenniereninsuffizienz

- oft nur unzureichende Blockierung des Intubationsreizes mit konsekutivem Blutdruck-

und Frequenzanstieg

Beachte:

In den letzten Jahren deuten Studienergebnisse auf eine erhöhte Letalität nach

Etomidatgabe hin (auch nach einmaliger Applikation), so dass dieses Medikament

mehr und mehr in den (prä-)klinischen Hintergrund rückt. Weitere Studienergebnisse

stehen aus.

Dosierung und Applikation:

0,15-0,3 mg / kg KG iv zur Intubation

Wirkungseintritt: 20 - 40 sec, Wirkungsdauer: ca. 5 Minuten

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Opioide

Die meisten Vertreter aus der Gruppe der Opioide gehören zu den zentral wirksamen

Analgetika. Viele Opioide sind bei entsprechender Dosierung in ihrer analgetischen

Potenz vergleichbar. Sie unterscheiden sich jedoch zum Teil erheblich hinsichtlich

Wirkqualität, Wirkdauer und Nebenwirkungen.

Wichtige Nebenwirkungen in der Notfallmedizin sind:

Atemdepression und Sedierung, beide Effekte können durch Kombination

mit anderen zentral wirkenden Medikamenten verstärkt werden!

Kreislaufdepression mit Hypotonie (auch hier ist eine ausgeprägtere Wirkung

durch Kombination mit anderen Medikamenten möglich!)

mögliche Histaminfreisetzung mit Juckreiz

Übelkeit

Erbrechen (deshalb: antiemetische Prophylaxe mit z.B. Paspertin®)

a) Morphin (Morphin®)

Ampulle à 1 ml mit 10 mg oder 20 mg (Cave: Verwechslung!)

Morphin ist wegen seiner typischen Pharmakologie das klassische zentral wirksame

Analgetikum in der Notfallmedizin. Es wirkt als reiner Agonist mit guter Analgesie.

leichte Sedierung mit teils euphorisierender Wirkung

periphere Vasodilatation, die vor allem bei Lungenödem und Myokardinfarkt

mit erhöhter Vorlast erwünscht ist

Möglichkeit einer Histaminfreisetzung

Dosierung und Applikation :

5 - 10 mg iv fraktioniert nach Wirkung (0,1 mg/kg KG)

Wirkungseintritt: wenige Minuten / Wirkdauer: bis zu 2 - 4 Stunden

Beurteilung: Hervorragendes Notfallopioid bei Titration und langsamer iv-Gabe

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b) Fentanyl (Fentanyl®)

Ampulle à 2 ml mit 0,1 mg

Ampulle à 10 ml mit 0,5 mg

Sehr wirksames Opioid, dessen Einsatzbereich vor allem in der Anästhesie und in

der Intensivmedizin liegt.

Diese Substanz wird aber auch - wegen der charakteristischen Pharmakokinetik und

-dynamik (ausreichende Vorerfahrung notwendig) in der Notfallmedizin eingesetzt. Zur

Intubation können Dosen zwischen 0,1 - 0,2 mg verabreicht werden.

Einzelheiten zu weiteren Opioden wie Dipidolor® (Piritramid) etc. sind der Fachliteratur

zu entnehmen.

Muskelrelaxantien

Zu unterscheiden sind zwei pharmakologische Gruppen:

depolarisierende und nicht depolarisierende Muskelrelaxantien

Muskelrelaxantien können die Intubationsbedingungen verbessern. Da im Notfall

jedoch immer von nicht nüchternen Patienten ausgegangen werden muss, würde die

lange Anschlagszeit einiger nicht depolarisierenden Relaxantien zu einer unerwünscht

langen Maskenbeatmungsphase führen mit der Gefahr, den Magen zu überblähen und

einer Aspiration Vorschub zu leisten. Von den nicht depolarisierenden Relaxantien

kann nur Rocuronium (Esmeron®) aufgrund seiner schnellen Anschlagzeit für den

präklinischen Einsatz zur Intubation eingesetzt werden.

Präklinisch ist Succinylcholin als depolarisierendes Muskelrelaxans mit einem

Wirkungseintritt nach 30 - 60 Sekunden vorteilhaft. Allerdings müssen gerade bei

dieser Substanz die Nebenwirkungen genauestens beachtet werden.

Auch wenn Patienten trotz guter Sedierung gegen den Tubus husten und pressen ist

der Einsatz von Relaxantien bei begleitender Sedierung sinnvoll (z.B.

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Schädelhirntrauma). Ist die Intubationsindikation gestellt, müssen wache bzw. nur

oberflächlich sedierte Patienten zuerst ausreichend sediert werden, bevor eine

Relaxierung erfolgt (Relaxantien besitzen keine sedierende Wirkung)!

Die aufgeführten Substanzen stellen nur eine Auswahl der verfügbaren Präparate dar.

a) Succinylcholin (Lysthenon®)

Ampulle à 5 ml mit 100 mg entspricht 20 mg/ml

Einziger Vertreter der klinisch verwendeten depolarisierenden Muskelrelaxantien.

Wichtige Nebenwirkungen :

Muskelfaszikulationen nach der Injektion

bradykarde Rhythmusstörungen

mögliche Erhöhung von intraabdominellem und intraokulärem Druck

gefährliche Erhöhung des Serumkaliumspiegels unter bestimmten

Voraussetzungen: Verbrennungskrankheit, Polytrauma, Immobilisation

Vorsicht bei allen Patienten in der Klinik oder in Heimen!

Dosierung und Applikation :

1 - 1,5 mg / kg KG iv

Wirkungseintritt: 30 - 60 sec, Wirkdauer: 3 - 6 Minuten (Fast in – fast out)

b) Rocuronium (Esmeron®)

Ampulle à 5 ml mit 50 mg

nicht-depolarisierendes mittellang wirkendes Relaxans

relativ schnelle Anschlagszeit, daher im Einzelfall zur Notfallintubation geeignet

Dosierung und Applikation:

ca. 0,5 -0,8 mg / kg KG iv zur Intubation

Nachinjektion: ca. alle 40 Minuten, ca. 1/5 der Initialdosis

Wirkungsmaximum: 45–60 Sekunden, Wirkdauer: 40–60 Minuten (hohe Variabilität)

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4.4 Bronchospasmolytika

Es gibt eine Vielzahl von Präparaten unterschiedlicher Substanzklassen (ß2-Mimetika,

Parasympathikolytika, Kortisonpräperate etc.) für die Therapie akuter obstruktiver

Atemwegserkrankungen. Eine weitere Unterteilung ergibt sich bezüglich der

Applikationsart: per inhalationem, per os, intravenös oder subcutan.

Abhängig von der spezifischen Notfallsituation sind Dosier-Aerosole schnell und

einfach anzuwenden und gerade beim Asthmaanfall bei korrekter Anwendung auch

am effektivsten. Voraussetzung ist ein einigermaßen kooperativer Patient, der noch

über eine Spontanatmung verfügt. Zudem muss man berücksichtigen, dass Patienten

mit obstruktiven Atemwegserkrankungen oftmals bereits vor Eintreffen des Notarztes

eine Selbstmedikation in beträchtlicher Dosierung vorgenommen haben, so dass eine

zusätzliche iv-Gabe auch zur Ausprägung von Nebenwirkungen führen kann.

Andere Pharmaka mit bronchospasmolytischer Wirkung (Ketamin, Adrenalin)

wurden bereits weiter oben erwähnt. Diese sollten aber erst beim schweren und

therapieresistenten Bronchospasmus eingesetzt werden (siehe Asthma bronchiale).

4.5 Antidot-Gabe

In diesem Skript sollen nur drei häufig benutzte Antidot-Substanzen kurz

besprochen werden. Bezüglich einer umfassenderen toxikologischen Information sei

auf die einschlägige Fachliteratur verwiesen.

a) Naloxon (Narcanti®)

Ampulle à 1ml mit 0,4 mg

Naloxon ist ein reiner Opioidantagonist. Es kann bei ausreichender Dosierung die

Opioidwirkung komplett aufheben (schlecht wirksam bei Buprenorphin) und so auch zu

dramatischen Nebenwirkungen führen:

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Wiederauftreten von starken Schmerzen

Entzugssyndrom bei Abhängigen

massive vegetative Symptome mit Tachykardie und Hypertonus bis hin zum

Lungenödem

Dosierung und Applikation:

Unbedingt verdünnte Lösung verwenden und nach Wirkung titrieren!

auf 10 ml verdünnen entspricht 0,04 mg/ml, z.B. 0,04 - 0,08 mg alle 2 - 3 Minuten

Cave: Reboundphänomen - die Wirkungsdauer von 0,4 mg beträgt nur ca. 45 min!

b) Flumazenil (Anexate®)

Ampulle à 5 ml mit 0,5 mg entspricht 0,1 mg/ml

Ampulle à 10 ml mit 1 mg entspricht 0,1 mg/ml

Flumazenil antagonisiert die sedativ-hypnotische und anxiolytische Wirkung aller

gebräuchlichen Benzodiazepine. Nach hohen Dosen können Agitation und

Angstzustände auftreten.

Dosierung und Applikation:

Flumazenil wird nach Wirkung in einer Dosierung von 0,5 - 1 mg iv verabreicht. Auch

hier sind Kreislaufreaktionen möglich (allerdings weniger ausgeprägt als bei Naloxon).

Das Erwachen kann sehr schnell und traumatisierend für den Patienten erfolgen.

c) Physostigmin (Anticholium®)

Ampulle à 5 ml mit 2 mg entspricht 0,4 mg/ml

Physostigmin ist ein Cholinesterasehemmer mit zentraler Wirksamkeit.

Eine positive Wirkung ist in folgenden Fällen beschrieben:

zentrales anticholinerges Syndrom (ZAS)

Atropinintoxikation

Vergiftung mit verschiedenen Neuroleptika und tri- oder tetrazyklischen

Antidepressiva

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Dosierung und Applikation:

Physostigmin wird fraktioniert in einer Dosierung von 2 mg injiziert. Nachinjektionen

sollten abwartend erfolgen, da die Wirkung ggf. erst nach bis zu 20 Minuten eintritt.

4.6 Infusionslösungen

In der Notfallmedizin werden sehr wenige unterschiedliche Infusionslösungen benötigt.

Als Trägerlösung zum Einschwemmen von Medikamenten können bis auf wenige

Ausnahmen alle isotonen kristalloiden Lösungen benutzt werden.

Hypertone Dehydratationen werden meist mit Präparaten behandelt, die einer

annähernd physiologischen Ionenzusammensetzung – sogenannte balancierte

Vollelektrolytlösungen - entsprechen (z.B. Sterofundin).

kristalloide Lösungen :

Glucose 5% (G5) Glucose 10% (G10)

NaCl 0,9% Ringer etc.

Ringerlactat Sterofundin

Plasmaersatzmittel / Kolloide:

Plasmaexpander werden bei ausgeprägtem Volumenmangel benutzt, also v.a. bei

Schockzuständen durch Blutverlust oder bei anderen schweren intravasalen

Volumenverlusten.

Cave: Kontraindiziert bei Hypovolämie im Rahmen von Verbrennungen

Plasmaexpander sollten nicht ohne echte Indikation gegeben werden, da sie klinisch

bedeutsame Nebenwirkungen besitzen und auch einen relevanten Kostenfaktor

darstellen. Hervorgehoben sei hier die potentiell allergene Wirkung, die in

unterschiedlicher Ausprägung alle Präparate betrifft. Plasmaersatzmittel werden in der

Regel kombiniert oder im Wechsel mit kristalloiden Lösungen gegeben.

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a) Gelatinederivate (Gelafundin®, Gelifundol®, Haemaccel® etc.):

allergische Potenz

Intravasale Halbwertszeit ca. 2 - 4 Stunden, Volumeneffekt ca. 80 %

b) Hydroxyäthylstärke 6 oder 10 % (HAES - steril®, Plasmasteril®, Venofundin®):

Die Eigenschaften der einzelnen Präparate unterscheiden sich zum Teil erheblich in

Abhängigkeit von Molekulargewicht und Substitutionsgrad. Noch unzureichend

abgeklärt sind die langsame Elimination der Hydroxyäthylstärke mit möglichen

Beeinflussungen von Leber- und Nierenfunktion, sowie eine negative Beeinflussung der

Blutgerinnung. Volumeneffekt 100 – 120 %

Beachte:

Die Verwendung von Hydroxyethylstärke (HAES) wird aktuell sehr kontrovers

diskutiert. Insbesondere ein potentielles Risiko von Nierenfunktionsstörungen, aber

auch eine Erhöhung der Mortalität wird in mehreren intensivmedizinischen Studien

beschrieben. HAES sollte nach aktuellem Stand bei Patienten mit Sepsis und

Verbrennungen, sowie bei kritisch Kranken nicht mehr angewendet werden.

Aktuell wird der Einsatz von HAES lediglich bei Patienten mit Volumenmangel aufgrund

eines akuten Blutverlustes als möglich angesehen, wenn die Behandlung mit

kristalloiden Infusionslösungen allein nicht ausreicht.

Anhang: wichtige Internetadressen

- www.americanheart.org

- www.acep.org

- www.erc.edu; www.grc-org.de

- www.emedicine.com

- www.amhrt.org

- www.klinikum.uni-heidelberg.de/Notfallmedizin

- www.gifte.de

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Verantwortlichkeit:

Klinik für Anästhesiologie / HeiCuMed

Dank an alle, die an diesem Skript über die Jahre verantwortlich mitgearbeitet

haben (u.a. Dr. Amann, Dr. Lutz und Dr. Polarz, Dr. Fresenius, Dr. Schönau, Dr.

Glätzer, PD Bopp, Dr. Bernhard, Dr. Meister, Dr. Winkler, R. Fantl, Dr. Scheiwein, PD

Brenner, Dr. Dockter, Prof. Popp, L. Eisleben, Dr. Deininger, PD Knapp, Dr. Göring)

Dr. med. S. Frankenhauser, Stand 08/2017

Klinik für Anästhesiologie

INF 110 - Universitätsklinikum Heidelberg

69120 Heidelberg