25.01.2019

1

UMWELT UND ENTWICKLUNG: ZWEI SEITEN EINER MEDAILLE

Die Sustainable Development Goals

Münster, 25. Januar 2019

Manfred Belle

25.01.2019

2

25. SEPTEMBER 2015: BESCHLUSS VON

193 STAATEN DER VEREINTEN NATIONEN

� Resolution der VN� kein völkerrechtlicher Vertrag

� gibt jedoch in weiten Teilen geltendes Völkerrecht wieder

� sogenanntes völkerrechtliches „Soft Law“� ohne nationale Parlamentsbeschlüsse

� Akzeptanz statt Zwang� Gruppendruck („Peer Pressure“)

25.01.2019

3

GLOBALER KOMPASS FÜR ZUKUNFTS-ENTSCHEIDUNGEN

� 2030 Agenda für nachhaltige Entwicklung

� 17 SustainableDevelopment Goals (SDG: Welt-Entwicklungsziele)

� 169 Unterziele

� Indikatoren

� Berichterstattung im High Level Political Forum HLPF

� Peer-Reviews

WAS IST EINZIGARTIG AN DER 2030 AGENDA?

� „Die SDG verkörpern gegenwärtig die einzige auf weltweitem Konsens basierende multilaterale Agenda mit einem positiven gestalterischen Anspruch.

� Das dies erreicht wurde –trotz globaler Machtverschiebungen, zunehmender Ungleichheit, Kriegen, Terror und Flucht, ist ein Wert an sich.“

Dirk Messner, Imme Scholz; Deutsches Institut

für Entwicklungspolitik, Bonn (2015)

25.01.2019

4

WARUM „NUR“ EINE RESOLUTION?

� „Ein rechtlich verbindlicher Vertragsabschluss mit auch nur annähernd denselben Inhalten war angesichts der schwierigen Stands der internationalen Beziehungen illusorisch.“

� „Es fällt Regierungen zunehmend schwer, eine gemeinsame Basis für den Abschluss neuer, inhaltlich umfassender Verträge zu finden.“

� Soft Law ist deshalb „besser geeignet, frühzeitig auf eine internationale Herausforderung zu reagieren, als harte Rechtsvorschriften (Hard Law).“

Markus Kaltenborn, Ruhr-Uni Bochum (E+Z 2017)

POLITISCHER HINTERGRUND DER SDG

� Umfangreichstes Konsultationsprogramm in derGeschichte der Vereinten Nationen

� Der “Post 2015-Prozess” mit den SDG geht zurück auf die Mandatierung durch den Rio+20-Gipfel 2012 in Johannesburg.

� Eine “Open Working Group” mit Vertretern aus 70 Ländern veröffentlichte den ersten Entwurf mit den 17 SDG im Juli 2014.

� Am 25. September 2015 wurden die SDG auf derGeneralversammlung der Vereinten Nationenverabschiedet.

25.01.2019

5

FÜNF DIMENSIONEN

NACHHALTIGER ENTWICKLUNG BEI DEN SDG

SIND DIE GLOBALEN ENTWICKLUNGSZIELE…

eine „Kompromiss-Kröte“?

oder ein „Paradiesvogel“?

25.01.2019

6

DER WEG VON DER ENTWICKLUNGS-ZUR NACHHALTIGKEITSDEBATTE

� Blockbildung nach 1945

� Ende der Kolonien

� Kampf um Einfluss im globalen Süden

� 1961 Gründung BMZ

� Leitbild „Nachholende Entwicklung“

�Wahlkampf 1961: „Blauer Himmel über der Ruhr“ (Brandt)

DER WEG VON DER ENTWICKLUNGS-ZUR NACHHALTIGKEITSDEBATTE

� 1972: Debatte zur Verfügbarkeit von Rohstoffen

� 1972: Erste Welt-Umweltkonferenz der Vereinten Nationen in Stockholm

� Erste Ölkrise 1973

� 1972 Gründung Umweltprogramm UNEP

25.01.2019

7

DER WEG VON DER ENTWICKLUNGS-ZUR NACHHALTIGKEITSDEBATTE

� 1983: UN World Commission on Environment andDevelopment WCED (Brundtland Kommission)

� 1987: Bericht „Unsere gemeinsame Zukunft“ Einführung des Begriffs der Nachhaltigen Entwicklung als Formel für die politische Zielsetzung

� Umwelt + Entwicklung

DER WEG VON DER ENTWICKLUNGS-ZUR NACHHALTIGKEITSDEBATTE

� 1992: UNCED in Rio

� Agenda 21

� Lokale Agenda 21

� Artenschutzkonvention

� Walddeklaration

� Klimaschutzkonvention� Seit 1995 COP Konferenzen der Klima-Rahmenkonvention

� 1997: Kyoto-Protokoll� Völkerrechtlich verbindliche Reduktionsziele

25.01.2019

8

DER WEG VON DER ENTWICKLUNGS-ZUR NACHHALTIGKEITSDEBATTE

� 2000: Millenniums-Entwicklungsziele (8 MDG für 2015)

� 2002: Rio+10 Johannesburg� „Marrakesch-Prozess“ zu Konsum und Produktion (SCP)

� 2012: Rio+20� Mandatierung für SDG

ENTWICKLUNGS-ERFOLGE IM SCHATTEN

� 92% der Deutschen sind davon überzeugt, dass die weltweite Armut in den letzten 25 Jahren nicht zurückgegangen ist.

� Entwicklungs-Erfolge sind zu unbekannt:� Armut ist drastisch zurückgegangen

� Lebenserwartung ist gestiegen

� Kindersterblichkeit wurde mehr als halbiert

� Pro-Kopf-Einkommen ist deutlich gestiegen

� „Entwicklung ist kein Märchen“� Bildungsmaterialien aus dem Welthaus Bielefeld (2018)

25.01.2019

9

FORTSCHRITT BEI ENTWICKLUNGSZIELEN

FORTSCHRITTE BEI ENTWICKLUNGSZIELEN

25.01.2019

10

FORTSCHRITTE BEI ENTWICKLUNGSZIELEN

MEILENSTEINE ZU „UMWELT UND ENTWICKLUNG“

� Studien „Zukunftsfähiges Deutschland“� 1. Fassung Misereor /

BUND 1998

� 2. Fassung Brot für die Welt / BUND 2008

� Studie WBGU „Große Transformation“ 2011 (Dt. Beitrag für Rio+20)

� Nachhaltigkeitsstrategien in Bund (2002 / 2016) und Ländern (NRW 2016)

25.01.2019

11

WAS IST BESONDERS POSITIV AN DEN SDG?

� Armutsverringerung und soziale Ziele sind (wieder) gekoppelt an Umweltschutz

� „Zurück zur Nachhaltigkeit“� fehlte bei MDG

� Neue Bezüge zur Inlandsarbeit� SDG 10

� „Entwicklungsland D“ ist jetzt Beschlusslage

WAS IST EHER KRITISCH AN DEN SDG?

� Stößt anhaltendes Wachstum nicht grundsätzlich in vielen Sektoren an physische Grenzen?

� Nur vage wird formuliert, dass Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch entkoppelt werden soll.

25.01.2019

12

RISIKEN BEI 17 ZIELEN MIT 169 UNTERZIELEN

� Selektives Vorgehen der Staaten

� „picking the low hangingfruits“

� Bruchstückhafte Umsetzung

� „Wir retten die Welt durch Arbeitsplätze“

� Sinnvolle Indikatoren finden

� „Teufel im Detail“

� Probleme bei der globalen Datenerhebung

BEDEUTUNG DER SDG FÜR DAS EINE-WELT-ENGAGEMENT

� Globale politische Beschlusslage, die das Engagement für globale Gerechtigkeit betrifft

� Politik in Bund, Land und Kommunen an Nachhaltigkeitszielen ausrichten

� Aufwertung des Engagements

25.01.2019

13

DIE AGENDA 2030 UND DIE SDG...

� Die Agenda 2030 als „Weltrettungsbeschluss“ mit den SDG ist komplex, sie ist umfangreich und sie ist teilweise widersprüchlich.

� Ihr übergreifender Charakter umfasst weite politische Felder und alle politischen Ebenen. Die SDG sind nicht einfach.

� Die Vereinten Nationen sind für alle die politische Ebene mit der größten Entfernung zum eigenen politischen Alltag.

� wir die Abstraktion reduzieren (pars pro toto).

� wir z.B. auf globale Lieferketten und ihren Auswirkungen zugunsten oder (in der Regel) zulasten der SDG blicken

� Wir die SDG erläutern, die für uns bei der globalen Verantwortung im Vordergrund stehen - z.B. „Globale Partnerschaft“ als SDG 17, „Reduzierung globaler Ungleichheit“ als SDG 10.

sind problematisch, denn: sind nützlich, wenn:

ZURÜCK ZUR AUSGANGSFRAGE:„WIE BEWERTEN WIR DIE SDG?“

Kompromiss-Kröte? Paradiesvogel?

25.01.2019

14

DIE WELT-ENTWICKLUNGSZIELE: ARBEITSHILFEN FÜR EINE WELT-ENGAGEMENT

Z.B. SDG 12: NACHHALTIGE KONSUM- UND

PRODUKTIONSMUSTER SICHERSTELLEN

� z.B. globale undurchschaubare Lieferketten nicht als organisierte Unverantwortlichkeit hinnehmen

� Öffentliche Beschaffung

� Rohstoffe (z.B. Palmöl)

� z.B. gerechter Welthandel

� Die 2030 Agenda sollte die Regeln für den Welthandel vorgeben – nicht umgekehrt.

25.01.2019

15

Z.B. BILLIGES FLEISCH UND SEINE RELEVANZ FÜR DIE SDGLANDGRABBING, CO2, RESISTENZEN, GÜLLE IM GRUNDWASSER, MONOKULTUREN, PESTIZIDE…

25.01.2019

16

Z.B. FAIRER HANDEL ALS BEITRAG ZU NACHHALTIGEN

KONSUM- UND PRODUKTIONSMUSTERN (SDG 12)

Z.B.: DER WICHTIGE BEITRAG DES FAIREN HANDELS

25.01.2019

17

DIE 2030-AGENDA IN KOMMUNEN

� Politische Dynamik

� Aktualität

� Konkretheit

� Alleinstellungsmerkmal

� Bürgerbeteiligung

� Erfahrungen aus Lokaler Agenda 21

� Komplexität

� Abstraktion Globalität

� Schwierige Integration in kommunales Handeln

� keine Pflichtaufgabe

� Enttäuschung nach Lokaler Agenda 21

Vorteile Nachteile

25.01.2019

18

Z.B. SDG 7: NACHHALTIGE ENERGIE

� Kohle De-Investment� Kampagne der NRO urgewald

(Sassenberg): Parlamentsbeschuss Norwegens (2015), dass Kohlekonzerne aus dem Portfolio des „Norwegian GovernmentPension Fund Global“ ausgeschlossen werden.

� Wenig später Beschluss zum gesamten norwegischen Ölfonds mit 837 Mrd. Euro

� Damit entfällt einer der wichtigsten Investoren der globalen Kohleindustrie.

Z.B. SDG 7: NACHHALTIGE ENERGIE

� Kampagne „Fossil Free“ in Münster

� Bundesweit haben Kommunen 5 bis 10 Milliarden Euro in Fonds angelegt

� Münster hat in zwei Fondsbeteiligungen rund 60 Millionen Euro, bislang auch bei RWE und EON

� Ratsbeschluss November 2015

25.01.2019

19

Z.B. UMGANG MIT ÖFFENTLICHEN GELDERN

ZUM BEISPIEL IN MÜNSTER

� keine Beteiligung an Unternehmen, die

� Kinderarbeit zulassen,

� Militärwaffen herstellen oder vertreiben,

� Atomenergie erzeugen oder auf nicht nachhaltige und klimaschädliche Energien setzen,

� Fracking betreiben.

DIE NRW-NACHHALTIGKEITSSTRATEGIE

� Die NRW-Landesregierung hat im Juni 2016 die erste Nachhaltigkeitsstrategie für NRW beschlossen

� NRW verpflichtete sich damit als erstes Bundesland, die SDG umzusetzen

� für zentrale Handlungsfelder wurden Ziele und Indikatoren festgelegt

� Ressort: NRW-Umweltministerium

� www.nachhaltigkeit.nrw.de

25.01.2019

20

DEUTSCHE NACHHALTIGKEITSSTRATEGIE

� Neuauflage Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 2017

� Ziel: Umsetzung der SDG in Deutschland

� 63 Ziele, die die 17 globalen Ziele ergänzen

� Indikatorenbericht des Statistischen Bundesamtes

� Ressort: Bundeskanzleramt

� www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik

PEER REVIEW 2018 ZUR DEUTSCHENNACHHALTIGKEITSPOLITIK

� Internationale Expertengruppe

� Vorsitz: Helen Clark (ehem. PremierminsterinNeuseelands und ehem. Leiterin UNDP)

� Adolfo Ayuso-Audry(Generaldirektor im Präsidialamt Mexikos, zuständig für die Umsetzung der Agenda 2030)

� Bericht Juni 2018: www.nachhaltigkeitsrat.de/projekte/peer-review/

25.01.2019

21

DIE SDG ALS POLITISCHER KOMPASS UND AUFTRAG

� Die SDG haben für uns eine hohe Bedeutung als globale politische Beschlusslage, die das Engagement für globale Verantwortung und Menschenrechte betrifft.

� Die SDG verweisen auf die Ziele für die Nachhaltigkeitspolitik im Bund, in NRW und in den Kommunen.

� Aber es wäre ein großes Missverständnis zu glauben, globale Verantwortung und Menschenrechte seien jetzt „beschlossene Sache“ und damit so gut wie erledigt.

VERSCHÄRFTE POLITISCHE GEGENSÄTZE NACH 2015

� Globale Probleme wurden 2015 Innenpolitik

� Naturkatastrophen oder Kriege sind oft nur oberflächlich die Fluchtgründe

� Fehlender Zugang zu

� Wasser,

� Ackerland,

� Fischgründen,

� Produktionsmitteln

25.01.2019

22

ABKEHR VOM „IMPERIALEN LEBENSSTIL“

� Europa versucht, seinen Wohlstand, der auch auf Kosten anderer entsteht, gegen die Ansprüche auf Teilhabe genau dieser Menschen zu verteidigen.

� Das ist auch die Konsequenz eines „imperialen Lebensstils“, der darauf beruht, sich weltweit Natur und Arbeitskraft zunutze zu machen und die sozialen und ökologischen Kosten anderen Menschen aufzuschieben.

WIR SEHEN BEISPIELE DES GLOBALEN AUFSCHIEBENS…

� beim CO2 und dem Klimawandel,

� bei Koltan aus dem Kongo oder Kohle aus Kolumbien,

� bei der Produktion von Antibiotika in Indien,

� beim Elektroschrott in Ghana,

� beim Abwracken von Öltankern in Bangladesh,

� in einstürzenden Textilfabriken,

� auf den Palmöl-Plantagen im Regenwald Malaysias,

� oder im Pestizid-Nebel der Gewächshäuser mit Rosen in Kenia.

25.01.2019

23

MEHR WOHLSTAND, MEHR PROBLEME?

� Mittelschichten in China, Brasilien und Indien übernehmen den „westlichen Lebensstil“

� Dieser Lebensstil setzt voraus, dass man auf mehr Ressourcen und ökologische Belastungen zugreift, als einem nach Maßstäben globaler Gerechtigkeit zustünde.

� Wo die einen sich mehr nehmen, müssen andere auf ihren Anteil verzichten

MEHRDEUTIGKEIT VON UMWELT UND ENTWICKLUNG

� Es geht nicht um das Lernen der 17 SDG mit 169 Unterzielen.

� Es geht darum, in politischen Konfliktfeldern zu verdeutlichen, was diese mit globaler Verantwortung und Menschenrechten verbindet.

� Man kann lernen, mit Komplexität und Widersprüchen umzugehen.

� Schwarzmalerei lähmt uns.

25.01.2019

24

NACHHALTIGE ENTWICKLUNG ALSZUKUNFTSKUNST

� Uwe Schneidewind (seit 2010 Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie)� Frankfurt 2018, Fischer Taschenbuch

Verlag

� Nachhaltigkeit als Zivilisations-Idee� Konsumwende� Energiewende� Ressourcenwende� Mobilitätswende� Ernährungswende� Urbane Wende� Industrielle Wende

WIR SOLLTEN MIT DEN SDG SO UMGEHEN,

� dass wir damit Ermutigung auslösen,

� dass wir die Wertschätzung für Engagement erhöhen,

� dass wir unserer politische Wirkung verstärken,

� dass wir neue Inspirationen wahrnehmen,

� dass Engagement zur Selbstwirksamkeit beiträgt.

25.01.2019

25

Manfred BellePolitikwissenschaftler M.A.

Eine Welt Promotor in NRW für die

Sustainable Development Goals

Eine Welt Netz NRW

Achtermannstr. 10-12

48143 Münster

Tel. 02 51 – 28 46 69-12

Manfred.Belle@eine-welt-netz-nrw.de

www.eine-welt-netz-nrw.de

www.17ziele.de