Seite 38 STADT 24. November 2017 VieleVerbrauchersind ... · Coderetreat trafen sich Tausende...

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Im Rahmen des Global Day of Coderetreat trafen sich Tausende Softwareentwickler in aller Welt, um sich auszutauschen und ihre Pro- blemlösungskompetenz zu verbes- sern. Die selbst organisierte Weiter- bildung fand innerhalb von 36 Stun- den an diversen Orten rund um den Globus statt. Ein Rekord ging dabei nach Nürnberg: Bei der Datev eG wurde die größte Einzelveranstal- tung zum weltweiten Event organi- siert. Dort kamen insgesamt 92 Soft- wareentwickler – teils aus dem eige- nen Unternehmen, teils Gäste aus verschiedenen anderen Software- häusern und Organisationen zusammen. Die Teilnehmer entdeck- ten dabei gemeinsam losgelöst vom Alltag und ohne den Druck konkre- ter Ergebnisse neue Herangehens- weisen und Lösungswege für Frage- stellungen aus der Softwareentwick- lung. anz Ausbilder und Betreuer persön- lich kennenlernen, einen Blick hin- ter die Kulissen der Arbeitswelt ihrer Kinder werfen: Das haben Eltern der Auszubildenden der R+S- Gruppe am Standort Nürnberg im Rahmen des ersten Azubi-Eltern- tags gemacht. „Uns ist es wichtig, dass Eltern verstehen und vor allem auch einmal sehen können, welche Aufgaben täglich auf ihre Kinder warten“, erklärt Florian Friedrich. R+S-Personalvorstand Susanne Röhner ist überzeugt, dass der Azu- bi-Elterntag eine wichtige Ergän- zung zu dem bereits umfassenden Ausbildungsprogramm für die insge- samt mehr als 400 Auszubildenden der Unternehmensgruppe darstellt. 100 Azubis haben 2017 bei R+S begonnen. anz Mit rund 100 Mio. • Finanzie- rungsvolumen pro Jahr gehört die Nürnberger Leasing zu den größten inhabergeführten Leasinggesell- schaften bundesweit. Zum Jahres- wechsel wollen die Nürnberger die ersten ein, zwei Gebraucht-Lokomo- tiven gekauft haben. Pro Jahr sollen es dann vier Zugmaschinen sein. „Es gibt gut 100 private Betreiber bundesweit, die im Schnitt drei Lokomotiven haben“, sagt Ferdi- nand Dorn. Dass sich der Inhaber der Nürnberger Leasing (NL) mit diesem Markt befasst, hat mehrere Gründe: Seine Gesellschaft finanziert bereits Mobilität und Logistik und sammelt aktuell Know- how mit E-Fahrzeugen. Und aus der Finanzierungsbranche für Loko- motiven kam diesen Herbst ein Spe- zialist zur NL, der nun sein Fachwis- sen und seine Kontakte hier ein- bringt. Der Markt für Lokomotiven ist mit fünf Herstellern wie Alstom, Bombardier oder Vossloh über- schaubar. anz Bauarbeiter aus Mittelfranken haben alle Hände voll zu tun: Die Branche brummt. Allein im vergange- nen Jahr wurden in der Region rund 6500 neue Wohnungen gebaut, wie die Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt mitteilt. Die IG Bau beruft sich hierbei auf Zahlen des Statistischen Bundesamts. Nach Beobachtung der Gewerkschaft steigt mit der Zahl der Aufträge aber häufig auch die Unfallgefahr. „Gera- de jetzt zum Winteranfang müssen vie- le Projekte fertig werden. Dieses ,Tur- bo-Bauen‘ führt zu enormem Stress für die Beschäftigten“, berichtet Gewerkschafterin Iris Santoro. Allzu oft drohe der Arbeitsschutz dem Ter- mindruck zum Opfer zu fallen. Die IG Bau Mittelfranken fordert die heimischen Bauunternehmen auf, die Arbeitssicherheit nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. „Wer in einer Höhe von fünf Metern oder mehr auf einer Leiter arbeitet, der riskiert eine Menge. Besser ist da ein Gerüst – auch wenn es den Chef mehr kostet“, macht Santoro deutlich. Die Unfallzahlen in der Branche sei- en nach wie vor zu hoch, sagt die IG-Bau-Bezirksvorsitzende: Rund 22 000 meldepflichtige Arbeitsunfälle auf bayerischen Baustellen registrier- te die Deutsche Gesetzliche Unfallver- sicherung im letzten Jahr. Mangelware Arbeitsschutz? Ein weiteres Problem: Auf vielen Baustellen fehlt es nach IG-Bau-Anga- ben an Fachkräften, die sich um den Arbeitsschutz kümmern obwohl dies die Baustellenverordnung vor- schreibt. Gerade bei Subunterneh- mern, die Bauarbeiter aus dem Aus- land beschäftigen, suche man in der Regel vergebens nach qualifiziertem Personal. Dass ein besserer Arbeitsschutz die Baukosten in die Höhe treibt, hält Iris Santoro für ein „fadenscheiniges Argument“. Die deutsche Bauwirt- schaft verzeichne seit Jahren steigen- de Umsätze – allein im ersten Halb- jahr 2017 lag das Plus laut Bundessta- tistik bei über sechs Prozent. Fortbildung kann helfen „Wer volle Auftragsbücher hat, bei dem muss die Gesundheit seiner Beschäftigten ganz oben auf der Liste stehen. Denn viele Unfälle lassen sich etwa durch Schutzbrille und Helm ver- meiden“, so Santoro weiter. Aber auch durch die Fortbildung für Mitar- beiter: Arbeitsschutz könne man ler- nen. Ein sicherer Arbeitsplatz habe viel mit dem richtigen Knowhow zu tun. anz VON HORST PETER WICKEL Ausgerechnet bei Finanzthemen füh- len sich viele Verbraucher in Nürnberg unsicher. Das kann sie viel Geld kos- ten. Bei Verbraucherschützern und Marktbeobachtern gehört es bereits zu den Binsenwahrheiten: Wenn es um Sparen, Geldanlage, Kredite oder Altersvorsorge geht, sind viele Ver- braucher in Deutschland überfordert. Nach einer aktuellen Studie sind rund 50 Prozent der Bundesbürger „finanzi- elle Analphabeten“. Bei der Umfrage in zwölf europäischen Ländern lande- ten die deutschen Verbraucher auf dem vorletzten Platz, knapp vor Groß- britannien. Vor allem die junge Gene- ration hat wenig Bezug zu Finanzthe- men, junge Menschen zwischen 18 und 34 Jahren gestanden freimütig, dass sie nur wenig Ahnung haben, wenn es ums Geld geht. Über Geld spricht man nicht Michael Weinhold von der Schuld- ner- und Insolvenzberatung beim Institut für Soziale und Kulturelle Arbeit (ISKA) betont: „Aus der Sicht eines Schuldnerberaters ist und wird das Wissen um den Umgang mit Geld und Finanzen immer bedeutsamer.“ Für ihn gehört es zur „Grundausstat- tung, über Finanzen grundlegend Bescheid zu wissen“. Aber Weinhold weiß auch, dass der Umgang mit Geld bei vielen Verbrauchern „tabubehaf- tet“ ist, über Geld spricht man eben nicht. Wenn sich Verbraucher bei der Schuldnerberatung melden, ist es meistens schon zu spät. Der erfahrene Schuldnerberater erzählt: „Zunächst bieten wir in der Beratung selbst die Möglichkeit, sich kritisch mit seinem eigenen Umgang mit Geld auseinan- derzusetzen.“ Auch die Kundenberater von Kredit- instituten in Nürnberg wissen schon lange, dass sich viele ihrer Kunden mit Finanzthemen kaum auskennen. Michael Kläver aus dem Vorstand der Sparkasse Nürnberg sagt: „Oft stellen unsere Kundenberater fest, dass das Wissen rund um das Thema Geld und Finanzen nicht sehr ausgeprägt ist.“ Zwar nehme das Wissen aufgrund eigener Erfahrungen im Laufe des Lebens meistens zu, aber gerade in jüngeren Jahren fehlen grundlegende Kenntnisse völlig. Nach Klävers Aus- sagen informieren sich Kunden in der Regel „in bestimmten Lebenssituatio- nen, zum Beispiel bei einem Haus- kauf, auch über das Internet vorab und kommen dann mit bestimmten Fragen und Wünschen in die Kunden- beratung“. Überschuldung als Folge Michael Krauß, Niederlassungslei- ter Privat- und Unternehmerkunden bei der Commerzbank stimmt ihm zu: „Finanzielle Allgemeinbildung ist für alle Bürger eine wichtige Aufgabe. Jeder Bürger muss sich mit Fragen des Vermögensaufbaus, der Altersvorsor- ge, dem Umgang mit Krediten und Lebensrisiken beschäftigen.“ Nach seinen Beobachtungen sei unzurei- chendes Wissen im Umgang mit Geld ganz charakteristisch für viele über- schuldete Haushalte. Und wer sich nicht um seine Geldanlage kümmere, „verliert Monat für Monat bares Geld und wird schleichend enteignet“. In Deutschland liegen nach Angaben von Krauß zurzeit rund zwei Billionen • unverzinst auf Sparkonten herum: „Das ist Geldvernichtung.“ Früher sei es mit fünf Prozent Zinsen möglich gewesen, in 15 Jahren das ersparte Vermögen zu verdoppeln. Bei heuti- gen Zinsen benötige man dafür rund 300 Jahre: „Das ist auch für die Alters- vorsorge dramatisch.“ Eigentlich sind sich die meisten Ver- braucher darin einig, dass Finanzbil- dung heutzutage ein „Must-have“ ist. Gefragt, wo Finanzwissen vermittelt werden soll, geben 80 Prozent der Befragten an, die Schulen in der Pflicht zu sehen. Aber die Wirklich- keit sieht düster aus, nur für rund 15 Prozent der Verbraucher war Finanz- bildung fester Bestandteil des Stun- denplans. „Schule ist der erste und wichtigste Ort, bereits früh mit die- sem Thema vertraut zu werden, daher sollte es in den unterschiedlichsten Formen Bestandteil der schulischen Bildung sein“, meint Schuldnerbera- ter Weinhold. Und Simone Fleisch- mann, Präsidentin des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands (BLLV), betont: „Die Schule hat den Auftrag, die Kinder und Jugendlichen auf das Leben vorzubereiten. Dazu gehört aus meiner Sicht auch eine öko- nomische Grundausbildung.“ Wirt- schaftliche Bildung müsse nach ihrer Meinung „zum integralen Bestandteil der schulischen Allgemeinbildung“ werden. Fleischmann fordert, in alle Phasen der Lehrerausbildung eine ver- stärkte ökonomische Ausbildung zu integrieren und ein eigenes Fach in den allgemeinbildenden Schulen ein- zurichten. Praktiker aus Nürnberger Kreditin- stituten stimmen ihr zu. So zum Bei- spiel Frank Büttner, Pressesprecher der Sparda-Bank Nürnberg: „Finanzi- elle Bildung als festes Unterrichtsthe- ma in den Schulen zu verankern, um frühzeitig ein wirtschaftliches Grund- verständnis zu vermitteln, halten wir für äußerst wichtig – leider kommt dies oft zu kurz.“ Verständlich erklären Und Sparkassen-Vorstand Kläver weiß zwar, dass sich junge Menschen „freiwillig eher mit anderen Themen als mit dem Thema Geld und Finan- zen“ beschäftigen, aber nach seiner Meinung mache es deswegen Sinn, lebenspraktisches Finanzwissen in der Schule zu vermitteln: „Generell müssen wir es schaffen, den Menschen die oft komplexen Finanzthemen auf verständliche Weise zu erklären. Wenn Eltern und Lehrer die Themen nicht durchschauen, können Sie das auch nicht Ihren Kindern erklären.“ Commerzbanker Krauß stimmt ihm zu: „Der Verbraucher sollte lernen, richtig mit Geld umzugehen. Der Ver- mittlung entsprechender Qualifikatio- nen kommt daher eine große Bedeu- tung zu.“ Er ärgert sich darüber, dass Schüler in Deutschland Abitur machen können, ohne eine einzige Stunde Wirtschaftsunterricht gehabt zu haben. Nach seiner Meinung müsse jedem jungen Menschen klar werden, „dass es wirtschaftliche Zusammen- hänge gibt, die ins tägliche Leben ein- fließen“. Aus der Wirtschaft Bauberufe bergen viele Gefahren. Besonders dann, wenn unter Stress gearbeitet wird. Unternehmen dürften den Arbeits- schutz nicht auf die leichte Schulter nehmen, fordert die Bau-Gewerkschaft. Foto: William Diller/IG Bau Global Day of Coderetreat: Bei der Datev in Nürnberg tauschten sich Soft- wareentwickler über neue Lösungen aus. Foto: Kurt Fuchs/Datev Wohin mit dem Geld? Viele Menschen wissen nicht, wie sie Vermögen aufbauen oder für das Alter vorsorgen. Auf Sparbü- chern ist das Ersparte am schlechtesten aufgehoben, sagen Experten. Foto: Shutterstock Bauboom birgt erhöhte Unfallgefahr Gewerkschaft warnt vor steigendem Risiko durch Termindruck — Qualifikation fehlt oft Viele Verbraucher sind „finanzielle Analphabeten“ Auch in Nürnberg fehlt Wissen rund um die Themen Geld, Vermögensaufbau oder Altersvorsorge — Experten sehen Schulen in der Pflicht Seite 38 ³ STADT ³ Freitag ³ 24. November 2017 WIRTSCHAFT

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Im Rahmen des Global Day ofCoderetreat trafen sich TausendeSoftwareentwickler in aller Welt,um sich auszutauschen und ihre Pro-blemlösungskompetenz zu verbes-sern. Die selbst organisierte Weiter-bildung fand innerhalb von 36 Stun-den an diversen Orten rund um denGlobus statt. Ein Rekord ging dabeinach Nürnberg: Bei der Datev eGwurde die größte Einzelveranstal-tung zum weltweiten Event organi-siert. Dort kamen insgesamt 92 Soft-wareentwickler – teils aus dem eige-nen Unternehmen, teils Gäste ausverschiedenen anderen Software-häusern und Organisationen –zusammen. Die Teilnehmer entdeck-ten dabei gemeinsam losgelöst vomAlltag und ohne den Druck konkre-ter Ergebnisse neue Herangehens-weisen und Lösungswege für Frage-stellungen aus der Softwareentwick-lung. anz

Ausbilder und Betreuer persön-lich kennenlernen, einen Blick hin-ter die Kulissen der Arbeitsweltihrer Kinder werfen: Das habenEltern der Auszubildenden der R+S-Gruppe am Standort Nürnberg imRahmen des ersten Azubi-Eltern-tags gemacht. „Uns ist es wichtig,dass Eltern verstehen und vor allemauch einmal sehen können, welcheAufgaben täglich auf ihre Kinderwarten“, erklärt Florian Friedrich.

R+S-Personalvorstand SusanneRöhner ist überzeugt, dass der Azu-bi-Elterntag eine wichtige Ergän-zung zu dem bereits umfassendenAusbildungsprogramm für die insge-samt mehr als 400 Auszubildendender Unternehmensgruppe darstellt.100 Azubis haben 2017 bei R+Sbegonnen. anz

Mit rund 100 Mio. • Finanzie-rungsvolumen pro Jahr gehört dieNürnberger Leasing zu den größteninhabergeführten Leasinggesell-schaften bundesweit. Zum Jahres-wechsel wollen die Nürnberger dieersten ein, zwei Gebraucht-Lokomo-tiven gekauft haben. Pro Jahr sollenes dann vier Zugmaschinen sein.„Es gibt gut 100 private Betreiberbundesweit, die im Schnitt dreiLokomotiven haben“, sagt Ferdi-nand Dorn. Dass sich der Inhaberder Nürnberger Leasing (NL) mitdiesem Markt befasst, hat mehrereGründe: Seine Gesellschaftfinanziert bereits Mobilität undLogistik und sammelt aktuell Know-how mit E-Fahrzeugen. Und ausder Finanzierungsbranche für Loko-motiven kam diesen Herbst ein Spe-zialist zur NL, der nun sein Fachwis-sen und seine Kontakte hier ein-bringt. Der Markt für Lokomotivenist mit fünf Herstellern wie Alstom,Bombardier oder Vossloh über-schaubar. anz

Bauarbeiter aus Mittelfrankenhaben alle Hände voll zu tun: DieBranche brummt. Allein im vergange-nen Jahr wurden in der Region rund6500 neue Wohnungen gebaut, wie dieGewerkschaft Bauen-Agrar-Umweltmitteilt.

Die IG Bau beruft sich hierbei aufZahlen des Statistischen Bundesamts.Nach Beobachtung der Gewerkschaftsteigt mit der Zahl der Aufträge aberhäufig auch die Unfallgefahr. „Gera-de jetzt zum Winteranfang müssen vie-le Projekte fertig werden. Dieses ,Tur-bo-Bauen‘ führt zu enormem Stressfür die Beschäftigten“, berichtetGewerkschafterin Iris Santoro. Allzuoft drohe der Arbeitsschutz dem Ter-mindruck zum Opfer zu fallen.

Die IG Bau Mittelfranken fordertdie heimischen Bauunternehmen auf,die Arbeitssicherheit nicht auf die

leichte Schulter zu nehmen. „Wer ineiner Höhe von fünf Metern oder mehrauf einer Leiter arbeitet, der riskierteine Menge. Besser ist da ein Gerüst –auch wenn es den Chef mehr kostet“,macht Santoro deutlich.

Die Unfallzahlen in der Branche sei-en nach wie vor zu hoch, sagt dieIG-Bau-Bezirksvorsitzende: Rund22000 meldepflichtige Arbeitsunfälleauf bayerischen Baustellen registrier-te die Deutsche Gesetzliche Unfallver-sicherung im letzten Jahr.

Mangelware Arbeitsschutz?Ein weiteres Problem: Auf vielen

Baustellen fehlt es nach IG-Bau-Anga-ben an Fachkräften, die sich um denArbeitsschutz kümmern – obwohldies die Baustellenverordnung vor-schreibt. Gerade bei Subunterneh-mern, die Bauarbeiter aus dem Aus-land beschäftigen, suche man in der

Regel vergebens nach qualifiziertemPersonal.

Dass ein besserer Arbeitsschutz dieBaukosten in die Höhe treibt, hält IrisSantoro für ein „fadenscheinigesArgument“. Die deutsche Bauwirt-schaft verzeichne seit Jahren steigen-de Umsätze – allein im ersten Halb-jahr 2017 lag das Plus laut Bundessta-tistik bei über sechs Prozent.

Fortbildung kann helfen„Wer volle Auftragsbücher hat, bei

dem muss die Gesundheit seinerBeschäftigten ganz oben auf der Listestehen. Denn viele Unfälle lassen sichetwa durch Schutzbrille und Helm ver-meiden“, so Santoro weiter. Aberauch durch die Fortbildung für Mitar-beiter: Arbeitsschutz könne man ler-nen. Ein sicherer Arbeitsplatz habeviel mit dem richtigen Knowhow zutun. anz

VON HORST PETER WICKEL

Ausgerechnet bei Finanzthemen füh-len sich viele Verbraucher in Nürnbergunsicher. Das kann sie viel Geld kos-ten.

Bei Verbraucherschützern undMarktbeobachtern gehört es bereitszu den Binsenwahrheiten: Wenn esum Sparen, Geldanlage, Kredite oderAltersvorsorge geht, sind viele Ver-braucher in Deutschland überfordert.Nach einer aktuellen Studie sind rund50 Prozent der Bundesbürger „finanzi-elle Analphabeten“. Bei der Umfragein zwölf europäischen Ländern lande-ten die deutschen Verbraucher aufdem vorletzten Platz, knapp vor Groß-britannien. Vor allem die junge Gene-ration hat wenig Bezug zu Finanzthe-men, junge Menschen zwischen 18und 34 Jahren gestanden freimütig,dass sie nur wenig Ahnung haben,wenn es ums Geld geht.

Über Geld spricht man nichtMichael Weinhold von der Schuld-

ner- und Insolvenzberatung beimInstitut für Soziale und KulturelleArbeit (ISKA) betont: „Aus der Sichteines Schuldnerberaters ist und wirddas Wissen um den Umgang mit Geldund Finanzen immer bedeutsamer.“Für ihn gehört es zur „Grundausstat-tung, über Finanzen grundlegendBescheid zu wissen“. Aber Weinholdweiß auch, dass der Umgang mit Geldbei vielen Verbrauchern „tabubehaf-tet“ ist, über Geld spricht man ebennicht. Wenn sich Verbraucher bei derSchuldnerberatung melden, ist esmeistens schon zu spät. Der erfahreneSchuldnerberater erzählt: „Zunächstbieten wir in der Beratung selbst dieMöglichkeit, sich kritisch mit seinemeigenen Umgang mit Geld auseinan-derzusetzen.“

Auch die Kundenberater von Kredit-instituten in Nürnberg wissen schonlange, dass sich viele ihrer Kundenmit Finanzthemen kaum auskennen.Michael Kläver aus dem Vorstand derSparkasse Nürnberg sagt: „Oft stellenunsere Kundenberater fest, dass dasWissen rund um das Thema Geld undFinanzen nicht sehr ausgeprägt ist.“Zwar nehme das Wissen aufgrundeigener Erfahrungen im Laufe desLebens meistens zu, aber gerade injüngeren Jahren fehlen grundlegende

Kenntnisse völlig. Nach Klävers Aus-sagen informieren sich Kunden in derRegel „in bestimmten Lebenssituatio-nen, zum Beispiel bei einem Haus-kauf, auch über das Internet vorabund kommen dann mit bestimmtenFragen und Wünschen in die Kunden-beratung“.

Überschuldung als FolgeMichael Krauß, Niederlassungslei-

ter Privat- und Unternehmerkundenbei der Commerzbank stimmt ihm zu:„Finanzielle Allgemeinbildung ist füralle Bürger eine wichtige Aufgabe.Jeder Bürger muss sich mit Fragen des

Vermögensaufbaus, der Altersvorsor-ge, dem Umgang mit Krediten undLebensrisiken beschäftigen.“ Nachseinen Beobachtungen sei unzurei-chendes Wissen im Umgang mit Geldganz charakteristisch für viele über-schuldete Haushalte. Und wer sichnicht um seine Geldanlage kümmere,„verliert Monat für Monat bares Geldund wird schleichend enteignet“. InDeutschland liegen nach Angabenvon Krauß zurzeit rund zwei Billionen• unverzinst auf Sparkonten herum:„Das ist Geldvernichtung.“ Früher seies mit fünf Prozent Zinsen möglichgewesen, in 15 Jahren das ersparte

Vermögen zu verdoppeln. Bei heuti-gen Zinsen benötige man dafür rund300 Jahre: „Das ist auch für die Alters-vorsorge dramatisch.“

Eigentlich sind sich die meisten Ver-braucher darin einig, dass Finanzbil-dung heutzutage ein „Must-have“ ist.Gefragt, wo Finanzwissen vermitteltwerden soll, geben 80 Prozent derBefragten an, die Schulen in derPflicht zu sehen. Aber die Wirklich-keit sieht düster aus, nur für rund 15Prozent der Verbraucher war Finanz-bildung fester Bestandteil des Stun-denplans. „Schule ist der erste undwichtigste Ort, bereits früh mit die-

sem Thema vertraut zu werden, dahersollte es in den unterschiedlichstenFormen Bestandteil der schulischenBildung sein“, meint Schuldnerbera-ter Weinhold. Und Simone Fleisch-mann, Präsidentin des BayerischenLehrerinnen- und Lehrerverbands(BLLV), betont: „Die Schule hat denAuftrag, die Kinder und Jugendlichenauf das Leben vorzubereiten. Dazugehört aus meiner Sicht auch eine öko-nomische Grundausbildung.“ Wirt-schaftliche Bildung müsse nach ihrerMeinung „zum integralen Bestandteilder schulischen Allgemeinbildung“werden. Fleischmann fordert, in allePhasen der Lehrerausbildung eine ver-stärkte ökonomische Ausbildung zuintegrieren und ein eigenes Fach inden allgemeinbildenden Schulen ein-zurichten.

Praktiker aus Nürnberger Kreditin-stituten stimmen ihr zu. So zum Bei-spiel Frank Büttner, Pressesprecherder Sparda-Bank Nürnberg: „Finanzi-elle Bildung als festes Unterrichtsthe-ma in den Schulen zu verankern, umfrühzeitig ein wirtschaftliches Grund-verständnis zu vermitteln, halten wirfür äußerst wichtig – leider kommtdies oft zu kurz.“

Verständlich erklärenUnd Sparkassen-Vorstand Kläver

weiß zwar, dass sich junge Menschen„freiwillig eher mit anderen Themenals mit dem Thema Geld und Finan-zen“ beschäftigen, aber nach seinerMeinung mache es deswegen Sinn,lebenspraktisches Finanzwissen inder Schule zu vermitteln: „Generellmüssen wir es schaffen, den Menschendie oft komplexen Finanzthemen aufverständliche Weise zu erklären.Wenn Eltern und Lehrer die Themennicht durchschauen, können Sie dasauch nicht Ihren Kindern erklären.“

Commerzbanker Krauß stimmt ihmzu: „Der Verbraucher sollte lernen,richtig mit Geld umzugehen. Der Ver-mittlung entsprechender Qualifikatio-nen kommt daher eine große Bedeu-tung zu.“ Er ärgert sich darüber, dassSchüler in Deutschland Abiturmachen können, ohne eine einzigeStunde Wirtschaftsunterricht gehabtzu haben. Nach seiner Meinung müssejedem jungen Menschen klar werden,„dass es wirtschaftliche Zusammen-hänge gibt, die ins tägliche Leben ein-fließen“.

Aus der Wirtschaft

Bauberufe bergen viele Gefahren. Besonders dann, wenn unter Stress gearbeitet wird. Unternehmen dürften den Arbeits-schutz nicht auf die leichte Schulter nehmen, fordert die Bau-Gewerkschaft. Foto: William Diller/IG Bau

Global Day of Coderetreat: Bei der Datev in Nürnberg tauschten sich Soft-wareentwickler über neue Lösungen aus. Foto: Kurt Fuchs/Datev

Wohin mit dem Geld? Viele Menschen wissen nicht, wie sie Vermögen aufbauen oder für das Alter vorsorgen. Auf Sparbü-chern ist das Ersparte am schlechtesten aufgehoben, sagen Experten. Foto: Shutterstock

Bauboom birgt erhöhte UnfallgefahrGewerkschaft warnt vor steigendem Risiko durch Termindruck — Qualifikation fehlt oft

Viele Verbraucher sind „finanzielle Analphabeten“Auch in Nürnberg fehlt Wissen rund um die Themen Geld, Vermögensaufbau oder Altersvorsorge — Experten sehen Schulen in der Pflicht

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