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Seite 724 · Nummer 28 · Holz-Zentralblatt Freitag, 15. Juli 2016 Lehre und Forschung 26 Forstleute aus ganz Deutschland sind vom 22. Mai bis zum 4. Juni einer Einladung des Nordwestdeutschen Forstvereins gefolgt, um sich direkt vor Ort ein Bild von Forstwirtschaft und Naturschutz in Indonesien, im viertbe- völkerungsreichsten Staat der Erde zu machen. Mit dem Nordwestdeutschen Forstverein in Indonesien Drei Inseln, drei Welten Ein und derselbe Strauch liefert drei verschiedene Sorten Tee. Weißen, für den nur die äußersten Triebspitzen ver- wendet werden und der deshalb der teuerste ist. Grünen – auch er aus jun- gen Blättchen, die nicht fermentiert werden – und schließlich den bekann- ten Schwarztee, der in Indonesien aller- dings „Roter Tee“ genannt wird. Mit diesem frisch erworbenen Wissen aus den Teeplantagen von Gunung Mas sowie etlichen Kilogramm der kostba- ren Blätter im Gepäck streben wir unse- rem Hotel in Jakarta entgegen. Freuen uns auf ein üppiges Abendbrot, auf ein paar Runden im Pool und – es muss ja nicht immer Tee sein – ein kühles Bin- tang-Bier. Doch der überbordende Ver- kehr auf den Straßen Westjavas ändert unsere Pläne vollkommen. Meter für Meter schieben wir uns in einer endlo- sen Kolonne vorwärts, brauchen für die hundert Kilometer bis in die Hauptstadt schließlich geschlagene fünf Stunden. Dazu prasseln tropische Gewittergüsse auf uns herunter, denen unser Bus nicht gewachsen ist. Gleich an mehreren Stel- len drängen sie ins Innere und wir ver- suchen, das Wasser mit den bordeige- nen Mülleimern aufzufangen. Aber der guten Laune tut es merkwürdigerweise keinen Abbruch und als Sabine, unsere Reiseleiterin und gute Fee, am Straßen- rand gebackenes Gemüse und gebrate- ne Hähnchenspieße organisiert, sind wir trotz der widrigen Umstände rund- um zufrieden. Java – Herz und Hirn der Republik Zwei Tage zuvor sind wir auf dem Soekarno-Hatta International Airport gelandet und haben in Bogor in Sicht- weite des berühmten botanischen Gar- tens unser Quartier bezogen. Dort be- kamen wir eine erste Vorstellung von tropischen Baumriesen, von Leber- wurstbäumen, gewaltigem Bambus und von Seerosen, auf deren Blättern ein Kind angeblich stehen kann, ohne un- terzugehen. Aber auch von den un- glaublichen Menschenmassen, die Java zu einer der am dichtesten bevölkerten Inseln der Welt machen und die Ein- wohnerzahl des „romantic little villa- ge“, wie Sir Stamford Raffles den Ort vor 200 Jahren nannte, auf mittlerweile 1 Mio. hochschnellen ließ. Vor allem aber interessierte uns die Bogor Agricultural University, die wich- tigste landwirtschaftliche Hochschule des Landes, deren Vorgängereinrich- tungen immerhin bis in das 19. Jahrhun- dert zurückreichen und die heute enge Beziehungen zur Georg-August-Uni- versität in Göttingen unterhält. So kam es, dass wir vom Dekan der forstlichen Fakultät empfangen wurden und quasi aus erster Hand Informationen über die Forstwirtschaft in Indonesien erhielten. Diese ist geprägt durch ein hohes Fach- wissen, das jedoch noch immer nicht bis in alle Winkel des riesigen Inselrei- ches vordringen konnte. Manch guter Ansatz scheint auf dem langen Weg bis nach Sumatra, Kalimantan oder Papua einfach zu verpuffen, zumal viele frisch gebackene Förster ihre Zukunft eher in einem klimatisierten Büro auf Java se- hen, als fernab der Zivilisation im tropi- schen Regenwald. Doch die Zeiten könnten sich nunmehr tatsächlich än- dern. Junge Kollegen müssen hinaus in den Wald und die gesamte indonesische Forstverwaltung wird derzeit nach deutschem Vorbild neu organisiert. KPH heißt dabei das Zauberwort – Ke- satuan Pengelolaan Hutan oder „Wald- Management-Einheit“, mit dem man das deutsche Forstamtssystem mit sei- ner strengen regionalen Zuständigkeit an den Äquator zu übertragen versucht. In eine ähnliche Richtung zielen auch die Projekte des Centers for Internatio- nal Forestry Research (Cifor), ebenfalls angesiedelt in Bogor, das sich zudem um eine effektive Einbindung der örtli- chen Bevölkerung bemüht. Nach so viel Theorie waren wir froh, am nächsten Tag selbst in den Wald hi- nein zu dürfen. In den gut 150 km² gro- ßen Nationalpark Gunung Gede-Pan- grango, dessen Existenz im dicht besie- delten Westjava uns überraschte. Tat- sächlich fanden wir nicht nur touristi- sche Attraktionen, wie eine schwan- kende Hängebrücke, deren Kapazität auf maximal fünf Personen ausgelegt war, sondern auch eine üppige Flora und Fauna. Zwar hielt sich der Java- Leopard ebenso bedeckt wie der far- benprächtige Blauschwanztrogon, da- für konnten wir blühenden Ingwer be- wundern und uns vor einer winzigen Brillenschlange gruseln, ehe die mutigs- ten von uns ein Bad unter einem tosen- den Wasserfall nahmen. In der Hauptstadt erwartet uns tags darauf wieder die Theorie. Zuerst erfah- ren wir in den Büros der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), welcher enorme Aufwand erfor- derlich ist, um in abgelegenen Regionen brauchbare Karten und Geländemodel- le zu erstellen. Außerdem wird unser Blick wieder auf die unendliche Ge- duldsarbeit gelenkt, derer es bedarf, um die Interessen der unterschiedlichsten Waldnutzer und -bewohner miteinan- der in Einklang zu bringen. Forclime und Bioclime heißen die entsprechen- den Projekte, mit denen nicht nur die Biodiversität erhalten, sondern auch ein entscheidender Beitrag zum Kli- maschutz geleistet werden soll. Denn schließlich wird allein durch die Abhol- zung der indonesischen Regenwälder Jahr für Jahr doppelt so viel Kohlendi- oxid freigesetzt wie durch die gesamte deutsche Volkswirtschaft! Bunter und weniger problembeladen unser Besuch auf der „Indo Green“- Messe. Hier dominieren farbenprächti- ge Kostüme und Bilder von üppiger Ve- getation. Auf den ersten Blick Folklore- Kitsch, aber dennoch wichtig, um die Menschen für die Schönheiten ihrer Heimat zu sensibilisieren und deren – auch materiellen – Wert zu erkennen. Unser zweiter Aufenthalt auf Java führt uns einige Tage später in das Sul- tanat Yogyakarta im Zentrum der Insel. Auch hier Wald, wo wir ihn nicht ver- mutet hätten. Bedingt durch die Land- flucht nach Jakarta und in die anderen Großstädte wurde manches Feld aufge- geben und von den Eigentümern ein- fach aufgeforstet. Dazu passt der mehr als 600 ha große Wanagama-Wald, der seit 1964 von der forstlichen Fakultät der Gadjah-Mada-Universität auf ehe- maligem Ödland angelegt wurde und sich seitdem zu einer grünen Insel ent- wickelt hat. Nicht nur Heimat für inzwi- schen rund tausend verschiedene Pflan- zenarten, sondern darüber hinaus ver- lässliches Wasserreservoir für die Men- schen der Umgebung. Auch die Kultur kommt in unserem Programm natürlich nicht zu kurz. Der hinduistische Prambanan-Tempel steht genauso darauf wie der buddhistische Borobodur. Streng genommen beides Relikte aus vergangenen Epochen, da der Islam seit Jahrhunderten die domi- nierende Religion auf Java ist. Aber hier zeigt er sich so tolerant, dass er den al- ten Göttern noch ihren Platz lässt. Kalimantan – SOS für den Regenwald Schon der Blick aus dem Fenster beim Anflug auf Palangkaraya verrät es uns: Joseph Conrads Herz der Finster- nis ist licht geworden, das ehemals ge- schlossene Dach aus dichten Baumkro- nen zerlöchert wie ein Teppich nach Mottenfraß. Allein zwischen 2000 und 2010 nahm der Anteil des unbeeinfluss- ten Primärwaldes auf der Insel offiziel- len Angaben zufolge um 3 Mio. ha ab. Dagegen ist die Stadt, die erst 1957 aus einer Dschungelsiedlung hervorging, mit einer Grundfläche, die dem Groß- herzogtum Luxemburg entspricht, die ausgedehnteste Indonesiens und beher- bergt heute rund 300 000 Einwohner. Von hier aus brechen wir mit Schnell- booten auf in den benachbarten Seban- gau-Nationalpark, einen der größten und wichtigsten Torfmoorwälder der Insel. Eine riesige, scheinbar unberühr- te Wildnis, die indes bis heute unter den Folgen eines skrupellosen Raubbaus in den achtziger und neunziger Jahren lei- det. Damals wurden alle wertvollen Hölzer eingeschlagen und dabei zu- gleich die bis zu 12 m dicken Torf- schichten durch den Bau von Trans- port- und Entwässerungskanälen tro- ckengelegt. Als Folge gewaltige Schä- den am verbliebenen Regenwald, die Freisetzung ungeheurer Mengen an CO und eine immense Brandgefahr, der alljährlich große Mengen an Wald zum Opfer fallen – einschließlich der darin lebenden Menschenaffen und an- deren Tiere. Mühevoll versucht man inzwischen, die Kanäle wieder zu verschließen und so die verhängnisvolle Entwicklung zu stoppen. Erste Erfolge lassen sich im- merhin erkennen, so konnte die Zahl der Orang-Utans nach dramatischen Einbrüchen inzwischen stabilisiert wer- den. Symbolisch helfen wir dabei mit, indem wir einige neue Bäumchen in die Erde pflanzen. Zurück im Hafen von Palangkaraya geraten wir in die Dreharbeiten für eine lokale Fernsehsendung. Kinder und Ju- gendliche führen traditionelle Tänze vor, begleitet von einem Gamelan-Or- chester und gefilmt zusätzlich von einer ferngesteuerten Drohne. Die Kameras richten sich auch auf uns, sind wir doch hier die Exoten und dokumentieren das Interesse der Außenwelt an diesem Vor- posten der Zivilisation. Für den nächsten Tag haben wir den Wunsch, eine Holzkonzession zu be- sichtigen, einen jener Einschläge, die heute angeblich nur noch in geordneten und naturverträglichen Bahnen verlau- fen. Vergeblich – wir erhalten keine Ge- nehmigung und können uns des Ver- dachtes nicht erwehren, dass zwischen Theorie und Praxis doch noch gewaltige Lücken klaffen. Stattdessen besichtigen wir eine Baumschule für Ölpalmen, jene grüne Pest, die den Wald vielerorts abzulösen droht. Deren Wachstum und Erträge sind in der Tat beeindruckend und las- sen den armen Kleinbauern wohl kaum eine Alternative. Danach schauen wir uns an, wie ein Teil des gewonnenen Holzes vor Ort weiterverarbeitet wird. In kleinen Schreinereien entstehen wunderbare Möbel aus ihm, außerdem Ess-Stäbchen für den Export nach Ja- pan und China. Schließlich die mit Spannung erwar- tete Begegnung mit den zotteligen „Waldmenschen“, wie Orang-Utan in der deutschen Übersetzung heißt. In Nyaru Menteng besuchen wir ein Pri- matenzentrum der BOS, der Borneo Orangutan Survival Foundation, und erfahren dort jede Menge über unsere haarige Verwandtschaft. Hierher wer- den jene Affen gebracht, die Waldbrän- de und Wilderei überlebt haben oder die aus Gefangenschaft gerettet wurden. Bis zu sieben Jahre intensiver Ausbil- dung benötigen sie dann, bis sie sich im Dschungel zurechtfinden können und an passenden Stellen wieder freigelas- sen werden. Bali – Tempel, Touristen und ein Mangrovenwald ... Sie halten sich tapfer, die hinduisti- schen Götter, die das Leben auf der In- sel seit Jahrtausenden prägen. Jede Ort- schaft hat gleich mehrere Tempel und selbst in unserem Hotel werden die Op- fergaben dargebracht, ehe die Gäste über das Frühstücksbüfett herfallen dürfen. Doch der Druck von außen ist gewaltig und einige Bereiche unter- scheiden sich in der Tat kaum von den peinlichsten Strandabschnitten Mallor- cas. Mit Surf-Begeisterten aus der gan- zen Welt, mit komasaufenden Austra- liern und Lawinen aus Blech und Abga- sen. Aber ein wenig abseits dieser tou- ristischen Brennpunkte finden wir durchaus noch den erhofften Traum vom Südseeparadies. Blitzsaubere Dör- fer und kunstvolle Reisterrassen vor rie- sigen Vulkanen. Wir bestaunen einige der schönsten Tempelanlagen und versuchen uns selbst im Reispflanzen. Harte Knochen- arbeit im knöcheltiefen Wasser, stellen wir fest, die bei den Einheimischen doch so leicht und anmutig ausschaut. Und Wälder? Wo soll hier noch Wald sein, hier wo jeder Flecken Erde schon vieltausendfach umgegraben und be- baut wurde? Wir finden ihn schließlich unmittelbar neben dem Flughafen. Dort hat sich ein Rest der Mangrovensümpfe erhalten, deren Bedeutung für den Ar- ten-, aber auch für den Küsten- und Hochwasserschutz nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Die Grenze zwischen Land und Meer scheint zu verschwimmen, während wir auf Bohlenpfaden in ein Labyrinth aus Schlamm und Luftwurzeln eintauchen. Ein gelungener Abschluss, bei dem uns orange-blaue Krabben auf unserem Weg begleiten und uns nur der ange- schwemmte Müll gelegentlich an die nahe „Zivilisation“ erinnert. … und ein neues Mitglied für den Forstverein? Cinta heißt sie, zu Deutsch Liebe, hat zottelige orange Haare und einen Blick, dem kein Mensch wiederstehen kann. Spontan haben wir, die Teilnehmer der Exkursion, bei unserem Besuch in Nya- ru Menteng beschlossen, eine Paten- schaft für das kleine Orang-Utan-Mäd- chen zu übernehmen. Zunächst für ein Jahr, aber letztlich hoffentlich so lange, bis sie die Wälder ihrer Heimat zusam- men mit ihren Artgenossen ohne menschliche Hilfe durchstreifen kann. Gerhard Goldmann, Rudolstadt Teilnehmer der Exkursion vor dem buddhistischen Tempel Borobodur auf Java Schmetterling im Gunung-Gede-Natio- nalpark Besuch einer Teeplantage auf Java Reste eines Mangrovenwaldes auf Bali Fotos: Goldmann Hausgötter auf Bali

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Seite 724 · Nummer 28 · Holz-Zentralblatt Freitag, 15. Juli 2016Lehre und Forschung

26 Forstleute aus ganz Deutschlandsind vom 22. Mai bis zum 4. Juni einerEinladung des NordwestdeutschenForstvereins gefolgt, um sich direkt vorOrt ein Bild von Forstwirtschaft undNaturschutz in Indonesien, im viertbe-völkerungsreichsten Staat der Erde zumachen.

Mit dem Nordwestdeutschen Forstverein in Indonesien

Drei Inseln, drei Welten

Ein und derselbe Strauch liefert dreiverschiedene Sorten Tee. Weißen, fürden nur die äußersten Triebspitzen ver-wendet werden und der deshalb derteuerste ist. Grünen – auch er aus jun-gen Blättchen, die nicht fermentiertwerden – und schließlich den bekann-ten Schwarztee, der in Indonesien aller-dings „Roter Tee“ genannt wird.

Mit diesem frisch erworbenen Wissenaus den Teeplantagen von Gunung Massowie etlichen Kilogramm der kostba-ren Blätter im Gepäck streben wir unse-rem Hotel in Jakarta entgegen. Freuenuns auf ein üppiges Abendbrot, auf einpaar Runden im Pool und – es muss janicht immer Tee sein – ein kühles Bin-tang-Bier. Doch der überbordende Ver-kehr auf den Straßen Westjavas ändertunsere Pläne vollkommen. Meter fürMeter schieben wir uns in einer endlo-sen Kolonne vorwärts, brauchen für diehundert Kilometer bis in die Hauptstadtschließlich geschlagene fünf Stunden.Dazu prasseln tropische Gewittergüsseauf uns herunter, denen unser Bus nichtgewachsen ist. Gleich an mehreren Stel-len drängen sie ins Innere und wir ver-suchen, das Wasser mit den bordeige-nen Mülleimern aufzufangen. Aber derguten Laune tut es merkwürdigerweisekeinen Abbruch und als Sabine, unsereReiseleiterin und gute Fee, am Straßen-rand gebackenes Gemüse und gebrate-ne Hähnchenspieße organisiert, sindwir trotz der widrigen Umstände rund-um zufrieden.

Java – Herz und Hirnder Republik

Zwei Tage zuvor sind wir auf demSoekarno-Hatta International Airportgelandet und haben in Bogor in Sicht-weite des berühmten botanischen Gar-tens unser Quartier bezogen. Dort be-kamen wir eine erste Vorstellung vontropischen Baumriesen, von Leber-wurstbäumen, gewaltigem Bambus undvon Seerosen, auf deren Blättern einKind angeblich stehen kann, ohne un-terzugehen. Aber auch von den un-

glaublichen Menschenmassen, die Javazu einer der am dichtesten bevölkertenInseln der Welt machen und die Ein-wohnerzahl des „romantic little villa-ge“, wie Sir Stamford Raffles den Ortvor 200 Jahren nannte, auf mittlerweile1 Mio. hochschnellen ließ.

Vor allem aber interessierte uns dieBogor Agricultural University, die wich-tigste landwirtschaftliche Hochschuledes Landes, deren Vorgängereinrich-tungen immerhin bis in das 19. Jahrhun-dert zurückreichen und die heute engeBeziehungen zur Georg-August-Uni-versität in Göttingen unterhält. So kames, dass wir vom Dekan der forstlichenFakultät empfangen wurden und quasiaus erster Hand Informationen über dieForstwirtschaft in Indonesien erhielten.Diese ist geprägt durch ein hohes Fach-wissen, das jedoch noch immer nichtbis in alle Winkel des riesigen Inselrei-ches vordringen konnte. Manch guterAnsatz scheint auf dem langen Weg bisnach Sumatra, Kalimantan oder Papuaeinfach zu verpuffen, zumal viele frischgebackene Förster ihre Zukunft eher ineinem klimatisierten Büro auf Java se-hen, als fernab der Zivilisation im tropi-schen Regenwald. Doch die Zeitenkönnten sich nunmehr tatsächlich än-dern. Junge Kollegen müssen hinaus inden Wald und die gesamte indonesischeForstverwaltung wird derzeit nachdeutschem Vorbild neu organisiert.KPH heißt dabei das Zauberwort – Ke-satuan Pengelolaan Hutan oder „Wald-Management-Einheit“, mit dem mandas deutsche Forstamtssystem mit sei-ner strengen regionalen Zuständigkeitan den Äquator zu übertragen versucht.In eine ähnliche Richtung zielen auchdie Projekte des Centers for Internatio-nal Forestry Research (Cifor), ebenfallsangesiedelt in Bogor, das sich zudemum eine effektive Einbindung der örtli-chen Bevölkerung bemüht.

Nach so viel Theorie waren wir froh,am nächsten Tag selbst in den Wald hi-nein zu dürfen. In den gut 150 km² gro-ßen Nationalpark Gunung Gede-Pan-grango, dessen Existenz im dicht besie-delten Westjava uns überraschte. Tat-sächlich fanden wir nicht nur touristi-sche Attraktionen, wie eine schwan-kende Hängebrücke, deren Kapazitätauf maximal fünf Personen ausgelegtwar, sondern auch eine üppige Floraund Fauna. Zwar hielt sich der Java-Leopard ebenso bedeckt wie der far-benprächtige Blauschwanztrogon, da-

für konnten wir blühenden Ingwer be-wundern und uns vor einer winzigenBrillenschlange gruseln, ehe die mutigs-ten von uns ein Bad unter einem tosen-den Wasserfall nahmen.

In der Hauptstadt erwartet uns tagsdarauf wieder die Theorie. Zuerst erfah-ren wir in den Büros der Gesellschaftfür Internationale Zusammenarbeit(GIZ), welcher enorme Aufwand erfor-derlich ist, um in abgelegenen Regionenbrauchbare Karten und Geländemodel-le zu erstellen. Außerdem wird unserBlick wieder auf die unendliche Ge-duldsarbeit gelenkt, derer es bedarf, umdie Interessen der unterschiedlichstenWaldnutzer und -bewohner miteinan-der in Einklang zu bringen. Forclimeund Bioclime heißen die entsprechen-den Projekte, mit denen nicht nur dieBiodiversität erhalten, sondern auchein entscheidender Beitrag zum Kli-maschutz geleistet werden soll. Dennschließlich wird allein durch die Abhol-zung der indonesischen RegenwälderJahr für Jahr doppelt so viel Kohlendi-oxid freigesetzt wie durch die gesamtedeutsche Volkswirtschaft!

Bunter und weniger problembeladenunser Besuch auf der „Indo Green“-Messe. Hier dominieren farbenprächti-ge Kostüme und Bilder von üppiger Ve-getation. Auf den ersten Blick Folklore-Kitsch, aber dennoch wichtig, um dieMenschen für die Schönheiten ihrerHeimat zu sensibilisieren und deren –auch materiellen – Wert zu erkennen.

Unser zweiter Aufenthalt auf Javaführt uns einige Tage später in das Sul-tanat Yogyakarta im Zentrum der Insel.Auch hier Wald, wo wir ihn nicht ver-mutet hätten. Bedingt durch die Land-flucht nach Jakarta und in die anderenGroßstädte wurde manches Feld aufge-geben und von den Eigentümern ein-fach aufgeforstet. Dazu passt der mehrals 600 ha große Wanagama-Wald, derseit 1964 von der forstlichen Fakultätder Gadjah-Mada-Universität auf ehe-maligem Ödland angelegt wurde undsich seitdem zu einer grünen Insel ent-wickelt hat. Nicht nur Heimat für inzwi-schen rund tausend verschiedene Pflan-zenarten, sondern darüber hinaus ver-lässliches Wasserreservoir für die Men-schen der Umgebung.

Auch die Kultur kommt in unseremProgramm natürlich nicht zu kurz. Derhinduistische Prambanan-Tempel stehtgenauso darauf wie der buddhistischeBorobodur. Streng genommen beidesRelikte aus vergangenen Epochen, dader Islam seit Jahrhunderten die domi-nierende Religion auf Java ist. Aber hierzeigt er sich so tolerant, dass er den al-ten Göttern noch ihren Platz lässt.

Kalimantan –SOS für den Regenwald

Schon der Blick aus dem Fensterbeim Anflug auf Palangkaraya verrät esuns: Joseph Conrads Herz der Finster-nis ist licht geworden, das ehemals ge-schlossene Dach aus dichten Baumkro-nen zerlöchert wie ein Teppich nachMottenfraß. Allein zwischen 2000 und2010 nahm der Anteil des unbeeinfluss-ten Primärwaldes auf der Insel offiziel-len Angaben zufolge um 3 Mio. ha ab.Dagegen ist die Stadt, die erst 1957 auseiner Dschungelsiedlung hervorging,mit einer Grundfläche, die dem Groß-herzogtum Luxemburg entspricht, dieausgedehnteste Indonesiens und beher-bergt heute rund 300 000 Einwohner.

Von hier aus brechen wir mit Schnell-booten auf in den benachbarten Seban-gau-Nationalpark, einen der größtenund wichtigsten Torfmoorwälder derInsel. Eine riesige, scheinbar unberühr-te Wildnis, die indes bis heute unter denFolgen eines skrupellosen Raubbaus inden achtziger und neunziger Jahren lei-det. Damals wurden alle wertvollenHölzer eingeschlagen und dabei zu-gleich die bis zu 12 m dicken Torf-schichten durch den Bau von Trans-port- und Entwässerungskanälen tro-ckengelegt. Als Folge gewaltige Schä-den am verbliebenen Regenwald, dieFreisetzung ungeheurer Mengen anCO2 und eine immense Brandgefahr,

der alljährlich große Mengen an Waldzum Opfer fallen – einschließlich derdarin lebenden Menschenaffen und an-deren Tiere.

Mühevoll versucht man inzwischen,die Kanäle wieder zu verschließen undso die verhängnisvolle Entwicklung zustoppen. Erste Erfolge lassen sich im-merhin erkennen, so konnte die Zahlder Orang-Utans nach dramatischenEinbrüchen inzwischen stabilisiert wer-den. Symbolisch helfen wir dabei mit,indem wir einige neue Bäumchen in dieErde pflanzen.

Zurück im Hafen von Palangkarayageraten wir in die Dreharbeiten für einelokale Fernsehsendung. Kinder und Ju-gendliche führen traditionelle Tänzevor, begleitet von einem Gamelan-Or-chester und gefilmt zusätzlich von einerferngesteuerten Drohne. Die Kamerasrichten sich auch auf uns, sind wir dochhier die Exoten und dokumentieren dasInteresse der Außenwelt an diesem Vor-posten der Zivilisation.

Für den nächsten Tag haben wir denWunsch, eine Holzkonzession zu be-sichtigen, einen jener Einschläge, dieheute angeblich nur noch in geordnetenund naturverträglichen Bahnen verlau-fen. Vergeblich – wir erhalten keine Ge-nehmigung und können uns des Ver-dachtes nicht erwehren, dass zwischenTheorie und Praxis doch noch gewaltigeLücken klaffen.

Stattdessen besichtigen wir eineBaumschule für Ölpalmen, jene grünePest, die den Wald vielerorts abzulösendroht. Deren Wachstum und Erträgesind in der Tat beeindruckend und las-sen den armen Kleinbauern wohl kaumeine Alternative. Danach schauen wiruns an, wie ein Teil des gewonnenenHolzes vor Ort weiterverarbeitet wird.In kleinen Schreinereien entstehenwunderbare Möbel aus ihm, außerdemEss-Stäbchen für den Export nach Ja-pan und China.

Schließlich die mit Spannung erwar-tete Begegnung mit den zotteligen„Waldmenschen“, wie Orang-Utan inder deutschen Übersetzung heißt. InNyaru Menteng besuchen wir ein Pri-matenzentrum der BOS, der BorneoOrangutan Survival Foundation, underfahren dort jede Menge über unserehaarige Verwandtschaft. Hierher wer-den jene Affen gebracht, die Waldbrän-de und Wilderei überlebt haben oderdie aus Gefangenschaft gerettet wurden.Bis zu sieben Jahre intensiver Ausbil-dung benötigen sie dann, bis sie sich imDschungel zurechtfinden können undan passenden Stellen wieder freigelas-sen werden.

Bali – Tempel, Touristenund ein Mangrovenwald ...

Sie halten sich tapfer, die hinduisti-schen Götter, die das Leben auf der In-sel seit Jahrtausenden prägen. Jede Ort-schaft hat gleich mehrere Tempel undselbst in unserem Hotel werden die Op-fergaben dargebracht, ehe die Gästeüber das Frühstücksbüfett herfallendürfen. Doch der Druck von außen istgewaltig und einige Bereiche unter-scheiden sich in der Tat kaum von denpeinlichsten Strandabschnitten Mallor-cas. Mit Surf-Begeisterten aus der gan-zen Welt, mit komasaufenden Austra-liern und Lawinen aus Blech und Abga-sen. Aber ein wenig abseits dieser tou-ristischen Brennpunkte finden wirdurchaus noch den erhofften Traumvom Südseeparadies. Blitzsaubere Dör-fer und kunstvolle Reisterrassen vor rie-sigen Vulkanen.

Wir bestaunen einige der schönstenTempelanlagen und versuchen unsselbst im Reispflanzen. Harte Knochen-arbeit im knöcheltiefen Wasser, stellenwir fest, die bei den Einheimischendoch so leicht und anmutig ausschaut.

Und Wälder? Wo soll hier noch Waldsein, hier wo jeder Flecken Erde schonvieltausendfach umgegraben und be-baut wurde? Wir finden ihn schließlichunmittelbar neben dem Flughafen. Dorthat sich ein Rest der Mangrovensümpfeerhalten, deren Bedeutung für den Ar-ten-, aber auch für den Küsten- undHochwasserschutz nicht hoch genugeingeschätzt werden kann. Die Grenzezwischen Land und Meer scheint zuverschwimmen, während wir aufBohlenpfaden in ein Labyrinth ausSchlamm und Luftwurzeln eintauchen.Ein gelungener Abschluss, bei dem unsorange-blaue Krabben auf unserem Wegbegleiten und uns nur der ange-schwemmte Müll gelegentlich an dienahe „Zivilisation“ erinnert.

… und ein neues Mitgliedfür den Forstverein?

Cinta heißt sie, zu Deutsch Liebe, hatzottelige orange Haare und einen Blick,dem kein Mensch wiederstehen kann.Spontan haben wir, die Teilnehmer derExkursion, bei unserem Besuch in Nya-ru Menteng beschlossen, eine Paten-schaft für das kleine Orang-Utan-Mäd-chen zu übernehmen. Zunächst für einJahr, aber letztlich hoffentlich so lange,bis sie die Wälder ihrer Heimat zusam-men mit ihren Artgenossen ohnemenschliche Hilfe durchstreifen kann.

Gerhard Goldmann, Rudolstadt

Teilnehmer der Exkursion vor dem buddhistischen Tempel Borobodur auf Java

Schmetterling im Gunung-Gede-Natio-nalpark

Besuch einer Teeplantage auf Java

Reste eines Mangrovenwaldes auf Bali Fotos: Goldmann

Hausgötter auf Bali