SEKEM Insight 05.11 DE

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SEKEMs Journal für Wirtschaſt, Kultur und Gesellschaſt in Ägypten Insight Nr. 105 - Mai 2011 SEKEM Insight | Mai 2011 | Seite 1 diese Ausgabe von SEKEM Insight erscheint aus gegebenem Anlass einige Tage später. Die Untersu- chungshaft gegen Helmy Abou- leish war von der ägyptischen Staatsanwaltschaft zunächst Mitte April nach 15 Tagen erneut verlängert, ein erster Verhand- lungstermin dann für den 4. Juni angekündigt worden. Aus ter- minlichen Gründen konnte diese Information nicht mehr in SEKEM Insight 04.11 erscheinen. Am vergangenen Samstag konnte Helmy Abouleish selbst im Rahmen einer ersten Anhörung seine Sicht der Anschuldigungen darstellen. Die Verhandlung, die von Beteiligten als sachlich und fair wahrgenommen wurde, diente vorrangig der Bestandsaufnahme und Verlesung der Anklageschrift. Sie wird am 8. Juni fortgesetzt. Dass nicht nur Einzelne, son- dern auch Firmen und Einrich- tungen augenblicklich durch eine Zeit umfassender und tief grei- fender der Herausforderungen gehen - zuweilen auch gemein- sam - darüber berichten führende Mitarbeiter der SEKEM-Initiative in einem Schwerpunktbeitrag auf den folgenden Seiten. A uch wenn sich ihre Einrichtungen über fast ganz Ägypten verteilen, ist SEKEM für viele Besucher immer noch synonym mit „der Farm“. Rund 60 Kilometer außerhalb Kairos gele- gen, ist das 3 Quadratkilometer große Gelände zwar eine ländlich gelegene Anlage. Doch die Folgen des revo- lutionären Umbruchs, der von den Stadtzentren wie Kairo ausging, ist auch auf die auf der Farm gelegenen Firmen und ihre Mitwirkenden überge- sprungen. Zu groß ist die Vernetzung im Land und weltweit, als dass die Initiative unbetroffen hätte bleiben können. Die Revolution hat wichtige gesell- schaftliche Entwicklungen angesto- ßen, für deren Verwirklichung sich auch die SEKEM-Initiative lange ein- gesetzt hatte. So begrüßenswert diese sind: kurzfristig bestimmen vor allem wirtschaftliche und orga- nisatorische Herausforderungen die Aufmerksamkeit der Leitungen der Editorial Liebe Leserinnen, liebe Leser, Ihr Redaktionsteam Zeit des Wandels und des Übergangs SEKEMs Firmen und Einrichtungen sehen sich neuen Herausforderungen gegenüber. Verantwortliche Mitarbeiter erklären, was sie jetzt erwartet. Revolution Die Firmen und Ein- richtungen heute Wissenschaft Internationale Projekte mit SEKEMs Uni Eurythmie Künstlerische Arbeit nach der Revolution SEKEM finden Sie auch im Internet: SEKEM-Produkte sind weiterhin sehr gefragt. Doch ägyptische Konsumenten sind nach der Revolution preisbewusster geworden und greifen seltener zu Bioprodukten wie ISIS‘ Säften.

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SEKEMs monatliches Journal für Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft in Ägypten. Ausgabe Mai 2011.

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SEKEMs Journal für Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft in ÄgyptenInsight

Nr. 105 - Mai 2011

SEKEM Insight | Mai 2011 | Seite 1

diese Ausgabe von SEKEM Insight erscheint aus gegebenem Anlass einige Tage später. Die Untersu-chungshaft gegen Helmy Abou-leish war von der ägyptischen Staatsanwaltschaft zunächst Mitte April nach 15 Tagen erneut verlängert, ein erster Verhand-lungstermin dann für den 4. Juni angekündigt worden. Aus ter-minlichen Gründen konnte diese Information nicht mehr in SEKEM Insight 04.11 erscheinen.

Am vergangenen Samstag konnte Helmy Abouleish selbst im Rahmen einer ersten Anhörung seine Sicht der Anschuldigungen darstellen. Die Verhandlung, die von Beteiligten als sachlich und fair wahrgenommen wurde, diente vorrangig der Bestandsaufnahme und Verlesung der Anklageschrift. Sie wird am 8. Juni fortgesetzt.

Dass nicht nur Einzelne, son-dern auch Firmen und Einrich-tungen augenblicklich durch eine Zeit umfassender und tief grei-fender der Herausforderungen gehen - zuweilen auch gemein-sam - darüber berichten führende Mitarbeiter der SEKEM-Initiative in einem Schwerpunktbeitrag auf den folgenden Seiten.

A uch wenn sich ihre Einrichtungen über fast ganz Ägypten verteilen,

ist SEKEM für viele Besucher immer noch synonym mit „der Farm“. Rund 60 Kilometer außerhalb Kairos gele-gen, ist das 3 Quadratkilometer große Gelände zwar eine ländlich gelegene Anlage. Doch die Folgen des revo-lutionären Umbruchs, der von den Stadtzentren wie Kairo ausging, ist auch auf die auf der Farm gelegenen Firmen und ihre Mitwirkenden überge-sprungen. Zu groß ist die Vernetzung

im Land und weltweit, als dass die Initiative unbetroffen hätte bleiben können.

Die Revolution hat wichtige gesell-schaftliche Entwicklungen angesto-ßen, für deren Verwirklichung sich auch die SEKEM-Initiative lange ein-gesetzt hatte. So begrüßenswert diese sind: kurzfristig bestimmen vor allem wirtschaftliche und orga-nisatorische Herausforderungen die Aufmerksamkeit der Leitungen der

Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Ihr Redaktionsteam

Zeit des Wandels und des Übergangs

SEKEMs Firmen und Einrichtungen sehen sich neuen Herausforderungen gegenüber. Verantwortliche Mitarbeiter erklären, was sie jetzt erwartet.

RevolutionDie Firmen und Ein-richtungen heute

WissenschaftInternationale Projekte mit SEKEMs Uni

EurythmieKünstlerische Arbeit nach der Revolution

SEKEM finden Sie auch im Internet:

SEKEM-Produkte sind weiterhin sehr gefragt. Doch ägyptische Konsumenten sind nach der Revolution preisbewusster geworden und greifen seltener zu Bioprodukten wie ISIS‘ Säften.

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Firmen in der Unternehmensgruppe. Sie haben für die verantwortlichen Mitarbeiter ganz unterschiedliche Konsequenzen.

Anhaltende Unruhe

Noch hat Ägypten keine Ruhe gefun-den, weder in der Politik, Gesellschaft noch Wirtschaft. Immer noch herrscht unter den Menschen gespannte Unruhe, vor allem in Kairo. Zahllose Firmen mussten seither schließen. Auch die SEKEM-Betriebe, die auf-grund der Solidarität ihrer Mitarbeiter zwar geöffnet bleiben konnten, wer-den die Auswirkungen der Revolution lange spüren.

Sinkende Kaufkraft der Kunden

ISIS, SEKEMs nach Umsatz größte Firma, die Frischprodukte wie Gemüse, aber auch Säfte und Milcherzeugnisse herstellt, geht durch eine besondere Phase der Selbstfindung. „Während der Revolution wurden andernorts viele Menschen in die Arbeitslosigkeit ohne soziale Absicherung entlas-sen. Dadurch sank in Ägypten die Kaufkraft der Kunden. Sie über-legen nun genau, ob sie weiter-hin Bio-Produkte kaufen, oder preiswertere Waren wählen.“, erklärt Dr. Mamdouh Aboueleish, General Manager von ISIS. Arbeitslosigkeit, durch Firmenschließungen hervorge-rufen, bedroht viele aus der an Bio-Produkten besonders interessierten Mittelschicht (siehe SEKEM Insight 04.11). Der sinkende Lebensstandard wirkt sich so gerade auf den sensiblen Lebensmittelmarkt aus.

Eine weitere Herausforderung erwächst ISIS aus dem veränder-ten Konsumenteninteresse. Es richtet sich nun besonders auf ele-mentare Produkte wie Brot. Viele Kunden kaufen dafür weniger außer-gewöhnliche Produkte aus dem

„Premium-Segment“. ISIS will auf diese Veränderungen mit einem neu

Wirtschaft

arrangierten Produktportfolio antwor-ten, das andere Schwerpunkte setzt.

Mit einer Erholung auf dem Lebensmittelmarkt rechnen viele Experten im Verlauf des Jahres 2011.

„Ich bin für ISIS dennoch sehr opti-mistisch. Wir haben ein umfassendes Konsolidierungsprogramm entwickelt und mit unseren Partnern abgestimmt. Außerdem sind wir mit bestimmten Produkten auf dem lokalen Markt sehr stark vertreten.“, so Aboueleish.

Individuelle Wünsche in Naturetex

In Naturetex, SEKEMs Firma für Naturtextilien, haben viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer wieder den Dialog mit der Geschäftsleitung gesucht. „Es ist ver-ständlich, dass viele Mitarbeiter durch die Entwicklungen im ganzen Land aufgewühlt sind. Das war auch bei uns spürbar.“, weiß Konstanze Abouleish zu berichten. Sie ist Commercial Manager bei Naturetex.

Natürlicherweise träten während eines revolutionären Umbruchs und der plötzlich unsicher gewordenen Zukunftsperspektiven auch Egoismen deutlicher zu Tage. In gemeinsamen Beratungen konnte in allen Fällen ein gangbarer Weg für alle Beteiligten gefunden werden. Die Strukturen der Kooperative der SEKEM-Mitarbeiter (CSE), die allen Mitarbeitern die Möglichkeit bieten, ihre Wünsche und Anregungen der Geschäftsleitung zu Gehör zu bringen, haben sich in dieser Zeit besonders bewährt.

Die Arbeit in Naturetex wird zusätzlich durch weltwirtschaftliche Entwicklungen erschwert, welche die Preise für Biobaumwolle auf ein his-torisches Hoch steigen ließen und die Wettbewerbsfähigkeit des Betriebs herausfordern.

Vor- und Nachteile des Exports

Oft kommen für die SEKEM-Firmen, die wie Naturetex viel exportieren, weitere Herausforderungen hinzu. Währungsschwankungen und so ver-ursachte Kursverluste zwingen zu Preisanpassungen. Was Touristen

freut, ist für SEKEM ein großes Problem. Durch die Umtauschverluste werden die oft positiven Effekte, die sich durch internationalen Handel ergeben, wieder zunichte gemacht.

Umstrukturierungen bei Atos

Auch Atos‘ Entwicklung zeigt, wie mehrere als geringfügig bewertete Veränderungen in Kombination zu gro-ßen Herausforderungen werden kön-nen. Zwar leidet das Unternehmen, das pflanzliche Arzneimittel vor-nehmlich in Ägypten verkauft, kaum unter der Revolution selbst. Anders als Lebensmittel sind Atos‘ Produkte in geringerem Maße von ihren Folgen betroffen. „Doch bei Atos standen wir Anfang des Jahres gerade in weit reichenden Umstrukturierungen.“, erklärt Christophe Floride, Mitglied des Vorstands bei Atos. „Wir hatten uns auf ein besonders erfolgreiches Jahr eingestellt und dazu Umbauten in Angriff genommen.“ Genau in diese Zeit, in der nicht alle Produktionslinien verfügbar waren, fiel nun die Revolution.

Gemeinsam - auch durch die Revolution

Während SEKEMs Firmen vor allem volks- und betriebswirtschaftliche Herausforderungen zu bewältigen haben, erleben die sozialen Initiativen die Revolution noch direkter im Umgang mit Mitarbeitern, Schuleltern oder Schülern. „Ich bin sehr glücklich, dass wir hier keine Verschlechterung im Verhältnis der Eltern und Kinder zu uns bemerken konnten.“, zeigt sich Rafik Costandi erfreut, der die SEKEM-Schule betreut.

Doch gerade im Sozialen wer-den Anspannung und existenti-elle Ängste besonders deutlich. In den Revolutionstagen suchten ein-zelne Lehrer der Schule verstärkt das Gespräch um auch über Gehaltsfragen und Themen des menschlichen Umgangs zu sprechen. In langen Beratungen konnte ein für alle gang-barer Weg gefunden werden, der die Solidarität der SEKEM-Gemeinschaft in den Vordergrund stellt.

„Die Entwicklung in ISIS sehen wir sehr optimistisch.“

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B ildung ist der Schlüssel zu nach-haltiger Entwicklung. Daher

ist SEKEM in diesem Feld auch bereits von Anfang an aktiv. Im Kindergarten, der SEKEM-Schule, dem Berufsbildungszentrum und in vie-len weiteren Bildungsprogrammen für Mitarbeiter sind Fortbildungsmaß nahmen selbstverständlicher Teil von Lernen und Arbeit in SEKEM. Die „Heliopolis-Universität für nach-haltige Entwicklung“ soll diese Angebote durch anspruchsvolle Bildungsangebote ergänzen.

Integrativer Bildungsansatz

Universitäre Bildung sollte jedoch nicht unabhängig von anderen Bildungsformen gesehen werden. Ein integrativer Ansatz muss sekun-däre, tertiäre Bildung und ange-wandte Forschung gleichermaßen berücksichtigen.

Um dies zu erreichen sind die Heliopolis-Universität und die SEKEM-Stiftung für Entwicklung (SDF) Partner in drei internationalen Bildungsprojekten. Die Projekte wer-den von der Europäischen Kommission mitfinanziert.

Nachhaltigkeit durch Bildung für Alt und Jung

Interaktivere Schulbildung

Das erste Projekt befasst sich mit der Entwicklung einer interaktiven und praxisorientierten Schulbildung. 20 Partnerinstitutionen entwickeln gemeinsam über 500 verschiedene Aktivitäten, Experimente und Spiele, die sich komplexen Themen wie Biodiversität, Energie, Wasser oder Landwirtschaft in einer spielerischen Art widmen. Die Heliopolis-Universität entwickelt das Material für die land-wirtschaftliche Komponente und lässt so SEKEMs Erfahrung einfließen.

Mehr Nachhaltigkeit an der Universität

Das RUCAS-Projekt bewertet, inwie-fern Nachhaltigkeit in universitären Kurrikula berücksichtigt wird. Der Austausch zwischen den Partnern in Irland, Schweden, Frankreich und Italien ist wesentlich für das Projekt, welches Nachhaltigkeitsthemen in Studiengängen an sechs Universitäten des Mittleren Ostens verbessern und diese als Modelleinrichtungen bewer-ben will. Die Heliopolis-Universität ist eine von ihnen.

Kooperationen mit Wirtschaft und Industrie

Eine engere Zusammenarbeit zwi-schen Universitäten und Wirtschaft soll durch UNCHAIN erreicht wer-den. Derzeit befasst sich die Forschung an Einrichtungen des Mittleren Ostens kaum mit den Bedürfnissen in Betrieben. Daher wurden Lehrstühle für Innovation an einer Anzahl Universitäten etabliert, deren Aufgabe es ist, an Firmen her-anzutreten, Bedürfnisse zu identifi-zieren und diese in einem Konsortium aus Studenten und Experten zu lösen.

Gelebte Nachhaltigkeit kann dauerhaft nur erfolgreich sein, wenn sie bereits in der Schule beginnt. SEKEM-Bildungsprojekte schaffen früh Bewusstsein.

Derzeit arbeiten in SEKEM auch je ein Student der Kairoer Universität und der Technischen Universität Graz (Österreich) an einem Projekt grenz-übergreifend zusammen.

Die drei Projekte streben an, SEKEMs Kulturimpuls und Expertise möglichst vielen Menschen zugäng-lich zu machen und die Einrichtungen zu stärken. Der bisherige Erfolg der Projekte lässt hoffen, dass die Heliopolis-Universität die erfolgreiche Erfahrung von SEKEMs bestehenden Bildungsinstitutionen fortsetzen wird.

Bianca FlissBianca Fliss betreut in SEKEM Bildungs- und

Entwicklungsprojekte für die Heliopolis Universität.

„Es ist immer noch etwas Besonderes, in SEKEM zu arbeiten. Auch jetzt nach der Revolution.“, bestätigt auch Dalia Abdou, die das Projekt „Soil & More“ betreut, mittels dessen SEKEM Kompost auch anderen Firmen anbie-tet, um so die Verbreitung biologischer Landwirtschaft zu beschleunigen.

Diese Solidarität ist es, von der alle leitenden Mitarbeiter in den Einrichtungen mit Anerkennung berich-ten. Sie richtete sich an Helmy und Dr. Ibrahim Abouleish ebenso wie an die eigenen Kollegen. Auch die Kinder der SEKEM-Schule, die Unterschriften für Helmy und Dr. Abouleish sam-melten (siehe SEKEM 04.11), zeigten erneut die besondere menschliche Qualität der Gemeinschaft SEKEMs: Herausforderungen gemeinsam zu bestehen - und gestärkt aus ihnen hervorzugehen.

Bijan KafiBijan Kafi ist Beauftragter für Presse und

Öffentlichkeitsarbeit der SEKEM-Initiative in Europa.

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Kultur

Die Heliopolis-Akademie entwickelt praxisfähige, entwicklungsorientierte Lösungen.

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E nde März hat das künstlerische Eurythmie-Ensemble der SEKEM-

Initiative anlässlich des Geburtstags von Dr. Ibrahim Abouleish eine beson-dere Aufführung gestaltet. Sie folgte dem Thema: „Ich – wer bin ich denn in diesem Dasein?“.

Die Aufführung sollte auch ein Beitrag dazu sein, die Umwälzungen der Januar-Revolution künstlerisch zu verarbeiten - und positive Impulse aus ihnen für die Zukunft zu schöpfen.

Künstlerisch die Revolution verarbeiten

Ein Demokratisierungsprozess ist immer auch eng verbunden mit einem in der Entwicklung sich befin-denden Kulturimpuls. Kunst und Kultur im Allgemeinen sind oft aus-drucksstarke Vorbereitungsstufen für soziale Erneuerungen. Daher sind auch Dichter und Musiker in vielen Fällen die Vordenker solcher sozialen Entwicklungsschritte der Menschheit gewesen.

Eine Gruppe von Schülern der Berufsschule hatte sich im Vorfeld der Veranstaltung zusam-mengefunden und beschlossen,

Die Revolution in der Kunst verarbeiten

Kultur

miteinander Eurythmie zu üben. Diese Gruppe wurde ebenfalls in das Eurythmie-Ensemble und das Darbietungsprogramm integriert.

Vor 800 Jahren hat der große per-sische Dichter und Philosoph Djalal Muhammad Rumi einen Satz geprägt, der bis heute gerade in Situationen sozialer Umbrüche seinen besonderen Klang behält:

„Schlaf nicht wieder ein.“

Rumi spricht in der dazu gehörigen Dichtung von zwei Welten, in denen wir lebten: der Alltagswelt, wenn wir wachend seien, und in der geistigen Welt, wenn wir schliefen. Der Autor selbst steht an der Schwelle zwischen Erde und Himmel und ruft uns zu:

„die Türe steht offen, wenn Du nicht schläfst, kannst zu sie erfassen.“

Ohne die in diesen Zeilen ausge-drückte Erfahrung, dass der Mensch in beiden Welten lebt - einmal wachend, fühlend, denkend, handelnd - und ein-mal schlafend, ist die Entwicklung des Ichs nicht möglich.

Rumi fährt fort: „bitte um das, was du wirklich brauchst, was du wirk-lich brauchst“. Rumi meint nicht nur die materiellen Bedürfnisse der Menschen. Er meint vor allem die gro-ßen Werte, die den Menschen erst zum Menschen machen: die moralisch-ethischen Qualitäten, zu denen wir streben. Täten wir dies, meint Rumi, so stehe uns die Türe zum Paradies offen.

Eurythmische Emanzipation des Ichs

In vier Schritten haben die Aufführenden daraufhin gezeigt, wie das Ich des Menschen im arabischen Raum sich immer mehr von der Welt emanzipiert, um sich in der eigenen Wesenheit selbst bewusst zu erfahren.

Zunächst erzählt der Dichter Elija Aboumadi, wie er sein Ich erlebt: als Trautropfen, als Melodie, als laufende Gestalt, als Welle. Er ist also noch ganz mit der äußeren Welt noch verbunden. Der Dichter Mahmoud Hassan Ismail erlebt sich als Flöte (ein Bild des Ich in der arabischen Dichtung). das sich in den Falten des Schleiers seiner Seele verhüllt. Und die Dichterin Nazik el Malaika fragt die Nacht, den Wind und zuletzt den Geist „Wer bin ich“. Sie sucht die Antwort „draußen“ in der Welt. Der Dichter Adonis schließlich sagt: „Ich habe mein Reich zerstört, ich habe meinen Thron zerstört – aber ich habe meine eigene Sprache gefun-den, die die Ruinen beleuchtet, die ich erschaffen habe.“

Verinnerlichung des Ich

Man sieht an den Werken dieser zeit-genössischen Dichter, dass in den letz-ten Jahrzehnten eine Verinnerlichung des Ich-Begriffes stattgefunden hat. Sie mag auf verborgene Weise zu den Befreiungsbestrebungen dieses Jahres beigetragen haben.

In der Kunst – in der Dichtung – fin-den wir oft früher, was später in sozi-alen Umwälzungen geschieht. Der Entwurf Einzelner kann zu einem Volksbegehren werden.

Christoph Graf

Christoph Graf ist künstlerischer Direktor des SEKEM-Eurythmie-Ensembles und betreut die

eurythmischen Ausbildungsprogramme.

Das Eurythmie-Ensemble SEKEMs hat aus Anlass des Geburtstags Dr. Ibrahim Abouleishs einen Versuch gewagt, die Revolution künstlerisch zu verarbeiten.

„In der Kunst – in der Dichtung – finden wir oft früh angedeutet,

was dann später in einer sozialen Umwälzung sich entfaltet.“

Das Eurythmie-Ensemble SEKEMs bei Proben für eine Aufführung.

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Liebe Freunde,

Voll Hoffnung haben wir alle die friedliche Revolution in Ägypten verfolgt. Bis zu politischer Stabilität und echter Demokratie ist es aber noch ein langer Weg. Nach der Revolution steckt nun auch die ägyptische Wirtschaft in einer tiefen Krise.

Der lebenswichtige Tourismussektor ist zusammengebrochen, und alle Firmen und Privatleute vermeiden Investitionen und leiden unter hohen Preissteigerungen in allen Bereichen. Die ägyptischen Lebensmittelverkäufe sind dadurch beispiels-weise um etwa 40% gesunken. Die Bevölkerung und die Firmen in Ägypten leiden sehr unter der Situation, und auch die SEKEM Firmen trifft es hart.

Die SEKEM Unternehmen sind in den letzten Jahren dank großer Nachfrage nach unseren Produkten stark gewachsen, weshalb wir viel in unsere Produktionsanlagen und auch die neuen Farmen investiert haben. Heute sind wir aber mit dramatisch reduziertem Umsatz auf dem ägyptischen Markt und unsicherer Zukunftsplanung konfrontiert. Wir haben alle Investitionen weitgehend gestoppt, und versuchen nun so gut es geht Kosten einzusparen, ohne Mitarbeiter zu entlassen.

Die laufenden Kosten des Medical Center und der SEKEM Schulen werden durch die SEKEM Firmen getragen. Aufgrund der hohen Verluste in den Firmen ist es jedoch derzeit sehr schwierig, dafür im notwendigen Umfang an die SEKEM Development Foundation (SDF) zu spenden.

Wir sind dankbar für jede Unterstützung die uns ermöglicht, die Arbeit der SDF gerade in dieser Zeit aufrecht zu erhalten. Bitte setzen Sie sich für Ihre Spende mit uns in Verbindung.

Wir danken Ihnen für Ihre Unterstützung.

Spendenaufruf

Spendenaufruf der internationalen Fördervereine

Deutschland

Verein zur Förderung kulturel-ler Entwicklung in Ägypten e.V.

www.sekem-freunde.de

Österreich

Gemeinnütziger Verein zur Förderung des SEKEM-Impulses in Ägypten und Österreich

www.sekemoesterreich.at

Schweiz

Förderverein SEKEM Schweiz

Daniel Baumgartner [[email protected]] oder

Ernst Bürgin [[email protected]]

Skandinavien

SEKEM Scandinavia

[email protected]

Niederlande

Vriendenkring SEKEM

www.sekemvrienden.nl

[email protected]

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SEKEM Insight | Mai 2011 | Seite 6

Impressionen aus SEKEM

E in leitender Mitarbeiter von SEKEM Sinai erklärt Rafik Costandi die Art und Weise, wie in der Wüste Ägyptens mithilfe von Kompost fruchtbarer Mutterboden geschaffen wird. Die beiden stehen auf einem Acker von SEKEMs neuer Farm auf der Sinai-Halbinsel, die fast unmittelbar an den Kanal von

Suez grenzt. In diesem Jahr konnten auf den dort neu gewonnenen Hektaren Farmland erstmals Kartoffeln der besonders hochwertigen Sorte Innova geerntet werden. Sie finden sich als Frühkartoffeln auch in euro-päischen Supermärkten.

Insgesamt hat die SEKEM-Initiative in 34 Jahren rund 11.000 Hektar Wüstenboden mittels Kompostierung und bio-dynamischen landwirtschaftlichen Methoden erschließen können. Rund 4.500 Hektar werden heute durch etwa 450 Kleinbauern in ganz Ägypten biologisch bewirtschaftet. Alle Bauern profitieren außerdem von Weiterbildungsmaßnahmen, welche die demeter-Landwirtschaft weiter verbreiten helfen sollen.

Impressionen

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In Brixen fanden vom 19.-21. Mai die „Tage der Nachhaltigkeit“ unter Beteiligung von Dr. Ibrahim Abouleish statt. Rund 1.400 interessierte Bürger und Wirtschaftstreibende nahmen teil. Sie konnten sich an vier Tagen zwi-schen Forum Brixen, Kloster Neustift, Domplatz und Trattengasse über Themen rund um Nachhaltigkeit infor-mieren. Der Erfolg hat das Interesse am Thema bestätigt: 2012 wird die Veranstaltung neu aufgelegt werden.

Nach dem erfolgreichen Wochenende ziehen die Organisatoren Resümee: „Zum ersten Mal hat sich in Südtirol ein Kongressprogramm mit Seminaren, Diskussionen und hoch-karätigen Referenten mit zukunfts-weisenden Wirtschaftsformen beschäftigt. Wir haben gesehen, dass Erwachsene aber auch Kinder für Themen wie Gemeinwohl, Gesundheit und Gerechtigkeit nicht nur Interesse zeigen. Die Themen haben regelrecht für Aufbruchsstimmung gesorgt.“

Die Rückmeldungen der Teilnehmer waren äußerst positiv, durch span-nende Diskussionen und einen regen Wissensaustausch konnten alle neue Ideen mit nach Hause nehmen.

Quelle: think more about

Forum für Nachhaltigkeit in Brixen erfolgreich

Kurznachrichten

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Herausgeber v.i.S.d.P.: SEKEM, Egypt. Die Redaktion von SEKEM Insight dankt allen Korrespondenten, die an dieser Ausgabe mitgewirkt haben.

Redakteur: Bijan Kafi

Kontakt:SEKEM-Insightc/o SEKEM HoldingP.O.Box 2834, El Horreya, Heliopolis, Cairo, Egypt [email protected]

Bildnachweis: Seiten 1, 6: Bijan Kafi; 3, 4: SEKEM

Keine Vervielfältigung ohne schriftliche Einwilligung des Herausgebers. Markenzeichen sind Eigentum der jeweiligen Markeninhaber.

Am 25. Mai fand im Büro der GLS-Bank in Berlin ein parlamentarischer Abend unter Beteiligung SEKEMs statt. Der Abend widmete sich den Erfolgen praktischer anthroposophi-scher Arbeit weltweit und wandte sich direkt an politische Vertreterinnen und Vertreter. Er war vom Dachverband anthroposophische Medizin in Deutschland (DAMID), demeter inter-national und dem Bund der Freien Waldorfschulen organisiert worden.

An der Veranstaltung nahmen neben rund 60 Teilnehmern aus der interessierten Öffentlichkeit auch zahlreiche Vertreter der organi-sierenden Einrichtungen und eine Reihe Mitglieder des deutschen Bundestages teil. Auch SEKEMs Arbeit sollte hier vorgestellt werden.

Vom 27.-28. Mai veranstaltete die Anthroposophische Gesellschaft in Österreich die öffentliche Tagung „Inspiriert durch Steiner“ an der Technischen Universität Wien. Die Veranstaltung in der Institution, an der bereits Rudolf Steiner studiert hatte, widmete sich der Frage, wie anthroposophische Grundlagen prak-tische und wissenschaftliche Arbeit in aller Welt beeinflussen. Neben SEKEM waren namhafte Vertreter ver-schiedenster Themenbereiche einge-laden worden: Peter Daniell Porsche, Prof. Friedrich Glasl, Alfred Strigl, Christine Gruwez, Tobias Richter und Bodo von Plato sprachen zu Themen wie Freiheitsfähigkeit, Pädagogik, Konfliktforschung und nachhaltige Gesellschaftsentwicklung.

Helmy Abouleish wurde auf bei-den Veranstaltungen durch Bijan Kafi, Beauftragter für Presse und Öffentlichkeitsarbeit der SEKEM-Initiative in Europa vertreten.

Quelle: SEKEM Insight

Veranstaltungen mit SEKEM in Berlin und Wien

SEKEM können sie auch besuchen: www.sekem-reisen.de www.aventarra.de

Die Nachhaltigkeitsmesse SusCon, die vom 28.-29. Juni in Nürnberg statt-findet, wird dieses Jahr das Thema Ethik im Wirtschafts- und Konsumalltag prominent diskutieren und will kon-kret Handlungsempfehlungen und Lösungen erarbeiten.

Die globale Risikogesellschaft mache auch vor fruchtbarem Ackerboden und Trinkwasser nicht Halt, heißt es von den Organisatoren. Während ein Reaktorunglück oder die Explosion einer Bohrinsel Mensch und Natur unmittelbar schädigten, führten andere Fehlentwicklungen zu einer schleichenden Zerstörung von Lebensgrundlagen. Dramatisch sei der Verlust an fruchtbarem Boden.

Die auf Wirtschaftswachstum aus-gerichtete Marktwirtschaft habe keine tauglichen Korrekturmechanismen hervorgebracht und versage damit als zukunftsfähiges Wirtschaftsmodell. Vielmehr steigerten wirtschaftli-che Vorteile die Risikobereitschaft aller Wirtschaftsbeteiligten. Vom Verbraucher, der gerne billig einkauft, vom Unternehmen, das attraktive Gewinnaussichten verfolgt, bis zum Staat, der Arbeitsplatzargumente und Steuereinnahmen priorisiert.

Eine Trendwende, die nur von Staat, Wirtschaft und Verbrauchern zusam-men gestaltet werden kann, sei nach Ansicht der SusCon-Organisatoren not-wendig. Die internationale Konferenz will Best Practices von Unternehmen, die Problemstellungen mit ganzheit-lichen Konzepten angehen, ebenso präsentieren, wie innovative tech-nologische Ansätze beispielsweise in der Trinkwasseraufbereitung, der Phosphatrückgewinnung oder der Revitalisierung von ausgelaugten Böden.

Quelle: Forum nachhaltiges Wirtschaften

Globale Bodenzerstörung schlimmer als Fukushima?

Mehr Informationen:http://www.suscon.net!