Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

download Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

of 34

Transcript of Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

  • 8/11/2019 Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

    1/34

    Eberhard Arnold

    Sein Leben fr die Bruderhfe. Seine Sendung fr das kommendeReich Gottes und die Anrichtung vlliger Gemeinschaft unter den

    Menschen

    Buchverlag des Almbruderhof e.V. SilumPost Triesenberg, Frstentum Liechtenstein.

    Ein Weihnachtsbrief vom Rhnbruderhof und AlmbruderhofFnfzehntes Jahr der Sannerzer und Bruderhfer Briefe

    1935

    Rhnbruderhof, Post Neuhof, Kreis Fulda, Deutsches ReichAlmbruderhof Silum Triesenberg, Frstentum Liechtenstein

  • 8/11/2019 Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

    2/34

    In den fr uns beraus ernsten Advents-Wochen dieses Jahres ist es uns in ganz besondererWeise zu einem inneren Bedrfnis geworden, allen unseren Freunden einen gedrucktenBruderhof-Brief zu senden. Diejenigen Empfnger dieses Rundbriefes, die unserenWortfhrer Dr. Eberhard Arnold persnlich gekannt haben, werden bereits durch unsereinzwischen versandte Drucksache die erschtternde Nachricht vernommen haben, da unser

    Eberhard am 22. November dieses Jahres aus seinem fr unsere Gemeinschaft bis zuletztttigen Leben zur oberen Gemeinde abgerufen wurde. Alle Freunde, die davon wissen, mitwelcher Hingabe aller seiner Krfte und Gaben Eberhard sein ganzes Leben fr dieAnrichtung der vlligen Gemeinschaft eingesetzt hatte, werden es ahnen knnen, welch einunersetzlich schwerer Verlust unsere Bruderhfe betroffen hat. Mit diesem Schreibenknnen wir nur ein Weniges von dem sagen, was Eberhard Arnold fr uns bedeutete undwelche Bedeutung dieses vollendete Leben auch weit ber unsere Bruderhfe hinaus frviele Menschen unserer heutigen Zeit haben mute. Alle, die uns nher kennen, werden eswissen, da es sich bei unserem brderischen Leben niemals um Menschen und um derenGeltung handeln kann, sondern da es stets und immer die Sache Gottes und Seines Reiches

    war, die auf unseren Bruderhfen verkndet und gelebt werden sollte. In allen unserenSchriften kommt es auch zum Ausdruck, da das Leben in Gemeinschaft keinMenschenwerk sein kann, sondern nur durch das Geschenk des Geistes Gottes mglichwird. Wir knnen es jedoch nicht verschweigen, da alle unsere 100 erwachsenenBruderhfer durch das Sachzeugnis Eberhard Arnolds fr den Weg des gemeinsamenLebens gewonnen worden sind, und da wir es nchst Gott ihm als seinem begnadetenWerkzeug danken, da wir heute auf zwei Bruderhfen in Deutschland und in Liechtensteinin vlliger Gemeinschaft verbunden sind und von der Glaubens-Gewiheit erfllt wurden,da dieser Weg auch fr alle unsere Zukunft derselbe bleiben wird. Bei der innersten

    Einstellung unserer Lebensgemeinschaft wird es allen verstndlich sein, da dieserBruderhof-Brief nichts von dem sagt, wie unendlich viel Eberhard Arnold fr jedenEinzelnen unserer Bruderhfer bedeutete, sondern da wir hier nur von der Sache sagenknnen, fr die er leben und sterben konnte und fr die auch wir Bruderhfer leben undsterben wollen.

    Was Eberhard Arnold ber 36 Jahre in vielen Lndern verkndete und ber 15 Jahre aufden Bruderhfen mit uns in tglicher Gemeinschaftsarbeit verwirklichte, war keine neueLehre, sondern es war die allen bekannte Botschaft der vier Evangelien, es war die

    Nachricht von Jesus, der vom nahenden Gottesreich zeugte und zu einem Wege liebender

    Bruderschaft aufrief. Neuartig erschien es dem fremden Betrachter nur, da das Bekenntniszu Jesus die gesamte Lebenshaltung der Menschen verndern sollte, da das ganze Lebenwieder als eine Einheit gesehen wurde, weil es ganz ausschlielich von der Reich-Gottes-Zukunft und von der Christus-Nachfolge bestimmt war. Eine so radikale Auffassung mutefolgerichtig zum Bruch mit den Mchten des Mammons, des Mordgeistes, der Lge und derUnreinheit fhren, um in einer ganz neuen Ordnung das gesamte persnliche undffentliche Leben zu ver ndern. Es blieb vielen unserer Freunde unverstndlich, da dasBekenntnis zu Jesus zu einer derartigen rcksichtslosen Abwendung von der allgemeinenAuffassung der Eigengesetzlichkeit der Dinge fhren sollte. So war es vielen Menschen,

    2

  • 8/11/2019 Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

    3/34

    die nur fr kurze Stunden oder wenige Tage unter uns waren, nicht ohne weiteresverstndlich, wie es unsere Geschwister wagen konnten, ihre frhere Stellung in der Weltund ihr frheres Eigentum ganz zu verlassen, um ohne jede Sicherung ein Leben praktischerArmut an Wohnung, Kleidung und Ernhrung dafr einzutauschen. Es blieb ihnen auchunverstndlich, da Eberhard Arnold bei seiner hervorragenden Begabung fr

    wissenschaftliche Arbeiten und lebendige Darstellung geistiger und kulturellerZusammenhnge in Wort und Schrift nicht ebenso wie seine Vorfahren eine Professurangenommen hatte. Einige wohlmeinende Freunde glaubten, da er an einer Universitteine noch dankbarere Zuhrerschaft gefunden htte als auf den Bruderhfen. Wie es zu demvielen Freunden schwer verstndlichen Zusammenleben auf den Bruderhfen kommenmute, wird deutlich, wenn wir den Lebensgang Eberhard Arnolds, des Grnders undWortfhrers unserer Bruderhfe, mit kurzen Worten andeuten und dabei auf diejenigengeistigen Bewegungen hinweisen, die sein Leben entscheidend beeindruckten.

    Eberhard Arnold wurde am 26. Juli 1883 als Sohn des spteren Ordinarius frKirchengeschichte an der Universitt Breslau Carl Franklin Arnold und seiner Ehefrau

    Elisabeth geb. Voigt zu Knigsberg in Preuen geboren und erhielt in seinem Elternhausewesentliche Eindrcke eines strengen Glaubens an Gott und seine ehrfurchtgebietendeGre. Als Sechzehnjhriger kam er unter dem starken Eindruck des evangelischenPfarrhauses von Pastor E. F. Klein in Lichtenrade bei Berlin zu einer persnlichenGlaubenserfahrung. Er suchte von da an nach Wegen einer Jesus-Nachfolge, die sich nichtnur auf das Heil der eigenen Seele beschrnkt, sondern von der Liebe zu Christus auch zuder Liebe zu den Brdern fhrt. So sammelten sich um ihn schon auf dem Gymnasium eineAnzahl suchender Schler, und fr manche von ihnen war jene Zeit fr ihr ganzes Lebenvon entscheidender Bedeutung. Eberhard Arnold er kannte bald, da ein wahrer Glaube

    darin seine Echtheit zeigen mu, dass er in der Liebe ttig ist und die ganze Welt mit ihrerNot zu umfassen vermag. Auf der Suche nach der Verwirklichung dieser Erkenntnis kamer zunchst mit der Heilsarmee in Berhrung, die ihn, obwohl er manche andere lebendigeKreise kannte, in jener Zeit am meisten beeindruckte. Hier begegnete ihm ein wirklichechtes Glaubensleben, verbunden mit einer starken Liebe zu den rmsten undErniedrigsten. Der alte Heilsarmee-General William Booth und seine glhende Liebe zumversunkenen Zehntel der Menschheit machten auf Eberhard Arnold einen entscheidendenEindruck, als er ihn als Greis in Berlin im Zirkus Busch sprechen hrte. Hatte unserWortfhrer doch schon seit Kindheitstagen unter der Ungerechtigkeit der heutigen Klassen-,

    Kasten- und Gesellschaftsordnung gelitten und fhlte er sich doch immer in besondererWeise zu den Armen und Benachteiligten hingezogen, seitdem er wute, da Jesus geradediese rmsten gesucht hatte. Durch seinen Vater und auch durch seinen Onkel ProfessorVoigt (Halle) erhielt der Student schon frh einen entscheidenden Eindruck vomUrchristentum, in dem er schon damals die wichtigste Zeit radikalen Christus-Lebenserkannte. Er sollte diese Bewegung in spteren Jahren ebenso wie die Zeit des friedlichenTufertums im 16. Jahrhundert auch wissenschaftlich durchdringen. Aber auch allenichtchristlichen geistigen Erscheinungen und Bewegungen wurden in langen Jahrenerforscht und mit der Botschaft des Neuen Testaments verglichen. So schrieb Eberhard

    3

  • 8/11/2019 Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

    4/34

    Arnold seine Doktorarbeit in den Jahren 1908-1909 bezeichnenderweise ber das ThemaUrchristliches und Antichristliches im Werdegang Friedrich Nietzsches1). Es blieb jedochnicht bei diesen Gelehrten-Arbeiten; Eberhard Arnold suchte nun vielmehr mit denMenschen und mit ihren Nten in Verbindung zu kommen. Er sah zunchst seinen

    besonderen Auftrag unter den Studenten. Der Deutschen Christlichen Studenten-

    Vereinigung (.D.C.S.V.) galt seine besondere Liebe und er hielt in diesen Kreisen vieleVortrge und Bibelstunden. Hier verdankte er besonders dem Grafen Pckler Vieles. Eswurde dann im Jahre 1907 fr das Leben Eberhard Arnolds von wesentlicher Bedeutung,da er Emmy von Hollander, die Tochter des Universitts-Professors Dr.jur. JohannHeinrich von Hollander und seiner Ehefrau Monika geb. Otto in christlichenErweckungskreisen kennen lernte und in ihr eine Lebensgefhrtin fand, die von da ab anseinem Ringen um ein echtes Leben der Jesus-Nachfolge innersten Anteil hatte. EberhardArnold selbst hat vor einem Jahr in dem vorhergehenden Weihnachtsbrief an unsereFreunde2) zum Ausdruck gebracht, was ihm und unseren Bruderhfen seine Frau, unsereHausmutter Emmy bedeutet. Im Dezember 1934 war dazu ein besonderer Anla gegeben,

    darber einem weiteren Kreis unserer Freunde Mitteilung zu machen, da Eberhard undEmmy Arnold auf dem Rhnbruderhof die Silberhochzeit feiern durften in groer Freudedarber, da auch alle ihre fnf Kinder, die am Schlu dieses Briefes noch einmalausfhrlicher erwhnt werden sollen, ganz den Weg des gemeinsamen Lebens gewhlthaben, um den sie in 25 Jahren des Kampfes gemeinsam gerungen hatten.

    Nach Beendigung der Studien whlte Eberhard Arnold den Weg einer freien Evan-geliumsverkndigung, die ganz unabhngig von den bestehenden Kirchen und Ge-meinschaften durchgefhrt wurde, und in verschiedenen Stdten, besonders in Halle an derSaale zur Bildung von Christusbewegten Gemeinschaften fhrte. Bei all diesen

    Verkndigungen war Christus und seine Zukunftsbedeutung der Mittelpunkt. In den Jahren1910-1912 wurde er durch die Schriften des Schweizers Hermann Kutter aufs neue auf diesoziale Verantwortung der Christen hingewiesen und von da ab wurde ihm die Erwartungdes nahenden Gottesreiches fr alle seine Verkndigung bestimmend. In den Jahren 1913-1914 mute sich Eberhard Arnold wegen einer inzwischen ausgebrochenenLungenkrankheit in Tirol aufhalten, wo er sich ganz in das Wesen der Bibel vertiefte. Esgalt, die Bibel mit neuen Augen zu lesen und die vier Evangelien in ihrem groen innerenZusammenhang zu verstehen. Bibelauslegungen gab es genug, die Bibel war gar zu sehrzerlegt worden und bedeutsame Worte aus ihrem inneren Zusammenhang gerissen worden.

    Nunmehr galt es, die Seele der Bibel zu erkennen, den Herzpunkt, von dem aus alles, wasdie Propheten, was Jesus selbst und was auch seine Apostel bezeugt hatten, die rechteBedeutung erhielt. So entstand das Buch Innenland, ein Wegweiser in die Seele der Bibel,

    1) Verlag Bruns Beckers Buchhandlung (Otto Thon), Eilenburg 1910. Seit Jahren vergriffen. Neue Auflagewird vom Eberhard Arnold-Verlag vorbereitet.

    2)Vom Leben der Bruderhfer. Ein Weihnachtsbrief vom Rhnbruderhof und Almbruderhof.Vierzehntes Jahr der Sannerzer und Bruderhfer Briefe 1934. Eberhard Arnold-Verlag G.m.b.H. Bruderhof-Neuhof(Fulda) und Leipzig. Almbruderhof, Frstentum Liechtenstein. 32 S. RM..80. Sfr. 1..

    4

  • 8/11/2019 Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

    5/34

    das whrend des inzwischen ausgebrochenen Krieges unter dem Titel Der Krieg, einAufruf zur Innerlichkeit, erschien.3) Mit diesem Buch wurde zugleich auf das Wesen deswahren Deutschtums hingewiesen, auf die Krfte der Innerlichkeit, die einst diemittelalterliche deutsche Mystik hervorgebracht hatte, whrend mit Fichte nach derBestimmung des Menschen gefragt wurde, die als Hingabe an eine bergeordnete Aufgabe

    gesehen werden mute. Whrend des Krieges ergab sich fr Eberhard Arnold einewunderbare Gelegenheit, die besten Schtze deutscher Literatur und Kunst vielen Menschenzugnglich zu machen, indem er in den neu gegrndeten Furche-Verlag Berlin eintrat, deres sich zur Aufgabe gestellt hatte, beste Literatur in billigen Volksausgaben fr diedeutschen Kriegsgefangenen herauszugeben. Es ist nur wenigen bekannt, wie vielewichtigste Verffentlichungen dieses Verlages unter der verantwortlichen HerausgabeEberhard Arnolds oder auf seine Anregung hin erschienen sind. Als Mitbegrnder und Mit-herausgeber der Zeitschrift Die Furche ist Eberhard Arnold damals weitesten Kreisen

    bekannt geworden, zumal sich damit die Arbeit als Sekretr der Deutschen ChristlichenStudenten-Vereinigung verband.

    Der Krieg war zu Ende. Von allem Geschehenen aufs Tiefste erschttert, bildeten sichberall Gruppen von Menschen, die Wege nach einer neuen gerechteren Zukunft derMenschheit suchten. Viele innerlichst bewegte Menschen der damaligen Zeit ersehnten einneues Gottesreich fr diese Erde. Hier wurde besonders das Zeugnis der beiden Blumhardtmagebend. Im Hause Eberhard Arnolds in Berlin sammelte sich zu abendlichenAussprachen eine Schar solcher, die das Anliegen hatten, den Willen Gottes fr diegegenwrtige geschichtliche Stunde zu erkennen. Diesen Suchenden wurde bald dieBedeutung der Bergpredigtoffenbar, man ahnte, da diese einzigartige Zusammenfassungdes Gotteswillens wie zu allen Zeiten auch in diesen Jahren der Erschtterung Richtung

    gebend sein mute. Die Botschaft Jesu vom neuen Brudertum unter den Menschen wareindeutig klar. In welchem Gegensatz dazu stand aber der Weltkrieg mit seinen furchtbarenFolgen? Sind nicht in jenen Jahren viele am Evangelium der Liebe irre geworden? Was abersollten diejenigen tun, die sich auch in dieser Notzeit zum Evangelium bekannten? DerMordgeist hatte sich in seiner furchtbaren Wirklichkeit offenbart. Gengte es denverzweifelten Menschen, demgegenber von dem so ganz anderen Evangelium der Liebezu reden? Wo war eine neue Wirklichkeit der Christus-Liebe? Alle ernsthafteren Menschensuchten nach gangbaren Wegen aus der furchtbaren Not. Was ntzten ihnen Vortrge bereine bessere Zukunft? Was konnte den suchenden Menschen gesagt werden von neuen

    Lebensmglichkeiten, die sofort ergriffen werden knnen? Mute nicht die Christus-Liebegelebt werden und mute sie nicht mglichst vielen Menschen Lebensmglichkeit geben?Mute sie nicht aus der Vereinzelung herausfhren und eine solche gemeinschaftsbildendeKraft haben, da alle geistlichen und zeitlichen Belange der Menschen eine vlligeUmgestaltung im Sinne der Verkndigung Christi erfuhren? In jenen erschtternden Tagenwurde ihm durch George Fox ein Beispiel glhender Christusliebe gezeigt und so suchte

    3) Die erste Auflage ist 1914-1915 erschienen im Verlag Paul Ott Gotha, sptere Auflagen 1915 im Furche-Verlag Berlin, 1923 in unserem Gemeinschaftsverlag Sannerz. ber die neueste im Jahre 1936 erscheinende Auflage(9. bis 10. Tausend) siehe Anmerkung 12.

    5

  • 8/11/2019 Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

    6/34

    er schon damals die Verbindung mit den jetzigen Qukern. Doch war es vor allen Dingendie Frage der Gemeinschaft im Sinne der Jngerschar Christi, um die in den offenenAbenden in Berlin gerungen wurde. Man dachte zunchst an ein Zusammenleben in einerGrostadt mit einer offenen Tr fr Arme, denen durch eine Volkskche und hnlicheEinrichtungen auch eine praktische Hilfe gegeben werden sollte. Bald aber wurde es allen

    klar, da ein solches Zusammenleben nur auf dem Lande durchgefhrt werden konnte. DieNaturnhe erschien als das allein Gegebene, sowohl im Hinblick auf neue gesndere Er-werbsmglichkeiten als auch fr die Durchfhrung von Erziehungsaufgaben an Kindernund Jugendlichen, die allen als besonders notwendig erschienen. So kam es zum AufbruchEberhard Arnolds und seiner Familie nach dem Dorfe Sannerz im Kreise Schlchtern(Hessen-Nassau) und zur Grndung einer Siedlung und damit zum Anfang praktischengemeinsamen Lebens. Da Eberhard Arnold in jener Zeit seine Stellung im Furche-Verlagund in der D.C.S.V. aufgab, war ihm auch aus anderen Grnden innerste Notwendigkeit,da die fhrenden Stellen der D.C.S.V. fr die radikalen Forderungen eines Tat-Christentums, wie sie Eberhard Arnold vertrat, immer weniger Verstndnis zeigten und

    Eberhard sogar nahe legten, doch in seinen Vortrgen und Schriften nicht so stark diebestehenden Verhltnisse anzutasten. So war es denn in jeder Hinsicht das Gegebene, dain einem unabhngigen Gemeinschaftsleben eine neue Lebensmglichkeit und zugleich eineneue Basis fr die Wortverkndigung gesucht wurde. Freilich standen fr diesen Neubeginnkeinerlei Geldmittel zur Verfgung. Viele wohlmeinende Freunde versuchten zunchstEberhard, dann auch Emmy von diesem Schritt ins Nichts abzuhalten. So wurde u.a. auchauf die Verantwortung gegenber den fnf Kindern hingewiesen. Doch da sie sich von Gottselbst auf diesen Weg gerufen wuten, lieen sie sich von Menschen nicht davon abbringen.So wurde dieser entscheidende neue Lebensabschnitt mit allen seinen Konsequenzen allein

    aus den Krften des Glaubens gewagt. Mit diesem Glauben aber war die grte Macht unddie einzigste Realitt zu ihnen gekommen. Im September 1920 wurden folgende Worte alsSiedlungs-Grundlage niedergeschrieben, die auch heute noch fr die Richtung unseresgemeinsamen Lebens bestimmend sind:

    Wir brauchen Christen.Wir brauchen Menschen, die arbeiten.Wir brauchen Menschen, die den Christus-Geist ausstrahlen, missionarischwirkende Menschen.Wiedergeborene Menschen, Christen, die das Leben der Bergpredigt auf sich

    genommen haben.Menschen, die arbeitsfhig und arbeitswillig sind.Es mssen Menschen sein, die missionarisch Christus zeugende Persnlich-keiten sind.Wir sind eine arbeitende Gemeinschaft von Jngern Jesu, die alles verlassen,um ganz der Liebe und der produktiven Arbeit zu leben. Wir mssen uns alsGemeinde Christi bekennen, als Abendmahls-Gemeinschaft.

    Die Lebensform dieses Kreises gewann ihre Gestalt durch die Jugendbewegung, die zurselben Zeit die gesamte junge Generation Deutschlands bestimmen sollte. Mit einem regen

    6

  • 8/11/2019 Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

    7/34

    Interesse besuchte Eberhard Arnold die verschiedensten Tagungen jugendbewegter Kreise,besonders des damaligen Freideutschtums, das ihn und die Sannerzer wegen der Forderungeines wahrhaftigeren Lebens mchtig anzog. Auch auf den religis-sozialen Tagungen jenerJahre, an denen Karl Barth erstmalig hervortrat, gab Eberhard Arnold sein Bekenntnis. Sehrwichtig wurde ihm auch das Zeugnis des Bruderschaftshauses in Bilthoven bei Utrecht in

    Holland. In unserem Archiv auf dem Almbruderhof befinden sich Niederschriften vielerVortrge und Diskussionen der damaligen Zeit, die vielleicht spter einmal durch denEberhard Arnold-Verlag verffentlich werden. Wichtiger als diese mndlichen undschriftlichen Bekenntnisse aber war es den Grndern von Sannerz, da die als notwendigerkannte Gemeinschaft Wirklichkeit geworden war. Die Hausgemeinschaft fand Raum ineinem gepachteten Hause, Arbeitsmglichkeiten boten sich auf gepachteten ckern, ineinem angelegten Garten und in einer neueingerichteten Schule, in welcher die Kinder derFamilie Arnold gemeinsam mit angenommenen Kindern der Grostadt von eigenenLehrkrften erzogen und unterrichtet wurden. Das Haupt-Arbeitsgebiet bildete aberzweifellos der Buchverlag (Neuwerk e.G.m.b.H.), der in einer vielfltigen Buchproduktion

    zu allen Fragen der Zeit Stellung zu nehmen suchte. Bei diesen Verlagsaufgaben hatteEberhard Arnold eine besonders wichtige Hilfe in seiner Schwgerin Else von Hollander,die ihm seit 1913 bis zu ihrem Tode am 11. Januar 1932 als Sekretrin zur Seite stand undan allen seinen schriftstellerischen Arbeiten, aber ebenso am gemeinsamen Leben inSannerz und auf dem Bruderhof innigsten Anteil nahm. Emmy Arnold stellte indessen dieLieder der Gemeinschaft zusammen4). Das Sonnenliederbuch, das noch heute auf unserenBruderhfen tglich benutzt wird, ist auch vielen unserer Freunde im Lande unentbehrlichgeworden. Sannerz wurde bald ein Mittelpunkt jugendbewegten Lebens. Tglich flutetengroe Scharen von Menschen aller Richtungen und Bekenntnisse durch das Haus. Der Tag

    war der Arbeit gewidmet und die Nacht der Diskussion. Die damalige Zeitschrift Das neueWerk (nicht zu verwechseln mit dem spteren Neuwerk) hielt die Verbindung mit allenFreunden aufrecht. Nach kaum einem Jahr war der Kreis der Hausgemeinschaft auf etwa40 Personen gewachsen. Im Jahre 1922 setzte eine Scheidung ein. Es war die Zeit, in derdie Jugendbewegung abflaute; man suchte sich in die Gegebenheiten der brgerlichenBerufe und der Kirche wieder einzufinden und die meisten revolutionren Weltverbessererkehrten wieder zum gewhnlichen Leben zurck. Zu jener Zeit wurde das lange verachteteGeld wieder die Realitt und so konnten auch viele der damaligen Sannerzer die Kraftnicht mehr aufbringen, ein Leben ohneSicherung, ganz aus dem Glauben heraus zu fhren.

    Bis auf 7 Erwachsene verlieen alle das Schiff des gemeinsamen Lebens. Aus jener Zeitstammen viele unwahre Gerchte ber Eberhard Arnold und die Getreuen, die amgemeinsamen Leben festhielten. Das geschah in der Hauptsache von solchen, die einst zumgemeinsamen Leben angeregt worden waren, in jenem Jahre der Entscheidung es aber nichtmehr zu fassen vermochten, da die Gemeinschaft nur mit einem Berge versetzendenGlauben gehalten werden kann und da dieser Glaube eine solche Realitt ist, da auch

    4) Sonnenlieder. Lieder fr Naturfreude, Menschheitsfriede und Gottesgemeinschaft. Herausgegeben vonEmmy Arnold und Gertrud Dalgas. Kart. RM. 3.60. sfr. 4.50. Halblein. RM. 5.40. sfr. 6.75. Leinen RM. 7.. sfr.8.75. ber den 1933 erschienenen zweiten Band des Sonnenliederbuches siehe Anmerkung 16.

    7

  • 8/11/2019 Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

    8/34

    ohne vorhandene Geldmittel etwas begonnen werden kann, wenn es nmlich aus derGewissheit geschieht, da das zu Beginnende nach dem Willen Gottes und ganz fr SeineSache geschieht. Es ist uns eine schmerzliche Erinnerung, da diese fr uns auch in allenspteren Jahren entscheidende Glaubenshaltung damals von ehemaligen Freunden inabsoluter Verkennung der Tatsachen gemissdeutet wurde und da von Seiten dieser Freunde

    geradezu eine Feindschaft einsetzte, die vor allem Eberhard Arnold sehr schmerzlich war,da er alle die Freunde, die das Glaubenswerk derartig verkannten, bis zuletzt geliebt hat unddes fteren sich vergeblich bemhte, eine sachliche Klarstellung aller Geschehnisse, diesich in der Zeit seiner Trennung abspielten, mit allen Beteiligten zu ermglichen. Am

    besten kann man die nun so sehr verschiedenen Wege aus Emil Blums Buch: DerHabertshof erkennen5). Es folgten nun einige ruhigere Jahre, die sehr stark der innerenVertiefung des zurckgebliebenen Kreises gewidmet waren, bis von etwa 1924 an der Kreisein stetes Wachstum aufweisen konnte, das bis zu dieser Zeit, also bis 1935, angehalten hat.Im Jahre 1924 erhielt Eberhard von der Vaterlndischen Verlags- und Kunstanstalt Berlinden wichtigen Auftrag, eine Lebensbcherei christlicher Zeugnisse aller Jahrhunderte

    herauszugeben. Von dieser Quellen-Bcherei, die alle christlichen Zeugen und Bewegungenin ihrer Einheitlichkeit darstellen sollte, konnten bisher nur 14 Bcher erscheinen,6) die

    jedoch zum Teil eine weiteste Verbreitung gefunden haben und wohl keinem unsererFreunde gnzlich unbekannt geblieben sind. Diese Bcher entstanden unter der regstenAnteilnahme der ganzen Hausgemeinschaft. Das gilt besonders fr den ersten Band dieserSammlung, der die von Eberhard Arnold selbst zusammengestellten Quellen desUrchristentums enthlt. Den Sannerzern waren diese Zeugnisse eine wesentlicheEntdeckung. Ging es doch den Bekennern Christi in den Jahren nach dem Tode der Apostel

    bis zum Ende des zweiten Jahrhunderts um dieselbe Reich-Gottes-Erwartung und um

    dieselbe geistbewegte Gemeinschaft, die auch den Gemeinschaftern um Eberhard Arnoldzur Bestimmung wurde. Die Sannerzer Verhltnisse erwiesen sich jedoch bald als zuungengend fr den im steten Wachstum begriffenen Kreis der Hausgemeinschaft. So kames dazu, da zwei Stunden von Sannerz entfernt, im Kreise Fulda im November 1926 einGut gekauft wurde. Hier kam es zur Aufrichtung unseres jetzigen Rhnbruderhofes. Bei derGrndung dieses Bruderhofes war es genau so wie beim Aufbruch der Grnder-Familienach Sannerz. Es standen nmlich zu diesem so lebensnotwendigen Gutskauf keinerleiGeldmittel zur Verfgung, und doch schlo der im Glauben vereinigte Kreis einenKaufvertrag ab, in welchem die Verpflichtung enthalten war, eine fr unsere damaligen

    Verhltnisse ganz unerhrt hohe Anzahlungssumme von 10'000 Mark zu leisten. Wiedererwies sich der Glaube als die Sicherheit; die geforderte Geldsumme konnte wirklich am

    5) Zu diesem Buch, welches die Dinge sehr einseitig im Sinne der spteren Neuwerk-Bewegungschilderte, schrieb Eberhard im Jahre 1930 eine Ergnzung unter dem Titel: Randbemerkungen zu der Geschichtedes Habertshofes von Emil Blum, 1930", die im Zusammenhang mit einem geplanten greren Werk ber unsereBruderhfe zur Verffentlichung gelangen wird.

    6) Ein genaues Verzeichnis aller Titel befindet sich am Schlu dieses Heftes. Seit 1932 werden die Bchernur noch vom Eberhard Arnold-Verlag G.m.b.H. vertrieben, der allen Interessenten gern ausfhrliche Kataloge zurVerfgung stellt.

    8

  • 8/11/2019 Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

    9/34

    Flligkeitstage entrichtet werden. Mit dem Kauf dieses 150 Morgen (37,5 Hektar) groenGutes setzte eine rege Bauttigkeit ein, die bis 1933 anhielt, da es galt, dem stetigwachsenden Mitarbeiter-Kreis Unterkunftsmglichkeiten zu schaffen. Die Freunde, welcheuns im Laufe dieser Jahre besuchten, werden es beobachtet haben, wie sich das Bild desHofes von Jahr zu Jahr wandelte und wie aus einem im Verfall befindlichen Gut ein ganz

    neuer Bruderhof entstand. Konnten doch bis heute 7 Wohnhuser und 5 Wirt-schaftsgebude zum greren Teil neu errichtet, zum kleineren Teil ausgebaut werden. Anjedem, auch dem kleinsten Bauprojekt nahm Eberhard Arnold mit seinem ganzen HerzenAnteil. Alles, was errichtet werden konnte, war ja nur der kleinste Teil von dem, was ihmvorschwebte. In einem ausfhrlichen Brief, den unser Eberhard Arnold acht Tage vorseinem Tode schrieb und von dem spter noch die Rede sein wird, erinnert er noch an seineunvergessenen Bauprojekte, wozu u.a. ein groes Gemeinschaftshaus mit 40 Zimmernund einem groen Saal gehrte, vor allem aber war an einen turmartigen Rundbau gedacht,der die Verbindung zwischen dem jetzigen Haupthaus und dem geplanten grtenGemeinschaftshaus herstellen sollte. Dieser Turmbau wurde seit 1928 jedes Jahr aufs neue

    erwogen und war ebenso, wie die ganze Ausdehnung der Bruderhofanlage berhaupt, schonso bis ins einzelste durchdacht, da wir Bruderhfer zuweilen mit unserem geistigen Augeden Plan schon verwirklicht sahen. Bei all diesen Projekten meinte Eberhard Arnold vielmehr als den Aufbau eines Gutshofes; was ihm vor Augen stand, war eine Stadt auf demBerge, die zum Sammelpunkt aller derjenigen wird, die vereinigt in der Erwartung desGottes-Reiches nun auch zu einem brderischen Leben zusammengeschlossen werdenwollen, wie es dieser Zukunfts-Erwartung entspricht. Des fteren sprach unser Wortfhrerdavon, da dieses brderische Leben in der heutigen Zeit ebenso wie im 16. Jahrhundert zueiner neuen Geistesbewegung fhren knnte, die vielleicht noch Hunderte und Tausende

    von Menschen zum gemeinsamen Leben vereinigt. Bei allen Bruderhof-Plnen war also aneine grere Zukunft gedacht. So war es nicht allein bei dem Bau der Huser und bei derEinrichtung der verschiedenen Arbeitsgebiete, sondern auch bei der Aufstellung vonOrdnungen fr die Regelung aller Belange des gemeinsamen Lebens hatte Eberhard Arnoldeine grere Zukunft der uns anvertrauten Sache im Glauben vorausgesehen, als es selbstseine nchsten Mitarbeiter zu fassen vermochten. Zuweilen schien es so, als ob Eberhard

    bei seiner Zukunftsschau die gegenwrtigen Existenz-Nte des Bruderhofes ganz bershe.Immer wieder zeigte es sich aber, da das, was er meinte, kein leerer Wahn war und da eskeine menschlichen Illusionen sein konnten; da es sich vielmehr um den einfachen

    kindlichen Glauben handelte, von dem Jesus prophezeit hatte, da aus ihm grere Dingegeschehen knnten, als selbst seine Jnger erlebt htten. Bei diesem umfassenden Blick frdas, was dem Glauben mglich wird, blieb es dem Grnder unserer Bruderhfe jedoch zuallen Zeiten klar, welche nchstliegendsten Aufgaben des Bruderhof-Aufbaus in Angriff zunehmen waren. Es muten Huser errichtet werden, um den stndig wachsendenMitarbeiterkreis und die vielen Gste, die zu allen Zeiten den Bruderhof aufsuchten, ineinfacher, aber gesunder Weise unterzubringen. Gleichzeitig muten Arbeitsrume fr diehandwerklichen und geistigen Arbeitsgebiete der Bruderhfer geschafft werden, denn aufdem Bruderhof sollten in gleicher Weise die Arbeit des Kopfes und die Arbeit der Hand

    9

  • 8/11/2019 Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

    10/34

    ihren Platz haben. Es waren jedoch nur solche Arbeitsgebiete einzurichten, die derbergeordneten Aufgabe dienen konnten und die zugleich die Existenzbeschaffung frdiejenigen Menschen ermglichten, die sich er uns gewiesenen Aufgabe fr Lebenszeithingegeben hatten. Durch den besonderen geistigen Auftrag Eberhard Arnolds entstand, wieschon erwhnt, bereits in Sannerz der Buchverlag der Gemeinschaft. Die Erforschung aller

    Jahrhunderte, die Beurteilung aller Weltgeschehen und die Auseinandersetzung mit dengeistigen Strmungen der Vergangenheit und Gegenwart wurde unter der FhrungEberhards in den tglichen Zusammenknften der Bruderhfer zur gemeinsamen Arbeitaller. Diese angespannte geistige Arbeit der ganzen Hausgemeinschaft, die neben der

    praktischen Arbeit des Tages nicht allein die Abendstunden ausfllte, sondern auch diegemeinsamen Mahlzeiten bestimmte, mute fr die Bruderhfer lebensnotwendig sein, da

    bei ihrem abgesonderten Leben auf dem einsam gelegenen Bauernhof ohne eine solchegemeinsame Vertiefung aller die Gefahr einer geistigen Verkmmerung naheliegend seinmute. Damit wre aber der Gemeinschaft der wichtigste Auftrag verloren gegangen, derdarin bestand, von der Klarheit des gemeinsamen Lebens aus zu einer noch viel strkeren

    geistigen Durchdringung aller Bewegungen und Erscheinungen der Zeit zu kommen, als esin den ruhelosen Grostdten den in der Vereinzelung lebenden Menschen mglich seinkann. So wurde die Lebensgemeinschaft zur umfassenden Erziehungsgemeinschaft. Nichtswar unserem Eberhard Arnold schwerer tragbar, als die traurige Tatsache, da zuweilendurch die berbetonung der praktischen Arbeiten den Bruderhfern das Verstndnis frgeistige Zusammenhnge und damit der Blick fr das grere Geschehen verloren ging. Bisin seine letzten Lebenstage war es das innerste Anliegen des Bruderhof-Grnders, da dochdie Arbeit beider Bruderhfe fr das grere Reich und fr den grerenGemeindeauftrag geschehen mge, da doch die berkosmische Bedeutung Jesu und die

    universale Reichszukunft des Geistes allen immer das Wichtigste bliebe. Keinesfalls solltedas Leben auf dem Bruderhof zu einem unverantwortlichen Herausgehen aus der Weltfhren, es sollte vielmehr der Glaube an die Zukunft Gottes den Blick weiten fr alleGeschehen aller Welten. Das Verstehen der Geschichte als des Geschehens in derVergangenheit, das Erkennen der Gegenwart mit dem Erfassen des Gebots derweltgeschichtlichen Stunde und das Ahnen der Zukunft als der Erfllung der prophetischenZeugnisse sollte die Gemeinschaft mit einem klaren Sendungsauftrag zu einem neuenHineingehen in die Welt fhren. Es war Eberhard Arnold wichtig, schon die Kinder frdas Verstndnis dieser groen Zusammenhnge zu erziehen und sie in einer Bruderhof-

    Schule an die wesentlichsten Fragen heranzufhren. In unserer Schule wurde Religion nieals Fach gelehrt, es sollte jedoch auch kein Schulfach ohne seinen Zusammenhang mitdem Gottes-Geschehen gelehrt werden. So wurde fr die Lebensgemeinschaft der lterenwie fr die Kindergemeinde der jngsten Bruderhfer das alles umfassende ZeugnisEberhard Arnolds und seine Erziehung zum umfassenden Denken von Richtung weisenderBedeutung, und wird es auch fr alle Zukunft unserer Bruderhfe bleiben. Bei einemBruderhofleben konnte es sich jedoch nicht allein um diese geistige Arbeit handeln, sondernes mute nun von der Erkenntnis zur praktischen Gestaltung kommen. Es galt, Arbeits- undExistenzmglichkeiten fr so viele Menschen zu schaffen, als sich zu diesem Leben gerufen

    10

  • 8/11/2019 Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

    11/34

    wuten. Es war vor allem die Landwirtschaft mit einem ausgedehnten Gartenbau, die dieErnhrung der Gemeinschafter gewhrleisten sollte. Aus Liebe zur Sache hatten sichEberhard und Emmy Arnold mit allen agrarischen Fragen so intensiv beschftigt, da siezu allen Jahreszeiten genau wuten, welche Arbeiten an den ckern und Wiesen vorge-nommen werden mssen. Auch in allen Fragen der Viehzucht hatten sie in ihrer Siedlungs-

    Praxis so umfassende Kenntnisse gewonnen, da sie auf diesen Arbeitsgebieten geradezufhrend waren. Neben dem Buchverlag, fr den Eberhard reiche Erfahrung aus seinerTtigkeit im Furche-Verlag mitbrachte, waren es die handwerklichen gewerblichenArbeitsgebiete des Bruderhofes, die fr den eigenen Bedarf der Gemeinschaft und fr dieBeschaffung der erforderlichen Geldmittel eingesetzt werden muten. Unsere Freundewissen es und knnen es auch in unserem Prospekt7) nachlesen, da uns im Laufe der Jahredie Einrichtung einer Buchdruckerei, einer Buchbinderei sowie kunsthandwerklicherBetriebe und zwar Drechselei und Kleinkunstgewerbe ermglicht wurde, da aber auch allevorkommenden Tischler-, Wagner- und Schmiede-Arbeiten von unseren Brdern selbstgeleistet werden konnten. Es wurde von unserem Wortfhrer unablssig das Ziel verfolgt,

    da die Arbeitsgebiete der Gemeinschaft stetig wachsend mit der Erweiterung des Mitarbei-terkreises den ebenfalls wachsenden Bedrfnissen des Bruderhofes gerecht werden, so dader Bruderhof nach Mglichkeit von der kapitalistischen Wirtschaft unabhngiger wird, alses bei seiner Verschuldung in den Grndungsjahren sein konnte. Das bedeutete jedochnicht, da Eberhard Arnold und seine Mitarbeiter etwa das Geld verachtet htten. Es wurden

    bei uns im Gegenteil zu allen Zeiten Geldsummen jeder Hhe in Dankbarkeit angenommenund sofort fr die Aufgaben der Bruderhfe eingesetzt. Das mute hier erwhnt werden, daEberhard Arnold nicht zu denjenigen Siedlungs-Grndern gehrte, die den Ehrgeiz hatten,in ihrer eigenen Siedlung alles aus eigenen Krften zu schaffen. Er verachtete nicht die

    Hilfe der auswrtigen Freunde, auch wenn sie noch andere Wege gingen, als er und seineBruderhfer. Er bewies vielmehr in diesen Dingen eine einzigartige Natrlichkeit, wie esdarin zum Ausdruck kommt, da er zuweilen unseren Gsten sagte: Am besten ist es, wennihr euer ganzes Leben der heiligen Sache schenkt, wenn ihr das noch nicht knnt, dann gebtwenigstens euren Mammon! Es war auch verstndlich, da unsere Bruderhfe zu allenZeiten fr Gelder in jeder Hhe Verwendung hatten, da viele wichtigste Aufgabengleichzeitig in Angriff genommen werden muten, wie es aus dem Vorhergehendenverstndlich wird, und da zum anderen bei der ausgedehnten Gastfreundschaft desBruderhofes, bei seiner stndigen Hilfe fr arme Menschen die Gemeinschaft von Anfang

    an groe wirtschaftliche Belastungen zu tragen hatte, die also nicht in demGemeinschaftsleben als solchem, sondern in seiner offenen Tr fr alle Suchenden ihreUrsache hatten. Unser Wortfhrer vertrat es zu allen Zeiten, da fr eine Aufnahme in dieGemeinschaft niemals das Vermgen des Eintretenden ausschlaggebend sein kann und daauch niemals seine Begabungen und Fhigkeiten fr praktische Arbeiten bestimmend sein

    7) Prospekt vom Juni 1932 Die Arbeitsgemeinschaft des Bruderhofes, kostenlos anzufordern vomRhnbruderhof, Post Neuhof, Kreis Fulda. Wenngleich seit dieser Verffentlichung, besonders seit der Grndungdes Almbruderhofes, viele darin enthaltenen Angaben inzwischen berholt sind, ist trotzdem diese bald vergriffeneSchrift fr eine nhere Erklrung des Ineinandergreifens der Arbeitsgebiete unseres Bruderhofes von Bedeutung.

    11

  • 8/11/2019 Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

    12/34

    drfen, da vielmehr alle Menschen, die guten Willens sind, ausnahmslos aufgenommenwerden mssen. Die Gesamtaufgabe eines Bruderhofes hat Eberhard Arnold selbst inkonzentriertester Form in die Statuten der Bruderhfe niedergelegt, dessen wichtigsterParagraph 1 nach dem neueren Wortlaut der Almbruderhof-Statuten nachstehend aufgefhrtwerden soll. Die Kenntnis dieser grundstzlichen Worte wird fr alle diejenigen besonders

    wichtig sein, die sich noch nicht gengend vorstellen knnen, was alles zu den Aufgabeneines Bruderhofes gehrt:Der Zweck des Vereins besteht darin, der alt-christlichen, alt-deutschenLebens- und Arbeitsgemeinschaft des Ambruderhofes, die als Gemeinde derhutterischen Brder unter tglicher Anregung und Verantwortung derVorstandsmitglieder und der Vereinsmitglieder steht, die Grundlage frWohnung, fr gemeinsames Leben, fr geistliches Werk, fr geistigenUnterricht und fr gemeinsame Arbeit so zu schaffen und zu sichern, da da-durch allen darnach verlangenden Menschen und Jugendlichen, Kindern undHilfsbedrftigen aller Art und ohne Unterschied der Konfession, des Standes,

    des Vermgens, des Geschlechtes und der Staatszugehrigkeit geistliche An-regung, Lebensmglichkeit und Arbeits- und Gemeinschafts-Erziehung aufkrzere oder lngere Zeit gewhrt werden kann. Die alt-christliche, alt-deutsche Arbeitsgemeinschaft des Almbuderhofes verfolgt den Zweck, denGlauben und das Leben der Apostel Jesu Christi und der ersten Christen inallseitiger, die Freiwilligkeit zum Guten weckender Erziehung, die so vielegroe und kleine Menschen wie mglich umfassen soll, und durch dieVerbreitung dieser Wahrheit und Lebenshaltung in aller Welt zu frdern undauf dem Bruderhof zu erreichen, da die Nachfolge Jesu alle Glieder als eine

    Wesenseinheit der Friedensbettigung, der sittlichen Reinheit, der schlichtenWahrhaftigkeit und der persnlichen Eigentumslosigkeit zusammenwirkenlt, da Haushaltung, Nutzen, Besitz und alle Dinge in Gemeinschaftgehalten werden, da alle eines Geistes, eines Herzens und einer Seele sindund dem prophetischen und apostolischen Wort gem, wie es Gott seit 1533aufs neue den hutterischen Brdern geoffenbart hat, alle Arbeitszweigetatkrftig zum Dienst an allen den Menschen betreiben, die diesen Dienst

    brauchen, begehren und annehmen. Smtliche Erwerbungen, Einrichtungenund Veranstaltungen des Vereins dienen ausschlielich diesen gemeinntzigen

    Zwecken im Sinne der milden Stiftung. Fr die ganze Arbeit dieses Lebensliegt also alles an der klaren Unterscheidung zwischen den aktiv undverantwortlich ttigen Vertretern dieser Zwecke und Aufgaben als denMitgliedern des E.V. einerseits und den Helfern, Gsten und Kindernandrerseits. Diese werden nicht im Sinne der Rentabilitt oder Anstellung,sondern nur im Sinne dieser Erziehung zur Gemeinschaftsarbeit herangezogen.Gemeinschaft und offene Tr sind der Charakter des Bruderhofes.

    Die im Jahre 1927 in Angriff genommene landwirtschaftliche und grtnerische Arbeit aufdem Rhnbruderhof wurde durch weitere Gutskufe in den Jahren 1928 und 1932 bei

    12

  • 8/11/2019 Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

    13/34

    nunmehr 270 Morgen Land zu einer Existenzmglichkeit fr viele Bruderhfer. Bei denbereits geleisteten und auch noch weiter erforderlichen Kulturarbeiten wurde zugleich eineArbeitsmglichkeit fr viele Jahre geschaffen. Bis zum Jahre 1934 wurde es mglich, ausdem bei der bernahme 1926 stark herunter gewirtschafteten Gut einen Landwirtschafts-und Gartenbetrieb mit so hervorragend guten Ertrgen aufzubauen, da selbst der

    Preuische Landwirtschaftsminister im Jahre 1934 mit einem Schreiben diese Arbeitanerkennen mute. Im Herbst 1928 konnte auf dem Rhnbruderhof ein neues Haus fr dieKindergemeinde und Schule gebaut werden; inzwischen hatte der Bruderhof eine staatlicheAnerkennung seiner privaten Volks- und mittleren Schule erhalten. Alle Leser diesesBriefes, die sich ber das Erziehungsziel unserer jetzt auf dem Almbruderhof befindlichenKindergemeinde und Schule weitere Klarheit verschaffen wollen, werden auf zwei

    pdagogische Aufstze Eberhard Arnolds hingewiesen, die als Prospekte erschienen sindund von unseren Bruderhfen angefordert werden knnen.8)

    Es wird jetzt allen verstndlich werden, da in den arbeitsreichen Aufbau-Jahren von1927 an Eberhard Arnold viel weniger Zeit fand, sich seinem besonderen Auftrag zu

    widmen, der darin bestand, Bcher und Schriften herauszugeben und in Vortrgen zu einemweiteren Kreis von Menschen zu sprechen. Jedoch waren diese Jahre, in denen EberhardArnold alle Krfte und Gaben dafr einsetzen mute, da unsere Gemeinschaft eine festereStruktur erhielt, fr den seit Grndung des Bruderhofes immer klarer werdendenBruderschaftskreis von unersetzlicher Wichtigkeit. Das Bedeutsamste dieser Jahre wurdeder Zusammenschlu unserer Bruderschaft mit den hutterischen Brdern in Amerika,worber ausfhrlicher berichtet werden soll, da fr diese Aufgabe unser Wortfhrer langeJahre wertvollste Krfte einsetzte. Es ist fr die innerste Haltung Eberhard Arnolds sehr

    bezeichnend, da er seit Beginn des gemeinsamen Lebens in Sannerz bestndig Ausschau

    hielt nach hnlich gerichteten radikalen Bruderschaften der Vergangenheit und Gegenwartin der Hoffnung, da es zu einem greren Zusammenschlu aller kommen knnte.Keinesfalls suchte er ein eigenes Werk unter eigenem Namen. Nichts lag ihm ferner, als dieBruderhfer etwa zu Arnoldisten heranzubilden. Es war vielmehr das Wissen, da vomersten Pfingsten in Jerusalem an zu allen Zeiten und an vielen Orten Anrichtungen desGeistes gegeben und Bruderschaften gebildet wurden, die ihn zu dem Glauben fhrten, daauch in der heutigen Zeit an irgendwelchen Orten der Erde Menschen in demselben Geistvereinigt sein werden, wie er auch auf dem Sannerzer Bruderhof zur Einheit gefhrt hatte.Wenn es aber so war, dann mute mit diesen eine Vereinigung unbedingt vollzogen werden.

    Es htte dem Einheitszeugnis Gottes widersprochen, wenn an verschiedenen Orten ohneinnersten Zusammenhang dieselbe Glaubenshaltung und dieselbe praktischeLebensgestaltung angetroffen werden sollte. An ihrer Einheit sollten die Jnger Christierkannt werden und es war bestimmtester Glaube, da der Geist sich nicht widerspricht, daalso seine Gemeinde-Anrichtung zu demselben Wege fhren mute, wie er in derJerusalemer Urgemeinde mit ihrer vlligen Gtergemeinschaft und mit den in ihr offenbar

    8) Die Kindergemeinde des Bruderhofes und der Geist ihrer Erziehung, erschienen 1928 fr denRhnbruderhof. Die Kindergemeinde des Almbruderhofes und ihre Erziehung, erschienen 1934 fr denAlmbruderhof.

    13

  • 8/11/2019 Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

    14/34

    gewordenen Gaben des Geistes vorgezeichnet war. So wurden nun seit der Grndung desBruderhofes Verbindungen mit den verschiedenen Bewegungen aufgenommen: mitSiedlungen und Gemeinschaften in den verschiedensten Lndern, mit Freundeskreisen derJugendbewegung, die teils ein politisches Bekenntnis vertraten, teils einelebensreformerische Anschauung angenommen hatten, aber auch mit christlichen

    Gemeinschaften aller Art kam es immer wieder zu Begegnungen. Zu allen Zeiten wurdeEberhard auf das friedliche Tufertum des 16. Jahrhunderts aufmerksam, welches (nicht zuverwechseln mit den Mnsterern) im Lande Mhren zum Gemeinschaftsleben gefhrt hatteund zugleich einen starken Sendungs-Auftrag an der ganzen damaligen Welt erkennen lie.Es war eine groe Entdeckung, als Eberhard Arnold erfuhr, da auch jetzt noch in Amerika

    Nachkommen dieser Bruderschaften des 16. Jahrhunderts in vlliger Gemeinschaft leben.Die Jahre 1928-1930 brachten uns einen regen Briefwechsel mit den hutterischen Brdernin Canada und in Sd-Dakota. Zugleich wurden auf unserem Bruderhof die aus Amerikabersandten alten Schriften und Geschichtsbcher der Hutterer eifrig gelesen, wobei esdeutlich wurde, da bei den hutterischen Brdern die Glaubenshaltung der Gemeinschaft

    und auch die praktische Gestaltung des Zusammenlebens ganz das gleiche Bild aufwies, wiees unserer Gemeinschaft auf dem Bruderhof in der Rhn gegeben wurde. Im August 1929schrieb Eberhard Arnold ein Buch unter dem Titel Aufbau und Ordnungen Bruderhof

    Neuhof Fulda 1929 mit Grundlage aller unserer Ordnungen Sannerz-Bruderhof 1920-1929".9) Diese Zusammenstellung aller wichtigsten Protokolle und ffentlichen Erklrungender ersten neun Jahre unseres Gemeinschaftslebens enthielt zugleich die Ordnungen fr dieDienste aller hauptverantwortlichen Vorangestellten des Bruderhofes, und es ergab sichdabei eine so weitgehende bereinstimmung mit den althutterischen Gemeinde-Ordnungen,da aus den Bchern der Brder vieles bernommen werden konnte, ohne da das eine

    Richtungsvernderung unseres Neuanfangs bedeuten konnte. Wir fanden bei denhutterischen Brdern dasselbe Prinzip der Gemeinschaft, das uns gegenber jedoch einevierhundertjhrige Bewhrung voraushatte. So wurde unser Verlangen immer grer, dochmit den hutterischen Brdern in Amerika in eine strkere Verbindung zu kommen und wennirgend mglich mit ihnen gnzlich vereinigt zu werden. Wie fern es Eberhard Arnold lag,ein Werk unter seinem Namen aufzubauen, beweist auch die Tatsache, da er in Einheit mitallen damaligen Bruderschaftern den Hutterern 1929 seine Bereitschaft erklrte, dendeutschlndischen Bruderhof einschlielich seines besonderen Gemeindedienstes ganz derGemeindeleitung der hutterischen Brder in Amerika zu unterstellen. Er bat darum, da die

    Brder zur besseren Einrichtung unseres Bruderhofes einen Diener am Wort und einenDiener der Notdurft zu uns entsenden mchten. Die Einheit mit allen wahren Gemeinde-Zeugnissen der Vergangenheit und Gegenwart war ihm so wichtig, da er fr eine mglicheVereinigung jedes Opfer mit Freuden gebracht htte. So sagte er zuweilen unseren Gstenmit grossem Ernst: Zeigt uns einen Weg, auf dem wir noch besser Christus dienen undSeine Liebe leben knnen. Wir werden Euch folgen und sofort unseren Bruderhof aufgeben.

    9) Dieses Buch wurde nicht in Druck gegeben, da es nur fr unsere Bruderschafter und Novizen bestimmtist. Wir haben es jedoch zuweilen denen zugngig gemacht, die sich vor die Frage gestellt sahen, ob sie sich unseremBruderhof anschlieen sollten.

    14

  • 8/11/2019 Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

    15/34

    Es mu aber ein besserer Weg sein als der, den wir bisher gegangen sind. Im Mai 1930folgte Eberhard einer Einladung der Brder und fuhr nach Amerika, um auf einer elfMonate whrenden Reise die damaligen 37 hutterischen Bruderhfe (heute sind es 40) inAlberta und Manitoba (Canada) sowie in Sd-Dakota (U.S.A.) zu besuchen. Auch andereGemeinschaften, wie die der Duchoborzen, lernte er kennen. Es war uns allen eine

    wichtigste Frage, ob die heutigen Nachkommen der alten Brder noch in derselbenGeistesfrische zusammenleben, wie es vor vier Jahrhunderten bei ihren Vorfahren der Fallwar, oder ob etwa im Laufe der Jahrhunderte ihnen etwas vom Wesentlichsten verlorengegangen war. Es zeigte sich bald in ganz wunderbarer Weise, da die Brder in Amerikanoch heute in derselben Treue an der vlligen Gemeinschaft festhielten, wie es uns aus denGeschichtsbchern von den alten Hutterern bekannt geworden war. Zwischen ihrerGemeinschft und unserem Neuanfang ergaben sich keinerlei Verschiedenheitengrundstzlicher Art. Die Brder in Amerika hatten in ihrer vierhundertjhrigen Treue zumgemeinsamen Glauben und Leben oft ihre Heimat verlassen mssen, und viele konnten dasschwerste Martyrium fr die Liebe zu Christus und Seiner Gemeinde auf sich nehmen,

    whrend wir von unserem Kreise sagen muten, da wir noch solche Anfnger auf demWege des Gemeinschaftslebens sind, da sich noch keiner der Unserigen bis zum Endeseines Lebens auf diesem Wege bewhrt hatte. Andererseits wurde von den Brdern inAmerika erkannt, da der Eifer unseres viel jngeren Kreises, der durch die neuerengeistigen Bewegungen und geschichtlichen Ereignisse entstanden ist, auch fr die ltereBruderschaft bedeutsam werden konnte. Eberhard Arnold wurde auf allen Bruderhfen mitgroer Liebe aufgenommen. Das Vertrauen der Brder war so gro, da sie unserenBruderhof ganz als eine hutterische Gemeinde-Anrichtung anerkannten, Eberhard Arnoldzu einem hutterischen Diener am Wort besttigten und ihm den Wortfhrerdienst fr

    Deutschland bertrugen. Die Ordinationsurkunde hat folgenden Inhalt:The Hutterian Brethren

    Stand-Off Colony Macleod Alta. March 20. 1931.An die Bruderhfe

    den Hutterischen Gemeinden zur Nachricht.1. Am 9. December 1930 ist Eberhard Arnold vom deutschlndischenBruderhof der Gemeinde Gottes den Brdern, die man die Hutterischennennt, auf dem Stand Off Bruderhof einverleibt worden mit der LehrMatth. 28 von Elias Walter, Christian Waldner, Johannes Kleinsasser,

    Johannes Entz unter Beisein der Stand Off Gemein und Joseph Wipfsund Jerg Waldners.2. Am 19. December 1930 ist Eberhard Arnold fr den Dienst desWortes Gottes besttigt worden, mit Handauflegung der EltestenChristian Waldner, Elias Walter, Johannes Kleinsasser und JohannesEntz. Es geschah im Stand Off Bruderhof mit der Lehr Titus 1, dieJohannes Kleinsasser vom Buck-Ranch Milford Bruderhof hielt.Damit ist Eberhard Arnold fr Deutschland der Auftrag der Gmeinerteilt worden, dort das Wort Gottes anzukndigen, die Eifrigen zu

    15

  • 8/11/2019 Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

    16/34

    sammeln und den bei Neuhof (Fulda) in Hessen-Nassau bestehendenBruderhof in bester Ordnung einzurichten. Gez. Elias Walter

    Einige der magebendsten Brder in Amerika berlegten ernsthaft, ob nicht EberhardArnold, der sie stark an ihren Jacob Huter erinnerte, zum bischflichen ltesten ber alleBruderhfe Amerikas mit ihren 4000 Seelen berufen werden mte; doch Eberhard selbst

    sah seinen inneren Auftrag in den deutschsprechenden Lndern. Leider gibt es in derheutigen Literatur keine Schrift, die vom Leben der Brder in Amerika ein objektives,eindeutiges Bild vermittelt. Die aus dem Englischen bersetzte und in unserem Verlagerschienene Broschre Die Hutterischen Gemeinschaften von Bertha W. Clark10) entstandvor der Amerika-Reise Eberhard Arnolds und konnte nach seiner Rckkehr nicht mehr inallen Stcken besttigt werden. Vor allem hatte Bertha W. Clark, die nur zu einem kurzenBesuch bei den Brdern geweilt hatte, manches in der Lebensform der Brder somiverstanden, da leicht der flschliche Eindruck entstehen mute, als handele es sich umeine enge gesetzliche Sekte. Es ist den Brdern in Amerika genau so ergangen wie uns, danmlich auenstehende Betrachter nach einem kurzen Bruderhof-Besuch sich berufen

    glaubten, das Gemeinschaftsleben schildern zu knnen, whrend sie jedoch das Leben zuwenig kannten und ihnen oft auch ein inneres Verstndnis fr die wahre Gemeinschaft voll-stndig abging, so da also ein falsches Bild entstehen mute. Am irrefhrendsten hatWerner Zimmermann ber die Hutterer in Amerika berichtet. Nur wenige Stunden besuchteer einen von 40 Bruderhfen und dann konnte er sich anmaen, das Leben der Brder zukennen und zu beurteilen. Er kam in seinem Tau zu einer Ablehnung, zumal die Brderkeine Vegetarier sind und die Eheschlieung, wie das Eheleben berhaupt, sehr ernstnehmen. Eberhard Arnold hatte die Absicht, eine Gegenschrift herauszubringen und auchdie Erlebnisse der grndlichen Reise in einem Buch zusammen zu fassen; der frhe Tod

    verhindert ihn an dieser und mancher anderen wichtigen Arbeit. Vielleicht wird im Rahmender geplanten Buchreihe Gesammelte Reden und Schriften von Eberhard Arnold, diespter noch erwhnt wird, auch eine Herausgabe seiner auf der Amerika-Reise sehr treugefhrten Tagebcher mglich sein. Die Vereinigung mit den hutterischen Brdern war seit1931 fr unser Leben entscheidend, ihre alten Lehren und Rechenschaften, die unserWortfhrer zum Teil in wertvollsten Handschriften aus dem 16. Jahrhudnret fr unserenBruderhof anvertraut erhielt, wurden nun auch zu unseren Gemeindebchern und sind unsnun schon viele Jahre Richtung gebend geworden. Besonders die ltesten hutterischenSchriften aus der lebendigsten Reformationszeit wurden uns in mancher Hinsicht

    magebend. Ihre Gemeinde-Geschichts-Bcher mit den vielen ergreifenden Mrtyrer-Zeugnissen wurden nun zu den Vorbnden der Geschichte unserer Gemeinschafts-Anrichtung. Die im Jahre 1931 auf dem Bruderhof in Deutschland eingerichtete Druckereisollte das gesamte, der heutigen Zeit unbekannte Schrifttum der Brder herausbringen,hierfr lag ein bestimmtester Auftrag der Hutterischen ltesten vor. Fr diese grtenteilsnoch nicht begonnenen Arbeiten ist durch den Tod Eberhard Arnolds eine ganz

    10) Bertha W. Clark, Die Hutterischen Gemeinschaften, 37 S. Text, 1929 im Eberhard Arnold-Verlagerschienen. Die restlichen Bestnde des nicht wieder erscheinenden Heftes werden zum Preise von RM. 1., sfr. 1.25fr das Stck abgegeben.

    16

  • 8/11/2019 Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

    17/34

    unersetzliche Lcke entstanden, denn er hatte im Laufe der letzten Jahre die gesamteTuferliteratur und mit besonderer Liebe alle Schriften der Brder in so grndlicher Weisedurchforscht, da er abgesehen von Professor Johann Loserth in Graz als ihr bester Kennergelten mute. Voraussichtlich wird im Laufe der Jahre 1936-1937 das 800 Seitenumfassende Geschichtbuch der hutterischen Brder durch unserenVerlag herausgegeben

    werden; das Manuskript dieses Werkes konnte von Eberhard Arnold noch durchgesehenwerden. In was fr einem innigen Verhltnis das Huttertum zu den anderen fr unsbestimmenden Geistes-Bewegungen steht und in welchem Sinne das Zeugnis der altenBruderschaften gemeinsam mit denjenigen Zeugnissen verbunden werden soll, die unsMenschen des 20. Jahrhunderts aufgerufen haben, das wird aus zwei Worten EberhardArnolds deutlich, die nachstehend aufgefhrt werden sollen. Er schrieb im Mrz 1931 ausAmerika:

    Wir werden dem Geist in Treue freien Raum lassen, da wir auf derGrundlage des Glaubens und der Ordnung, wie es dieser Geist der JerusalemerUrgemeinde und der Mhrischen Anfangszeit gegeben hat, eine geistige und

    konomische Erneuerungdes echten genuinen Huttertums fr die heutigeZeit und ihre Fragen und Forderungen Gottes erleben und durchfhren.

    Am 14. November 1935 schrieb Eberhard in seinem Abschiedsbrief aus dem DarmstdterKrankenhaus:

    Ich halte die innerste und uerste Vereinigung echten Althuttertumsmitder Glaubenshaltung beider Blumhardtund mit der Lebenshaltung wahrhafterJugendbewegungals eine wahrhaft wunderbare Fgung fr euere Zukunftfest.

    Als Eberhard Arnold im Mai 1931 aus Amerika zurckkehrte, bestand die Gemeinschaft

    des Rhnbruderhofes aus etwa 75 Erwachsenen und Kindern. Der grte Teil derMitarbeiterschaft setzte sich aus jngeren unverheirateten Jungens und Mdels zusammen.

    Nur fnf Familien waren in der damaligen Bruderschaft vertreten. Zwei dieser Ehepaarehatten auf dem Bruderhof geheiratet. Es hatte unserem Wortfhrer bei den Brdern inAmerika einen starken Eindruck gemacht, da die Hutterer ihren gesunden Shnen undTchtern schon in sehr jungen Jahren die Ehe ermglichen, und da das Familienleben aufden Bruderhfen eine ganz einzigartige Geltung hat. Er fand seine berzeugung besttigt,da durch das stndige Leben in so groer Gemeinschaft die Ehe keineswegs ihreBedeutung verliert, sondern da in der Glaubensgemeinschaft viel strker als anderswo die

    Ehe zum tiefsten Symbol der Einheit zwischen Christus und seiner Gemeinde wird, da jahier das gesamte Leben in seiner Einheit zum Symbol wird. In dieser wesentlichenGlaubensberzeugung hat Eberhard Arnold gleich nach seiner Rckkehr aus Amerika imSommer 1931 drei Eheschlieungen verlobter Paare vorgenommen, denen bis heute nochweitere neun Eheschlieungen auf unseren Bruderhfen folgten, so da nach deminzwischen erfolgten Eintritt weiterer sieben Familien auf unseren beiden Bruderhfengegenwrtig 22 Familien leben.

    Was uns alle im Huttertum so stark berhrte, das war die unerhrte Sachlichkeit, die unsaus ihrem Glauben und aus ihrer gesamten Lebenshaltung entgegentrat. Sie sollte nun auch

    17

  • 8/11/2019 Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

    18/34

    fr unseren Rhnbruderhof an Bedeutung gewinnen. Da Eberhard Arnold bei seinerweitumfassenden Schau stets den wahrhaft kindlichen Geist als das Entscheidende erkannthatte, war es ihm durchaus gegeben, die Einheit zwischen den altbewhrten viel schlichterenBrdern und unseren aus der Jugendbewegung stammenden, im Denken vielkomplizierteren Menschen herzustellen und von Jahr zu Jahr zu festigen. So konnten wir

    in das hutterische Bruderschaftsleben so hineinwachsen, da uns heute auch in allen Fragendes tglichen Lebens unser Neuanfang und das Zeugnis von den hutterischen Vorfahrenganz untrennbar zusammengehren. Am Leben der Brder wurde es Eberhard Arnold unduns allen erneut deutlich, da alle geistlichen und zeitlichen Dinge stets in ihrem innerenZusammenhang gesehen werden mssen. Ihre Lehren enthalten das gleiche, was auf ihrenBruderhfen gelebt wird; denn das gesamte Bruderhofleben mu in allen Stcken derVerkndigung entsprechen. Der Glaube ohne Werke ist tot. Ohne die rechteGlaubensgrundlage sind die Werke der brderlichen Liebe nicht mglich. So erlebten wirmit dem Huttertum eine neue Zeit, in der uns unter der geistgeleiteten Fhrung EberhardArnolds in gleicher Weise der Blick in die Weite und das Verstndnis fr die Bedeutung des

    nchstliegenden alltglichen Geschehens aufgehen sollte. Whrend in den ersten Jahrenunseres gemeinsamen Lebens der unerhrte Enthusiasmus der Jugendbewegung, eine neueWelt aufzubauen, das Sannerzer Leben weitgehend bestimmte, wurde es jetzt zuweileneine beraus nchtern erscheinende Arbeit, die den Charakter der HutterischenGemeinschaft auf dem Rhnbruderhof ausmachte. Das bedeutet jedoch nicht, dagrundstzlich etwas von der bewegten ersten Zeit aufgegeben werden sollte; denn wir allesind und bleiben dankbar fr die Jugendbewegung der Nachkriegszeit mit ihrerErschtterung weitester Kreise, sehen wir doch in dieser Bewegung fr alle Zeiten einengewaltigen Ruf Gottes, seine Schpfung wieder zu verstehen und die toten Werke der

    abgefallenen Menschheit zu verlassen. Eberhard Arnold selbst war bis zum Ende seinesLebens vom Wesen wahrhafter Jugendbewegung so erfllt, da er in seinerBegeisterungsfhigkeit alle Jngeren weit bertraf und zu allen Zeiten die besondere Lageder jugendlichen Menschen am besten verstehen konnte. Noch einer seiner letzten Wnschewar es, da unsere Bruderhfe niemals engherzig gegen die Jugend werden mchten.

    Da es den Brdern in Amerika in der Zeit unseres Zusammenschlusses wirtschaftlich gutging, ihre Bruderhfe sind noch heute auf das modernste eingerichtete Gter riesigenAusmaes, erkannten sie sofort, da die bisherige wirtschaftliche Grundlage unsererGemeinschaft auf dem Rhnbruderhof zu schwach war und da hier geholfen werden

    mute, wenn die Arbeit des stndig wachsenden Kreises im rechten Sinne weitergefhrt undaufgebaut werden sollte. So wurde es mglich, da einmal durch die Brder selbst, zumanderen durch neu eintretende vermgendere Glieder das Jahr 1931 zum Jahr desumfassendsten Bruderhofaufbaus werden konnte, das wir in unserer bisherigen Geschichteerlebt haben, konnten doch in diesem Jahre etwa 100'000 Mark in neuen Gebuden, in Viehund Maschinen, in Werkstatteinrichtungen und vielfltigen Verbesserungen unseresBetriebes investiert werden. Die damals neu eintretenden Glieder waren vom brderischenLeben berhaupt, besonders aber von der brderischen Art der Eheschlieung so

    beeindruckt, da sie sich mit uns vereinigen muten. Eberhard Arnold, der stets daran

    18

  • 8/11/2019 Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

    19/34

    erinnerte, da unsere Bruderhfe nie ihre Armut gegen ein bequemeres Leben der Sicherungeintauschen drfen, der immer wieder das Beispiel des Franz von Assisi als geradezuentscheidend fr unser gesamtes Bruderhofleben darstellte, war in jenem Jahr eifrigst

    bemht, das uns zugekommene Geld recht rasch fr den Aufbau der Sache einzusetzen undrestlos ohne Reserven auszugeben. In einer Ansprache der damaligen Zeit sagte er wrtlich:

    Ich spre es von Tag zu Tag drckender und gewaltiger, da jetzt eine Entschei-dungsstunde in unser Haus gekommen war, die sehr viel bedeutsamer und sehr vielgefhrlicher als eine drohende Zwangsversteigerung ist. So versuchte ich, das ganzeHauswesen zu hten vor der Vergiftung durch den Geist des Mammons. Die hier erwhnteZwangsversteigerung hatte in der Tat im Jahre 1929 unseren Rhnbruderhof bedroht,konnte jedoch durch eine Hilfe unserer Schweizer Freunde im letzten Moment abgewendetwerden. Wir sind unserem Wortfhrer fr alle Zeiten dankbar, da er in allen Stundenwirtschaftlicher Not und auch in allen Stunden grter wirtschaftlicher Hilfen ein rechterWchter und Fhrer seiner Gemeinde war, denn er erkannte stets die groe Gefahr, die dasGlaubensleben bedrohte. Wie viele Bruderschaften sind im Laufe der Jahrhundrete durch

    den Mammon ihrer Bestimmung untreu geworden! Die hier angedeutete Gefahr warbesonders deshalb ernst zu nehmen, weil von jenen Jahren an ein starker Zuzug vonFreunden aus Lndern grerer Wohlhabenheit, wie zum Beispiel der Schweiz, einsetzte,also aus Lndern, die von der Furchtbarkeit des Krieges und der Nachkriegszeit nicht sounmittelbar betroffen waren, so da diese Drittankommenden die Not nicht so kennengelernt hatten wie die Grnder unseres Bruderhofes, die gerade in der Notzeit Deutschlandszum Aufbruch gekommen waren. Wenngleich wohl alle zu uns kommenden neuen Freundeschon in ihrem frheren Leben etwas von dem gesucht hatten, was uns Bruderhfern zurBestimmung wurde, so bestand trotzdem die Gefahr, da mit einem solchen Zuzug ein

    neues Brgertum auf dem Bruderhof einzog, zumal die fr die Grndung unseresgemeinsamen Lebens entscheidendste Jugendbewegung mit ihrer weitgehenden Ablehnungder brgerlichen Lebensform nicht mehr existierte. Bis zu seinem Tode kmpfte EberhardArnold unermdlich gegen diese groen Gefahren, die mit dem Wachstum der Bruderhfeentstehen muten. So richtete er auch bestndig seine grte Aufmerksamkeit darauf, dadurch die im Bruderschaftsleben notwendig gewordenen Dienste und mter, die denEinzelnen bertragen werden muten, nicht etwa ein Bonzentum entstehe. Auch war esihm immer wichtig, da jeder, der in die Gemeinschaft ein Vermgen mitbrachte, genaudieselbe Armut und auch genau dieselbe Arbeit auf sich zu nehmen hatte wie die Glieder,

    die ohne zeitliches Gut zum Bruderhof gekommen waren. In einem gedruckten Sendbrief

    11

    )an die hutterischen Brder in Amerika erwhnt Eberhard Arnold im Juni 1931 vieleMenschen, die sich mit der Frage des gemeinsamen Lebens beschftigten und mit denen ergleich nach seiner Rckkehr aus Amerika einen regen Briefwechsel aufnahm, getreu seiner

    besonderen Aufgabe, Menschen zu sammeln, die guten Willens sind. Wie viele Menschenhaben von Eberhard Arnold Briefe erhalten, die fr ihr Leben entscheidend werden sollten.Besa Eberhard doch die seltene Gabe, sich in die verschiedensten Menschen so hinein zu

    11) Heute leider vergriffen.

    19

  • 8/11/2019 Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

    20/34

    versetzen, da er ihnen das rechte Wort zur rechten Stunde sagen konnte. So ging es ihmstets in gleicher Weise um den Aufbau des Bruderhofes mit allen seinen praktischenKonsequenzen, aber ebenso um den Auftrag an allen den Menschen, die heute noch drauenleben und zur wahren Gemeinschaft berufen sind. Es war ihm immer ein Schmerz, wennzuweilen die zweite Aufgabe wegen der groen Erfordernisse der ersten etwas zurcktreten

    mute.Der Jahresanfang 1932 fand die ganze Hausgemeinschaft des Bruderhofes unter demerschtternden Eindruck der letzten Lebens- und Sterbenstage unserer Else von Hollander,der schon frher erwhnten Schwgerin und nchsten Mitarbeiterin Eberhard Arnolds. Siehatte gemeinsam mit den anderen Grndern die schwerste Notzeit des Sannerzer undBruderhfer Anfangs durchlebt und hatte alle ihre Krfte dem Aufbau des uns gewiesenenWerkes geopfert. Sie, die berufen war, als wertvollste Mitarbeiterin dem besonderengeistigen Auftrag in Buch und Schrift zu dienen, mute in der Anfangszeit wegen desMangels an verantwortlichen Gliedern der Gemeinschaft die jahrelangen Mhen derGeldbeschaffung auch fr alle kleinen und kleinsten Dinge des gemeinsamen Lebens auf

    sich nehmen. Ihre qualvolle letzte Leidens- und Sterbenszeit erhielt ihre tiefste Bedeutungdadurch, da es unserer Else noch gegeben wurde, in einer tief innerlichen, mystischenSchau ein Zeugnis von den ewigen Dingen zu geben. In wahrhaft prophetischer Weisewute sie etwas zu sagen vom Kampf und Sieg der Gemeinde, von kommenden groen

    Nten und von dem kommenden noch greren Aufbau der Sache. Es ist beraus seltsam,da Else, die in ihrem Leben wenig Worte gemacht hat, vor ihrem Tode so gewaltigeZeugnisse aussprechen konnte, whrend Eberhard Arnold, der sein Leben lang die Wahrheitunermdlich in Wort und Schrift bezeugt hatte, im tiefsten Schweigen starb, wie es spternoch erwhnt werden soll. Else von Hollander war die erste Bruderschafterin, die aus

    unserem verantwortlichen Kreis in die Ewigkeit abgerufen wurde, das erste Grab in dem1932 eigens fr unsere Bruderhfer angelegten Totengarten, neben dem nun auch unserEberhard Arnold seine letzte Ruhesttte gefunden hat. Als Eberhard Arnold im Mai 1932wegen einer Besorgnis erregenden Augenkrankheit, die ihn auch auf seiner Amerikareisezu lngeren Liegekuren zwang, Bad Liebenstein in Thringen aufsuchen mute, schrieb erdort in einem zweiten gedruckten Sendbrief12) an die hutterischen Brder in Amerika berdie letzten Tage unserer Else von Hollander und erwhnt auch viele ihrer letztenAussprche, die sie uns noch zu sagen hatte. Dieser gedruckte Brief enthlt zugleich eineSchilderung aller unserer weiteren Erlebnisse jener Zeit. Smtliche damaligen

    Bruderschafter werden in ausfhrlicherWeise erwhnt und von denen, die damals ganz zuuns aufgebrochen sind, werden Auszge aus ihren Briefen wiedergegeben, in denen sie

    12) Die als Manuskript gedruckte Schrift erschien unter dem Titel Ein anderer gedruckter Sendbrief vomBruderhof bei Neuhof, Kreis Fulda, Hessen-Nassau, Deutschland. An die Gemeinde Gottes auf den Bruderhfen inAmerika, als an die Brder, die man die Hutterischen nennt, in Sd-Dakota, Manitoba und Alberta. 70 Seiten Folio-Format. Wir haben noch eine kleine Anzahl dieses Sendbriefes vorrtig, die wir zum Preise von 1.50 RM. oder 2.-sfr. an Freunde, die unsere Arbeit schon nher kennen, abgeben. Da in diesem Sendbrief auch ber unsere wirt-schaftliche Lage jener Jahre mit genauen zahlenmigen Angaben berichtet wird, haben wir diesen Sendbrief bishernur nherstehenden Freunden zugngig gemacht. Die Erledigung jeder eingehenden Bestellung wird auch jetzt nochvon Fall zu Fall berlegt werden.

    20

  • 8/11/2019 Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

    21/34

    ihren Entschlu kundgaben, ihre frhere Stellung aufzugeben, um nunmehr ganz der Liebefr alle Menschen zu leben.

    Die erwhnte Schrift Eberhard Arnolds zeigt, da der Kreis der in vlliger Gemeinschaftverbundenen Bruderhfer nunmehr auf 100 Menschen gewachsen war und da von da abzugleich alle Lebensalter und die verschiedensten Begabungen auf dem Bruderhof

    vorhanden waren. Schon damals wurde also das Bild einer kleinen Dorfgemeinschaft, wiees Eberhard seit Jahren vorgeschwebt hatte, deutlich sichtbar. In Amerika hatte Eberhardgelernt, da zu einem in rechter Weise eingerichteten Bruderhof etwa 200 groe und kleineMenschen gehren und er dachte damals daran, da wir bei dem bestndigen Wachstumunserer Gemeinschaft auf dem Bruderhof in der Rhn vielleicht bald mit 250 Menschen imgemeinsamen Leben vereinigt sein wrden, whrend er erst bei einem Wachstum derGemeinschaft ber diese Zahl hinaus die Grndung eines zweiten Bruderhofes ins Augefate.

    Das Jahr 1932 vereinigte alle Bruderhfer zu stiller Weiterarbeit in allen Arbeits-gebieten, was nach dem groen mit viel Unruhe verbundenen Aufbau des Vorjahres

    besonders wichtig war. Im Sommer dieses Jahres begann Eberhard Arnold seinInnenlandbuch fr eine neue Auflage gnzlich umzuarbeiten. Die bisher verlegten 8000Exemplare aller Auflagen waren vergriffen. Er nahm deshalb das erstmalig 1913geschriebene und bei jeder neuen Auflage ergnzte Innenlandbuch als das Buch von derSeele der Bibel zur Grundlage fr die nunmehr notwendig gewordene Rechenschaft unseresGlaubens und Lebens, und wollte damit ein Bekenntnisbuch unserer Gemeinschaftschreiben, das alles das enthalten sollte, was Eberhard Arnold und uns Bruderhfern imLaufe der Jahre, besonders nach der Vereinigung mit den Brdern in Amerika, wichtiggeworden war, und das nun in umfassendster Weise den Auenstehenden nahe gebracht

    werden sollte. Die Vergleichung der einzelnen Auflagen beweist deutlich, da sich frEberhard Arnold whrend der dazwischen liegenden Jahrzehnte am Fundament desGlaubens nichts gendert hatte. So entstand in den Jahren 1932-1933 die neue vierteAuflage des Innenland mit dem neuen Untertitel: Ein Wegweiser in die Seele der Bibelund in den Kampf um die Wirklichkeit. Mit diesem Buch sollte, wie der Autor in seinerEinleitung schreibt, auf Grund fortschreitender Erlebnisse und Erfahrungen eine strkereBeziehung zu dem tatschlichen Wesensinhalt und zu der Tatbestimmung des ReichesGottes gegeben werden. Leider ist das Manuskript dieses Werkes, von dem bisher 448Seiten auf unserem Bruderhof gedruckt wurden, nicht mehr zum Abschlu gekommen. Das

    hat in den neuen Verhltnissen, die sich von 1932 ab in Deutschland ergaben und dievorbergehend die Existenz des Bruderhofes bedrohten, seine Ursache. Eberhard Arnoldhatte deshalb zum Schreiben kaum Zeit, trotzdem er zugleich die innere Notwendigkeit sah,zu den betreffenden Ereignissen vom Glauben der Gemeinde aus ffentliche Stellung zunehmen. Kurz vor seinem Tode gab der Verfasser seinen Mitarbeitern den Auftrag, unterBenutzung der vorhandenen Unterlagen das Buch abzuschlieen und im Hinblick auf den

    21

  • 8/11/2019 Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

    22/34

    Umfang des Werkes die einzelnen Kapitel zunchst in Heftausgaben zu verkaufen.13) Dain dem Buch Innenland in ganz einzigartiger Weise die Botschaft des Evangeliums mitdem Zeugnis des Urchristentums und der Wirklichkeit des friedlichen Tufertums soverbunden und dargestellt wird, da zugleich zu allen entscheidenden Fragen unserer Zeitvon der Glaubens- und Lebensgemeinschaft aus Stellung genommen wird, drfte die

    Neuauflage des Innenland fr alle diejenigen Freunde von Wichtigkeit sein, die eininnerstes Interesse am Wege Eberhard Arnolds und seiner Bruderhfe bewiesen haben.Im November des Jahres 1932 konnten dann die schon frher erwhnten Quellenbcher

    von der Vaterlndischen Verlags- und Kunstanstalt (Hochweg-Verlag) gekauft werden, soda sich in diesem Jahre fr unseren Buch-Verlag und fr unsere Druckerei ungeahnte neuePerspektiven boten! Vom Jahr 1932 berichtete auch ein achtseitiger gedruckter Bruderhof-Brief, der als eine neue Folge der Sannerzbriefe14) und der Wegwarte15) erschienen warund als Adventsgru unseren Freunden zugesandt wurde. Die Schrift ist heute vollstndigvergriffen. In diesem Brief wurde berichtet, da gegen Ende des Jahres 1932 108 Mitgliederund Kinder auf dem Bruderhof lebten, da auerdem whrend dieses Jahres 275 Menschen

    lngere Zeit, das heit fr Wochen und Monate, unsere Mitarbeiter waren, whrend 2600Menschen krzere Zeit, das heit nur tageweise bei uns weilten, um unser gemeinsamesLeben kennen zu lernen.

    Am 26. Juli 1933 konnte Eberhard Arnold auf dem Rhnbruderhof seinen fnfzigstenGeburtstag erleben, der fr die ganze Gemeinschaft ein rechter Festtag war. Kurz vorherhatte unser Wortfhrer begonnen, die Geschichte unseres Bruderhofes zusammenzustellen.Jeder Jahrgang umfat einen stattlichen Band im Lexikon-Format. Hier sind alleentscheidenden Ansprachen, Protokolle und Briefwechsel fr die Zukunft unsererBruderhfe aufbewahrt. Unsere Hausmutter Emmy hatte zu diesem Tag einen zweiten Teil

    unseres Sonnenliederbuches zusammengestellt, auf den wir unsere Leser ganz besondershinweisen mchten, da er neben anderen Liedern viele mittelalterliche Texte, besonders

    13) Die neue Auflage des Innenland ist nach folgenden Kapiteln gegliedert: Einfhrung. Das inwendigeLeben. Das Herz. Seele und Geist. Das Gewissen und sein Zeugnis. Das Gewissen und seine Gesundung. DasErleben Gottes. Der Gottesfriede. Licht und Feuer. Der heilige Geist. Das lebendige W ort. Bisher erschienen alsBroschren der Abschnitt Der heilige Geist (zur Zeit vergriffen) und das Kapitel Licht und Feuer. Das Welt-gericht der Weltgeschichte und das sammelnde Licht der Gemeinde Christi. 66 Seiten. Preis -.80 RM. Im Laufe desJahres 1936 werden alle Abschnitte des Innenland-Buches in Heftausgaben herausgebracht werden, die dann zum

    Preise von RM. -.80 bis RM. 1.60 oder sfr. 1.- bis sfr. 2.- auf unseren beiden Bruderhfen zu haben sind. Wir em-pfehlen unseren Freunden schon jetzt auf alle Innenland-Hefte zu subskribieren, woraufhin sie dieselben in der Rei-henfolge ihres Erscheinens portofrei zugestellt erhalten.

    14) Die Sannerzbriefe wurden in den Jahren 1920-1921 herausgegeben. Es erschienen drei Hefte, dieunsere auswrtigen Freunde in jenen Anfangsjahren ber den Stand unserer Arbeit auf dem Laufenden hielten. AlleHefte sind vollstndig vergriffen.

    15) Die Wegwarte bildete die Zeitschrift des Bruderhofes in den Jahren 1926-1928. Sie erschien zunchstmonatlich, spter vierteljhrlich und mute dann ihr Erscheinen einstellen, da fr die Herausgabe wenig Zeit undnoch weniger Geld vorhanden war. Einige Nummern der Wegwarte mit bedeutsamen Aufstzen Eberhard Arnoldssind jetzt noch lieferbar. Ein genaues Verzeichnis der Restbestnde kann vom Eberhard Arnold-Verlag angefordertwerden.

    22

  • 8/11/2019 Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

    23/34

  • 8/11/2019 Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

    24/34

    hervorgehoben wurde und aus der vor allem ersichtlich wurde, da auch dieser dritte Guts-Teil der Arbeit des Bruderhofes ungeschmlert erhalten bleiben werde.

    In den Besprechungen zur Jahreswende 1934-1935, in denen wir uns auf dem BruderhofRechenschaft gaben ber die Ergebnisse des verflossenen Jahres, durfte sich EberhardArnold noch daran freuen, da durch die Vertriebsarbeit des Almbruderhfer Verlages der

    Absatz der Quellenbcher eine betrchtliche Steigerung erfahren hatte und da namentlichdie Vorrte seines Buches Die ersten Christen sehr abgenommen hatten. Auf dieses schonwiederholt erwhnte Buch wollen wir unsere Leser hiermit nochmals aufmerksam machen,da es voraussichtlich bis Ostern 1936 vergriffen sein wird und eine neue Auflagewahrscheinlich erst Weihnachten nchsten Jahres vorliegen kann.17)

    Das letzte Jahr 1935 war fr unseren Wortfhrer ganz besonders anstrengend, es ntigteEberhard zu vielen Reisen, die im Dienst der Sache unumgnglich notwendig waren, welche

    jedoch durch sein Beinleiden sehr erschwert wurden. Schon Anfang des Jahres fuhrEberhard auf den Almbruderhof, da wichtigste Besprechungen fr den dringenderforderlichen weiteren Aufbau dieses Hofes stattfinden muten. Mitte Mrz bersiedelten

    daraufhin ein grerer Teil der jungen Familien und der ledigen jungen Brder undSchwestern vom Rhnbruderhof zum Almbruderhof. Nun galt es, fr eine bessereEinrichtung und Existenzgrundlage dieses zweiten Hofes ebenso zu sorgen wie fr dieErhaltung des Rhnbruderhofes. Auf Wunsch der Bruderschaft beider Hfe unternahmEberhard Ende Mrz 1935 eine grere Reise nach England, Schottland und Holland. Eslag ihm und uns allen sehr daran, mit den nchsten Freunden unserer Sache zu eineminneren Austausch zu kommen und ein Verstndnis zu finden fr die ganze Lage derBruderhfe und darber hinaus fr das umfassende urchristliche Zeugnis. Es mute ihm unduns weiterhin daran liegen, von diesen Freunden wenn irgend mglich eine Hilfe fr die

    Erhaltung der Bruderhfe, besonders auch des Rhnbruderhofes, zu erhalten. So wurde unsdenn von den englischen Qukern eine wesentliche Hilfe zu teil, indem sie uns den Baueines Gewchshauses und die Anschaffung von weiteren Drechselbnken fr unsereKunstwerkstatt, sowie auch die Einrichtung anderer notwendiger Werksttten auf demAlmbruderhof ermglichten. Die Hoffnung Eberhards, auch fr den Ausbau desRhnbruderhofes die ntigen Geldmittel zu werben, ist bisher noch nicht in Erfllunggegangen, doch bestehen noch beste Aussichten fr grere Hilfen von anderen englischenFreunden. Es war fr Eberhard eine ganz groe Freude und ein wesentliches Erlebnis,einmal unter den Freunden in England zu sein, die uns in den letzten Jahren soviel Liebe

    erwiesen hatten. Der lteste Sohn unseres Wortfhrers, Eberhard Heinrich, der ihn aufdiesen Reisen begleitete, wird nun sein ganzes Leben von diesen Wochen gemeinsamerArbeit mit seinem Vater zehren. Er hatte in England drei Semester studiert, beherrscht dieenglische Sprache recht gut und war auch in den Kreisen der Freunde gut bekannt. Auchin Holland machten unserem Eberhard die Besuche bei den verschiedenen Freunden,insbesondere der Mennonitenkreise, sehr viel Freude und brachten ihm manche

    17) Die ersten Christen nach dem Tode der Apostel. Aus smtlichen Quellen der ersten Jahrhundertezusammengestellt, bersetzt und herausgegeben. 452 Seiten. Preis RM. 6.-, sfr. 7.50. Eberhard Arnold-VerlagG.m.b.H. Bruderhof-Neuhof (Fulda) und Leipzig. Almbruderhof Silum, Post Triesenberg, Frstentum Liechtenstein.

    24

  • 8/11/2019 Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

    25/34

    Ermutigungen. Besonders gern erzhlte er immer von der Gemeindetagbewegung. Mitwelcher Freude und Dankbarkeit wurde sein Zeugnis in diesen Lndern aufgenommen. Wieschmerzlich ist es ihm da gewesen, da es gelegentlich eines Besuches in der Schweiz nichtzu einer Verstndigung mit den religis-sozialen Kreisen kam, da vielmehr der Fhrer

    jener Kreise die von Eberhard dargebotene Hand der Verstndigung rundweg ablehnte.

    Dadurch ist es uns nun eindeutig klar geworden, da wir getrennte Wege gehen mssen. Dieletzten Verffentlichungen dieses Kreises haben es uns inzwischen besttigt, da derGlaube und Weg der Gemeinde ein anderer ist. Die stetige, ttige Erwartung und Erfahrung,da das Umfassende, Absolute in diese Zeit hereinbricht, steht in unberbrckbaremGegensatz zu der leider immer wieder damit verwechselten idealistischen Tuschung, alsob mit einem Kampf um einen Teilsieg ein Schritt zum absoluten Endziel des ReichesGottes getan werden knnte. Sogenannte Teilsiege erwartet man von der politischen,

    pazifistischen, demokratisch-menschenherrschaftlichen und Vlkerbunds-Bewegung undverfllt damit der Gefahr, ber diesem politischen Kampf fr das Vorlufige langsam abersicher die Zukunft des Reiches Gottes aus den Augen zu verlieren. Es war aber gerade die

    umfassende Reich-Gottes-Erwartung, die uns in frheren Jahren mit ihnen verband. UnsereBruderschaften hatten sehr gehofft, Eberhard zu Ostern dieses Jahres wieder unter sich zuhaben; aber leider wurde er durch die groen Aufgaben seiner Reisen davon abgehalten undkonnte erst Anfang Mai wieder zurckkehren. Nun aber durften wir mit ihm entscheidendeWochen erleben. Niemals werden unsere beiden Gemeinschaften die Pfingstzeit 1935vergessen. Wir konnten zwlf neue Glieder in unsere Bruderschaft aufnehmen. Darunterwaren die ersten drei Englnder und eine Schottin. Nachdem Eberhard zuerst nach demRhnbruderhof gefahren war, kam er dann einige Tage nach Pfingsten auf denAlmbruderhof, so da diese entscheidende Zeit auf beiden Hfen in gleicher Weise erlebt

    werden konnte. Was Eberhard uns in dieser Pfingstzeit gesagt hat, und wie eindrcklich erauf alle Gefahren eines Gemeinschaftslebens hingewiesen hat, die dann entstehen, wenn esnicht immer wieder von neuem von dem allumfassenden Geist Gottes erweckt und angeregtwird, das wird fr unsere zuknftige Geschichte Bedeutung haben. Es war so, als wenn eres uns einhmmern wollte, welche weltumfassende Bedeutung die Botschaft Christi geradefr die heutige Zeit und die heutigen Menschen hat und da das Gemeinschaftsleben derGemeinde zu dem Allerhchsten und zu dem Allerweitesten berufen ist! Wie nahmEberhard auch nocht in diesem Jahre an allem Anteil, was in der ganzen Welt geschah! Wiesuchte er noch 1935 nach Kreisen und Menschengruppen, die von demselben Geist geleitet

    wurden wie unsere Bruderhfe und die diese Erkenntnis ins praktische Leben umzusetzenversuchten! Die Bewegtheit der Bruderschaft fr die Interessen Gottes in der ganzen Weltwar das, was Eberhard uns auch in diesem letzten Jahre immer wieder verkndet hat! Seinegrte Freude war die einige lebendige Bruderschaft, unter der er sich unbeschreiblich wohlfhlte und wo er oft keine Grenzen der Nachtstunden kannte, wenn er sich mit ihraussprechen konnte. Sein grter Schmerz war Unlebendigkeit, Engherzigkeit,Weichlichkeit gegen sich selbst und andere! Wie oft hat er mit inbrnstigem Herzengebeten, doch an die Gre Gottes und Seiner Sache zu denken, wenn man sich in die zukleinlichen Dinge des Alltags und der eigenen Person und ihrer Nte verstrickte. Es war in

    25

  • 8/11/2019 Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

    26/34

    diesem Jahre oft so, als wenn er sich beeilen mte, noch alles das zu sagen, was fr unsereZukunft seinem Leben von Gott besonders aufgetragen war. So legte er noch in den letztenWochen seinen geliebten Rhnbruderhfern die Fundamente des Glaubens ans Herz, er tates inbrnstig bittend, da ihnen die Gre Gottes aufgehe: die Bergrede, dieApostelgeschichte 2-4, die Offenbarung Johannes und zuletzt sprach er noch in innerster

    Bewegtheit noch einmal von den Zeugnissen des 12.-16. Jahrhunderts, besonders von denfriedlichen Tufern des Mittelalters und unserer geliebten hutterischen Bruderschaft. Amletzten Sonntag, den er auf dem Rhnbruderhof erleben sollte, am 10. November, spracher etwa drei Stunden am Vormittag und ebenso lange am Abend in eindringlichster Weiseber die von Gott und von seinem Geist bewegten Zeugen. Auch an allem persnlichenErgehen jedes einzelnen Gliedes unserer Bruderschaft nahm Eberhard regen Anteil! ImSommer bangten wir wochenlang um das Leben einer jungen Mutter, die nach der Geburtihres ersten Kindleins an Wochenbettfieber und einer Trombose erkrankt war. Tag oder

    Nacht versammelte Eberhard die Bruderschaft zum gemeinsamen Glaubenskampf gegendie Todes- und Krankheitsmchte, die dieses Leben bedrohten und wir konnten es immer

    wieder erleben, da nach solchen Glaubensstunden eine sofortige Besserung eintrat,nachdem es manches Mal schon vllig aussichtslos erschienen war.

    Durch die groen inneren und ueren Schwierigkeiten, die sich mit der Teilung derGemeinschaft in zwei Hfe und mit dem damit verbundenen notwendigen Aufbau an zweiOrten ergaben, konnte leider Eberhard niemals fr sein Beinleiden so sorgen wie es ntiggewesen wre. Als er sich Anfang Oktober den letzten Gipsverband abnehmen und sichrntgen lie, riet ihm unser Hausarzt zu einer erneuten Operation, die ihm volle Gesundheitund Wiederherstellung bringen sollte. So entschlo sich denn unsere Bruderschaft dazu,Eberhard darum zu bitten, fr sein Beinleiden und ebenso auch fr sein Augenleiden das

    Ntige zu tun, damit er durch die immer wiederkehrenden Schmerzen in seinem Wirkennicht so gehemmt und gehindert wre. So ist er denn am 12. November dieses Jahres zurUntersuchung seines Beines nach Darmstadt gefahren. Die sofortige Behandlung wardringend; innerhalb von 6 Tagen wurden zwei Operationen ntig. Eberhard hat auf diesemSchmerzenslager nicht mehr viel gesprochen. Was er aber gesagt hat, war immer dasselbeund das schrieb er auch am Aband vor der ersten Operation an seinen Mitarbeiter undSchwiegersohn, Hans Zumpe, der ihn schon in den Jahren 1930-1931 whrend seinereinjhrigen Reise nach Amerika vertreten hatte. Aus diesem Vermchtnis soll hier einAuszug wiedergegeben werden, aus dem es noch einmal deutlich wird, wie fern ihm eine

    sektiererische Verengung stand:Die Bruderhfer men alle fr die Gre der Sache gewonnen werden.Der Rhnbruderhof sollte fr ein krftiges Lebenszeugnis in Deutschland gehaltenwerden.Der Almbruderhof kann verlegt werden, sobald er sich mit einem lngeren undfesteren Aufenthalt vertauschen lt und besseren Arbeitserwerb eintauscht.Ich halte die innerste und uere Vereinigung echten Alt-Huttertums mit derGlaubenshaltung beider Blumhardt und der Lebenshaltung wahrhafter Jugend-

    bewegung als eine wahrhaft wunderbare Fgung eurer Zukunft, whrend ich eine

    26

  • 8/11/2019 Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

    27/34

    Verschmelzung des Huttertums mit modernem Pietismus fr ein Unglck ansehenwrde.Zu einer rechten Aussendung sind wir noch nicht gelangt; sie zu erbitten, wirdimmer dringender.Die Hauptsache ist und bleibt der Glaube an die Gre Gottes, an die

    berkosmische Bedeutung Jesu und an die universale Reichszukunft des Geistes.Da hinein und nirgend anders hin gehrt Bue, Vergebung, Glaube, Gewiheit,Lebenshingabe usw.Deshalb sollten wir stets allen Zeitbewegungen von diesem Groen aus antworten,ohne von ihnen angekrnkelt zu werden.Deshalb mssen unsere Bruderschafter zu konzentrierter geistiger Arbeit erzogenwerden.Dich selbst aber bitte ich, die klare Linie, die unvernderte Glaubens- undGeistesrichtung zu halten.Der Schwachen und Krnklichen, besonders der an Geist, Seele und Gemt

    Leidenden, nehmt euch stets in der Liebe an, die von Christus ist. Zu Ent-scheidungen, Beschlssen und Handlungen, zu Geisterunterscheidung, berlegungund Tat vermeidet ihr Mitmachen ebenso wie zu dem wichtigen Schritt derFamiliengrndung. Umsomehr lat alle Gesunden, alle, die am Glauben, an Leib,Seele und Geist gesund sind, mitwirken und zur Ehe kommen.So wnsche ich der Zukunft von Herzen, da unsere Bruderhfe niemals engherziggegen die Jugend werden, sondern der Jugend zu einem lebensfrohen Neuanfangwahren Lebens helfen.Fr die Arbeit ist es Dir, lieber Hans, ja ebenso klar wie mir, da wir auf beiden

    Bruderhfen neben der agrarischen Arbeit, ohne die kein Bruderhof sein kann, 2-3geldwerbende Betriebe bester Herstellungsarbeit haben mssen und da weiter dieKinderarbeit und Schule eine im Verhltnis zu uns sehr groe Sache werden mu.So knnte ich seitenlang fortfahren, auch von der Rhnbruderhoferhaltung an Forst,Windschutz, Husern, lebendem und totem Inventar, an der Totengartenmauer undan Georgs und meinen unvergessenen Bau-Projekten und Heinis Agrar-Projekten,auch von den Aufgaben in Holland und England; aber ich mu jetzt zum Schlukommen. Ich bitte Dich, die Arbeit beider Bruderhfe fr das grereReich undfr den grerenGemeindeauftrag in die Hand zu nehmen, wenn ich einmal nicht

    unter euch bin.Zum Schlu des Briefes, nachdem Eberhard auf verschiedene persnliche Dingeeingegangen ist, schreibt er noch:

    Dir und euch wnsche ich nur eines: den Weg die Richtung!Aus einem letzten Brief Eberhard Arnolds an die Hausmutter unserer Bruderhfe, seine

    Frau Emmy, sollen noch einige weitere Stze wiedergegeben werden:Gott und Sein Reich ist das Bedeutendste fr alles Bedeutende. Gott und SeinWille ist fr alles von solcher Bedeutung, da nichts noch so Bedeutendes damitverglichen werden kann und dennoch in diesem Licht zum ersten Mal wahre

    27

  • 8/11/2019 Sendbrief Advent 1935 - Transcript Juli 2014 34 Seiten - 210KB

    28/34

    Bedeutung erhlt. Wie klein ist das Leben des Einzelnen in sich selbst, wie kleindas Familienleben fr Mann, Weib und Kinder eigenen Blutes, wie klein auch derFreundschaftskreis persnlich sympathisierender Verbindung wie kleinschlielich der ganze Sparhof (der frhere Name des Rhnbruderhofes) mit allenseinen kleinen Seelen! Wie gro aber ist Gott und Sein Reich! Wie gro die

    geschichtliche Stunde der Weltkrise, Weltnot und Weltkatastrophe, wieviel greraber die Gottesstunde des Weltengerichts und die Christus-Stunde der kommendenErlsung! Wie sollten wir in heiem Verlangen entglhen, mehr und mehr, Tieferesund Tieferes von dem allen zu erfahren, daran Anteil zu nehmen, und wie glhendsollten wir den Tag selbst, den kommenden Tag, den befreienden und einenden Tagherbeisehnen und erwarten! Oh, ich wnsche und erbitte allen, allen einewahrhaftige Erlsung vom Tode, vom geistlichen Tode eigenen seelischenWesens!

    Aus diesen beiden Briefen, aus denen wir nur Auszge bringen, kann man schon deutlichsehen, da Eberhard damit gerechnet hat, da er aus diesem Leben bald abberufen werden

    wrde. Und obgleich wir diese Briefe gelesen haben, so war es uns doch nicht klar, da esschon so bald geschehen sollte. Die letzten Tage seines Lebens im Krankenhaus zuDarmstadt ist seine Frau bei ihm gewesen. Eberhard hat nicht mehr viel gesagt; er glaubtewohl, da alles, was er zu sagen gehabt hatte, gesagt worden war. Seine letzte Frage, die erdurch seine Frau, unsere Hausmutter, an die Bruderschafter richten lie, lautete: Warumliebst du Christus? In seinen letzten Tagen hat er sich noch viel mit dem Weltgeschehender letzten Jahre beschftigt, auch mit der Lage der beiden Bruderhfe, die ihm sehr amHerzen lag. Mit keinem einzigen W