Servants Newsletter Januar 2010

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servants Nr. 58 / Januar 2010 news 2 Was gibts in Myanmar schon zu sehen? | 3 Wenn das Wasser bis zum Hals steht | 10 Vaterlose Gesellschaft «Eine Gesellschaft, in der fast alle achselzuckend Katastrophen zur Kenntnis nehmen, ist zutiefst krank.» Dr. Melba Padilla Maggay, Seite 5

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«Eine Gesellschaft, in der fast alle achselzuckend Katastrophen zur Kenntnis nehmen, ist zutiefst krank.» Dr. Melba Padilla Maggay, Seite 5 Nr. 58 / Januar 2010 2 Was gibts in Myanmar schon zu sehen? | 3 Wenn das Wasser bis zum Hals steht | 10 Vaterlose Gesellschaft

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servantsNr. 58 / Januar 2010

news

2 Was gibts in Myanmar schon zu sehen? | 3 Wenn das Wasser bis zum Hals steht | 10 Vaterlose Gesellschaft

«Eine Gesellschaft, in der fast alle achselzuckend Katastrophen zur Kenntnis nehmen, ist zutiefst krank.» Dr. Melba Padilla Maggay, Seite 5

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Anfang Oktober, als mein Mann Chris-tian in Manila war, erhielt ich E-Mails und Anrufe von Menschen aus der Schweiz und aus Deutschland, die sich um unsere Freunde in Manila sorgten und helfen wollten. Viele nahmen An-teil und beteten. Einzelne und auch ganze Gruppen verschenkten sogar richtig viel Geld. All diese Taten der Liebe waren für die Filipinos ein wich-tiges Zeichen der Solidarität und des Teilens mit ihnen: Sie sind in der Not nicht allein!

Immer mehr Christen werden sich be-wusst, dass neben dem Beten und Tei-len auch ein gemeinsames politisches Engagement nötig ist, um gegen Armut und für soziale Gerechtigkeit einzuste-hen. ChristNet ist ein Verein in der Schweiz, der sich mit Informationen, Konferenzen und Strassenaktionen für die Millenniumsziele der weltweiten StopArmut-Bewegung (Micah Challen-ge) einsetzt. Dazu finden Sie auf Seite 18 einen kurzen Bericht über die Kon-ferenz in Bern vom 3. Oktober.

Auch das Benefizkonzert vom 7. No-vember in der Thomaskirche in Basel mit rund 550 Besuchern aus der ganzen Schweiz war ein tolles Zeichen von ge-meinsamer Aktion für Menschen in Not! Das Programm bot erschütternde Bilder im Film von Daniel Wahl, bewe-gende Berichte verschiedener Hilfsor-ganisationen und berührende Lieder verschiedener Künstler – dazu viele Be-gegnungen zwischen Snacks und Info-ständen, Verkauf von Fairtrade-Taschen aus Manila und Lederwaren, die von Asylbewerbern in Basel hergestellt wer-den. Der Abend wird noch eine Weile in uns nachklingen!

Christine Schneider

Christen im Einsatz für die Armen

EDITORIAL

Titelbild: Quiapo in der Nähe des Hauses von Onesimo Kids

©Tanja Demarmels www.tanjademarmels.ch

Yangon (Rangun) ist mit rund rechs Millionen Einwohnern die grösste Stadt in Myanmar. Flächenmässig hat sie sich sehr weit ausgedehnt. Auf der Stadtkar-te sieht man Flüsse und Seen sowie die verschiedenen Townships, in welche die Stadt aufgeteilt ist. Ganz im Süden, angrenzend an den Kanal Pazundaung und die Flüsse Hlaing und Yangon liegt «Downtown Yangon»: Innenstadt, Stadtkern, Altstadt. Hier steht im Zent-rum die Sulepagode, Ort buddhistischer Gebete und gleichzeitig Mitte eines zentralen Verkehrskreisels. Fast jeder Stadtbus kurvt irgendwann darum her-um und als Neuzuzüger sind wir ganz froh zu wissen, dass man schliesslich hier wieder ausgespuckt wird und den Weg nach Hause von hier aus wieder findet. Denn ganz im Osten der Innen-stadt sind wir momentan irgendwie zu Hause.

Pulsierendes Leben«Was gibts hier schon zu sehen?», frag-te uns neulich eine Touristin. Hat man die vier grossen Pagoden und den zent-ralen Markt gesehen, bleibt tatsächlich nicht mehr viel an touristischen Le-ckerbissen übrig. Aber dafür gibt es pul-sierendes Leben und rege Geschäftig-keit. Wie in einem grossen Dorf findet das Leben auf der Strasse statt. Hier wird gehandelt, gehämmert, gewerkelt, gekocht, gespielt und nicht zuletzt her-umgesessen, geschwatzt und dazu viel süsser Tee getrunken. Unzählige Teashops prägen das Strassenbild. Man erkennt sie sofort an den kleinen Holz- oder Plastiktischchen und -stühlchen, die ans Mobiliar eines Kindergartens er-innern. Hier trifft man sich zu einem Schwatz oder man wartet geduldig, bis irgend etwas geschieht. Tee trinken ge-hört auch schon zu einer unserer Hauptbeschäftigungen, sofern unsere Bestellung auch verstanden wird. Un-sere etwas älteren Knie haben Mühe, uns wieder auf die Beine zu bringen, nachdem wir eine Stunde auf Stühlen wie aus dem Kindergarten gesessen sind.

Zerfall und NeuanfangEntlang der Strassen begegnen wir überall auf Menschen jeden Alters, die

uns etwas anbieten wollen: Schuh- und Schirmflicker, Gemüse- und Blumen-händlerinnen, Familien, die kleine Strassenküchen betreiben. Und dazwi-schen Strassenkinder, Mütter mit Säug-lingen und ältere Menschen, die bet-telnd durch die Strassen ziehen.In der Innenstadt stehen viele baufälli-ge Häuser. Einige werden abgerissen oder renoviert, aber ganze Quartiere se-hen so aus, als würden sie gleich vom Moder aufgefressen. Zerfall und Neuan-

fang, Armut und Geschäftigkeit gehö-ren zusammen. Es sind nicht unbedingt Gegensätze, sondern eher Ergänzun-gen. Neues versucht mit Energie und Fantasie aus Altem herauszuwachsen. Die Frage jener Touristin, was es denn hier eigentlich zu sehen gäbe, begleitet uns weiter. Wir merken, dass unsere Augen erst allmählich zu sehen begin-nen …

R. & M.

«Was gibts hier schon zu sehen?»

M y a n m a r

P I O N E E R S

R. & M. sind seit dem Sommer in Myanmar (Burma) und möchten längerfristig mit Menschen am (unteren) Rand der Gesellschaft unterwegs sein. Dazu wollen sie sich zuerst einle-ben und dabei Sprache, Kultur und Menschen besser kennen und verstehen lernen.

Zerfallende Häuser in der Innenstadt

Neues versucht mit Energie und Fantasie aus Altem herauszuwachsen.

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setzte unsere Kinder (3, 8, und 11 Jah-re) darauf. Meine Frau, unsere Haus-haltsgefährtin und ich stossen dann die Matratze vor uns her. Kurz darauf treffen wir auf eine gelähmte Nachba-rin, die von ihrem Sohn getragen wird. Er bittet uns um einen Platz auf der Ma-tratze für seine Mutter. Weil die Wasser-masse immer grösser wird und immer schneller strömt, müssen wir umkeh-ren und auf unser Hausdach steigen. Um 9.30 Uhr sind wir zusammen mit den Nachbarn auf dem Dach. Ich ent-decke noch einige Kinder, die in einem Haus eingesperrt sind und kann sie be-freien. Nun reicht mir das Wasser be-reits bis zur Brust. Um 10 Uhr nähert sich der Wasserspiegel unserem Dach. Dann sehen wir zwei Frauen, die am Er-trinken sind und um Hilfe bitten. Zu-sammen mit zwei Männern, die dazu-kommen, schaffen wir es, sie auf unser Dach zu heben. Um 10.30 Uhr schwin-

Es ist Samstag und ich schlafe gut bei diesem kühlen Wetter und dem trom-melnden Regen. Um sieben Uhr hätte ich zum Unterricht gehen sollen, aber ich verschlafe und wache erst um acht Uhr auf. Ich befolge den Rat eines Nachbarn und fahre unser Auto auf ei-nen höher gelegenen Ort, wo es sicher keine Regenflut geben wird. Als ich zu-rück bin, reicht mir das Wasser auf der Strasse bis zur Hüfte. Gleich wird der Hausboden nass, darum stellen wir un-sere Möbel weiter hinauf. Aber weil das Wasser schnell steigt, wollen wir das Haus verlassen, um der Gefahr zu ent-gehen.

Zusammenspannen mit den NachbarnAls wir hinausgehen wollen, bringen wir die Tür nicht mehr auf. Um ins Freie zu gelangen, zerstöre ich ein Fens-ter. Ich hole eine Luftmatratze und

det unsere Hoffnung, denn der Wasser-spiegel kommt uns wieder sehr nahe. Die Kinder und Frauen beginnen zu weinen. Wir suchen einen Weg, der uns an einen höheren Ort führt. Bei der nächsten Strasse steht ein Haus, das ei-nen Stock höher ist, doch die Strömung ist nun zu stark, um dort hinzugehen. Aber Gott ist gut: Wir können uns aus

dem Flutwasser ein Seil angeln, mit dessen Hilfe wir zu diesem Haus gelan-gen. Mit dem Antennenkabel des Nach-barn und mit einem Wasserbehälter konstruieren wir ein Rettungswerk-zeug, womit die mittlerweile zwanzig Personen alle die Strasse überqueren

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Wenn das Wasser bis zum Hals steht

Dr. Jennifor Aguilar, liebevoll «Sir Poy» genannt, lehrt an einem College in Manila und koordiniert auch das Schulprogramm von Onesimo. Er berichtet von der grossen Flut, in der er seinen gesamten Besitz verlor. Durch gezielte Spenden konnte ihm alles, auch sein Auto, in kurzer Zeit ersetzt werden.

Stellenweise stieg das Wasser zu einem reissenden Fluss an

Bei der nächsten Strasse steht ein Haus, das einen Stock höher ist, doch die Strömung ist nun zu stark, um dort hinzugehen.

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Danke für die HilfeErst beim Aufwachen realisieren wir un-ser jammervolles Aussehen. Mit drecki-gen Kleidern und barfuss stehen wir da. Ich bitte per SMS unsere Freunde um Hilfe. Bald kommen Leute von Onesi-mo vom Payatas-Zentrum vorbei und bringen uns zu essen. Dann nehmen sie uns mit in ihr Zentrum, wo wir Kleider erhalten und ein Zimmer, um zu schla-fen. Ich bin dankbar, dass uns Gott aus Gefahr und Tod gerettet hat! Wir wer-den die Heldentaten der Menschen, die selber am Rande des Todes waren und uns geholfen haben, nicht vergessen. Nach der Flut fangen wir bei Null an. Wir haben alles verloren. Aber schon am nächsten Tag erhalten wir weitere Hilfe von Freunden. Die Fürsorge und Gebete schätzen wir sehr. So werden wir gestärkt und halten fest im Glauben an Gott.

Dr. Jennifor Aguilar

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können. Und das im letzten Moment, denn kurz darauf treiben grosse Holz-planken auf dem wilden Wasser.

Angst und HungerKurz nach 13 Uhr erreicht uns das Flut-wasser auch dort. Durch Gottes Gnade schaffen wir es, auf ein noch höheres Haus umzuziehen. Dort sind ungefähr sechzig Leute und weitere zwanzig fül-len bereits das Dach. Kurz nach 14 Uhr steigt das Wasser so hoch, dass wir wie-der kniehoch im Wasser stehen. Angst kommt auf, denn es regnet und windet immer noch stark. Um 15 Uhr erreicht das Wasser unsere Hüften und eine Stunde später die Brust. Wir bitten per Telefon um Hilfe, aber niemand kann uns helfen und wir verlieren die Hoff-nung. Frauen und Kinder weinen, das Wasser droht, uns zu verschlingen. Mei-ne Kinder hatten noch kein Frühstück und knabbern nun an ungekochten Nu-deln. Wir beten miteinander, weinen vor Gott und bitten um ein Wunder, um uns aus dieser Tragödie zu retten. Dabei werden wir ruhig. Aber der Regen wird nochmals stärker und wir verlieren wieder die Hoffnung.

Neue HoffnungAber um 17 Uhr realisieren wir, dass der Wasserspiegel nicht mehr steigt, ja so-gar etwas sinkt. Neue Hoffnung kommt auf und so beten wir weiter. Um 19 Uhr steht uns das Wasser nur noch bis zu den Hüften, obwohl es immer noch stark regnet. Als der Pegel unter Knietie-fe sinkt, holen wir unsere Kinder vom Dach herunter und suchen Hilfe, ein Boot, das uns aus diesen Fluten hinaus-führen kann. Um 22 Uhr ist das Wasser immer noch rund zwei Meter tief. Die Kinder schlafen zusammengekauert auf uns. Einige unserer Männer machen sich auf in die Fluten, um Hilfe zu fin-den. Als um 2 Uhr früh die Flut nur noch bis zur Hüfte reicht, entscheiden wir uns, als Familie wegzugehen. Ich befürchte, dass die Flut wieder zurück-kommt. Das Timing ist gut, denn gera-de fährt ein Lastwagen vorbei und nimmt uns und alle im Haus auf sowie auch die Männer, die Hilfe gesucht ha-ben. So kommen wir geschwächt und hungrig in ein Lager, wo wir Brot und etwas zu trinken erhalten. Dank Kar-tonbögen können wir auch auf dem nassen Betonboden schlafen.

Das grosse Chaos

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Die Flut ruft zum Umdenken auf

«Melba, Wasser! Schnell, es hat Was-ser!», schreit meine Schwester im Par-terre zu mir hinauf. Ich eile hinunter und sehe, wie Wasser durch die Haustü-re dringt, das von einem Berg herunter-strömt. Ich erschrecke und innerhalb von wenigen Minuten stehen wir knie-tief im Wasser. Wir schnappen uns et-was Esswaren, ein Portrait unserer El-

tern und ein paar andere Gemälde. Als der Wasserspiegel auf Brusthöhe ist, be-ginnt der Kühlschrank herumzu-schwimmen und knallt in den Tisch und in die Stühle, die sich im Wohn-zimmer umherdrehen. Nach weniger als einer Stunde ist das Parterre bis zur Decke im Wasser und der Boden des ersten Stocks beginnt nun auch nass zu werden. Da merke ich, dass ich nun nichts mehr machen kann und gehe auf die Knie, um zu beten.

Hilflos vom Wasser umgebenDa klopft ein Mann ans Fenster und bittet um Einlass. Bei ihm stehen zwei Frauen mit einem Baby auf dem Dach. Sie sind von ihrem Haus aus durch die Fluten geschwommen. Ich kann das Fenster aber nicht öffnen. Über die Ter-rasse können sie aber doch hereinkom-men. Wir erfahren, dass ihre Grossmut-ter noch immer im Haus ist und voller Angst im ersten Stock wartet. Einer der Männer schwimmt zurück, um sie zu holen, aber sie wagt sich nicht, die Flu-ten zu überqueren. Ich verspreche, sie bei einer Rettungsaktion nicht alleine zurückzulassen. Der Fluss steigt weiter an und wir suchen telefonisch nach Hilfe. Doch nicht einmal der Chef des Zivilschutzbüros kann uns helfen. Ver-geblich telefonieren wir weiter und schon bald sind unsere Handybatterien leer. Wir haben getan, was wir konn-ten.

Zwischen Hoffnung und Verzweif-lungIch setze mich und lasse meine Augen sehnsüchtig über den Boden schwei-fen. Vielleicht ist das meine Art, mich von liebgewonnenen Sachen zu verab-schieden: Bücher, die mir wertvoll ge-worden sind, und Bücher, die ich noch lesen wollte. Und Fotos und Gemälde, das Portrait meiner Eltern, das ein Freund geschaffen hatte. Ich überlege, falls das Wasser uns umschlingen soll-te, könnte ich wohl den Computer mit-nehmen, aber alles andere würde ich verlieren. Ich verschiebe die wichtigs-ten Bücher auf das höchste Regal und denke dann über die Evakuierung der Personen um mich herum, mit Baby und Grossmutter, nach.In mir drin tobt die Schlacht zwischen Hoffnung und Verzweiflung und mein Glaube an den Herrn des Windes und des Regens wird auf die Probe gestellt. Die Natur schlägt nun als Antwort auf unsere Umweltsünden zurück. Gott

hebt seine Naturgesetze nicht auf. Wenn wir dagegen verstossen, tun wir es zu unserem eigenen Verderben. Ob-wohl ich weiss, dass Gott den Regen stoppen kann, steigt Zweifel in mir auf, als ich spüre, wie sich unsere grosse Mauer durch die Flut leicht bewegt. Ich bete darum, dass sie nicht einstürzt. Ich habe wohl nie zuvor mit solcher In-brunst, solchen Tränen und solcher Angst zu Gott gebetet.

Not macht erfinderischTatsächlich hört der Regen auf und der Wasserspiegel steigt nicht mehr weiter an. Eine Rettungsmannschaft kommt mit einem improvisierten Floss. Wir wollen aber nicht als Flüchtlinge ins Quartierlokal umsiedeln und entschei-den uns, in unserem Haus zu bleiben im Vertrauen darauf, dass das Schlimms-te vorbei ist. Aus einer Konservenbüch-se basteln wir einen Kochherd, den wir mit Zeitungen heizen. Darauf kochen wir etwas Reis und braten Fisch. Wir la-

Dr. Melba Maggay ist Präsidentin eines Instituts für asiatische Kirchen- und Kulturstudien in Manila und Beraterin von Onesimo. Sie lebt in einem normalen Wohnquartier und wurde im Herbst von der Flutkatastrophe überrascht.

Ich entdecke die Einladung, die Tiefen von etwas zu betreten, das ich noch nie bereist habe: das riesige Mysterium von Leben und Tod.

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Aufräumen nach der Flut

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chen leise über unsere Improvisations-künste und sind froh und dankbar, noch am Leben zu sein.

Trügerische SchönheitDas Wasser um uns herum ist tief und dunkel. Ich entdecke darin die Einla-dung, die Tiefen von etwas zu betreten, das ich noch nie bereist habe: das riesi-ge und Furcht einflössende Mysterium von Leben und Tod. Ich denke auch an die Hilflosigkeit unserer Armen. Die Verstossenen lebten eben noch entlang des Flusses und mussten sich auf die Bäume retten oder wurden von den Flu-ten weggeschwemmt, zusammen mit all dem Abfall und den verrosteten Blechdächern ihrer nun ehemaligen Hütten.Der nächste Morgen ist auf eine un-heimliche Weise ruhig. Und er ist auch seltsam schön. Ein Mann treibt alleine auf einem Floss aus Bananenstauden dem Fluss entlang. Das ruhige Wasser mit den daraus hervorragenden Baum-wipfeln ergibt ein malerisches, aber trü-gerisches Bild, denn etliche Menschen sind darin ertrunken.

Arme ohne soziales NetzNeun Tage später gilt es, eine über zehn Zentimeter dicke Schlammschicht von unserem Haus wegzuputzen. Im Vorhof herrscht noch immer ein Chaos, aber das Leben geht weiter und ich versuche, dem Ereignis eine Bedeutung abzuge-winnen. Ich bin zum ersten Mal selber Opfer einer Überschwemmung gewor-den. Früher dachte ich, dass dies nur Menschen trifft, die es sich nicht leisten können, an einem ordentlichen Ort zu leben. Plötzlich bin ich selber sehr ver-letzlich und auf Hilfe angewiesen. Ich erhalte tausend Freundlichkeiten von Freunden, Nachbarn und meiner Kirch-gemeinde, die mir Essen und Wasser schickt, beim Putzen hilft, die Elektro-versorgung kontrolliert und mich so auf die Güte Gottes hinweist. Die Armen aber haben keinen Zugang zu solcher Hilfe. Tausende befinden sich in Evaku-ierungszentren, ohne Haus, ohne Fami-lien, Freunde und Verwandte, die genü-gend Ressourcen haben, um sie zu versorgen. Im Gegensatz zu uns von der Mittelschicht fehlt ihnen ein tragendes soziales Netz. Ihnen bleibt nichts ande-res übrig, als auf die Hilfe der Regierung

zu warten, die meistens zu klein ist und zu spät kommt.

Historischen Fingerzeig ernst nehmenIch frage Gott, was dies alles für mich bedeutet und erkenne, dass ich an der Gemeinschaft seines Leidens teilneh-men soll. In diesem grossen Mysterium der Solidarität treffen der Kummer und die Erniedrigung eines Einzelnen auch alle andern. Wir leben immer in der Ge-genwart zueinander – bewusst oder un-bewusst. Die Armut der Menschen um uns herum sagt ebenso viel über uns aus wie die Art von Regierung, unter der wir leben. Nun kann ich besser mitfühlen mit denen, die ganz am Rand der Ge-sellschaft und unter grosser Gefahr le-ben und sehe es als Skandal, dass so vie-le Menschen keinen anderen Platz haben. Eine Gesellschaft, in der fast alle achselzuckend Katastrophen zur Kennt-nis nehmen, ist zutiefst krank. Rund zwanzig Taifune suchen unser Land je-des Jahr heim. Aber die Vorbereitungen darauf sind mangelhaft und man unter-liess es, die vollen Stauseen rechtzeitig etwas zu entleeren. Ich habe den Ein-druck, dass neben der Umweltzerstö-rung das masslose Freisetzen von Was-sermassen der Staudämme der entscheidende Faktor war und diese Ka-tastrophe von Menschenhand ausgelöst wurde. Das Schlimmste wäre für mich, wenn wir diesen historischen Finger-zeig übersehen würden und weiterhin nur auf die unmittelbare Gegenwart fi-xiert blieben. Wir müssen jetzt damit beginnen, den künftigen Fluten entge-genzuwirken. Und wir müssen vor al-lem die unverschämte Hilflosigkeit und Entwurzelung unserer Leute beenden.

Dr. Melba Padilla Maggay www.isacc.org.ph

Gestrandeter Verkehr im Osten Manilas

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Eine Stadt im Ausnahmenzustand

Ich war an jenem Samstagmorgen beim Zahnarzt. Die Rückfahrt hat statt einer Stunde das Vierfache gedauert: Busse und auch Privatfahrzeuge konnten nicht mehr fahren; es blieb nichts an-deres übrig, als durch die Fluten zu ge-hen oder zu schwimmen. Viele Men-schen gingen dabei verloren, weil entweder die Strömung zu stark war oder sie gar nicht schwimmen konn-ten. Die Flüsse in meiner Nachbarschaft stiegen um zehn Meter oder mehr an und traten über die Ufer. Die Gegend von Pajo mit den neuen farbigen Häu-sern stand unter Wasser. Meine Woh-nung im dritten Stock blieb verschont.

Ein schwimmendes HausAber das Teamhaus von Servants stand bei meiner Heimkehr mehr als einen Meter unter Wasser. Niemand vom Team konnte hingehen und etwas ret-ten. Unsere Filipino-Mitarbeiter hatten vorsorglich manches höhergestellt für den Fall, dass das Wasser knietief stei-gen würde. Das hatte es in dreissig Jah-

ren offenbar nie getan. Diesmal kam es anders. Ich traf ein schwimmendes Haus und zog den letzten Laptop auch noch aus der scheinbar sicheren Schub-lade, die mittlerweile dreissig Zentime-ter unter Wasser stand! Alle Rattanmö-bel schwammen obenauf und der Gefrierschank schaukelte auch hori-zontal daher. Alles schwamm oder ver-sank. Ein Albtraum. Alle Polster waren vollgesogen mit Wasser. Mittlerweile haben wir vieles recht vernünftig ge-trocknet. Zum Glück bestand unsere Flut hauptsächlich aus Wasser und nicht noch aus Geröll wie in anderen Gegenden. So liess sich mehr retten. Trotzdem, die elektrischen Geräte sind fast alle definitiv kaputt oder befinden sich nun in Reparatur.Wir verbringen Stunden damit, Doku-mente zu trocknen und neu zu organi-sieren; wir haben Dokumente geba-cken, gebügelt und geföhnt. Aber wir sind dankbar, dass sich dies überhaupt machen lässt. Es wird also Wochen ge-hen, bis wir wieder halbwegs eingerich-

tet sind. Wir suchen nun auch drin-gend ein neues Haus, denn der Eigentümer flickt nichts. Obwohl alles völlig von Termiten zerfressen ist. Nun gäbe es erst recht viel zu flicken, aber was von Termiten befallen ist, ist hoff-nungslos verloren. Wir hoffen und be-ten für ein gutes neues Teamhaus, fünf grosse Zimmer sollte es haben, in rela-tiv ruhiger, zugänglicher Gegend. All dies kostet wieder unglaublich viel zu-sätzliche Energie. Meine Teamkollegen kamen wie ich relativ ungeschoren da-von.

Alles weg – und keine Hilfe in SichtViel schlimmer betroffen sind viele Fa-milien, deren Hütten direkt an einem Flussufer klebten. Diese hat es wegge-spült und die Familien sind nun voll-ständig obdachlos. Schon zwei Wochen

Wir haben Dokumente geba-cken, gebügelt und geföhnt.

Im Oktober wurde Manila von einer grossen Flut heimgesucht, die hier ein unbeschreibliches Durcheinander verursacht hat.

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Aufräumen nach der Flut

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zuvor hatte es an einer solchen Stelle ei-ne Hütte weggespült, mitsamt der gan-zen Familie und all ihrer Habe. Der Mann folgte der Anweisung seiner Frau und packte die beiden Kinder und konnte in Sicherheit schwimmen. Die Frau fand man leider einen Tag später in einem anderen Stadtteil tot im Fluss hängend. Es wäre schön und tröstlich zu wissen, dass von der Regierung Hilfe bereitge-stellt würde und Obdachlose sinnvoll umgesiedelt würden. Aber nach allem, was wir in den letzten Jahren an Büro-kratie beobachtet haben, ist klar, dass die Leute hundertmal eine neue Hütte zusammengeschustert haben, bis von der Regierung her auch nur klar ist, wie die Hilfe aussehen soll. Allerdings muss ich auch gestehen, dass Servants ver-mutlich dieses Mal auch kaum helfen kann. Wir sind logistisch gar nicht in der Lage und selbst zu sehr havariert. Wir schieben ständig Krisen, aber glück-licherweise nicht alle zur gleichen Zeit. Wir sind dankbar, dass es für uns nicht schlimmer kam.

Die Stadt dagegen macht ein erbärmli-ches Bild: Die Bretterverschläge der Fa-milien, die unter Brücken wohnten, wurden weggerissen, und nun siedeln sie mit ihrer Habe auf den Gehsteigen und begrünten Mittelstreifen der gros-sen Strassen. Trotz allem wissen die Menschen, dass zum Beispiel ein Erdbe-ben oder ein Tsunami noch gewaltsa-mer gewesen wäre und mehr Leben ge-fordert hätte. Sehr dankbar waren wir, dass uns der später angesagte Supertai-fun nicht traf und sich etwas ab-schwächte. Diesmal hatte ich das erste Mal Angst vor einem Sturm und das all-gemeine Gefühl war: Bitte nicht! Wir sind nicht bereit, haben uns noch nicht erholt. Wir waren froh, als der Tag dann ruhig anbrach. Manche fragten uns, wie sie helfen könnten. Die meisten Men-schen hier brauchen im Moment eine Extraportion Kraft von Gott, das gilt auch für uns.

Lernen im Ernstfall – für den Ernst-fallBei Lilok wurde entschieden, eine nach-haltige Hilfsaktion mit ehemaligen und gegenwärtigen Schülern durchzufüh-ren, vermutlich in Tatalon, einem stark betroffenen Armenviertel. Das Ziel ist, dass die Hilfsaktion gleichzeitig als Lernmodul für Katastrophenmanage-ment genutzt wird. Nie lernt man so et-was besser als im Ernstfall. Meine Kolle-ginnen und Kollegen bei Lilok sind speziell frustriert, dass viele Hilfsaktio-nen der Politiker gar nicht anlaufen, so-lange nicht gleichzeitig alle Kampag-nenplakate perfekt platziert sind. Egal, ob die Bürger leiden oder nicht. Das ist wirklich unglaublich enttäuschend. Tra-gisch ist auch, dass für viele helfende Gruppen die Sache erledigt ist mit eini-gen Dosen Nahrungsmitteln, Reis und Nudeln. Wir möchten anders vorgehen und zum Beispiel Schulmaterial erset-zen, Schlafmatten, Decken, Kocher und Essutensilien bereitstellen, damit sich das Leben in ersten Schritten normali-sieren lässt.

Regula Hauser

Der Hausrat, versunken im Schlamm

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Ein neues Klima?

Das Klima hat sich geändert! Diesmal be-zieht sich diese Aussage weniger auf das Wetter als auf die Politik. In letzter Zeit war ich oft fürchterlich frustriert über das korrupte System hier. Alles ist unglaublich verkommen und verlogen. Die Wahlen ste-hen an und ein Kandidat scheint durch-triebener als der andere. Dann starb Cory Aquino, die 1986 mit ihrer Wahl zur Prä-sidentin einen Volkaufstand auslöste und den damaligen Diktator Ferdinand Marcos vom Präsidentensitz stiess. Und es ist, als ob sie mit ihrem Sterben noch den letzten entscheidenden Streich gespielt hätte! Ihr Tod hat die Leute aufgerüttelt, vor allem die frustrierten, die eigentlich höhere Idea-le haben als das, was im Moment hier üb-lich ist. Es ist fast ein bisschen mysteriös. Plötzlich sind da wieder positive und be-geisterte Kräfte zu spüren. Corys Sohn, Noynoy Aquino, bisher ein Senator, wurde angefragt, ob er kandidieren würde. Gleich-zeitig trat Mar Roxas, ein anderer Kandi-dat mit relativ guten Chancen, zu Noynoys Gunsten zurück. Noynoy liess sich nicht so schnell überzeugen, er hatte nicht die Ab-sicht gehabt, Präsident zu werden. Hier braucht man unglaublich viel Geld für ei-ne Kandidatur – um die Stimmen zu kau-fen! Und Noynoy hätte gar kein Geld da-für. Das macht ihn attraktiver. Schliesslich sagte er zu. Nun hat er in den Meinungs-umfragen bereits alle anderen Kandidaten hinter sich gelassen. Auch ich hoffe, dass es so weitergeht und er gewählt wird. Zwar bin ich nicht so sicher, ob er ein hochbe-gabter Präsident sein wird. Aber vermut-lich werden sich die guten Elemente besser um ihn sammeln können als um eine hochqualifizierte, korrupte Person wie die derzeitige Präsidentin Gloria Arroyo.«Irgendwie ist neue Hoffnung in die politi-sche Landschaft gekommen», diese Aussa-ge höre ich nun immer wieder. Hoffen wir, dass alle halbwegs fähigen Leute nun ihr Bestes tun, um die Sache voranzubringen. Das Volk sehnt sich nach Integrität und Ehrlichkeit – Werte, die in der Aquino-Fa-milie viel gelten. Cory war damals auch nicht besonders qualifiziert für ihr Amt – und sie war stets die Erste, dies zuzuge-ben.

Regula HauserKinder werden auf den Dächern in Sicherheit gebracht

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Vaterlose Gesellschaft

Das Ziel des Lagers war, miteinander ei-nige ungewöhnliche oder mutige Din-ge zu unternehmen, um die Beziehung zu stärken und den gegenseitigen Res-pekt zu fördern. Sie übernachteten al-lein im Zelt, erforschten die grosse Höhle und den Wasserfall, der sich durch die Erdrutsche stark verändert hatte und einige Überraschungen bot. Alle waren beeindruckende, unter-schiedliche Persönlichkeiten, die aufei-nander angewiesen waren. Einige kapi-tulierten vor den schwierigen Seil- übungen. Für andere bestand das grösste Abenteuer wohl darin, zwei vol-le Tage allein mit dem Sohn oder Vater zusammen zu sein ohne den Rest der Familie.Ein Vater sagte: «Wir sind das erste Mal allein unterwegs, mein Junge steht der Mutter näher. Aber hier kuschelt er sich auch an mich!» Kuscheln musste sein, denn die Nacht im Zelt war kalt. Ein anderer meinte abschliessend zu sei-nem Sohn: «Merk dir, wenn ich je mit dir schimpfe, dann nur, damit du dein Leben gut zu meistern lernst.»

Matriarchale GesellschaftSolche Männerzeiten scheinen einem Bedürfnis zu entsprechen. Tiefe Gesprä-che zwischen Familienmitgliedern sind

in den übervölkerten Slums erschwert. Das Überleben als Eltern ist hart, und nur wenige nehmen sich bewusst Zeit mit einem einzelnen Kind. Die philip-pinische Gesellschaft ist matriarchal geprägt. Die Mütter sind oft dominant und gleichzeitig überfordert. Das ist für die Männer oft schwierig und Gelegen-

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Am ersten sonnigen Wochenende nach der grossen Flut machten sich fünf Väter mit je einem Sohn auf zur Lilok Farm ins Abenteuerlager für Vater und Sohn.

Lagerfeuerromantik in der Lilok Farm

heiten, wo sie ihr Vatersein ausleben können, sind darum sehr wichtig.Ich hoffe, das Abenteuerlager hat die kleinen und grossen Männer gestärkt.

Beziehungs- statt GeldarmutViele Eltern verstehen sich primär als materielle Versorger ihrer Kinder. Häu-fig reisen Väter ins Ausland, weil sie dort mehr oder überhaupt etwas verdie-nen. Dies wird als positives Opfer ge-wertet; dass aber die Beziehungen dar-unter leiden, nimmt kaum jemand wahr. Darum wachsen viele Kinder nicht bei den Eltern, sondern bei Gross-eltern oder andern Verwandten auf. Das ist eine weitere Facette der Armut. In konsumorientierten Städten wird ei-nem suggeriert, dass die Armut ein En-de hat, sobald man Geld hat. Dabei wird vergessen, dass die Art des Geldverdie-nens zu einer anderen, noch schlimme-ren Form der Armut führen kann.

Regula Hauser

Vater und Sohn beim Wasserfall

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Zurück nach Manila

Wie geht es wohl einigen meiner armen Freunde? So gehe ich auf die Suche nach Joey und Janis, die ich im Dezember 2008 zum Abschied in der Provinz be-sucht hatte. Ich erfahre, dass sie zurück in Manila sind, dort, wo ich vor 21 Jah-ren meine Diplomarbeit schrieb. Da-mals war es ein ekelhafter Müllhaufen-slum, nun ist es ein kalter Wohnsiloslum: Grosse Wohnblöcke bieten zwar vom Wetter geschützte Kleinwohnungen an, aber sozial gesehen ist das Leben in die-sen Hochhäusern eher lebensfeindlich.Vor einem der zahlreichen Wohnblöcke treffe ich bei einem Fahrradtaxi auf Joey. Auf seiner nackten Brust prangen zwei eintätowierte Namen: Altea und Almira. Altea ist die Tochter, die durch den Heb-ammendienst von Janice bei uns zur Welt kam im 2007. Almira wird wohl die zweite Tochter sein – Janis war da-mals im Dezember schwanger. Ich schaue Joey an: Etwas Trauriges ist in seinen Augen. Er erzählt mir von seinen Bemühungen, das Leben der neugebore-nen Almira, die um ihr Leben rang, im schlechten Spital zu retten: Er rannte von Krankenschwester zu Kranken-schwester und von Arzt zu Arzt, um je-manden zu finden, der seine sterbende Tochter behandeln würde. Zwischen-zeitlich hatte er damit sogar Erfolg trotz langer Wartezeiten. Dennoch, Almira war zu schwach: Sie starb zwei Tage nach ihrer Geburt. Das Fischverkaufen in der Provinz klapp-te auch nicht mehr, und so ging er zu-rück nach Manila. Nun hat Joey Arbeit als Fahrer eines Fahrradtaxis, das Ein-kommen ist jedoch sehr klein. Janis sagt aber dankbar, dass sie dreimal am Tag essen würden, wenn auch oft mit eini-gen Stunden Verspätung; das Geld käme halt erst im Laufe des Tages rein. Schwie-rig ist, dass Joey und Janis Schulden ha-ben beim Vermieter ihrer letzten Woh-nung. Und wo sie jetzt wohnen, sind sie eigentlich unerwünscht.Ich gebe ihnen etwas Geld, und gemein-sam beten wir in der Trauer und Not. Mein Geld hilft ein wenig für den Mo-ment. Meine Hoffnung ist, dass durch Gottes Hilfe das Leben der drei sich zum Guten wendet.

Christian Auer

S E R V A N T S M A N I L A

Dank einem Auftrag der Weltgesundheitsorganisation in Mikronesien kann ich unverhofft drei Tage in Mani-la verbringen.

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Das Trauma der Flut

80% von Manila und der angrenzen-den Provinzen standen unter Wasser. Erst zwei Tage danach war die Fahrt mit Boot und Bus zurück nach Manila mög-lich. Ingrid fand eine völlig verstörte und traumatisierte Nachbarschaft vor. Wir haben zwar öfters unter Über-schwemmungen zu leiden, weil wir di-rekt an einem kleinen Bach liegen, der sich schon mal in einen reissenden Wildbach verwandeln kann. Aber so et-was hatten sie noch nicht erlebt – selbst unser Nachbar, der seit vierzig Jahren in unserem Slum lebt. In unserer Küche stand das schwarze Flutwasser ca. 1,20 m hoch. Jessica konnte viele unserer Habseligkeiten in unser Schlafzimmer im zweiten Stock bringen, wohin sich schon unsere Nachbarsfamilie mit ih-rem Hab und Gut gerettet hatte. Unser Nachbar Ricardo (75) sass auf der Trep-pe und weinte. Er hatte versucht, seine Haustür mit aller Kraft zuzustemmen, bis ihm das Wasser buchstäblich bis zum Hals stand. Sich selbst konnte er noch in Sicherheit bringen. Aber das Wasser riss alles fort, was sie nicht hat-ten sichern können. Als die Wände des gegenüberliegenden Hauses einstürz-ten, kletterte Jessica in Todesangst aufs Dach. Sie befürchtete, dass auch unser Haus einstürzen würde. Dort oben be-merkte sie, dass die Nachbarn zu unse-rer Linken eingeschlossen waren: Sie konnten nicht mehr zur Haustür hin-aus und hatten auch keinen anderen Fluchtweg. So versuchte sie, eine Stelle am Dach zu finden, wo sich das Blech hochbiegen liess. Mit aller Kraft gelang ihr das. Nun wurde zuerst Klein-Nonoy (2) hochgereicht und dann konnten seine Eltern hinausklettern. Sie wären sonst im eigenen Haus ertrunken. Un-sere Jonelyn fand eine Möglichkeit, bis hinter unser Haus zu gelangen. Dabei fiel sie in ein grosses Loch und stand bis zum Kinn im Wasser. Glücklicher-weise war jemand bei ihr. Mit vereinten Kräften gelang es, sie herauszuziehen. Erst Stunden später begann der Wasser-spiegel zu sinken.Gott sei Dank ist in unserem Slum nie-mand ums Leben gekommen. Insge-samt haben an diesem Samstag Hun-derte von Menschen ihr Leben verloren und Hunderttausende ihr Hab und

Gut. Unsere Freunde und Gemeinde in Deutschland reagierten schnell. So konnten wir für viele Familien Schlaf-matten, warme Decken, kleine Gasko-cher, Lebensmittel und Reis kaufen und verteilen, um ihnen einen Neuanfang zu ermöglichen. Die Schrecken der Flut haben sich tief eingebrannt: Bei jeder Nachricht über einen neuen Taifun bricht Panik aus.

Ingrid & Lothar Weissenborn

Gott sei Dank! Wieder einmal hat er uns wunderbar bewahrt: Während der grossen Überschwemmung waren wir in Camp Rock auf Mindoro.

Danke!

Lothar und Ingrid Weissenborn keh-ren nach sieben Jahren Ende Februar definitiv nach Deutschland zurück. Sie haben in letzter Zeit sehr viel in die Arbeit der Leuchtturm-Gemein-schaft von Onesimo und in das Frei-zeitzentrum Camp Rock investiert. Ganz herzlichen Dank für das einzig-artige und mutige Engagement dieses Ehepaares im «Unruhestand».

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Hoffnung für Strassenkinder

Die Verantwortung lastet auf unsJane sah aus wie ein Gespenst. Gesicht, Bauch, Arme und Beine waren mit ei-ner Schicht Zahnpasta überzogen, an-geblich sollte dies ihre schlimmen Ver-brennungen kühlen. Anstatt zur Schule zu gehen, musste Jane zu ihrem zwei-jährigen Bruder schauen, weil ihre dro-genabhängigen Eltern im Gefängnis sind. Ein weiteres vierjähriges Kind ist verschwunden. Bei einer Müllexplosi-on erlitt sie schwere Verbrennungen, während sie sich schützend über ihren Bruder beugte. Viele Leute gaben Pfle-getipps, aber niemand hatte die Mittel für eine bessere Behandlung als mit

Zahnpasta. Wir konnten Janes Tante überzeugen, sie ins Gesundheitszent-rum zu bringen. Zuvor bildeten die Kinder einen Kreis um das Mädchen, das auf seinem Stück Karton lag. Ein Freund betete: «Lieber Gott, bitte mach

Jedes Kind hat seine eigene Geschichte. Für die Mitarbeiter ist es immer sehr schwer zu sehen, wie ein Kind, in welches sie viel investiert haben, zurück auf die Strasse geht. Dennoch sind wir überzeugt, dass Liebe, die in ein Kind investiert wird, nie verloren ist. Veränderung scheint ein geheimnisvoller Prozess zu sein, eine Kombination aus Gottes Gnade mit der eigenen inneren Motivation. Hier zwei erfreuliche Kindergeschichten:

Jane wieder gesund.» Wir gingen mit schwerem Herzen.Drei Tage später fanden wir Jane trotz ihrer Schmerzen auf der Strasse betteln. Wir mussten sie ins Krankenhaus brin-gen aus Sorge, dass ihre Wunde infiziert wird. Schmutzig und übel riechend ka-men wir mit Jane und zwei anderen Strassenmädchen dort an und wurden

zunächst abgelehnt mit der Begrün-dung, dass die Abteilung für Verbren-nungen voll belegt sei. Aber wir wollten nicht gehen, bevor Jane behandelt wur-de. Ihre tägliche Wundreinigung war ei-ne Qual und der Arzt zeigte keinerlei Gefühl. Nachts hielt Jane unsere Hände und bat uns inständig, sie nicht zu ver-lassen. Sie wollte nach Hause, aber der Arzt riet davon ab und sagte, er könne sie nur entlassen, wenn wir unterschrie-ben, dass wir die Verantwortung dafür übernähmen. Sie konnte mit ihren Brandwunden nicht auf die Strasse zu-rück, aber wir fanden eine andere Insti-tution, welche sie zusammen mit ihrem Bruder aufnahm. Nun besucht sie er-folgreich die Schule. Ihre Wunden sind verheilt, nur eine verblasste Narbe im Gesicht erinnert noch an ihren tragi-schen Unfall.

Selbstbewusstsein entwickelnAls wir Ruel das erste Mal trafen, war er ein elfjähriger Strassenjunge. Sein Vater war fast jede Nacht betrunken und Ruel musste Wasser holen und für beide den Lebensunterhalt verdienen. «Meine El-tern sind getrennt und ich lebte mit meinem arbeitslosen Vater auf der Stras-se, wo ich Halsketten verkaufte, um für uns etwas zu essen zu verdienen. Die Schule musste ich nach der ersten Stufe

Veränderung scheint ein geheimnisvoller Prozess zu sein, eine Kombination aus Gottes Gnade mit der eigenen inneren Motivation.

Strassenkinder in Quiapo, wo Jane und Ruel aufgewachsen sind

Kinder verkaufen Halsketten auf der Strasse

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verlassen. Dann lernte ich Ferdie ken-nen, ein Mitarbeiter von Onesimo. Ich sagte ihm, dass ich wieder studieren wollte und Onesimo Kids unterstützte mich dabei. Dies ist nun über fünf Jahre her.»Ruel war der Erste, den wir in der Schule unterstützen wollten, während er noch auf der Strasse lebte. Das ging fast ein Jahr lang gut, aber die Belastung von Ruel war gross. Neben der Schule muss-te er seine Hausaufgaben auf der Strasse erledigen und arbeiten, um für den Le-bensunterhalt zu sorgen. Er kämpfte, um in der Schule mitzukommen, fehlte aber immer öfter, bis er fast aus der Schule flog. Wir waren nur ein paar Nächte pro Woche dort und beschlos-sen, als Team von Freiwilligen in dieses Gebiet zu ziehen, um nahe bei Kindern

wie Ruel und Jane zu leben und um zu erkunden, wie wir sie besser unterstüt-zen können. Vier Jahre lang lebte Ruel dann im Zentrum, wo er die Schule be-suchte und sich zu einem selbstbewuss-ten Teenager entwickelte: «In meinem Leben hat sich viel verändert. Ich fluche nicht mehr und hänge nicht mehr den ganzen Tag ziellos herum. Ich habe an Gewicht zugenommen, früher war ich sehr dünn. Ich helfe bei der Betreuung der kleineren Kinder und die Mitarbei-ter vertrauen mir. Einmal in der Woche gehen wir auf die Strasse, um neue Kin-der zu erreichen.» Ruel bereitet uns als Nachwuchsleiter und Vorbild für die Kinder grosse Freude. Nun lebt er bei seinem Onkel, wo er seine Ausbildung mit unserer Hilfe fortsetzen kann.

Niederschwellige Hilfe in der NäheWir haben vieles versucht, um nicht nur das Leben von Kindern, sondern von ihren ganzen Familien zu verbes-sern und wir wollen innerhalb unserer Strassengemeinschaft arbeiten. Obwohl

wir manches wieder aufgeben mussten, beteiligen sich die Eltern nun stärker an der Veränderung ihrer Nachbarschaft. Sie haben etwa zusammen gegen ihre Vertreibung unter der Brücke gekämpft, wenn auch erfolglos. In einem nieder-schwelligen Drop-in-Zentrum mitten in der Nachbarschaft können wir die Kin-der begleiten, pädagogische Hilfe anbie-ten und frühzeitig eingreifen. Auch vie-le Mitarbeiter leben hier, denn wir wollen eine Gemeinschaft sein, wo an-dere geheilt werden können. Dabei ha-ben wir gelernt, dass wir zuerst selber geheilt und verändert werden müssen, damit dies auch andere erleben kön-nen.

Daniel Wartenweiler Bilder: ©Tanja Demarmels

Spielen im Drop-in-Zentrum

Kleider waschen im Drop-in-Zentrum

Kinder geniessen den Garten

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Nach der grossen Flut

Bereits im letzten Frühjahr plante ich für den Herbst einen Besuch in Manila. Die Hauptgründe waren der Ausbau von Camp Rock mit erweitertem Spielgelände und das geplante neue Frei-zeitareal in der Nähe von Manila.

Ich hatte vor, die Mitarbeiter von One-simo an ihrer Retraite zu ermutigen, in ihrer kräftezehrenden Arbeit durchzu-halten. Wenige Tage vor meiner Abreise erreichte mich die Schreckensnachricht von unserem Leiter Dennis Manas: «Be-tet für uns; fünf unserer Gemeinschafts-häuser und auch unsere Wohnhäuser stehen im Wasser.» Am Tag darauf sa-hen wir am Schweizer Fernsehen die schlimmen Bilder einer Fünfzehnmilli-onenstadt, die zu achtzig Prozent von einem tropischen Regensturm über-schwemmt war. Hunderttausende wur-den über Nacht obdachlos und um die tausend Menschen verloren ihr Leben in den Fluten und Erdrutschen.

Rettung aufs DachIn Manila konnte ich mir viel Zeit neh-men, um den Menschen zuzuhören. Nach dem ersten Schock spürte ich auch bald Erleichterung und Dankbar-keit darüber, dass alle Mitarbeiter mit dem Leben davonkamen. Einige erlit-ten aber grossen materiellen Schaden. In Frisco sind drei Kinder ertrunken, während über das stabile Slumhaus un-serer dortigen Gemeinschaft sechzig Leute aus den Fluten auf das Dach gezo-gen werden konnten. Noli, ein neuer Teilnehmer von Onesimo aus dem Grä-berslum Navotas, ist ein guter Schwim-mer und erwies sich dort als Held. Un-sere langjährige Mitarbeiterin Hazel erzählte mir, dass sie hilflos zusehen musste, wie eine Frau vom Wasser mit-gerissen wurde. Später sah sie eine Lei-che, die wie ein toter Hund am Stras-senrand lag. Die Polizei war mit dem Aufräumen überfordert. Der Jugend von Onesimo konnte ich meine Betroffen-heit ausdrücken und die Solidarität un-serer Freunde zusichern. Ich glaube, das hat ihnen wohlgetan. Dank einer So-forthilfsaktion erhielten gegen dreihun-dert Familien das Nötigste zum Leben. Unserem Ausbildungsleiter Sr. Poy floss das Wasser über das Dach und riss alles samt Auto mit. Auch seinen Sachscha-den konnten wir ersetzen.

Nicht aufgebenDie Jahresretraite fand trotz Flutkatast-rophe oder erst recht statt. Etwa vierzig erschöpfte Mitarbeiter, auch Daniel Wartenweiler und seine Leute, genos-sen die gemeinsame Zeit ausserhalb der Stadt. Während einer gegenseitigen Fusswaschung konnte man einander zuhören und füreinander beten. Wenn wir einander tragen, finden wir Zugang zu Gottes Quelle und werden erfrischt.Auf der Insel Mindoro feierten wir zu-sammen mit den Arbeitern das neu aus-gebaute Camp Rock. Lothar Weissen-born hat ganze Arbeit geleistet! Alles erstrahlt in frischem Glanz und ist jetzt erst noch sicher vor Termiten und Erd-beben. Wir besuchten auch das zusätz-lich gekaufte Spielgelände und konnten die Ausbaupläne vor Ort diskutieren.Als Abschluss durfte ich wieder an der fröhlichen Jahresfeier teilnehmen. Die Menschen haben die Hoffnung nicht aufgegeben. «Das Leben in Manila geht weiter», sagte mir Pastor Dennis Manas, «wir müssen vorwärts sehen.»

Christian Schneider

Die Hausmeister Joriel und Arlin Abdon mit Dennis Manas, Leiter von Onesimo

Mitarbeiter-Retraite im neu ausge-bauten Camp Rock

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Ich bin froh, dass mich Christian Auer, ein Freund aus der Schweiz, besucht. Wir übernachten in einem Nachbar-haus. Das Gespräch mit ihm und unser gemeinsames Gebet tun mir gut und helfen mir, richtig zu trauern und neu-en Mut für die Zukunft zu schöpfen.

Christian Schneider Juli 1988

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S E R V A N T S

Abschied vom Familienliebling

«Jesus hatte Joel so lieb, er hat ihn zu sich genommen», tröstet mich Noel. Voller Bestürzung stehe ich vor dem kleinen Sarg in unserer Hütte. Es ist das Slumhaus der Familie Rinion. Seit sie-ben Wochen bin ich hier zu Hause. No-el ist der Vater des fünfzehn Monate al-ten Knaben. Nun ist der von uns allen geliebte Sonnenschein tot. Ich kann es kaum fassen. Er liegt vor mir aufge-bahrt, wo normalerweise seine Eltern schlafen. Eigentlich sollte ich jetzt No-el trösten und seine Frau Josselyn, nicht umgekehrt! Ich bin wie benommen und unfähig, irgendetwas zu tun oder zu sagen. Noel ist mein Sprachhelfer und Freund geworden, der mir hilft, ei-ne mir unbekannte Welt, Kultur und

Sprache zu entdecken. Jetzt ist sein ers-tes und einziges Kind gestorben und ich und niemand sonst konnte es ver-hindern. Fassungslos und stumm starre ich auf das bleiche aufgedunsene Ge-sichtchen im kleinen Sarg. Mir ist zum Weinen, aber Tränen kommen keine. Ich bin wie gelähmt. Das darf nicht wahr sein, nicht auch noch in «mei-ner» Familie! Zu viel Elend habe ich ge-sehen in diesen wenigen Wochen.

Was ist passiert?Joel hatte ein wenig Durchfall, nichts Aussergewöhnliches bei Säuglingen. Er wurde gestillt, war gut genährt und völ-lig gesund. Erst war er noch voll La-chen und sprudelndem Leben. Vor drei Tagen habe ich die Familie verlassen, um eine Pause in unserem Retraitehaus in Manila einzulegen. Vorher habe ich den Eltern für alle Fälle nochmals eine Dehydrationslösung ans Herz gelegt und die Anwendung erklärt. «Chris, wir haben alles nach Vorschrift verab-reicht», versichern sie mir nun, ohne dass ich sie gefragt hätte. «Der Durch-fall wurde stärker und Joel immer schwächer. Schliesslich fuhren wir mit ihm den weiten Weg ins Spital, aber es war zu spät.»

Christian Schneider hat über zehn Jahre in den Slums von Manila gelebt und berichtet in loser Folge über seine Erlebnisse, die er in seinem Tagebuch festgehalten hat.

Was ist das für eine Regierung, die ihre Menschen an einem Ort lässt, wo es we-der sauberes Wasser noch Arbeit gibt und somit das Nötigste zum Leben fehlt? Was ist das für eine Welt, die solch unnötiges Elend zulässt? Wo sind die hunderttausend Christen aus den klimatisierten Mittelklasskirchen dieser Stadt?

TotenwacheDas tote Kind liegt nun schon neun Ta-ge im Haus. Um die Verwesung etwas zu verzögern, wurde Formalin in den klei-nen Körper gespritzt. Alle sollen ausgie-big Abschied nehmen können. Ver-wandte aus der Provinz reisen an und trauern mit der Familie. In dieser Zeit dürfen die Angehörigen nicht schlafen, sich nicht waschen und der Boden darf nicht gekehrt werden. Gemäss dem ani-mistischen Glauben würde bei einer Missachtung ein anderes Familienmit-glied dem Toten folgen und ebenfalls sterben. Die Stimmung ist sonderbar. Man weint, lacht, spielt und trinkt die ganze Nacht bis zum Morgengrauen. Nur Josselyn, die Mutter, sitzt da, starrt wie abwesend vor sich hin und schluchzt zwischendurch laut auf.

Geldspiel für die BestattungDer kleine Sarg ist jetzt verschlossen und man sieht das verstorbene Kind nur noch durch ein kleines Glasfenster-chen. Trotzdem nehme ich Verwesungs-geruch wahr. Auf dem Tisch liegen ein paar verwelkte Blumen neben einer brennenden Kerze und einer offenen Büchse, die den Besuchern als Sammel-kasse dient, um etwas Geld für die Bei-setzungskosten einzulegen. Dazu dient auch das ununterbrochene Geldspiel der Nachbarn vor der Hütte. Eine Stoff-plane schützt sie vor Sonne und Nacht-tau. Ein Anteil der Spielsumme geht an die trauernde Familie.Mir fällt auf, dass sich drei der Familien-mitglieder waschen. Ein klares Zeichen dafür, dass sie als aktive Christen ihre Angst vor Geistern weitgehend abgelegt haben und sich vom Animismus lösen. Sie singen auch frohe Lieder und brin-gen damit etwas Licht in die sonst drü-ckende Stimmung.

Wo sind die hunderttausend Christen aus den klimatisierten Mittelklasskirchen dieser Stadt?

Familienglück, kurz vor dem Tod von Joel

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Eindrückliches Benefizkonzert

Neben Onesimo waren auch die Gassenarbeit Elim, der Mitenand-Gottesdienst (Integrationsarbeit im Kleinbasel) und Weihnachten im Schuhkarton (Sam-melaktion für Moldawien) beteiligt. Onesimo wurde mit einem Film vorgestellt, worin der Fernsehjour-

nalist Daniel Wahl den Liedermacher Ernie Opiasa bei einem Besuch in Manila begleitete, wo er mitten im Gräberslum ein Konzert gab. Opiasa trat auch am Benefizabend auf sowie weitere Musikerinnen und Musiker wie Irene Dörpfeld, Chris Mühlberger, Ema-nuel Heitz, Armina Riethmüller, Carmen Hengart-ner von Elim und Jean-Daniel Roth von Weihnach-ten im Schuhkarton. An Verkaufsständen von Kamay Kraft und Rehovot waren Fair Trade-Artikel zugunsten von Servants und der Integrationsarbeit im Kleinbasel erhältlich.

Am 7. November fand in Basel ein Benefizabend für verschiedene Hilfsorganisationen statt. Rund 550 Personen besuchten den Anlass in der Thomaskirche und informierten sich über die Arbeit der vier veranstaltenden Organisationen.

Besucherstatements«Die Idee, neben Onesimo auch Organisationen ein-zuladen, die in Basel aktiv sind, finden wir super. Genau dies braucht es, damit wir nicht «nur» an Ma-nila denken, sondern auch an unsere Möglichkeiten, hier in der Schweiz vor Ort zu handeln. Wir denken, dass der Abend für viele aktive Leute eine Ermuti-gung war.»Simon und Barbara Stankowski, Wyssachen

«Ich freue mich sehr, wenn ihr den nächsten Anlass wieder bei uns macht. Auch für mich persönlich sind diese immer ein Gewinn. Ich habe beim Zuhören richtig Gänsehaut bekommen.»Marcel Isler, Sigrist Thomaskirche

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«Das habt ihr fantastisch auf die Reihe gekriegt! Der Mix zwischen Informationen, Unterhaltung und Tiefgründigkeit hat exakt die Pulsader getroffen. Bei einem solchen Event kann man gut auch Aussen-stehende mitnehmen. Auch könnte man alles fil-men und das auf der Website veröffentlichen.»Benjamin Gröhbiel

«Der Film hat mich stark zum Nachdenken angeregt. Ich hatte in der Jungschar und Kirchgemeinde Bu-bendorf immer wieder von Onesimo gehört und spendete auch gerne Geld, weil ich weiss, dass es dort dringend gebraucht und sinnvoll eingesetzt wird.»Matthias

Neuer Film über Onesimo auf DVD!Der neue Film von Daniel Wahl mit Ernie Opiasa ist auf DVD (CHF 15.- + Porto) erhältlich. Auch die Musik des Benefizkonzerts wurde aufge-zeichnet und kann als CD für CHF 10.- + Porto be-stellt werden: [email protected] 061 301 42 66

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B u c h t i p p Jesus for PresidentShane Claiborne & Chris Haw Brunnen-Verlag CHF 36.30

Was sollen Christen tun, wenn politische Korrektheiten, wirt-schaftliche oder nati-onale Ansprüche mit dem persönlichen Glauben in Konflikt geraten? Nach Claibornes Bestseller «Ich muss verrückt sein, so zu leben» ist nun ein weiteres provokatives Buch erschienen, das den Leser mit unge-wohnten Perspektiven auf biblische Texte herausfordert. Die Darstellung der sozialen und ökonomischen Ord-nungen der Bibel wirft ein erhellendes Licht auf die Rolle der Christen in der Gesellschaft. Jesus forderte seine Jünger auf, mitten in der Welt nach anderen Spielregeln zu leben – nach denen des Reiches Gottes.

«Mit diesem zweiten Buch erweist sich Claiborne als umgänglicher, intelligen-ter und humorvoller Prophet seiner Generation. Seine Botschaft ruft heraus aus der Business-as-usual-Mentalität ei-ner korrupten Welt, hinein in die radi-kal andere soziale Ordnung des Gottes der Bibel.» Publishers Weekly

Von den Armen beschenkt

Neu: Discovery TeamMöchten Sie für zwei oder vier Wochen in die Slums von Manila, um einen Ein-blick in die Arbeit von Onesimo zu er-halten? Dies ist nun möglich mit dem Discovery Team. Dabei können Sie zeit-gemässe Mission mit nachhaltigen Ent-wicklungsprojekten kennenlernen. Und als Höhepunkt begleiten Sie einen mehrtägigen Ausflug an den Strand von Camp Rock auf der Insel Mindoro. Eine persönliche Begegnung mit armen Menschen hinterlässt bleibende Spu-ren. Wenn Sie den Kulturschock wagen möchten, informieren Sie sich am Ori-entierungsabend am 14. Januar in Ba-sel. Anmeldung bitte an [email protected], Telefon 061 301 42 66. Weitere Informationen fin-den Sie im Internet: www.onesimo.ch «Entdeckungsreisen 2010».

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S W I T Z E R L A N D

Unrecht verstehen – gerecht handeln

Dies war das Thema der diesjährigen StopArmut-Konferenz. Als kleine Basler Gruppe reisten wir nach Bern und freu-ten uns, einige bekannte Gesichter von Onesimo-Freunden zu sehen, welche die rund zweihundert Besucher mit ei-nem Fairtrade-Frühstück bewirteten.Der Leiter des internationalen Micah Challenge, Joel Edwards, redete über die Verantwortung der Christen zur in-tegralen Mission, welche auch soziale Anliegen der Armen auf der Welt mit-einschliesst. Die folgende Podiumsdis-kussion, unter anderem mit dem Präsi-denten der EVP Schweiz und Exnationalrat Heiner Studer, Martin Bühlmann und Esther Bodenmann, be-leuchtete die Frage, was wir Schweizer konkret zum Erreichen der Millenni-umsziele tun können.

Nach einem afrikanischen Mittagessen ging es weiter mit Workshops zu The-men wie gerechter Konsum und Klima-schutz. Ermutigt zu kleinen Alltags-schritten reisten wir nach Basel zurück, dankbar für die wachsende Zahl von Menschen, die versuchen, solidarisch mit den Armen dieser Welt zu leben.

Monika Thiel / Christine Schneider

Einige Mitarbeiter von Servants Switzerland treffen Shane Claiborne an einer Veranstaltung auf St. Chri-schona bei Basel

Die gut besuchte StopArmut-Konfe-renz in Bern

Wer der Armut ins Gesicht sieht, lernt liebenswürdige Menschen ken-nen, die sein Leben bereichern

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Projekte Indien

Lilok

Onesimo

Projekte Manila

Anderes: ________________________________

Projekte Kambodscha

Onesimo Patenschaft

Onesimo Kids (Bulilit)

Administration

Servants Switzerland Rotbergerstrasse 12 CH-4054 Basel Telefon: +41 61 382 80 30 E-Mail: [email protected]

Auflage: 2000 Exemplare Druck: Jost Druck AG, Hünibach Redaktion: Melanie Böhm, Markus Siegenthaler Layout: wortbild gmbh, David Meyle

Zweckgebundene Spenden gehen zu 100% an den Bestimmungsort. Wählen Sie unter folgenden Projekten

Administration•Onesimo Kids•Onesimo Patenschaften•Onesimo Youth•Projekte Indien•Projekte Kambodscha•Projekte Manila•Unterstützung für (Name angeben)•

Zahlungen innerhalb der SchweizPostfinance: 40-38079-9IBAN: CH83 0900 0000 4003 8079 9Oder: UBS AG8098 ZürichPostkonto: 80-2-2 zugunsten von: Servants Switzerland CH29 0023 3233 9078 4640J

Konto für Onesimo in DeutschlandSparda-Bank HessenBIC: GENODEF1S12 zugunsten von: AFEK e.V.Oder IBAN: DE52 5009 0500 0000 2414 89 Verwendungszweck: Onesimo

Impressum je den Fall bei den Bundessteuern und bei den Kantonssteuern von Appen zell Aus-serrhoden, Basel-Stadt, Baselland, Bern, Freiburg, Graubünden, Solothurn und Thurgau. Bei allfälligen Problemen in an-deren Kantonen rufen Sie Nicolai Fullin zu Bürozeiten an: 061 264 90 20.

Spenden für Onesimo lassen sich auch in Deutschland von der Steuer abziehen.

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SteuerabzugLiebe Freunde, bitte betrachten Sie diesen Einzahlungsschein nicht als Zahlungs-aufforderung. Er soll für diejenigen eine Erleichterung sein, die unser Werk un-ter stützen möchten. Unser Aufwand für Druck und Versand der Servants News beläuft sich im Jahr auf etwa CHF 10.– pro Adresse. Spenden an Servants wer-den zu 100 % für die begünstigten Pro-jekte eingesetzt und lassen sich in der Schweiz weitgehend von den Steuern ab-ziehen. Die Abzugsberechtigung gilt auf

Servants Switzerland ist Teil der internationalen Bewegung Servants to Asia’s Urban Poor

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«Gott hilft denen, die anderen helfen.»

John Wesley

Mitarbeiter-Retraite von Onesimo: Fusswaschung