Seth Gebet

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Seth-Gebet Mit Abbildungen 3-4 William Brashear (Berlin) P.Berol. 17207 16 13,5 cm Herkunft unbekannt 4.-5. Jh. n.Chr.? Erhalten ist die untere Partie eines Papyrus-Kodexblattes mit Teilen des seitlichen und des unteren Randes. Auf der Seite der horizontalen Fasern (-> = Seite 2) ist 5 cm vor dem rechten Rand eine vertikale Klebung sichtbar. Oben und links ist der Text abgebrochen; wieviel oben fehlt, ist unbestimmt. Auf der linken Seite fehlen im oberen Bereich nur ein paar Buchstaben, die sich ergänzen lassen. Unten feh- len dagegen halbe Zeilen, deren Ergänzung auf Schwierigkeiten stößt. 1 Auf der Seite der vertikalen Fasern ( = Seite 1) ist rechts ein Teil des Textes abgebrochen; ob nur ein paar Zentimeter oder die ganze rechte Hälfte des Kodex- blatts, läßt sich nicht mehr feststellen. Links ist ein Rand von 1,5 cm nur teilweise, unten ein Rand von 1,7 cm erhalten. Die 13 Zeilen Text sind z.T. abgerieben. Der Seite der vertikalen Fasern (i = Seite 1) folgt wohl die Seite der horizontalen Fasern (-> = Seite 2), die den mit Ornamenten geschmückten Titel des Werkes enthält. Unter diesem befindet sich ein sogenanntes Kolophon-Gebet, das sowohl dem Schreiber als auch dem Leser Frieden verheißt. Darauf folgt unten rechts die Zeichnung eines großen ornamentalen Kreuzes. 2 Ränder sind rechts im Umfang von 2,4, unten von 1,5 cm erhalten. Die Schrift ist in dicken, unregelmäßigen Zügen in schwarzer Tinte aufgetra- gen. Vergleichbar ist die Schrift von P.Oxy. XLII 3011 (3. Jh.), LVI 3829 (spätes 2. Jh.?); P.Köln 66 (2. Jh.; A. Henrichs, ZPE l, 1967, 45: ausgehendes 2. Jh. n. Chr.); und E.P. Wegener, Some Oxford Papyri = P.Lugd. Bat. , . 19, plate IX (208 n.Chr.). Eine so frühe Datierung in die Zeit um das 2./3. Jh. scheint ange- sichts des Textinhalts jedoch ausgeschlossen und eine spätere, eventuell in das 4. * Nach der Fertigstellung der Abschrift machte mich G. Poethke darauf aufmerksam, daß sich in dem ihm von Frau Dr. Ursula Treu zur Verfügung gestellten Nachlaß von Kurt Treu eine Ab- schrift sowie Notizen zum vorliegenden Text befanden. Diesen Nachlaß hat mir Herr Poethke freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Für die in diesem Aufsatz vertretene Interpretation sind K. Treus Notizen jedoch weniger von Bedeutung, denn offensichtlich sah er in dem Text ein rein christliches Gebet, was in den Textresten keine Bestätigung findet. - Ich danke G. Poethke auch für die stilistische Durchsicht dieses Aufsatzes. 2 Eine ausführlichere Besprechung dieser Verzierung bei U. Horak, Illuminierte Papyri, Perga- mente und Papiere II, Wien 1996 (im Druck). Brought to you by | New York University Authenticated | 128.122.65.156 Download Date | 4/29/14 1:14 AM

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Seth-Gebet

Mit Abbildungen 3-4

William Brashear (Berlin)

P.Berol. 17207 16 13,5 cm Herkunft unbekannt4.-5. Jh. n.Chr.?

Erhalten ist die untere Partie eines Papyrus-Kodexblattes mit Teilen des seitlichenund des unteren Randes. Auf der Seite der horizontalen Fasern (-> = Seite 2) ist 5cm vor dem rechten Rand eine vertikale Klebung sichtbar. Oben und links ist derText abgebrochen; wieviel oben fehlt, ist unbestimmt. Auf der linken Seite fehlenim oberen Bereich nur ein paar Buchstaben, die sich ergänzen lassen. Unten feh-len dagegen halbe Zeilen, deren Ergänzung auf Schwierigkeiten stößt.1

Auf der Seite der vertikalen Fasern ( = Seite 1) ist rechts ein Teil des Textesabgebrochen; ob nur ein paar Zentimeter oder die ganze rechte Hälfte des Kodex-blatts, läßt sich nicht mehr feststellen. Links ist ein Rand von 1,5 cm nur teilweise,unten ein Rand von 1,7 cm erhalten. Die 13 Zeilen Text sind z.T. abgerieben. DerSeite der vertikalen Fasern (i = Seite 1) folgt wohl die Seite der horizontalenFasern (-> = Seite 2), die den mit Ornamenten geschmückten Titel des Werkesenthält. Unter diesem befindet sich ein sogenanntes Kolophon-Gebet, das sowohldem Schreiber als auch dem Leser Frieden verheißt. Darauf folgt unten rechts dieZeichnung eines großen ornamentalen Kreuzes.2 Ränder sind rechts im Umfangvon 2,4, unten von 1,5 cm erhalten.

Die Schrift ist in dicken, unregelmäßigen Zügen in schwarzer Tinte aufgetra-gen. Vergleichbar ist die Schrift von P.Oxy. XLII 3011 (3. Jh.), LVI 3829 (spätes2. Jh.?); P.Köln 66 (2. Jh.; A. Henrichs, ZPE l, 1967, 45: ausgehendes 2. Jh. n.Chr.); und E.P. Wegener, Some Oxford Papyri = P.Lugd. Bat. , . 19, plateIX (208 n.Chr.). Eine so frühe Datierung in die Zeit um das 2./3. Jh. scheint ange-sichts des Textinhalts jedoch ausgeschlossen und eine spätere, eventuell in das 4.

* Nach der Fertigstellung der Abschrift machte mich G. Poethke darauf aufmerksam, daß sichin dem ihm von Frau Dr. Ursula Treu zur Verfügung gestellten Nachlaß von Kurt Treu eine Ab-schrift sowie Notizen zum vorliegenden Text befanden. Diesen Nachlaß hat mir Herr Poethkefreundlicherweise zur Verfügung gestellt. Für die in diesem Aufsatz vertretene Interpretation sindK. Treus Notizen jedoch weniger von Bedeutung, denn offensichtlich sah er in dem Text ein reinchristliches Gebet, was in den Textresten keine Bestätigung findet. - Ich danke G. Poethke auchfür die stilistische Durchsicht dieses Aufsatzes.

2 Eine ausführlichere Besprechung dieser Verzierung bei U. Horak, Illuminierte Papyri, Perga-mente und Papiere II, Wien 1996 (im Druck). Brought to you by | New York University

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oder 5. Jh. n.Chr. vorzuziehen.3 Gelegentlich treten orthographische Fehler undLautverwechslungen auf.

Ausdr cke wie das zweimal vorkommende äïîÜæù óå, [åí] ôù üíüìá[ôéund ]ïò ÜãåííÞôïõ Ü[ìÞí (?) verleihen dem Text auf den ersten Blick den Cha-rakter eines christlichen hymnischen Gebets. Doch deutet das Vorhandensein vonberstrichenen merkw rdigen Wortgebilden, die z.T. griechischen Wortbildungs-

gesetzen widersprechen, darauf hin, da es sich bei diesem Text eher um ein Zau-ber- oder gnostisches Gebet handelt. berstrichene W rter sind in den griechi-schen4, koptischen5 und hebr ischen6 Zaubertexten aus gypten wie auch aus dengnostischen Texten7 ein bekanntes Ph nomen. Da es sich schlie lich weniger umZauber als um Gnostisches handelt, zeigt das Auftauchen einiger der berstri-ebenen W rter dieses Textes in den ber hmten koptisch-gnostischen Kodizes ausNag-Hammadi sogar in derselben Reihenfolge.

Mit anderen Worten, auch wenn die hier vorhandenen, sonst nur in koptisch-gnostischen Texten vorkommenden nomina mystica nicht unbedingt genuineskoptisches Sprachgut darstellen, haben wir es mit einem seltenen griechisch-gnostischen Text zu tun, der vielleicht im 4.-5. Jh. n.Chr. in einen Papyruskodexniedergeschrieben wurde. Ob dieser griechisch geschriebene Text eine

bersetzung aus dem Koptischen oder vielmehr eine originale griechische Pro-duktion ist, l t sich anhand des geringen Textumfangs des erhaltenen Fragmentsletzten Endes nicht mehr feststellen. Sinn und Inhalt sind gleicherma en obskur.Nach den anf nglichen nomina mystica (Z. 1-3) kommen Lobpreisungen (Z. 4-5,11-12: êáé äïîÜæù óå) vermischt mit Attributen und Eigenschaften wie Edelmut(Z. 6: ýøéöñþíçò), Enthaltsamkeit (Z. 7: Ýãêñáôßáò, óõãêñáôßáò) und anderen(Z. 8: ùêñáôßáò?) vor. Das Verst ndnis des Inhalts wird durch den zunehmendenTextverlust erschwert. In Z. 10 ist die Rede von "Kenntnis" (ÝðéóôÞì[ç), ein Aus-druck, der in gnostischen Kontexten mit pr gnanter Bedeutung beladen ist.

"Im Namen1' eines Unbekannten (Z. 13: ôù üíüìá[ôé) endet der lesbare Textauf Seite 1. Es ist jedoch verlockend, dies als Anfang des Schlu -Satzes des gan-zen Werkes anzusehen, der sich oben auf Seite 2 fortsetzt. Es w re also eine Wort-folge wie etwa (Z. 12) [åí] ôù ïíüìáôé [ôïõ ], (Æ. 14) weitere Attribute, (Z.15) [ ôïõ ]ïò, ÜãåííÞôïõ, Ü[ìÞí] ("im Namen des , des en, Unge-zeugten.' Amen") theoretisch denkbar. In der Tat ist es m glich, doch nicht eindeu-tig zu beweisen, da vom oberen Teil des Kodexblatts nur ein oder zwei Zenti-meter fehlen und der letzte Satz auf Seite l direkt seine Fortsetzung in dem erstenSatz auf Seite 2 findet, nat rlich vorausgesetzt, da das Erhaltene den rechten Teil

3 H. Maehler, Zur Datierung griechischer Buchschriften des 4. bis 8. Jahrhunderts aus gyp-ten, in: D. Harlfmger und G. Prato, [Hrsgg.], Paleografia e codicologia greca (Atti del II Colloquiointernazionale, Berlino-Wolfenb ttel, 17-21 ott. 1983), Alessandria 1991, 31-40, er rtert dieSchwierigkeiten der Datierung solcher Schriften.

4 Z.B. Suppl. Mag. I, Nr. 14, 19; II, Nr. 79.5 Z.B. P.Heid. V, Nr. 134ff.6 P. Sch fer, S. Shaked, Magische Texte aus der Kairoer Geniza I, T bingen 1994, passim.7 Pistis, S. 398ff.: "Namen- und Sachregister"; NH Xl,3,54.Brought to you by | New York University

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des Kodexdoppelblatts darstellt. Genauso w re m glich, da das Erhaltene denlinken Teil des Doppelblatts darstellt mit dem Schlu des einen Werkes auf Seite2 und dem Anfang eines anderen auf Seite l. Der Einfachheit halber sei die ersteThese angenommen, das erhaltene Fragment stelle den rechten Teil des ganzenKodexblattes dar und der letzte Satz auf der ersten Seite werde mehr oder wenigerdirekt in den zwei Zeilen auf der zweiten Seite fortgesetzt.

Wenn diese Annahme zutrifft, h tte man es mit einem Kodex von ungew hnli-chem Format zu tun. Blattgr en von 16 cm Breite und 18-20 cm H he sind inder Antike selten belegt. Kodexbl tter mit einer Breite von 16 cm haben normaler-weise H hen von 22 bis 29 cm.8 Somit zeigt sich die soeben vorgestellte These alsh chst spekulativ.

Der Titel auf Seite 2 verr t, da es sich bei dieser Schrift wom glich um "dasGebet von Seth" handelt. Eine eindeutigere Aussage zur Einordnung dieser merk-w rdigen Schrift in eine Literaturgattung h tte man sich nicht w nschen k nnen.Nur ist diese auf den ersten Blick so willkommene Information viel eher Grundzur Frustration als zur Freude. Denn in der bisher berlieferten gnostischen Litera-tur gibt es keinen Hinweis auf ein so betiteltes Werk. Die einzig bekannte Paral-lele aus der gnostischen Literatur, die von seinem Herausgeber als "Gebet desSeth" bezeichnet wird, ist die in NH VII,5,118.25b - 119.15 erhaltene Stelle. Dortrichtet Seth ein Dankgebet an Adamas, weil der ihn gezeugt und ins Leben ge-rufen hatte.9 Aber man vermi t eine hnlichkeit oder gar Beziehung dieser kop-tisch bzw. griechisch verfa ten Texte zueinander. In den manich ischen Kephalaiawird auch auf ein "Gebet von Sethel" verwiesen und stellenweise wird aus diesemGebet zitiert. Trotzdem bleiben auch hier etwaige hnlichkeiten zwischen diesemund jenem St ck aus.10 Videant peritiores!

Seite U] û áù[ì]í å[ ] [ ]

[ì]åë×. öáïõ åë [ë] åìì [ ][ ] éóóìïõí åðôáùí ã[ ][ ]óå êáé äïîÜæù óå åî åê [ ]

5 [ô]çò íåùôÝñáò ôçò óçò å [ ][ ]çò ôçò õøùöñùíçò ôçò[ ']'åíêñáôéáò ôçò óõíêñáôéáò [ ]ôçò ùêñáôéáò ôç ðñïó éó [ jôïìïõöïõçóõí[ ca. 10]

10 ëïí ç åðéóôçì[ç ca. 9]óéò ôïõ ùëïõ å[ êáé äï-]

8 E.G. Turner, The Typology of the Early Codex, Univ. of Pennsylvania 1977,18-19: Group 6,Aberrant.

9 Claude 64ff.10 Kephalaia (= Manich ische Handschriften der Staatl. Museen Berlin I), Stuttgart 1940, S.42:

" ber die Deutung der vierzehn [grossen] Aeonen, ber die Sethel [in seinem] Gebet gesprochen jhat". Diesen Hinweis verdanke ich lain Gardiner. jBrought to you by | New York University

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îáæù óå åî[ ca. 6 åí]ôù ïíùìá[ôé ca. 6 ]

Seite]áíôéí ðñïóùð[

15 ]ïò áãåííçôïõ á[

]ðëç[ ]ç åõ÷Þ óçô

[å]éñçíç ôù ãñáøáí[ôé] êáé [ôù] áíáãéíù[óêïíôé ]

1 ] û áù[ì1íå{: Winzige, nicht weiter zu identifizierende Tintenspur vor Ypsilon.Papyrus ber Alpha, Omega und Epsilon abgebrochen, wo vermutlich auch einSupralinearstrich zur Kennzeichnung dieser W rter als nomina barbara gestandenhatte. Vermutlich wurde My zu Ny ver ndert.

Etwas hnlicher Wortlaut in NH XI, 54.28-29: óç-íáþí und NH VII,5,126.6(Claude 54): óçíáùí; NH ×ÉÐ,1,39.2: íáéùí. Hier liegt eventuell ein Schreibfeh-ler vor, und man k nnte (mit gro er Vorsicht) emendieren: ó]õ(í)áùí, wobei óõwiederum eine Verschreibung von óç darstellen k nnte.2 [ì]åëë.öáïõ : Der Buchstabenrest vor Phi l t sich nicht leicht erkl ren. Amehesten k nnte es ein fehlerhafter Buchstabe sein (eventuell Iota?), der dann ber-schrieben wurde. Vgl. NH XIH,1,39.2 ìåëëåöá[; NH VII,5,126.7-8 (Claude 54):ìå(ëëç)öíåõ; NH XI,3,54.30: ìåëëåöáíåõ.

åë [ë] åìì [ ]: Vgl. NH XI,3,54.30: åëåìáùíé. Ob einmal ein oder keinLambda in der L cke zwischen Lambda und Epsilon stand, ist schwierig zu ent-scheiden. F r ein Lambda ist die L cke einerseits zu eng, andererseits ist der Ab-stand zwischen Lambda und Epsilon ungew hnlich breit.

2-3 Die Verteilung der Buchstaben und die Wortabteilung bereiten Schwierig-keiten. Laut NH VII,5,126.8 (Claude 54) hei t das Wort åëåìáùí, laut NHXI,3,54.30: åëåìáùíé. In der L cke rechts im Papyrus ist gen gend Platz f r dasWortende, also Alpha, Omega und Ny. Das Iota befindet sich am Anfang dern chsten Zeile. Dort ist allerdings keine Trennung zwischen dem Iota und demAnfangs-Sigma des n chsten Worts zu sehen. Was als zwei W rter in NHXI,54.30 und NH VII,5.8 geschrieben wurde, ist hier in eines zusammenge-schmolzen.

3 ] éóóìïõí åðôáùí ã[ ]: Vgl. NH VII,5.126.8: ïðôáùí åëåìáùí, ×É, 3,54. 3Ú: åëåìáïíé óìïõí ïðôáùí. An der linken Bruchkante vor Sigma ist dieSpur eines Vertikalstrichs zu sehen; man denkt an Iota, Ny oder dgl. An der rech-ten Bruchkante ist gleicherma en ein Vertikalstrich zu sehen.

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3-4 Die Tintenspur am Ende von Z. 3 ist schwer zu deuten. Weil der auf Rweisende Querbalken hier fehlt, kommen Kappa, Iota, Gamma oder dgl. in Frage.Da kein Supralinearstrich ber die Buchstabenspur hinausragt, ist wohl mit einemgriechischen Verbum zu rechnen: [ ù] óå "ich --- e Dich".

4 äïîÜæù: Xi unterscheidet sich von Zeta nur durch einen kleinen Knick imDiagonalstrich, der im Diagonalstrich des Zeta nicht vorkommt.

4-5 åî ÝêÜ[óô]çò?: Vgl. NH ÕÐ,5, 127.1 1-12: "for they all bless these indivi-

5ff. Die folgende Serie von Artikeln plus Adjektiv (5: [ô]Þò íåùôÝñáò, 9:ôüìïõ) bzw. Substantiva h ngt wohl von der Pr position åî in Z. 4 ab.

6 õøéöñùíçò: /. ýøéöñüíçò addendum lexicis. K. Treu verwies auf Greg. Naz.,carm. 22 (6.104): ýøßöñùí, und auf Hermas, Simil. 8.9.1: õøçëüöñùí. S. anson-sten G.W.H. Lampe, Patristic Greek Lexicon, Oxford 1961, (s.w.), wo weitereBelege f r beide W rter zitiert sind; R. Barbour, Greek Literary Hands, Oxford1981, no. 79 fin.: ýøçëüöñï-. Beide W rter kommen jedoch auch bei fr herenSchriftstellern vor (s. LSJ, s.w.). Gemeint ist jedoch wohl die Figur der Hypsi-phrone, einer dunklen Gestalt, die nur in dem nach ihr benannten Traktat (NHXI,4) vorkommt. Dort beschreibt sie, u.a. "I came [forth from the place] of myvirginity and I went down to the [world]."

7 /. åãêñÜôåéáò: åãêñÜôåéá, "Enthaltsamkeit, Abstinenz". Die Enthaltsamkeitwurde von vielen damaligen Sekten als Tugend angepriesen. Vor allem jedochwird der Ausdruck mit den sogenannten Enkratiten, einer Sekte in Kleinasien im4. Jh. n.Chr., die diese Bezeichnung f r sich selbst benutzten, in Verbindung ge-bracht. Sie hatten eine eigene Organisation mit Kl stern, Priestern, M rtyrern undDiakonissen. Sie enthielten sich des Wein- und Fleischgenusses und waren denkirchlichen Christen gegen ber, die sie Weins ufer nannten, sehr feindselig ge-stimmt. Ihr Ursprung ist wohl sehr fr h in Alexandrien zu finden. Das gypter-evangelium, das wohl dort entstanden ist und jedenfalls enkratitischen Geist at-met, mu ihr spezielles Evangelium gewesen sein. Auch in Alexandrien entstan-den wohl die enkratitischen Spr che des Sextus. Klemens bek mpfte die Enkrati-ten in seinen Stromateis III, und zwar besonders Tatian, den Alexandriner JuliusCassianus und die alexandrinischen Enkratiten.11

/. óõãêñáôåßáò: óõãêñÜôåéá, "Enthaltsamkeit, Abstinenz", kommt einmal inEuthaiius Diaconus1 Ausgabe der paulinischen Briefe vor (= J.P. Migne,Patrologia Graeca 85.752 D): Üëëïé äå Þèåëïí êáôáëéìðÜíåéí ôÜò ãõíáßêáòðñïöÜóåé ôçò óõãêñáôåßáò.

11 G. Quispel, Makarius, Das Thomasevangelium und das Lied von der Perle (= NTS 15), Lei-den 1967, 72ff., mit Verweis auf Franco Bolgiani, La traduzione eresiologica sull1 Encratismo, I,Atti dell1 Accademia delie Scienze di Torino 91 (1956-1957) 1-71; G. Blond, "L1 'horesie1 encratitevers la fin du quatrieme siecle", RScR 1944, 157-200. S. ansonsten H. Chadwick, "Enkrateia",RAG 5 (1962) 343-365, und H. Chadwick, The Sentences of Sextus, Cambridge 1959.

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8 /. ôçò ßóïêñáôåßáò (?): Vorausgesetzt, dies ist der richtige, urspr nglicheWortlaut, k nnte die Textverderbnis hier folgenderma en entstanden sein: Zueiner Etappe der berlieferung dieses Texts hatte ein Schreiber, mit dem GebildeTHCICO- konfrontiert, zun chst das Iota bersehen und dann die eng nebeneinan-der stehenden Sigma und Omikron f r ein Omega gehalten.

8-9 ôçðñïóç [ ] / ôïìïõöïõçóõí[: Die Worttrennung in diesen Zeilen istproblematisch. Der Buchstabe vor Phi bereitet Schwierigkeiten, weil er keinemsonst auf dem Papyrus hnelt; ein schnell geschriebenes Ny oder Ypsilon k menin Frage. Man k nnte vielleicht emendieren ôñ ðñïóç [ ]ôüìù öõñ óõí[ odermit Fortsetzung der Reihe ôçò plus Substantiv ôçò ðñïóç [ ]ôüìïõ öõÞò óõí[.

9-10 [ìáë]ëïí Þ ?11 /. üëïõ12 åî [Ýêáóôçò åí] ?13 /. üíüìá[ôé14 ]áíôéí: áíôéãï , áíôéëï sind auch m gliche Lesungen. Non liquet.ðñïóùð[: S. z.B. Pistis, S. 304.25,26,341 f., ber die verschiedenartigen Ge-

sichter der Gestalten der Gnosis.15 áýôïãåíÝôïñ]ïò ÜãåííÞôïõ Ü[ ðáôñüò áìÞí (?): Eventuell die Fortset-

zung des Wortlautes in Z.13 der vorangehenden Seite: åí] ôù üíþìá[ôé ôïõ ],in der die verschiedenen Attribute des Vaters aufgez hlt werden: "im Namen des

Ungezeugten. Amen."áýôïãåíÝôïñ]ïò (?): áýôïãåíÝôùñ "selbstgezeugt". Gleicherma en ein Attribut

des h chsten Gottes in gnostischen und nicht gnostischen Glaubenssystemen. S.z.B. Schriften 107.4-5: ð^ãôèÀ̀ôùñ Ìâßùô; Pistis, S. 366.33; Pseudo-Clem.,Hom. 16.16: ôï áýôïãÝííåôïí; G. Stroumsa, Another Seed, Leiden 1984; W.Speyer, "Genealogie", RAG 9 (1976) 1145-1268, bes. 1251ff.: "Genealogie imGnostizismus"; C.A. Baynes, A Coptic Gnostic Treatise, Cambridge 1939 (nonvidi). Aber im peratisch-gnostischen System ist das erste Prinzip ÜãåííÞôïí unddas zweite áýôïãÝííçôïí. S. M he 48f.; Claude 69ff.

Nat rlich k men andere hnliche Wendungen und Attribute als Erg nzung inFrage: áýôüðáôñ]ïò, áýôüìçôñ]ïò, ðñùôïãåííÞôïñ]ïò, sowie auch solche, die alsPartizip (-ïíôïò) gebildet sind.

ÜãåííÞôïõ: ÜãÝííçôïò "ungezeugt". Es ist ein Gemeinplatz der Religionsph -nomenologie, da die allerh chsten Gottheiten der Weltreligionen ungezeugt sind.So bleibt in den gnostischen Schriften aus gypten dieses Attribut haupts chlichdem Vater vorbehalten, wenn es auch gelegentlich anderen Wesen zukommt. S.z.B. Schriften 90.12, 91.13, 92.12: ^ÀÌÍÇÔèèÌ€Àùô "ungezeugter Vater". Vgl.M he 48ff., 110; K. Rudolph, Die Gnosis, Leipzig 1977, 70ff.; W. Bauer, Griech.-Deutsch. Wb. z. d. Schriften des Neuen Testaments, Berlin 1963, s.v.

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16 ]ðëç[ ] ç åõ÷Þ óçô: Diese mit reich verzierter Umrandung geschm ckteZeile ist zweifelsohne der Titel des Gesamtwerks.12 Allem Anschein nach handeltes sich um einen Doppeltitel, von dem jetzt nur der zweite Titel vollst ndig erhal-ten ist. (ÐëÞñùìá, das als erste, attraktivste m gliche Erg nzung einf llt, scheidetwegen der K rze der L cke zwischen den zwei Etas aus.)

Þ åõ÷Þ Óçô ist eine m gliche Auslegung der vorhandenen Buchstaben, wobeiein nicht unbedingt notwendiger Artikel erg nzt werden k nnte: Þ (Þ) åõ÷Þ Óçô.Oder man liest Þ åõ÷Þ Óçô.

Þ åõ÷Þ Óçô: "Das Gebet Seths." ber die Lesung Óçô besteht nicht der gering-ste Zweifel. Nachdem das Rohr beim Schreiben des vorangehenden Wortes bei-nahe trocken ausgelaufen war, wurde es erneut in die Tinte getaucht, um die dreiBuchstaben mit frischer Tinte in kr ftigen Z gen zu schreiben. Diese Buchstaben-folge ist wohl nur so zu verstehen; andere Trennungen ergeben keinen berzeu-genden Sinn.

Zur Orthographie Óçô: W. Vycichl, Dictionnaire etymologique de la languecopte, L wen: Peeters 1983, 198, s.v. CHT, verweist auf das Vorkommen des Na-mens in PGM 1251 in dieser Orthographie mit Tau am Ende anstatt mit dem bli-cheren Theta. Die Verwendung des Taus in normalerweise auf Theta auslaufendenG tternamen sind in den Zauberpapyri h ufig, z.B. Áùè-Áùô, Áâáùè-Áâáùô(Suppl. Mag. II 87.10), óåñöïõè-óåñðïô (ibid., l 44.7,9), Éùåñâçè-Éùåñâçô(PGM IV 185); Éáùô (PGM V 141), Èáè-Èáô (PGM XIII 759); ebenso die Va-riante in der Septuaginta wie z.B. Ôùâéè = Ôùâéô. Insofern ist es nicht abwegig zupostulieren, da man es hier mit dem gnostischen Set(h) zu tun hat.

Akzeptiert man nun die These, da wir es hier mit dem gnostischen Seth zu tunhaben, ist dann dieser Text "das Gebet an Seth (ôù Óçô)" oder "das Gebet des Seth(ôïõ Óçô)?" Warum fehlt der bestimmte Artikel vor dem Personennamen, derdiese Frage entscheiden k nnte? In Titeln erscheint der bestimmte Artikel nichtimmer vor Personennamen. So wird auf den Artikel im Falle eines Genitivs fterverzichtet, so z.B. in dem Alten Testament: öäÞ ÌùõóÝùò, ðñïóåõ÷Þ "Áííáò,öäÞ ¸æåêßïõ, ðñïóåõ÷Þ ÌíáóóÞ, ðñïóåõ÷Þ Ìáñßáò, âßâëïò ëüãùí Ôùâéè,usw. Im Fall des Dativs jedoch wird der Artikel vor dem Namen gesetzt: øáëìüòôù Äáõßä, ðñïóåõ÷Þ ôù Äáõßä, usw. Anders dagegen beim Genitiv in Epiphanius,Panarion 26,8,1: Üëëïé åéò üíïìá ôå ôïõ ÓÞè ðïëëÜ âéâëßá ýðïôßèåíôáé (GCS25, ñ. 284.12-13 Holl); Epiphanius, Panarion 39,5,1: åî ïíüìáôïò ìåí ÓÞè åðôÜëÝãïõóéí åßíáé âßâëïõò (GCS 31, ñ. 75.10-11 Holl); Epiphanius, Panarion40,7,4: âßâëïõò — åéò üíïìá áõôïý ôïõ ÓÞè ãåãñáììÝíáò (GCS 31, ñ. 88.8-10

12 S. im allg. zur Betitelung antiker Werke: E. Schmalzriedt, Zur Fr hgeschichte der Buchtitel,M nchen 1970; R.P. Oliver, ÔÁÑÁ 82 (1951) 232-261; E. Nachmanson, Der griechische Buchtitel.G teborgs Hogskolas rsskrift 47.19, 1941; M. Hengel, Die Evangelien berschriften, SB. Hei-delberg. Ak. d. Wiss., phil.-hist. Kl. 1984,3; W. Luppe, ZPE 27 (1977) 89ff.; Richard Harder, "Be-merkungen zur griechischen Schriftlichkeit", Die Antike 19 (1943) 106; Karl-Erik Henriksson,"Griechische B chertitel in der r mischen Literatur (= Annales Acad. Scient. Fennicae, Ser. 5,102.1), Helsinki 1956.

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Holl); NH VII70: Äåýôåñïò ëüãïò ôïõ ìåãÜëïõ Óçè (Hinweis von J. Robinson).Nach den zitierten Parallelen zu urteilen, ist vielleicht hier eher mit dem Genitivzu rechnen. Vermutlich hat man es in P.Berol. 17207 nicht mit dem "Gebet anSeth" sondern eher mit dem "Gebet des Seth" zu tun.13

Zu Seth: S. Birger A. Pearson, "Egyptian Seth and Gnostic Seth", Society ofBiblical Literature 1977 Seminar Papers, (PJ. Achtemeier, Hrsg.), Missoula 1977,25-43; id., "The Figure of Seth in Gnostic Literature", in: id., Gnosticism,Judaism, and Egyptian Christianity, Fortress Press: Minneapolis 1990, 52-83;A.FJ. Klijn, Seth in Jewish, Christian and Gnostic Lit. (= NTS 46), Leiden 1977;J. Fossum und B. Glazer, ZPE 100 (1994) 86-92; P. Mirecki, "The Figure of Sethin a Magical Papyrus", in: D. Johnson, Hrsg., Acts of the Fifth Congr. of CopticStudies Bd. Ð, Rom 1994; M. Tardieu, "Les livres mis sous le nom de Seth", in:M. Krause, Hrsg., Gnosis and Gnosticism (= NHS 8), Leiden 1977, 204-210. ZumThema im allg. s. E. Segelberg, "Prayer among the Gnostics?", in M. Krause,Hrsg., Gnosis and Gnosticism (= NHS 8), Leiden 1977, 55-69.

17-19 /. Üíáãéãíþ[óêïíôé]: Ein sogenanntes Kolophon-Gebet. K. Treu verwiesauf hnliche Wendungen in P.Bodmer VIII; P.Bodmer ×ÉÐ; P.Oxy. ×××ÐÉ 2656(s. dort f. weitere Parallelen). Vergleichbare Kolophon-Gebete sind im Griechi-schen: P.Ryl. I 58.204f.; P.Bodmer V: Nativite de Marie, (Michel Testuz, Hrsg.),Cologny-Genf 1958, S. 126. Im Koptischen: NH 11,2-7 (= Nag Hammadi Studies21), Leiden 1989, Kodex-Seite 145.22 (Buchseiten 204-205): "Peace to the saintsand those who are spiritual." Vgl. V. Gardthausen, Griechische Palaeographie II,Leipzig 1913, 431-432.

Zum Kreuzzeichen: Das Kreuz ist nicht Alleingut des Christentums, sondernkommt auch auf gnostischen Denkm lern und Handschriften vor. M. Gramer, Dasalt gyptische Lebenszeichen, Wiesbaden 1955, 45f., listet sein Vorkommen imGnostizismus auf. S. im allg. zum Kreuzzeichen: W. Deonna, Genava 22 (1944)118f.; A. Barb, "Abraxas-Studien", in: Hommages a W. Deonna (= Coll. Latomus28), Br ssel 1957, 81ff.; id., Folklore 61 (1950) 18; A. Jacoby, Byz.-Neugriech.Jbb. 3 (1922) 419; Erich Dinkler, "Kreuz", Die Religion in Geschichte und Gegen-wart IV (1959) 46-47; id., Signum Crucis, T bingen 1967; id. und E. Dinkler-vonSchubart, "Kreuz", Reallexikon f. byzantinische Kunst 5 (1991) 1-219; P. Stock-meier, Theologie und Kult des Kreuzes bei Johannes Chrysostomus, Trier 1966,238ff.; U. Horak, Illuminierte Papyri, Pergamente und Papiere I, Wien 1992, 270s.v.

13 ber den Gebrauch bzw. das Fehlen des Artikels bei G tternamen vgl. E. Mayser, Gramma-tik der griechischen Papyri aus der Ptolem erzeit 11,2, Berlin-Leipzig 1933, § 53; A. Deissmann,Berliner Phil. Wochenschr. 22 (1902) 1467-1468; und J.H. Moulton, A Grammar of New Testa-ment Greek III, Edinburgh 1963, 165-172.

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34 Archiv für Papyrusforschung 42/1,1996

Abkürzungen

Claude = P. Claude, Les trois steles de Seth (NH VII,5), Quebec 1983.GCS = Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahr-

hunderte, Berlin.LSJ = Liddell, Scott, Jones, A Greek-English Lexicon.Mähe = J.-P. Mähe, Hermes en Haute-Egypte I, Quebec 1978.NH = Nag-Hammadi-Codices.NHS = Nag Hammadi Studies.NTS = Novum Testamentum Supplementum.PGM = K. Preisendanz - A. Henrichs, Papyri Graecae Magicae - ,

Stuttgart 1973,1974.Pistis = W. Till - C. Schmidt, Koptisch-Gnostische Schriften I: Die

Pistis Sophia, Die beiden Bücher des Jeu, Unbekanntes altgno-stisches Werk (3. Aufl.), Berlin 1959.

RAG = Reallexikon für Antike und Christentum, Stuttgart 1950ff.Schriften = W. Till, Die gnostischen Schriften des koptischen Papyrus Be-

rolinensis 8502, Berlin 1955.Suppl. R. Daniel, F. Maltomini, Supplementum Magicum - (= Ab-Mag. = handlungen der nordrhein-westfälischen Akademie der Wis-

senschaften. Sonderreihe Papyrologica Coloniensia 16.1,2),Opladen 1990-1992.

= Transactions of the American Philological Association.ZPE = Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik.

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