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Settingansatz und Settingansatz und Gesundheitsförderung Gesundheitsförderung Prof. Dr. med. Dipl. Psych.ger. H. Dech

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Settingansatz und Settingansatz und

GesundheitsförderungGesundheitsförderung

Prof. Dr. med. Dipl. Psych.ger. H. Dech

DHS Grundsatzpapier Prävention 2014DHS Grundsatzpapier Prävention 2014

Suchtprävention umfasst alle verhältnis- und verhaltensbezogenen Maßnahmen, die riskanten und abhängigen Gebrauch von Suchtmitteln sowie süchtige Verhaltensweisen verhindern, reduzieren oder risikoärmere Verhaltensmuster fördern.

Heute findet sich dieser Gedanke im so genannten „Setting“-Ansatz wieder. Gemeint sind dabei nicht in erster Linie Interventionen in den verschiedenen erster Linie Interventionen in den verschiedenen „Settings“ (z.B. Familie, Schule, Betrieb), sondern eine gesundheitsförderliche Veränderung der Lebenswelten, also Verhältnisprävention.

Ottawa ChartaOttawa Charta

Health Promotion = Gesundheitsförderung

… versteht sich als ein emanzipatorischer Ansatz, der… versteht sich als ein emanzipatorischer Ansatz, derfür ein selbstbestimmtes Gesundheitshandeln eintrittund sich an einem positiven, salutogenetischenGesundheitsbegriff orientiert.

Ottawa-Charta, First international Conference on Health Promotion, WHO 1986

Ein neues Verständnis von Gesundheit:Ein neues Verständnis von Gesundheit:SalutogeneseSalutogenese

Salus (lat., Heil, Unversehrt, Glück);Genesis (gr., Entstehung)

Salutogenese stellt die Frage danach, was Menschen gesund hält, anstelle der Frage, was krank macht. Salutogenese meint selbstbestimmtes Gesundheitshandeln statt Krankheitsvermeidung.

n. Antonovsky 1979, 1987

•Gesundheit wird erworben.•Gesundheit als Bestandteil des alltäglichen Lebens.• Handlungsansatz ist die Gesundheitsförderung.

OttawaOttawa--ChartaCharta derder GesundheitsförderungGesundheitsförderung

Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozeß, allen Menschen einhöheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zuermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zubefähigen.Handlungsstrategien:

–Anwaltschaft für Gesundheit

–Befähigen und Ermöglichen / Empowerment–Befähigen und Ermöglichen / Empowerment

–Vermitteln und Vernetzen

Handlungsfelder:–Entwicklung einer gesundheitfördernden Gesamtpolitik

–Schaffung gesundheitlicher Lebenswelten

–Unterstützung gesundheitsbezogener Gemeinschaftsaktionen

–Entwicklung persönlicher Kompetenzen

–Neuorientierung der Gesundheitsdienste

Klassische Ansätze:

Verhaltensprävention u. Verhältnisprävention

n. Leppin 2004, Waller 2002

Kritik der bisherigen AnsätzeKritik der bisherigen Ansätze

• Bisherige Maßnahmen zur Gesundheitsförderung greifen zu kurz

• Zu sehr auf Verhaltenstrainings und Eigenverantwortung fokussiert

• Gesundheitsförderung zu wenig eingebunden, bislang nur • Gesundheitsförderung zu wenig eingebunden, bislang nur „außeralltägliche“ Rolle.

• Aktionen und befristete Projekte sind typisch

• Zu geringe Reichweite: Erreicht eher die „Sensibilisierten“

• Nicht ausreichend soziallagensensibel

Vorbilder der jeweiligen Subkultur

Psychosoziale Situation

erlernte Verhaltens-weisen zur Angst –

und Spannungsreduktion

Persönlichkeitsstruktur

Multifaktorielle Ätiologie von Suchterkrankungen

chemische Wirkungender Substanzen

Verfügbarkeit der Substanzen

Abhängigkeitspotentialder Substanzen

gesellschaftliche, kulturelle Einstellungen

SuchtentstehungModellwirkung suchtkranker Eltern

SettingansatzSettingansatzSetting ist ein Ort, wo Gesundheit „von den Menschen in

ihrer alltäglichen Umwelt geschaffen und gelebt wird; dort wo sie spielen, lernen, arbeiten und lieben“ (WHO, Ottawa-Charta, 1986)

Konzeptioneller Ansatz dahinter:

• Gesundheitsverhalten dort zu beeinflussen, wo es

Quelle: nach Lang P 2013

• Gesundheitsverhalten dort zu beeinflussen, wo es entsteht

• Kompetenzen und Voraussetzungen schaffen für Gesundheit

• (sozial-)ungleiche Inanspruchnahme von neuen Angeboten zur Gesundheitsförderung ausgleichen

SettingansatzSettingansatz

• „Ein Setting ist ein durch formale Organisation, regionale Situation und/oder gleiche Lebenslage und/oder gemeinsame Werte bzw. Präferenzen definierter und den beteiligten Personen subjektiv bewusster sowie

Quelle:Sachverständigenrat für die Beurteilung der Entwicklungen im Gesundheitswesen 2005, 103)

beteiligten Personen subjektiv bewusster sowie dauerhafter Sozialzusammenhang.

• Von ihm gehen wichtige Impulse auf die Wahrnehmung von Gesundheit, auf Gesundheitsbelastungen und/oder –ressourcen (...) aus.“

Settingansatz Settingansatz als Kernstrategie als Kernstrategie der Gesundheitsförderungder Gesundheitsförderung

Der Begriff „Setting“ bezeichnet ein überschaubares sozial-räumliches System (wie Betrieb, Schule, Krankenhaus, Stadtteil etc.), in dem Menschen ihren Alltagstätigkeiten nachgehen.

Relativ dauerhafter und zumindest ansatzweise verbindlicher Sozialzusammenhang (Lebenswelt)

Stellt gleichermaßen einen verhaltens- und verhältnisorientierten Ansatz der Gesundheitsförderung dar.

Weiterer Vorteil: Diversität ist besser ansprechbar

Ansatzpunkte

Gesundheit für die ganze LebensspanneKinder und JugendlicheBerufstätigeBerufstätigeAlte Menschen

Gesundheit in sozialen SettingsSchulische Gesundheitsförderung,betriebliche Gesundheitsförderung,kommunale Gesundheitsförderung

Ottawa-Charta, WHO 1986

Settingansatz Settingansatz -- GrundprinzipienGrundprinzipien

• Orientierung an der Lebenswelt der Adressaten

• Kombination von Verhaltens- und Verhältnisprävention („Policy Mix“)

• Verankerung gesundheitsförderlicher Strukturen (Strukturbildung) (Strukturbildung)

• Partizipation ermöglichen bei Situationsanalysen, Problemdefinitionen, Maßnahmenentwicklung und -realisierung, Ergebnisbewertung

• Kompetenzentwicklung erreichen – Empowerment fördern, Selbstvertrauen und Skills vermitteln, die eigene Gesundheit und die eigenen Lebensbedingungen selbst zu verbessern

• Vernetzung der Akteure

InterventionsebenenInterventionsebenen

Interventionsebene Verhaltensprävention mit Fokus auf Information u. Motivation

Verhaltensprävention mit Kontextbezug

Individuum (Mikroebene)

Ärztliche Gesundheitsberatung für Patienten in der Praxis

‚Präventiver‘ Hausbesuch mit Bezug/Beratung zu Lebensbedingungen und Lebensstil

Setting (Mesoebene)

Edukative Angebote in Schulen (Gesundheitsunterricht),

Gesundheitsförderung in Schulen, Betrieben und (Mesoebene) (Gesundheitsunterricht),

Informationskampagnen in Betrieben

Schulen, Betrieben und Verwaltungen, mit Organisationsentwicklung, ‚gesundheitsfördernde Settings‘

Bevölkerung (Makrobene)

Motivationskampagnen ohne Kontextbezug (‚Esst mehr Obst‘, ‚Rauchen gefährdet die Gesundheit‘), social marketing ohne Beeinflussung von Rahmenbedingungen

Anti-Tabak-Kampagne unter Einschluss verhältnispräventiver Maßnahmen (Abbau von Zigarettenautomaten, Regulierung der Werbung, Tabaksteuer) Gesundheitsförderung im Setting

(Sachverständigenrat 2005)

Qualitätsmerkmale SettingansatzQualitätsmerkmale Settingansatz

•Partizipation aller im Setting beteiligten Gruppen

•Integration: Entwicklung eines Gesamtkonzepts

•Prozessorientierung: Ziele werden im Setting entwickelt und überprüftund überprüft

Wichtige Akteure und Umsetzungsbereiche in Deutschland:BundesregierungLänderKommunen, insbes. GesundheitsämterKrankenkassenSchulen, KitasBetriebe, FirmenAlltagsinstitutionenSelbsthilfe

(Altgeld T 2008)

Empowerment

Befähigung und Stärkung von Einzelnen oder Gruppen zur Gestaltung ihrer Lebensbedingungen und eine größere Selbstbestimmung über die eigene Gesundheit.

Durch den Empowerment- Ansatz sollen Personen/ -gruppen dazu ermutigt werden, ihre eigenen (vielfach gruppen dazu ermutigt werden, ihre eigenen (vielfach verschütteten) personalen und sozialen Ressourcen sowie ihre Fähigkeiten zur Beteiligung zu nutzen, um Kontrolle über die Gestaltung der eigenen sozialen Lebenswelt (wieder) zu erobern.

Kompetenzsteigerungen im Umgang mit Risiken

n. WHO 1997

Niedrigschwelligkeit

Sozial benachteiligte Zielgruppen nehmen herkömmliche Beratungsangebote mit sogenannter „Kommstruktur“ nicht in Anspruch.

Selbst die Initiative zu ergreifen, sich in ein unbekanntes Umfeld zu begeben und mit sozial meist höher gestellten Mitarbeiter/innen zu sprechen, stellt oft eine zu hohe Schwelle dar.

Niedrigschwellige Angebote gehen unmittelbar auf die Zielgruppen zu:

Aufsuchen und Begleiten der Zielgruppe in ihrer Lebenswelt (= Settingansatz).

Breitere Adressatengruppen, insbesondere auch sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen werden besser erreicht.

Partizipation

Aktive Einbeziehung aller Beteiligten in die Planung, Umsetzung und Evaluierung der Angebote.

Stärkung von Selbsthilfe.

Partizipation kann erleichtert und ermöglicht werden durch:

• Förderung von Wahrnehmung persönlicher Kompetenzen/Stärkung des Selbstwertgefühls, • Förderung von Eigeninitiative, • Förderung von Lernbereitschaft, • Förderung der Gruppenfähigkeit, • Aktivierung zur Äußerung von Wünschen und Bedürfnissen, • Förderung des Verantwortungsgefühls

n. Gesundheit Berlin

Good PracticeGood Practice

Quelle: gesundheitliche-chancengleichheit.de; BZgA

Good PracticeGood Practice

„IdeFix – Rund um den Hund“

Berlin-Kreuzberg u. -Neukölln

Quelle: Fixpunkt Berlin

Angebot an Drogenabhängige oder Substituierte einer Betreuung für ihren Hund, zum Beispiel während eines Krankenhaus- oder Therapieaufenthaltes, zu bieten.

Viele (substituierte) Drogenabhängige sind Besitzer/innen eines Hundes und es gelingt über das Tier, einen ersten Zugang zu dieser oftmals nur schwer zu erreichenden Personengruppe zu bekommen.

Good PracticeGood Practiceconnect - Hilfe für Kinder aus suchtbelasteten

Familien - Kooperation und Vernetzung

Zielt auf eine arbeitsfeldübergreifende Zusammenarbeit:

Büro für Suchtprävention der Hamburgischen Landesstelle für Suchtfragen e.V.

Nicht nur Sucht- bzw. Beratungseinrichtungen arbeiten zusammen.In einem Verbund kooperieren verbindlich alle Einrichtungen miteinander, die

„rund um das Kind und die Familie“ aktiv sind. Dazu zählen Kindertagesstätten ebenso wie Hebammen, Erziehungsberatungsstellen oder auch niedergelassene Ärzt/innen und viele andere.

Eine unbürokratische kollegiale Fallberatung unter regelhafter Einbeziehung der Kompetenz aus der Suchthilfe wurde hierfür entwickelt und verankert.

Kita

Kinderärzte

Netzwerk

Kinder-

Ernährungsberatung Frühförderstellen

Familien-

Beratungsstellen

Jugendamt

Good Practice Good Practice -- VernetzungVernetzung

Suchtberatung Gesundheitsamt

Schulen Hausärzte

Kinder-

gesundheitBeratungsstellen

Bsp. „Setting Schule“Bsp. „Setting Schule“• Formen der Frühintervention in der Schule – Nutzung von

Frühinterventionsprogrammen

• Klasse 2000 – Suchtprävention und Gesundheitsförderung in der Grundschule

• Supervision – Klärungshilfe für Lehrerinnen und Lehrer bei Konflikten in der Schule

• Motivierende Gesprächsführung: Lehrerfortbildung –“Motivierende Gesprächsführung“ im Umgang mit Drogen konsumierenden Schülerinnen und Schülern.

• Reduzierung von Gewalt: Lehrerfortbildung – Möglichkeiten geschlechtsspezifischer Arbeit mit Jungen in der Grundschule

Suchtpräventionskonzept Berlin-Zehlendorf

geschlechtsspezifischer Arbeit mit Jungen in der Grundschule

• „Rauchfrei in 5 Schritten“ – Raucherentwöhnungskurse für Schüler/innen

• Workshop für Schulklassen zum Thema „Drogen und Sucht“

• Workshop für Schulklassen zum Thema „Klassensituation und Konflikte“

• Elternabende zur Suchtprävention

• Elternseminare zur Suchtprävention in der Familie

• Peerhelper-Modell – Ausbildung von Schülermultiplikatoren zur Suchtprävention

• PEDES – Pilotprojekt zur Arbeit mit schuldistanzierten Schülerinnen und Schülern und ihren Familien

Vorteile SettingansatzVorteile SettingansatzDer Mensch im Mittelpunkt

Besser auf Risikogruppen ausrichtbar

Frühintervention ausbauen

Mehr Menschen vor Ort erreichbar, mehr betriebliche Suchtprävention

Vgl. Nationale Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik

betriebliche Suchtprävention

Vernetzung von Angeboten, verbesserte professionelle Zusammenarbeit

Gendersensible Angebote

Sucht-Selbsthilfe stärken

Bessere Passung der Angebote

Vielen Dank !Vielen Dank !

DHS Grundsatzpapier Prävention 2014DHS Grundsatzpapier Prävention 2014

Seit Langem wissen wir, dass viele Präventionsangebote die Menschen, die sie erreichen sollen, nicht erreichen. Häufig profitieren von Präventionskampagnen oder -projekten nur gebildetere Schichten.

Soziale Ungleichheit verhindert auch in der Suchtprävention, dass alle Menschen

Soziale Ungleichheit verhindert auch in der Suchtprävention, dass alle Menschen gleichberechtigt Zugang zu geeigneten Angeboten erhalten und diese auch wahrnehmen können.

Gesundheit als sozialer ProzessGesundheit als sozialer Prozess

„Gesundheitsförderung ist ein komplexersozialer und politischer Prozess;sie schließt [...] auch solche [Handlungen ein],die darauf abzielen, soziale, ökonomischedie darauf abzielen, soziale, ökonomischesowie Umweltbedingungen derart zuverändern, dass diese positiv auf individuelleund öffentliche Gesundheit wirken. “(Quelle: WHO-Glossar 1998:

Gesundheitsförderung)

Gesundheitliche Ungleichheit

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert ver schiedene Ebenen der Ungleichheit, deren gesundheitliche Folg en bekämpft werden sollen:

Kluft zwischen besser gestellten und schlechter gestellten sozialen Schichten innerhalb einzelner Gesellschaften, hierbei insbesondere der ungleiche Zugang zur Gesundheitsversorgung, zur Gesundheitsversorgung, Kluft zwischen ärmeren und reicheren Ländern Chancenungleichheit zwischen den Generationen, die durch die Verursachung von Umweltrisiken und deren gesundheitliche Folgen bedingt wird, Chancenungleichheit zwischen den Geschlechtern in der gesundheitlichen Versorgung.

Für diese Formen der Ungleichheit bedeutet Chanceng leichheit die Herstellung gleicher Möglichkeiten, gesund zu sein und gesund zu bleiben, unabhängig vom sozialen Status, nationaler Zugehörigkeit, Ethnie, Generation, Alter und Geschlecht.

n. BZgA u. Gesundheit Berlin

6 große Gesundheitstrends6 große Gesundheitstrends

• Höhere Lebenserwartung

• Krankheitswandel von Akutkrankheiten hin zu chronischen und vermeidbaren Erkrankungen

• Krankenversorgung bzw. Gesundheitssystem nimmt einen immer größeren Anteil am BSP ein

• Gesundheitssystem ist ein Wachstumsmarkt in der Gesellschaft

• Globalisierung bringt neue Gesundheitsrisiken

• Interesse an Gesundheit hat zugenommen

n. Kickbusch „Gesundheitsgesellschaft“ 2005