Siewerth Hinführung zur exemplarischen Lehre

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GUSTAV SIEWERTHwww.gustav-siewerth.de

HINFHRUNG ZUR EXEMPLARISCHEN LEHRE

TRIALOGO VerlagD-78421 Konstanz

Print-On-Demand-Version Auflage : 2003/06 Alle Rechte vorbehalten! Copyright 2003 by TRIALOGO

QuellenverzeichnisBildende Erziehung, in: Unsere pdagogische Aufgabe heute. 1. Sonderheft des Bundes katholischer Erzieher (Paderborn o. J.), S. 831. Reife und Begabung in metaphysischer Sicht und Deutung, in: Jahrbuch fr Psychologie, Psychotherapie und medizinische Anthropologie. 7. Jg., Heft 1/2 (Freiburg/Mnchen 1960), S. 82 97. Zur exemplarischen Lehre, in: Erbe und Entscheidung, hrsg. vom Aachener Bund. 15. Jg., 1. Halbj. 1961 (Alsdorf), S. 1026. ber das Wunderbare, in: Erbe und Entscheidung, hrsg. vom Aachener Bund. 13. Jg., Heft 1/2 1959 (Alsdorf), S. 4551. Gott und Engel in der Dichtung Rainer Maria Rilkes, in: Erbe und Entscheidung, hrsg. vom Aachener Bund. 13. Jg., Heft 1/2 1959 (Alsdorf), S. 125. Friedrich Schiller, der Erzieher der Deutschen und der Dichter der Brgschaft, in: Erbe und Entscheidung, hrsg. vom Aachener Bund. 13. Jg., 2. Halbj. 1959 (Alsdorf), S. 235 254. Das Kind und die Geschichte, in: Erbe und Entscheidung, hrsg. vom Aachener Bund. 13. Jg., 2. Halbj. 1959 (Alsdorf), S. 121145. Gedanken zum Rahmenplan und zu Helmut Schelskys "Streitschrift zur Schulpolitik", in: Vierteljahrsschrift fr wissenschaftliche Pdagogik. 37. Jg., Heft 4 (Bochum 1961), S. 237 269.

Bildende Erziehung

1. Die Frage nach der Bildung Das berhmte Wort Herbarts soll uns in die Frage und die Sache selbst einfhren: "Ich gestehe gleich hier (zu Beginn der Allgemeinen Pdagogik), keinen Begriff zu haben von Erziehung ohne Unterricht, sowie ich rckwrts keinen Unterricht anerkenne, der nicht erzieht." Mit dieser Erkenntnis ist das, was wir "Bilden" nennen, von Grund aus auf die Erziehung des Menschen hingeordnet, so da jedem Christen, dem die "Erziehung" des christlichen Kindes am Herzen liegt, in Herbart ein Kronzeuge erwchst fr seinen Auftrag, die Bildungsinhalte und die Bildungsweise einer christlichen Schule zu bedenken. Was aber "Bildung" sei, ist nicht leicht zu sagen. Wenn Otto Willmann sie mit den bekannten Worten kennzeichnet: sie sei "lebendiges Wissen, durchgeistigtes Knnen, gelutertes Wollen", so geben die Formeln nicht nur neue, schwierigere Fragen auf sondern sie entstammen offenbar einem Bildungsdenken, das in der Bildung wesenhaft eine gesteigerte subjektive Disponierung, eine geistige, sittliche Selbstverfgung erkannte. Deshalb bleibt uns die Aufgabe nicht erlassen, zu sagen, was "Bildung" sei. Wenn das Wort auch erst im 18. Jahrhundert im heutigen Sinn gebraucht wurde, so hat es doch unser Sachverstndnis so entscheidend bestimmt und weist unserem Erkennen eine so entschiedene Richtung zu, da wir das Wort selbst befragen mssen, um zum vermeinten Bedeutungsgehalt vorzustoen. 2. Das "Bilden" in der Kunst Wir wissen, da das Wort ursprnglicher in den bildenden Knsten angewendet wird. Hier besagt Bilden soviel wie ein Material gestalten, da es zu einem schnen Gebilde werde. Von diesem Vorgang her wird jedoch das, was wir Menschenbildung nennen, in seinem Wesen verstellt. Es gibt kein "Erziehungs- und Bildungsmaterial", wenn es auch den ehrfurchtslosen Bildungsplanern der totalitren Systeme so scheint, da der Mensch als Einzelwesen ein so von Grund aus ungeformtes Lebendiges sei, da, um mit Hegel zu sprechen, "man alles aus ihm machen kann". Jeder aber, der im Menschen ein urtmliches Wesensbild und eine sich selbst entfaltende und bestimmende Person anerkennt, wird in der aktiven Bildungsformung gegenber einem "Passiven" eine dem Menschen nicht geme Barbarei sehen. Welcher Knstler wollte auch an einem bereits gestalteten Gebilde seine Formungskrfte spielen lassen? Wre nicht jede schpferische Neuprgung zugleich zerstrend und verpfuschend? Eine echte Analogie ergibt sich freilich, wenn bedacht wird, mit welcher Macht sich das Stoffliche selbst im echten Bilden geltend macht, dergestalt, da dem Knstler aus dem Holz und dem Stein das Gebilde "hervorwchst", da der Stein im Widerstand und in seinem Eigenfrmlichen selber in die gestaltende Hand mitwirkend eingeht und das Verbleibende an Farbe, Rauheit und Hrte durch das Gebilde hindurch wachsend zu strkerem Leben kommt. 3. Der Mensch als ,,Bild" Dieser Grundzug im "Bilden" weist uns darauf hin, da auch der Mensch ursprnglich und wesenhaft schon ein "Bild" ist, das uns mit jedem "Angesicht" entgegenleuchtet und fr uns zur "Ansicht" wird. Dieses deutsche Wort, das sowohl das Schauen wie das Geschaute bedeuten kann,8

deckt sich haargenau mit dem griechischen Ausdruck Eidos, das das in der Sicht der Vernunft aufleuchtende Ansichtige eines Wesens vermeint. Dieses Wesen aber ist zugleich der tragende Seins- und Lebensgrund, der sich im Lebendigen "ausbildet" und als "Form" und "Entelechie" alle Lebensvorgnge aus dem Innern her durchprgt, sie in seiner alles durchwaltenden Einheit hlt und sie zu sich selbst wie zu einem ersten Ziel zurckfhrt. Dieser Gedanke bestimmt Goethes Lehre vom Lebendigen: "Und die seltenste Form bewahrt im Geheimen das Urbild. Also bestimmt die Gestalt die Lebensweise der Tiere und die Weise zu leben, sie wirkt auf alle Gestalten mchtig zurck." Diese urbildlich durchprgte Grundform trgt die Lebens- und Bildungsentfaltung, so da der Mensch das wird, was er schon ist, oder auch "der werden soll, der er ist". Denn vom Ursprung her ist er "fortgediehen nach dem Gesetz, wonach er angetreten". "Und keine Zeit und keine Macht zerstckelt geprgte Form, die lebend sich entwickelt." Wird das Menschenwesen also gesehen, dann kann Bildung nur besagen, da der Mensch sich aus seinem Lebensgrunde, aus seinem Innern zu sich selbst entfalte und so sein vollkommenes Bild hervortreibe, da er sich zum Ebenma, zur Ordnung und zum Einklang seines Wesens erhebe, da er sich "ausbilde" zum Organismus eines sich fhlenden und weitenden Geistes, schlielich, da er im waltenden Ganzen aller Wesen im freien Selbstbesitz seiner Krfte und Vermgen zu sich selbst und zu seiner Erfllung im Lebensraum der Menschheit finde. Der "Mikrokosmos" der Renaissance, das klassische Leitbild der "schnen Seele", die ihrer selbst mchtige "Persnlichkeit", und die "reine Menschlichkeit" als sittliche Lebensform treten damit als Bildungsziele zutage. Es geht darum, das Leben als "Kunstwerk" zu gestalten; der "gttliche Mensch", der Genius, das Genie, die schpferische Selbstbekundung und autonome Selbstbestimmung sind die hchsten Erscheinungs- und Lebensformen dieses Zeitalters, das die fortschreitende Individualisierung und Subjektivierung des Bildungsdenkens herauffhrt. 4. Subjektivierung der Bildung Das ganze 19. Jahrhundert und unsere Zeit, Christen wie Nichtchristen, stehen unter seinem Einflu so sehr, da keiner erschrickt, wenn er etwa Sprangers vielzitierte Definition ber das Wesen der Bildung vernimmt. Dieser sagt: "Bildung ist die lebendig wachsende Aufnahme aller objektiven Werte, die zu der Anlage und dem Lebenskreis eines sich entwickelnden Geistes in Beziehung gesetzt werden knnen, in das Erleben, die Gesinnung und die Schaffenskrfte eines Menschen mit dem Ziel einer geschlossenen, objektiv leistungsfhigen, in sich selbst befriedigten Persnlichkeit." In diesem Satze wird eine neunfache Subjektivierung zum Ausdruck gebracht. Der mitgenannte Bezug zu "objektiven Werten", die ja, wie Heidegger mit Recht behauptet, schon eine "Subjektivierung des Seins und des Guten" bedeuten, wird durch die Relativierung auf "Anlage" und "Lebenskreis" um jede transzendentale Verbindlichkeit gebracht, um dann aber durch die subjektivistische Erweichung und Verwandlung in Erleben, Gesinnung und Schaffenskraft eines (offenbar je verschiedenen) Menschen geradezu zu verdampfen. Und dieses in seinem Erleben und seiner Gesinnung und seinem je eigenen Schaffen isolierte und bei Gott schon genugsam abgeschlossene "Subjekt" hat kein anderes Ziel, als sich solchermaen als Persnlichkeit "geschlossen" zu machen und "in sich selbst befriedigt" dahin zu leben. Man kann mit Grund fragen, ob die ,,objektive Leistungsfhigkeit" in diesem Zusammenhang anderes bedeuten kann, als doch vor allem, sich selbst im "Gegenstndlichen" auszuweisen und sich seiner selbst als fhig und tchtig zu versichern. Mag die hier exemplarisch ins Wort gekommene Gesinnungs- und Erlebnissubjektivitt, die offenbar nur nach Ausweis und Halt im Unbedachten einer allgltigen "Objektivitt" sucht, auch die Denkkrfte unserer Zeit geschwcht haben, so sollten wir doch erschrecken ber die Gefhr9

dung und den Verfall, die hier sich hinter einem geistreichen, "wissenschaftlichen" Wort verbergen. Kerschensteiner aber bezeichnet als Ziel der Erziehung "die sittlich autonome Persnlichkeit", diese, "das hchste erreichbare geistige Sein, ist fr jeden das hchste innere Gut. Einzig aus dem hchsten inneren Gut des Einzelnen heraus, aus seinem individuellen sittlichen, geistigen Sein . . . erwchst ihm das Bewutsein der sozialen Arbeit". Auch hier ist die transzendentale Subjektivitt Kants subjektivistisch gefhrdet. 5. Goethes Kritik Wir haben mit Recht beim Ausgang dieser Errterung Goethe zitiert, da sich das moderne Bildungsdenken immer wieder an seinem Werk und seiner Gestalt ausrichtete. Wird nicht beschwrend immer wieder sein Wort wiederholt: "Volk und Knecht und berwinder, sie gestehn zu jeder Zeit, hchstes Glck der Erdenkinder sei nur die Persnlichkeit." Die Gerechtigkeit gebietet jedoch, gerade in diesem Zusammenhang Goethe auch als den groen Widersacher dieser Lehre zu nennen. Denn er selbst hat den lapidaren Versen eine bndige Kritik geschrieben, indem er fortfhrt: "Kann wohl sein! so wird gemeinet; doch ich bin auf andrer Spur: Alles Erdenglck vereinet find ich in Suleika nur. Wie sie sich an mich verschwendet, bin ich mir ein wertes Ich; htte sie sich weggewendet, augenblicks verlr ich mich." Also steht der Mensch von seinem innersten Grund her in liebender Empfngnis, so da er allein durch schenkende, begnadende Liebe Erdenglck und persnliche Hoheit gewinnt. 6. Goethes Wendung zum Handwerklichen Aber nicht nur diese tiefe Kritik findet sich bei Goethe. Sein sptes Bildungsdenken weist andere, geradezu entgegengesetzte Wege. Der Mensch hat sich in der Welt zu bewhren und handelnd in ihr zu wirken. "Denken und Tun, Tun und Denken, das ist die Summe aller Weisheit!" Darum heit es jetzt in wacher Hinkehr zur Welt: "Lat uns die Sachen ansehen, so gut wir knnen, sie in unser Gedchtnis schreiben, aufmerksam sein und keinen Tag, ohne etwas an Kenntnissen zu sammeln, vorbeigehen lassen." "Einfache, nahe, bestimmte Zwecke" sind es jetzt, die das Leben verbrgen. "Mache ein Organ aus dir und erwarte, was fr eine Stelle dir die Menschheit im allgemeinen Leben zugestehen werde." "Sich auf ein Handwerk zu beschrnken, das ist das Beste." Hier kndet sich bei Goethe selbst, in schicksalhaftem Gegenzug, die die Subjektivitt des Zeitalters einfordernde und schlielich zuschanden machende Macht der Welt und ihrer wirkmchtigen Ordnungen an, denen nur der tatbereite und handlungs- und wirkfhige Mensch gewachsen ist. Sich bilden aber heit jetzt, sich den je beschrnkten, im ganzen unbeherrschbaren Bedingungen des Weltlaufs anschlieen und sich einbend selbst zu beschrnken. Also heit es, sich auf die Dinge der Welt hin ausrichten, sich zuformen auf Handhabe und Arbeit, sich "ausbilden" und zugleich sich etwas an Fertigkeit "anbilden". Das Wort "spezialisieren" (species =10

Bild und Art) bedeutet beinahe eine wrtliche bersetzung der genannten Ausdrcke. Es gilt, sich den Dingen gem zu ertchtigen, um sie zu gebrauchen, weil es darauf ankommt, etwas zu "leisten". Leisten aber besagt, sich und seine Arbeit richten und ausrichten und sein Wirken messen am Ma einer "Richtleiste". Damit tritt ein dem ersten von Grund aus entgegengesetztes Bildungsziel und Bildungsdenken zutage, das um so hemmungsloser und grndlicher Menschen und Zeit beherrscht, als die gekennzeichnete kraftlose und gedankenschwache "geschlossene" Subjektivitt in ihrer "sthetischen und moralischen Selbstbefriedigung" weder befhigt noch gewillt ist, den Weltlauf einzufordern und der Gemeinschaft ihr Gesetz aufzuprgen. Also tritt der tatbereite, messende, verfgende, gebrauchende Leistungswille, welttchtig und entschlossen, als die eigentliche Bildungs- und Lebensmacht immer rcksichtsloser in den Vordergrund, bald die Bildungsschwrmerei der Humanitt wie eine romantische Zutat zum Leben gewhren lassend, bald ihre "moralischen Ansprche" als verlogene Ideologien in die Schranken weisend. So wird, alles durchsetzend und selbst die humanistische Bildung als gnstigste intellektuelle Funktionalisierung und Ertchtigung seinem Nutzwillen unterwerfend, die spezialisierende Ausbildung, die Berufsertchtigung, das Brauchbarmachen des Menschen das selbstverstndliche Leitziel unserer Bildungssttten. Die Wissenschaft sucht allenthalben nach exakt messenden Methoden, ihr Wert ist weitgehend bestimmt durch die Ntzlichkeit und Ergiebigkeit der ihr entsprungenen erzeugenden Technik, die ihrerseits einer rechnunglegenden, alle Leistungen kaufmnnisch abwgenden Tauschwirtschaft untergeordnet wird. Die dienst- und leistungsgefgte Verwaltung aller Lebensgebiete weist dem Menschen seine Stellung zu und bestimmt die Mae seiner Bildung, ja unsere Generalverschulung ist in ihren Wurzeln und in ihrem Werden wesentlich aus dem planenden Fortschrittsdenken des allgemeinen Verwaltungs-, Militr- und Wirtschaftsstaates hervorgegangen. Diese beiden herrschenden Bildungsbegriffe sind gefhrliche Vereinseitigungen, die sich einerseits aufheben, andererseits aber beide unvermgend sind, das entgegengesetzte Anliegen aufzugreifen und in einem wesenhaften Dritten zu vershnen. In diesem Gegensatz und dieser geistlosen Einseitigkeit ist unsere gegenwrtige Bildungsnot wesentlich begrndet. 7. Christliches Bildungsdenken a) Die Transzendenz des Menschen Der Christ ist durch das Wort "Bilden" auf andere Seins- und Wesensbezge gewiesen. Sein Glaube sagt ihm, da der Mensch nach dem "Bilde und Gleichnisse Gottes" geschaffen und begnadet wurde. Also nennt er den Menschen das "Abbild Gottes". Dies aber bedeutet ihm ein Dreifaches: Er ist Inbild, Abbild und Hinbild zugleich. Inbild ist er, sofern er ein Wesensbild darstellt, in ursprnglicher Ordnung und mit unverlierbaren Vermgen geprgt, deren der Mensch mchtig und an deren Wirkweise und Wirkgrenzen er gebunden ist. Abbild ist er, sofern Gottes unendliche Wesenheit ihn urbildlich bestimmt, und Hinbild kann man ihn nennen, sofern er nicht auf sein geschlossenes Frsichsein, sondern auf seinen Ursprung als auf sein Lebensziel hingeschaffen ist. Ist der Mensch aber von Grund aus auf sein Urbild hin entworfen, so heit dies, da er des eingeschaffenen Inbildes nur inne ist, wenn er sich aus seinen Vermgen in selbstbestimmender Freiheit bersteigt. Also ist der Mensch immer mehr als er selbst; er bersteigt sich und das endliche Seiende wesenhaft, was die Philosophie mit dem Wort "transzendieren" oder "transzendental" bezeichnet. Gott, der Dreifaltige, hat schaffend und sich mitteilend alles auf sich selbst hingeordnet, weil der transzendente, absolute Gott vom Ursprung her nur sich selbst denken, lieben und erstreben kann. Er hat aber alles seiner Einfachheit gem in Einheit und seiner unerschpflichen Unendlichkeit gem in Flle geschaffen. Dieser metaphysischen Ordnung gem hat Gott sein Bild primr dem11

Universum, in zweiter Hinsicht der Menschheit und drittens jedem Einzelnen eingeprgt. Daher ist jeder Teil notwendig auf den ergnzenden anderen, jeder Einzelne auf die Menschheit wie auf das Universum, mittelbar in diesem Bezug und unmittelbar fr sich selbst auf Gott hin geschaffen. Also bersteigt sich der Mensch ursprnglich und wesenhaft in die Welt, in das Menschsein, ins Ganze des Universums und auf Gott hin. Dies vermchte er jedoch nicht, wenn er nicht zuvorkommend immer schon in der Welt wre, wenn er nicht von Natur Glied der Menschheit wre, wenn nicht das All der Krfte in ihm lebte und wenn er nicht an Gottes Licht und Leben von Natur oder aus Gnade Anteil htte. b) Menschsein als organische Gliedschaft Also knnte der Mensch gar nicht "Einzelner" oder "Subjekt" sein, wenn er nicht vorher schon seinen "Naturort" einnhme und in der geschichtlichen Werdeeinheit der Menschheit stnde. Also ist er niemals "Mensch im allgemeinen", wenn er nicht zuvor Kind, Bruder und Schwester, Vater und Mutter, Gatte und Gattin, Braut und Brutigam geworden ist, und nur in der Erfllung dieser Gliedschaft gibt es den Einzelnen oder den "Genossen". Das Menschsein stellt daher am Ursprung nicht eine blasse, allgemeine Humanitt dar, sondern es ist primr die Urlebensgemeinschaft der schpferisch zeugenden Liebe, in der sich Gottes Bild darstellt. Hier allein kommt der Mensch zu seiner Natur und zu seinem Bilde, indem die Grundwesensbilder sich begegnen, sich liebend vermhlen und, im Herzensgrund miteinander verwoben, den ganzen Menschen darstellen und zu sich kommen lassen. Das Wesen des Menschen ist die Liebe, die sich in allen Bereichen schpferisch zeugend vermhlt und die "Ur-bildung" des Menschen im vielfltigen Verstande dieses Wortes vollzieht. c) Der Mensch und die Welt Aber auch der Welt gegenber ist der Mensch wesenhaft "auer sich" und ber sich hinaus". Es gibt keinen einzigen rein "subjektiven" Akt. Das Schauen wird ohne das Angeschaute seiner selbst nicht inne, so da man sagen kann, da es weit mehr das "Angeschaute" als das Schauen ist. Das weist jeder Blick auf eine Sache aus, deren Licht und Gehalt unser Schauen ganz erfllt und zu sich selbst kommen lt. Die Ansicht als Sehen ist auch immer die Ansicht als Bild. Auch wer die Augen schliet, sieht nicht sein gehemmtes Sehen, sondern er sieht die Finsternis, das Graue, also eine farbige Qualitt, und den Raum, der immer einen Teil des Weltraumes ausmacht. Unser Ohr ist hineingespannt ins Schwingen der Welt, so da wir in windstiller Sommernacht im Gebirge die Stille selbst zu hren vermeinen. Unserem handelnden Willen aber ist die Hand als eine Handlung der Natur, die uns mit den Dingen verknpft, schon zuvorgekommen. Wer aber erkennt, hat schon erkannt und ist im Sein und beim Seienden und in seiner Wahrheit. Und die Liebe kommt nur zu sich selbst durch den Liebenden und Geliebten zugleich. Ohne die zuvorkommende, erwartende, erhoffende Mutterliebe erwachte das Kind nicht zur Liebe, da Liebe nur die Liebe lieben kann. Der Mensch ist von Grund aus eingelassen ins Walten der Welt und des Daseins, eine Tatsache, die alle "Psychologie" nur zu einem Epiphnomen des sittlichen und religisen Lebens macht. d) Der Mensch und Gott Noch entschiedener aber ist der Mensch auf Gott hingeordnet, da er Sein Abbild und Hinbild ist. Also ist er von Gott zu seinem Leben erweckt, begabt mit "unendlicher Sehnsucht", angestachelt durch eine "ewige Unruhe", in der "er von Natur Gott mehr liebt als sich selbst" (Thomas von12

Aquin). Denn er ist vom Ursprung gottgebrtig und Gottes teilhaftig, so da er, ob er will oder nicht, in einem "unendlichen Streben" zu Ihm aufbricht. Dieses sein Grundstreben ist erweckt und gespannt durch Ungengen und lockende Vorwegnahme zugleich, durch Armut und berflu, wie Platon sagt. Dies aber wird fr das ganze Leben gelten, da wir uns Gott nicht nhern knnen, ohne da sich der Unendliche zugleich entfernt, und es gibt keinen Frieden durch Gott, ohne da uns eine tiefere Sehnsucht verwundet. Weil der Mensch in der Tiefe seines Wesens und in allem geistigen Vermgen an Gott Anteil hat und Gottes Leben ihn antreibt, deshalb kann er nichts erkennen, ohne "auf unentfaltete Weise Gott zu erkennen". Deshalb beseelt die Vernunft ein unstillbarer "Drang nach den Ursachen" und ein rastloses Streben nach dem letzten Grund aller Dinge. Er kann aber auch die Natur nicht sehen, ohne ihren gttlichen Abglanz zu gewahren, der in aller Schnheit waltet. Diese Schnheit ist die geistige Tiefe aller Natur, ihr verlockendes, hinreiendes, entzckendes Geheimnis, das uns das Herz liebend entflammt, so da wir im ersten Aufgang der unableitbaren Gestalten vom Wunderbaren eines Gttlichen berhrt werden. Er kann des weiteren die Dinge der Natur, ihren Zusammenhang und Hervorgang nicht bedenken, ohne vom Dunkel des Ursprungs beunruhigt zu sein. Ohne die knstliche, gedankenlhmende, sogenannte methodische Beschrnkung und Beschrnktheit der ,,empirischen" Wissenschaft risse es ihn ber die knstlichen Grenzen des Erfahrbaren ins offenbare Geheimnis des ,,ersten, unbewegten Bewegers". Der Mensch kann ebenso nichts wollen, ohne sein Streben nach absoluten Gesetzen zu regeln, ohne einen Anruf aus der Ewigkeit zu vernehmen und auf unentfaltete Weise Gott anzustreben. Auch wenn er sein Glck will, will er es unvergnglich und unwandelbar, "denn alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit" (Nietzsche). Also kann er auch nichts lieben, ohne darin Gott zu lieben, weil er das Glck, die Innigkeit und die Hoheit der Liebe will im berreichtum ihrer Seligkeit und fr alle Zeit. Deshalb schreckt ihn die Trennung und der Tod und wirft ihn in unsagbare Trauer und Schwermut. Denkt und will und erstrebt er nicht Gott, so setzt er notwendig ein endliches Wesen an Gottes Stelle, das er vergtzt und lgnerisch verkleidet. 8. Bildung als Paideia Was heit also Bilden anderes, als da der Mensch zu seinem Bilde komme, indem er sich, Gott erstrebend, auf das Ganze der Schpfung hin entfalte. Aber er kann dieses Streben nur verwirklichen, indem er sich zugleich aus seiner ihm gemen Gliedschaft, als Kind, Bruder und Schwester, auf die Ordnung der Welt und die liebende Begegnung mit den Mitmenschen bersteigt. Dieses Transzendieren aber kann sich nur ereignen, wenn er immer schon in den allgemeinen, schon vollzogenen berstieg des Menschseins eingelassen ist. Bevor er Einzelner ist, ist er schon Glied einer Familie, die ihm eine Sttte bereitete im Haus des Menschen, das die vaterschaftlich gefgte Gemeinschaft liebend und geordnet durchwaltet und ihm den Frieden gesammelten, vertrauten Wohnens gewhrt. Hier ist Erziehung wesenhaft Paideia: "vaterschaftliche In-Gewahrnahme der Kindschaft". Hier ist das Kind vom Ursprung her fgsam, weil es dem Haus eingefgt ist, das nach den Ur- und Grundmaen des Menschseins und seinem Bedrfen gefgt wurde, und weil es der Ordnung des Hauses gem "Fug" und "Unfug", Recht und Unrecht erfhrt. Nicht "Erziehung" ist hier das Entscheidende, sondern das bergend fgende, das liebende menschliche Zusammenwohnen in einer heiligen, sittlich gefgten Ordnung, in der die Familie ihr Leben ernst und heiter, pflichtig und gelassen, sorgend und feiernd im vertrauten Frieden erfhrt und aufbaut. Diesen Wohn- und Ursprungsort nannten die Griechen Ethos, ein Wort, das heute noch unser tiefstes, naturhaft sittliches Gehaben, das dem heiligen Walten der Liebe im Haus erwuchs,13

bezeichnet. An diesem Ort geschieht die "Urbildung" des Menschen. Hier wird im lebendigen Walten von Vater und Mutter die gnadenhafte Huld heiligen, unverrechenbar liebenden Lebens und die Hoheit sittlicher Verantwortung als Gottesbild dem Kinde eingesenkt. Hier wird der Gottesbildgrund des Gewissens liebend erzeugt und die Urweisheit des Lebens dem Kinde eingelebt und eingebildet. 9. Bildung als Institutio Dieses Bildungsverhltnis der aller Bildung zuvorkommenden und sie ermglichenden Einfgung ist schlechthin entscheidend fr "Bildung" berhaupt. Bevor der Mensch zum Staate erzogen werden kann, ist er bereits Glied einer Brgerschaft, deren politisches, rechtliches und gesetzliches Walten ihn trgt und formt, auch wenn er nichts davon zu wissen scheint. Hier ist Bildung wesenhaft institutio (nun nicht in die Knste, in artes), sondern ursprnglicher ein "Einordnen", ein "An-einen-Ort-Stellen", an dem der Mensch die wohlttige und einfordernde Macht des Staates, der Gemeinde, der Stadt erfhrt. Der Entscheidende in diesem lnstituere ist nicht der lnstituteur, der Schulmeister der Staatskunde, sondern der verantwortliche Politiker, der geachtete Mann des Volkes. Darum liegt die Not unserer politischen Bildung nicht in mangelhaften Lehrbchern und in Unaufgeschlossenheit und Unvermgen der Lehrer, sondern in der Schwche, der Zerrissenheit, der Traditionslosigkeit des Staates, in revolutionrer Unruhe und bedrohlicher Radikalisierung der politischen ffentlichkeit, vor allem aber in der politischen Auflsung der Gemeinden, der Privatisierung der Haushalte, der gemeinschaftslosen Disziplinierung und Vermassung unserer Schulen selbst. Will man "politische" Bildung, so baue und ordne man die Polis in pflegender Hirtenschaft und in herrschaftlicher, kniglicher, dem Wohl des Ganzen dienender Verantwortung und ordne die Lebensrume und Gemeinschaften nach dem Leben des Ganzen. Dann gewhrt die unmittelbare Erfahrung die entscheidenden Wesenserkenntnisse. 10. Bildung als ermchtigende Teilnahme So wird auch der Einzelne nicht gebildet durch "Aufnahme objektiver Werte und durch Entwicklung subjektiver Fhigkeiten". Sprechen lernt er nur dadurch, da er im Walten der Sprache zu ihr erweckt wird, da er im "Haus der Sprache" wohnt (Heidegger), die lter ist als der Einzelne und lter als der Mensch selbst. Denn der Logos kommt aus dem Sein und von Gott, die in ihm sich bekunden und deshalb durch ihn angesprochen werden knnen. Das Wesentliche geistiger Bildung aber ist das seinsmchtige, aufweisende, bindende und festigende Wort, das seine verbindliche Macht aus den heiligen bezeugenden Werken der Offenbarung, der Dichtung und des Denkens oder aus der Weisheit des Volkes, aus dem Gltigen sittlichen Brauchs und rechtlichen Herkommens hat, nicht aber eine subjektiv abgebildete Geschwtzigkeit, die versierte, geistreich-fahrige Rede und Schreibe, die unsere Millionen verwirrender Feuilletons, diese entkrftende Schwindsucht des Zeitalters, erzeugt. Kultur ist nur, wo in verpflichtender, pflichtiger Hirtenschaft die berkommene Wahrheit, das verbindliche Werk, das Gute sittlichen, dem Ganzen verantwortlichen Lebens gepflegt wird. Sie ist, wie die Griechen wuten, in ihrem Wesen Paideia gegenber dem Volke und zu seinem Heil: vaterschaftliche Ingewahrnahme und knigliche Versiegelung des waltenden Herkommens und der Gesetze, sie ist rhmende Erweckung der Heilskrfte der Herzen in den Hochfesten der Erinnerung, sie ist das heilige Spiel bezeugender und lsend-erlsender Weisheit, sie ist ehrfrchtige Bewahrung, Pflege der Heiligen Schriften und des erhabenen Gedchtnisses, sie ist Gottesdienst und die heiligende Liturgie der Heilsgeschichte.14

Nur da, wo diese Paideia vom Gewissensgrund des Menschen her waltet, gibt es Bildung, die nicht der "objektiven Leistungsfhigkeit" einerseits und dem gespreizten Auswuchern subjektiver Geistreichigkeit, diesem marktgngigen Artikel unserer vielschreibenden Zeit, erliegt. Denn das Wort mu dem Sein und Wesen wieder geschenkt werden und nicht nur in den spten Versuchen akademischer Studien, sondern von Grund aus. 11. Der Lehrende und die Bildungsaufgabe Der Lehrer des Menschen ist nach dem Aquinaten zuerst Gott, dann der ttige, sich aus der naturhaften Kraft der ursprnglich und notwendig offenbaren Wahrheit entfaltende Geist des Lernenden, der schlieend, "messend" und "findend" das Seiende sich erschliet. Drittens sind es die Sachen selbst, die Dinge und Wesenheiten, und zuletzt ist es der helfende Mensch, der entweder die Sachen herbeibringt oder aber durch Zeichen die Wege weist, sich ihrer zu versichern. Dies aber gilt es festzuhalten, da das Wort des Lehrenden die spontanen Erkenntniskrfte ins Sein und ins Wesentliche zu verweisen hat. Aber sind wir berhaupt, die wir uns die gebildeten Lehrenden nennen, dieser Aufgabe mchtig? Leben wir nicht zu sehr in Begriffs- und Wortverfestigungen, die wie gngige Mnzen weitergegeben werden? Sind wir in der Lage, unser bildendes Tun im Hinblick auf das geistige Reifen der Vermgen und vor allem auf den zu vermittelnden Wesens- und Seinsbereich zu bedenken? Halten wir uns nicht oft im "Bedeuten der Zeichen" selbst, die wir an die Stelle der Sachen rcken? In der Ablsung der Zeichen von der Wahrheit aber geschieht jene "kenntnisreiche", unverbindliche Verflssigung und Lockerung des Denkens, Vorstellens und Sprechens, die den uferlosen Bildungsbetrieb unserer Zeit kennzeichnet, unsere Geisteskrfte schwcht und mehr und mehr unsere Kultur auflst. Richten wir nicht in unseren Schulen vielfach unsere Kinder ab, frh und unpersnlich mit literarisch-gngigen Kategorien "ber die Werke" der Meister zu reden und zu schreiben, statt da wir in gesammelter Stille die Macht des Werkes zur Wirkung kommen lassen und seiner unmittelbar bildenden Kraft vertrauen? Kommt es nicht auch darauf an, lange zu schweigen und das Kind daran zu gewhnen, gesammelt zu lauschen, ohne da es immerfort den Zwang versprt, unreife Reflexionen anzustellen und niederzuschreiben? Aber wir knnen nicht warten in den Schulen, auch nicht auf die persnliche Bekundung an ihrem Ort und zu ihrer Zeit, weil die Erfllung der Lehrplne drngt, und viele knnen nicht Dichtung Gestalt werden lassen, weil sie dies gar nicht gelernt haben, sondern "Deutsch" als gedanklich abgezogenes, beziehendes Rsonieren ber die Werke erfuhren oder als geschichtliches Ordnen und Klassifizieren. Wenn Abiturienten nicht mehr in der Lage sind, auch nur ein einziges Gedicht zu sagen oder ein liebgewordenes Kunstwerk in seinen Gestalten und inneren Bewegungen in ihrer Einbildungskraft sich zu vergegenwrtigen und entscheidende, tragende Stze wrtlich zu sagen, so ist solche "Deutschbildung" nicht mehr zu loben. 12. ber religise Bildung Schlielich gibt es keine "religise Bildung" ohne Gliedschaft in einer lebendig gefgten Gemeinde, in der der Mensch von der bezeugten Wahrheit selbst zur Zeugenschaft erweckt wird und in Liebe am "Werk Gottes" in der Liturgie wie im Leben teilhat. Hier ffnet sich das glubige Herz der Offenbarung Gottes in allen Bereichen des Seins, um solchermaen sein "unendliches Streben" an Gott zu heften und, in Seiner Weisheit erkrftigt, ihm zuzuwachsen. Hier wird die Bildung Confirmatio, Befestigung der eingegossenen Geistkrfte und der Inhalte der Offenbarung. Ihr gegenber bedeutet es freilich eine dauernde Strung des religisen Denkens, wenn die geistigen Krfte auf unseren hheren Schulen im "nur Humanitren" oder in den "Fachbereichen"15

"objektiv" begrenzt werden, statt da wir den Wesensauftrag erfllen, die knstlichen Grenzen zu durchbrechen und alle Dinge ins Sein und in den gttlichen Grund hinein, der ihr Ursprung und ihre Geheimnistiefe bedeutet, weiterzudenken. Die fachmnnische Beschrnkung, die eine Blockade des Geistes bedeuten kann, sollte vor der plastischen Tiefe und Offenheit des jugendlichen Geistes in unseren christlichen Bildungssttten zurcktreten, da sich der Geist von allen Seinsbereichen her zum Ganzen des Universums und immer unmittelbar zu Gott erheben kann. Diese "methodische Ausklammerung" des Seins und Gottes, dieser oft so grospurige negative Anspruch der Fachwissenschaften, ist die eigentliche Unmacht der Skularisierung des Denkens, die keineswegs ein unentrinnbares Schicksal ist, sondern von einer des wesenhaften Bedenkens des Seins ungewohnten Gelehrtenzunft unausgesetzt erzeugt und in Geltung gehalten wird. Heute ist es vielfach so, da der des Denkens mchtige jugendliche Geist, der Schwrmerei verdchtigt, an seinem Besten irre wird, um dann von den verdunkelten Teilaspekten her den "logischen Totalisierungen" der modernen "Weltbilder" und "Weltanschauungen" zu verfallen. 13. Zusammenfassendes ber das Wesen der Bildung Bildung besagt daher ein Erwecken in der Macht und im Gefge der waltenden Lebensordnung. Sie bedeutet ein Einwohnen in das liebend durchherrschte Haus des Menschen, ein Einrichten und Einordnen in die gesetzliche Ordnung der Gemeinde und des Volkes, ein Ermchtigtwerden aus der Macht des Seins und des Daseins zum Wirken in der immer schon den Einzelnen umhaltenden und berwaltenden Welt. Sie bedeutet im Religisen eine auflichtende Erkrftigung und Einweihung zur Reife bezeugender, lebendiger Gliedschaft, sie bedeutet schlielich eine Begeistung durch eine des Seins und der wesenhaften Verweisung mchtige Sprache und ihre gltigen Aussagen bis zur Freiheit wesenhafter Bekundung. Bildung ist dergestalt immer auch wieder-holende, aneignende "Ermchtigung", zum Gebrauchen, zum Durchmessen, zum Bekunden und Mitteilen des Seienden, worin ihre technische Seite beschlossen liegt. Aber alles "Technische" in Handhabe, Sprache und Wissen ist immer nur vermittelnde Ermchtigung und vergeht fr das Bewutsein im bedeutungsvollen Vollzug des Begegnens, des Dienstes und des Werkes. So geht die Fingerfertigkeit des Knstlers unbedacht unter vor dem knstlerischen Auftrag der Gestaltung eines groen Werkes; die Beherrschung einer Sprache tritt zurck vor der in ihr mglich gewordenen Bekundung des Denkens oder einer freundschaftlichen Begegnung wie schlielich das "Gelernte der Gebete" gleichgltig wird vor der Innerlichkeit betender Zwiesprache. Also ist alle Bildung vermittelnd und geht in etwas Ursprnglicherem unter, nmlich im Walten des Seins, das mit Bildung zu bezeichnen, eine wesenlose Verschiebung bedeutet. So ist das "Kenntnisreiche", sind gewute Zusammenhnge, gedanklich Verarbeitetes, geschichtliches Beiwerk unter Umstnden bedeutsam fr die Erschlieung einer Dichtung. Aber wenn das Geheimnis des gestalteten Werkes ins Walten kommt und ins Herz trifft, wenn Gttliches das Gttliche in uns berhrt und uns schreckt oder beseligt, dann schwindet alles nur Vermittelnde ins Bedeutungslose. Da sich dieses Ursprngliche in unseren einfachen Lebensrumen, die der Paideia zugeordnet sind, nicht tief und bezwingend mehr ereignet, hat dies nicht seinen Grund auch darin, da unser in tausend nie ans Ende kommenden Vermittlungen verlaufender Bildungsbetrieb mithalf, tiefe Krfte zum Schwinden zu bringen? Schlielich gehrt der Wandsbecker Bote weniger in die Literaturgeschichte und in die Abiturprfung als in die Bauernstube.

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14. Funktionalisierung der Bildung Nur wenn das Einfache des Ursprungs noch das Herz bewegt, ist es gesichert, da die bildende Vermittlung, ausgehend vom Ursprnglichen des Seins und Daseins, immer wieder in es zurckschwingt und sich ins Ekstatische der Begegnung mit den gttlichen Mchten und Tiefen berschwingt. Jede Dichtung, jedes Kunstwerk, jeder wahrhafte Gedanke ist im Wesen eine solche Begegnung, die zu feierndem Innewerden, zu liebender Einigung, zu musischer Stille, zum berschwang spielender Freiheit fhrt. Dieses bedenkend, knnten wir erschrecken, wie erschpfend lang und weit, wie ermdend und oft wie abstumpfend die vermittelnden "Bildungsgnge" unserer verplanten Leistungsschulen sind, da viele nach unsglichen Anstrengungen berhaupt nie auf die "bildungslose", ursprngliche Begegnung stoen, um deretwillen diese Bildungsgnge einst von erlauchten Geistern empfohlen wurden. Viele nehmen es ergeben und traurig wie ein dunkles Schicksal hin, da die Berechtigung zu "hheren Studien" oder "hheren mtern" mit diesen "sinnlosen Qulereien" verbunden ist. Dann freilich ertnt am Ende der Ruf nach der Schulreform und die Abschaffung z. B. der griechischen Sprachbemhungen, weil man es nicht verantworten will, um eines kleinen Prozentsatzes von Theologen und Altphilologen willen, die beruflich dieses Bildungsganges bedrfen, vielen begabten Kindern diese "sinnlose Anstrengung" zuzumuten sinnlos ja, weil manchen Lehrenden der philosophische Gedanke, das Wunder der Polis, die tragische Feier des Gottes und die heilige Rhmung des gttlichen Waltens im Epos nicht so viel bedeuten wie die philologische Wissenschaftlichkeit, die sich gerade an dieser Sprache entfaltet, und die gewi notwendige syntaktische und grammatikalische Sprachbung. Darum ist es ihnen zu schwer, die zwingende Aussagekraft dieser Sprache fr das Erkennen der Menschheit zu enthllen, weil sie das griechische Werk in seiner Wahrheits- und Bezeugungskraft und das Unwiederholbar-Einmalige dieser wundersamen Kindheit des Geistes in ihrem Bildungsgang nicht hinreichend erfahren durften, weil es in diesem um "Sprachwissenschaft" und nicht um das Agathon, um die heilige Ordnung der priesterlich-kniglichen und brgerlichen Stadt und um ihre politische und soziale Verantwortung in ursprnglicher Paideia ging, weil den meisten es schlielich im Hinblick auf die klassische Sprachorientierung bedeutungslos ist, da diese Sprache das heilige Gef der gttlichen Offenbarung und der frhen Christenheit geworden ist, da diese geistige Welt des Griechentums von den Wurzeln her adventistisch dieser erhabenen Berufung zugeordnet war und sich mit dem Glaubensdenken der Kirche lebendig und tief verknpfen lt. Also knnen sie auch nicht die vermittelnden Bildungsgnge dauernd ins Wunder der geistigen Begegnung bergehen lassen und das Herz der Kinder begeisten, sich durch die Sprache die Tore zu ffnen in ein kostbares Geistesreich, das jede Anstrengung rechtfertigt und den Eingeweihten ins Erhabene fhrt. Es sollte jeder Lehrer einer hheren Schule einmal die schlichte Feststellung machen, wieviele seiner Schler auer den Berufsphilologen sich spter noch einmal um Homer, Sophokles oder Platon in griechischer Sprache gemht haben, und wenn er keinen findet was wohl gar nicht selten sein mag , dann soll er darin erkennen, da er weniger gebildet als funktionalisiert wenn nicht gar versperrt und ermdet hat. Von dieser Erkenntnis her gewinnt das Studium generale auf der Universitt einen besonderen Auftrag, nmlich alles "Fachliche" den letzten Fragen des Seins und dem Menschlichen in seinen "hchsten Interessen" zuzuordnen. Freilich ist das "Programm" bedeutungslos, wenn es an Geistern mangelt, die der philosophischen Seinsfrage gewachsen sind und nicht durch einen uferlosen Historismus und rationalistischen Kritizismus mehr zur Verwirrung als zu bindender Erkenntnis beitragen.

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15. Das "Vermittelnde" technischen Bildens Noch gewichtiger wird das "Vermittelnde" fr die "technische Bildung", fr die Welt der Arbeit, fr das "Politische" und jedwede Weise von leistungsbefhigter Fertigkeit. Da der Mensch in solchen Erkenntnisweisen und Bettigungen wie in allem, was er aus sich hervorgehen lt, die unmittelbare Befriedigung im Spiel der Krfte erfhrt, so da er in seinem Selbstgefhl wchst mit der Steigerung seiner Vermgen, der Ausdehnung seines Wirkkreises, da ihm eine entsprechende Wertschtzung bei anderen zuteil wird, da Ansehen, Macht und Gewicht sich erhhen all dies mu vor dem Wesenhaften dessen zurcktreten, wozu sich alles Menschliche dienend vermittelt, nmlich das Werk selbst in seiner sozialen und menschlichen Bedeutung. Denn alles Technische, alle Arbeit zielt auf die Ermglichung und Steigerung des Lebens der Menschen. Dieses Leben aber ist nicht auf den Nutzen und seine Erzeugung hingeordnet, sondern umgekehrt hat alle Arbeit dem Menschen sein wesenhaftes, gesammeltes, liebendes und religises Seinknnen zu ermglichen, von dem her der Mensch die Arbeit selbst in menschenwrdiger Ausbung als sittliches, beseeltes Tun zu vollziehen vermag. 16. Der innere berstieg alles Bildens ins Sein Also bersteigt sich alles Bilden auf je tiefere Begegnung hin, in ein Unmittelbares des Innewerdens und Erfahrens, das selbst nicht mehr zur "Bildung" gehrt, aber von ihr nicht weggenommen werden darf, ohne sie einem leeren Umtrieb uferloser Vorgnge auszuliefern. Also mit sich Bildung wesentlich daran, auf welche Lebenstiefen und Erfllungen sie hingeordnet ist, in welchem Mae es gelingt, die technischen und vermittelnden Bildungsgnge zu bersteigen und das Sein und die waltenden Mchte des Lebens in der steten Selbstdisponierung und Leistungssteigerung zur Kundgabe und Begegnung zu bringen und das Leisten einzuordnen in den Weltzusammenhang. Ein auswendig gelerntes Gedicht ist nicht ein "subjektiver Besitz", keine ausweisbare "Gedchtnisleistung", auch kein erworbenes "Bildungsgut" all dies sind nur beilufige Bezge neben dem Eigentlichen, da die Macht edel geformten Sprechens in diesem Menschengeist waltet, da er zu jeder Zeit, losgelst von gelesenen Bchern, in einer geweihten Stunde, in trauter Geselligkeit oder in der Einsamkeit eines nchtlichen Waldganges die Individualitt, die Lebens- und Offenbarungsmacht einer schnen Dichtung beschwren und sich in ihr der Tiefe des Seins und des Geistes hingeben kann. Hier erweist er sich nicht als "gebildeter" Mensch, sondern als einer, dem sich durch seine "Bildung" die Tiefen und das Geheimnis des Daseins erffnen, was auch auerhalb langer, bildender Einbung sich ereignen kann. Es gibt deshalb viele "ungebildete" Menschen, die tiefer wurzeln im Wesenhaften des Seins und "nahe am Ursprung" wohnen (Hlderlin). 17. Der Vorrang des Wissens und Erkennens In allem Bilden haben Erkennen und Wissen einen offenbaren Vorrang. Erkennend und wissend ordnet sich der Mensch den Dingen der Welt zu und ffnet sich fr die Tiefe des Seins und der Wesen. Indem er sich der Dinge versichert, ihr Verhalten erkennt, vermag er ber sie zu verfgen, um herrschend und dienend den menschlichen Lebensraum aufzubauen und zu ordnen, um in ihm wohnend sein Leben leben zu knnen. Alles Erkennen bedeutet eine Einigung der Dinge und Wesen mit dem Menschen selbst. Von ihnen erfllt, kommt er zu sich selbst, doch nur um sich hinwiederum strebend, liebend, verehrend, dienend und gebrauchend auf die wirkliche Welt hin zu bersteigen. An den Weisen der Erkenntnis und des Wissens mu sich daher berall die innere bersteigung ins Wirkliche aufweisen lassen.18

a) Das Ursprungswissen des Menschen Am Ursprung steht die "Urbildung" des Menschen, in der dieser ins Verstehen des Lebens, zum Selbstwissen und zur Orientierung in der Welt kommt. Hier erffnet sich die Urweisheit im kindhaften Mitsein mit der frsorgenden Familie. Hier erwacht er zur Liebe, zum Dank, zur Ehrfurcht, zum Vertrauen, hier erfhrt er Herrschaft und Autoritt und gewinnt, eingefgt und gehorsam, die sittlichen Grundmae des Lebens, dessen ernstes und gtiges Walten ihm Gottes Bild vermittelt. Hier ist er ohne jede Reflexion auf die Weise seiner Erkenntnis im Mitsein mit den Menschen ganz den Dingen, der Natur, der heimatlichen Welt und im ahnenden Sicherffnen den Geheimnissen und Tiefen des Lebens zugekehrt, von denen her sich wiederum das Tun der Menschen, die Weite der Landschaft, der Wald und der Strom und die Sterne offenbaren. Hier ist Sprechen ganz ursprnglich "Teilnahme an der Bekundungsmacht der Sprache als einem Vermgen der gttlich begeisteten Gemeinschaft". "Bildung" ist daher die sich einbildende Erffnung aller Lebensbezge und Grundvermgen, auf da das Kind mit jeder Vermgenssteigerung und Bereitschaft tiefer dem Walten des Lebens sich hingebe und sich einordne in Welt und Gemeinschaft. Dieses durch Vertrauen geweckte und von der Liebe durchwrmte ahnungsreiche Grundwissen ist ein Leben lang ein unersetzlicher Lebensgrund fr den schpferischen Geist. b) Sach- und Wesenswissen Dieses Wissen entfaltet sich im Ordnen der Welt zum "Sach- und Wesenswissen". Alles Wissen ist Ordnen, Zuordnen und Einordnen. Auch das Gesetz der Dinge ist eine Weise von notwendiger Zuordnung Verschiedener. In dieser "Ordnung" bedeutet "Bildung" nicht einen gedchtnismigen Ausweis gewuter Dinge, sondern primr und eigentlich das Auftreffen auf die gattunghafte Gliederung und Verwandtschaft der Wesen, auf den Reichtum der Abwandlungen, auf die unableitbare Einzigkeit, auf das Geheimnis und das Kostbare ihrer Gestalten und der Lebensvorgnge. Hier erschliet sich der Wesenszusammenhang, der Umkreis der Bedingungen mit ihren unberschaubaren und nicht verrechenbaren Mglichkeiten. Hier tut sich die undurchdringliche Tiefe des sich selbst erzeugenden Lebens auf und die analoge Verweisung auf das Ganze von Natur und auf Gott. Hier erfhrt sich der Menschengeist in seiner zuordnenden Kraft wie zugleich in seiner wesenhaften Begrenztheit. Aber das Wesentliche ist nicht die subjektive Seite des Behaltens und Begreifens, sondern immer das Seiende selbst, das jeden Akt des Ordnens und Beziehens ermglicht, regelt und in seiner Unzulnglichkeit offenbar macht. Wo es nicht mehr in diesem Sinn um das Seiende selbst geht, sondern nur noch um das von Menschen "Gesagte", ist der Erkenntnis- und Bildungsvorgang gestrt. c) Seinswissen Dieses Wesens- und Sachwissen ist drittens getragen und ermglicht vom Seinswissen, dem es um die Wirklichkeit im Ganzen geht. Dem Denken und Erkennen geht es ursprnglich immer und primr um das Ganze. Schon unserer "sinnlichen Welterfahrung" rndet sich die Welt zum "Ganzen". Wir begegnen ihr nur aus dem "Umfnglichen eines Horizontes", in dem alles "Gesehene" als ein Ganzes sich darbietet. Jede Landschaft ist ein solches Ganzes, aber auch der Himmel "rndet sich dem Blick zu einem Ganzen und Umfnglichen". Ebenso ist die Sonne das Ganze des Lichtes, des Tages, und diesem Ganzen entspricht das Ganze des Dunkels und der Nacht und das Umfngliche der Sternenwelt. Solchermaen lebt und atmet, schaut und bewegt sich der Mensch im Ganzen, dessen geheimnisreiches Walten er mit jedem Tag und in den Gezeiten des Jahresablaufs immerfort erfhrt.19

Also kann er auch keine Pflanze erkennen, ohne sie als "kosmisches Wesen" zu erfassen, dessen Lebensgang durch Millionen Jahre hindurch in dunkle Ursprnge sich verliert, als ein Wesen, in dem die allbelebende, alles bewegende Macht des Lichtes und die Elemente der Natur sich zu Lebensvorgngen und Gestalten, zu Blttern und Blten verdichten. Er mu daher fragen, was die Pflanze im Ganzen des Lebens, ja des Seins selbst bedeutet. Also trifft er auf die Frage nach der Seinsart der Wesen und ihrer inneren Zuordnung. Da er solches erfragen kann, setzt voraus, da er das Sein selbst erfuhr und seines Sinnes gewahr wurde. Ohne diese Erffnung des Seins selbst gibt es berhaupt keine Bildung, die diesen Namen verdient. Solchermaen ist Philosophie oder Metaphysik nicht eine esoterische Frucht des Bildens, sondern ihre tragende Voraussetzung. Wer nicht in ihrer Wahrheit lebt, ist ein entwurzelter, haltloser Schwchling, und sein gespreiztes, subjektives Wissen und Knnen ist jedem modischen Umtrieb und der Macht der gerade geltenden Weltanschauungen widerstandslos ausgesetzt. Es wird viel zuwenig bedacht, da die sogenannte "kritische" Skepsis des Zeitalters seine innerste Schwche und Haltlosigkeit bedeutet. Vlker, die diese heillose "Gescheitheit" mit groen Mitteln auf ihren Hochschulen knstlich aufblhen und erhalten, wissen gar nicht, welche zerstrende Unmacht sie mit Aufwand gegen ihr Leben untersttzen. Damit ist nichts gegen die echte "Kritik", die ordnende Unterscheidung gesagt, die alle gefhrlichen Schwrmereien aufhebt. Vergeht sich diese Kritik aber an den Lebensgrnden des Geistes selbst, so ist bald aus ihren Folgerungen zu erkennen, da das, was noch an Wahrheit und Lehre bleibt, so gleichgltig und nichtig ist, da die Frage nach der ffentlichen Untersttzung dieses "Geistes" zumindest die skeptischen Vertreter in ihrem Gewissen beunruhigen sollte. Nur an wenigen Beispielen kann dieser transzendentale Halt des Seinsdenkens aufgezeigt werden, und zwar im Hinblick auf jede Stufe des Denkens berhaupt. Denn der Mensch steht vom Ursprung her in dieser Helle und Wahrheit. Da aus dem Nichts nichts wird, da das Chaos kein geordnetes Wesen gebren kann, da jedes Wesen, das nicht aus sich selbst ist, vielmehr einer Ursache bedarf, da jede Wirkung der Ursache in irgendeiner Hinsicht hnlich ist, da der Mensch in Freiheit zum Guten strebt und ohne Freiheit weder Verantwortung noch Lohn und Strafe denkbar sind, da das sittliche Gesetz jenseits des zeitlichen Nutzens verpflichtet und deshalb in einem Ewigen grndet, da der das Ganze der Welt und den Weltengrund denkende Geist keine "Wesensverwandtschaft mit dem Tier" besitzt und deshalb anderen Ursprungs ist, da die Welt endlich ist, sowohl der Energie, der Ausdehnung wie der Zeit nach, da sie notwendig einen Anfang hat und auf ein Ende des Energieausgleichs hinluft, da das Rechnen und Messen nur ein mechanisch Gleichgeartetes bestimmen kann und deshalb nie in den je individuellen Seinsgrund dringt, da es unerrechenbare Wesensbezge gibt, all dies und viele andere Seinsstrukturen erffnen dem plastischen Geist der Jugend die Wirklichkeit und begeisten und erkrftigen ihn durch die Macht ontologischen Denkens. Es sollte kein Wissen und Erkennen geben, vor allem nicht in christlichen Bildungsanstalten, das nicht aus der metaphysischen Seinserkenntnis her aufgelichtet und auf das Ganze hin geffnet ist, weil es nur von diesem Ganzen her den Menschen selbst bildend bewegt und ber sich hinaus fhrt. d) Weisheitswissen Solches Wissen um das Ganze des Seins ist immer auch "Weisheitswissen", d. h. liebendes Wissen, das im Enthousiasmos, in der Ergriffenheit echter Theorie das Herz bewegt. Ist nicht jede Pflanze vergemeinschaftet mit der brigen Flora und dem tierischen Leben? Ist sie nicht ein tragender Grund des ganzen Lebens, das auf dem Opfer der Individuen sich erhebt? Verweist dieser Sachverhalt nicht auf das Opfergeheimnis des Lebens berhaupt, dessen Substanz die sich verschenkende, unverrechenbare Liebe ist? Ist die Pflanze nicht das "Antlitz" gewordene Licht und Leben berhaupt; sinnbildlich fr alle Formen des menschlichen Lebens, dessen dem Unmit20

telbaren und ueren zugekehrte Einbildungskraft sich von diesen Gebilden her entzndet und durch sie ihr wunderbares dichterisches Spiel zu spielen vermag? Ist nicht jede Pflanze eine "Spur" des Geistes und ein unableitbar kstliches Gebilde einer gttlichen Einbildungskraft, einer "gttlichen Kunst"? Ist sie nicht ein ,,geschwisterliches" Wesen unter den Wesenheiten der Natur, das der Mensch liebend und beglckt ansieht? Ist sie nicht Abglanz und Atem Gottes in der Welt? Wo die Pflanze die Landschaft nicht belebt, da diese den Menschen brderlich umfngt, wie in den Wsten Nordafrikas und Asiens, wird dort das menschliche Denken nicht beirrt, Gott in absoluter Transzendenz zu denken, dessen monumentale Einheit in beziehungsloser Jenseitigkeit unbewegbar verharrt, whrend der in Wldern lebende Mensch geneigt ist, Gottes Leben dieser Welt anzunhern? Zeigt nicht dies, da die liebende Erfassung der Welt das Denken von Grund aus bestimmt, und gilt es nicht, von dem in wahrhafter Liebe bewegten Geistgrund her die Dinge zu erschlieen? Wird nicht alles Denken weise, wenn ihm die vergnglichen Dinge zum Gleichnis des Ewigen werden? Erlischt nicht unsere Denkkraft, wenn nicht der liebebewegten Einbildung gltige und wesenhafte Gleichnisse geschenkt werden? Ist es nicht wundersam "bildend", d. h. seinserschlieend, wenn die Verwandlung der Naturdinge im Hinblick auf das Menschenschicksal bedacht wird? Knnte man nicht sagen, da der der Blte entwachsene Same einer Blume, so ihm Bewutsein gegeben wre, nur mit Angst und Schrecken der Finsternis und Khle der Erde entgegenshe, weil er ja nicht wissen kann, da nur sein Zugrundegehen seine Auferstehung und Verwandlung ermglicht? e) Heilswissen Solches Wissen ist vor dem Geheimnis des Todes immer zugleich auch "Heilswissen". Auch diese von Scheler so gekennzeichnete Weise des Erkennens ist nicht schlechthin von den anderen "Wissensformen" geschieden. Alles Erkennen steht in der Frage nach dem Heil, weil es den Geist zu sich selber bringt und dem Leben dient. In dem Anspruch, die "beste, reinste, sich selbst gengende Ttigkeit" zu sein (Aristoteles), geht es in aller Theorie um das Glck und das Heil des Menschen, der der Frage nicht ausweichen kann, wie weit sein Erkennen des Todes mchtig ist. In der unabweisbaren Endlichkeit alles menschlichen Tuns, wie im unabweisbaren Gewissensanruf zu seinem eigentlichen Seinknnen und Seinsollen, bricht die Heilsfrage auf, und sie erhebt sich von allen Bereichen des Erkennens her. Die daseinstranszendente, zeitlose Gltigkeit mathematischer Gesetze bedeutet z. B. eine beunruhigende Frage nach der "Ewigkeit" des denkenden Geistes. Solches Heilswissen ffnet sich durch seine Durchschtterung vom Tode her glubig der "Offenbarung" Gottes, in dessen Wort es zum "Offenbarungswissen" wird. Dieses Erkennen ffnet den Blick in die Gleichnistiefe der Wesenheiten, denn auch die Natur hat ihren Anteil am Unheil des Todes wie am Heil der Auferstehung und Erlsung. Also kann der "Feigenbaum", der "unfruchtbare Baum", das "Senfkorn", wie das sterbend auferstehende Samenkorn, schlielich das "Unkraut unter dem Weizen" zum "Gleichnis" des Menschenheils werden. Ist es nicht christlichem Bilden aufgegeben, nicht nur das Endliche und die Gefhrdung des Menschen, sondern auch die Zeichen unserer gttlichen Heimholung zu bedenken und nicht nur in einer "Religionsstunde"? Im Heilswissen aber steht alles Erkennen in demtig ehrfrchtiger, bangender und hoffender Durchschtterung und gerade hierin unermelich entfernt von jeder "Geschlossenheit und in sich ruhender Selbstbefriedigung" (Spranger). f) Herrschafts- und Verfgungswissen Eine weitere Weise des Erkennens begegnet uns im Herrschafts-, Gebrauchs-, Dienst- und Verfgungswissen. Hierber ist schon Entscheidendes gesagt worden. Hier entspringt die21

Erkenntnis dem "handelnden" Umgang des Menschen, der durch seine Bewegung den Widerstand wie die Fglichkeit der Dinge ,,er-fhrt" und kundig dessen, was den Dingen "gesetzt" ist, sein Handeln diesen Gesetzen angleichen kann, um sie als Mittel und Gerte seines Tuns zu wenden und zu verwenden. Dieser handwerkend kundige Mensch, der "Techniker", der homo faber, der schaffende, fabrizierende Beherrscher der Dinge, der messende, wgende, umsichtig fgende Exaktor ist mit unerbittlicher Schrfe an die Dinge selbst verwiesen. Mit verfeinerten und gertlich gesteigerten Sinnen hat er be-ob-achtend Acht auf das Verhalten der Welt, weil er jede Nachlssigkeit durch den Widerstand, den sich versagenden Eigenwillen der Dinge mit dem Milingen des Werkes bezahlen mu. Den Unerfahrenen umlauern unendliche Gefahren. Also ist die rechnende Vorsicht nichts als die Versicherung des Handelnden gegen das Zufllige und Verborgene des Seins. Diese Erkenntnisweise ist am wenigsten der Gefhrdung ausgesetzt, um der bedeutenden Zeichen willen das Seiende zu verfehlen. Weil dies letzte in unseren Schulen in den sogenannten "geisteswissenschaftlichen" Fchern in bedenklichem Mae statthat, so gewinnt die technisch-messende und rechnende Naturwissenschaft um der immer erfahrenen Wirkweise der Dinge und Maschinen willen einen unverkennbaren Vorrang, der sich durch den Genu der herrschaftlichen Verfgung ber die Dinge und die Ergiebigkeit ihres geordneten Wirkens, d. h. ihren Nutzen steigert. Die mathematische Exaktheit der "Berechnungen" und Messungen, die durch die ganze Dingwelt hindurch gltige Allgemeinheit der "Gesetze", die Erschlieung des ganzen Kosmos der Natur, die Bewahrheitung durch "Erfahrung", d. h. durch das sich den Maen fgende Verhalten der Dinge erzeugen den beirrenden Schein, da diese Weise des Erkennens entweder die einzige sei oder doch einen regulativen Vorrang vor jeder anderen behaupte. Man bersieht geflissentlich, da die gesetzliche Zuordnung und Messung nur das Wirken der Dinge, nicht aber ihr Sein und Wesen betrifft und da man messend nur das Mechanische, Gleichgeartete erfassen kann. Also ist ber die je qualitative Andersheit von Wesensbezgen durch die Methode der Naturwissenschaft gar nichts aussagbar, und zwischen der mathematisch gemessenen Schwingungszah1 und der Qualitt eines Tones oder einer Farbe liegt ein unbersteigbarer Abgrund. Ebensowenig kann man ein individuell Seiendes durch die "Gesetzlichkeit" von Wirkungen gltig bestimmen. Das ist ein allgemeines Gesetz des Seins. Nur die menschlichen Handlungen knnen wir sittlichen, sthetischen, psychologischen Maen unterwerfen, niemals aber ist uns gestattet, von solchen Ergebnissen her auf das "Sein des Menschen" zu schlieen. Je mehr daher die Naturwissenschaft sich dem "atomalen", d. h. individuellen Seinsgrund der Vorgnge selber nhert, wird ihre Gesetzlichkeit "statistisch", was in Wahrheit nur ein anderer Ausdruck fr ein Undeterminiertsein der Dinge bedeutet. Denn wenn bei einer groen Menge von Elektronen und Atomen eine allgemeine Wahrscheinlichkeit von Emissionen berechenbar ist, so bedeutet dieses Ergebnis im Hinblick auf das einzelne Elektron, beobachtet man das frei bleibende Zeitfeld seiner individuellen Bewegung, eine geradezu ungeheuerliche Unbestimmtheit. Mit man sie an menschlichen Handlungen, denen man bei wenigen Varianten schon den Charakter der "Unbestimmtheit" zuerkennt, so ergibt sich hier eine maximale Unbestimmtheit, die das Reden von "Gesetzen" als eine Unterschiebung erweist. Es ist eine wesentliche Aufgabe echten Bildens, diese inneren Grenzen der Naturwissenschaft aufzuweisen und ihre Ansprche in die Schranken zu weisen. Ihre Methoden erreichen nirgend das Wesen von Lebensvorgngen und Seinsbezgen und sind im unermelichen Bereich des Geistigen vllig belanglos. Die Gefahr des technischen Wissens. Die Gefhrdung dieses Erkennens ist jedoch um vieles rger, als mit dem Gesagten zutage tritt. Als Gebrauchs-, Verfgungs- und Leistungswissen ist es wesentlich auf den nutzbringenden Dienst am Leben des Menschen hingeordnet, und seine Ergebnisse sind metaphysischer Seinserkenntnis zur Durchdringung und Erhellung zu unterwerfen. Statt dessen gebrdete sich die Wissenschaft vielfach als "Ontologie" und mate sich an, sowohl22

die Freiheit des Geistes wie die transzendente schpferische Wirkmacht Gottes vor den Mechanismen einer nirgend ausgewiesenen Allgesetzlichkeit zu begrenzen oder aufzuheben. Es ist erschtternd, in welchem Mae diese denkend nicht einmal vollziehbare Unsinnigkeit eines absoluten Mechanismus, der alle Individualitt negiert, immer noch die Geister unserer Zeit beirrt. Noch gefhrlicher ist es, da die Technik, dem Leben dienend, vom Lebenswillen selber besetzt wird. Sie hat durch die Steigerung der Lebensmittelerzeugung und der Lebensbedrfnisse ungezhlten Millionen das Lebenknnen geschenkt. Sie ist ein unbersehbarer Apparat der Lebensfrsorge geworden, so da der sich durch diese Technik dem Tode entwindende oder sich auf eine Hhe der Lebenssicherheit und Behaglichkeit frei heraufarbeitende Lebenswille ihn unausgesetzt befeuert und weitertreibt. Dieser Apparat dient nicht nur dem Menschen, sondern er fordert den Menschen ein, da er ihn immerfort erneuere, erweitere, steigere und ihm die Kraftstoffe zufhre. Also nimmt er den Menschen mit allen seinen Vermgen in seinen Dienst und zwingt die Vlker durch den Wettkampf eines wirtschaftenden Kriegszustandes, alle ihre menschlichen Krfte zu "ertchtigen", um das Letzte und uerste an beruflicher Leistung durch Schulung und Spezialisierung zu erzwingen. Diese Ertchtigung fragt lange nicht mehr nach dem menschlichen Sinn und dem Ende solchen Tuns; sie verliert sich in der Uferlosigkeit wirtschaftlicher und technischer Vermittlungen, die an kein Ende kommen, und spannt die Krfte des Menschen ein, ohne zu bedenken, wohin der Mensch schlielich in dieser monstrsen Arbeitsbeanspruchung und Bedrfnissteigerung gefhrt wird. Damit aber wird alles Bilden funktionalisiert und verzweckt und der beruflichen Ertchtigung ein- und untergeordnet. So wichtig eine solche zivilisatorische Ertchtigung ist, so gefhrlich wird sie, wenn sie die Struktur des Bildens schlechthin bestimmt. Dann berwiegen die mebaren Leistungsvorgnge in allen Bereichen, jeder Vorgang wird verzweckt und vernutzt, die ganze Bildung aber verplant und nach notifizierbaren Ergebnissen auf Generalmae abgestellt. Dann wird "Deutsch" zur Fertigkeit geordneter, bersichtlicher Mitteilung im Modus eines gngigen, flssigen, bereinigten Stils; dann wird die formale Korrektheit und orthographische Genauheit der hchste Trumpf, dann wird die lateinische Sprache "zugelassen" als beste Schulung der intellektuellen (logischen) Beweglichkeit, dann kmmert sich keiner mehr um die Verdung der ewigen technischen Vermittlung da ja der Leistungsantrieb der Note und das Streben nach den "Berechtigungen" einen hinreichenden Arbeitswillen verbrgen. In seiner hchsten Entartung ereignet sich hier unversehens eine tiefe Wesensverkehrung des Bildens. Die abrichtende, verdende berspannung, das nivellierende Notifizieren treiben die Verngstigung, den Leistungsehrgeiz, den Hochmut und die innere Unredlichkeit hervor und erzeugen gefhrdende Charaktereigenschaften, die das Bild unseres Volkes bedenklich vernderten. Aus solcher berspannung und Verdung erwchst die gedankenlose Sucht nach rauschhafter Betubung, nach Rekorden und Sensationen. Hier wird nicht gebildet sondern der Unmensch gezchtet, der, mit gebrauchsfertigem Wissen ausgerstet besinnungslos eine uferlose routinierte Betriebsamkeit ein Leben lang forttreiben wird. Die Aufgabe der katholischen Schule. Wir hatten erkannt da alles Bilden technisch ist und da es das entscheidende Problem fr den Bildner darstellt, welcher Lebenszeit er die wiederholende technische Aneignung und Einbung zuweist und in welchem Ma er die "kultur"- und "sprachtechnischen Vermittlungen bersteigt in erfllende Begegnung und innere Belebung. Eine katholische Schule verdient den Namen nicht, wenn sie nicht die tiefgreifende Gefhrdung durch den technischen skularisierten Leistungswillen erkennt, wenn sie das Leisten nicht einer schpferischen Wissens- und Seinserfassung und persnlicher menschlicher Bekundung unterordnet, schlielich, wenn sie nicht wach und nchtern die Leistungsvorgnge und das technische Arbeitsgefge durchschaut und den vermittelnden Dienstcharakter sichtbar werden lt. Schlielich wird sie um so mehr auf eine Erhellung des Lebens aus glubigem Erkennen drngen je mehr sie die mgliche seelische Verengung und Verflachung aber auch die bedrngende Ntigung durch das messende Denken erfhrt. Unsere Schulen sollten sich viel mehr kmmern um die Frage, ob der allgemeine Bildungsplan genau die Voraussetzung fr die einzelnen hheren23

Berufe und die wissenschaftliche Forscherttigkeit umschreibt, ob hier nicht eine unheilvolle Generalisierung vorwaltet, die die individuelle Entfaltung hemmt, und ob nicht durch eine Leistungsbeschrnkung im "Material" der einzelnen Fcher durch eine Verdichtung auf Wesentliches und seine grndliche Verarbeitung mehr erreicht werden kann, ohne unsere Kinder zu berfordern. g) Politisches Wissen Das gleiche gilt uneingeschrnkt auch fr die siebte Weise des Wissens, die Gesellschafts- oder politisches Wissen genannt werden mag. Es ist nicht nur durch den "Gegenstand" bestimmt, sondern den Modus der Erfahrung, sofern der Mensch nur in gesellschaftlicher und politischer Gliedschaft verantwortlich handelnd und als Person angerufen zu wesenhafter Erfahrung und Erkenntnis kommt. Diese Weise verantwortlichen Wirkens auf das Wohl und die Lebensordnung einer sittlich gefgten Gemeinschaft steht nicht auerhalb der Schule und des Bildens. Die Paideia und das lnstituere ist selbst ein politisches Phnomen. Jeder Gedanke verndert die Welt, so er verbindlich geuert wird; andererseits ist unser geistiges Leben ebenso ein Akt der Gemeinschaft, eben der "Kultur", d. h. einer verantwortlichen Pflege des Herkmmlichen und Gltigen, wie es dem Persnlichen des Menschen entspringt. Kultur ist ein Akt der Gehilfenschaft, der verantwortlichen Teilhabe, ein liebender Wettstreit und Dialog. Es gibt keine "esoterische Geisteswelt", sondern alles Erkennen und Schaffen steht in der Lebensmitte des Volkes, das sich selbst immerfort transzendiert in die Seins- und Lebensdeutung und in bezeugende, verbindliche Bekundung. Die Schule hat diesem Verhalt Rechnung zu tragen, d. h., sie mu sich selbst als Politikon wissen, sich verantwortlich als Gemeinschaft gestalten und auch ihr Bilden sowohl im persnlichen Dialog wie in lebendigen Arbeitsgruppen vollziehen. Sie mu Spannungen von Innen her in Freiheit zum Austrag kommen lassen. Haben nicht unsere Schulen durch ihre nivellierende Disziplinierung sich gegen diesen Bildungsauftrag am tiefsten vergangen, ja haben sie ihr politisches Wesen berhaupt erkannt? h) Geistwissen Zu nicht geringen Fragen fhrt die achte Weise, die durch den Namen "Geistwissen" bestimmt sein soll. In ihm wendet sich unser Erkennen den geschichtlichen Stufen und Entfaltungen des erkennenden, gestaltenden, wirkenden, sich bezeugenden Geistes selber zu. Bilden bedeutet hier zunchst ein Erffnen des Blickes auf die unermeliche Flle geistiger Gestalten, Gehalte, Volkskrper, Kulturbereiche und Entwicklungsstadien, ohne das heute keine geistige Bildung denkbar ist. Aber hier ersteht wie an keiner Stelle die Gefahr des uferlosen, fast neugierigen Begaffens und Bestaunens immer neuer Phnomene, der substanzlosen Relativierung alles Verbindlichen, die Gefahr der Ermdung und der berbrdung, der nur noch sthetischen Wrdigung je individueller Gestalten und Formen. Katholisches Bilden hat hier die Geschichtlichkeit, Endlichkeit und Gefhrdung des Menschengeistes sichtbar werden zu lassen, aber zugleich seinem Glauben und seiner Metaphysik gem die Kulturen in ihrem religisen Grunde als sittliche, rechtlich gefgte Lebensgemeinschaften zu erkennen und die geschichtsmchtigen und zerstrerischen Krfte aufzuzeigen. Die Mitte aller Kultur ist die Frage nach dem Sein, nach Gott, nach dem transzendentalen Ziel, d. h. nach dem Guten und dem Heil des Menschen. Aus ihrer Tiefe her erwachsen die Kulturen, ordnen sich im Fortgang der Geschichte einander zu, sie durchdringen sich und lsen sich auf und stehen in einer inneren Bewegung, die nicht begriffen werden kann, ohne eine tiefere Besinnung auf die transzendentale Wahrheit, die uns alle im Gewissen einfordert. Darum hat katholisches24

Bilden sich vom Glauben her um den Lebensgrund der abendlndischen Kultur und ihre Universalitt und Potentialitt zu mhen. Indem sie die Kirche Jesu Christi als die Mitte der abendlndischen Kultur begreift, erffnet sich ihr erst der ungeheure Horizont des Geistwissens, das sie in Ehrfurcht vor dem schpferischen Geist des Menschen wie vor dem undurchdringlichen Abgrund des Schicksals und den erschtternden Untergngen nur im Glauben an das Geheimnis gttlichen Wirkens ohne Beirrung bestehen wird. Auch hier ist Bildung nicht das subjektiv erworbene Vielerlei des Wissens, sondern die innere Erffnung der das Gewissen einfordernden Wahrheit auf den ganzen Horizont dessen hin, was geschichtlich bezeugt wurde. Nur in der Wahrheit ist der Mensch seiner Geschichte mchtig und wird frei zu durchdringender, besttigender und verwandelnder Begegnung. i) Poietisches Wissen Die neunte Weise sei das "poietische Wissen" genannt. Auch es ermglicht sich allein durch lebendigen Vollzug und den Ernst der Teilnahme. Denn der Mensch lebt wesenhaft in darstellender, bezeugender Poiesis, dichtend, bildend, rhmend und feiernd. Auch das Gebet der Gemeinde und die Liturgie gehrt der poietischen Ordnung an, in der sich der Mensch bekundend und geistig handelnd darlebt. Solche geistige Handlung bedarf der Einbung, der Pflege und Einweihung und ereignet sich nur echt aus dem Ernst des Gewissens und der Erschtterung des Herzens. Hier waltet der "Enthousiasmos" des gottergriffenen Geistes, in dem alle bildende Bereitung und Ermchtigung untergeht vor dem Walten des "anwesenden Gttlichen", durch dessen Teilnahme sich der Geist berschwingt in die Mitte seines Lebens, sich von seiner Bedrngtheit und Angst lst und zur Katharsis, zur Luterung wesenhafter Erkenntnis und zu begeisteter Handlung gelangt. Es entscheidet ber all unser Bilden, auf welche "Feier" es hingeordnet ist, und an welchem Ort und in welcher Gemeinschaft es sich erfllt. Wagen wir es berhaupt zu sagen, da sich die Einbung in die lateinische Sprache eher dadurch rechtfertigt, da sie eine vollendete Teilnahme am Opus Dei der Liturgie gewhrt als uns die Aneignung wissenschaftlicher Termini zu erleichtern? Das Musische ist nicht eine Zugabe zu unserer Bildung, sondern bestimmt ihr inneres Wesen. Es ist nicht mglich, das Sein zu erkennen und dadurch in Gottes Leben einzutreten, ohne dieses Erkannte zu bezeugen und in seiner Macht das Menschsein einzufordern. Nie aber ist eine Gemeinschaft aus dem Grunde der Wahrheit gefgt, ohne da das Sein ins Werk und ins Wort kommt, und ohne da sich jenes Geschick ereignet, durch das der Geist befeuert und gespannt wird, sich selbst handelnd, opfernd zu bersteigen und die Rhmung ehrenden Gedchtnisses, die Feier des anwesenden Gottes hervorzutreiben. Wo aber der Mensch besonnen, ernst, sittlich und liebend wohnt, ereignet sich das gleiche Geschick, das das Herz lst zu feiernder Rede und zu besinnendem Gedenken. Aus solcher Freiheit und Gelstheit allein erwchst ihm die Kraft, aus der gttlichen Tiefe der Sprache auch das einsame Betroffensein seines Herzens dichterisch zu sagen und andere in ihren stillen Stunden zu bewegen. Haben wir allezeit acht auf die drohende Verkehrung des Bildens, da wir die Poiesis nie an einem ihr gemen Ort begehen und deshalb ihrer niemals sprechend, gestaltend, bend, hrend und schweigend mchtig werden. Wie leicht nehmen wir sie zum Anla, ber sie einordnend zu sprechen und dies "Gewute" in einer Prfung auszuweisen. Bildung bedeutet hier wesentlich, sich der Poiesis hinzugeben oder ihrem Walten sich zu ffnen. Ein anderes ist es, ihr Sein und Wesen und die Kundgabe des Werkes philosophisch aus dem Ganzen des Seins zu deuten und auf dieser Ebene zu "wiederholen", oder das innere Betroffensein, d. h. den Nachhall des Werkes im Herzen zu bekunden. Aber dieses Enthllen und Bekennen bedarf einer gesammelten Wachheit fr die Tiefe des eigenen Lebens und einer Atmosphre der Freundschaft, in der das persnliche Wort ehrfrchtig gehrt werden kann. Fr einen "Leistungswettbewerb" in Literatur wird mit innerer25

Notwendigkeit das Gngige und ffentlich-Gltige gehrter und gelesener Urteile bergewichtig. Es bedarf der Behutsamkeit und des Feinsinns und der menschlichen Zucht, hier das Persnliche und Wahrhaftige des Gestimmt- und Betroffenseins zur Aussage und zu bildender Anregung kommen zu lassen. Man soll wissen, da es durch die bernommenen Schemata der "Literaturkritik" und Kunstwissenschaft leicht verflscht, verdrngt und entmutigt wird. Was die Literaturwissenschaft bildend bedeuten kann, war an anderer Stelle gesagt. Sie ist im Raum poietischer Bildung eine vermittelnde Hilfe, sie kann aber vor der Macht des Werkes bedeutungslos werden. Fr eine Hymne Goethes ist es belanglos, aus welchem Anla sie verfat wurde. Sie ist durch sich selbst und in jedem feiernden Augenblick ursprnglich und in vollendeter Autarkie gegeben. Dichtung, die nur durch lange vermittelnde "Erklrungen" und Ergnzungen sich ffnet, ist entweder in sich selbst fragwrdig oder des feiernden Ursprungs enthoben. Wer in ihm steht und das Wort selbst sagend mchtig werden lassen kann, wird das Gerede und Geschreibe ungeduldig beiseite setzen. Wie unertrglich werden die Rilke- und Hlderlin-Kommentare fr den, den das gesprochene Wort und Werk aus der inneren Macht seiner Wahrheit begeistet. Ob nicht eine allgemeine kraftlose Stummheit und literarisch verwirrte Reflexion all diese "Kommentare" notwendig macht? Wo sind denn die griechischen "Kommentare" zu Homer, zu Aeschylos und zu Pindars Oden zu finden? Oder liegt es daran, da die Wirkenden und Dichtenden keinen Raum feiernder Erffnung besaen und deshalb aus der Einsamkeit ihres Selbstgesprches erst fr das Allgemeine gelst und erlst werden mssen? 18. Transzendenz des Bildens in Gott Damit ist der Blick auf die neun Grundweisen des Erkennens und Wissens berall auf die sich bersteigende Transzendenz des Menschen gestoen. berall ist er im Gewissen nicht nur erschlossen, sondern vorgngig umschlossen vom Walten des Seins und der Menschengemeinschaft, die ihrerseits in der Helle und Macht gttlichen Lebens geschichtliches Ereignis wird. Denn der strebende Geist will in allem, was er denkt und will, Gott selbst und sein Heil. Also mu ihm, da er Gottes nicht mchtig ist, Gott immer erleuchtend und erkrftigend zuvorkommen, um ihn zu seinem Bilde kommen zu lassen. In aller Bildung waltet daher Gottes begnadende, fhrende und fgende Macht. Wo Gott vergessen oder ausgeklammert ist, ist alles Bilden ein kraftloser Schein, der nicht in die dunklen Tiefen der Seele erhellend und belebend dringt, so da sie in der Stunde der geschichtlichen Entscheidung, die Gott keinem erspart, von den Dmonen besetzt werden knnen. Also erinnere sich der katholische Bildner allezeit, da der Mensch sich bildend bersteigt, um darin zu Gott, seinem Urbild, zu seinem Heil, zu Flle und Erfllung zu kommen. Zu diesem bildenden berstieg aber sind wir nur in der Kraft Gottes und der von Gottes Gnade bewegten und begeisteten Menschengemeinschaft befhigt. Darum ist der Bildende nur Organ des gttlichen Bildners selbst, der die Herzen und Geister im Meister wie in den Jngern bewegt.

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Reife und Begabung in metaphysischer Sicht und DeutungEine philosophische Grundlegung

In einem Aufsatz, der in den Arbeiten zur Psychologie und Pdagogik vom Institut fr Pdagogik und Heilpdagogik der Universitt Freiburg in der Schweiz verffentlicht wurde, sagt Adolf Busemann: "Es ist eine der selbstverstndlichen Meinungen des modernen Menschen, da sich alles Lebendige auf Erden aus einfachen Formen entwickelt habe und in jedem Organismus neu entwickle. Im Zuge dieser evolutionistischen Denkweise hlt man es fr fraglos, da . . . die Jugend jedes einzelnen Menschen, von der Eibefruchtung bis zum Erwachsensein, ein Entwicklungsproze sei, nicht anders als die Jugend irgendeines Tieres und irgendeiner Pflanze. Jugend ist ,Ontogenie' oder ,Ontogenese' und nichts anderes, und aus den allgemeinen Gesetzen der Entwicklung lassen sich darum alle Vernderungen erklren, die das Menschenkind vom ersten Augenblick an im Mutterleib, spter als Sugling, als Kleinkind, Schulkind und als Reifender durchmacht, leiblich seelisch geistig. So lautet der Grundsatz der rein evolutionistisch genetisch orientierten Psychologie der Kindheit und Reifezeit, die heute das Feld, so darf man sagen, fast widerspruchslos beherrscht." Wiewohl Busemann nun diesem biologischen Denken den Kampf ansagt, ist er doch der berzeugung, da "das psychische Leben und Verhalten in der menschlichen Jugend weithin Vernderungen erfhrt, die mit denselben Begriffen erfat und beschrieben werden knnen wie die fr jede Jugend von Organismen charakteristischen physiologischen, anatomischen, morphologischen Vernderungen, die man im Begriff der Ontogenese zusammenfat". Busemann zeigt dann am methodischen Vorrang der Addition vor der Subtraktion beim Rechnenlernen des Kindes, der offenbar von der Struktur des Zhlens und der Zahl abhngt, da "nicht alles, was im Ablauf der menschlichen Jugend an Vernderung der Seelengestalt eintritt und zur Verwirklichung des Endzustandes wesentlich beitrgt, Entwicklung ist". Dieser Lehre zufolge gibt es daher eine organische, sich entelechial entfaltende Urform des menschlichen Lebens und in ihr neben ihr eine Hinordnung auf sachliche Erfahrungszusammenhnge, deren Bewltigung und Aneignung nicht aus den Anlagen und Entwicklungsgrnden herleitbar und verstndlich ist. Busemann hat ohne Zweifel recht, wenn er sagt, da das Entwicklungsdenken unter der Vorstellung von vollendeten Dispositionen und Keimkrften heute das Feld der Psychologie und Pdagogik weithin beherrscht. So sagt sogar Frau Montessori, deren Lehrmethoden eine von Grund aus entgegengesetzte Sicht erffnen, da "das Kind den Menschen erzeugt". Sie nennt es "ein mchtiges Wesen", weil es aus einer spontanen Wuchskraft, die physisch und seelisch in gleicher Weise waltet, sich die ihm geme Entfaltung erkmpft, sich ueres und Gegebenes aneignet und "inkarniert", oder aber auf Grund dieser nicht zu bndigenden Naturentfaltung unter dem Zwang einengender und hemmender Krfte entartet und in den Miwuchs getrieben wird. Was sich in dieser Auffassung anzeigt, das grndet nicht nur im Augenscheinlichen einer unmittelbaren Erfahrung, sondern wird genhrt durch das fachliche Bereichsdenken der modernen Wissenschaften, die den Menschen primr vom Allgemeinen und Gattungshaften des Lebens, des Organischen und des Seelischen her deutet oder aber unter dem Leitbild des gesetzlichen Wirkzusammenhanges die naturhaft gegebenen Determinanten der menschlichen Daseinsvollzge betont. Solchermaen sucht sie den Menschen aus den allgemeinen Lebensvorgngen, aus27

determinierten psychischen Ablufen und ihren Komplexen, gesetzlich formulierbaren Zusammenhngen, aus charakterologischen, physiologisch-anatomischen, typologischen Strukturen, aus den Urpotenzen des Lebensdranges und apriorischen Lebensrichtungen, schlielich aus gattungshaften Wirkungen und Beeinflussungen eines Erbgedchtnisses zu verstehen. Aber auch dann, wenn die Lebens- und Daseins-Strukturen unter Einbeziehung einer "objektiven Kulturwelt" oder Umwelt berhaupt entfaltet werden, berwiegt stets das subjektive Element, das im dynamischen oder schpferischen Aufbrechen von urtmlichen Anlagen und Lebenskrften sichtbar gemacht wird. Ohne Zweifel ist gerade in den zuletzt genannten Versuchen, die die Spontaneitt der geistigen und sittlichen Person oder die weltentwerfende, weltbildstiftende Kraft und den Reichtum der seelisch-geistigen Entfaltungsmglichkeiten artikulieren, sehr Wesentliches an Erkenntnissen ber den Menschen gewonnen worden. Man kann jedoch sagen, da in der unerhrt reichen Literatur ber die Phasen und Eigentmlichkeiten der kindlichen Entwicklung die wesentliche Grundfrage nicht zureichend ursprnglich gestellt und entfaltet wurde: die Frage nach dem Wesen des Reifens selbst. Diese Frage aber lt sich nur stellen, wenn zuvor das Wesen dessen enthllt wird, das da reift und sich reifend vollendet: nmlich der Mensch. Ist dieser Mensch aber ein erkennendes, ein sittlich strebendes, glubiges Wesen, ist er im Vernehmen und Streben auf das Ganze des Seins und des Seienden hin geffnet, ist er nicht nur Natur, sondern ebenso ursprnglich und wesentlich Person und Geist, so kann er auch nur in jenem denkenden Vollzug erfat werden, den wir den philosophischen nennen, weil in keiner Wissenschaft die genannten Aussagen ihrem Wesensgehalt gem aufgelichtet werden knnen. Metaphysik, Philosophie ist daher kein Titel einer besonderen Wissenschaft, sondern als "erste Philosophie" der Wirklichkeit im Ganzen und Grndenden im Rckbezug auf die Erfahrungsflle jeder Wissenschaft zugekehrt. Es kann im Rahmen eines Vortrags nur darauf ankommen, die zentralen Gesichtspunkte in knappen Thesen herauszuarbeiten. Dabei halten wir uns in der Seinsdeutung der aristotelisch-thomistischen Philosophie, um sie freilich zugleich den Forderungen der Sache gem und in einer den Prinzipien verpflichteten Strenge weiterzudenken. 1. Der Mensch ist wesenhaft verleibter Geist. Er ist nicht Geist oder Seele die einen Leib "hat". Das Wesen des Menschen, d. h., das, was ihn von Grund aus durchwest und durchwaltet, was ihn in allem, was er ist und ttigt, bestimmt, ist die Geistleiblichkeit. Anima est forma corporis animati. Die Seele ist diesem Satze gem ein einigender seinshafter Einheitsgrund, der formgebend alles Leibliche durchwirkt und zur substantialen Einheit des Menschseins fgt. Dieses durchwaltete Leibliche ist Natur (Physis). Dies Wort bezeichnet etwas, das im materiellen Werdegang der sichtbaren Welt verwurzelt ist und bewegend aus diesem Grunde zur Erscheinung und Wirksamkeit hervorgeht. Das Materielle aber bezeichnet per definitionem den empfnglichen Grund aller Dinge um uns her nicht, sofern sie etwas sind, sondern sofern sie empfnglich (leidensfhig und bestimmbar) sind fr ein verwandelndes, einwandelndes Wirken. Es ist eine metaphysische Grundwahrheit, ohne die sich kein einziger Schritt philosophischer Seins- und Daseinsdeutung ohne Verwirrung und Beirrung tun lt, da sich eine wesenhafte oder seinshafte Einheit einer Seienden gleich welcher Art nicht herstellen lt durch eine uere Anfgung von fr sich bestehenden Elementen. Sie ist nur mglich, wenn das Verschiedene, das zur Einheit kommen soll, einmal als durchwirkende und fgende Wirksamkeit und Wirklichkeit und zum andern als erwirkbare Empfnglichkeit begriffen wird, die jeweils bis zur substantialen Wurzel, d. h. bis zum Empfngnisgrund ergriffen und durchfgt wird, dergestalt, da jeder naturhafte Vorgang in gleicher Weise verinnerndes wie erwecktes und sich strebend

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einschmiegendes oder sich verweigerndes Leben ist1. Also sind die Wirkformen und Wirkkrfte, die in organischen Gebilden formend und steuernd in die Erscheinung treten, immer auch von dem einfachen Seelengrunde seinshaft durchwaltet, und zwar in dem Mae, da das seelisch-leibliche Ganze, der Mensch selbst, dieses Wirkgefge ist. Die informierende Seele ist daher in der lebendigen Fgung und Wirkordnung bis in den letzten Grund gegenwrtig, so da jede Erkrankung und Strung der leiblichen Organe und Krfte eine Erkrankung und Strung des ganzen Menschen ist. Es gehrt zu den Wesen des Materiellen, da in ihm alle Vorgnge sich in einem anderen, nmlich dem Empfnglichen entfalten. Also hat das Materielle als solches zwar fgende Einheit, aber keine vollendete Innerlichkeit. Es geht nie vllig auf sich zurck, sondern ist stets auf etwas hin, was es in seinem Grunde nicht ist. Also bersteigt und entuert sich jede materielle, leibliche und organische Fgung und Wirkordnung. Deshalb ist das Leibliche wesensnotwendig ein dienlicher Proze der Krfteordnung, der Krfteleitung und der einigenden, vermittelnden, berhhenden Disponierung in und zu jeweils anderen Funktionen. Solche bersteigung und Erhhung aber ist nicht anders begreifbar denn als Kraft- und Lebenssammlung, als Einigung und Bevorratung. Daraus folgt fr die Natur des Menschen, da sie ein dienliches Gefge sich vermittelnder und verfeinender Krfte sei, zu immer hherer, gesammelterer Wirksamkeit kommend, schlielich in den einfachen Seelengrund oder die seelischen Wurzel- oder Vermgensgrnde des Menschen einstrmen, da sich das menschliche Leben als menschliches entfalten knne. Soll also der Mensch als menschliches Wesen in der Welt in seelischer Ttigkeit erscheinen, so mu der ganze leibliche Organismus im embryonalen Naturwachstum so weit vollendet und abgeschlossen sein, da das jeweils einige seelische und geistige Leben aus dem Krftezustrom der empfnglichen (Materiellen) Natur erwachen kann. Das Leibliche ist daher eine durchfgte Seins- und eine durchwaltete, gerichtete Wirkordnung zugleich, die aber als ein sich immer in der sammelnden berhhung auch entuernden Proze das Menschsein nur in Mglichkeit ausmacht. Es ist ein seinshafter konstitutiver Teil und ein teilhafter Vorgang, den das Ganze, also das wesenhafte Menschliche immer qualitativ (unendlich) bersteigt. Wenn der Zustand der organischen Vollendung erreicht ist, dann drngt das sich dem formenden einschmiegende Materielle auf Grund der erkrftigenden Sammlung als Treib- und Dranggrund befeuernd in die Lebensmitte. Dann kreist das einige, zu sich selbst vermittelte Leben vorratend und gevorratet in sich selbst, da der Mensch als Ganzer in immanenter Innerlichkeit und Innigkeit sich ttig entfalten und als freie "Ursache seiner selbst" (Aristoteles) in die Erscheinung treten kann. Dieses organische Gefge ist substantial durchformt, so da nicht nur die vegetativen, sondern auch die seelischen, ja im Hinblick auf die Rezeptivitt unseres Erkennens auch die geistigen Krfte dieser vermittelnden Ordnung und Organisation als Bedingung ihrer Mglichkeiten bedrfen. Da diese Organisation jedoch im Werden wie im Wirken dem Erwachen des Menschen zu sich selbst vorausgeht, so stellt sie dasjenige am Menschen dar, das dieser von Grund aus von den Erzeugern und der Gattung her empfngt. Diese Organisation mit ihren unerhrt sublimen Strukturen ist daher das Erbgefge des Menschen. Eine Strung dieses vermittelnden Grundbereiches des Lebens ist daher notwendig erblich, wenn sie die regenerativen Organisationskrfte bersteigt. Also wurzeln die negativen (psychologischen und organischen) Schwchen und Verwicklungen unserer Natur in diesem konstitutiven Grund. Hier allein kann von einer naturhaften Verfassung und Strukturierung des Lebens gesprochen werden, was Aristoteles gltig dadurch formulierte, da er die Seelenlehre in eine Physik des Menschen und in eine Dialektik, d. h. in eine transzendentale Wissenschaft unterschied. Hier ist die Natur in gradhafter Abwandlung in den Vollzug der sammelnden Vermittlung verfgt. Also1 Die Frage nach der Differenz zwischen der nicht voll disponiblen Potenz und dem informierenden Akt, ferner das Problem der "vermittelnden Formen" kann hier nicht errtert werden. In dieser Differenz wurzeln sehr viele Phnomene, die durch die moderne Psychologie aufgehellt wurden.

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kreist sie in sich im Zustand hoher Wirkbereitschaft oder sie befindet sich in einem Zustand der Schwche und des Unvermgens, was nur als Hemmung, Fehlsteuerung und durch eine gewisse Unordnung und Aufgelstheit (Zerstreutheit) verstanden werden kann. Jede solche Strung im Leit- und Dienstgefge der Natur ist daher auch eine Schwchung der sich einschmiegenden Drangkraft des Lebens, die das Kind durch reifende Ruhe, durch nachholende Durchgestaltung und informierende Erkrftigung berwinden mu, soweit der Organismus auf Grund einer fortwaltenden Bildsamkeit und Plastizitt dazu in der Lage ist. Das solches Nachholen vom Lebensvollzug selber abhngt und in welchem Mae, wird sich spter ergeben. Zu dieser unmittelbar vollendeten Naturverfassung gehrt nun nach Thomas die Organisation unserer ueren und inneren Sinne, die im Vollzug der Generation im Mutterleib in einen Zustand habitueller Vollkommenheit, d. h. zur hchsten Wirkbereitschaft organisiert, durchprgt und auf den Akt hin von der Wurzel her geffnet sind. Also ist der Mensch vom Ursprung her in seiner substantialen Wesenheit als vermittelnde Natur vollendet, so er nicht privativ (durch Ausflle) gestrt ist. Das aber bedeutet, da er, da er ja Geist und Person ist, bei seiner Erweckung aus der gesammelten Lebensmitte mit allen seinen Krften ins Spiel kommt, also auch mit seiner geistigen Vernehmungs- und Strebekraft. Er ist immer ein vernnftiges, ein seinserfassendes und ein liebendes Wesen. Sind also diese Wesenskrfte nicht im Spiel, so haben wir kein menschliches Leben im eigentlichen Sinne vor uns, sondern stehen vor Vorgngen dienender Lebens- und Krftevermittlung, die noch nicht zur einfltigen Wesensmitte hin gelangt sind. Der Mensch ist daher vom Ursprung, wann immer er ins Dasein erweckt ist, ein Wesen von wunderbarer Vollendung, die alles Tierische und blo Animalische wesenhaft und unendlich bersteigt. Diese Vollendung kennzeichnet das Kindhafte schlechthin, zumal sie im Ursprnglichen und Archaisch-Einfachen des kindlichen Daseins so bestechend und nachdrcklich aufleuchtet. Goethe hat in "Dichtung und Wahrheit" diese Erfahrung ebenso bndig wie gltig bezeugt: "Wer wre imstande", sagte er, "von der Flle der Kindheit wrdig zu sprechen? Wir knnen die kleinen Geschpfe, die vor uns herumwandeln, nicht anders als mit Vergngen, ja mit Bewunderung ansehen: denn meistens versprechen sie mehr, als sie halten . . . Das Kind, an und fr sich betrachtet, scheint so verstndig, so vernnftig, da nichts darber geht, und zugleich so bequem, heiter und gewandt, da man ihm keine weitere Bildung wnschen mchte. Wchsen die Kinder in der Art fort, wie sie sich andeuten, so htten wir lauter Genies. Aber das Wachstum ist nicht blo Entwicklung. Die verschiedenen Organe und Systeme, die den Menschen ausmachen, entspringen auseinander, sie zehren einander auf, so da von manchen Fhigkeiten nach einer gewissen Zeit kaum eine Spur mehr zu finden ist." Goethe hat mit diesen letzten Worten bereits unserer Fragestellung den Weg zu tieferer Betrachtung gewiesen. So wir nmlich diese Vollendung des kindhaften Menschseins vor Augen haben, mssen wir zu seiner metaphysischen Erhellung ein anderes, das gegenstzlich scheint, hinzufgen. Dies Gegenstzliche ist von Thomas in dem Satz ausgesprochen: Der Mensch ist eine "substantia potentialis". Dies besagt: Der Mensch ist im Ganzen dessen, was er ist, in Mglichkeit, oder er steht aus dem Substanzgrunde her und das heit seinshaft oder substantiell im Werden. Worin diese Aussage metaphysisch grndet, sei hier nicht weiter errtert2. Jede Potenz aber ist im Wesen eine Mglichkeit zu wirken oder eine Mglichkeit zu empfangen oder zu leiden. Jeder2

"Substantiales Werden" besagt hier nicht "Verwandlung der Substanz in eine andere". Das Wort verweist auf jene vllige Unerflltheit und wesenhafte Unvollkommenheit des subsistierenden Wesensgrundes, der nur dadurch zum Leben und Wirken kommt, da er sich in Vermgen ausfaltet. Sofern jedoch das ganze Wesen im "Vermgensganzen" (totum potestativum) empfnglich und ttig in den Akt kommt, entsteht die Frage, was diese Aktualisierung fr das Wesensganze selbst bedeutet und wie weit es selbst in diesem Proze ins Werden kommt. Dieses "Werden" ist keine Passio, d. h. keine "durch teilhafte Zerstrung erlittene Vernderung", sondern eine whrende, den Wesensgrund selbst aufschlieende und bestimmende Selbstvollendung eine Vereignung und Informierung (z. B. durch das ens et bonum transcendentale), die an Vollkommenheit das empfngliche Wesen seinshaft bersteigt. Diese ganzheitliche Wesens(Daseins)verinnerung und wachsende Wirk- und Empfngnisermchtigung ist das "Reifen". Um diesen Vorgang zu verstehen, bedarf es eines vertieften Durchdenkens der thomistischen Kategorien. Die ontologische oder begriffliche Trennung von Substanz und Akzidenz, von aktualem Seinsgrund und Vermgen mu auf die bergreifende Einheit beider hin weiter gedacht und differenzierter ausgefaltet werden.

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Mglichkeit zu wirken geht beim Menschen, der Zeit oder dem Werden nach, eine Mglichkeit der Empfngnis voraus. Die gesamte Potentialitt des Menschen ist daher in keinem; einzigen seelischen und geistigen Bereich von innen her zu aktualisieren. Dies besttigt die unmittelbare Erfahrung. Kein Kind knnte aus vererbten Dispositionen oder Anlagen ohne Empfngnis zum Sprechen, zum Singen oder zum Rechnen kommen oder aus dem Geblt her apriori sich geistig entfalten. Dieser einfache Sachverhalt aber zwingt auf dem Grunde der metaphysischen Einsicht in die wesenhafte Potentialitt des Vernehmens und Reifens