Signifikante Minderung von Ruß und der Anzahl ultrafeiner...

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Gefahrstoffe - Reinhaltung der Luft 73 (2013) Nr. 11/12 - Nov./Dez. 483 Partikel 1 Einleitung In Leipzig wurde zum 1. März 2011 eine Umweltzone mit der Stufe 3 eingeführt [1]. Seither dürfen nur Fahrzeuge mit grü- ner Plakette in dieses Gebiet einfahren. Ca. 63 % des Leipzi- ger Stadtgebiets sind von dieser Regelung betroffen (Bild 1). Im Gegensatz zu anderen Städten, in denen die Anforderun- gen stufenweise und nach längeren Übergangszeiten ver- schärft wurden, ist Leipzig die erste Stadt in Deutschland, die direkt eine Umweltzone mit der höchsten Regulierungs- stufe eingeführt hat. Gerade dieser Schritt wurde von vielen Kleinunternehmern und Privathaushalten stark kritisiert. Letztlich gab es im ersten Jahr nach Einführung der Um- weltzone noch 1 200 Ausnahmegenehmigungen für Pkw (0,6 % der Pkw) und immerhin 3 900 für Nutzfahrzeuge (25 % der Nfz), die im Fall der Privat-Kfz erst 2014, im Fall der Busflotte des öffentlichen Nahverkehrs sogar erst Ende 2016 auslaufen. Insgesamt wurden 2011 ca. 1 300 Verstöße bei der Einfahrt in die Umweltzone gemeldet. Ein Hauptanliegen der in Europa eingerichteten Umwelt- zonen ist die Reduzierung der Partikelmassenkonzentration in der Außenluft. Die EU-Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG [2] regelt für Partikel PM 10 - und PM 2,5 -Massenkonzentratio- nen (d. h. die Massenkonzentration aller Außenluftpartikel mit einem aerodynamischen Durchmesser < 10 μm bzw. < 2,5 μm). Trotz großer Fortschritte bei der Reduzierung in- dustrieller und verkehrsbedingter Partikelemissionen ver- letzen viele Kommunen in Europa nach wie vor das Tages- mittelwertkriterium für die PM 10 -Massenkonzentration, d. h. der Wert von 50 μg/m³ wird vielerorts an mehr als 35 Tagen im Jahr überschritten. Signifikante Minderung von Ruß und der Anzahl ultrafeiner Partikel in der Außenluft als Folge der Umweltzone in Leipzig Zusammenfassung Mit dem Inkrafttreten der Umweltzone in Leipzig am 1. März 2011 startete erstmals eine Stadt in Deutschland direkt mit der höchsten Regulierungsstufe 3 (grüne Plakette). Das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) in Sachsen und das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) in Leipzig haben diese Umweltzone mit Sondermessungen von Rußmassenkonzentra- tionen und Partikelgrößenverteilungen an fünf Messstationen begleitet. Erste Trendanalysen dieser Messdaten legen nahe, dass die Einführung der Umweltzone zu einer signifikanten Abnahme von Ruß und der Zahl ultrafeiner Partikel (Durchmesserbereich 50 bis 100 nm) in der Nähe von Straßen geführt hat – im Wesentlichen eine Auswirkung abnehmender Verkehrsdichten im Gebiet der Umweltzone. Bei der PM 10 -Massen- konzentration konnte hingegen keine signifikante Abnahme registriert werden. Die Studie kommt zum Schluss, dass die Umweltzone für die Reduzierung der gesundheitlich als hochrelevant eingestuften Teilmen- gen des Aerosols (Ruß, ultrafeine Partikel) einen deutlichen Nutzen brin- gen kann, selbst wenn dies bei der Betrachtung der gesetzlich geregelten PM 10 -Massenkonzentration nicht erkennbar ist. Significant reduction of ambient black carbon and particle number in Leipzig as a result of the low emission zone Abstract The city of Leipzig established a low emission zone (LEZ) on March 1, 2011, being the first LEZ in Germany where the highest regu- lation level 3 was introduced immediately. The Saxon State Office for Environment, Agriculture and Geology, Dresden, and TROPOS Leipzig implemented specialized measurements of ambient black carbon (BC) mass concentrations and particle number size distributions at five moni- toring sites. First trend analyses suggest a decrease in BC and particle number concentration (diameter 50 to 100 nm) in the vicinity of roads as a result of the LEZ. This decrease seems to be first, an effect of decrea- sing traffic volumes in the area of the LEZ and only second, an effect of reductions in the vehicles’ exhaust emission factors. For PM 10 mass con- centrations, no decrease could be observed. This study concludes that the LEZ can be very effective in reducing the ambient concentrations of health-related particulate matter parameters BC and particle number, even if the beneficial effects are not evident from the legal parameter PM 10 mass concentration. F. Rasch, W. Birmili, K. Weinhold, S. Nordmann, A. Sonntag, G. Spindler, H. Herrmann, A. Wiedensohler, G. Löschau Fabian Rasch, Dr. Wolfram Birmili, Kay Weinhold, Stephan Nordmann, André Sonntag, Dr. Gerald Spindler, Prof. Dr. Hartmut Herrmann, Prof. Dr. Alfred Wiedensohler, Leibniz-Institut für Troposphärenforschung, Leipzig. Dr. Gunter Löschau, Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG), Dresden. Bild 1. Lage der Umweltzone (grün) im Leipziger Stadtgebiet (dunkelgrau). Kreissymbole zeigen die Lage der vier städtischen Luftgütemessstationen an. Quelle: Stadt Leipzig, Amt für Umweltschutz

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Gefahrstoffe - Reinhaltung der Luft 73 (2013) Nr. 11/12 - Nov./Dez.

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Partikel

1 Einleitung

In Leipzig wurde zum 1. März 2011 eine Umweltzone mit der Stufe 3 eingeführt [1]. Seither dürfen nur Fahrzeuge mit grü-ner Plakette in dieses Gebiet einfahren. Ca. 63 % des Leipzi-ger Stadtgebiets sind von dieser Regelung betroffen (Bild 1). Im Gegensatz zu anderen Städten, in denen die Anforderun-gen stufenweise und nach längeren Übergangszeiten ver-schärft wurden, ist Leipzig die erste Stadt in Deutschland, die direkt eine Umweltzone mit der höchsten Regulierungs-stufe eingeführt hat. Gerade dieser Schritt wurde von vielen Kleinunternehmern und Privathaushalten stark kritisiert. Letztlich gab es im ersten Jahr nach Einführung der Um-weltzone noch 1 200 Ausnahmegenehmigungen für Pkw (0,6 % der Pkw) und immerhin 3 900 für Nutzfahrzeuge (25 % der Nfz), die im Fall der Privat-Kfz erst 2014, im Fall der Busflotte des öffentlichen Nahverkehrs sogar erst Ende 2016 auslaufen. Insgesamt wurden 2011 ca. 1 300 Verstöße bei der Einfahrt in die Umweltzone gemeldet. Ein Hauptanliegen der in Europa eingerichteten Umwelt -zonen ist die Reduzierung der Partikelmassenkonzentration in der Außenluft. Die EU-Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG [2] regelt für Partikel PM10- und PM2,5-Massenkonzentratio-nen (d. h. die Massenkonzentration aller Außenluftpartikel mit einem aerodynamischen Durchmesser < 10 µm bzw. < 2,5 µm). Trotz großer Fortschritte bei der Reduzierung in-dustrieller und verkehrsbedingter Partikelemissionen ver-letzen viele Kommunen in Europa nach wie vor das Tages-mittelwertkriterium für die PM10-Massenkonzentration, d. h. der Wert von 50 µg/m³ wird vielerorts an mehr als 35 Tagen im Jahr überschritten.

Signifikante Minderung von Ruß und der Anzahl ultrafeiner Partikel in der Außenluft als Folge der Umweltzone in Leipzig

Zusammenfassung Mit dem Inkrafttreten der Umweltzone in Leipzig am

1. März 2011 startete erstmals eine Stadt in Deutschland direkt mit der

höchsten Regulierungsstufe 3 (grüne Plakette). Das Landesamt für

Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) in Sachsen und das

Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) in Leipzig haben

diese Umweltzone mit Sondermessungen von Rußmassenkonzen tra -

tionen und Partikelgrößenverteilungen an fünf Messstationen begleitet.

Erste Trendanalysen dieser Messdaten legen nahe, dass die Einführung

der Umweltzone zu einer signifikanten Abnahme von Ruß und der Zahl

ultrafeiner Partikel (Durchmesserbereich 50 bis 100 nm) in der Nähe von

Straßen geführt hat – im Wesentlichen eine Auswirkung abnehmender

Verkehrsdichten im Gebiet der Umweltzone. Bei der PM10-Massen-

konzentration konnte hingegen keine signifikante Abnahme registriert

werden. Die Studie kommt zum Schluss, dass die Umweltzone für die

Reduzierung der gesundheitlich als hochrelevant eingestuften Teilmen-

gen des Aerosols (Ruß, ultrafeine Partikel) einen deutlichen Nutzen brin-

gen kann, selbst wenn dies bei der Betrachtung der gesetzlich geregelten

PM10-Massenkonzentration nicht erkennbar ist.

Significant reduction of ambient black carbon and particle number in Leipzig as a result of the low emission zone

Abstract The city of Leipzig established a low emission zone (LEZ) on

March 1, 2011, being the first LEZ in Germany where the highest regu -

lation level 3 was introduced immediately. The Saxon State Office for

Environment, Agriculture and Geology, Dresden, and TROPOS Leipzig

implemented specialized measurements of ambient black carbon (BC)

mass concentrations and particle number size distributions at five moni-

toring sites. First trend analyses suggest a decrease in BC and particle

number concentration (diameter 50 to 100 nm) in the vicinity of roads as

a result of the LEZ. This decrease seems to be first, an effect of decrea-

sing traffic volumes in the area of the LEZ and only second, an effect of

reductions in the vehicles’ exhaust emission factors. For PM10 mass con-

centrations, no decrease could be observed. This study concludes that

the LEZ can be very effective in reducing the ambient concentrations of

health-related particulate matter parameters BC and particle number,

even if the beneficial effects are not evident from the legal parameter

PM10 mass concentration.

F. Rasch, W. Birmili, K. Weinhold, S. Nordmann, A. Sonntag, G. Spindler, H. Herrmann, A. Wiedensohler, G. Löschau

Fabian Rasch, Dr. Wolfram Birmili, Kay Weinhold,

Stephan Nordmann, André Sonntag,

Dr. Gerald Spindler, Prof. Dr. Hartmut Herrmann,

Prof. Dr. Alfred Wiedensohler,

Leibniz-Institut für Troposphärenforschung, Leipzig.

Dr. Gunter Löschau,

Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft

und Geologie (LfULG), Dresden.

Bild 1. Lage der Umweltzone (grün) im Leipziger Stadtgebiet (dunkelgrau). Kreissymbole zeigen die Lage der vier städtischen Luftgütemessstationen an.

Quelle: Stadt Leipzig, Amt für Umweltschutz

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Partikel

Unabhängig von der gesetzlichen Relevanz der PM10- und PM2,5-Massenkonzentration sind zahlreiche Gesundheits-studien zum Schluss gekommen, dass die gesundheitsschäd-liche Wirkung von Partikeln durch spezifischere Parameter als die Massenkonzentration genauer zu beschreiben wäre. Eine im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation erstellte Überblicksstudie hebt Rußpartikel als gesundheitsschäd -liche Teilmenge hervor [3]. Ultrafeine Partikel (Durchmes-ser < 100 nm), die aufgrund ihrer geringen Partikelgröße tief in den menschlichen Organismus eindringen können, stehen im Mittelpunkt einer aktuellen Studie des Health Effects Institutes [4]. Ultrafeine Partikel stammen vornehm-lich aus Hochtemperaturverbrennungsprozessen, aber auch aus atmosphärischen Neubildungsprozessen. Die Definitio-nen „Ultrafeine Partikel“ und „Ruß“ stehen teilweise in Kon-kurrenz, denn ein großer Anteil der Rußpartikel liegt im Durchmesserbereich unterhalb 100 nm und fällt somit unter beide Definitionen. Insgesamt muss jedoch festgestellt wer-den, dass die wissenschaftlichen Nachweise von Gesund-heitseffekten durch ultrafeine Partikel und Ruß weit weniger zahlreich sind als bei der PM10- und PM2,5-Massenkonzentra-tion [5]. Die Einrichtung einer Umweltzone ist nur eine von vielen Luftgüteverbesserungsmaßnahmen, die in den kommuna-len Luftreinehalteplänen ergriffen werden. Weitere Maß-nahmen sind z. B. Geschwindigkeitsbeschränkungen (Tem-po-30-Zonen), die Einrichtung von Fußgängerzonen und Grüngürteln, Maßnahmen zur Förderung des Verkehrsflus-ses und des öffentlichen Nahverkehrs. Erste Untersuchungen aus München [6] und Berlin [7] legen die Wirksamkeit der dortigen Umweltzonen hinsichtlich einer Reduzierung der PM10-Mittelwerte und der Zahl der Überschreitungstage nahe. Insgesamt sind die bisher in Deutschland beobachteten Trends in der PM10-Massenkon-zentration jedoch meist gering oder nicht signifikant. Zur Umweltzone München widersprechen sich sogar zwei Stu -dien, die auf derselben Datengrundlage beruhen [6; 8]; dies wird mit unterschiedlichen statistischen Methoden begrün-det [8]. Morfeld et al. [9] schlugen daher unverzerrende sta-tistische Methoden (sog. „abgestimmte Quadrupel“) für die Trendanalyse von PM-Konzentrationen als Folge der Um-weltzonen vor. Ein Grundproblem des Wirksamkeitsnachweises besteht da-rin, dass PM10- und PM2,5-Massenkonzentrationenen lokal nur relativ gering durch Abgasemissionen beeinflusst wer-den. Der Hauptanteil der PM10-Massenkonzentrationen wird in Deutschland durch relativ hohe Sockelbeträge der atmo-sphärisch langlebigen Partikel im Größenbereich 0,2 bis 1 µm (Akkumulationsmode) und von Partikeln > 1 µm aus Abrieb und Aufwirbelung gebildet. Abgasemissionen enthal-ten Partikel, die vorwiegend kleiner sind und nur gering-fügig zur lokalen Gesamtmassenkonzentration beitragen. Darüber hinaus können sich Mittelwerte der PM10-Massen-konzentrationen von Jahr zu Jahr aufgrund wechselnder meteorolo gischer Einflüsse ändern. In Jahren mit gehäuften Temperaturinversionen und Hochdruckwetterlagen können sich die PM10-Mittelwerte durch sog. Feinstaubepisoden er-fahrungsgemäß deutlich nach oben schieben [10]. Abgasemissionen können prägnant durch die Anzahl emit-tierter Partikel identifiziert werden. Die Studie DD-2010 stellte z. B. für Dresden fest, dass die Konzentration von Par-tikeln im Größenbereich von 5 bis 20 nm in Straßennähe sechs- bis neunfach gegenüber dem städtischen Hinter-

grund erhöht waren, die Partikel im Größenbereich von 30 bis 60 nm noch 3,6- bis 3,9-fach, PM10 aber nur noch 1,3- bis 1,7-fach [11]. Die hierfür notwendigen partikelzählenden Messverfahren sind jedoch kein Bestandteil der gesetzlichen Regelungen zur Luftreinhaltung. In Sachsen wurden anlässlich der Einführung der Leipziger Umweltzone neue Wege beschritten. Das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung Leipzig (TROPOS) und das Landes-amt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) ver-einbarten die gemeinsame Untersuchung der Auswirkun-gen der Umweltzone auf die Luftqualität – u. a. durch Son-dermessungen der Rußmassenkonzentration (BC, black car-bon) und der Partikelanzahlgrößenverteilung [12; 13]. Diese Sondermessungen sind auf Abgasemissionen zugeschnitten und lassen in Verbindung mit der direkten Einführung der Stufe 3 eine wesentlich bessere Erkennung möglicher Effek-te erwarten.

2 Die Umweltzone Leipzig – Begleitende Sondermessungen

Nachfolgend werden die Ergebnisse der im Zusammenhang mit der Umweltzone an fünf Messstationen des LfULG und TROPOS (siehe Bild 1) in und außerhalb Leipzigs durch-geführten Sondermessungen der Rußmassenkonzentration und der Partikelanzahlgrößenverteilung vorgestellt.

2.1 Messstationen

„Leipzig-Mitte“ ist eine verkehrsnahe Messstation des Luft-gütemessnetzes des Freistaates Sachsen, direkt am inner-städtischen Straßenring gelegen. Hier werden in der Regel sehr hohe verkehrsbedingte Partikelkonzentrationen ge-messen [14]. 2008 passierten an Werktagen im Mittel 48 000 Kfz die unmittelbar angrenzende Kreuzung von drei Hauptstraßen und einer Nebenstraße. „Leipzig-Eisenbahnstraße“ ist eine verkehrsnahe Messsta -tion von TROPOS, die in einer Straßenschlucht liegt. Die Ver-kehrsdichte hier ist mit ca. 12 000 Kfz pro Werktag weit ge-ringer als in Leipzig-Mitte. Der Einlass für die Messgeräte befindet sich 6 m über Straßenniveau auf der nördlichen Straßenseite und wird je nach Ausbildung der Vortex -strömung unterschiedlich von den Verkehrsemissionen be-einflusst [15]. „Leipzig-TROPOS“ ist eine städtische Hintergrundstation im Nordosten Leipzigs [16]. Der Lufteinlass befindet sich hier 16 m über Grund. Die nächsten stark befahrenen Straßen verlaufen in mindestens 100 m Entfernung in südlicher und nordwestlicher Richtung. „Leipzig-West“ ist eine städtische Hintergrundmessstation des Luftgütemessnetzes des Freistaats Sachsen im west-lichen Stadtteil Grünau. Die Station befindet sich auf dem parkähnlichen Areal des Robert-Koch-Klinikums und dient zur Ermittlung des städtischen Hintergrunds bei westlicher Anströmung. „Melpitz“ ist eine regionale Forschungsstation von TROPOS in der Nähe von Torgau [17]. Die Station ist allseitig von land-wirtschaftlich genutzten Feldern und Wiesen sowie Wäldern umgeben. Das Dorf Melpitz liegt einen halben Kilometer öst-lich der Station. Die Melpitzer Messungen dienen der Er-mittlung der regionalen Hintergrundbelastung und sind re-präsentativ für Mitteleuropa [18]. Weitere Einzelheiten zu den Messstationen sind im Statusbericht zur Ausgangssitua-tion vor Einführung der Umweltzone [12] angegeben.

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2.2. Kontinuierlich erfasste Messgrößen

In Leipzig-Mitte und Leipzig-West begannen die kontinuier-lichen Sondermessungen am 1. Juli 2010. An den anderen Messstationen wurden sie bereits seit 2008 oder früher durchgeführt. Lücken im Datensatz entstanden durch tech-nische Störungen oder auch durch Qualitätssicherungsmaß-nahmen. Die Messungen gehören zu den Aktivitäten des Deutschen Messnetzes für Ultrafeine Partikel (GUAN, Ger-man Ultrafine Aerosol Network) [19].

2.2.1 Rußmassenkonzentration

An allen fünf Messstationen sind Rußfotometer vom Typ MAAP (Multi angle absorption photometer) im Einsatz. Die-ses Instrument bestimmt den Lichtabsorptionskoeffizienten durch Verrechnung von Lichttransmission und -streuung an Partikeln, die auf einem Filterband gesammelt werden [20]. Unter Verwendung eines Kalibrierfaktors (6,6 m2/g) wird die bei einer Wellenlänge von 637 nm bestimmte Absorption auf eine Massenkonzentration an schwarzem Kohlenstoff (BC, black carbon) umgerechnet. Die in dieser Arbeit vorgestell-ten Rußmassenkonzentrationen sind stets auf den Größen-bereich von PM10 bezogen. Die Vergleichbarkeit der Ergeb-nisse der MAAP-Instrumente wurde zu 5 % abgeschätzt.

2.2.2 Partikelanzahlgrößenverteilung

An allen fünf Messstationen sind Mobilitäts-Partikelgrößen-spektrometer (Typ TROPOS-TDMPS; Twin Differential Mo-bility Particle Sizer) im Einsatz. Die Instrumente wurden nach den EUSAAR/ACTRIS-Empfehlungen für atmosphäri-sche Aerosolmessungen betrieben [21]. Diese Empfehlun-gen schreiben z. B. eine automatische Protokollierung der Durchflussraten, Temperaturen und relativen Feuchten in den Spektrometern sowie eine Auswahl an Qualitätssiche-rungsmaßnahmen vor, die Voraussetzung für die Vergleich-barkeit unterschiedlicher Datensätze sind. Der Messbereich der Geräte reicht von 3 bis 800 nm, wobei aufgrund systema-tischer Messunsicherheiten nur der Bereich von 5 bis 800 nm wissenschaftlich ausgewertet wird. In dieser Arbeit wird nur die integrale Partikelanzahlkonzentration im Grö-ßenbereich von 50 bis 100 nm (N[50;100]) berücksichtigt, die repräsentativ für frisch emittierte Rußpartikel ist. Für diese Partikelanzahl wird eine Vergleichbarkeit von 10 % ver-anschlagt. An der Station Leipzig-Mitte wurde zusätzlich über längere Zeiträume ein Flugzeitspektrometer (APS 3321, Fa. TSI) ein-gesetzt, das eine Größenverteilungsmessung der groben Staubfraktion > 1 µm erlaubte.

2.2.3 PM10-Massenkonzentration

Massenkonzentrationen von PM10 wurden an allen Mess -stationen außer Leipzig-Eisenbahnstraße in 24-h-Auflösung durch die Filter-Referenzmethode bestimmt.

2.2.4 Verkehrsdichten

Die Stadtverwaltung Leipzig misst Verkehrsströme an meh-reren Stellen der Stadt mithilfe von Induktionsschleifen. In dieser Studie wird auf die Verkehrszählungen auf dem Willy-Brandt-Platz, einer der Hauptstraßenäste vor der Messsta -tion Leipzig-Mitte, zurückgegriffen. Die Erfassung differen-ziert nach Fahrzeuglänge, woraus Werte für den Leicht- und Schwerverkehr abgeschätzt werden.

2.3 Baustellentätigkeit an der Messstationen Leipzig-Mitte

Die Messungen wurden an der Messstation Leipzig-Mitte zwischen 2007 und 2012 durch unregelmäßige Baustellen-tätigkeiten, die in Zusammenhang mit dem großflächigen Abriss und Wiederaufbau benachbarter städtischer Bebau-ung standen, beeinflusst. Dies musste bei der Bewertung des Datensatzes berücksichtigt werden. Löschau et al. [12] zeig-ten, dass der Einfluss der Baustelle zwar nur an wenigen Ta-gen maßgeblich war, dann jedoch so hohe Messwerte verur-sachte, dass selbst Jahresmittelwerte verzerrt wurden. Für den Jahresmittelwert 2010 konnte z. B. eine Zusatzbelastung für PM10 durch die Bautätigkeit von 1,6 µg/m³ (5,4 %) ermit-telt werden, für 2011 sogar 2,5 µg/m³ (7,0 %). Gleichwohl be-legten die Messungen mit dem Flugzeitsspektrometer, dass die Bautätigkeit vor allem Partikel > 1 µm verursachte, die sich klar von den Auspuffemissionen der Kfz (überwiegend < 1 µm) unterscheiden. Tage mit herausragenden Werten in Leipzig-Mitte wurden anhand der PM10-Halbstundenwerte und ggf. Flugzeitsspektrometermessungen identifiziert und von der Auswertung (Trendanalyse) ausgeschlossen.

3 Ergebnisse

3.1 Zeitreihen

Bild 2 zeigt Tagesmittelwerte der Rußmassenkonzentration (BC) in Leipzig zwischen 2009 und 2013. An der Verkehrssta-tion Leipzig-Mitte begannen die BC-Messungen Mitte 2010 (Bild 2a), an der Verkehrsstation Leipzig-Eisenbahnstraße Ende 2008 (Bild 2b). Zum Vergleich ist jeweils auch ein Messwert für den städtischen Hintergrund dargestellt, der aus Daten von Leipzig-TROPOS und Leipzig-West ermittelt wurde. Leider gibt es an keiner dieser beiden Stationen einen durchgängigen Datensatz; parallel gemessene BC-Werte weisen jedoch fast identische Mittelwerte (Differenz < 0,02 µg/m³) und eine hohe Korrelation (R2 = 0,98) bei Tagesmittelwerten auf. Die verkehrsnah gemessenen BC-Werte zeigen starke zeit -liche Schwankungen unter deutlicher Ausprägung eines Wochengangs (Bild 2). Einige Extremwerte erreichten 12 µg/m³. Es traten auch Episoden auf, in denen hohe Kon-zentrationen selbst im städtischen Hintergrund gemessen wurden, z. B. während der lang anhaltenden Hochdruckwet-terlage im Oktober und November 2011. Hohe Messwerte treten generell aufgrund von Inversionswetterlagen häufi-ger im Winter auf. Die straßennahe Zusatzbelastung wurde durch Differenzbil-dung zwischen verkehrsnaher Messung und Hintergrund bestimmt (Bild 2, jeweils untere Zeitreihe). Dieses Signal wird als unmittelbares Abbild der jeweils örtlichen Ver-kehrsemissionen verstanden, unter der Annahme, dass der Verkehr die alleinige Ursache der lokalen Zusatzbelastung ist und sonstige Quellen entweder vernachlässigbar sind, oder sich an allen Messstationen gleichmäßig auswirken [22]. In Leipzig-Mitte betrug 2010 die straßennahe Zusatzbelas-tung von BC meist zwischen 2,5 bis 3 µg/m³, sank im Winter 2010/11 auf unter 2 µg/m³ und überschritt nach Einführung der Umweltzone am 1. März 2011 nur noch selten 2 µg/m³. In Leipzig-Eisenbahnstraße wurde in den Sommermonaten 2009 und 2010 eine straßennahe Zusatzbelastung zwischen 1 und 2 µg/m³ registriert, die 2011 und 2012 aber nur noch

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selten erreicht wurde. Dieser Rückgang der Zusatzbelastun-gen ist der deutlichste Effekt, der nach Einführung der Um-weltzone bei den Partikelmessungen auftrat. Für die Tatsache, dass an beiden Verkehrsstationen schon vor dem 1. März 2011 ein abnehmender Trend zu erkennen ist, sind zwei Erklärungen denkbar: Erstens herrscht im Winter, besonders wenn er kalt und schneereich ist, weniger Straßenverkehr. Zweitens hat möglicherweise eine Abmel-dung von Altfahrzeugen der Kfz-Flotte schon im Vorgriff auf den Einführungstermin der Umweltzone stattgefunden. Für die Beschreibung der verkehrsinduzierten Belastung in der städtischen Außenluft gibt es zwei Ansätze: 1) Die Konzentrationsmehrbelastung an einer verkehrs-nahen Station ist additiv, d. h. zu einem variablen Hinter-grund fügt sich eine konstante Mehrbelastung durch Ver-kehr hinzu; 2) die Konzentrationsmehrbelastung an einer verkehrs-nahen Station ist multiplikativ, d. h. eine variable Hinter-grundbelastung multipliziert sich an der Straße durch den Verkehrseinfluss. Für beide Ansätze gibt es Begründungen auf der Basis meteorologischer Modellvorstellungen. Eine

mehrjährige Analyse des verkehrsbedingten Inkrements von PM10 zeigte, dass in Leipzig-Mitte eine Mischung beider Modellvorstellungen vorliegt [14]. Bild 2b zeigt, dass auch die Konzentrationsmehrbelastung an der Messstation Leipzig-Eisenbahnstraße im Jahresver-lauf nicht konstant ist. Im Winter 2009/2010 ist die straßen-nahe Zusatzbelastung beispielsweise weit niedriger als im vorangehenden und nachfolgenden Sommer. Man erkennt jedoch, dass die niedrige Zusatzbelastung im Winter 2009/2010 meist mit hohen absoluten Werten im Hinter-grund zusammenfällt. In abgeschwächter Form ist dieser Effekt auch in den anderen Wintern und in Leipzig-Mitte sichtbar. Die genauen Ursachen sind nicht klar, denn weder eine additive noch eine multiplikative Konzentrationsmehr-belastung würde eine Abnahme der straßennahen Zusatzbe-lastung im Winter erwarten lassen. Aus diesen Gründen wurden bei dieser ersten Trendanalyse lediglich die Zeiträu-me vom 1. Juli bis 31. Oktober der Jahre 2009 bis 2012, die diese Situationen vermeiden, ausgewertet. Diese sind in Bild 2a-b mit grünen Rechtecken markiert.

Bild 2. Zeitreihen der Rußmassenkonzentration mBC (Tagesmittelwerte) in Leipzig (L). a) verkehrsnahe Messstelle L-Mitte ab Messbeginn 1. Juli 2010 mit städtischem Hintergrund, b) verkehrsnahe Messstelle L-Eisenbahnstraße ab Ende 2008 mit städtischem Hintergrund. Die jeweils unteren Zeitreihen jeder Teilabbildung zeigen die straßennahe Zusatzbelastung (Inkrement). Senkrechte rote Linie: Inkrafttreten der Umweltzone. Grüne Rechtecke: die für die Trendanalyse verwendeten Zeiträume.

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Ruß (BC)

Leipzig-Mitte Leipzig-Eiba Leipzig-West Leipzig-Tropos Melpitz Leipzig-Mitte

Inkrement

Leipzig-Eiba

Inkrement

Zeitraum µgeo σµ µgeo σµ µgeo σµ µgeo σµ µgeo σµ µgeo σµ µgeo σµ

1.7. bis 31.10.2009 – – 2,47 (0,16) – – 1,04 (0,07) 0,56 (0,05) – – 1,14 (0,08)

1.7. bis 31.10.2010 3,48 (0,13) 2,12 (0,08) 0,97 (0,06) – – 0,57 (0,04) 2,41 (0,11) 0,87 (0,08)

1.7. bis 31.10.2011 2,56 (0,13) 1,77 (0,10) 0,91 (0,07) 0,93 (0,07) 0,48 (0,05) 1,55 (0,08) 0,71 (0,07)

1.7. bis 31.10.2012 2,70 (0,11) 1,70 (0,08) 0,81 (0,06) 0,83 (0,05) 0,49 (0,03) 1,75 (0,07) 0,71 (0,05)

N[50;100 nm]

Leipzig-Mitte Leipzig-Eiba Leipzig-West Leipzig-Tropos Melpitz Leipzig-Mitte

Inkrement

Leipzig-Eiba

Inkrement

Zeitraum µgeo σµ µgeo σµ µgeo σµ µgeo σµ µgeo σµ µgeo σµ µgeo σµ

1.7. bis 31.10.2009 – – 3 140 (130) – – 1 730 (80) 1 290 (60) – – 1 240 (70)

1.7. bis 31.10.2010 3 630 (130) 2 790 (90) 1 520 (60) – – 1 240 (70) 1 580 (110) 910 (60)

1.7. bis 31.10.2011 2 870 (130) 2 180 (110) 1 480 (80) 1 500 (90) 1 050 (70) 1 270 (90) 630 (50)

1.7. bis 31.10.2012 2 970 (100) 2 700 (120) 1 430 (70) 1 550 (80) 1 300 (60) 1 350 (60) 1 090 (60)

PM10

Leipzig-Mitte Leipzig-West Melpitz Leipzig-Mitte

Inkrementa

Leipzig-Eiba

Inkrementb

Zeitraum µgeo σµ µgeo σµ µgeo σµ µgeo σµ µgeo σµ

1.7. bis 31.10.2009 27,0 (1,3) 19,2 (1,1) 16,8 (0,8) 7,77 (1,0) 10,18 (1,0)

1.7. bis 31.10.2010 26,2 (1,4) 14,6 (0,7) 17,8 (0,6) 11,60 (1,2) 8,43 (1,2)

1.7. bis 31.10.2011 28,1 (1,4) 13,8 (0,7) 18,2 (0,6) 14,33 (1,0) 9,91 (1,0)

1.7. bis 31.10.2012 26,6 (1,2) 13,5 (0,6) 18,5 (0,6) 13,12 (0,8) 8,05 (0,8)a bezogen auf Leipzig-West als Hintergrund b bezogen auf Melpitz als Hintergrund

Tabelle 1. Geometrischer Mittelwert µgeo und Standardfehler sµ der Messgrößen Ruß (BC), Partikelanzahl (N[50;100]) und Partikelmasse (PM10), 2009 bis 2012, für den Jahresabschnitt Juli bis Oktober. Für Leipzig-Mitte und Leipzig-Eisenbahnstraße (Eiba) ist auch die verkehrsnahe Zusatzbelastung (Inkrement) angegeben.

Leichtverkehr

in Fz/Tag

Schwerverkehr

in Fz/Tag

Lufttemperatur

in °C

Windgeschwindig-

keit in m/s

Windrichtung

Zeitraum Willy-Brandt-Platz Willy-Brandt-Platz Leipzig-Tropos Leipzig-Tropos Leipzig-Tropos

1.7. bis 31.10.2009 40 370 1 540 17,1 2,1 SW

1.7. bis 31.10.2010 43 000 1 550 17,2 2,1 SW, SO

1.7. bis 31.10.2011 35 480 1 010 17,1 3,1 SW, S

1.7. bis 31.10.2012 – – 16,9 2,1 SW

Tabelle 2. Mittelwerte der Verkehrszahlen 2009 bis 2011 am Willy-Brandt-Platz in Leipzig; Mittelwerte der Lufttemperatur und Windgeschwindigkeit sowie häufigste Windrichtungen 2009 bis 2012 an der Messstelle Leipzig-Tropos; Fz = Fahrzeuge.

Ruß (BC) in % N[50;100 nm] in % PM10 in % Leichtverkehr

in %

Schwer-

verkehr in %

Zeitraum Leipzig-Mitte

Inkrement

Leipzig-Eiba

Inkrement

Leipzig-Mitte

Inkrement

Leipzig-Eiba

Inkrement

Leipzig-Mitte

Inkrement

1.7. bis 31.10.2009 – 31 – 36 -18 -6 -1

1.7. bis 31.10.2010 0 0 0 0 0 0 0

1.7. bis 31.10.2011 -36 -18 -20 -31 31 -17 -35

1.7. bis 31.10.2012 -27 -18 -15 20 25 – –

Tabelle 3. Prozentuale Veränderung der verkehrsbezogenen Inkremente von Ruß (BC), Partikelanzahl (N[50;100]) und Partikelmasse (PM10) gegenüber dem Bezugs-zeitraum 1. Juli bis 31. Oktober 2010.

3.2 Quantitativer Trend

Tabelle 1 zeigt den Trend der Rußmassenkonzentration (BC), der Partikelanzahlkonzentration N[50;100 nm] und der PM10-Massenkonzentration an den betrachteten Messstellen in Leipzig. N[50;100 nm] wurde gewählt, weil dieser Partikel -

größenbereich am stärksten durch lokale Dieselrußemis -sionen beeinflusst wird. Die Trends werden aus geome -trischen Mittelwerten der jeweils viermonatigen Stichpro-ben abgeleitet. Das geometrische Mittel wurde gewählt, weil es für eine Mittelwertbildung der näherungsweise lognor-

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malverteilten Konzentrationsdaten geeigneter ist als das arithmetische Mittel. Die Signifikanz der Trends wurde aus dem Verhältnis zwischen Änderung des geometrischen Mit-telwerts und dem Standardfehler bestimmt. In Tabelle 1 erkennt man zunächst von 2010 bis 2011 eine signifikante Abnahme der Rußmassenkonzentration an den verkehrsnahen Messstellen Leipzig-Mitte und Leipzig- Eisenbahnstraße. In Leipzig-Mitte betrug die Abnahme 0,7 bis 0,8 µg/m³, in Leipzig-Eisenbahnstraße zwischen 0,3 und 0,8 µg/m³, je nach Bezugszeitraum. Auch in Leipzig-West, Leipzig-TROPOS und Melpitz sind abnehmende Trends er-kennbar, im Rahmen des zugrunde liegenden Daten-umfangs jedoch nicht statistisch gesichert. Die Abnahmen an den verkehrsnahen Messstellen werden noch signifikan-ter, wenn man statt der absoluten Messwerte die verkehrs-nahen Zusatzbelastungen (Inkremente) betrachtet. Eine signifikante Abnahme von 2010 bis 2011 ist auch für N[50;100 nm] an den beiden verkehrsnahen Messstellen zu er-kennen. In Leipzig-Eisenbahnstraße nimmt N[50;100 nm] aller-dings von 2011 bis 2012 wieder bis nahe dem Ausgangwert zu. Insgesamt ist das Trendverhalten für N[50;100 nm] weniger eindeutig mit der Einführung der Umweltzone zu erklären als für Ruß. Für die PM10-Massenkonzentration kann hingegen keinerlei abnehmender Trend festgestellt werden. In Leipzig-Mitte stiegen die Mittelwerte von 2010 bis 2011 sogar um ca. 2 µg/m³, wobei diese Zunahme allerdings nicht signifikant ist. In Leipzig-West sanken die Werte leicht, in Melpitz nah-men sie seit 2010 stetig zu, allerdings nicht signifikant. Wie schon erwähnt, wurde der PM10-Mittelwert vor allem 2011 durch Feinstaubepisoden beeinflusst [10]. Tabelle 2 zeigt die Trends der Verkehrszählungen in Leip-zig-Mitte (Willy-Brandt-Platz). Wichtig für die Interpretation der Messwerte ist, dass sowohl der Leichtverkehr als auch der Schwerverkehr von 2010 nach 2011 eine deutlich abneh-mende Tendenz aufweisen. Tabelle 3 fasst die prozentualen Änderungen der verkehrsbezogenen Zusatzbelastung zu-sammen: Von 2010 bis 2011 nahm sie für die Rußmassenkon-zentration in Leipzig-Mitte um 36 % ab, in Leipzig-Eisen-bahnstraße um 18 %. Daten von 2009 bestätigen einen ab-nehmenden Trend in Leipzig-Eisenbahnstraße. Die Ver-kehrszählungen nahe der Messstelle Leipzig-Mitte belegen für denselben Zeitraum eine Abnahme des Leichtverkehrs um ca. 17 %, des Schwerverkehrs sogar um 35 %.

3.3 Tagesgänge

Bild 3 zeigt mittlere Tagesgänge der Rußmassenkonzentra -tion vor und nach Einführung der Umweltzone. Man erkennt den abnehmenden Trend am deutlichsten bei den morgend-lichen Spitzenbelastungen, die sich um ca. 3 µg/m³ reduziert haben.

4 Diskussion

Die Trendanalysen legen nahe, dass die Einführung der Um-weltzone in Leipzig zu einer signifikanten Abnahme der Rußmassenkonzentration und der Anzahlkonzentration ultrafeiner Partikel (Durchmesserbereich 50 bis 100 nm) in der Nähe von Straßen geführt hat. Hingegen konnte bei der PM10-Massenkonzentration kein signifikanter Trend fest-gestellt werden. Die Abnahmen bei der Rußmassen- und der Partikelanzahl-konzentration scheinen in erster Linie eine Auswirkung ab-nehmenden Verkehrs im Gebiet der Umweltzone zu sein. In Leipzig-Mitte entspricht die Abnahme der straßennahen Verkehrsmehrbelastung von Ruß in etwa der abnehmenden Menge des Schwerverkehrs. Obwohl eine Verkehrsverringe-rung bzw. -verlagerung nicht einziges Ziel der Umweltzone war, sondern auch die technische Entwicklung zu einer Fahrzeugflotte mit geringeren Abgasemissionen, ist die Re-duzierung der Rußmassen- und Partikelanzahlkonzentratio-nen offenbar hauptsächlich diesem Effekt geschuldet. Die Bedeutung der technischen Entwicklung der Fahrzeug-flotte ist angesichts der drastischen Änderungen der Ver-kehrsdichten (ein Drittel weniger Schwerverkehr) und auch angesichts der noch zahlreichen Ausnahmegenehmigungen in diesem Moment noch nicht zu beurteilen. Statistiken des Kfz-Bestands zeigen für Leipzig jedoch von 2010 bis 2011 eine starke Abnahme um ca. 30 % bei der Zahl zugelassener Nutzfahrzeuge und Diesel-Pkw mit hohen Motoremissionen und entsprechende Verschiebungen in den Bereich schad-stoffreduzierter Fahrzeuge. Auch die Erfahrungen aus Ber-lin zeigten, dass sich vor allem die Einführung der Umwelt-zone Stufe 3 deutlich beschleunigend auf die Modernisie-rung der Fahrzeugflotte auswirkte [7]. Die nicht nachweisbare Wirkung auf die PM10-Massenkon-zentration wird in der medialen Debatte häufig als Versagen der Umweltzone dargestellt. In dieser Studie wurde fest-gestellt, dass die Umweltzone aber für die Reduzierung be-

Bild 3. Mittlerer Tagesgang der Rußmassenkonzentration mBC an Messstellen in Leipzig vor und nach Einführung der Umweltzone (UWZ). Die Daten beinhalten nur die verkehrsreichen Wochentage Montag bis Freitag.

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Danksagung

Die Messungen in Leipzig-Eisenbahnstraße, Leipzig-Tropos und Melpitz wurden maßgeblich unterstützt durch die UFOPLAN-Projekte 370343200 (Erfassung der Zahl feiner und ultrafeiner Partikel in der Außenluft) und 371143232 (Trendanalysen gesundheitsgefährdender Fein- und Ultrafeinstaubfraktionen unter Nutzung der im German Ultrafine Aerosol Network (GUAN) ermittelten Immissionsdaten durch Fortführung und Interpretation der Messreihen) des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Wir danken der Betriebsgesellschaft für Umwelt und Landwirtschaft (BfUL) in Radebeul, vertreten durch Horst-Günter Kath, für die Unterstützung der Messungen in Leipzig-Mitte und Leipzig-West.

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