SimulationsgestützteKonstruktiveGestaltungFunktionselementen

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www.utfscience.de IV/2013 1 / 8 Wanner, M.-C.; Nehls, T.: Simulationsgestützte konstruktive Gestaltung von Funktionselementen Verlag Meisenbach GmbH, Franz-Ludwig-Str. 7 a, 96047 Bamberg, www.umformtechnik.net Simulationsgestützte konstruktive Gestal- tung von Funktionselementen Martin-Christoph Wanner, Thomas Nehls Der Einsatz von Funktionselementen in der Fertigung und Montage erhält einen immer größeren Stellenwert, da diese Elemente eine große Flexibilität im Vergleich zu kon- ventionellen Fügeverfahren aufweisen. Innovative Blindnietmutter-Schraub-Systeme sind als neue Fügetechnologie in der Lage, die Prozesszeiten bei der Herstellung einer Blindnietmutterverbindung er- heblich zu reduzieren. Um die Funktion und die technologischen Eigenschaften dieses Funktionsele- ments zu realisieren, muss die konstruktive Gestaltung einen iterativen Pro- zess durchlaufen, der zu auf die Fügeaufgabe optimierten Geometrien führt. Mechanische Fügeverbindun- gen sind heutzutage aus kei- ner Fertigung- und Montage- linie im Automobil-, Karosse- rie-, Waggon- und Flugzeug- bau wegzudenken. Das An- wendungsgebiet der mechani- schen Fügetechnik ist dabei sehr vielfältig. In der Dünnblech verarbeitenden Industrie sind Blindnietmuttern neben der her- kömmlichen Schraubverbin- dung, selbst- schneidenden Schrauben und Blindnieten das am häufigsten verwendete Fü- geelement. Blind- nietmuttern eig- nen sich sehr gut, um in ein zur Schraubenlänge verhältnismäßig dünnes Blech ein tragendes Gewinde einzubringen. Diese Fertigungsoperation erfolgt im Gegensatz zum konventio- nellen Verschrauben bei ein- seitiger Zugänglichkeit und bietet somit Vorteile im Mon- tageprozess. Durch die aktuellen Anforde- rungen in der Fertigungstech- nik besteht ein großer Infor- mationsbedarf an spezifischen Eigenschaften mechanisch gefügter Verbindungen. Ein wesentlicher Schwerpunkt der aktuellen Forschungs- und Entwicklungsarbeit, ist die Beschreibung und Bewertung der mechanisch gefügten Ver- bindungen hinsichtlich ihrer Tragverhaltenseigenschaften wie zum Beispiel in /2/ oder /4/. Diese Informationen sind eine wichtige Eingangsgröße für die Dimensionierung sol- cher Verbindungen sowie übergeordneter Konstruktio- nen. Vorgehensweise Bei der Neuentwicklung eines Funktionselements sind keine Eigenschaften dieses Ele- ments, wie zum Beispiel das Umformverhalten oder eine typische Prozesskurve, be- kannt. Lediglich der Vergleich mit ähnlichen Fügeoperatio- nen kann erste Anhaltspunkte liefern. Daher verläuft ein Entwicklungsprozess bei der Produktentwicklung stets iterativ, um mit einfachen Variationen des Systems, das zunächst nahe an ähnlichen Funktionselementen ist, ein optimiertes Er- gebnis zu erzie- len. Problema- tisch ist diese Vorgehensweise bei einer rein experimentellen Entwicklung des Funktionsele- ments, da es da- bei dazu kommen kann, dass der Iterationsprozess in eine falsche Richtung läuft und sehr viel Zeit und Kapital in die Prototypenferti- gung investiert werden muss, bevor die Fehl- entwicklung erkannt wird. Um die Iterationsschritte zu minimieren kann auf das Werkzeug der numerischen Simulation zurückgegriffen werden. Dabei können die Auswirkungen von Geomet- rieänderungen nach einer numerischen Berechnung direkt mit den Ergebnissen des vorherigen Iterations- schritts verglichen werden. Erst nach zufriedenstellenden Abb. 1: innovatives Fügeelement Blindnietmutter-Schraub- System; 1-Schraube; 2-Blindnietmutter; 3-Scheibe; 4-Bauteile; a-Faltzone 1; b-Faltzone 2 2 a b 4 1 3

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Simulation supported constructivo design of functional elements, German

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  • www.utfscience.de IV/2013 1 / 8 Wanner, M.-C.; Nehls, T.: Simulationsgesttzte konstruktive Gestaltung von Funktionselementen Verlag Meisenbach GmbH, Franz-Ludwig-Str. 7 a, 96047 Bamberg, www.umformtechnik.net

    Simulationsgesttzte konstruktive Gestal-tung von Funktionselementen

    Martin-Christoph Wanner, Thomas Nehls

    Der Einsatz von Funktionselementen in der Fertigung und Montage erhlt einen immer

    greren Stellenwert, da diese Elemente eine groe Flexibilitt im Vergleich zu kon-ventionellen Fgeverfahren aufweisen.

    Innovative Blindnietmutter-Schraub-Systeme sind als neue Fgetechnologie in der

    Lage, die Prozesszeiten bei der Herstellung einer Blindnietmutterverbindung er-heblich zu reduzieren.

    Um die Funktion und die technologischen Eigenschaften dieses Funktionsele-ments zu realisieren, muss die konstruktive Gestaltung einen iterativen Pro-

    zess durchlaufen, der zu auf die Fgeaufgabe optimierten Geometrien fhrt.

    Mechanische Fgeverbindun-gen sind heutzutage aus kei-ner Fertigung- und Montage-linie im Automobil-, Karosse-rie-, Waggon- und Flugzeug-bau wegzudenken. Das An-wendungsgebiet der mechani-schen Fgetechnik ist dabei sehr vielfltig. In der Dnnblech verarbeitenden Industrie sind Blindnietmuttern neben der her-kmmlichen Schraubverbin-dung, selbst-schneidenden Schrauben und Blindnieten das am hufigsten verwendete F-geelement. Blind-nietmuttern eig-nen sich sehr gut, um in ein zur Schraubenlnge verhltnismig dnnes Blech ein tragendes Gewinde einzubringen. Diese Fertigungsoperation erfolgt im Gegensatz zum konventio-nellen Verschrauben bei ein-seitiger Zugnglichkeit und bietet somit Vorteile im Mon-tageprozess. Durch die aktuellen Anforde-rungen in der Fertigungstech-nik besteht ein groer Infor-mationsbedarf an spezifischen Eigenschaften mechanisch gefgter Verbindungen. Ein

    wesentlicher Schwerpunkt der aktuellen Forschungs- und Entwicklungsarbeit, ist die Beschreibung und Bewertung der mechanisch gefgten Ver-bindungen hinsichtlich ihrer Tragverhaltenseigenschaften wie zum Beispiel in /2/ oder /4/. Diese Informationen sind

    eine wichtige Eingangsgre fr die Dimensionierung sol-cher Verbindungen sowie bergeordneter Konstruktio-nen.

    Vorgehensweise

    Bei der Neuentwicklung eines Funktionselements sind keine Eigenschaften dieses Ele-ments, wie zum Beispiel das Umformverhalten oder eine typische Prozesskurve, be-kannt. Lediglich der Vergleich

    mit hnlichen Fgeoperatio-nen kann erste Anhaltspunkte liefern. Daher verluft ein Entwicklungsprozess bei der Produktentwicklung stets iterativ, um mit einfachen Variationen des Systems, das zunchst nahe an hnlichen Funktionselementen ist, ein

    optimiertes Er-gebnis zu erzie-len. Problema-tisch ist diese

    Vorgehensweise bei einer rein

    experimentellen Entwicklung des

    Funktionsele-ments, da es da-bei dazu kommen kann, dass der Iterationsprozess

    in eine falsche Richtung luft und sehr viel Zeit und Kapital in die

    Prototypenferti-gung investiert

    werden muss, bevor die Fehl-entwicklung erkannt wird. Um die Iterationsschritte zu minimieren kann auf das Werkzeug der numerischen Simulation zurckgegriffen werden. Dabei knnen die Auswirkungen von Geomet-rienderungen nach einer numerischen Berechnung direkt mit den Ergebnissen des vorherigen Iterations-schritts verglichen werden. Erst nach zufriedenstellenden

    Abb. 1: innovatives Fgeelement Blindnietmutter-Schraub-System; 1-Schraube; 2-Blindnietmutter; 3-Scheibe; 4-Bauteile; a-Faltzone 1; b-Faltzone 2

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    Ergebnissen mssen Prototy-pen gefertigt werden, deren Eigenschaften experimentell untersucht werden knnen. Diese Ergebnisse sollten ei-nem Abgleich mit hnlichen Funktionselementen unterzo-gen werden um sicherzustel-len, dass das zu entwickelnde Funktionselement mindestens gleiche Eigenschaften besitzt und eine Neuentwicklung sinnvoll ist. Wird eine konventionelle Blindnietmutter (BNM) mit dem neuen Blindnietmutter-Schraub-System (BMS) ver-glichen, mssen das Umform-verhalten und resultierende Verbindungseigenschaften in der numerischen Simulation untersucht werden. Hierbei werden mit-tels vereinfachenden Annahmen die realen Gegebenheiten der Verbindung nach-empfunden. Auf ex-perimenteller Seite mssen alle relevan-ten Eigenschaften, wie zum Beispiel resultierende Klemmkrfte oder maximal ertragbare Scherzugkrfte er-mittelt werden. Wei-terhin mssen Werk-stoff- und Reibungs-parameter als Ein-gangsgren fr die Simulation bestimmt werden.

    Betrachtungsge-genstand

    Fr die Herstellung einer Verbindung mittels konventionel-ler BNM sind sechs Arbeitsschritte ntig und mehrere Werk-zeuge mssen einge-setzt werden. Der Grundgedanke des BMS-Systems liegt darin, dass die Ver-bindung in drei Schritten unter Ver-wendung eines einzi-gen Werkzeugs her-

    gestellt werden kann. Bei einer vergleichenden Betrach-tung des Setzprozesses einer konventionellen BNM mit dem des BMS-Systems sind trotz der hnlichen Fgetech-nologie signifikante Unter-schiede festzustellen. Die ein-zelnen Verarbeitungsstufen der konventionellen BNM und des BMS-Systems sind in Abbildung 2 gegenberge-stellt. Weiterhin wrde das BMS-System das Setzen und Verspannen der Bauteile in einem Arbeitsgang ermgli-chen. Des Weiteren wre fr das Herstellen einer Verbin-dung kein Spezialwerkzeug ntig. Lediglich ein Aufsatz fr ein handelsbliches Ver-

    schraubungswerkzeug, wie z.B. ein Akku- oder Pneuma-tikschrauber, wird bentigt. Nach der Positionierung der Bauteile, deren Bohrungen konzentrisch ausgerichtet werden, kann das BMS-System eingefhrt werden. Anschlieend wird das Verar-beitungswerkzeug angesetzt und ein Drehmoment auf die Schraube aufgebracht. Durch die Rotation der Schraube wird zunchst die Blind-nietmutter umgeformt. Diese verklemmt sich auf dem unte-ren Bauteil und realisiert eine feste Verbindung. Nach der vollstndigen Umformung der Blindnietmutter wird ein wei-terer Umformbereich des

    Abb. 2: Vergleich der Verarbeitungsstufen BNM vs. BMS-System

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    BMS-Systems, der sich zwi-schen der Scheibe und der modifizierten BNM befindet, durch die Einwirkung des Drehmoments umgeformt. Durch diese Verformung wird die Scheibe auf das zweite Bauteil gepresst, zwischen den Bauteilen wird eine Klemmkraft erzeugt. Schema-tisch ist dieser Vorgang eben-falls in der Abbildung 2 dar-gestellt.

    Zielstellung

    Als Zielstellung des abge-schlossenen Forschungsvor-habens /1/ stand die simulati-onsgesttzte konstruktive Gestaltung des BMS-Systems unter vergleichender Betrach-tung einer konventionellen BNM. Dabei sollte die Geometrie des Funktionselements BMS, die als Grobentwurf vorgegeben war, optimiert und das Um-formverhalten in bestimmten Geometriebereichen unter-sucht werden. Spezifische Tragverhaltenseigenschaften und das Umformverhalten konventioneller BNM wurden als Zielkriterien herangezo-gen.

    Numerische vs. experimentelle

    Untersuchungen

    Im Rahmen einer numerischen Simula-tion ist es unabding-bar die gewonnenen Ergebnisse mit realen Ergebnissen aus Ex-perimenten abzuglei-chen, um die Plausi-bilitt der Daten zu berprfen und die getroffenen Annah-men zu verifizieren. Weiterhin mssen diverse Randbedin-gungen bei der Mo-dellerstellung beach-tet werden, da es sich bei einer Simulation immer um eine ver-einfachte Abbildung der realen Gegeben-heiten handelt. Hier-

    zu zhlen unter anderem La-gerungs-, Belastungs- und Werkstoffrandbedingungen sowie die Wahl der Finiten Elemente bei der Vernetzung des Simulationsmodells und die Realisierung von Kontak-ten zwischen den einzelnen Komponenten des Modells. Im Rahmen des Forschungs-vorhabens /1/ wurde das FEM-Programm LS-DYNA von LSTC verwendet. LS-

    DYNA ist ein explizites FEM-Programm, das zur Si-mulation dynamischer Um-formvorgnge geeignet ist. Die Integration der Bewe-gungsgleichung und somit die Lsung der Umformsimulati-on wird ber ein zentrales Differenzen-Schema reali-siert, fr dessen Berechnung lediglich bekannte Werte des vorherigen Integrations-schritts bentigt werden. /5/ Um das Umformverhalten des BMS-Systems in /1/ zu simu-lieren, wurde zunchst das angesetzte Werkstoffmodell mit Hilfe einer Simulation von konventionellen BNM in ver-schiedenen Setzstufen verifi-ziert. Der Abgleich der Simu-lationsdaten mit Schliffbil-dern von gesetzten Blind-nietmuttern konnte - trotz der vereinfachten zweidimensio-nalen Simulation - berein-stimmende Ergebnisse liefern (siehe Abbildung 3). LS-DYNA stellt fr Simulati-on der plastischen Verfor-mung einen vielseitigen Mate-rialkatalog zur Verfgung. Fr diese Untersuchungen wurde das Materialmodell MAT_PIECEWISE_LINEAR_

    Abb. 4: dreidimensionales Viertelmodell des Geometrieansatzes mit Randbe-dingungen

    Kontaktbereich

    Freie Verschiebung in vertikale Richtung

    Drehmoment

    X Feste Lagerung

    Abb. 3: Ergebnis der zweidimen-sionalen BNM-Simulation

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    PLASTICITY (Mat 024) ge-whlt und durch eine Flie-kurve des BNM-Werkstoffs ergnzt. Weiterhin wurde diese mit einer Dehnratenab-hngigkeit nach Cowper und Symonds belegt. Dadurch wird die Fliespannung in Abhngigkeit von der Dehnra-te mit einem Faktor multipli-ziert und an die Umformge-schwindigkeit angepasst. Die angenommenen Konstanten wurden einer Arbeit /6/ von Hu und Zhao entnommen. In dieser Arbeit sind ebenfalls die Grundlagen erlutert. Fr weiterfhrende Informatio-nen sei hier auf /7/ und /8/ verwiesen, in denen die Im-plementierung in das FEM-Programm erlutert und die Grundlage fr die Annahme der Dehnratenabhngigkeit geklrt wird. Nach der Verifizierung des Werkstoffmodells wurden dreidimensionale Viertelmo-delle des BMS-Systems er-stellt (Abbildung 4), um das Umformverhalten des Ver-

    bindungselements numerisch in einer vertretbaren Simula-tionszeit zu untersuchen. Die gewonnenen Ergebnisse wur-den zunchst auf die Plausibi-litt des Umformverhaltens untersucht. Da die Umfor-mung der modifizierten BNM der einer konventionellen BNM entsprach, wurden Pro-totypen gefertigt und experi-mentell untersucht. Diese

    Experimente zeigten, dass die Reibung zwischen der Scheibe und der BNM zu gering war, um ein Mitdrehen der BNM zu verhindern. Weiterhin konnte die Kraft, die zur Um-formung der zweiten Faltzone bentigt wurde, nicht aufge-bracht werden, ohne die Schraube zu berlasten. Da-her wurde der geometrische Aufbau des BMS-Systems

    3-teiliges BMS-System 4-teiliges BMS-System

    GeometrieansatzBMS-System

    Abb. 5: Geometrievarianten des BMS-Systems

    Abb. 6: Faltzonen der Geometrievarianten nach dem Simulations-ende

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    berarbeitet. Die BNM mit rundem Schaft wurde durch eine BNM mit Sechskantgeo-metrie ersetzt, um ein Mit-drehen im Setzprozess zu verhindern. Des Weiteren wurde die zweite Faltzone aus fertigungstechnischen Ge-sichtspunkten berarbeitet. Diese wurde von der BNM getrennt und in einer Variante in die Scheibe integriert. Die zweite Variante, die unter-sucht wurde, hatte eine sepa-rate zweite Faltzone, die als weiteres Bauteil in Form einer Hlse eingefhrt wurde. Die vorgenommenen geometri-schen Variationen sind in Abbildung 5 gegenberge-stellt. Fr die Berechnung der Mo-delle wurden die entspre-chenden Randbedingungen angesetzt, die in experimen-tellen Betrachtungen ermittelt und auch bei dem ersten An-satz angewendet wurden (Ab-bildung 4). Die Ergebnisse der Simulation des dreiteiligen und vierteiligen BMS-Systems konnte ein plausibles Um-formverhalten aufzeigen. Da-bei formte sich die erste Falt-zone - der mittlere Bereich der BNM - aufgrund der gleichen Geometrie bei beiden Model-len identisch um. Unterschie-de waren lediglich im Bereich der zweiten Faltzone feststell-bar. Durch die verschiedenen Lagerungsbedingungen dieser Faltzone, war ein differenzier-tes Verformungsbild erkenn-bar. Whrend sich die zweite Faltzone des dreiteiligen

    BMS-Systems nur in einem kleinen Bereich verformen kann, ist es beim vierteiligen BMS-System mglich fast die gesamte Lnge der Hlse, die diese Faltzone reprsentiert, als Knicklnge auszunutzen. Die umgeformten Bereiche der beiden Systeme knnen der Abbildung 6 entnommen werden. Die Ergebnisse zei-gen, dass die Vernderung der BNM-Geometrie und die Se-parierung der zweiten Faltzo-ne die Umsetzung der Idee des BMS-Systems ermgli-chen knnen. Um diese Ergebnisse zu veri-fizieren, wurden die Simulati-onsmodelle um weitere Bau-teile ergnzt und der Fge-prozess erneut simuliert. Da-bei wurden die Modelle an experimentelle Proben, die mit Prototypen der BMS-Systeme gefgt waren, ange-passt. Hierzu mussten die Modellgeometrie und Lage-rungsrandbedingungen im

    Vergleich zu den Ausgangs-modellen (Abbildung 5 unten) modifiziert werden. Auch hier wurden Ergebnisse erzielt, die eine bereinstimmung mit dem realen Umformverhalten der BMS-Systeme zeigen, wie es aus Abbildung 7 hervor geht. Sowohl die Verformung der BNM als auch das Verhal-ten der Bauteile wurde durch die Simulationsmodelle abge-bildet. Weiterhin veranschau-licht Abbildung 7 das Verbin-dungsprinzip des BMS-Systems, das sich durch die sequentielle Umformung zweier Bereiche des Systems - den Faltzonen - fest mit einem Bauteil verspannt und an-schlieend die weiteren Bau-teile zusammenpresst und eine Klemmkraft zwischen diesen erzeugt. Beim Vergleich der Ergebnis-se aus Abbildung 6 und Ab-bildung 7 werden die unter-schiedlich angesetzten Lage-rungsrandbedingungen er-sichtlich. Durch die grere Anzahl an Freiheitsgraden ist es mglich, den realen Setz-prozess nachzuempfinden. Die genaue Analyse der Simu-lationsergebnisse und der Schliffbilder hat auch weiteres Entwicklungspotential aufge-zeigt. Dabei sollten die Lage-rungsbedingungen der zwei-ten Faltzone modifiziert wer-den, um eine vereinfachte Umformung zu ermglichen. Die Vernderung der Lage-rung wurde durch die Redu-zierung der Hhe des Auen-bereichs des BNM-Kopfes

    realisiert (Abbildung 8). Das fhrte zu einer Er-hhung der Freiheitsgra-de der unteren Lage-rungsstelle der zweiten Faltzone und somit zu einer erleichterten Ver-formung. Die Simulati-onsergebnisse mit dieser Vernderung ergaben eine Reduktion der Um-formgrade in dieser Falt-zone um bis zu 23 Pro-zent. Abb. 7: Vergleich der Simulationsergebnisse mit einem Schliffbild des

    BMS-Systems

    h

    Abb. 8: Geometrievariation der BNM des BMS-Systems

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    Reibung im Setzpro-

    zess des BMS-Systems

    Ein weiterer wichtiger Aspekt einer Umformsi-mulation mit Komponen-ten die sich relativ zu ei-nander bewegen, ist die Betrachtung der Reibung. Dieser physikalische Wert hat einen groen Einfluss auf den Setzprozess so-wohl im Experiment als auch in der numerischen Simulation. Fr die Un-tersuchungen in /1/ wurde ein Prfstand nach DIN EN ISO 16047 /3/ entwi-ckelt, der in der Lage ist die Messgren zu erfas-sen, die fr eine Berech-nung der Reibbeiwerte ben-tigt werden. Untersuchungs-gegenstand waren anwen-dungsspezifische Beschich-tungssysteme, die im Gewinde und unter dem Schrauben-kopf aufgetragen wurden. Die Untersuchungen ergaben signifikante Unterschiede zwischen den Beschichtungs-systemen, die eine groe Auswirkung auf den Setzpro-zess zeigten. Bei allen unter-suchten Systemen waren die erreichten Klemmkrfte in vergleichbaren Grenord-nungen, jedoch wichen die bentigten Anzugsmomente stark voneinander ab. Fr die numerische Simulation wur-den Reibbeiwerte zwischen 0,14 fr den Kontakt im Ge-winde und 0,17 im Kontaktbe-reich zwischen Schraube und Scheibe angesetzt. Allen wei-teren Kontaktbereichen wur-de ein fr Metalle typischer Reibbeiwert von 0,2 zugewie-sen. Mit Hilfe des entwickelten Prfstandes konnten nicht nur die Reibbeiwerte ermit-telt, sondern auch die Pro-zesskurven analysiert werden. Beispielhaft sind in Abbildung 9 die simulierten Prozesskur-ven des dreiteiligen und des vierteiligen BMS-Systems den aufgenommenen Prozesskur-ven eines Prototyps gegen-bergestellt. Aufgrund unter-

    schiedlicher Geometrien der untersuchten Prototypen und der simulierten BMS-Systeme, kann der erste Be-reich der Prozesskurven durch die Simulationsmodelle nicht nachempfunden werden. Die experimentellen Untersu-chungen wurden ohne die zweite Faltzone an der Schei-be durchgefhrt, um das Un-terkopfmoment, das zur Er-mittlung der exakten Reib-beiwerte dient, messen zu knnen. Das fhrte dazu, dass die Scheibe bereits zu Beginn des Versuchs auf den Fgetei-len, zwischen denen die Kraft gemessen wird, auflag. Daher liegen die Kraftwerte der Ex-perimente ber denen der Simulationen in diesem Be-reich (siehe Abbildung 9). Signifikanter fr die resultie-renden Tragverhaltenseigen-schaften sind die nach dem Setzprozess verbleibenden Klemmkrfte. Diese liegen fr die beiden Simulationsmodel-le im Bereich der experimen-tellen Werte. Dieser Vergleich zeigt, dass die Simulations-modelle die resultierenden Verbindungseigenschaften der BMS-Systeme abbilden knnen.

    Tragverhaltenseigenschaf-

    ten BNM vs. BMS

    Im Rahmen des Forschungs-vorhabens /1/ wurde die

    Tragverhaltenseigenschaft der Scherzugfestigkeit des BMS-Systems in einem quasistati-schen Scherzugversuch ermit-telt. Diese Gre dient als Auslegungswert und wurde bereits in anderen Untersu-chungen von Funktionsele-menten, zum Beispiel in /4/, als Bewertungskriterium her-angezogen. Die typischen Verlufe der Scherzugkurven sind in Ab-bildung 10 dargestellt. In die-sem Diagramm werden die Scherzugkrfte ber dem Tra-versenweg der Zugprfma-schine aufgetragen. Der Ver-gleich der Kurvenverlufe weist deutliche Unterschiede auf. Das BMS-System kann gegenber der konventionel-len BNM in der ersten Belas-tungsphase grere Krfte ertragen. Durch den fehlen-den Fgespalt bei diesem Verbindungselement ergibt sich eine grere Auflagefl-che zwischen den Bauteilen in der die Haftreibung wirksam ist. Weiterhin werden grere Verformungen ertragen bis die Probe zerstrt wird. Cha-rakteristische Versagensform war das Abscheren der Schraube in der Trennfuge. Dieses Versagen trat sowohl bei der konventionellen BNM als auch beim BMS-System auf.

    Abb. 9: Vergleich der Prozesskurven

    0

    2

    4

    6

    8

    10

    12

    0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5

    Kr

    aft

    [k

    N]

    Zeit [s]

    Vergleich SetzprozessverlaufPrototyp vs. Simulation 3- / 4-teiliges BMS

    Prototyp BMS Simulation 3-teilige BMS Simulation 4-teilige BMS

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    Die Auswertung der Zugver-suchsdaten erfolgte ber die erreichten Maximalkrfte und ber das in /2/ vorgestellte Streckkraftquivalent. Es weist dem Verbindungsele-ment einen Bemessungswert zu, der mit der Streckkraft eines Metalls vergleichbar ist /2/. Mageblichen Einfluss hat dabei die Steifigkeit des Fgepunkts und somit der Kurvenverlauf der Scherzug-kurve. Abbildung 11 zeigt die statisti-schen Ergebnisse aus den Scherzugversuchen, die in /1/ durchgefhrt wurden. Die Auswertung der Maximalkrf-

    te zeigt keine signifikanten Unterschiede zwischen der konventionellen BNM und dem BMS-System. Grere Unterschiede sind bei der Auswertung ber das Streck-kraftquivalent festzustellen. Die berechneten Krfte liegen fr das BMS-System ca. 10% ber denen der konventionel-len BNM und weisen eine geringere Streuung auf.

    Zusammenfassung

    Der Setzprozess einer konven-tionellen BNM ist durch die groe Anzahl an Verarbei-tungsschritten und die Benut-zung mehrerer Werkzeuge

    gekennzeichnet. Aus der berlegung diesen Ablauf zu vereinfachen entstand die Idee des Blindnietmutter-Schraub-Systems. Dieses Sys-tem vereinfacht den Setzpro-zess und kann eine Blind-nietmutterverbindung in drei einfachen Arbeitsschritten realisieren. Die konstruktive Gestaltung des BMS-Systems wurde in /1/ in drei Schritte unterteilt. Zunchst wurden alle relevan-ten Parameter, wie das Werk-stoffverhalten, die Reibver-hltnisse und Lagerungsbe-dingungen eines solchen Funktionselements, in expe-

    rimentellen Untersu-chungen bestimmt. Anschlieend wurden die gewonnenen Daten durch den Abgleich mit Experimenten in ver-einfachter Weise, d.h. mit Hilfe zweidimensi-onaler Simulationen und Schliffbildern von konventionellen BNM, verifiziert. Abschlieend wurde mit Hilfe eines ersten Geometrieansatzes, der die Idee des verein-fachten Setzens einer Blindnietmutter reali-sieren sollte, das BMS-System numerisch simuliert. Durch die Analyse der Simulati-Abb. 11: Vergleich der Maximalkraft- und Streckkraftquivalentwerte

    9.516 9.701 9.6767.305 8.136 8.3410

    2000

    4000

    6000

    8000

    10000

    12000

    BNM BMS 3-teilig BMS 4-teilig

    Kr

    aft

    [N

    ]

    Vergleich Maximalkraft im Scherzugversuch

    Maximalkraft Streckkraftquivalent

    Abb. 10: charakteristische Kurvenverlufe im Scherzugversuch

    0

    2000

    4000

    6000

    8000

    10000

    12000

    0 1 2 3 4 5 6 7

    Kr

    aft

    [N

    ]

    Traversenweg [mm]

    ScherzugversuchBNM vs. BMS-System

    BNM 3 teilige BMS 4 teilige BMS

    Bezeichnungquasi-statischer Scherzugversuch

    PrfmaschineZ400E 400 kN(Fa. ZWICK)

    Prfgeschwin-digkeit

    10 mm/min

    Versagens-kriterium

    Probenbruch

    Probenform

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    onsergebnisse und experi-mentelle Untersuchungen von Prototypen konnten Optimie-rungspotentiale aufgezeigt werden. Diese wurden im weiteren Verlauf der Entwick-lung des Funktionselements BMS in mehreren Geometrie-varianten umgesetzt. Diese Simulation des BMS-Systems konnte, durch die experimentellen Untersu-chungen des Werkstoffverhal-tens und der Reibbeiwerte gesttzt, positive Ergebnisse liefern. Das Umformverhalten der Simulationsmodelle ent-spricht dem des realen F-geelements. Auch bei variier-ten Randbedingungen konn-ten die Verformungsverhlt-nisse abgebildet werden. Zu-stzlich wurde ein weiterer Optimierungsansatz des Funktionselements diskutiert, der die Umformung erleich-tert und geringere Beanspru-chungen des Blindnietmutter-Schraub-Systems hervorruft. Die weiteren experimentellen Untersuchungen zu den Trag-verhaltenseigenschaften konnten zeigen, dass das neue Fgeelement Blindnietmut-ter-Schraube eine quivalente Technologie zur konventionel-len Blindnietmutter darstellt.

    Wobei die Berechnung des Streckkraftquivalents Vortei-le des BMS-Systems in Hin-sicht auf die Scherfestigkeit gegenber einer Blind-nietmutter aufzeigt. Ein weiterer Vorteil dieses innovativen Funktionsele-ments liegt in der einfachen Verarbeitung. Durch die se-quentielle Umformung zweier Funktionsbereiche des BMS-Systems, kann die Fgeaufga-be in wenigen einfachen Ar-beitsschritten erfolgen und somit der Arbeitsaufwand fr einen Fgepunkt reduziert werden.

    Literatur

    /1/ Wanner, Martin-Christoph et al., Numerische und experimentelle Untersuchungen von Blindnietmut-ter-Schraub-Systemen, Europische Forschungsgesellschaft fr Blechver-arbeitung e.V., ISBN 978-3-86776-413-1, August 2013 /2/ Delin, M.; Entwicklung eines Kennwertkonzeptes zur Bewertung der Tragverhaltenseigenschaften mechanisch gefgter Verbindungen; Dissertation, Universitt Rostock, Lehrstuhl Fertigungstechnik, 2007 /3/ 16047, DIN EN ISO: Verbin-dungselemente - Drehmoment / Vorspannkraft-Versuch. DIN, 2005 /4/ Wanner, Martin-Christoph et al., Einsatz von blindgenieteten Funkti-

    onselementen in ausgewhlten Bau-teilwerkstoffen, Europische For-schungsgesellschaft fr Blechverar-beitung e.V., ISBN 978-3-86776-327-1, Mrz 2009 /5/ Voelkner, Wolfgang und Se, Dietmar, Vergleichende Untersu-chungen zur Simulation von Stufen-folgen bei der Herstellung von rotati-onssymmetrischen Umformteilen, Europische Forschungsgesellschaft fr Blechverarbeitung e.V., ISBN 978-3-86776-139-0, August 1999 /6/ Yu-qun, Hu und Ya-pu, Zhao, Scale Effect of Plastic Strain Rate. Chinese Journal of Aeronautics Vol.14 Nr.1., Februar 2001 /7/ Cowper, G.R., Symonds, P.S., Strain Hardening and Strain Rate Effects in the Impact Loading of Cantilever Beams, Brown University, Applied Mathematics Report, 1958 /8/ Livermore Software Technology Corporation, Keyword Users Manual Version 971 Bd. Vol. II, Mai 2007

    Autoren

    Prof. Dr.-Ing. Martin-Christoph Wanner, Leiter des Lehrstuhls Ferti-gungstechnik der Universitt Rostock und des Fraunhofer Anwendungs-zentrums Grostrukturen in der Produktionstechnik M.Sc. Thomas Nehls, wissenschaftli-cher Mitarbeiter am Fraunhofer Anwendungszentrum Grostrukturen in der Produktionstechnik