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Skript zur Vorlesung Grundlagen der RegelungstechnikJorg Raisch Fachgebiet Regelungssysteme Fak. IV Elektrotechnik und Informatik Technische Universit t Berlin a Wintersemester 2008/2009

I N H A LT S V E R Z E I C H N I S

1 2

einf uhrung

5

grundlagen signale und systeme 9 2.1 Signal 9 2.2 Systembeschreibungen im Zeitbereich 9 2.2.1 Zustandsdarstellung 9 2.2.2 Differentialgleichungen hoherer Ordnung 2.3 Laplace-Transformation 15 2.4 Systembeschreibungen im Frequenzbereich 17 2.4.1 Ubertragungsfunktionen 17 2.4.2 Frequenzgang 23 2.5 Phasenminimumsystem und Allpass 39 regelkreiseigenschaften 43 3.1 Stabilit t a 43 3.1.1 Hurwitz-Kriterium 44 3.1.2 Stabilit t des Regelkreises a 45 3.1.3 Nyquist-Kriterium 49 3.2 Quantitative Regelkreiseigenschaften 58 3.3 Grenzen erreichbarer Regelkreiseigenschaften 3.3.1 Algebraische Einschr nkungen 62 a 3.3.2 Analytische Einschr nkungen 63 a 3.4 Robustheit 65 3.4.1 Multiplikative Modellfehler 65 3.4.2 Faktorisierte Modellfehler 67

15

3

61

4 Reglerentwurf 71 4.1 P-Regler 71 4.2 PI-Regler 74 4.3 PID-Regler 77 4.4 Wurzelortskurven 80 4.4.1 Abh ngigkeit vom Regler-Verst rkungsfaktor a a a 4.4.2 Abh ngigkeit von anderen Parametern 93 4.5 Kaskadenregelung 96 4.6 Algebraische Reglersynthese 105 4.6.1 Vorgabe der komplement ren Sensitivit tsa a funktion 105 4.6.2 Polvorgabe 113 4.6.3 Polvorgabe mit integrierendem Regler 120 4.6.4 Regelkreis mit zwei Freiheitsgraden 123

81

3

Inhaltsverzeichnis

4.7

Systeme mit Totzeit 126 4.7.1 Ubertragungsfunktion 127 4.7.2 Frequenzgang 127 4.7.3 Stabilit t des geschlossenen Regelkreises a 4.7.4 Nyquist-Kriterium 131 4.7.5 Reglerentwurf 132

129

4

1 EINFUHRUNG Wir wollen zun chst kl ren, was eine Regelung ist und welche a a inh renten Vorteile eine Regelung gegenuber anderen Konzepten a wie beispielsweise der Steuerung aufweist. In vielen Anwendungsbereichen besteht die Notwendigkeit, so in einen gegebenen Prozess (Synonym: Regelstrecke) einzugreifen, dass sich bestimmte Groen dieses Prozesses in einer noch zu denie renden gewunschten Art und Weise verhalten. Der Eingriff erfolgt mit Hilfe so genannter Stellgroen, die zu beeinussende Variable heit Ausgangs- oder Regelgroe (Abbildung 1.1). Strung

Stellgre

Ausgangsgre

REGELSTRECKE

Abbildung 1.1: Regelstrecke W re keinerlei Prozessunsicherheit vorhanden, wurden wir also a den funktionalen Zusammenhang zwischen Stell- und Storgroen einerseits und Ausgangsvariablen andererseits genau kennen, und konnten wir weiterhin die Storgroen exakt messen, so bestunde keinerlei Notwendigkeit fur eine Regelung. Wir konnten unser Ziel durch eine offene Wirkungskette eine Steuerung erreichen (Abbildung 1.2).Strung

Stellgre Sollwert/ Fhrungsgre

Ausgangsgre

STEUERUNG

REGELSTRECKE

Abbildung 1.2: Offene Wirkungskette (Steuerung)

5

1 einf uhrung

Messen und Uberprufen der Ausgangsgroen w re muig, da die a Auswirkung der Storung und der von uns get tigten Stelleingriffe a auf die Ausgangsgroen genau bekannt w re. Derartige Vorausa setzungen liegen in der Realit t so gut wie nie vor: Nicht alle a auftretenden Storungen sind messbar (schon gar nicht exakt), un ser Wissen uber den Prozess das mathematische Prozessmodell gibt die Wirklichkeit nur vereinfacht und fehlerhaft wieder. Wir konnen demzufolge nicht genau vorhersagen, wie die Prozessaus gangsgroen auf Stelleingriffe reagieren. Es liegt deshalb nahe, diese Reaktion st ndig durch Messungen zu uberprufen und die a Messinformation ggf. zu einer Korrektur der Stellgroen zu ver wenden: die in Abbildung 1.3 dargestellte einfache Ruckfuhrungs (bzw. Ruckkoppelungs- oder Regelungs-)Struktur stellt offenbar ein naturliches Instrument zur Behandlung von Unsicherheit dar. Sie ermoglicht eine gewisse Unempndlichkeit bezuglich Mo dellfehlern und nichtmessbarer Storungen. Man sollte sich aller dings stets vor Augen halten, dass eine Ruckkoppelungsstruktur eine solche Unempndlichkeit keinesfalls garantiert. Sie stellt eine notwendige nicht aber hinreichende Bedingung dar. Wir werden uns in sp teren Abschnitten der Vorlesung ausfuhrlich a damit besch ftigen, wie ein Regler ausgelegt werden muss, damit a er diese in der Praxis eminent wichtige Eigenschaft aufweist.Strung

Sollwert/ Fhrungsgre

Stellgre

Ausgangsgre

REGLER

REGELSTRECKE

Abbildung 1.3: Regelungstruktur Naturlich lassen sich und das geschieht in der Praxis sehr h ug a Steuerung und Regelung verbinden. Man spricht dann von einer Regelung mit Vorsteuerung oder von einem Regelkreis mit zwei Freiheitsgraden (Abbildung 1.4). Die Steuerung ubernimmt in ei ner solchen Struktur meist grobe Aufgaben, wie beispielsweise eine schnelle (aber i. A. nicht genaue) Anpassung der Ausgangsgroen an ge nderte Sollwerte. Der Regelung kommt dann die a Aufgabe zu, den durch unzureichende Modellkenntnis verursachten Abweichungen entgegenzuwirken und die Regelstrecke ggf. zu stabilisieren (siehe Abschnitt 3.1). Die typische Aufgabenstellung in der Regelungstechnik lautet: Gegeben sei ein mathematisches Modell der Regelstrecke (des zu

6

STEUERUNGStrung

Sollwert/ Fhrungsgre

Stellgre

Ausgangsgre

REGLER

REGELSTRECKE

Abbildung 1.4: Regelung mit Vorsteuerung regelnden Prozesses) und eine Beschreibung der regelungstechnischen Ziele. Man entwerfe einen Regler, bzw. einen Regler mit Vorsteuerung, der diese Ziele verwirklicht. Ergebnis dieses Enwurfsschrittes ist eine mathematische Beschreibung des Reglers, die dann in einem weiteren Schritt geeignet zu implementieren ist. In der Lehrveranstaltung Grundlagen der Regelungstechnik wird der einfachste, aber in der Praxis dennoch eminent wichtige Fall behandelt. Er ist durch folgende Einschr nkungen gekenna zeichnet: 1. Alle Signale sind zeitkontinuierlich. Sowohl die Regelstrecke als auch der resultierende Regler werden in diesem Fall durch Differentialgleichungen beschrieben. Diskretisierungsaspekte werden ausschlielich bei der Implementierung des Reglers berucksichtigt. Diese Vorgehensweise stot nur dann auf Probleme, wenn die Abtastintervalle im Vergleich zu den Zeitkonstanten des zu regelnden Prozesses nicht mehr vernachl ssigt werden konnen in Zeiten a immer schnellerer Reglerhardware ein zunehmend seltener Fall. Zeitdiskrete Regelsysteme werden in einer eigenen Lehrveranstaltung ( Zeitdiskrete Regelsysteme) behandelt. 2. Wir behandeln Systeme mit einer Stell- bzw. Eingangsgroe und einer Ausgangsgroe. Verfahren fur so genannte Mehr groensysteme, bei denen verschiedene Eing nge sich sia multan auf verschiedene Ausg nge auswirken, werden in a einer eigenen Lehrveranstaltung ( Mehrgroenregelsyste me) behandelt. 3. Die vorgestellten Regler-Entwurfsverfahren sind auf Streckenmodelle beschr nkt, die durch lineare Differentialgleia chungen beschrieben werden. Verfahren fur nichtlineare Regelstrecken werden ebenfalls in einer eigenen Lehrveranstaltung ( Nichtlineare Regelsysteme) behandelt.

7

1 einf uhrung

8

2GRUNDLAGEN SIGNALE UND SYSTEME In diesem Kapitel sollen die wichtigsten Begriffe und Methoden zur Beschreibung dynamischer Systeme wiederholt werden. Wir gehen auf Moglichkeiten der Systembeschreibung im Zeit- und Frequenzbereich, sowie auf die Laplace-Transformation ein. Auerdem erl utern wir die Begriffe Phasenminimumsystem und a Allpass. 2.1 signal

Umgangssprachlich versteht man unter einem Signal eine sich uber der Zeit andernde Groe. Mathematisch ist ein Signal eine Abbildung y : T Y, die die Zeitachse T in einen Wertebereich Y abbildet, d.h. y(t) Y t T. Im Rahmen dieser Lehrveranstaltung betrachten wir lediglich zeitkontinuierliche Signale, d.h. T = R bzw. T = R+ . Bis auf wenige Ausnahmen werden wir nur reellwertige Signale benotigen, d.h. Y = R p , p N. 2.2 2.2.1 systembeschreibungen im zeitbereich Zustandsdarstellung

Dieser Abschnitt ist in drei Teilabschnitte gegliedert. Nach der Einfuhrung der Zustandsdarstellung behandeln wir station re a Losungen. Anschlieend wiederholen wir die Vorgehensweise der Linearisierung. Gleichungen der Zustandsdarstellung Die Zustandsdarstellung eines dynamischen Systems hat die Form: dx (t) = f ( x ( t ), u ( t ), t ) , dt y ( t ) = g ( x ( t ), u ( t ), t ) .

x ( t0 ) = x0 ,

(2.1a) (2.1b)

9

2 grundlagen signale und systeme

x (t) Rn ist der Zustand des System, u(t) Rq die Eingangsbzw. Stellgroe und y(t) R p die Ausgangsgroe. H ngen die a Funktionen f und g nicht explizit von der Zeit ab, nennt man das System zeitinvariant: dx (t) = f ( x (t), u(t)) , dt y(t) = g ( x (t), u(t)) . x ( t0 ) = x0 ,

(2.2a) (2.2b)

Eine Zustandsdarstellung besteht also aus einer vektoriellen Differentialgleichung 1. Ordnung der Zustandsdifferentialgleichung (2.1a) bzw. (2.2a) und einer algebraischen Gleichung der so genannten Ausgangsgleichung (2.1b) bzw. (2.2b). Kennt man den Wert des Zustandes x (t0 ) zu einem Zeitpunkt t0 und den zeitlichen Verlauf der Eingangsgroe fur alle Zeitpunkte t t0 , so l sst sich aus der Zustandsdifferentialgleichung der Verlauf der a Zustandsgroe fur t > t0 und mittels der Ausgangsgleichung der entsprechende Verlauf der Ausgangsgroe berechnen. Da man hierfur keine Information uber Werte des Zustandes in der Vergangenheit (t < t0 ) benotigt, l sst sich der Zustand auch als a Ged chtnis des Systems interpretieren. a Anmerkung 2.2.1 Es gibt auch Systeme, deren Zustand nicht nur von der Zeit t sondern auch von weiteren Variablen (wie z.B. dem Ort z) abh ngt. Man spricht dann von verteilt parametrischen a Systemen. In diesem Fall ist der Zustand zu jedem Zeitpunkt eine Funktion der Variablen z; die zeitliche Entwicklung des Zustandes wird dann durch partielle Differentialgleichungen (statt durch gewohnliche Differentialgleichungen) beschrieben. Anmerkung 2.2.2 Zustandsdarstellungen fur zeitdiskrete Syste me lassen sich in analoger Form einfuhren. An die Stelle der Differentialgleichungen (2.1a) bzw. (2.2a) treten dann Differenzengleichungen. Anmerkung 2.2.3 Im Rahmen dieser Lehrveranstaltung werden nur Systeme mit skalarem Eingangs- und Ausgangssignal behandelt, d.h. p = q = 1. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Eingroensystemen oder SISO (single input single output) Systemen. Station re L sungen / Ruhelagen a o Wir betrachten nun den Fall, dass das Eingangssignal u des zeitinvarianten Systems (2.2a), (2.2b) konstant ist: u(t) = us = const t t0 . (2.3)

10

2.2 Systembeschreibungen im Zeitbereich

Es stellt sich dann die Frage, ob zu dem vorgegebenen konstanten Eingang us ein ebenfalls zeitlich konstantes Zustandssignal x (t) = xs = const t t0 (2.4) existiert. Wenn dies der Fall ist, nennt man xs einen zu us gehorigen station ren Zustand, das Paar ( xs , us ) eine Ruhelage bzw. a station re Losung von (2.2a). Da wegen der zeitlichen Konstanz a offenbar gilt dxs = 0, ergibt Einsetzen von ( xs , us ) in (2.2a) die dt Bestimmungsgleichung f ( xs , us ) = 0 (2.5)

Man beachte, dass die Gleichung mehrere (auch unendlich viele) Losungen xs haben kann, aber keine haben muss. Zu jeder station ren Losung ( xs , us ) erh lt man durch Einsetzen a a einen station ren Wert des Ausgangs: a y s = g ( x s , u s ). Beispiel 2.1 Fur die Zustandsdifferentialgleichung dx = x2 (t)u(t) 1 (2.7) dt existieren fur u(t) = us = 1 zwei station re Zust nde (xs1 = 1 a a und xs2 = 1). Lautet die Ausgangsgleichung y ( t ) = x 3 ( t ), (2.8)3 ergeben sich als station re Werte der Ausgangsgroe ys1 = xs1 = a 3 1 und ys2 = xs2 = 1. Fur u(t) = us = 0 existiert hingegen kein station rer Zustand. a

(2.6)

Linearisierung In einer gewissen Umgebung der Ruhelagen ist es oft ausreichend, die linearisierten Gleichungen zu betrachten. Dazu werden folgende Hilfsvariablen eingefuhrt: (t) := x (t) xs (t) := u(t) us (t) := y(t) ys (2.9) (2.10) (2.11)

Nach Einsetzen von (2.9) - (2.11) in (2.2a) und Taylor-Entwicklung von f um ( xs , us ) erh lt man a = x (t)

= f ( x (t), u(t)) = f ( xs + (t), us + (t)) f f X $0 = $( xs$$ + f $ , us ) (t) + x xs ,us u: = A Rn n

(t) + $$ 0. . .X .xs ,us

(2.12)

: = B Rn q

11

2 grundlagen signale und systeme

Die Terme hoherer Ordnung werden vernachl ssigt, da die Aba weichungen (t) und (t) als klein vorausgesetzt werden. Entsprechend ergibt sich aus (2.2b) die linearisierte Ausgangsgleichung: (t) + ys = g( xs + (t), us + (t))

= g( xs , us ) +

g x

(t) +xs ,us

g u

(t) + $$ 0. . .X .xs ,us

(2.13) Berucksichtigt man (2.6) und vernachl ssigt wiederum die Terme a hoherer Ordnung, erh lt man: a (t) = g x (t) +xs ,us

g u

( t ).xs ,us

(2.14)

: = C R p n

: = D R p q

Die Zustandsdarstellung des linearisierten Systems lautet somit: (t) = A (t) + B(t), (t) = C (t) + D(t). (0) = 0 = x (0) x s , (2.15a) (2.15b)

In der Literatur unterscheidet man hinsichtlich der Notation meist nicht, ob Modelle der Form (2.15) durch Linearisierung gewonnen wurden oder ein intrinsisch lineares Systemverhalten beschreiben. Man schreibt deshalb: x (t) = Ax (t) + Bu(t), y(t) = Cx (t) + Du(t). x (0) = x0 , (2.16a) (2.16b)

Man sollte sich aber stets vor Augen halten, dass Modelle der Form (2.16) meist nur die Umgebung einer Ruhelage beschreiben, die Groen x (t) und u(t) deshalb als Abweichungen von einer station ren Losung einer nichtlinearen Zustandsdifferena tialgleichung zu interpretieren sind. Abbildung 2.1 zeigt das Bockschaltbild des Modells (2.16). Beispiel 2.2 Fur Beispiel 2.1 existieren fur us = 1 die station ren a Zust nde xs1 = 1 und xs2 = 1. Linearsierung um die Ruhelage a ( xs1 , us ) ergibt2 (t) = 2xs1 us (t) + xs1 (t)

(2.17) (2.18) (2.19) (2.20)

= 2 (t) + (t)(t) =2 3xs1 (t)

= 3 (t).

12

2.2 Systembeschreibungen im Zeitbereich

D x0 u(t) B x(t) x(t) C y(t)

AAbbildung 2.1: Blockschaltbild der Zustandsdarstellung (2.16) Fur die Ruhelage ( xs2 , us ) erh lt man a 2 (t) = 2xs2 us (t) + xs2 (t)

(2.21) (2.22) (2.23) (2.24)

= 2 (t) + (t)(t) =2 3xs2 (t)

= 3 (t).

Beispiel 2.3 (Feder-Masse-Schwinger) Wir betrachten den in Abbildung 2.2 gezeigten Feder-Masse-Schwinger. m bezeichne die1111111111111111111 0000000000000000000 1111111111111111111 0000000000000000000 1111111111111111111 0000000000000000000 1111111111111111111 0000000000000000000 1111111111111111111 0000000000000000000 1111111111111111111 0000000000000000000 1111111111111111111 0000000000000000000 k0 1111111111111111111 0000000000000000000 1111111111111111111 0000000000000000000 u(t) 1111111111111111111 0000000000000000000 1111111111111111111 0000000000000000000 111 000 m 1111111111111111111 0000000000000000000 1111111111111111111 0000000000000000000 1111111111111111111 0000000000000000000 1111111111111111111 0000000000000000000 1111111111111111111 0000000000000000000 1111111111111111111 0000000000000000000 1111111111111111111 0000000000000000000 1111111111111111111 0000000000000000000 1111111111111111111 0000000000000000000 x1 (t) 111 000

Abbildung 2.2: Feder-Masse-Schwinger Masse, k0 die Federkonstante und x1 (t) die Position des Massenschwerpunktes. x1 = 0 sei die Stelle, an der die Feder gerade entspannt ist. x2 (t) sei die Geschwindigkeit, mit der sich der Massenschwerpunkt zum Zeitpunkt t bewegt und u(t) eine von auen angreifende Kraft. Der Zusammenhang zwischen Position und Geschwindigkeit sowie das Newtonsche Gesetz liefern x1 ( t ) = x2 ( t ), 1 x2 ( t ) = k0 x1 (t) k1 x2 (t) k2 x2 (t)| x2 (t)| +u(t) mFederkraft viskose D mpfung a

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2 grundlagen signale und systeme

als Zustandsdifferentialgleichung. Interessiert man sich nur fur die Position der Masse, erh lt man als Ausgangsgleichung a y ( t ) = x1 ( t ). Fur eine konstante Kraft u(t) = us ergibt sich der station re a Zustand aus 0 = x s2 0 = k 0 x s2 k 1 x s2 k 2 x s2 | x s2 | + u s , d.h. xs = und ys = Wegen f1 x1 f1 x2 f2 x1 f2 x2 f1 u f2 u g x1 g x2 g u us . k0us k0

0

=0xs ,us

=1xs ,us

=xs ,us

k0 m k1 m

=xs ,us

=0xs ,us

=xs ,us

1 m

=1xs ,us

=0xs ,us

=0xs ,us

erh lt man als Linearisierung um ( xs , us ) a (t) = 0 k0 m 1 k1 m (t) + 01 m

(t)

( t ) = 1 0 ( t ).

14

2.3 Laplace-Transformation

2.2.2

Differentialgleichungen h herer Ordnung o

Oft liegt das Streckenmodell nicht in Zustandsdarstellung vor, sondern in Form einer gewohnlichen Differentialgleichung hoher er Ordnung in der Ein- und Ausgangsgroe. Im linearen zeitin varianten Fall hat diese die Form: dn d d n 1 y(t) + an1 n1 y(t) + . . . + a0 y(t) = b0 u(t) + b1 u(t)+ n dt dt dt dm (2.25) + . . . + bm m u ( t ) dt mit n Anfangsbedingungen fur y, y, y, . . .. Eine Zustandsdar stellung (2.16) fur (2.25) existiert nur dann, wenn m n. Man sagt dann, das System sei (in Form einer Zustandsdarstellung) realisierbar. 2.3 laplace-transformation

Die Laplace-Transformation ordnet einem Signal y im Zeitbereich eine komplexe Funktion Y zu: Y (s) := 0

y(t)est dt.

(2.26)

Das Signal bzw. die Funktion y im Zeitbereich heit Originalfunktion, Y wird Bildfunktion genannt. Als abkurzende Schreibweise fur die Laplace-Transformation verwendet man Y = L{y}. Die Laplace-Transformation ist fur rechtsseitige Signale deniert, die exponentiell beschr nkt sind, deren Betrag sich also fur t 0 a durch eine Exponentialfunktion absch tzen l sst (Abbildung 2.3). a a Beispiel 2.4 (Laplace-Transformation des Einheitssprungs) Die Laplace-Transformierte des Einheitsprungs y(t) = h(t) berechnet sich zu Y (s) = 0

1est dt

1 = . s

Im Folgenden sind die wichtigsten Eigenschaften und Rechenregeln der Laplace-Transformation zusammengestellt:

15

2 grundlagen signale und systeme

et

|y(t)|

t

Abbildung 2.3: Exponentiell beschr nktes rechtsseitiges Signal. a linearit at Fur beliebige reelle Konstanten c1 , c2 gilt:

L{c1 y1 + c2 y2 } = c1 Y1 + c2 Y2 .verschiebungsregel Gegeben sei eine feste Zeit t0 > 0 und ein Signal y mit y(t) = 0 fur t < 0. Fur das durch y (t) = y(t t0 ) denierte zeitverschobene Signal y gilt: Y := L{y } Y ( s ) = e t0 s Y ( s ). differentiationsregel Um die Laplace-Transformation zur Behandlung von Systemen einsetzen zu konnen, bei denen es zum Anfangszeitpunkt t = 0 zu Unstetigkeiten im Ausgangssignal kommt, verwenden wir folgende Variante der Differentiationsregel: L{y} = sL{y} y(0), wobei y(0) den linksseitigen Grenzwert von y an der Stelle 0 bezeichnet. Fur zeitliche Ableitungen hoherer Ordnung erh lt man a entsprechend:

L{

dn y dy } =sn L{y} sn1 y(0) sn2 dt dt

s

d n 2 y dtn2

0

d n 1 y dtn1

0

...

0

.

integrationsregel y sei das Integral des Signals y, d.h. y(t) =t 0

y( )d. Dann gilt: 1 L {y} = L{y}. s

16

2.4 Systembeschreibungen im Frequenzbereich

faltungsregel Fur das durch (y1 y2 )(t) := denierte Faltungssignal gilt:

t 0

y1 (t )y2 ( )d

L {y1 y2 } = Y1 Y2 .Y1 und Y2 sind die Laplace-Transformierten der Signale y1 und y2 . grenzwerts atze Die Grenzwerts tze treffen Aussagen uber a das Verhalten von Original- und Bildfunktion bei 0 bzw. : Endwertsatz: Strebt y(t) fur t + einem endlichen Grenzwert zu, so giltt+

lim y(t) = lim sY (s).s 0

Anfangswertsatz: Folgende Version des Anfangswertsatzes ist konsistent mit der oben angegebenen Differentiationsregel: y(0+) = lim sY (s).s

2.4 2.4.1

systembeschreibungen im frequenzbereich Ubertragungsfunktionen

Wird die Laplace-Transformation auf eine lineare Differentialgleichung hoherer Ordnung mit konstanten Koefzienten der Form (2.25) angewandt, so ergibt sich sn Y (s) + an1 sn1 Y (s) + . . . + a0 Y (s) = b0 U (s) + b1 sU (s) + . . . + + bm sm U (s) + f (y(0), y(0), . . . , u(0), u(0), . . .) (2.27) Durch Auosen von (2.27) nach Y (s) erh lt man a Y (s) = b0 + b1 s + . . . + bm sm U (s) + f(y(0), . . .) . a0 + a1 s + . . . + a n s nG (s) Yp (s) Yh (s)

(2.28)

G (s) wird Ubertragungsfunktion genannt und beschreibt bis auf den Einuss der Anfangsbedingungen den Zusammenhang zwischen Laplace-transformiertem Eingangssignal U und Laplace-transformiertem Ausgangssignal Y. y p = L1 {Yp } (2.29)

17

2 grundlagen signale und systeme

stellt die Partikul rlosung der Differentialgleichung (2.25), a yh = L1 {Yh } (2.30)

die homogene Losung dar. Die Anwendung der Laplace-Transformation auf die Zustandsdarstellung (2.16) ergibt sX (s) x0 = AX (s) + BU (s), Y (s) = CX (s) + DU (s). Nach Auosen von (2.31a) nach X (s) X (s) = (sI A)1 BU (s) + (sI A)1 x0 und Einsetzen in (2.31b) ergibt sich Y (s) = (C (sI A)1 B + D ) U (s) + C (sI A)1 x0 .G (s) Yp (s) Yh (s)

(2.31a) (2.31b)

(2.32)

G (s) = C (sI A)1 B + D ist also die Ubertragungsfunktion der Zustandsdarstellung (2.16) und beschreibt wiederum die Auswirkung der Laplace-transfomierten Eingangsgroe auf die Laplace-transformierte Ausgangsgroe. Analog zu (2.29) und (2.30) erh lt man den partikul ren und den homogenen Anteil a a der Ausgangsgroe durch Laplace-Rucktransformation von Yp bzw. Yh . Man beachte, dass C (sI A)1 B + D eine reell-rationale Funktion in s ist, deren Z hlergrad immer kleiner oder gleich ihrem a Nennergrad ist. Dies beweist die Bemerkung in Abschnitt 2.2.2, dass eine Differentialgleichung der Form (2.25) nur dann realisierbar ist, wenn m n. Rechnen mit Ubertragungsfunktionen Kennt man die Ubertragungsfunktionen der Komponenten eines groen linearen zeitinvarianten Systems, so l sst sich die a Ubertragungsfunktion des Gesamtsystems leicht berechnen. Hierzu benotigt man die folgenden Rechenregeln: Serienschaltung zweier Ubertragungsfunktionen Schaltet man zwei Ubertragungsfunktionen G1 und G2 in Reihe (vgl. Abbildung 2.4), dann ergibt sich die Gesamtubertragungsfunktion G durch Multiplikation der bei den einzelnen Ubertragungsfunktionen: Y (s) = G1 (s) Z (s)

= G1 (s) G2 (s) U (s).G (s)

18

2.4 Systembeschreibungen im Frequenzbereich

G G2 ZE

U

E

G1

YE

Abbildung 2.4: Serienschaltung Parallelschaltung zweier Ubertragungsfunktionen Schaltet man zwei Ubertragungsfunktionen G1 und G2

G ZE

G1c h T

U

YE

E

G2

W

Abbildung 2.5: Parallelschaltung entsprechend Abbildung 2.5 parallel, so ergibt sich die Gesamtubertragungsfunktion G durch Addition der beiden Teilubertragungsfunktionen: Y (s) = Z (s) + W (s)

= G1 (s)U (s) + G2 (s)U (s) = ( G1 (s) + G2 (s)) U (s).G (s)

Ruckkopplung Bei einer geschlossenen Ruckkopplungsstruktur wie in Ab bildung 2.6 berechnet sich die Gesamtubertragungsfunktion folgendermaen: Y (s) = G1 (s) E(s) E(s) = U (s) G2 (s)Y (s). Einsetzen und Auosen nach Y(s) ergibt: Y (s) = G1 (s) U (s)) 1 + G1 (s) G2 (s)G (s)

19

2 grundlagen signale und systeme

U

E h T

E

E

G1

YE

G2

'

G

Abbildung 2.6: Ruckkopplung Die bei Regelungen h ug betrachtete Ruckkopplungsstruka tur aus Abbildung 2.7 kann mit G1 (s) = Ga (s) Gb (s), G2 (s) = 1 als Spezialfall von Abbildung 2.6 interpretiert werden. Dem entsprechend ergibt sich die Ubertragungsfunktion des Regelkreises von u nach y: G (s) = Ga (s) Gb (s) 1 + Ga (s) Gb (s)

u Eh E GbT

E

Ga

y E

Abbildung 2.7: Alternative Ruckkopplungsstruktur

Pole und Nullstellen von Ubertragungsfunkionen Anhand von Gleichung (2.28) bzw. (2.32) erkennt man leicht, dass Ubertragungsfunktionen linearer zeitinvarianter Systeme reell-rational in s sind, also aus einem Z hler- und einem Nena nerpolynom mit reellen Koefzienten bestehen: G (s) = p(s) . q(s)

Wir werden im Folgenden immer voraussetzen, dass die Polynome p(s) und q(s) teilerfremd sind, also eventuell vorkommende gemeinsame Z hler- und Nennerfaktoren bereits gekurzt sind. a Dies wird durch Beispiel 2.5 illustriert.

20

2.4 Systembeschreibungen im Frequenzbereich

Beispiel 2.5 Gegeben sei folgende Zustandsdarstellung: x (t) = 0 1 1 x (t) + u ( t ), 2 1 1A B

y ( t ) = 1 0 x ( t ) + 1 u ( t ).C D

Dann berechnet sich (sI A)1 zu:

(sI A)1 =s 1 2 s + 11

1 adj(sI A) det(sI A) s2 1 +s2 s+1 1 2 s

=

Die Ubertragungsfunktion entsprechend (2.32) ist somit G (s) = s+2 ( s + 2) s +1 = . (s + 2)(s 1) (s + 2)(s 1) s . s1

Nach Kurzen des gemeinsamen Faktors (s + 2) erh lt man: a G (s) =

Die Wurzeln des Z hlerpolynoms p(s), d.h. die Losungen von a p(s) = 0, heien Nullstellen von G (s), die Wurzeln des Nennerpolynoms q(s) werden Pole von G (s) genannt. Im obigen Beispiel ist s = 0 die Nullstelle bzw. s = 1 der Pol von G (s). Beispiel 2.5 zeigt auch, dass zwischen einer Zustandsdarstellung p(s) (2.16) und der zugehorigen Ubertragungsfunktion G (s) = q(s) folgender Zusammenhang besteht: det(sI A) = q(s)r (s). r (s) ist genau dann ein nichttriviales Polynom, wenn bei der Berechnung von G (s) nach (2.32) eine sog. Pol-/Nullstellenkurzung auftritt. Folglich ist jeder Pol von G (s) ein Eigenwert der Matrix A, nicht jeder Eigenwert von A muss aber Pol der Ubertragungsfunktion G (s) sein. bedeutung der pole Man betrachte die lineare zeitinvari ante Differentialgleichung (2.25) bzw. die zugehorige Ubertra gungsfunktion G (s) = bm sm + bm1 sm1 + . . . b1 s + b0 s n + a n 1 s n 1 + . . . a 1 s + a 0 p(s) . q(s)

=

21

2 grundlagen signale und systeme

p1 , . . . pk seien die Pole der Ubertragungsfunktion G (s). Die Vielfachheit des Pols pi sei ni , i = 1, . . . , k, d.h.k

q(s) =

( s pi )n .i

i =1

Da das Nennerpolynom q(s) den Grad n besitzt, muss gelten:

i =1

ni = n.

k

Wir betrachten nun die homogene Losung yh der Dgl. (2.25), d.h. die Losung, die man durch Nullsetzen des Eingangssignals (u(t) = 0 t 0) erh lt. Sie lautet a yh (t) =

i =1

cil (l 1)! e p ti

k

ni

t l 1

l =1

t 0.

Die Koefzienten cil ergeben sich aus den Anfangsbedingungen. Man sieht, dass yh (t) fur t genau dann bei beliebi gen cil (und damit bei beliebigen Anfangsbedingungen) gegen Null strebt, wenn die Realteile aller Pole negativ sind. In diesem Fall spricht man von asymptotischer Stabilit t der Dgl. (2.25) a bzw. der Ubertragungsfunktion G (s). Weiterhin bleibt yh genau dann beschr nkt, wenn mehrfache Pole negativen, einfache Pole a nicht-positiven Realteil besitzen. In diesem Fall spricht man von Stabilit t. Man beachte, dass beispielsweise ein doppelter Pol im a Ursprung zu einem aufklingenden Anteil der homogenen Losung und damit zu Instabilit t fuhrt. Man sieht, dass sich anhand der a Pole Aussagen uber den Verlauf der homogenen Losung (also uber die Eigendynamik) von (2.25) und damit die Stabilt t bzw. a asymptotische Stabilit t der zugehorigen Ubertragungsfunktion a treffen lassen. bedeutung der nullstellen Wir betrachten ein System mit Zustandsdarstellung (2.16) und zugehoriger Ubertragungs funktion G (s) = C (sI A)1 B + D und regen dieses mit dem Eingangssignal u(t) = ezt h(t) an. Die komplexe Zahl z = + j soll kein Eigenwert von A und deshalb auch kein Pol von G (s) sein. Dann existiert eine Anfangsbedingung x0 = (zI A)1 B, so dass y ( t ) = G ( z ) u ( t ). (2.33)

22

2.4 Systembeschreibungen im Frequenzbereich

Dies sieht man leicht, wenn man L(u) und die postulierte Anfangsbedingung x0 in (2.32) einsetzt: Y (s) = G (s)U (s) + C (sI A)1 (zI A)1 Bx0

= G (s) = G (s)

1 1 + C (sI A)1 (z s)(zI A)1 B sz zs(sI A)1 (zI A)1

1 1 + (C (sI A)1 B+ D C (zI A)1 B D ) sz zsG (s)

G (z)

1 1 ( G (s) G (z)) = G (s) sz z + s 1 = G (z) . sz Die Richtigkeit der Identit t a

(sI A)1 (z s)(zI A)1 = (sI A)1 (zI A)1uberpruft man, indem man beide Seiten von links mit (sI A) und von rechts mit (zI A) multipliziert. z und damit G (z) ist eine (feste) komplexe Zahl. Durch Laplace-Rucktransformation erh lt man deswegen (2.33). W hlt man speziell z als Nullstelle a a der Ubertragungsfunktion G, ergibt sich offenbar G (z) = 0 und damit y(t) = 0 t 0. Folglich wird eine harmonische Anregung der Form u(t) = ezt h(t)

= et (cos t + j sin t)h(t). durch das System mit der Ubertragungsfunktion G (s) blockiert bzw. gesperrt, falls z eine Nullstelle von G (s) ist. Diese Eigenschaft wird auch Sperreigenschaft genannt. 2.4.2 Frequenzgang

Den Frequenzgang eines linearen zeitinvarianten Systems erh lt a man, indem man seine Ubertragungsfunktion anstatt fur ein be liebiges komplexes Argument s fur ein imagin res Argument j, a R, betrachtet. W hrend sich die Ubertragungsfunktion G (s) a als Funktion interpretieren l sst, die komplexe Zahlen auf koma plexe Zahlen abbildet (G () : C C), bildet der Frequenzgang G ( j ) reelle Zahlen auf komplexe Zahlen ab (G ( j) : R C).

23

2 grundlagen signale und systeme

Interpretation Gegeben sei ein System mit Ubertragungsfunktion G (s). Die komplexe Zahl z = + j sei beliebig aber kein Pol von G (s). Wir regen das System mit einem harmonischen Eingangssignal u an: u(t) = ezt

= et (cos t + j sin t).Man beachte, dass wir es hier nicht mit einem rechtsseitigen Signal zu tun haben, d.h. der Signalwert ist auch fur (fast alle) negativen t von Null verschieden. Mit der so genannten Gewichtsfunktion g ( t ) = L 1 { G } erh lt man den Partikul ranteil y p des Ausgangssignals als a a y p (t) =t

=

t

g(t )u( )d g(t )ez d

bzw. nach Substitution t = t y p (t) = 0 0

g(t )ez(tt ) dt g(t )ezt dt ezt

=

= L{ g}(z) ezt .G (z)

Fur = 0 entspricht die Anregung einer unged mpften harmoa nischen Schwingung u(t) = e jt = cos t + j sin t. Man erh lt als Systemantwort a y p (t) = G ( j )e jt . Fur asymptotisch stabile Systeme klingt der homogene Losungs anteil yh mit der Zeit ab, d.h. y(t) y p (t) = G ( j )e jt . Fur eine feste Frequenz ist G ( j ) eine feste komplexe Zahl, die sich mittels Betrag und Phase ausdrucken l sst (Abbildung 2.8): a

24

2.4 Systembeschreibungen im Frequenzbereich

Im(G(j))

| j ) |G( G(j)Re(G(j))

Abbildung 2.8: Betrag | G ( j )| und Phase G ( j ) fur eine feste Frequenz . G ( j ) = | G ( j )|e jG( j ) mit

| G ( j )| =

Re( G ( j ))2 + Im( G ( j ))2 , Im( G ( j )) . Re( G ( j )) (2.34) (2.35)

G ( j ) = arctanWir konnen also schreiben:

y p (t) = | G ( j )|e jG( j ) e jt

= | G ( j )|e j(t+G( j )) .

Wenn wir nur die Realteile von Anregung u(t) und Antwort y p (t) betrachten, erhalten wir u R (t) := Re(u(t)) = cos t, y pR := Re(y p (t)) = | G ( j )| cos (t + G ( j )). (2.36) (2.37)

Wird ein asymptotisch stabiles System also mit einer harmonischen Schwingung der Frequenz angeregt, erh lt man nach a Abklingen der Einschwingvorg nge am Ausgang wiederum eia ne harmonisiche Schwingung, allerdings amplitudenverst rkt a (um den Betrag | G ( j )|) und phasenverschoben (um den Wert G ( j )). Abbildung 2.9 zeigt ein Beispiel mit = 1 rad , | G ( j )| = s 2 und G ( j ) = . 8 Fur asymptotisch stabile Systeme l sst sich der Frequenzgang a experimentell durch harmonische Anregung bei verschiedenen Frequenzen n herungsweise bestimmen. a Fur die graphische Darstellung des Frequenzgangs gibt es zwei Varianten. Diese werden im Folgenden vorgestellt. ortskurve (nyquist-diagramm) Tr gt man G ( j ) fur alle a R in der komplexen Ebene auf, so erh lt man die Ortskurve a von G ( j ). Fur reell-rationale Ubertragungsfunktionen G (s) gilt G ( j ) = G ( j )

= Re( G ( j )) Im( G ( j )),

25

2 grundlagen signale und systeme G(j)

2.0

y pR

1.0

uR

0.0

1.0

2.0

2

t[s]

Abbildung 2.9: Zeitliche Verl ufe von u R und y pR fur = 1 rad , a s | G ( j )| = 2 und G ( j ) = 8 . die Ortskurve von G ( j ) ist also symmetrisch zur reellen Achse. Es reicht deshalb aus, G ( j ) fur 0 zu betrachten. Beispiel 2.6 Verzogerungsglied 1. Ordnung (PT1 -Glied) a0 , a0 , b0 > 0 s + b0 a0 a0 ( j + b0 ) G ( j ) = = j + b0 ( j + b0 )( j + b0 ) a0 b0 a0 = 2 +j 2 2 2 + b0 + b0 G (s) =Re( G ( j )) Im( G ( j ))

Die Gestalt der Ortskurve wird somit bestimmt durch a0 Re( G ( j )) 2b02

+ Im2 ( G ( j )) =

a2 0 . 2 4b0a0 2b0 , 0

Dies ist die Gleichung eines Kreises mit Mittelpunkta0 2b0 .

und

Radius Fur 0 erh lt man den Halbkreis in der unteren a Halbebene (s. Abb. 2.10 fur a0 = b0 = 1). Beispiel 2.7 Wir betrachten die Ubertragungsfunktion G (s) = a0 , a0 , b0 < 0. s + b0

26

2.4 Systembeschreibungen im Frequenzbereich

Im{G(j)}0.1

Re{G(j)}0.0 0.1 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

Abbildung 2.10: Ortskurve fur Beispiel 2.6. Im Vergleich zu Beispiel 2.6 andert sich lediglich das Vorzei chen des Imagin rteils des Frequenzganges. Die Ortskurve des a Frequenzganges ist in Abb. 2.11 dargestellt.

Im{G(j)}0.6

0.5

0.4

0.3

0.2

0.1

Re{G(j)}0.0 0.1 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0

Abbildung 2.11: Ortskurve fur Beispiel 2.7.

Beispiel 2.8 Wir betrachten einen Integrierer oder I-Glied. Der Zusammenhang zwischen Ein- und Ausgangssignal lautet offenbar: y ( t ) = y0 + bzw. y ( t ) = u ( t ), y (0) = y0t 0

u( )d

27

2 grundlagen signale und systeme

Als Ubertragungsfunktion bzw. Frequenzgang ergibt sich 1 s 1 j G ( j ) = = . j G (s) = Der Realteil des Frequenzganges ist also Null, der Imagin rteil a 1 . Die Ortskurve ist in Abbildung 2.12 dargestellt.

1.0 0.8 0.6 0.4 0.2

Im{G(j)}

Re{G(j)}1.0 0.5 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 0.5 1.0

Abbildung 2.12: Ortskurve fur Beispiel 2.8 a Beispiel 2.9 Beim Differenzierer oder D-Glied erh lt man das Ausgangssignal durch (zeitliches) Ableiten des Eingangs: y(t) = u(t) . Als Ubertragungsfunktion bzw. Frequenzgang ergibt sich G (s) = s G ( j ) = j. Man beachte, dass der Z hlergrad der Ubertragungsfunktion a groer als ihr Nennergrad ist, G (s) sich also nicht durch eine Zu standsdarstellung realisieren l sst. Die Ortskurve des Frequenza gangs G ( j ) ist in Abbildung 2.13 dargestellt.

bode-diagramm Eine alternative Moglichkeit, den Frequenz gang graphisch darzustellen, ist das sog. Bode-Diagramm: Man tr gt Betrag | G ( j )| und Phase G ( j ) von G ( j ) getrennt uber a

28

2.4 Systembeschreibungen im Frequenzbereich

1.0 0.8 0.6 0.4 0.2

Im{G(j)}

Re{G(j)}1.0 0.5 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 0.5 1.0

Abbildung 2.13: Ortskurve fur Beispiel 2.9

(fur > 0) auf und w hlt fur Frequenz und Betrag eine loa garithmische Achsenskalierung. Ublicherweise wird die Betragsskala noch mit dem Faktor 20 versehen, so dass man folgende Diagramme erh lt: a | G ( j )|dB := 20 lg | G ( j )| uber lg ( Betrags- bzw. Am plitudengang), G ( j ) uber lg ( Phasengang). Die gew hlte Achsenskalierung besitzt eine Reihe von Vorteilen: a 1. Das Bode-Diagramm von Q( j ) = G ( j )K ( j ) l sst sich a leicht aus den Bode-Diagrammen von G und K ermitteln: Q( j ) = | G ( j )|e jG( j ) |K ( j )|e jK( j )

= | G ( j )||K ( j )|e j(G( j )+K( j )) | Q( j )|dB = | G ( j )|dB + |K ( j )|dB Q( j ) = G ( j ) + K ( j ).Man mu also lediglich die Amplituden- bzw. Phaseng nge a von G ( j ) und K ( j ) addieren, um den Amplituden bzw. Phasengang von Q( j ) zu erhalten.

29

2 grundlagen signale und systeme

2. Aus dem Bodediagramm eines Frequenzgangs G ( j ) l sst a sich auch leicht das Bode-Diagramm des inversen Frequenzgangs bestimmen: G ( j ) := G 1 ( j ) 1 = | G ( j )|e jG( j ) 1 = e j(G( j )) . | G ( j )| Deshalb: | G ( j )|dB = | G ( j )|dB G ( j ) = G ( j ) . Man erh lt also den Amplituden- und Phasengang des a inversen Systems durch Spiegeln der entsprechenden Diagramme an der Frequenzachse. Mit Hilfe der beiden obigen Regeln fur Produktbildung und Inversion lassen sich Bode-Diagramme beliebiger reell-rationaler Ubertragungsfunktionen aus den Bode-Diagrammen einiger we niger einfacher Ubertragungsglieder zusammensetzen. Nun konn te man fragen, warum eine solche Vorgehensweise sinnvoll ist das Bode-Diagramm einer beliebig komplexen Ubertragungsfunktion l sst sich mit Hilfe geeigneter Software schlielich per a Knopfdruck erzeugen. Das Wissen um die im Folgenden dargestellten Zusammenh nge versetzt den Anwender aber in die Lage, a das Bode-Diagramm eines gegebenen Systems durch Hinzufugen von dynamischen Anteilen gezielt zu ver ndern. Da wie wir a in Abschnitt 3 besprechen werden viele Eigenschaften des geschlossenen Regelkreises anhand des Frequenzgangs (und damit des Bode-Diagramms) des offenen Regelkreises beurteilt werden konnen, ermoglicht dies einen systematischen Regler-Entwurf. Wir betrachten im Folgenden eine beliebige reell-rationale Ubertragungsfunktion p(s) G (s) = . q(s) p(s) und q(s) sind also Polynome mit reellen Koefzienten. p(s) besitze m1 Pole im Ursprung, m2 weitere reelle Pole und m3 konjugiert komplexe Polpaare, m = m1 + m2 + 2m3 . Das Polynom p(s) l sst sich dann schreiben als a p ( s ) = s m1m1 + m2 i = m1 +1

( s ai )

m1 + m2 + m3 i = m1 + m2 +1

(s [bi + jci ])(s [bi jci ]) .

30

2.4 Systembeschreibungen im Frequenzbereich

Nach Einfuhrung der Bezeichnungen pi (s) := s, i = 1, . . . m1 , s pi ( s ) : = + 1, i = m1 + 1, . . . m1 + m2 , i 1 2 i pi ( s ) : = s + 2 s + 1, i = m1 + m2 + 1, . . . m1 + m2 + m3 2 i i und i : = a i , i : = i = m1 + 1, . . . m1 + m2 , i = m1 + m2 + 1, . . . m1 + m2 + m3 , i = m1 + m2 + 1, . . . m1 + m2 + m3 i2 bi bi2 + c2 i i

bi2 + c2 , i

i := = := erh lt man a

m1 + m2 i = m1 +1

m1 + m2 + m3 i = m1 + m2 +1

p(s) =

m1 + m2 + m3

i =1

pi ( s ) .

(2.38)

Eine entsprechende Zerlegung l sst sich fur das Nennerpolynom a q(s) durchfuhren. Im folgenden werden die Bode-Diagramme der Elementarfaktoren pi (s) diskutiert. reelle konstanten Fur reelle Konstanten sind naturlich Phase und Betrag von der Frequenz unabh ngig. Es gilt ofa fensichtlich = 0 (mod 2 ) fur positive und = (mod 2 ) fur negative . differenzierer Das Bode-Diagramm eines Differenzierers (pi (s) = s) l sst sich leicht angeben: Offensichtlich gilt | pi ( j )| = a und deswegen | pi ( j )|dB = 20 lg fur alle > 0. Der Ampli tudengang ist also eine Gerade, die mit der Steigung 20dB pro Dekade ansteigt und die Abszisse ( 0dB-Linie) bei der Frequenz = 1 (lg = 0) schneidet. Fur die Phase gilt pi ( j ) = (mod 2 2), der Phasengang ist also eine horizontale Gerade (Abb. 2.14). Das Bode-Diagramm eines Integrierers (Ubertragungsfunktion ergibt sich dann einfach durch Spiegelung der in Abb. 2.14 gezeigten Verl ufe an den Abszissen (s. Abb. 2.15). a affine terme Wir untersuchen jetzt Terme der Form pi ( s ) = s +1 i (2.39)1 s)

31

2 grundlagen signale und systeme

40 30

Betrag [dB]

20 10 0

10 20 10

1

0

1

2

[ rad ] s

10

10

10

90

Phase [ ]

45

01 0 1 2

[ rad ] s

10

10

10

10

Abbildung 2.14: Bode-Diagramm des Differenzierers.

20 10

Betrag [dB]

0

10 20 30 40 10

1

0

1

2

[ rad ] s

10

10

10

0

Phase [ ]

45

901 0 1 2

[ rad ] s

10

10

10

10

Abbildung 2.15: Bode-Diagramm des Integrierers. bzw. pi ( j ) =

j + 1. i

(2.40)

Die Ortskurve des Frequenzganges (2.40) ist fur positive und negative Werte von i in Abb. 2.16 dargestellt. Die zugehorigen Amplituden- und Phaseng nge sind in Abb. 2.17 gezeigt. Man a sieht, dass sich der Amplitudengang (fur positive und negative Werte von (2.40)) in guter N herung durch zwei Halbgeraden a

32

2.4 Systembeschreibungen im Frequenzbereich

1.5

Im{G(j)}

1.0

0.5

Re{G(j)}0.0 1.0 0.5 0.0 0.5 1.0 1.5 2.0 2.5 3.0

0.5

1.0

1.5

Abbildung 2.16: Ortskurve afner Terme: durchgezogene Linie fur i > 0, gestrichelt fur i < 0.

darstellen l sst: bis zur Frequenz |i | gilt | pi ( j )|dB 0, fur a groere Frequenzen erh lt man eine Halbgerade mit der Steigung a 20dB/Dekade. Die Phase ist zun chst konstant Null und erhoht a sich fur positive i in der Umgebung der Frequenz i um den Wert /2. Fur negative i ergibt sich in der N he der Frequenz a |i | eine Phasen nderung von /2. Man nennt |i | auch die a Eck- bzw. Knickfrequenz.

40 35

|i |

Betrag [dB]

25 20 15 10 5 0 5 101 0 1

Dekade

20dB

30

2

10

10

10

[ rad ] s

|i |90

Phase [ ]

45

0

45

901 0 1 2

[ rad ] s

10

10

10

10

Abbildung 2.17: Bode-Diagramm afner Terme: durchgezogene Linien fur i = 1, gestrichelt fur i = 1.

33

2 grundlagen signale und systeme

Das Bode-Diagramm des inversen Gliedes qi ( s ) = bzw. qi ( j ) =s i

1 +1

(2.41)

i (2.42) j + i ergibt sich dann wiederum einfach durch Spiegelung an den Abszissen. Dies ist in Abb. 2.18 fur positive und negative i gezeigt.5 0

|i | Dekade 20dB

Betrag [dB]

5 10 15 20 25 30 35 40 101 0 1 2

10 10 10

[ rad ] s

|i |90

Phase [ ]

45

0

45

901 0 1 2

10 10 10

[ rad ] s

10

Abbildung 2.18: Bode-Diagramm von qi (s) =

gene Linien fur i = 1 (PT1 -Glied), gestrichelt fur i = 1. Im Falle i > 0 spricht man von einem Verz gerungsglied erso ter Ordnung oder PT1 -Glied (mit Verst rkung 1). Dem Bodea Diagramm kann man sofort entnehmen, wie ein solches PT1 Glied auf harmonische Anregungen antwortet: Nach Abklingen von Einschwingvorg ngen stellt sich am Ausgang naturlich wiea derum eine harmonische Schwingung derselben Frequenz ein. Bei kleinen Frequenzen ( > i ) erh lt man eine Phaa senverschiebung von /2, d.h. das Ausgangssignal eilt dem Eingangssignal nach; auerdem besitzt das Ausgangssignal eine sehr viel kleinere Amplitude als der Eingang. Man kann also in erster N herung sagen, dass das Ubertragungsglied (2.41) a nur niederfrequente Signale passieren l sst. Man bezeichnet a PT1 -Glieder deshalb auch als Tiefp sse erster Ordnung. a

s i

1 +1 ;

durchgezo-

34

2.4 Systembeschreibungen im Frequenzbereich

quadratische terme Terme der Form pi ( s ) = bzw. pi ( j ) =

Wir untersuchen jetzt quadratische s2 +2 i s+1 i i2

(2.43)

=

( j )2 + 2 i j + 1 2 i i 1 ( )2 + j 2 i . i iRe( pi ( j )) Im( pi ( j ))

(2.44) (2.45)

Die Wurzeln von pi (s) sind s1,2 = i i ji 1 i2 .

Da wir uns nur mit dem Fall konjugiert komplexer Wurzeln befassen mussen (den Fall reeller Wurzeln haben wir bereits abgehandelt), konnen wir ohne Beschr nkung der Allgemeinheit a annehmen, dass | i | < 1 und i > 0.

Im{G(j)}6

i 0

4

2

i = 015 10 5

Re{G(j)}0 0 2 5

i 04

6

Abbildung 2.19: Ortskurve von (2.45); durchgezogene Linie fur i > 0, gestrichelt fur i < 0, Strich-Punkt-Linie fur i = 0. Gl. (2.45) kann man entnehmen, dass die Ortskurve von pi ( j ) fur i > 0 (beide Wurzeln von pi (s) liegen links der imagin ren a Achse) ein in der oberen Halbebene verlaufender Parabelast ist. Fur i < 0 (beide Wurzeln von pi (s) liegen rechts der imagin ren a

35

2 grundlagen signale und systeme

Achse) erh lt man einen in der unteren Halbebene verlaufenden a Parabelast, fur i = 0 (beide Wurzeln von pi (s) liegen auf der imagin ren Achse) einen im Punkt (0, 1) beginnenden, nach links a gerichteten Strahl.80 70 60 40 30 20 10 0 10 20 101 0 1 2

i

Betrag [dB]

Dekade i 0 10 10 10

40dB

50

[ rad ] s

i180

Phase [ ]

135

i 090

45

01 0 1 2

[ rad ] s

10

10

10

10

Abbildung 2.20: Bode-Diagramm fur quadratischen Term, i > 0.

80 70 60 50 40 30 20 10 0 10 20 101

i

Betrag [dB]

0 1 2

[ rad ] s

10

10

10

i0

45

Phase [ ]

90

135

1801 0 1 2

10 10 10

[ rad ] s

10

Abbildung 2.21: Bode-Diagramm fur quadratischen Term, i < 0. Abb. 2.20 und 2.21 zeigen die Bode-Diagramme von (2.44) fur i < 0 und i > 0. Man sieht, dass der Amplitudengang sich fur betragsm ig groe D mpfungen (| i | 1) in beiden F llen a a a

36

2.4 Systembeschreibungen im Frequenzbereich

durch zwei Halbgeraden approximieren l sst: Bis zur Frequenz a i gilt | pi ( j )|dB 0, fur groere Frequenzen erh lt man n hea a rungsweise eine Halbgerade mit der Steigung 40dB/Dekade. Je kleiner | i |, um so st rker weicht der tats chliche Verlauf in der a a N he der Eckfrequenz i von diesem approximativen Verlauf a ab. Die Phase ist zun chst konstant Null und erhoht sich fur a positive i in der Umgebung der Frequenz i um den Wert . Fur negative i erh lt man eine Phasen nderung von . Der a a Ubergang vom Wert 0 auf den Wert bzw. erfolgt um so schneller, je kleiner | i |. Die Bode-Diagramme fur die inversen Terme qi ( s ) = 1s ( i ) 2 + 2 ii s + 1

(2.46)

bzw. qi ( j ) = 1

( j )2 i

+ 2 ii j + 1

(2.47)

erh lt man wiederum durch einfaches Spiegeln der entsprechena den Amplituden- und Phaseng nge an den jeweiligen Abszissen a (Abb. 2.22 und 2.23). Im Falle i > 0 (Abb. 2.22) spricht man von einem Verz gerungsglied zweiter Ordnung bzw. einem PT2 -Glied. oi i 0

20 10 0

Betrag [dB]

10 20 30 40 50 60 70 80 101 0 1 2

Dekade 40dB

10 10 10

[ rad s

i0

45

Phase [ ]

90

i 0

135

1801 0 1 2

10 10 10

[ rad s

10

Abbildung 2.22: Bode-Diagramm fur (2.47), i > 0.

37

2 grundlagen signale und systeme

20 10 0

i i 0

Betrag [dB]

10 20 30 40 50 60 70 80 101 0 1 2

Dekade 40dB

10 10 10

[ rad ] s

i180

Phase [ ]

135

i 0

90

45

01 0 1 2

[ rad ] s

10

10

10

10

Abbildung 2.23: Bode-Diagramm fur (2.47), i < 0.

beliebige reell-rationale ubertragungsfunktionen Mit Hilfe der bisher angestellten Uberlegungen konnen wir nun leicht Bode-Diagramme beliebiger reell-rationaler Ubertragungsfunktionen konstruieren. Die sei am Beispiel des Systems G (s) = ss3 100

+ 1.01s2

=

s ( 100

+ 1.01s + 1 s + 1)(s2 + s + 1)

gezeigt. Dieses System konnen wir offenbar als Serienschaltung der Systeme p1 ( s ) = s q2 ( s ) = q3 ( s ) = (Differenzierer), 1 (PT1 -Glied), s 100 + 1 1 (PT2 -Glied) 2+s+1 s 1 s 2 ( 1 ) + 2 0.5 s + 1 1

=

interpretieren. Die zugehorigen Eckfrequenzen bzw. D mpfuna gen lauten: 2 = 100, 3 = 1 und 3 = 0.5. Eine einfache addi tive Uberlagerung der drei zugehorigen Amplituden- und Pha seng nge fuhrt auf das in Abb. 2.24 gezeigte Ergebnis. a

38

2.5 Phasenminimumsystem und Allpass3 2

10 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 102 1

Betrag [dB]

0

1

2

3

[ rad ] s

10

10

10

10

10

90 45

Phase [ ]

0 45 90

135 1802 1 0 1 2 3

[ rad ] s

10

10

10

10

10

10

Abbildung 2.24: Bode-Diagramm von G ( j ).

2.5

phasenminimumsystem und allpass

Denition 2.5.1 G (s) sei eine reell-rationale Ubertragungsfunktion, deren Pole alle links der imagin ren Achse liegen. Dann heit G (s) a minimalphasig, wenn auch alle Nullstellen links der imagin ren Achse a liegen. Um den Begriff der Minimalphasigkeit zu verstehen, betrachten wir zun chst eine realisierbare Ubertragungsfunktion G (s) ohne a Pole auf oder rechts der imagin ren Achse, die nicht minimalphaa sig ist, also eine oder mehrere Nullstellen rechts der imagin ren a Achse aufweist. Diese l sst sich offenbar in folgender Art und a Weise faktorisieren: G (s) = il=1 (s zi ) im l +1 (s + zi ) = in=1 (s pi ) m n, Re( pi < 0), Re(zi < 0)

il=1 (s zi ) im l +1 (s zi ) im l +1 (s + zi ) = = in=1 (s pi ) im l +1 (s zi ) = m m ( s + zi ) i ( s z i ) i = l +1 = n=1 i=1 (s pi ) im l +1 (s zi ) =

=

(2.48)

:= G (s)

: = Ga ( s )

G (s) ist offenbar minimalphasig, da alle Nullstellen links der imagin ren Achse liegen. Pole und Nullstellen der Ubertragungsa

39

2 grundlagen signale und systeme

funktion Ga (s) sind symmetrisch zur imagin ren Achse. Fur den a Betrag von Ga ( j ) gilt offenbar: lg | Ga ( j )| =

i = l +1

m

lg | j + zi |

i = l +1

m

lg | j zi |

=0 | Ga ( j )| = 1 . Ein System mit Ubertragungsfunktion Ga (s) l sst also harmoa nische Anregungen beliebiger Frequenz ungehindert passieren und wird deshalb als Allpass der Ordnung m l bezeichnet. Die Phasen nderung von Ga ( j ) berechnet sich zu: a Ga ( j ) := Ga ( j) Ga ( j0) = (m l )( ), ist also negativ. Als Beispiel sind in Abb. 2.25 und 2.26 Ortskurve und Bode-Diagramm eines Allpasses erster Ordnung gezeigt.

0.2

Im{G(j)} Re{G(j)}

1.0

0.5

0.0

0.5

1.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

1.2

Abbildung 2.25: Ortskurve eines Allpasses 1. Ordnung. Fur das ursprungliche System G gilt offenbar:

| G ( j )| = | G ( j )| G ( j ) = G ( j ) + Ga ( j ),0 0p(s)

Realteil, wenn die n-reihige Determiq n 5 q n 4 q n 3 q n 2 ... ... ... ... ... ... ... ... .. . ... ... ... ... q1 q2 0 0 0 0 0 q0

und s mtliche nord-westlichen Unterdeterminanten Mi , i = 1, . . . , a n 1 (diese erh lt man durch Streichen der letzten n i Zeilen und a Spalten) positiv sind. Beispiel 3.2 Gegeben sei das Polynom q(s) = s3 + 4s2 + 4s + K.

44

3.1 Stabilit t a

Somit: 4 K 0 M3 := 1 4 0 . 0 4 K Die Wurzeln von q(s) besitzen genau dann alle negativen Realteil, wenn M1 = 4 > 0 M2 = 16 K > 0 M3 = KM2 > 0, d.h., wenn 0 < K < 16. Eine Ubertragungsfunktion mit Nennerpolynom q(s) ist also fur alle reellen K im Intervall (0, 16) (und nur fur diese) asymptotisch stabil. Anmerkung 3.1.2 Fur Nennerpolynome mit Grad n = 2 ist die sog. Vorzeichenbedingung alle Koefzienten mussen gleiches Vor zeichen besitzen notwendig und hinreichend fur asymptotische Stabilit t. Dies folgt unmittelbar aus dem Hurwitz-Kriterium: Fur a q ( s ) = q2 s2 + q1 s + q0 mit (o.B.d.A.): q2 > 0

verlangt das Hurwitz-Kriterium n mlich a M1 = q1 > 0 M2 = q1 0 = q1 q0 > 0. q2 q0

Anmerkung 3.1.3 Fur beliebige n > 2 ist die Vorzeichenbedin gung notwendig aber nicht hinreichend fur asymptotische Stabi lit t. a 3.1.2 Stabilit t des Regelkreises a

Wir untersuchen nun (asymptotische) Stabilit t des in Abb. 3.1 a gezeigten Standardregelkreises. r bezeichnet die Fuhrungsgroe,

d r

K(s)

u

G(s)

y

Abbildung 3.1: Blockschaltbild des Standardregelkreises.

45

3 regelkreiseigenschaften

d eine (Eingangs-)Storung, u den Reglerausgang und y den Streckenausgang (Regelgroe). G (s) = K (s) = pG (s) qG (s) pK (s) qK (s)

sind die Strecken- und die Reglerubertragungsfunktion. Auer Teilerfremdheit von pG (s) und qG (s) sowie von pK (s) und qK (s) setzen wir voraus: Strecken- und Reglerubertragungsfunktion sind realisierbar, d.h. mG := Grad( pG (s)) Grad(qG (s)) =: nG mK := Grad( pK (s)) Grad(qK (s)) =: nK Die sogenannte well posedness condition G ( s = ) K ( s = ) = 1 (3.3) (3.1) (3.2)

garantiert, dass auch die Ubertragungsfunktionen des geschlossenenen Kreises realisierbar sind. Um zu einer sinnvollen Denition der (asymptotischen) Stabilit t des geschlossenen Regelkreises zu gelangen, betrachten wir a s mtliche Ubertragungsfunktionen des geschlossenen Kreises a zwischen von auen angreifenden Signalen (d.h. r und d ) sowie regelkreisinternen Signalen (dem Regler- und Streckenausgang u und y)1 . Fur das Streckenausgangssignal gilt offenbar: Y (s) = G (s) D (s) + K (s) R(s) Y (s) bzw. Y (s) = G (s) G (s)K (s) R(s) + D. 1 + G (s)K (s) 1 + G (s)K (s) (3.4)

Fur den Reglerausgang erh lt man a U (s) = K (s) R(s) G (s) D (s) + U (s)1 Naturlich konnte man weitere externe Signale (wie beispielsweise Ausgangs storungen und Messrauschen) und interne Signale (wie beispielsweise die Regelabweichung oder die Stellgroe) betrachten und so die Anzahl der zu untersuchenden Ubertragungsfunktionen vergroern. Man kann aber leicht nachprufen, dass die dadurch zus tzlich eingefuhrten Ubertragungsfunktionen a sich nur auf triviale Weise von den bereits untersuchten unterscheiden. Insbesondere kann man leicht zeigen, dass (asymptotische) Stabilit t der bisher a untersuchten Ubertragungsfunktionen auch (asymptotische) Stabilit t s mtlia a cher dann zus tzlich eingefuhrter Ubertragungsfunktionen impliziert. a

46

3.1 Stabilit t a

bzw. U (s) = K (s) R(s) + 1 + G (s)K (s)

G (s)K (s) 1 + G (s)K (s)1 1+ GK 1

D.

(3.5)

Fasst man (3.4) und (3.5) zusammen, so ergibt sich Y (s) U (s)

=

GK 1+ GK K 1+ GK

G 1+ GK 1 1+ GK 1 : =V ( s )

R(s) D (s)

.

(3.6)

V (s) ist eine Matrix von Ubertragungsfunktionen (Ubertragungsmatrix). Anhand ihrer Elemente vij (s) denieren wir (asymptotische) Stabilit t des (im folgenden durch das Symbol ( G, K ) a gekennzeichneten) Standardregelkreises. Denition 3.1.4 Der Regelkreis ( G, K ) heit (asymptotisch) stabil, falls alle Ubertragungsfunktionen vij (s), i, j = 1, 2, (asymptotisch) stabil sind. Anmerkung 3.1.5 (Asymptotische) Stabilit t der Fuhrungsubera GK tragungsfunktion v11 (s) = 1+GK ist notwendig, nicht aber hinreichend fur (asymptotische) Stabilit t des Regelkreises. Dies a illustriert das folgende Beispiel. Beispiel 3.3 Gegeben seien die Strecken- und Reglerubertrag ungsfunktion G (s) = s1 s+1 K (s) = s+3 . s1

Die Fuhrungsubertragungsfunktion v11 (s) = GK s+3 1 = s+s+3 = 1 + GK 2s + 4 1 + s +1s +3

ist offenbar asymptotisch stabil. Trotzdem ist die Ubertragungsfunktion v21 (s) = K (s + 1)(s + 3) 1 = ss+3 = 1 + GK 2(s 1)(s + 2) 1 + s +1s +3

und damit der Regelkreis instabil. In diesem Beispiel konnte der Reglerausgang u im Laufe der Zeit aufklingen, ohne dass sich dies in der Regelgroe y bemerkbar macht.

47

3 regelkreiseigenschaften

Nun benotigen wir noch ein einfaches Kriterium zur Uberpru fung der simultanen Stabilit t der Ubertragungsfunktionen vij (s). a Hierzu schreiben wir V (s) in der Form V (s) =p G pK q G qK + p G pK qG pK q G qK + p G pK p G qK q G qK + p G pK qG qK q G qK + p G pK

+

0 0 0 1

=

1 pG 0 0 . p q + qG qG qK + pG pK K K 0 1:=qcl

Voraussetzungsgem sind pK und qK teilerfremd, deshalb sind a auch pK , qK und qcl (s) := qG (s)qK (s) + pG (s) pK (s) (3.7)

teilerfremd. Mit der gleichen Argumentation folgt Teilerfremdheit von pG , qG und qcl . Es ist deswegen nicht moglich, dass eine Wurzel von qcl gleichzeitig Wurzel von pG pK , pG qK , qG pK und qG qK ist. Anders ausgedruckt: Jede Wurzel von qcl (s) erscheint als Pol mindestens einer der vier Ubertragungsfunktionen vij (s), i, j = 1, 2. Man nennt qcl (s) deshalb das Polpolynom des geschlossenen Kreises (engl. closed loop). Offenbar gilt: Satz 3.1.6 Der Regelkreis ( G, K ) ist genau dann asymptotisch stabil, wenn alle Wurzeln von qcl (s) negativen Realteil besitzen. Im weiteren benotigen wir noch das Polpolynom des offenen Kreises (engl. open loop): qol (s) := qG (s)qK (s). (3.8)

Man beachte, dass qol i.a. nicht mit dem Nennerpolynom der Ubertragungsfunktion des offenen Kreises (d.h. G (s)K (s)) uber einstimmt, da es bei der Multiplikation von Streckenubertrag ungsfunktion und Reglerubertragungsfunktion zu Pol-/Null stellenkurzungen kommen kann. Somit besteht die Menge der Pole des geschlossenen Kreises aus den Polen der Strecke und den Polen des Reglers. Eine einfache Beziehung zwischen dem Polpolynom des offenen und des geschlossenen Regelkreises liefert die sog. Ruckfuhr differenz: rfd(s) := 1 + G (s)K (s) p (s) pK (s) = 1+ G qG (s) qK (s) qcl (s) = qol (s) (3.9)

(3.10)

48

3.1 Stabilit t a

Anmerkung 3.1.7 Die Bezeichnung Ruckfuhrdifferenz erkl rt a Abb. 3.2. Nach Aufschneiden des Regelkreises erh lt man die a Differenz zwischen eingespeistem Signal A und dem an der anderen Seite der Schnittstelle anliegenden (ruckgefuhrten) Signal B als A(s) B(s) = (1 + G (s)K (s)) A(s).

B(s)

A(s)

K(s)

G(s)

Abbildung 3.2: Ruckfuhrdifferenz Anmerkung 3.1.8 Aus den Realisierbarkeitsannahmen (3.1), (3.2) fur Strecken- und Reglerubertragungsfunktion sowie (3.3) folgt sofort, dass der Grad der Polpolynome von offenem und geschlossenem Kreis ubereinstimmt: Grad(qcl (s)) = Grad(qol (s)) = nG + nK . 3.1.3 Nyquist-Kriterium

Auf der Grundlage von (3.10) l sst sich ein uberaus nutzliches graa phisches Stabilit tskriterium herleiten das sogenannte Nyquista Kriterium. Neben den Annahmen (3.1), (3.2) und (3.3) treffen wir nun eine weitere (sehr restriktive) Annahme, die wir aber sp ter a wieder fallen lassen werden wir setzen n mlich voraus, dass a weder G (s) noch K (s) Pole auf der imagin ren Achse besitzen, a d.h.

| G ( j )| < und |K ( j )| < R.

(3.11)

Im folgenden werden wir die sog. Nyquist-Kontur benotigen. Hier unter versteht man die in Abb. 3.3 gezeigte geschlossene Kurve N in der komplexen Ebene. Sie beginnt im Ursprung, verl uft a auf der positiven imagin ren Achse nach + (diesen Abschnitt a nennen wir N1 ), dann auf einem Halbkreis mit unendlichem Radius (Kurvenabschnitt N2 ) und schlielich entlang der negativen imagin ren Achse zuruck in den Ursprung (Kurvenabschnitt N3 ). a Nun betrachten wir die oben eingefuhrte Ruckfuhrdifferenz als komplexe Funktion rfd : C C, d.h. jeder komplexen Zahl s wird durch rfd(s) = 1 + G (s)K (s)

49

3 regelkreiseigenschaften

N1

N2

N3

Abbildung 3.3: Nyquist-Kontur. ein Funktionswert zugeordnet. Wenden wir diese Abbildungsvorschrift auf die Nyquist-Kontur N an, so erhalten wir als Bild wiederum eine geschlossene Kurve in der komplexen Ebene: := {s |s = rfd(s), s N }. Die Bilder der Kurvenabschnitte Ni nennen wir i : i := {s |s = rfd(s), s Ni } i = 1, 2, 3.

In dem in Abb. 3.4 gezeigten Beispiel ist das Bild des Kurvenabschnitts N2 die (reelle) Zahl 1. Um eine generelle Aussage uber 0.3

30.2

0.1

Im

0.0

2

0.1

0.2

1

0.3 0.9

0.95

1.00

1.05

1.10

1.15

1.20

1.25

1.30

Re

Abbildung 3.4: Beispiel fur die Kurve . den Wert von rfd(s) fur |s| zu machen, betrachten wir die Strecken- und Reglerubertragungsfunktion: G (s) = K (s) = bmG smG + . . . + b0 s n G + . . . + a0 bmK smK + . . . + b0 . nK + . . . + a 0 s

50

3.1 Stabilit t a

Offenbar gilt fur |s| , dass G (s) = 0 falls mG < nG und G (s) = bnG falls mG = nG . Analog gilt fur die Reglerubertrag ungsfunktion K (s), dass sie fur |s| den Wert bnK annimmt, wenn mK = nK , und fur mK < nK gleich Null ist. Somit l sst sich a fur |s| folgende Aussage uber rfd(s) treffen: rfd(s) = 1 + bn G bn K 1 falls mG = nG und mK = nK falls mG < nG oder mK < nK .

Im Folgenden bezeichnen wir mit (s) denjenigen Punkt der Kurve , der sich durch Abbildung der komplexen Zahl s auf der Nyquist-Kontur ergibt, d.h. (s) = rfd(s), s N . Weiterhin sei (s) (s) die Phase dieses Punktes, d.h. (s) = arctan Im (s) und Re die Phasen nderung von (s), die man erh lt, wenn s die a a Nyquist-Kontur N im Uhrzeigersinn durchl uft. a Unter den getroffenen Annahmen (G (s) und K (s) realisierbar und ohne Pole auf der imagin ren Achse, well posedness des a Regelkreises) stellt der Satz von Cauchy einen einfachen Zusammenhang zwischen und der Anzahl von Z hler- und a Nennerwurzeln von rfd(s) im Innern der Nyquist-Kontur (also von Wurzeln mit positivem Realteil) her: Satz 3.1.9 (Cauchy) Sei rcl die Anzahl der Z hlerwurzeln von rfd(s), a die im Innern von N liegen, und rol die Anzahl der Nennerwurzeln von rfd(s) im Innern von N . Dann gilt = 2 (rcl rol ). Wegen (3.10) ist das Z hlerpolynom von rfd(s) das Polpolya nom des geschlossenen Kreises, rcl also die Anzahl der Pole des geschlossenen Kreises mit positivem Realteil. Das Nennerpolynom von rfd(s) ist das Polpolynom des offenen Kreises, rol also die Anzahl der Pole des offenen Kreises mit positivem Realteil. Fur asymptotische Stabilit t benotigen wir offenbar rcl = 0; a daruberhinaus mussen wir aber sicherstellen, dass der geschlos sene Kreis keinen Pol auf der imagin ren Achse aufweist, d.h. a qcl ( j ) = 0 R. Unter den getroffenen Annahmen (weder G (s) noch K (s) besitzen Pole auf der imagin ren Achse, d.h. a qol ( j ) = 0; R; well-posedness, d.h. rfd(s) = 0; s N2 ) ist dies gleichbedeutend mit der Forderung rfd(s) = 0 s N . Somit erhalten wir als notwendiges und hinreichendes Kriterium fur asymptotische Stabilit t: a Satz 3.1.10 (Nyquist-Stabilit tskriterium) Der geschlossene Regela kreis ( G, K ) ist genau dann asymptotisch stabil, wenn rfd(s) = 0 s N und = 2 (rG + rK ) .rol

51

3 regelkreiseigenschaften

rG und rK bezeichnen die Anzahl der Pole von G und K mit positivem Realteil. Satz 3.1.10 l sst sich in einer noch etwas leichter zu handhabena den Version formulieren: Aufgrund der getroffenen Annahmen (Realisierbarkeit von G und K, well posedness) gilt rfd() = const = 0. 2 ist also ein Punkt auf der reellen Achse und tr gt a nichts zur Phasenbedingung in Satz 3.1.10 bei. Da rfd(s) eine reell-rationale Funktion ist, gilt weiterhin rfd( j ) = rfd( j ); die Kurve 3 ergibt sich also aus 1 durch Spiegeln an der reellen Achse. Es reicht deswegen, zu fordern, dass die Kurve 1 nicht durch den Ursprung geht und 1 = ((rG + rK )): Satz 3.1.11 (Nyquist II) Der geschlossene Regelkreis ( G, K ) ist genau dann asymptotisch stabil, wenn rfd(s) = 0 s N1 und 1 = ( r G + r K ).

Beispiel 3.4 Wir betrachten zwei verschiedene Regelkreise. In beiden F llen soll der offene Kreis zwei instabile Pole aufweia sen, d.h. rG + rK = 2. Im Fall 1 ist die zugehorige Kurve 1 (s) in Abb. 3.5 als durchgezogene Linie dargestellt. Die zugehori1.5

1.0

10.5

Im

0.0

0.5

11.0

1.5 1.0 0.5 0.0

Re

0.5

1.0

1.5

2.0

Abbildung 3.5: Zwei Beispiele fur 1 . ge Phasen nderung betr gt 1 = 2, es liegt deswegen a a keine asymptotische Stabilit t des geschlossenen Regelkreises a vor. Im Fall 2 (unterbrochene Linie) betr gt 1 = +2, die a Nyquist-Bedingung ist also erfullt und der Regelkreis deshalb asymptotisch stabil. In vielen Lehrbuchern ndet sich noch eine weitere Version des Nyquist-Kriteriums. Statt 1 der Ortskurve von rfd(s) = 1 + G (s)K (s) fur s N1 betrachtet man jetzt die Ortskurve

52

3.1 Stabilit t a

von G (s)K (s) fur s N1 . Diese erh lt man aus 1 offenbar eina fach durch Verschieben in der komplexen Ebene um den Wert 1 nach links. Die betrachtete Ortskurve darf deshalb den sog. kritischen Punkt (1, 0) nicht uberdecken, und ihre Phasendrehung bezuglich dieses Punktes mu (rG + rK ) betragen: Satz 3.1.12 (Nyquist III) Der geschlossene Regelkreis ( G, K ) ist genau dann asymptotisch stabil, wenn die Ortskurve von G (s)K (s), s N1 , nicht durch den kritischen Punkt (1, 0) geht und ihre Phasendrehung bzgl. dieses Punktes (rG + rK ) betr gt. a Beispiel 3.5 Gegeben seien die Strecken- und Reglerubertrag ungsfunktionen G (s) = 1 , s2 + s + 1 K (s) = k . 1+s

Beide sind asymptotisch stabil, also gilt rG + rK = 0. Die Phasendrehung der Ortskurve des Frequenzgangs G ( j )K ( j ), R+ , bzgl. des kritischen Punktes muss somit 0 sein, um asymptotische Stabilit t des Regelkreises zu garantieren. Abb. 3.6 zeigt die a

Im Re3 2 1 1 2 3

1

2

3

4

Abbildung 3.6: Ortskurve von G ( j )K ( j ), R+ , fur k = 1 , k = 2 und k = 4. Ortskurve fur verschiedene Werte des Reglerverst rkungsfaktors a k. Fur k = 1 (gestrichelte Linie) und k = 2 (Strich-Punkt-Linie) erh lt man einen asymptotisch stabilen Regelkreis, nicht aber fur a k = 4 (durchgezogene Linie). Der Abstand der Ortskurve vom kritischen Punkt l sst sich als a intuitives Ma fur den Abstand des Regelkreises von der Sta

53

3 regelkreiseigenschaften

bilit tsgrenze interpretieren2 . Eine Moglichkeit, diesen Abstand a zu charakterisieren, ist die Einfuhrung der Begriffe Phasen- und Amplitudenreserve: Man sagt, der (asymptotisch stabile) Regelkreis ( G, K ) besitzt eine Phasenreserve r , wenn r die kleinste positiv reelle Zahl ist, fur die die Ortskurve von G ( j )K ( j )e jr durch den kritischen Punkt geht. Die Amplitudenreserve Ar ist die kleinste reelle Zahl im Intervall (1, ), fur die die Ortskurve von Ar G ( j )K ( j ) durch den kritischen Punkt geht. r und Ar geben also an, um welche Werte die Phase (additiv) verkleinert und die Verst rkung (multiplikativ) vergroert werden kann, bevor a die Stabilit tsgrenze erreicht wird. a Beispiel 3.6 Wir untersuchen den Regelkreis aus Beispiel 3.5 mit Reglerverst rkungsfaktor k = 2. Zur Bestimmung von Phasena und Amplitudenreserve aus der Ortskurve betrachten wir zwei ausgew hlte Frequenzen, die sog. Duchtrittsfrequenz d (fur a diese ist | G ( jd )K ( jd )| = 1) und die Frequenz p , fur die G ( j p )K ( j p ) = . Offenbar gilt dann: Ar : = r 1 |( G ( j p )K ( j p ))| := ( G ( jd )K ( jd )) ( ) . (3.12) (3.13)

Amplituden- und Phasenreserve lassen sich auch bequem aus dem Bode-Diagramm des Frequenzgangs G ( j )K ( j ) ablesen (Abb. 3.8). 1

Im

1/Ar

p1 1 2

Re

r

d

1

2.0

Abbildung 3.7: Amplituden- und Phasenreserve.

2 Diese Diskussion werden wir in Abschnitt 3.4 formalisieren.

54

3.1 Stabilit t a

6 4

Betrag [dB]

2 0 2 4 61 0 1

Ar |dB 10 10

[ rad ] s

10

d0

p

Phase [ ]

90

r

180

2701 0 1

10 10

[ rad ] s

10

Abbildung 3.8:

Amplituden- und Phasenreserve im BodeDiagramm

Anmerkung 3.1.13 Es gibt auch F lle, in denen eine Erhohung a der Phase oder eine Verkleinerung der Verst rkung zu Instabilit t a a des geschlossenen Regelkreises fuhrt. Letzteres Ph nomen tritt a beispielsweise auf, wenn der offene Kreis instabil ist, qol (s) also Wurzeln rechts der imagin ren Achse besitzt. Diese F lle kann a a r und Ar charakterisieman durch Einfuhrung der Kenngroen ren. r ist die kleinste positiv reelle Zahl, fur die die Ortskurve jr durch den kritischen Punkt verl uft. A der von G ( j )K ( j )e a nieren wir als die grote reelle Zahl im Intervall [0, 1), fur die die r G ( j )K ( j ) durch den kritischen Punkt geht. Ortskurve von A Man beachte, dass in seltenen F llen sowohl eine Vergroerung a als auch eine Verkleinerung von Phase und Verst rkung zu Instaa bilit t fuhren kann. In solchen F llen ist die simultane Angabe a a von r und r (bzw. von Ar und Ar ) sinnvoll. Wenn wie in Beispiel 3.6 der Abstand des asymptotisch stabilen Regelkreises von der Stabilit tsgrenze durch r und Ar a gekennzeichnet ist, fordert man in der Praxis meist eine Phasenreserve r > /6 und eine Amplitudenreserve von Ar |dB := 20 lg Ar > 10. Es bleibt noch zu kl ren, wie asymptotische Stabilit t des Regela a kreises anhand des Nyquistkriteriums uberpruft werden kann, wenn G (s) oder K (s) Pole auf der imagin ren Achse besitzen, a Annahme (3.11) also verletzt ist. In diesem Fall ver ndern wir die a Nyquist-Kontur so, dass keine Pole von G oder K auf ihr liegen.

55

3 regelkreiseigenschaften

Hierfur gibt es prinzipiell zwei Moglichkeiten wir konnen durch Modizierung von N die fraglichen Pole entweder links oder rechts umgehen. Schlieen wir pathologische F lle aus (bei a denen es zu Kurzungen von rein imagin ren Polen und Nullstela len des offenen Kreises kommt), fuhren beide Vorgehensweisen auf dieselbe Stabilit tsaussage. Dies wird anhand des folgenden a Beispiels demonstriert.k 1 Beispiel 3.7 Gegeben seien G (s) = s(s+1) und K (s) = s+1 . Der offene Kreis besitzt also einen Pol im Ursprung und hat die Ubertragungsfunktion

G (s)K (s) =

k . s ( s + 1)2

vorgehensweise 1: Um den Pol auf der imagin ren Achse a wird ein Halbkreis nach rechts mit sehr kleinem Radius gezogen, siehe Abb. 3.9. Somit liegt dieser Pol nun ausserhalb der Nyquistkontur. Formal ersetzt man also N1 (den nichtnegativen Teil der Imagin rachse) durch die zwei a Kurvenabschnitte } und N1 := {s = e j | 0, 2 N1 := {s = j | > }. Der Verlauf der Ortskurve von G (s)K (s) fur s N1 ergibt j und 0 < /6 und Ar |dB > 10. Fur pr zise Aussagen a benotigen wir jedoch formale Fehlermodelle. Wir beschr nken a uns auf zwei Klassen von Fehlermodellen. 3.4.1 Multiplikative Modellfehler

G (s) sei das nominelle Streckenmodell, fur das wir die Regleraus legung vornehmen. Wir suchen nach Bedingungen, unter denen asymptotische Stabilit t des nominellen Regelkreises ( G, K ) auch a asymptotische Stabilit t des Regelkreises fur alle Streckenubera tragungsfunktionen Gr (s) = 1 + M (s) G (s) (3.19)

65

3 regelkreiseigenschaften

garantiert, wenn die multiplikative Fehlerubertragungsfunktion M (s) zu einer im folgenden denierten Menge gehort. Da offen bar Gr (s) G (s) , M (s) = G (s) bezeichnet man M (s) auch als relativen Modellfehler. Das zugehorige Blockschaltbild ist in Abb. 3.15 dargestellt. E

Mh E c E

Gr

G (s)

E

Abbildung 3.15: Multiplikativer Modellfehler. Einfache Robustheitsbedingungen ndet man, wenn man voraussetzt, dass der Fehler die Anzahl der Pole des Streckenmodells auf oder rechts der imagin ren Achse nicht ver ndert und bea a tragsm ig beschr nkt ist. Man betrachtet dann die Fehlerklasse a a

D M := { M (s) | | M ( j )| < l M ( ), rGr = rG } .

(3.20)

rGr und rG bezeichnen die Anzahl der Pole von Gr und G mit nichtnegativem Realteil; l M ( ) ist eine (frequenzabh ngige) Feha lerschranke. In der Praxis kennt man das Streckenmodell fur kleine Frequenzen oft recht gut, w hrend fur groe Frequenzen a der relative Fehler betragsm ig durchaus groer als 1 sein kann. a Einen typischen Verlauf der Fehlerschranke zeigt Abb. 3.16.lM |dB

20

10

0

10

20

30

40

50

601 0 1 2 3

[ rad ] s

10

10

10

10

10

Abbildung 3.16: Typischer Verlauf von l M ( ).

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3.4 Robustheit

Mit Hilfe des folgenden Satzes l sst sich asymptotische Stabilit t a a im fehlerbehafteten Fall anhand von Ubertragungsfunktionen des nominellen Regelkreises uberprufen: Satz 3.4.1 Der Regelkreis ( Gr , K ) ist genau dann fur alle Gr = (1 + M ) G, M D M , asymptotisch stabil, wenn 1. ( G, K ) asymptotisch stabil ist und 2. | T ( j )|