Skript Sonderkonstellationen ZPO

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Die Zivilrechtsstation im Referendariat

Teil 2: Prozessuale Sonderkonstellationen

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Inhaltsverzeichnis Teil 2: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. Anspruchshufung Objektive Klagenderung Subjektive Klagenderung (Parteinderung) Anerkenntnis und Klagercknahme; Verzicht Erledigung des Rechtsstreits Versptetes Vorbringen, 296 f. ZPO Das Versumnisverfahren Aufrechnung und Widerklage Streitgenossenschaft Streithilfe und Streitverkndung Das Mahnverfahren Prozesskostenhilfe und vorprozessuale Beratungshilfe Einstweiliger Rechtsschutz 3 5 11 15 18 25 28 39 53 66 69 73 78

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1. Anspruchshufung In der Regel verlangt der Klger vom Beklagten Zahlung aufgrund eines bestimmten Sachverhalts. Zulssig aber ist auch, dass Klger in demselben Prozess mehrere Ansprche verfolgt. Das ist ein Fall der objektiven Klagehufung, 260 ZPO. Entweder stellt er in diesem Fall mehrere Klageantrge oder er stellt einen Antrag, begrndet den aber aus mehreren Lebenssachverhalten. Sttzt der Klger sein Begehren hingegen auf mehrere Anspruchsgrundlagen ist dieses keine Klagehufung. Denn aufgrund eines gleich bleibenden Sachverhalts soll eine bestimmte Rechtsfolge ausgesprochen werden. Die objektive Klagehufung ist und das ist fr Prfungsaufbau und Begrndung wichtig in verschiedenen Varianten mglich: Unbedingt nebeneinander (kumulative Anspruchshufung): Der Klger verlangt mehrere Leistungen, Feststellungen oder Gestaltungen bedingungslos nebeneinander. Das Gericht hat dann ber jeden Sachverhalt und jede begehrte Rechtsfolge zu entscheiden und bei der Kostenentscheidung eine Gesamtschau vorzunehmen in welchem Verhltnis der Klger zu seinem Begehren obsiegt hat. Der typische Antrag hier lautet: den Beklagten zu verurteilen, 1) an ihn EUR 4.500,00 zu zahlen sowie 2) die von dem Beklagten genutzte 3-Zimmer Wohnung belegen im Hause Bahrenfelder Strae 120, 22765 Hamburg gerumt an ihn herauszugeben Die Anspruchshufung kann entstehen durch einen ursprnglichen entsprechenden Antrag des Klgers, durch eine nachtrgliche Klagerhhung oder durch einen Verbindungsbeschluss des Gerichts, 147 ZPO. Sie endet durch Rcknahme ( 269 ZPO) aller Ansprche bis auf einen, durch Teilvergleich oder Teilurteil oder durch Prozesstrennung. Besondere Zulssigkeitsvoraussetzungen bestehen insoweit als das Prozessgericht fr alle einzelnen Ansprche zustndig sein muss und im Hinblick auf den Streitwert auch fr alle kumulierten Ansprche zustndig bleibt. Die gewhlte Prozessart muss fr alle Ansprche zulssig sein. Nicht erforderlich ist hingegen, dass die verschiedenen Ansprche in irgendeinem rechtlichen oder tatschlichen Zusammenhang zueinander stehen. Die allgemeinen Zulssigkeitsvoraussetzungen werden fr jeden Anspruch getrennt geprft. Ist also eine bestimmte Prozessart (z.B.: Urkundsverfahren) fr einen der Ansprche nicht statthaft, wird dieser und nur dieser als unstatthaft zurckgewiesen, im brigen materiell ber die Klage entschieden. Im weiteren Verfahren ist ber die verbundenen Antrge einheitlich zu verhandeln, Beweis zu erheben und zu entscheiden. Auch die Kostenentscheidung ergeht einheitlich. Der Streitwert errechnet sich grundstzlich aus der Summe der Einzelwerte ( 5 ZPO, 39 Abs. 1 GKG). In der Klausur sollte auf die Zulssigkeit der kumulativen Anspruchshufung in der Regel nicht eingegangen werden. Nur wenn eine der oben genannten besonderen Zulssigkeitsvoraussetzungen fraglich ist, bedarf es der Entscheidung ber die (Teil-) Zulssigkeit dieses Anspruchs. Gesetzlicher Aufhnger fr die Prfung ist dann 260 ZPO. Hilfsweise hintereinander (Eventuelle Klagenhufung)

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Der Klger stellt neben einem unbedingten Hauptantrag hilfsweise fr den Fall, dass er mit diesem nicht durchdringt, einen oder mehrere Hilfsantrge. Um eine solche eventuelle Anspruchshufung handelt es sich brigens auch in den nicht seltenen Fllen in denen der Klger einen bestimmten Sachverhalt behauptet, hilfsweise aber vortrgt selbst wenn es anders gewesen sein sollte, wrde sich der Anspruch aus folgendem begrnden. Das Gericht hat in diesen Fllen in einer Art Stufenprfung zunchst ber den Hauptantrag und nur wenn dieser nicht voll durchgreift auch ber etwaig gestellte Hilfsantrge zu entscheiden. Der Vorteil fr den Klger bei einem solchen Vorgehen liegt in der Kostenfolge. Die Hilfsantrge wirken sich kostenmig nur aus, wenn ber sie auch entscheiden wird. Ein Hilfsantrag ist prozessual zulssig, wenn er unter der Bedingung gestellt wird, dass der Hauptantrag zumindest zum Teil scheitert. Zudem muss das Gericht fr Hauptund Hilfsantrag zustndig sein, die gewhlte Prozessart muss fr alle erhobenen Ansprche statthaft sein. Schon in der Klagschrift kann der Klger Hilfsantrge ankndigen, er kann diese aber auch im Laufe des Rechtsstreits bis zum Schluss der mndlichen Verhandlung stellen. Ganz wichtig fr die Klausur und das Urteil ist die mit dem Hilfsantrag verbundene Wirkung. Im Sinne des 308 Abs. 1 ZPO nmlich schreibt Klger durch Haupt- und Hilfsantrag dem Gericht zwingend die Prfungsreihenfolge vor. Whrend im normalen Verfahre das Gericht entscheiden kann, aus welchem von mehreren in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen der Anspruch zuerkannt wird, darf das Gericht ber den Hilfsantrag nur entscheiden, wenn es den Hauptantrag als unzulssig oder unbegrndet abweist. Auch bei Haupt- und Hilfsantrgen ergeht eine einheitliche Kostenentscheidung. Bei der ist allerdings zu bercksichtigen, dass bei der Berechnung des Streitwertes, also auch der Quote des jeweiligen Obsiegens die Einzelwerte von Haupt- und Hilfsantrag nur dann addiert werden, wenn das Gericht ber beide entscheidet und die jeweiligen Streitgegenstnde nicht identisch sind, 45 Abs. 1 S. 2, 3 GKG. Alternative Klagenhufung Um eine solche handelt es sich, wenn der Klger eine von mehreren in Betracht kommenden Leistungen fordert und die Auswahl dem Gericht oder Beklagten berlsst. Eine solche alternative Klagehufung aber ist unzulssig. Doch kommen entsprechende Antrge in der Praxis (wenn auch versteckt) hufiger vor: Der Klger verlangt von dem Beklagten Rckzahlung von Kaution in Hhe von EUR 1.500,00. Der Beklagte behauptet Ansprche gegenber dem Klger aufgrund nicht ausgefhrter Schnheitsreparaturen in Hhe von insgesamt EUR 4.500,00 zu haben. Er legt entsprechende Rechnungen eines Malers vor. Der Sachverhalt wird vom Klger nicht bestritten. Der Beklagte erklrt in Hhe der Klageforderung Aufrechnung mit dem ihm zur Seite stehenden Ansprchen auf Schadensersatz. Die von dem Beklagten erklrte Aufrechnung ist unwirksam. Der Beklagte nmlich berlsst unzulssig dem Gericht bzw. dem Klger, mit welchem konkreten Anspruch er der Klagforderung gegenber aufrechnet. Ein auch praktisches Problem entstnde sptestens dann, wenn der Beklagte in einem weiteren Prozess - dann als Klger - von dem jetzigem Klger weiteren Schadensersatz wegen nicht ausgefhrter Schnheitsreparaturen verlangen wrde. Es wre nmlich nicht zu klren, ob der nun eingeforderte Anspruch nicht bereits durch Aufrechnung im Vorprozess untergegangen ist.

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2. Objektive Klagenderung Des Klger bestimmt, ber welchen Antrag und ber welchen Lebenssachverhalt gestritten wird. Grundstzlich kann er seine ursprngliche Klage whrend des Prozesses ndern. Dem steht allerdings oft das Interesse des Beklagten gegenber, der sich auf die zunchst erhobene Klage eingelassen hat, weil er - vermeintlich oder tatschlich - die besseren Argumente hatte. ndert sich die Begrndung kann sein Interesse zum einen darauf gerichtet sein, dass ber die alte Klagebegrndung noch entschieden wird, zum anderen, dass er sich gegen die neue (ihn womglich berzeugende Begrndung) nicht verteidigen will. Dem Ausgleich dieser Interessen dienen die in 263 bis 268 ZPO vorgesehenen Regelungen. Die zentrale Vorschrift bildet 263 ZPO. Eine Klagenderung ist demnach zulssig, wenn sie sachdienlich ist. Die Frage nach einer Einwilligung des Beklagten bzw. der Sachdienlichkeit aus Sicht des Gerichts stellt sich allerdings nur, wenn berhaupt eine Klagenderung i.S.d. 263 ZPO vorliegt. Erster Prfungsschritt ist also die Frage, ob tatschlich eine Klagenderung vorliegt. Eine solche Klagenderung ist gegeben, wenn sich der Streitgegenstand der Klage nach Eintritt der Rechtshngigkeit ndert. Nach der Rechtsprechung gilt dabei in Anlehnung an 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO ein zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff: Danach wird der Streitgegenstand in erster Linie vom Antrag des Klgers bestimmt. In zweiter Linie ist der Klagegrund, also der zur Begrndung des Antrags vorgetragene Lebenssachverhalt, heranzuziehen. Eine Klagenderung ist demnach anzunehmen, wenn ein neuer Antrag gestellt wird oder/und der Antrag mit einem neuen Lebenssachverhalt begrndet wird.

Nichts anderes besagt brigens auch die in 264 Ziff. 1 ZPO enthaltene Regelung. Diese benennt Konstellationen, bei denen es sich gem der gerade genannten Positivdefinition gerade um keine Klagenderung handelt. Bei diesen Fallgruppen nmlich werden ohne nderung des Klagegrundes die tatschlichen oder rechtlichen Ausfhrungen ergnzt oder berichtigt. Keine Klagenderung liegt daher vor, wenn der Klger einen in der Klage enthaltenen Schreibfehler korrigiert; wenn der Klger sein Tatsachenvorbringen mit Substanz anreichert, z.B. bei einer Klage aus 985 BGB anstelle der bloen Behauptung, Eigentmer zu sein, nhere Einzelheiten zum Eigentumserwerb vortrgt.

Das Gesetz bestimmt sodann in 264 Ziff. 2 und 3 ZPO Fallgruppen, bei denen es sich tatschlich (entgegen der berschrift) um eine Klagenderung handelt, die aber ohne Rcksicht auf die in 263 ZPO vorgesehenen Einschrnkungen zulssig sein sollen, weil sie den Beklagten nicht zur vollstndigen Umstellung seiner Verteidigung veranlassen und ihm daher zugemutet werden knnen. Es handelt sich um folgende beiden Fallgruppen: Der Klageantrag wird ohne nderung des Klagegrundes in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschrnkt ( 264 Ziff. 2 ZPO).

Hierher gehren vor allem quantitative Erhhungen oder Ermigungen der Klagesumme bei gleich bleibendem Lebenssachverhalt, z.B.: Der Klger hat seine Schadensersatzklage aus Kostengrnden auf einen Teilbetrag seines angeblichen Schadens beschrnkt. Nach aus seiner Sicht erfolgreicher Durchfhrung einer Beweisaufnahme macht er nunmehr den gesamten von ihm angenom-

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menen Schaden zum Gegenstand des Rechtsstreits. Der Klger lsst seinen auf Ersatz eines Zinsschadens von 12 % p.a. gerichteten Zinsantrag fallen, nachdem es ihm nicht gelungen ist, eine entsprechende Bankbescheinigung zu beschaffen, und verlangt jetzt nur noch Zinsen in gesetzlicher Hhe. Unter 264 Ziff. 2 ZPO fallen aber auch qualitative nderungen des Antrags bei gleich bleibendem Lebenssachverhalt, z.B.: Der Klger beantragt anstelle der Zahlung eines Geldbetrags die Feststellung, dass sich der Rechtsstreit nach Erfllung durch den Beklagten in der Hauptsache erledigt habe (einseitige Erledigungserklrung). Der Klger geht vom Feststellungs- zum Zahlungsantrag ber, nachdem ihn das Gericht auf den Vorrang der Leistungsklage vor der Klage auf Feststellung einer Leistungspflicht hingewiesen hat (BGH NJW 1992, 2296 f.). Der Klger geht von der Auskunftsklage zur Zahlungsklage ber (BGH NJW 1979, 926). Keine Klagenderung liegt weiterhin vor, wenn statt des ursprnglich geforderten Klagegegenstandes wegen einer spter eingetretenen Vernderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert ( 264 Ziff. 3 ZPO), z.B.: Der Klger hat gem 985 BGB Herausgabe eines von ihm verliehenen Pkw verlangt. Im Laufe des Rechtsstreits wird der Pkw zu Schrott gefahren. Der Klger kann jetzt seinen Antrag auf Schadensersatz gem 989, 990 BGB umstellen. Dem Beklagten steht bei einer Klagenderung, die 263 ZPO unterfllt, frei, in die Klagenderung einzuwilligen ( 263 ZPO) und damit auf eine Entscheidung ber den ursprnglichen Streitgegenstand zu verzichten. Die Einwilligung kann in der mndlichen Verhandlung ber den genderten Antrag erklrt werden. Sie ist aber auch schon wirksam, wenn sie in einem vorbereitenden Schriftsatz enthalten ist, sobald dieser dem Gegner zugeht. Das Gericht kann nicht verhindern, dass auf diese Weise die Streitgegenstnde ausgewechselt werden. Es muss die Klagenderung als zulssig behandeln. Es kann die Klagenderung auch nicht gem 296 ZPO als versptet zurckweisen. Nach dem Wortlaut jener Vorschrift nmlich knnen nur Angriffs- oder Verteidigungsmittel (also insbesondere Tatsachenbehauptungen und Beweisantritte) versptet sein. Bei der genderten Klage aber handelt es sich um den Angriff selbst. Eine Zustimmung des Beklagten zur Klagenderung wird zudem unwiderleglich vermutet, wenn er sich rgelos auf die genderte Klage eingelassen hat, 267 ZPO. Eine rgelose Einlassung liegt vor, wenn der Beklagte, ohne der nderung zu widersprechen (ausdrcklich oder konkludent durch Bezugnahme auf einen die Klagenderung als unzulssig rgenden Schriftsatz), ber die genderte Klage mndlich verhandelt, d.h. einen Antrag (meist: auf Abweisung der genderten Klage) stellt. Ein Bestreiten etwaiger neuer Klagebehauptungen ist nicht als Widerspruch gegen die Klagenderung anzusehen, sondern besagt im Gegenteil, dass sich der Beklagte auf die genderte Klage eingelassen hat. Die Wirkung des 267 ZPO tritt nach allgemeiner Ansicht brigens selbst dann ein, wenn der Beklagte mit seinem Verhalten keine Zustimmung signalisieren wollte, weil er von der Bedeutung einer rgelosen Einlassung nichts wusste. Ist die Klagenderung nicht schon aus den eben ausgefhrten Grnden zulssig, so muss geprft werden, ob sie sachdienlich ist. Die Sachdienlichkeit ist unter Bercksichtigung der objektiven Prozesslage und der Prozesswirtschaftlichkeit zu beurteilen. Hufig liest man, dass sie gegeben sei, wenn durch die Zulassung der Klagenderung ein neuer Rechts-

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streit vermieden werden knne. Dieser Gesichtspunkt trifft praktisch in jedem Fall zu und hilft daher nicht viel weiter. Hinzukommen muss vielmehr, dass im bisherigen Verfahren gewonnene Prozessergebnisse fr den neuen Streitgegenstand auch nutzbar gemacht werden knnen. Fr eine Sachdienlichkeit der Klagenderung spricht es also, wenn wenigstens Teile des bisherigen Parteivortrags oder des Beweisergebnisses weiterhin verwendet werden knnen. Dagegen fehlt eine Sachdienlichkeit in der Regel, wenn mit dem neuen Anspruch ein vllig neuer Streitstoff eingefhrt wird. Kein entscheidender Hinderungsgrund fr die Zulassung der Klagenderung soll es sein, wenn sich das Verfahren hierdurch verzgert, weil neue Parteierklrungen oder Beweiserhebungen erforderlich werden oder der Beklagte eine Tatsacheninstanz verliert (BGH NJW-RR 1990, 505 f.). Allerdings knnen diese Gesichtspunkte im Rahmen einer Abwgung mit dem Gedanken der Prozesswirtschaftlichkeit eine Rolle spielen. Die (zulssige) Klagenderung erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes ( 261 Abs. 2 ZPO) oder durch Verlesung bzw. durch Bezugnahme auf einen zu Protokoll zu reichenden Schriftsatz in der mndlichen Verhandlung ( 261 Abs. 2, 297 ZPO).

Der Schriftsatz muss die gleichen Anforderungen erfllen wie sie an eine ordnungsgeme Klagschrift gestellt werden ( 253 Abs. 2 ZPO). Ist der Streitwert der genderten Klage hher als derjenige der ursprnglichen Klage, so soll das Gericht (was aber in der Praxis oft bersehen wird) bis zur Einzahlung eines die hhere Verfahrensgebhr abdeckenden Vorschusses keine den genderten Antrag betreffenden Verfahrenshandlungen (insbesondere: Zustellung des klagendernden Schriftsatzes) vornehmen ( 12 Abs. 1 Satz 2 GKG). Zu beachten ist im brigen, dass sich bei der Klageerweiterung ( 504, 506 ZPO), nicht aber bei der Klagereduzierung ( 261 Abs. 3 Ziff. 2 ZPO) die sachliche Zustndigkeit ndern kann. Wird also nun statt Feststellung, dass ein Schaden von EUR 5.000,00 entstanden sei Schadensersatz in Hhe von EUR 6.000,00 gefordert, hat das Amtsgericht auf seine sachliche Unzustndigkeit hinzuweisen und gegebenenfalls zu verweisen. Die Entscheidung ber die Zulssigkeit der Klagenderung kann durch Zwischenurteil ( 303 ZPO in der Praxis sehr selten) erfolgen. Anderenfalls wird darber im Endurteil befunden. In der Klausur wird wenn es darauf ankommen sollte im Endurteil im Rahmen der Zulssigkeit ber die Frage der Klagenderung zu entscheiden sein. Die Entscheidung des Gerichts, dass eine nderung der Klage nicht vorliegt oder dass die nderung zuzulassen ist, ist allerdings unanfechtbar, 268 ZPO. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung also zwingend den beurteilten genderten Klageantrag zugrunde zu legen, auch wenn es die angenommene Klagenderung fr unzulssig hlt. Die Zulssigkeit der Klagenderung ist dabei eine besondere Sachurteilsvoraussetzung fr die neue Klage (BGH LM Nr. 1 zu 268 ZPO a.F.). Erweist sich die Klage mit dem genderten Streitgegenstand als unzulssig, so ist sie insoweit durch Prozessurteil als unzulssig abzuweisen. Im brigen stellt sich dann noch die Frage, ob ber den ursprnglichen Streitgegenstand zu entscheiden ist. Die Beantwortung hngt in erster Linie vom Willen des Klgers ab, der durch Auslegung zu ermitteln ist. Er kann die alte Klage (gegebenenfalls mit Zustimmung des Beklagten) zurcknehmen, durch Verzicht aufgeben, fr erledigt erklren oder hilfsweise aufrecht erhalten. Nur im letztgenannten Fall ergeht zustzlich zum Prozessurteil ber den unzulssigerweise genderten Streitgegenstand ein Sachurteil ber den ursprnglichen Streitgegenstand. Wenn der Klger bei unzulssiger Klagenderung mit einer hilfsweise aufrechterhaltenen

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alten Klage Erfolg hat, so darf man nicht vergessen, die Klage im brigen, nmlich wegen des genderten Streitgegenstands, abzuweisen. Die Kostenentscheidung im Falle der erfolgten unzulssigen Klagenderung richtet sich nach dem endgltigen Ausgang des Rechtsstreits. Bleibt die Rechtsverfolgung des Klgers im Ergebnis erfolglos, weil hinsichtlich der unzulssigerweise genderten Klage ein Prozessurteil ergeht und hinsichtlich der ursprnglichen Klage eine wirksame Klagercknahme oder ein Verzicht erklrt wird, im Falle einer Erledigungserklrung eine Kostenentscheidung zum Nachteil des Klgers erfolgt, ein Versumnisurteil zu Lasten des Klgers oder im Falle einer hilfsweisen Aufrechterhaltung der ursprnglichen Klage ein klagabweisendes Sachurteil ergeht, so trgt der Klger die Kosten des Rechtsstreits. Nur wenn der Klger bei unzulssiger Klagenderung mit einer hilfsweise aufrechterhaltenen alten Klage Erfolg hat, muss eine Kostenquote gebildet werden, wie dies auch sonst bei Haupt- und Hilfsantrgen der Fall ist. Im Falle einer zulssigen Klagenderung ist ber den genderten Streitgegenstand in der Sache zu entscheiden. In der Zulssigkeit ist knapp auf die Grnde fr die Zulssigkeit der Klagenderung einzugehen. Die Rechtshngigkeit des ursprnglichen Streitgegenstands endet mit Klagenderung. Bei vollstndiger Auswechselung des Streitgegenstands liegt eine Klagrcknahme nicht vor; denn die Klagenderung ist in diesem Fall nicht auf unmittelbare Beendigung des Rechtsstreits gerichtet. Insofern bedarf es daher keiner Einwilligung des Beklagten gem 269 Abs. 1 ZPO (Thomas/Putzo, a.a.O., 263 Rdn. 14). Es ergeht dann auch keine Klagabweisung im brigen bzgl. des fallengelassenen Anspruchs! Besondere Probleme stellen sich allerdings, wenn - wie insbesondere im Fall des 264 Ziff. 2 ZPO - mit der Klagenderung eine Ermigung des Klageantrags verbunden ist. Nach der Rechtsprechung muss der nicht mehr verfolgte Teil des Anspruchs nach den sonst geltenden Verfahrensvorschriften dem Streit der Parteien entzogen werden. Hierfr kommen wiederum, je nach der Willensrichtung des Klgers, die Klagercknahme, der Klageverzicht oder die Erledigung der Hauptsache in Betracht. Es ist dann zu prfen, ob zustzlich zu den Voraussetzungen der 263 f. ZPO diejenigen der Klagercknahme, des Klageverzichts oder der Erledigung der Hauptsache vorliegen. Erfolgt eine Klagenderung nach Beginn der mndlichen Verhandlung, also nachdem streitige Antrge gestellt worden sind, so ist sie auch bei Sachdienlichkeit i.S.d. 263 ZPO nur wirksam, wenn der Beklagte gem 269 Abs. 1 ZPO bzw. 269 Abs. 2 S. 4 ZPO eingewilligt hat. Fehlt eine solche Einwilligung so bleibt der ursprngliche Streitgegenstand rechtshngig. Stellt der Klger keinen entsprechenden Antrag mehr, so ist er sumig. Das Gericht weist dann die alte Klage auf Antrag des Beklagten durch Versumnisurteil ab ( 330, 333 ZPO). In der Praxis aber wird dies dadurch vermieden, dass das Gericht nach 139 ZPO den Klger anhalten wird, seinen berschieenden ursprnglichen Klageantrag zurckzunehmen Auch bei der zulssigen Klagenderung richtet sich die Kostenentscheidung grundstzlich nach dem endgltigen Ausgang des Rechtsstreits. Es gelten allerdings folgende Besonderheiten: Ist wegen der ursprnglichen Klage eine Beweisaufnahme durchgefhrt worden, welche durch die Klagenderung berflssig geworden ist, so knnen die damit verbundenen Kosten entsprechend 96 ZPO dem Klger auferlegt werden, und zwar auch wenn er in der Hauptsache obsiegt. Es handelt sich um einen der wenigen Flle, bei denen Kostentrennung zulssig und notwendig ist. der Tenor lautet dann Die durch die Beweisaufnahme vom ... veranlassten Kosten trgt der Klger. Im

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brigen trgt der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits. Liegt eine Ermigung des Klageanspruchs vor, die als teilweise Klagrcknahme zu werten ist, so gehen die damit verbundenen Mehrkosten zu Lasten des Klgers, auch wenn er mit dem ermigten Antrag voll obsiegt. Insofern ist eine Kostentrennung nicht vorgesehen. Es muss also eine Kostenquote errechnet werden, in die die Gesichtspunkte der teilweisen Klagrcknahme und des Obsiegens mit der ermigten Klage eingehen. Die Kostenentscheidung ist dabei mit folgenden Schritten zu ermitteln: Welche Kosten sind tatschlich angefallen? (Kosten hinsichtlich Streitwert bis Klagenderung und dann weiter angefallene Gebhren nach Klagenderung) Welche Kosten wren angefallen, wenn von vornherein nur der ermigte Betrag eingeklagt worden wre? In welchem Verhltnis steht die Differenz von 1. und 2. (also die auf den zurckgenommenen Betrag entfallenden Mehrkosten) zu 1. (also den tatschlich angefallenen Kosten)? Das Ergebnis entspricht der vom Klger aufgrund der teilweisen Klagrcknahme zu tragenden Quote.

Zusammengefasst hat die Klagenderung in Urteil und damit in der Klausur folgende Relevanz: Bei der gedanklichen Prfung in der Praxis und in der Klausur ist stets davon auszugehen, was der Klger zuletzt beantragt und vorgetragen hat. Vorrangig stellen sich die Fragen, ob die Klage mit dem genderten Streitgegenstand ordnungsgem erhoben und die Klagenderung zulssig ist. Der schriftlichen Errterung in den Entscheidungsgrnden eines Urteils bedrfen diese Fragen nur dann, wenn durchgreifende oder zumindest ernsthafte Bedenken bestehen oder die Parteien darber streiten. Hat der Beklagte ausdrcklich in die Klagenderung eingewilligt oder sich rgelos auf die genderte Klage eingelassen, so sind Ausfhrungen in aller Regel entbehrlich. Es kann dann ohne weiteren Kommentar sogleich darauf eingegangen werden, ob die Klage in der zuletzt zur Entscheidung gestellten Fassung zulssig (nur im Falle erwhnenswerter sonstiger Sachurteilsvoraussetzungen) und begrndet ist. Hat der Beklagte der Klagenderung dagegen widersprochen, so ist in den Entscheidungsgrnden an erster Stelle die Zulssigkeit der Klagenderung zu behandeln. Ist die Klagenderung unzulssig und der vorherige Antrag nicht hilfsweise aufrechterhalten geblieben, so ist die genderte Klage schon deshalb abzuweisen; die brigen Sachurteilsvoraussetzungen knnen, die Fragen zur Begrndetheit der Klage mssen logischerweise dahinstehen. Anschlieend ist je nach Einlassung der Parteien (Klagrcknahme, Verzicht, Erledigung, Hilfsantrag, Antrag auf Erlass eines Versumnisurteils) noch das ursprngliche Begehren zu errtern. Im Falle einer zulssigen Klagenderung reicht es im Rahmen eines Urteils aus, denjenigen Gesichtspunkt zu nennen, unter dem sich diese Sachurteilsvoraussetzung am einfachsten feststellen lsst. Ist z.B. die Frage, ob es sich berhaupt um eine Klagenderung handelt, schwierig zu beantworten, kann man sie auch mit der Begrndung offen lassen, dass jedenfalls die Sachdienlichkeit oder eine andere der o.g. Zulssigkeitsvoraussetzungen zu bejahen sei. In den Tatbestand eines Urteils gehrt die Tatsache der Klagenderung nur dann, wenn darauf in den Entscheidungsgrnden noch eingegangen wird, und sei es lediglich im Rahmen der Kostenentscheidung. Es handelt sich um Prozessgeschichte, die an der Stelle des Tatbestands dargestellt werden sollte, an der sie sich am besten einfgt. In der Re-

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gel wird dies vor Erwhnung der aktuellen Antrge sein. Insbesondere dann, wenn es auf die Klagenderung nur noch fr die Kostenentscheidung ankommt, sollte in einem Urteil allerdings von der Mglichkeit von Verweisungen grozgig Gebrauch gemacht werden, um eine Kopflastigkeit des Tatbestands gegenber den Entscheidungsgrnden zu vermeiden.

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3. Subjektive Klagenderung (Parteinderung) Eine subjektive Klagenderung (Parteinderung oder Parteiwechsel) ist gegeben, wenn whrend eines laufenden Rechtsstreits statt der ursprnglich klagenden bzw. verklagten Partei eine andere Partei klagt oder verklagt wird. Auch durch wen und gegen wen Rechtsschutz begehrt wird, legt der Klger in der den Rechtsstreit einleitenden Erklrung, insbesondere in der Klagschrift, fest. Gem 253 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO nmlich muss die Klagschrift die Bezeichnung der Parteien enthalten. Name, Stand oder Gewerbe sowie der Wohnort der Parteien und gegebenenfalls ihr gesetzlicher Vertreter sollen angegeben werden ( 253 Abs. 4, 130 Ziff. 1 ZPO). Zumindest muss die Partei aber ohne weitere Ermittlungen des Gerichts eindeutig individualisierbar sein. Anderenfalls fehlt es bereits an der Zulssigkeit der Klage. Die Parteibezeichnung in der Klagschrift ist dabei Bestandteil einer prozessualen Willenserklrung, die der Auslegung zugnglich ist. Erweist sie sich "uerlich", also ihrem Wortlaut nach, als unrichtig, so ist grundstzlich die Person als Partei anzusehen, welche bei objektiver Wrdigung des Erklrungsinhalts erkennbar gemeint sein sollte. Soweit die Identitt der Partei gewahrt bleibt, ist die Berichtigung einer falschen Parteibezeichnung nicht als Parteiwechsel anzusehen und damit ohne weiteres zulssig. Eine bloe Berichtigung des Rubrums liegt z.B. vor, wenn eine Partei infolge Eheschlieung ihren Namen gendert hat. Entsprechendes gilt, wenn die den Beklagten vertretende Person bzw. Stelle berichtigt werden soll. Eine nur genderte Parteibezeichnung wird vom Gericht bercksichtigt, indem es die betreffende Partei fortan unter dem neuen Rubrum fhrt. Ein gerichtlicher Beschluss ist hierfr grundstzlich nicht vorgeschrieben, aber aus Zweckmigkeitsgrnden verbreitet blich. In das Rubrum eines Urteils wird nur die berichtigte Parteibezeichnung aufgenommen. Soweit noch Veranlassung zur Abgrenzung der Rubrumsberichtigung von einem Parteiwechsel gegeben ist, stehen die entsprechenden Ausfhrungen in der Regel am besten am Beginn der Entscheidungsgrnde. Dann sollte im Tatbestand als Prozessgeschichte auf die Rubrumsberichtigung hingewiesen werden. Selbst nach Erlass eines Urteils kann das Rubrum noch berichtigt werden, wenn feststeht oder erkennbar ist, wer als Partei gemeint war und Interessen Dritter durch die Berichtigung nicht berhrt werden (Zller/Vollkommer, a.a.O., 319 Rdn. 14), nmlich durch Beschluss gem 319 ZPO. Dagegen ist eine Parteinderung nur unter den nachfolgenden inhaltlichen und formellen Voraussetzungen zulssig. Die ZPO regelt einige Sonderflle, in denen kraft Gesetzes ein Parteiwechsel stattfinden muss ( 239 bis 242 ZPO) oder darf ( 75 bis 77, 265 Abs. 2 Satz 2, 266 Abs. 1 ZPO). Die praktisch wichtigsten sind: Tod einer Partei Stirbt eine Partei whrend eines laufenden Rechtsstreits, so werden kraft Gesetzes ( 1922 BGB, 239 ZPO) ihre Erben Partei. Ist kein Anwalt vorhanden, so tritt eine Unterbrechung des Verfahrens bis zu dessen Aufnahme durch einen Rechtsnachfolger ein ( 239 ZPO). War die verstorbene Partei durch einen Prozessbevollmchtigten vertreten, so wird das Verfahren ohne weiteres fortgesetzt ( 246 ZPO). Nur auf Antrag setzt das Gericht das Verfahren aus, damit etwaige Streitigkeiten ber die Rechtsnachfolge und die weitere Prozessfhrung in Ruhe geklrt werden knnen ( 246 ZPO). Insolvenz einer Partei Wird whrend eines laufenden Rechtsstreits das Insolvenzverfahren ber das Vermgen einer Partei erffnet, so verliert diese Partei die Prozessfhrungsbefugnis ber die zur In-

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solvenzmasse gehrende Ansprche. Das Verfahren wird dann (auch bei anwaltlicher Vertretung) unterbrochen. Der Insolvenzverwalter kann es als Partei kraft Amtes aufnehmen. Anderenfalls bleibt das Verfahren unterbrochen, bis das Insolvenzverfahren beendet wird ( 240 ZPO). In allen Fllen gesetzlichen Parteiwechsels muss die neue Partei den Rechtsstreit in der Lage bernehmen, in der sie ihn vorfindet. Sie ist also an die frheren Prozesshandlungen des Gerichts (z.B. Zwischenentscheidungen, Beweiserhebungen) und der alten Partei (z.B. Gestndnisse, Anerkenntnisse, Verzichte) gebunden. Fr die praktisch wichtige Frage, unter welchen Voraussetzungen ein sogenannter gewillkrter Parteiwechsel also ein solcher der gesetzlich nicht vorgesehen ist - zulssig ist, sieht das Gesetz keine allgemeine Regelung vor. Das Folgende ist die im Wesentlichen von der Rechtsprechung vertretene Meinung fr den hufigeren Fall eines Parteiwechsels auf Beklagtenseite. Die Rechtsprechung behandelt den gewillkrten Parteiwechsel in erster Instanz wie eine Klagenderung. Danach ist der neue Beklagte Partei des Rechtsstreits geworden, wenn er entweder eingewilligt bzw. sich rgelos eingelassen hat oder das Gericht die Sachdienlichkeit des Parteiwechsels annimmt (BGHZ 65, 264, 268; NJW 1962, 347). Magebend fr die Frage der Sachdienlichkeit ist - wie bei der objektiven Klagenderung - der Gesichtspunkt der Prozesskonomie. Stellt der Klger seine Ansprche nicht auf eine gnzlich neue tatschliche Grundlage, so wird die Sachdienlichkeit seines Vorgehens in aller Regel bejaht. Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen der bisherige Beklagte bei einem Parteiwechsel in erster Instanz wirksam aus dem Prozess ausscheidet, hat sich der BGH nicht eindeutig geuert. Wohl aber drfte fr das Ausscheiden des bisherigen Beklagten nach Beginn der mndlichen Verhandlung gem 269 Abs. 1 ZPO dessen Zustimmung erforderlich sein. Dies nmlich entspricht der Rechtsprechung zur objektiven Klagenderung bei Ermigung des Klageantrags (s.o.). Denkbar ist auch ein gewillkrter Parteiwechsel auf Klgerseite. Diesem Parteiwechsel mssen jedenfalls der neue und der alte Klger zustimmen. Weder kann ein Klger gegen seinen Willen aus dieser Prozessstellung verdrngt werden, noch kann jemand gegen seinen Willen Klger werden. Die Frage, inwiefern im Verhltnis zum Beklagten ein Parteiwechsel auf Klgerseite zulssig ist, beantwortet die Rechtsprechung ebenfalls wie bei der objektiven Klagenderung (BGHZ 65, 265, 268 m.w.N.). Danach ist der neue Klger Partei des Rechtsstreits geworden, wenn der Beklagte einwilligt, sich rgelos einlsst oder der Parteiwechsel sachdienlich erscheint. Fr das wirksame Ausscheiden des alten Klgers bedarf es analog 269 Abs. 1 ZPO nach Beginn der mndlichen Verhandlung der Einwilligung des Beklagten, die auch nicht durch die Annahme der Sachdienlichkeit ersetzt werden kann (Zller/Greger, a.a.O., 263 Rdn. 30 m.w.N.; so aber OLG Mnchen, NJW-RR 1998, 788 mit Anmerkungen von Deubner in JuS 1998, 541 f.). Alternativ zum Parteiwechsel hat der Klger allerdings auch die Mglichkeit, sich die ursprngliche Klageforderung vom Berechtigten abtreten zu lassen. Er kann dann im Prozess verbleiben, ohne dass der Erfolg der Klage vom guten Willen des Beklagten oder des Gerichts abhngig ist. Der gewillkrte Parteiwechsel setzt einen Schriftsatz des Klgers voraus, welcher im Hinblick auf die neue Partei den Erfordernissen des 253 Abs. 2 ZPO entsprechen muss. Mit der Zustellung des den Parteiwechsel enthaltenden Schriftsatzes entsteht ein Prozessrechtsverhltnis zwischen den neuen Parteien. Die materiellen und prozessualen Wirkun-

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gen der Rechtshngigkeit treten ein. Erst ab diesem Zeitpunkt wird also zugunsten des neuen Klgers die Verjhrung unterbrochen oder gehemmt bzw. muss der neue Beklagte Prozesszinsen zahlen. Der Streitwert ndert sich durch den bloen Parteiwechsel nicht. Es sind also keine weiteren Gerichtsgebhren vorauszuzahlen. Die Entscheidung ber die Zulssigkeit eines Parteiwechsels ergeht im Endurteil und zwar dort in der Regel stillschweigend. Nur wenn die Zulssigkeit problematisch erscheint, mssen entsprechende Ausfhrungen bei der Zulssigkeit erfolgen. Erweist sich der Parteiwechsel auf Beklagtenseite nach der Lsung der Rechtsprechung mangels Sachdienlichkeit als unzulssig, so wird die Klage gegen den neuen Beklagten als unzulssig abgewiesen. Was mit der Klage gegen den alten Beklagten geschieht, hngt wiederum vom Willen des Klgers ab. Will er den Parteiwechsel nur, wenn dieser sich als zulssig erweist, hlt er also seinen alten Antrag hilfsweise aufrecht, so ist eine Sachentscheidung ber das ursprngliche Prozessrechtsverhltnis zu treffen. Der Klger kann aber auch seine Klage gegen den alten Beklagten zurcknehmen, fr erledigt erklren, auf den Anspruch verzichten oder sumig bleiben. Es ergeben sich dann die gleichen Konsequenzen wie bei einer unzulssigen objektiven Klagenderung. Entsprechendes gilt fr die Kostenentscheidung. Im Falle des zulssigen Parteiwechsels wird der Rechtsstreit mit den neuen Parteien fortgesetzt. Bei einem Parteiwechsel auf Beklagtenseite ergeht also eine Sachentscheidung zwischen dem Klger und dem neuen Beklagten. Soweit der bisherige Beklagte aus dem Rechtsstreit ausscheidet, kann er entsprechend 269 Abs. 4 ZPO beantragen, dass seine auergerichtlichen Kosten vorab durch Beschluss dem Klger auferlegt werden. Anderenfalls wird darber im Rahmen der das Verfahren abschlieenden Kostenentscheidung von Amts wegen befunden. Nicht selten vertritt derselbe Anwalt sowohl den alten als auch den neuen Beklagten. Ob er dann die angefallenen Gebhren doppelt abrechnen kann oder ob es sich um dieselbe Angelegenheit handelt, so dass nur eine Prozessgebhr anfllt, die sich unter den Voraussetzungen des 15 Abs. 5 Satz 1 RVG erhht, ist streitig. Auf diese Streitfrage kommt es jedoch nicht bei der Kostengrundentscheidung (die bleibt gleich), sondern erst bei der Kostenfestsetzung der Hhe nach an. Inwiefern der Klger wegen seiner Klagrcknahme in Bezug auf den bisherigen Beklagten einen Teil seiner eigenen auergerichtlichen Kosten und der Gerichtskosten tragen muss, kann wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung ohnehin nicht vor Erlass des verfahrensabschlieenden Urteils festgelegt werden. Erst wenn man wei, ob der Klger hinsichtlich des neuen Beklagten obsiegt oder unterliegt, macht es Sinn, sich ber eine Kostenquote Gedanken zu machen. Bei der im Endurteil zu treffenden Kostenentscheidung ist davon auszugehen, dass der Parteiwechsel eine Teil-Rcknahme der Klage enthlt. Wenn man die Auffassung vertritt, der Klger msse in Fllen dieser Art lediglich die auf den zurckgenommenen Teil entfallenden Mehrkosten tragen (s.o.), so ergibt sich eine einfache Lsung. Auer den meist bereits vorab durch Beschluss verteilten auergerichtlichen Kosten des bisherigen Beklagten sind nmlich keine Mehrkosten entstanden. Die Verfahrensgebhr fr das Gericht fllt bei einem Parteiwechsel nicht ein zweites Mal an. Entsprechendes gilt nach berwiegender Ansicht fr die vom Anwalt des Klgers verdienten Gebhren (Zller/Greger, a.a.O., 263 Rdn. 32). Die Kostenentscheidung im Endurteil richtet sich daher einfach nach dem Prozessausgang im Verhltnis zwischen Klger und neuem Beklagten.

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4. Anerkenntnis und Klagercknahme; Verzicht Sowohl der Klger als auch der Beklagte haben grundstzlich die Mglichkeit den Rechtsstreit durch eigene Prozesserklrung ohne streitiges Urteil zu beenden. Dieses kann auch gegenber einem Vergleich - Kostenvorteile haben. Bei Gericht fallen nmlich zwei zustzliche Gebhren an, wenn eine streitige Entscheidung geht, also entweder Urteil mit Grnden oder auch Beschluss ( 91a) mit Begrndung. Die prozessuale Mglichkeit des Beklagten, der keine Verteidigungsmglichkeiten sieht, verhltnismig gnstig davon zu kommen, ist das Anerkenntnis, 307 ZPO. Bei zumindest zwei beteiligten Rechtsanwlten bietet sich kostenmig fr ihn aber auch die berlegung an, ein Versumnisurteil zu kassieren (dazu ausfhrlich Schrder/Riechert in NJW 2005, 2187 f.). Das Anerkenntnis ist die einseitige Erklrung des Beklagten an das Gericht, der Klageanspruch bestehe zu Recht. Es besteht auch die Mglichkeit des Teilanerkenntnisses ber das gegebenenfalls durch Teilurteil zu entscheiden ist. Das Anerkenntnis ist reine Prozesshandlung, daher auch nicht mit 781 BGB zu verwechseln. Die Wirkung des Anerkenntnisses ist, dass das Gericht nur noch die Zulssigkeit der Klage zu prfen hat, materiell aber an das abgegebene Anerkenntnis gebunden ist. Es erfolgt also keine Schlssigkeitsprfung mehr. Der Beklagter kann auch einen unbegrndeten Anspruch anerkennen, Das Gericht ist an die Erklrung gebunden. Das einmal abgegebene Anerkenntnis ist grundstzlich unwiderruflich. Nur ber den Arglisteinwand des 242 BGB kann es im Extremfall treuwidrig sein, den Beklagten an seinem Anerkenntnis festzuhalten. Voraussetzung fr die Zulssigkeit des Anerkenntnisses ist die Prozessfhigkeit des Abgebenden. Vor dem Landgericht kann schon im schriftlichen Vorverfahren nur der Anwalt ein solches fr den Mandanten abgeben, 78 Abs. 1 ZPO. Ein bedingtes Anerkenntnis (z.B.: Fr den Fall, dass das Gericht die Klage fr begrndet hlt, erkenne ich den Anspruch aus Kostengrnden an.) ist unzulssig. Allerdings liegt keine Bedingung vor, wenn das Anerkenntnis nur fr den Fall der Zulssigkeit der Klage abgegeben wird oder wenn das Anerkenntnis unter Protest gegen die Kostentragung abgegeben wird. In beiden Fllen nmlich handelt es sich um Bedingungen die ohnehin von Amts wegen zu prfen sind. Durch das Anerkenntnis selber ist der Prozess noch nicht beendet, doch vermag nach 307 ZPO sofort ohne mndliche Verhandlung ein Anerkenntnisurteil zu ergehen, das das Verfahren sodann beendet. Das Anerkenntnisurteil bedarf weder des Tatbestandes noch der Entscheidungsgrnde, wenn der klgerische Anspruch insgesamt anerkannt worden ist. Das Urteil ist genauso vollstreckbar wie ein streitiges Urteil. Die Kostenfolge ist in der Regel 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, eine wichtige Ausnahmeaber bildet 93 ZPO. Bei einem sofortigen Anerkenntnis nmlich trgt Klger die Kosten des Rechtsstreits. Der Gedanke, der dahinter steht, lautet: Der, der auch ohne Gerichtsprozess gezahlt htte, htte man ihn zur Zahlung nur aufgefordert, soll die Kosten des Rechtsstreits nicht zahlen mssen. Anlass zur Klageerhebung gibt dabei der, der sich nichtvertragsgem verhlt, sich mit der Zahlung z.B. im Verzug befunden oder die Forderung vorprozessual bestritten hat. Sofort ist ein Anerkenntnis in der Regel nur, wenn zuvor nicht angezeigt worden ist, sich gegen die Klage verteidigen zu wollen. Erklrt der Beklagte also im schriftlichen Vorverfahren seine Verteidigungsbereitschaft, kann er grundstzlich nicht mehr sofort

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anerkennen. Allerdings kann das sofortige Anerkenntnis auch in einem schon lange laufendem Verfahren ein wichtiges Mittel zur Verhinderung unntiger Kosten sein, etwa dann, wenn eine bislang nicht fllige Forderung durch weiteren Vortrag des Klgers im Laufe des Rechtsstreits fllig wird. Sollte in einer Klausur ein Teil des Klaganspruchs anerkannt worden sein, ergeben sich daraus fr den Aufbau folgende Besonderheiten: Rubrum: Teilanerkenntnis- und Schlussurteil Tatbestand: Das ausgesprochene Teilanerkenntnis ist als Prozessgeschichte nach dem streitigen Klgervortrag und nach dem Klgerantrag bringen. Bsp.: Der Klger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn EUR 1.500,00 zu zahlen. Der Beklagte hat den Anspruch in Hhe von EUR 500,00 hinsichtlich des Kaufvertrags ber das Fahrrad anerkannt und beantragt im brigen Die Klage abzuweisen E-Grnde materiell: Der Klger hat Anspruch gegenber dem Beklagten in Hhe von EUR 500,00 aufgrund des vom Beklagten insoweit abgegebenen Teilanerkenntnisses. Die Klage hat auch im brigen Erfolg: ... E-Grnde Kosten: Die Kostenentscheidung folgt aus 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die besonderen Voraussetzungen des 93 ZPO haben nicht vorgelegen. . Die Klagercknahme und der Verzicht sind die prozessualen Kapitulationsmglichkeiten des Klgers. Wenn der Klger erkennt, dass seine Klage keine Erfolgsaussichten bietet, weil er etwa Bedenken des Gerichts gegen die Schlssigkeit nicht auszurumen vermag oder weil seine Beweismittel versagen, hat er die Mglichkeit den Rechtsstreit ohne streitiges Urteil durch Zurcknahme der Klage zu beenden und damit verhltnismig kostengnstig davon zu kommen, 269 ZPO. Der Rechtsstreit gilt dann als nicht anhngig geworden. Es tritt also dieselbe Situation ein, als habe der Klger nie Klage erhoben. Eine erneute Klagerhebung bleibt mglich! Aber: Nach Beginn der mndlichen Verhandlung ist die Klagrcknahme nur wirksam, wenn der Beklagte zustimmt. Diese Zustimmung wird gelegentlich davon abhngig gemacht, dass der Klger durch Abgabe einer materiell-rechtlichen Erklrung fr immer auf den geltend gemachten Anspruch verzichtet. In einem solchen Fall bliebe eine erneute Klage zwar zulssig, wre aber unbegrndet. Eine andere Mglichkeit fr den Klger zur Kapitulation ist der Verzicht, 306 ZPO. Es ergeht dann ein Verzichtsurteil, und zwar entgegen dem Wortlaut des 306 ZPO auch dann, wenn der Beklagte ein streitiges Urteil beantragt, weil fr einen solchen Antrag das erforderliche Rechtsschutzbedrfnis fehlt. Die Klage ist dann aufgrund des Verzichts ohne Rcksicht auf ihre Schlssigkeit bzw. die Erheblichkeit der Verteidigung abzuweisen (also Gegenstck zum Anerkenntnisurteil). Das Verzichtsurteil ist ohne Sicherheitsleistung vorlufig vollstreckbar, 708 Ziff. 1 ZPO. Es bedarf keines Tatbestandes und keiner Ent-

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scheidungsgrnde, 313 b ZPO. Der Zulssigkeit einer erneuten Klage stnde die Rechtskraft des Verzichtsurteils entgegen In beiden Fllen werden grundstzlich - die Kosten des Rechtsstreits dem Klger auferlegt. Bei einer Klagrcknahme ist aber folgendes zu beachten: Die Auferlegung der Kosten erfolgt nur dann, wenn der Beklagte einen entsprechenden Antrag stellt ( 269 Abs. 4 ZPO). Ansonsten ergeht keine Kostengrundentscheidung. Zudem erfolgt die Kostenentscheidung unter Bercksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen gem 269 Abs. 3 S. 3 ZPO, wenn der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshngigkeit (aber nach Anhngigkeit) weggefallen ist und der Klger die Klage zurcknimmt. Vor erneuter Neufassung des 269 Abs. 3 S. 3 im Zuge des Justizmodernisierungsgesetzes zum 01.09.2004 fehlte in 269 Abs. 3 S. 3 noch der Halbsatz, dass 269 Abs. 3 S. 3 auch Anwendung findet, wenn die Klage nicht zugestellt ist. Teile der Rechtsprechung hatten argumentiert, dass die Anwendung der Kostenfolge des 269 Abs. 3 zwingend ein Prozessrechtsverhltnis der Parteien und damit die Zustellung der Klage voraussetzt, eine Entscheidung nach billigem Ermessen also nach 269 Abs. 3 nicht in Betracht kme, wenn der Anlass zur Klage vor Rechtshngigkeit weggefallen ist. Der Gesetzgeber reagierte hierauf umgehend mit 269 Abs. 3 S. 3 2. HS. Fraglich aber bleibt weiterhin, ob eine Zustellung der Klage nicht gleichwohl erforderlich ist, nmlich um das notwendige rechtliche Gehr fr den Beklagten sicherzustellen und zu dokumentieren.

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5. Erledigung des Rechtsstreits Erledigt sich die Klage whrend des Rechtsstreits, etwa dadurch, dass der Beklagte die geltend gemachte Forderung doch noch erfllt oder das anfangs vorhandene berechtigte Interesse fr einen Antrag auf Feststellung der Ersatzpflicht eines Schdigers fr zuknftige Schden entfllt, weil sich im Verlauf des Rechtsstreits herausstellt, dass mit zuknftigen Schden nicht mehr zu rechnen ist, ergibt sich folgendes: Mit Erledigung der Hauptsache hat die Klage keine Erfolgsaussichten mehr, weil sie jetzt unzulssig (siehe oben Wegfall des Feststellungsinteresses) oder unbegrndet (siehe oben Erfllung) geworden ist. Hlt der Klger trotzdem an seinem ursprnglichen Antrag fest, muss die Klage angesichts des erledigenden Ereignisses abgewiesen werden, da das Urteil aufgrund des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der letzten mndlichen Verhandlung ergeht. Nach 91 Abs. 1 ZPO wren die Kosten des Rechtsstreits dem Klger aufzuerlegen. Auch im Falle der Sumnis des Beklagten wre die Klage - im Wege des unechten Versumnisurteils wegen der inzwischen eingetretenen Unzulssigkeit oder Unbegrndetheit abzuweisen. Auch in diesem Fall htte der Klger nach 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits selbst zu tragen. Wrde der Klger die Klage wegen des erledigenden Ereignisses zurcknehmen oder wrde er im Termin sumig bleiben, wrde er ebenfalls die gesamten allerdings reduzierten Kosten des Rechtsstreits ( 269 Abs. 3 ZPO bzw. 91 Abs. 1 ZPO). Auch 269 Abs. 3 S. 3 ZPO wrde dem Klger nicht helfen, dessen Anwendungsbereich nmlich setzt voraus, dass der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshngigkeit weggefallen wre. All das aber erscheint nicht interessengerecht, hat der Beklagte doch die Ursache fr die durch Klage entstandenen Kosten gesetzt. Wenn eine anfangs aussichtsreiche Klage durch ein whrend des laufenden Rechtsstreits eintretendes Ereignis gegenstandslos wird, besteht der aus der Sicht des Klgers notwendige Weg daher darin, den Rechtsstreit in der Hauptsache fr erledigt zu erklren. Hat der Klger eine solche Erklrung abgegeben, den Rechtsstreit also fr erledigt erklrt, kann der Beklagte verschieden reagieren. Der Grundfall ist der, dass auch der Beklagte eine Erledigungserklrung abgibt, sich also dem Antrag des Klgers anschliet. Diese beiderseitige Erledigungserklrung hat folgende Wirkungen: Die Rechtshngigkeit erlischt kraft Parteiwillens; die Parteien entziehen dem Gericht den bisherigen Streitgegenstand. Da es also an einer gerichtlichen Entscheidung in der Sache fehlt, kann mangels Rechtskraft erneut geklagt werden. In dem Rechtsstreit bereits ergangene Entscheidungen (z.B. Versumnis-Urteil, Teil-Urteil, Urteil 1.Instanz bei Erledigungserklrung in der 2.Instanz) bleiben nur dann wirksam, wenn sie schon rechtskrftig geworden sind, sonst werden sie infolge Wegfalls der Rechtshngigkeit von selbst wirkungslos ( 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog). Das Gericht hat nur noch ber die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden, und zwar auf der Grundlage des 91 a ZPO durch Beschluss. Formell kann die Erledigungserklrungen ausdrcklich oder konkludent in der mndlichen Verhandlung oder per Schriftsatz oder zu Protokoll der Geschftsstelle ( 91 a Abs.1 Satz 1 ZPO) abgegeben werden. Das bedeutet auch, dass es gem 78 Abs. 3 ZPO fr die Abgabe der Erledigungserklrung kein Anwaltszwang besteht. Voraussetzungen fr die Wirksamkeit der Erledigungserklrung ist zunchst, dass die allgemeinen Prozesshandlungsvoraussetzungen vorliegen (Parteifhigkeit, Prozessfhigkeit). Nach herrschender Meinung muss zudem sptestens zum Zeitpunkt der Erledi-

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gungserklrungen ein Prozessrechtsverhltnis vorliegen, das sich in der Hauptsache erledigen kann (= Rechtshngigkeit). Fehlt dieses ist nach 269 Abs. 3 ZPO zu verfahren (siehe Skript 11, Klagercknahme). Nach ebenfalls herrschender Meinung ist es fr die Zulssigkeit einer Entscheidung nach 91 a ZPO hingegen nicht von Bedeutung, wann das erledigende Ereignis eingetreten ist oder eingetreten sein soll: 91 a ZPO ist also auch dann einschlgig, wenn die Erledigung vor Anhngigkeit eingetreten ist, vorausgesetzt, dass die Klage noch zugestellt wird und nachtrglich ein Prozessrechtsverhltnis begrndet wird. Erledigungserklrungen sind mglich in allen kontradiktorischen Verfahren nach der ZPO (z.B. Urteilsverfahren, Eilverfahren). Im PKH-Verfahren hingegen ist 91 a ZPO nicht anwendbar, da es kein kontradiktorisches Verfahren ist, sondern eine Art Verwaltungsverfahren zwischen Antragsteller und Staatskasse. Unerheblich fr die Zulssigkeit der Erledigungserklrung und die mit ihr verbundenen Wirkungen ist auch, ob tatschlich ein erledigendes Ereignis eingetreten ist. Das Gericht ist an die bereinstimmende Erklrung der Parteien gebunden. Bei bereinstimmenden Erledigungserklrungen beider Parteien bezglich der gesamten Hauptsache ergeht die Entscheidung des Gerichts immer durch Beschluss ( 91 a Abs.1 Satz 2 ZPO). Der Standardaufbau eines solchen Beschlusses sieht wie folgt aus: vollstndiges Rubrum mit den Angaben des 313 Abs.1 Nr.1-3 ZPO; falls eine mndliche Verhandlung stattgefunden hat, ist in das Rubrum der Tag der letzten mndlichen Tatsachenverhandlung aufzunehmen, ... hat das Amtsgericht Hamburg auf die mndliche Verhandlung vom ... beschlossen: ...;

Beispiel:

hat keine mndliche Verhandlung stattgefunden ist im Rubrum der Tag der Entscheidung anzugeben, Beispiel: ... hat das Amtsgericht Hamburg Amtsgericht ... am ... beschlossen: ... durch den Richter am

der Tenor besteht nur aus der Kostenentscheidung; der Tenor kann also lauten: Die Kosten des Rechtsstreits hat der Klger/Beklagte zu tragen. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Klger zu ... % und der Beklagte zu ...% zu tragen. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Eine Entscheidung in der Hauptsache darf natrlich nicht mehr erfolgen, weil diese nicht mehr rechtshngig ist. Insbesondere darf also auch nicht tenoriert werden: Die Hauptsache ist erledigt. Auch ein Ausspruch ber die vorlufige Vollstreckbarkeit darf nicht erfolgen, weil gem 794 Abs.1 Satz 1 Nr.3 ZPO aus Entscheidungen, gegen die wie hier das Rechtsmittel der (sofortigen) Beschwerde gegeben ist, ohne weiteres die Zwangsvollstreckung stattfindet der Beschluss ist allerdings zu begrnden, da er angefochten werden kann ( 91 a Abs.2 ZPO), und zwar unter der berschrift Grnde

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Der Aufbau der Grnde gleicht theoretisch dem Aufbau eines jeden Beschlusses, den das Gericht erlsst. In der Praxis wird in der Regel der Sachverhalt in dem Beschluss nicht dargestellt, sondern gleich die Kostenentscheidung begrndet. Auch das gilt im Prinzip bei allen Beschlssen. In der Klausur hingegen muss der Beschluss nach den Weisungen des GPA eine Sachverhaltsdarstellung enthalten. Der Aufbau der Sachverhaltsdarstellung erfolgt dabei analog dem Tatbestand eines Urteils (auch hier ist nur das zu bringen, was fr die (konkrete) Entscheidung gem 91 a ZPO von Bedeutung ist). Die ursprnglichen Klagantrge werden als Prozessgeschichte vor den aktuellen Antrgen (Erledigungserklrung) im Perfekt zu bringen sein, die Erledigungserklrungen selber im Prsens, Beispiel: Nunmehr erklren die Parteien den Rechtsstreit bereinstimmend in der Hauptsache fr erledigt und stellen wechselseitige Kostenantrge. Es gibt im brigen einen einheitlichen auch formalen Aufbau fr alle Beschlsse, an den Sie sich in Klausur halten sollten und zwar: berschrift: Sachverhaltsdarstellung: Begrndung (z.B. der Kostenentscheidung): II. Die Begrndung der Kostenentscheidung leitet man zum Beispiel wie folgt ein: Nachdem beide Parteien den Rechtsstreit bereinstimmend in der Hauptsache fr erledigt erklrt haben, war ber die Kosten des Rechtsstreits gem 91 a ZPO unter Bercksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dies fhrte zur Auferlegung der Kosten auf den Beklagten, da er ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses (. (konkretes Ereignis benennen)) in dem Rechtsstreit aller Voraussicht nach unterlegen wre. Dem Klger stand gem 433 Abs.2 BGB ein Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung des Kaufpreises fr ... zu. Bei der materiellen Begrndung der Entscheidung ist aufgrund des bisherigen Sach- und Streitstandes zu prfen, welche Partei den Prozess gewonnen htte, wenn keine Erledigungserklrungen abgegeben worden wren. Gem dem in den 91 ff. ZPO enthaltenen Prinzip entspricht es im Allgemeinen billigem Ermessen, dass die Partei, welche voraussichtlich unterlegen wre, die Kosten des Rechtsstreits trgt. Daraus folgt: Ist der Klgervortrag unschlssig, muss der Klger die Kosten tragen, denn er htte auch ohne Erledigung verloren. Ist der Klgervortrag schlssig, das Beklagtenvorbringen aber unerheblich, trgt der Beklagte die Kosten, weil er ohnehin verloren htte. Ist der Klgervortrag schlssig und auch das Beklagtenvorbringen erheblich, dann kommt es darauf an, ob schon Beweis erhoben worden ist oder nicht: ist noch kein Beweis erhoben, so hngt die Kostenentscheidung davon ab, ob die beweisbelastete Partei Beweis angeboten hat. Wenn ja, so ist der Ausgang des Rechtsstreits offen, so dass die Kosten grundstzlich gegeneinander aufzuheben sind. Wenn nein, dann htte die beweisbelastete Partei verloren, deshalb trgt sie die Kosten. Zulssig ist hier ausnahmsweise eine vorweggenommene Beweiswrdigung, nmlich wenn das Ergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit voraussehbar erscheint. Denn es handelt sich um eine Prognoseentscheidung nach billigem Ermessen. Ist schon Beweis erhoben worden, dann erfolgt eine Beweiswrdigung wie bei einem streitigen Urteil. Ist nur teilweise Beweis erhoben worden, kommt es darauf an, ob sich schon Grnde I.

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ein Beweisergebnis oder eine Tendenz abzeichnet, die das Gewicht zugunsten einer Partei verschieben kann (Kostenentscheidung dann z.B. 2/3: 1/3) (was auch nichts anderes als eine zulssige vorweggenommene Beweiswrdigung ist) oder nicht, dann sind die Kosten gegeneinander aufzuheben. Ausnahmsweise kann es der Billigkeit entsprechen, eine von dem Sach- und Streitstand abweichende Kostenentscheidung zu treffen und der Partei die Kosten aufzuerlegen, die ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses voraussichtlich verloren htte. Insbesondere ist im Rahmen des 91 a ZPO nmlich auch der Rechtsgedanke des 93 ZPO zu bercksichtigen. Hat also z.B. der Klger den Beklagten nach Rechnungserteilung nie zur Zahlung aufgefordert, sondern ihn sofort mit einer Klage berzogen und zahlt der Beklagte alsbald nach Klagezustellung den Rechnungsbetrag, so kann sich aus dem Rechtsgedanken des 93 ZPO eine Kostentragungspflicht des Klgers ergeben. Fr den Streitwert und die Gebhrenberechnung bei bereinstimmender Erledigungserklrung ist folgendes zu bedenken: Alle Gebhren, die vor den Erledigungserklrungen anfallen, richten sich nach dem Streitwert der ursprnglichen Klage. Fr die Gebhren, die ab den Erledigungserklrungen anfallen ist anstelle des Streitwerts der Hauptsache der Kostenstreitwert (Summe der bis dahin angefallenen Kosten) anzusetzen soweit sie den bisherigen Wert der Hauptsache nicht bersteigen (herrschende Meinung). Der Kostenstreitwert ist also maximal so hoch wie der Streitwert der ursprnglichen Klage. Gegen einen Beschluss nach 91 a ZPO kommt das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde in Betracht ( 91 a Abs.2 Satz 1 ZPO). Dieses Rechtsmittel ist allerdings nicht statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes (d.h. die Hhe der Kosten, gegen deren Auferlegung sich der Beschwerdefhrer zur Wehr setzt) nur 100,00 oder weniger betrgt, 567 Abs.2 Satz 1 ZPO, es sich um einen Beschluss des OLG handelt, 567 Abs. 1 ZPO oder der Streitwert der Hauptsache den in 511 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO genannten Betrag (EUR 600,00) nicht bersteigt, die Sache also nicht berufungsfhig wre. Die sofortige Beschwerde ist binnen einer Notfrist von 2 Wochen ab Zustellung einzulegen ( 569 Abs.1 ZPO). Eine Abhilfe durch das Gericht, welches die angefochtene Entscheidung erlassen hat, ist mglich, 572 Abs. 1 S. 1, 1. HS ZPO. Der Rechtsstreit kann auch nur teilweise bereinstimmend fr erledigt erklrt werden, z.B. bei Teilzahlung des Schuldners im laufenden Rechtsstreit: Die Rechtshngigkeit entfllt dann nur hinsichtlich des bereinstimmend fr erledigt erklrten Teils des Rechtsstreits, im brigen wird der Sachantrag zur Entscheidung gestellt. Wegen des Grundsatzes der Kosteneinheit ist ebenso wie bei einer teilweisen Klagrcknahme ber die Kosten des Rechtsstreits dann einheitlich im Urteil zu entscheiden. Es gibt also keinen gesonderten Beschluss nach 91 a ZPO bezglich des fr erledigt erklrten Teils des Rechtsstreits. Es muss im abschlieenden Urteil eine einheitliche Entscheidung ber die Kosten des fr erledigt erklrten und des streitig gebliebenen Teils des Rechtsstreits ergehen. Im Rahmen dieser Kostenentscheidung aber sind die Grundstze einer Kostenverteilung gem 91 a ZPO bezglich des fr erledigt erklrten Teils des Rechtsstreits anzuwenden, gegebenenfalls sind die Kosten des Rechtsstreits zu quoteln. Vor den Erledigungserklrungen richtet sich der Streitwert auch hier nach der ursprnglichen Klageforderung. Streitig ist, ob sich der Streitwert ab den Erledigungserklrungen nur noch nach dem Wert des noch streitig gebliebenen Teils der Hauptsache ohne Zinsen und Kosten richtet oder ob noch die auf den erledigten Teil des

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Rechtsstreits entfallenden Kosten hinzuzurechnen sind. Bei teilweiser Erledigungserklrung ergibt sich fr den Aufbau des Urteils folgendes: Im Tatbestand mssen alle Daten angegeben werden, die fr eine (teilweise) Entscheidung nach 91 a Abs.1 ZPO von Bedeutung sind. Bezglich der Antrge kann wie folgt formuliert werden: Der Klger hat ursprnglich einen Betrag in Hhe von ... geltend gemacht. Nachdem der Beklagte am ... einen Betrag von ... an ihn gezahlt hat, haben die Parteien den Rechtsstreit in Hhe von ... bereinstimmend fr erledigt erklrt. In den Entscheidungsgrnden des Urteils wird zunchst nur der noch verbliebene Sachantrag in der blichen Form abgehandelt, die teilweise bereinstimmenden Erledigungserklrungen werden im Rahmen der Kostenentscheidung errtert. Die auf 91 a Abs.1 ZPO beruhende Kostenentscheidung muss dabei begrndet werden und zwar nicht nur wie sonst blich mit Benennung des Gesetzestextes, sondern da es sich um eine Billigkeitsentscheidung handelt umfassend. Das knnte etwa wie folgt aussehen: Die Kostenentscheidung beruht auf den 91 Abs.1, 91 a ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit bereinstimmend in Hhe von ... in der Hauptsache fr erledigt erklrt haben, war ber die Kosten des Rechtsstreits nach 91 a ZPO unter Bercksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dies fhrte zur Auferlegung der insoweit entstandenen Kosten auf den Beklagten, da er ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses in dem Rechtsstreit aller Voraussicht nach unterlegen wre. Dem Klger stand der geltend gemachte Anspruch gegen den Beklagten auf ... gem ... zu. ... Gegen das Urteil, dessen Kostenentscheidung teilweise auf 91 a Abs.1 ZPO beruht, kann unter den in 511 ff. ZPO genannten Voraussetzungen Berufung eingelegt werden. Dabei wird auch die Kostenentscheidung, soweit sie gem 91 a ZPO ergangen ist, berprft. Da aber den Parteien kein Nachteil daraus entstehen darf, dass wegen des Grundsatzes der Kosteneinheit einheitlich durch Urteil entschieden wird, kann die beschwerte Partei unter allgemeinen Zulssigkeitsvoraussetzungen daneben sofortige Beschwerde gegen die gesamte Kostenentscheidung einlegen. Diese wird dann gegebenenfalls im Beschwerdeverfahren gendert, soweit sie auf 91 a Abs.1 ZPO beruht. Im Fall der Abnderung wird der Kostentenor dann insgesamt neu gefasst. Der Beklagte muss sich der klgerischen Erledigungserklrung selbstverstndlich nicht anschlieen. Es handelt sich dann um eine einseitige Erledigungserklrung des Klgers. Nach herrschender Meinung ist die einseitige Erledigungserklrung eine gem 264 Ziff.2 ZPO jederzeit zulssige Klagenderung (Beschrnkung des Klageantrags), die von einer Zustimmung des Beklagten nicht abhngig ist. An die Stelle des ursprnglichen Klageantrags tritt ein Sachantrag auf Feststellung, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Dieser Feststellungsantrag wird selten ausdrcklich formuliert. Er ist in der Erledigungserklrung des Klgers konkludent enthalten. Das fr jede Feststellungsklage gem 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist im Falle der einseitigen Erledigungserklrung des Klgers generell zu bejahen. Das Interesse an einer alsbaldigen Feststellung besteht, weil der Klger bei nachtrglicher Erledigung ohne die begehrte Feststellung immer die Kosten des Rechtsstreits tragen msste. Der in der einseitigen Erledigungserklrung enthaltene Feststellungsantrag ist begrndet, wenn der ursprngliche Klagantrag zulssig und begrndet war und sich durch den Eintritt eines Ereignisses spter erledigt hat, d.h. unzulssig oder unbegrndet geworden ist. Es

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muss also anders als bei bereinstimmenden Erledigungserklrungen nun geprft werden, ob der Anspruch ursprnglich bestanden hat und ein erledigendes Ereignis im Laufe des Rechtsstreits tatschlich eingetreten ist (z.B. Erfllung, Aufrechnung). Die Entscheidung des Gerichts bei einseitiger Erledigungserklrung ergeht in Form eines Urteils. Der Tenor einer stattgebenden Entscheidung lautet: Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. War die Klage nur teilweise begrndet, ist zu formulieren: Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in Hhe von ... Euro nebst Zinsen in der Hauptsache erledigt ist. Im brigen wird die Klage abgewiesen. Die Kostenentscheidung ergeht nach den allgemeinen Kostenregelungen ( 91, 92 ff. ZPO), nicht hingegen auf der Grundlage des 91 a ZPO. Das Urteil ist im Hinblick auf die Kosten fr vorlufig vollstreckbar zu erklren. Der Feststellungstenor hat keinen vollstreckbaren Inhalt. Im Tatbestand ist der Feststellungsantrag nur dann zu formulieren, wenn der Klger ihn ausdrcklich gestellt hat. Ansonsten sind die ursprnglichen Antrge (im Perfekt, da Prozessgeschichte), die Erledigungserklrung des Klgers und der Klagabweisungsantrag des Beklagten zu erwhnen. Die Auslegung der Erledigungserklrung des Klgers dahingehend, dass darin konkludent ein Antrag auf Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache enthalten ist, erfolgt erst in den Entscheidungsgrnden, beispielsweise wie folgt: Die Klage ist zulssig. Die Erledigungserklrung des Klgers enthlt den Antrag auf Feststellung, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Es handelt sich insoweit um eine jederzeit zulssige Klagenderung gem 264 Ziff.2 ZPO. Das fr eine Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse gem 256 Abs.1 ZPO ist in diesen Fllen immer gegeben. Die Feststellungsklage hat auch in der Sache Erfolg. Die ursprngliche Zahlungsklage war zulssig und begrndet (I.) und hat sich durch ... im Laufe des Rechtsstreits erledigt. (II.)... Umstritten ist, wie hoch der Streitwert des Feststellungsantrags ist. Nach einer Ansicht entspricht der Streitwert des Feststellungsantrags dem Streitwert der ursprnglichen Hauptsache. Nach anderer Ansicht ist wie bei einer sonstigen positiven Feststellungsklage von dem ursprnglichen Streitwert ein Abschlag von 20-50% zu machen. Eine dritte Meinung hlt das Kosteninteresse fr mageblich, d.h. sie bemisst den Streitwert des Feststellungsantrags nach den bis zur Klagenderung angefallenen Kosten. Gegen das Feststellungsurteil kann unter den Voraussetzungen der 511 ff. ZPO Berufung eingelegt werden. Der Rechtsmittelstreitwert bemisst sich nach den gesamten Kosten der Instanz. ber die einseitige Erledigungserklrung des Klgers kann auch durch Versumnis-Urteil entschieden werden, und zwar auch dann, wenn dem Beklagten die Erledigungserklrung des Klgers nicht rechtzeitig vor der Verhandlung mittels eines Schriftsatzes mitgeteilt worden ist. 335 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO steht dem nicht entgegen. Sinn dieser Vorschrift ist es, den sumigen Beklagten vor einer Verschlechterung seiner Position zu bewahren. Die Erledigungserklrung ist aber fr den Beklagten nicht nachteilig, da es sich insoweit nur um eine Beschrnkung des ursprnglichen klgerischen Antrags handelt. Der Klger kann den Rechtsstreit auch nur teilweise in der Hauptsache einseitig fr erledigt erklren, z.B. wenn der Beklagte einen Teil der Klagsumme gezahlt hat. In den

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Entscheidungsgrnden des Urteils sind dann nacheinander der noch brig gebliebene ursprngliche Klagantrag und der in der teilweisen Erledigungserklrung des Klgers enthaltene Feststellungsantrag abzuhandeln. Der Streitwert bemisst sich ab dem Zeitpunkt der Erledigungserklrung nach dem Wert des noch verbleibenden Teils zuzglich des Wertes des Feststellungsantrages.

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6. Versptetes Vorbringen, 296 f. ZPO Nach dem Gesetz ist Vortrag der Parteien bis zum Schluss der mndlichen Verhandlung zulssig. Diese Regel wird besttigt durch 296a ZPO, eingeschrnkt allerdings durch 296 ZPO. Zugleich besteht fr die Parteien die Pflicht zur Prozessfrderung, die in 282 ZPO normiert ist. Innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens ist die Frage zu beantworten, wann welcher Vortrag der Parteien als versptet zurckzuweisen ist. Vorbringen einer Partei nach Schluss der mndlichen Verhandlung ist nach 296a ZPO nicht nur versptet sondern grundstzlich unverwertbar. Ausnahmen sind in den 139 Abs. 5, 156, 283 ZPO bestimmt. Nach 283 ZPO kann einer Partei in der mndlichen Verhandlung nachgelassen werden, ergnzend vorzutragen, wenn nmlich der Schriftsatz der Gegenseite ihr nicht rechtzeitig vor dem Termin zugegangen ist. Mindestens muss die Wochenfrist des 132 Abs. 1 S. 1 ZPO eingehalten sein. Ein Schriftsatznachlass kann bei umfangreicheren Sachen aber auch geboten sein, wenn weniger als zwei Wochen zwischen Eingang und Termin lagen. Der gem 283 ZPO nachgelassene Vortrag darf sich allerdings stets nur auf den Inhalt des nicht rechtzeitig zugegangenen Schriftsatzes des Gegners beziehen. 156 S. 1 ZPO erlaubt dem Gericht nach Ermessen die bereits geschlossene mndliche Verhandlung wiederzuerffnen. Unter Umstnden ist das Gericht dazu sogar verpflichtet, nmlich nach 139 Abs. V, 156 Abs. 2 ZPO, etwa dann, wenn ein gerichtlicher Hinweis in der mndlichen Verhandlung nach 139 ZPO erfolgt ist und die Parteien sich hierzu nicht erklren knnen oder der Rechtsstreit nicht entscheidungsreif ist, weil nach einer Schriftsatzfrist fr den Gegner nach 283 ZPO entscheidungserhebliches eingeht und der anderen Seite rechtliches Gehr gewhrt werden muss oder wenn die nach Schluss der mndlichen Verhandlung vorgetragenen Tatsachen eine Wiedererffnung der mndlichen Verhandlung rechtfertigen. 296 ZPO macht drei Ausnahmen von der gesetzlichen Regel, dass das Gericht alles zu bercksichtigen hat, was bis zum Schluss der mndlichen Verhandlung vorgebracht wird: Abs. 1 stellt den gesetzlichen Grundtatbestand dar, dessen Beachtung fr das Gericht zwingend ist: Versumt eine Partei eine vom Gericht gesetzte Frist und wird durch das hiernach vorgetragene Angriffs- oder Verteidigungsmittel der Prozess verzgert und entschuldigt die Partei die Versptung nicht gengend, ist der Vortrag als versptet zurckzuweisen Abs. 2 von 296 enthlt zudem einen Auffangtatbestand, der dem Gericht einen Ermessensspielraum erffnet: Verletzt eine Partei grob nachlssig ihre Pflicht zur Verfahrensfrderung ( 282) und wird der Prozess dadurch verzgert, kann der vor Schluss der mndlichen Verhandlung eingegangene Vortrag zurckgewiesen werden. Schlielich enthlt 296 Abs. 3 ZPO eine zwingende Sonderregel fr verzichtbare Prozessrgen: Wird eine Prozessrge ohne Entschuldigung zu spt erhoben ( 282 Abs. 3 ZPO), ist sie zwingend zurckzuweisen. Bei der Anwendung von 296 ZPO ist stets Art. 103 Abs. 1 GG im Hinterkopf zu behalten. Durch Zurckweisung von Vorbringen als versptet droht die Verletzung des Anspruchs auf das rechtliche Gehr. Vor diesem Hintergrund hat sich in der Rechtsprechung die Tendenz entwickelt 296 ZPO eng auszulegen und nie analog anzuwenden. Folgende Voraussetzungen mssen vorliegen, ehe Vortrag nach 296 ZPO als versptet zurckgewiesen zu werden vermag:

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296 ZPO bezieht sich nur auf unselbstndige Angriffs- und Verteidigungsmittel, z.B. Behauptungen, Bestreiten, Einreden, aber nicht auf Sachantrge wie Klagerweiterung, Klagenderung, Widerklage und deren Begrndung. Die nmlich sind der Angriff bzw. die Verteidigung selbst. Diese knnen daher also auch taktisches Mittel sein, einem drohenden Versptungseinwand zu begegnen: Kommt 296 ZPO zu Lasten einer Partei in Betracht, kann die beispielsweise in der mndlichen Verhandlung einen Widerklageantrag stellen und dadurch sicher sein, mit weiterem Sachvortrag nicht wegen des Versptungseinwands abgeschnitten zu sein. 296 Abs. 1 ZPO setzt weiterhin das Versumen einer der dort genannten Fristen voraus. Die Aufzhlung ist abschlieend. Eine analoge Anwendung von 296 Abs. 1 ZPO auf andere vom Gericht gesetzte Fristen verbietet sich. Weiterhin muss der Rechtsstreit sich infolge der Versptung verzgern. Nach der Rechtsprechung des BGH gilt hier der absolute Verzgerungsbegriff: Magebend ist, ob der Rechtsstreit bei Zulassung des verspteten Vorbringens lnger dauern wrde als bei dessen Zurckweisung. Auch hier ist vor Bejahung der Verzgerung Zurckhaltung angezeigt. In Rechtsprechung hat sich die Tendenz herausgebildet mit Verzgerung und 296 ZPO nur im Extremfall zu arbeiten. Die Faustformel ist, dass Verzgerung vorliegt, wenn aufgrund der Versptung ein neuer Termin anberaumt werden muss, der ohne verspteten Vortrag nicht htte anberaumt werden mssen. Daraus folgt: Verzgerung kommt berhaupt nur in Betracht, wenn der neue Vortrag entscheidungserheblich und streitig ist. Sonst nmlich kann ja trotz verspteten Vortrags ohne Verzgerung in der Sache entschieden werden. Droht tatschlich eine Verzgerung des Rechtsstreits durch das versptete Vorbringen, etwa weil nun doch Beweis zu erheben wre und die zu vernehmenden Zeugen aufgrund des erst im Termin bekannt gewordenen Vortrags nicht zur Verfgung stehen, kann die dem Einwand ausgesetzte Partei der Zurckweisung ihres neuen Vorbringens dadurch entgegen wirken, dass sie keinen Antrag stellt. Die andere Partei nmlich kann dann lediglich Antrag auf Versumnisurteil nach 331 ZPO stellen. Gegen dieses wiederum kann binnen zwei Wochen Einspruch eingelegt werden, 338 ZPO. Das in diesem enthaltene Vorbringen bleibt zwar auch weiterhin versptet, verzgert aber den Rechtsstreit nicht mehr. Das Gericht nmlich hat ohnehin bereits aufgrund des Einspruchs einen neuen Termin anzuberaumen. Das Gericht hat damit aber auch die Mglichkeit die versptet angefhrten Beweismittel zu der neuen Verhandlung beizubringen. Fr die Frage, ob es zu einer Verzgerung gekommen ist, ist magebend also der Termin zur Verhandlung ber den Einspruch und nicht der versumte. Dieses Verhalten wird auch als Flucht in die Sumnis bezeichnet. Die Mglichkeit der Flucht in die Sumnis entfllt allerdings dann, wenn eine Entscheidung (Urteil) bereits nach Lage der Akten mglich ist ( 331a, 251a ZPO). Das ist der Fall, wenn in einem frheren Termin schon mndlich verhandelt worden ist. Dann nmlich hat das Gericht auf Antrag der anwesenden Partei auch bei Abwesenheit des anderen materiell zu entscheiden. Die Mglichkeit der Flucht in die Sumnis bietet sich im brigen nicht, wenn bereits in der Verhandlung zuvor ein Versumnisurteil zu Lasten der Partei erging. Bei erneuter Sumnis nmlich wrde nun ein zweites Versumnisurteil verkndet werden, gegen das lediglich noch das (zudem eingeschrnkte) Rechtsmittel der Berufung zulssig ist, 345, 514 Abs. 2 S. 1 ZPO. Weitere Voraussetzung fr die Zurckweisung von Vorbringen als versptet ist, dass die Partei, die versptet vortrgt, keinen Entschuldigungsgrund glaubhaft macht. Glaubhaftmachen muss sie allerdings erst auf Aufforderung des Gerichts. Sonst gengt einfaches Behaupten von Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass die Versptung unverschuldet erfolgt ist.

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7. Das Versumnisverfahren Im Zivilrecht gilt das Mndlichkeitsprinzip, 128 Abs. 1 ZPO. Ohne vorherige mndliche Verhandlung kann grundstzlich (Ausnahmen: 128 Abs. 2; 495 a ZPO) kein verfahrensabschlieendes Urteil ergehen. Erscheint nur eine Partei in dem anberaumten Verhandlungstermin oder stellt nur eine der erschienenen Parteien einen Antrag, kann eine mndliche Verhandlung nicht stattfinden. Um zu verhindern, dass eine Partei ein ihr ungnstiges Urteil allein dadurch verhindern kann, dass sie zur mndlichen Verhandlung nicht erscheint bzw. sich nicht vertreten lsst oder keinen Antrag stellt, bedarf es gesetzlicher Vorkehrungen. Die Sanktion fr Sumnis besteht darin, dass die nicht erschienene bzw. vertretene Partei Gefahr luft, den Prozess allein wegen ihres Ausbleibens zu verlieren. Unter welchen Voraussetzungen dies im Einzelnen geschehen kann, steht in den Bestimmungen ber das Versumnisverfahren ( 330 - 347 ZPO). Voraussetzungen fr den Erlass eines Versumnisurteils ist zunchst, dass ein Termin zur mndlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht bestimmt worden ist. Gleichgltig ist, ob es sich um den ersten oder einen spteren Termin handelt, 332 ZPO. Auch ein Termin zur Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht dient zugleich zur Fortsetzung der mndlichen Verhandlung, 370 Abs. 1 ZPO. Whrend der Beweisaufnahme bedarf es allerdings der Anwesenheit der Parteien bzw. Parteivertreter nicht, 367 Abs. 1 ZPO. Ein Versumnisurteil kommt daher erst in Betracht, wenn ber das Ergebnis der Beweisaufnahme verhandelt werden soll und eine Partei zu diesem Zeitpunkt sumig ist. In der Praxis fhrt das oft zur Konsequenz, dass bei Nichterscheinen einer Partei vorsorglich die geladenen Zeugen gleichwohl vernommen werden, Beweisaufnahme also erfolgt, bei Stellung der Antrge aber die Nichterschienene Partei sumig ist, die andere also Versumnisurteil beantragen kann. Zu den Verhandlungsterminen vor dem Prozessgericht gem 331 Abs. 1 ZPO gehren hingegen nicht: (Gesonderte) Gteverhandlung ( 278 ZPO), Errterungstermine im Prozesskostenhilfeverfahren ( 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO), Termine vor dem beauftragten oder ersuchten Richter ( 375 ZPO), Verkndungstermine ( 310 ZPO). Bei diesen also vermag kein Versumnisurteil zu ergehen. Die Partei, gegen die ein Versumnisurteil ergehen soll, muss sumig sein. Das ist der Fall, wenn sie nach Aufruf der Sache am richtigen Ort ( 219 ZPO) und zur richtigen Zeit (nicht vor der festgesetzten Terminsstunde und bis zum Schluss der mndlichen Verhandlung) nicht erscheint ( 330, 331 ZPO) oder nicht verhandelt (333 ZPO). Der Klger verhandelt, wenn er einen Sachantrag stellt ( 137 Abs. 1 ZPO). Der Beklagte braucht dagegen nach berwiegender Meinung in Rechtsprechung und Literatur nicht ausdrcklich einen Antrag auf Abweisung der Klage zu stellen. Er verhandelt vielmehr schon dann, wenn sich aus seinem Vorbringen ergibt, dass er sich gegen die Verurteilung wendet. In Anwaltsprozessen (Landgericht, Familiensachen bei AG) kommt es nicht auf die Partei selbst, sondern auf den bei Gericht zugelassenen Anwalt an. Die anwesende, aber postulationsunfhige Partei ist daher sumig, wenn sie ohne Rechtsanwalt erscheint. Sumnis liegt nicht vor, wenn die Partei in der mndlichen Verhandlung erscheint, ihren Antrag stellt und zur Sache verhandelt, aber am Schluss der Verhandlung nicht mehr vertreten ist (BGHZ 63, 94 ff.; BGH NJW 1994, 665). Das gilt namentlich auch, wenn zu Beginn eines zur Durchfhrung einer Beweisaufnahme und Fortsetzung der mndlichen Verhandlung bestimmten Termins Antrge gestellt worden sind und der Klger nach Durch-

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fhrung der Beweisaufnahme erklrt, jetzt trete er nicht mehr auf. Zwar sieht 285 Abs. 1 ZPO vor, dass die Parteien ber das Ergebnis der Beweisaufnahme unter Darlegung des Streitverhltnisses zu verhandeln haben. Dabei soll es sich aber nach Auffassung des BGH nur um eine Konkretisierung des Anspruchs auf rechtliches Gehr handeln, von dem die Parteien keinen Gebrauch machen mssen. Da der Termin eine Einheit bilde und eingangs bereits verhandelt worden sei, knne kein Fall der Sumnis mehr eintreten (BGHZ 63, 94 ff.; OLG Hamm, MDR 1974, 407; a.A. Schneider, Sumnis durch Nichtverhandeln, MDR 1992, 827 f.). Die Partei, gegen die ein Versumnisurteil ergehen soll, muss ordnungsgem geladen worden sein ( 335 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO), d.h. in der Regel durch Zustellung einer Ladung ( 329 Abs. 2 S. 2 ZPO; Ausnahme beim AG: 497 ZPO) unter Einhaltung der Ladungsfrist ( 217 ZPO: in Anwaltsprozessen mindestens eine Woche, in anderen Prozessen mindestens drei Tage) oder durch verkndeten Beschluss, 218 ZPO, der eine Ladung entbehrlich macht. Das tatschliche mndliche Vorbringen der Gegenseite und die Sachantrge mssen der sumigen Partei rechtzeitig mitgeteilt worden sein, 335 Abs. 1 Ziff. 3, 132 ZPO. Macht z.B. der Klger die Klage erst im Termin schlssig, darf kein VU gegen den Beklagten ergehen, da der neue Vortrag ihm noch nicht mitgeteilt worden ist. Sinn hiervon ist, dass der Beklagter womglich bewusst zum Termin nicht gekommen ist, in der Meinung, ihm knne bei der unschlssigen Begrndung des Klaganspruchs nichts passieren. Es darf bei Erlass eines Versumnisurteils auch kein Grund fr eine Vertagung von Amts wegen ( 337 ZPO) ersichtlich sein, insbesondere drfen keine Entschuldigungsgrnde fr die Sumnis bekannt sein. Verschulden ist keine Erlassvoraussetzung und daher grundstzlich nicht vom Gericht zu prfen oder von der das VU beantragenden Partei vorzutragen. Nichtverschulden ist aber ein Erlasshindernis gem. 337 ZPO, also vom Gericht bei Kenntnis von Amts wegen zu beachten; das Nichtverschulden fhrt selbst bei Unkenntnis des Gerichts zum ungesetzlichen Versumnisurteil. Entsprechend kann der Sumige im Nachhinein geltend machen, dass das Versumnisurteil in nicht gesetzlicher Weise ergangen ist, da er unverschuldet Termin nicht wahrgenommen hat. Dieses hat Konsequenzen fr Kostenfolge, 344 ZPO. Beispiele fr unverschuldete Sumnis sind etwa der Verkehrsunfall auf dem Weg zum Gericht, sowie die Erkrankung des Rechtsanwalts oder der Partei. Als Entschuldigungsgrund kommen auch Konstellationen in Betracht, in denen die sumige Partei bzw. ihr Parteivertreter darauf vertrauen durften, dass ein VU nicht ergehen werde, z.B.: Die Parteien haben eine Absprache getroffen, wonach ein Versumnisurteil nicht beantragt werde, an die sich die erschienene Partei nicht hlt; die Rechtsanwlte hatten vereinbart, dass der eine RA auf den anderen wartet; trotzdem beantragt der RA unter Bruch der Vereinbarung ein Versumnisurteil; eine Partei hat ihr Kommen ausdrcklich mit dem Hinweis angekndigt, sie werde - etwa wegen eines Verkehrsstaus - gehindert sein, pnktlich zu erscheinen Beispiele fr nicht unverschuldete Sumnis sind etwa das Fernbleiben in der Annahme, dem Vertagungsantrag werde schon stattgegeben werden (Schriftsatz: Wird davon ausgegangen, dass der Termin abgesetzt wird) Bei Rechtsanwlten gilt es zum Teil noch immer als unehrenhaft ein Versumnisurteil gegen einen nicht erschienenen Kollegen zu beantragen. Nach 13 der Berufs- und Fachanwaltsordnung fr Rechtsanwlte vom 11. Mrz 1997 (Beilage zu Heft 19 der NJW 1997) darf ein Rechtsanwalt bei anwaltlicher Vertretung der Gegenseite ein Versumnisurteil

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grundstzlich nur erwirken, wenn er dies zuvor dem Gegenanwalt angekndigt hat; erfordern es die Interessen des Mandanten, darf er den Antrag allerdings auch ohne Ankndigung stellen. Das BVerfG hat durch Urteil vom 14. Dezember 1999 entschieden, dass diese Regelung verfassungswidrig sei. Es werde damit eine Voraussetzung fr den Erlass eines Versumnisurteils statuiert, den die ZPO nicht vorsehe. Fr eine solche nicht nur die Berufsausbungsfreiheit der Anwlte, sondern auch die Handlungsspielrume der Prozessparteien einschrnkende Satzungsbestimmung fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Ein Rechtsanwalt darf daher nicht mehr darauf vertrauen, dass sein Kollege aus standesrechtlicher Rcksicht ein Versumnisurteil nicht ohne Ankndigung nehmen werde. Weitere Voraussetzung zum Erlass eines Versumnisurteils ist, dass die erschienene Partei einen Antrag auf Erlass eines Versumnisurteils stellt, 330, 331 ZPO. Der erschienene Klger muss auerdem zuvor den eigentlichen Sachantrag stellen, damit klar ist, was im Versumnisurteil zu tenorieren ist. Da das VU ein Sachurteil ist, mssen auch die Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen, das heit, die Klage muss zulssig und schlssig sein. Bei fehlender Zulssigkeit ergeht ein Prozessurteil als so genanntes unechtes Versumnisurteil (denn nicht die antragende Partei erhlt das Versumnisurteil, sondern ein ihr den Erfolg versagendes Urteil). Die Sumnis des Klgers ist mit einem Verzicht ( 306 ZPO) vergleichbar. Die Klage wird bei Vorliegen der o.g. Voraussetzungen daher ohne Rcksicht auf ihre sachlichen Erfolgsaussichten abgewiesen, 330 ZPO, es ist also keine Schlssigkeitsprfung vorzunehmen. Die Sumnis des Beklagten entspricht hingegen nicht dem Spiegelbild des Verzichts, dem Anerkenntnis ( 307 ZPO), sondern dem Gestndnis ( 288 ff. ZPO): Das tatschliche mndliche Vorbringen des Klgers gilt im Falle der Sumnis des Beklagten als zugestanden; der Beklagte ist daher nur insoweit zu verurteilen, als dieses Vorbringen den geltend gemachten Anspruch rechtfertigt, die Klage also schlssig ist, 331 ZPO. Dabei ist bedeutsam, dass die Gestndnisfiktion des 331 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO nicht fr das Vorbringen zur Zustndigkeit des Gerichts nach 29 Abs. 2, 38 ZPO (Gerichtsstandsvereinbarungen) gilt, es hier also bei einem unechten Versumnisurteil bleibt, wenn die Zustndigkeit des angerufenen Gerichts sich nicht aus anderen Vorschriften begrndet Fehlt eine der formellen (nicht materiellen, dann unechtes Versumnisurteil) Voraussetzungen fr den Erlass eines Versumnisurteil, so ist der Antrag durch Beschluss zurckzuweisen ( 336 ZPO; Rechtsmittel: sofortige Beschwerde) oder die Sache ist zu vertagen ( 335 Abs. 2, 337 ZPO). Liegen die formellen Voraussetzungen hingegen vor, ist die Klage schlssig und ergeht ein Versumnisurteil gegen den Beklagten spricht man von einem echten Versumnisurteil. Es ist ein echtes Sachurteil, daher auch der formellen und materiellen Rechtskraft fhig. Die Unterschiede zu einem normalen streitigen Endurteil sind die folgenden: das Versumnisurteil muss als solches berschrieben werden, 313 b Abs. 1 Satz 2 ZPO; es ist immer ohne Sicherheitsleistung fr vorlufig vollstreckbar zu erklren, 708 Ziff. 2 ZPO; 711 ZPO findet keine Anwendung; es bedarf grundstzlich nicht des Tatbestandes und der Entscheidungsgrnde, 313 b Abs. 1 Satz 1 ZPO

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es ist nur mit Einspruch anfechtbar, 338 ZPO

Obwohl ein Versumnisurteil deutlich weniger Arbeit macht als ein streitiges Urteil, ist es soweit es die Gerichtsgebhren betrifft - nicht unbedingt billiger. Fr das erstinstanzliche Verfahren fallen stets drei Gebhren an, die auch bei Erlass eines Versumnisurteils anders als beim Erlass eines Anerkenntnis- oder Verzichtsurteils nicht teilweise zurckerstattet werden (HansOLG MDR 1998, 623). Dagegen kostet in der Berufungsinstanz das Verfahren im allgemeinen nur 1,5 Gebhren. Hierzu kommen im Falle einer streitigen Entscheidung 3 Urteilsgebhren, die fr ein Versumnisurteil nicht erhoben werden. Als unechtes Versumnisurteil wird ein im Sumnistermin ergehendes streitiges Endurteil gegen den anwesenden Klger bezeichnet, durch das die Klage als unzulssig oder unschlssig abgewiesen wird, 331 Abs. 2, 2. Alt. ZPO. Achtung: bei einem solchen unechten Versumnisurteil mssen Tatbestand und Entscheidungsgrnde gefertigt werden, 313 b Abs. 1 ZPO gilt nicht. Das unechte VU unterscheidet sich in Form und Inhalt auch ansonsten nicht von normalen Urteilen, die aufgrund einer streitigen Verhandlung ergehen. Wie diese ist es auch nur mit der Berufung ( 511 ZPO) anfechtbar. Auch fr den Vollstreckungsausspruch gilt nicht 708 Nr. 2 ZPO, sondern 708 Nr. 4 11, 711 ZPO oder 709 ZPO. Eine Entscheidung nach Lage der Akten kann abweichend von dem Mndlichkeitsgrundsatz unter den Voraussetzungen des 251 a oder des 331 a ZPO ergehen. Die Vorschriften dienen der Prozessfrderung, insbesondere soll eine Prozessverschleppung durch wiederholte Sumnis vermieden werden: Bei 251 a ZPO sind beide Parteien sumig und eine Entscheidung nach Lage der Akten wird von Amts wegen beschlossen. Bei 331 a ZPO ist nur eine Partei sumig und es ist ein Antrag der anderen Partei erforderlich. Voraussetzung fr beide Vorschriften ist, dass mindestens einmal vorher streitig verhandelt worden ist. Bei einem Urteil nach Lage der Akten ist der gesamte Prozessstoff, der mndlich oder schriftstzlich bis zu dem versumten Termin von beiden Parteien vorgetragen worden ist, der Entscheidung zugrunde zu legen. Die Gestndnisfiktion des 331 Abs. 1 ZPO gilt hier nicht. Ein Urteil nach Lage der Akten schliet die Instanz endgltig ab. Hiergegen gibt es nur noch die Mglichkeit der Berufung oder Revision. Es unterscheidet sich nach Form und Inhalt nicht von sonstigen streitigen Urteilen nach mndlicher Verhandlung. Nur im Rubrum ist anstelle von ... auf die mndliche Verhandlung vom ... zu formulieren: ... nach Lage der Akten am ... (versumter Termin) Bei einem Urteil nach 331a ZPO ist im Rahmen der vorlufigen Vollstreckbarkeit allerdings 708 Nr. 2 ZPO zu beachten. Das Urteil ist also vorlufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung und Abwendungsbefugnis. Wird das schriftliche Vorverfahren gem 276 ZPO angeordnet und teilt der Beklagte nach Aufforderung durch den Vorsitzenden und Belehrung ber die Sumnisfolgen nicht innerhalb der Notfrist von zwei Wochen mit, dass er sich gegen die Klage verteidigen wolle, so kommt auf Antrag des Klgers ein Versumnisurteil ohne mndliche Verhandlung in Betracht, 331 Abs. 3 ZPO. Viele Anwlte stellen einen solchen Antrag bereits routinemig in der Klagschrift. Es ist aber auch mglich, den betreffenden Antrag in einem spteren Schriftsatz nachzuschieben. Manche Gerichte halten es fr ausreichend, wenn dieser Antrag dem Beklagten erst bei oder nach Erlass des Versumnisurteils zugeht (KG NJW-RR 1994, 1344; dag. OLG Mnchen, MDR 1980, 235). Hinsichtlich der Voraussetzungen fr den Erlass eines Versumnisurteils im schriftlichen Vorverfahren gilt das bisher zum Versumnisverfahren Gesagte. Das Gericht erlsst ein Versumnisurteil nach dem Antrag des Klgers, wenn dessen Vorbringen zur Begrndung der Klage ausreicht, d.h.

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die Zulssigkeitsvoraussetzungen gegeben sind und der Vortrag schlssig ist. Umstritten war, ob im schriftlichen Vorverfahren auch der Erlass eines unechten Versumnisurteils (also Klagabweisung durch unechtes VU) erlaubt ist, wenn die Klage also unzulssig oder unschlssig ist. Diese Frage hat nun der Gesetzgeber durch Neueinfgung von 331 Abs. 3 S. 3 ZPO beantwortet. Nach vorherigem Hinweis an den Klger ist ein solches zulssig, wenn die Klage wegen einer Nebenforderung abgewiesen wird. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass ein unechtes Versumnisurteil gegenber dem Klger nun unzulssig ist, wenn es (auch zu einem nur ganz geringen Teil) die Hauptforderung betrifft. Gegen ein (echtes erstes) Versumnisurteil ist der Einspruch statthaft, 338 ZPO. Bei dem Einspruch handelt es sich nicht um ein Rechtsmittel, sondern um einen Rechtsbehelf, denn zwar hat der zulssige Einspruch einen Suspensiveffekt i.S.d. 705 Satz 2 ZPO, indem durch diesen der Eintritt der Rechtskraft g