Skript zur Vorlesung „Innenraumdekoration“...

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1 Skript zur Vorlesung „Innenraumdekoration“ (14.06.2016) im Rahmen der Ringvorlesung: Baugeschichte II: Historische Baukonstruktionen Dozent: Ch. Merzenich, FR Konservierung und Restaurierung, FH Erfurt Bodenmosaik der Antike Einführung Fundamentaufbau: Zusammensetzung der Schichten und deren Funktion Materialien der Sichtschicht: Anforderungen unter nutzungstechnischem und künstlerischem Aspekt Entwurfsmodi (arithmetisch und geometrisch erzeugte Ornamente) Abschließendes Résumé Strappo-Technik: Abnahme allein der Tesserae (d.h. der Mosaik-steine“). (schematische Darstellung) Mosaiken bezeichnet man anhand des (auf der Deckschicht [nucleus] aufgebrachten) Sichtbelags - nach Material (Stein, Glas, Terrakotta etc.), Form und Größe der einzelnen Einheiten oder Setzweise (s.u.). Kieselmosaik (= opus lapilli). „Alexander d. Große“ (?) Detail aus dem „Hirschjagd-Mosaik“ (um 310 v. Chr.). Pella (Griechenland).

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Skript zur Vorlesung „Innenraumdekoration“ (14.06.2016) im Rahmen der Ringvorlesung: Baugeschichte II: Historische Baukonstruktionen

Dozent: Ch. Merzenich, FR Konservierung und Restaurierung, FH Erfurt Bodenmosaik der Antike ▪ Einführung

▪ Fundamentaufbau: Zusammensetzung der Schichten und deren Funktion

▪ Materialien der Sichtschicht: Anforderungen unter nutzungstechnischem und künstlerischem Aspekt

▪ Entwurfsmodi (arithmetisch und geometrisch erzeugte Ornamente)

▪ Abschließendes Résumé

Strappo-Technik: Abnahme allein der Tesserae (d.h. der Mosaik-„steine“). (schematische Darstellung)

Mosaiken bezeichnet man anhand des (auf der Deckschicht [nucleus] aufgebrachten) Sichtbelags - nach Material (Stein, Glas, Terrakotta etc.), Form und Größe der einzelnen Einheiten oder Setzweise (s.u.).

Kieselmosaik (= opus lapilli). „Alexander d. Große“ (?) Detail aus dem „Hirschjagd-Mosaik“ (um 310 v. Chr.). Pella (Griechenland).

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Würfelmosaik (= opus tessellatum) „Satyrfamilie“ Detail aus: Dionysos-Mosaik (um 230 n. Chr.) Köln, Römisch-German. Museum

Steinsplitter-Mosaik (opus segmentatum) (oben rechts) Rom, Domus di Largo Arrigo VII Rom (1. Jh. v. Chr.)

Plattenmosaik (opus sectile) Domus del Ninfeo (4. Jh.n.Chr.) Ostia antica (bei Rom), Ausgrabungen.

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Unabhängig von der Art des Sichtbelags (Mosaik, Steinplatten, Ziegelstein etc.) liegt bei antiken Fußböden ein ähnlicher Fundamentaufbau vor. Siehe etwa die diesbezügliche Bemerkung von Vitruv. Nachdem der römische Architekt die Schichten der Fundament-systems einzeln beschrieben hat, bemerkt er:

„Über die Deckschicht (nucleus) sollen nach Schnur und Wasserwaage die Fußböden gelegt werden, aus verschiedenartig zugeschnittenen Platten oder aus Mosaik.“ aus: Vitruvii de architectura libri decem, übers. von C. Fensterbusch, Darmstadt 19915, p.316.

Der vierschichtige Fundamentaufbau (bei wertvollen Fußböden):

4. Setzmörtel mit den Tesserae („Steinchen“)

3. Ausgleichsschicht aus feinem Zuschlag → Deckschicht (nucleus)

2. Ausgleichsschicht mit grobem Zuschlag (rudus)

1. Rollierungsschicht (statumen)

Die einzelnen Schichten (statumen, rudus, nucleus, Setzmörtel mit Mosaik-„Steinen“) unterscheiden sich meist in Zusammensetzung und/oder Feinheit des Zuschlags sowie zum Teil auch im Abbindeverhalten des Kalkbindemittels.

▪ Setzmörtel (= oberste Schicht, Abb. oben= n°4): (meist) Luftkalk mit geringem Anteil an feinem Zuschlag (Sand, Marmormehl) → weißfarben.

Luftkalk: der Sumpfkalk [chem: Kalziumhydroxid; Ca(OH2))] reagiert mit dem Kohlendioxid (chem.: CO2) aus der Luft zu Kalziumcarbonat (chem.: CaCO3). Die Reaktion erfolgt also ausschließlich in Präsenz von Luft → „Luftkalk“

▪ Die Ausgleichsschichten – rudus und nucleus – weisen als tiefer gelegene Schichten ( Abb. oben= n°3 und 2) vielfach eine hydraulische Bindung auf. Hierzu mischt man dem Sumpf- kalk [chem.: Kalziumhydroxid; Ca(OH2)] so genannte Hydraulefaktoren – wie z.B. Ziegel- mehl oder Vulkanerde – bei. Die Aushärtungsreaktion erfolgt ohne das CO2 aus der Luft und kommt somit z.B. auch unter Wasser zustande.

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Hydraulische Reaktion:

niedrig gebrannter Ziegelstein1 und vulkanische Erde2 verleihen - in größeren Mengen dem Mörtel beigemischt - dem Sumpfkalk (Calciumhydroxid) hydraulische Eigenschaften.

▪ Erhärtung ohne CO2 aus der Luft (≠Luftkalk).

▪ Bildung von silikatischen Bindungen (Calciumsilikate, Calcium- aluminate). 3 Ca (OH)2 + SIO2 . H2O = 3CaO . 2SiO . 3H2O + H2O↑

→ höhere mechanische Festigkeit im Vergleich zum Luftkalk → bessere Resistenz gegen Wasser im Vergleich zum Luftkalk

Putze mit Ziegelmehl sind rosé- bis rotfarben Putze mit Puzzolanen sind grau- bis grau-violettfarben.

Die wichtigsten Parameter für aufsteigende Feuchte mittels Kapillartransport

▪ Erddurchfeuchtung ▪ Porosität ▪ Porendurchmessers des die Wand konstituierenden Materials (je ge- ringer: umso größer Kapillarsog) ▪ Verdunstungsrate der Wand ▪ Luftzirkulation. ▪ Temperatur

Rollierungsschicht (n°1)

▪ unterste Schicht des Fundamentsystems

▪ ausgeführt auf dem durch Stampfen verdichteten Boden (solidum)

▪ besteht vielfach aus rollig (nicht bindig) neben- einander gesetzten größeren Steinen (Vitruv: „größer als faustgroß“)

▪ Funktion: Entkoppelung des Bodenbelags von der auf- steigender Bodenfeuchtigkeit → kapillarbrechende Schicht

1 Der Ziegelbrand erfolgte bei den antiken Römer bei Temperaturen unter 800°C (heute wesentlich höher). Abbildung oben: Ziegelmehl = fein gemahlen ; unten: Ziegelsplitt = grob gebrochen 2 „Puzzolane“, „Trass“.

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Der Sichtbelag des Mosaiks und seine Materialien:

Einige Kriterien bei der Auswahl des Mosaik-materials: 1) (lokale) Verfügbarkeit 2) Härte (Verschleißwiderstand) 3) Farbigkeit 4) Bearbeitbarkeit (u.a. Spaltbarkeit) 5) Kosten. 6) Beständigkeit (Frost, bauschädl. Salze)

„Mosaikwerkstatt“ (Det.). Abguss eines Grabreliefs (um 270 n.Chr.). Rom. Mus.della Civiltà Romana

Das Material des Bodenmosaiks muss entsprechend hart sein:

„Mohssche Härteskala“ Der deutsche Mineraloge Friedrich Mohs hat 1822 eine empirische Härtescala aufgestellt: Mineralien (und andere Materialien) werden in zehn Stufen eingeordnet, wobei ein Mineral das jeweils in der Skala Nachstehende ritzt. 2) Härte (Verschleißwiderstand): Unterschiedlich hartes Gestein mit unterschiedlichem Grad mecha-nischer Abnutzung.

Bsp. Cosmaten-Fußboden (12. Jh.) S. Maria Maggiore, Rom. (rechts oben) s/w-Mosaik (Det.), 2. Jh. n. Chr. Ostia Antica, Ausgrabung (rechts unten).

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Auch wenn Kalkstein mit der Mohshärte 3 „nur“ als mittelhart eingestuft wird, lässt er sich (siehe rechts) „vollkommen“ spalten.

Diese - für die Würfelherstellung -sehr gute Eigenschaft macht ihn zum weitaus meist genutzten Stein bei antiken Bodenmosaiken (op. tesselatum) (rechts: Ergebnis einer statistischen Erhebung zu Steinen in antiken Bodenmosaiken).

Gegenprobe: der Kiesel. Über Jahrhunderte hinweg findet der ungespaltene Kiesel (Mohshärte: 7) breiteste Ver-wendung in den so genannten „Kieselmosaiken“ (rechts u. S.1) Beim Aufkommen des Würfel-mosaiks (s. S.2) wird er wegen fehlender Spaltbarkeit nicht mehr eingesetzt.

Zur Ergänzung der Farbpalette (begrenzte Steinfarbigkeit!) Ver-wendung von buntem Glas als Würfelmaterial.

▪ seit etwa der Zeitenwende

▪ anfänglich vor allem blau und grün (Steine dieser Farbigkeit nicht mosaiktauglich).

▪ sehr begrenzter Einsatz

▪ Schutz vor mechanischer Be- lastung durch die Umgebung aus Steinwürfeln (s. rechts).

Mosaikboden aus Villa in Genazzano (um 160 – 170 n. Chr.) heute: Rom, Pal. Massimo alle Terme. Glas-Tesserae gekennzeichnet

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Dionysos-Mosaik (um 220/230 n. Chr., Fläche: über 70m²)

Römisch Germanisches Museum, Köln

▪ rechts: graphische Dokumentation: in Glas-Tesserae ausgeführte Flächen (gelb) →ungewöhnlich viele und große zusammenhängende Bereiche ▪ Hervorhebung: Feld mit „Panther“ (s.u.). © FH Erfurt

Panther aus dem „Dionysos-Mosaik“ Römisch-Germanisches Mus., Köln. ▪ oben links: Auflicht ▪ oben rechts: Bestand Glas-Tesserae ▪ unten links: Beschädigungen (abge- brochene Kanten) vor allem der Glas- Tesserae (Streiflicht).

© FH Erfurt.

Qualitätsunterschied bezüglich Feinheit (und Setzweise) der Mosaik-„Steinchen“ (Tesserae) Rechts (im selben Maß-stab): Kopf des Panthers (Köln, s.o.) und Gesicht des jungen Dionysos (Rom).3

3 Emblema eines Fußbodenmosaiks mit Gesicht des jungen Dionysos (1. Jh. n. Chr.). Rom, Pal. Massimo Kleinst-Tesserae mit Seitenlänge von ca.1 - 2mm.

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Die formale Gliederung antiker Bodenmosaiken:

Bad Kreuznach, römische Villa. Gladiatorenmosaik. 7,4m x 6,7m (Mitte 2. Jh. n. Chr.). Abb. aus: HORNING 2008, p.39.

Wandstreifen (hier: rot): einfarbige Zone zwischen gestalteter Mosaikfläche und auf-gehendem Mauerwerk. Kompensiert un-regelmäßigen Wandverlauf.

Studien belegen, dass die Flächenein-teilungen der römischen Mosaiken auf geometrische Weise (mit Hilfe von Zirkel und Richtscheit) generiert wurde (und weniger arithmetisch mit Maßband mit damals üblicher Längeneinheit). Auch bei nicht geometrischen Mosaiken finden sich häufig quadratische Grund-einheiten (Module), die auf eine vorher-gehende Flächenrasterung schließen lassen (s.u.).

Aus einem oder mehreren Quadraten generierte geometrische Muster:

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Siehe: TEBBY 1987, p.289 und rechts aus: FISCHER 1969, T. 24.

Literatur:

▪ Tebby, Susan: Geometric mosaics of Roman Britain, in: Fifth International Colloquium on Ancient Mosaics, Bath (England) 5. -12. September 1987, Ann Arbor 1994, pp. 273-294. ▪ Prudhomme, Richard.: Recherches des principes de construction des mosaïques géométriques romaines, in: La Mosaïque Gréco-Romaine, Colloque Int. Pour l‘Étude de la Mosaïque antique, Vienne 30.8.-4.9.1971, hrsg. von H. Stern und M. Le Glay, Paris 1975, Bd. 2, pp.339-346.

Literatur (allgemein) zur Technik und Geschichte des Mosaiks: ▪Fischer, Peter: Das Mosaik. Entwicklung, Technik, Eigenart, Wien 1969 ▪Meyer, André: Mosaik, in: Knoepfli, Albert e.a.: Wandmalerei, Mosaik, Stuttgart 1997 [Reclams Handbuch der künstlerischen Techniken; Bd. 2]