Sloterdijk_ich Bin Nicht Zornig_Cicero
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8/8/2019 Sloterdijk_ich Bin Nicht Zornig_Cicero
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Berliner Republik
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Sie in der Ausgabe November 2006
http://www.cicero.de/839.php?ausgabe=11/2006
Ich bin nicht zornigvon Peter Sloterdijk
Peter Sloterdijk ist neben Jrgen Habermas der bekannteste
Gegenwartsphilosoph in Deutschland. Im Gesprch mit Cicero gibt er
Auskunft ber seine Denkwelt, ber sich selber und seinen neuen
Lieblingsbegriff: den Zorn
Herr Sloterdijk, bevor wir zum Abstrakten kommen, mchte ich ganzkonkret beginnen, ich glaube an die tiefere Bedeutung von Namen. Wie istdas mit Ihrem. Warum heien sie Peter?Das drckt zunchst die Vollmacht des Namensgebers aus. Wie Sie bin ich fest von
der Bedeutung von Namen berzeugt, weil Namen oft unbewusst einen
programmatischen Vektor fr das Leben in sich tragen. Aber bei mir
...wollten die Eltern vielleicht, dass Sie einmal eine papsthnliche Gestaltfr die Philosophie werden. In Ihrem Peter steckt das Petrinische?Nein. Ich bin ganz skularisiert benannt, da ist nichts Papistisches im Spiel. Ganz
im Gegenteil. Der Name Peter ist ja der Nachkriegsname Deutschlands schlechthin,
Peter 1947 bedeutet nicht Peter der Groe, 1947 wollte man kleine Peters haben,der Name stellt sein eigenes Diminutiv dar, sozusagen den Kater an sich, etwas
Kleines, Nettes, das man sich zulegt, wenn die heroische Mnnlichkeit Schiffbruch
erlitten hat.
Und Ihr Nachname?Er war mir lange rtselhaft. Eine interessante Situation, seinen eigenen Namen
nicht zu verstehen, das bringt ein reizvolles Selbstverhltnis hervor, weil man
dadurch sprt, mit einer Dunkelheit und Unauflslichkeit ausgestattet zu sein, und
man also selbst etwas mit seinem Namen machen muss, sich einen Namen machen
muss. Je unverstndlicher der Name, desto geringer die programmatische Mitgift.
Programmatisch ist ein gutes Stichwort. Ihr neues Buch Zorn und Zeitwirkt wesentlich programmatischer und ernster als Ihre vorigen Werke
Das stimmt. Es ist das erste Buch aus meiner Feder, bei dem ich selbst das Gefhlhabe, dass es dem Autor ber den Kopf wachsen knnte, weil der Gegenstand so
ernst und so titanisch ist und weltgeschichtliche Perspektiven einschliet. Dieses
Ernstfallgefhl ist singulr. Es ist ja eine Auseinandersetzung mit dem Erbe des 19.
und 20. Jahrhunderts auf dem Gebiet der Zornverwaltung, der Stoff, aus dem die
Katastrophen sind. Die Unheimlichkeit des Gegenstands hat mich in der Tat
eingeholt.
Nun sind Sie ein leidenschaftlicher Schpfer neuer Begriffe, und einerdieser Begriffe im neuen Buch ist die Zornbank. Haben Sie den Begriffbewusst der konomischen Welt entlehnt?Es geht im Hintergrund um eine allgemeine Theorie der Banken, oder besser,
Kapitalsammelstellen, das Geld wird auf die Bank gebracht, dort wird es munter,
reist um die Welt, als Kredit hin, als Profit zurck, das ist Globalisierung. Natrlichsind zur Zeit der ersten Globalisierungwelle, in der frhen Neuzeit, nicht nur die
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Ich sehe zwar den guten bsen Willen, die Dinge aufzulsen, aber die interne
Kohrenz der Gesellschaft, die Leistungsfhigkeit der Institutionen, die sich in
einem unvergleichlich anderen Aggregatzustand befindet als zu Zeiten der
russischen Revolution, wir haben lernende Institutionen. Die Wissenschaften stehen
wie eine Eins, weltweit, das wird jetzt nicht durch ein paar islamische Gelehrte
gefhrdet, die sagen, da werde aber das Problem der Gotteserkenntnis nicht auf
befriedigende Weise gelst.
Sie tun so, als stnden wir im Ideenwettbewerb, aber hier steht doch dieIdeenwelt gegen die Kategorie der Bombe.Der Konflikt ist absolut ernst, die Wissenswelt ist ja nur der Anfang der
Betrachtung, denken Sie an das Gesundheitssystem, das Recht.
Die berlegenheit des militrischen Systems beruhigt mich da weitausmehr.Das Wissen strmt natrlich auch ins Subsystem des Militrs hinein. Das Problem
dieses Militrs ist es, keinen ebenbrtigen Gegner zu haben, die Terroristen sind zu
unterlegen, um mit ihm kmpfen zu knnen, das wird in einer methodisch
gefhrten optischen Tuschung als Bedrohung verarbeitet.
Was wre denn Ihr Vorschlag?Denken Sie an Carl Schmitts berhmte Formulierung Souvern ist, wer ber den
Ausnahmezustand entscheidet, ich transformiere ihn ein wenig, indem ich sage:
Souvern ist, wer in der Lage ist, glaubhaft zu drohen, und zu drohen heit in der
Sprache der Strategiewissenschaft, einen bewaffneten Ratschlag bermitteln. Das
Interessante am Terrorismus ist, dass dort eine Reinform der Drohung entwickelt
wurde, die drohen ihre Drohung an, es wird nichts vorgeschlagen, es wird eine
reine Drohung in den Raum gesetzt, deren Bedeutsamkeit noch nicht zu fassen ist,
deswegen neige ich dazu, das Ganze eher in Ausdrcken der Medienkunst zu
interpretieren und nicht so sehr in Ausdrcken der Politologie.
Um auf diesen Zorn zu antworten, brauchen wir wohl mehr als Vertrauenin die Moderne. Mssen wir zur eigenen Verteidigung selbst zornigerwerden?Nicht zornig, sondern stolz, wir mssen den ganzen Pol des Thymotischen erst
wieder entdecken, auch in der Theorie mssen wir eine Psychologie entwickeln,nicht fr Patienten, sondern fr Kmpfer, oder anders und besser gesagt, fr Leute,
die in Form sind. Der Patient ist der Mensch ohne Stolz, das ist das Ergebnis von
hundert Jahren Therapiekultur, das konvergiert mit dem Homo consumens, den der
Kapitalismus herstellt, alles luft auf diese Erotisierung hinaus, deswegen verstehen
wir den Thymotiker auch nicht, und die Islamisten sind berwertige Thymotiker. Es
wre eine falsche, von der Psychoanalyse nahegelegte Herablassung zu sagen, der
Stolz meldet sich nur bei Menschen, die erotisch nicht zum Zuge kommen,
sozusagen ein Ersatzprogramm des Eros fr die, die es ntig haben, der Stolz
kommt allem Ntighaben zuvor, er ist die im Sein selbst gesetzte Tendenz, geltend
zu machen, was man will und was man kann. Und wenn das zu sehr deformiert,
entstehen ressentimenthafte Ausbildungen des Stolzes.
Wie reagiert man denn adquat auf ressentimentgeladene junge Mnner?Wenn der Herausforderer im Modus des Ressentiments herausfordert, dann bleibt er
wahrscheinlich unsichtbar, weil er nicht die Gangart des freien Stolzes whlen kann.
Wir mssen daran arbeiten, diese schmutzige, kloakenhafte Qualitt des
Terrorismus, diese Bomben-Argumentationen in echte Herausforderungen
umzuwandeln.
Und welche Herausforderungen htten Sie da im Sinn?Es spricht eigentlich alles fr das Sportliche, die Griechen hatten einen ffentlichen
Ringplatz, die Palaistra, auf dem junge Mnner, die sich zeigen wollten,
gegeneinander antreten konnten, darauf luft es letzten Endes hinaus, und das ist
Kulturarbeit, das ist die Arbeit der Zivilisierung der Gefhle berhaupt, dass man
diesen Gefhlen ein Parlament gibt, eine Arena, in der sie sich zeigen und klren
knnen, der Westen hat Erfahrungen hiermit, denn politische Parteien sind nichts
anderes gewesen, vor allem im linken Bereich, als Klrwerke fr dunkle Regungen.Man muss die Stolzkomponente im Terror versuchen, in Reindarstellung zu fassen,
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der Terror ist eine Verhaltensweise, der diese Reindarstellung nicht duldet, da ist
schmutzige, im wahrsten Wortsinne niedertrchtige Energie drin, die sich selbst die
Absolution erteilt und zwar unter unsportlichen, das heit religisen Verbrmungen,
deswegen ist Religion so gefhrlich, vor allem monotheistische Religion, weil sie
eine kriecherische Metaphysik untersttzt, die Religionen sind Gefe des
metaphysischen Masochismus, das heit, man bekommt die Form vorgegeben, in
der man sich unterwerfen darf.
Ach, Herr Sloterdijk, mit billiger Religionskritik des 19. Jahrhundertskommen wir doch nicht weiter.Vielleicht doch, denn die Religion ist immer eine Verhandlung ber den Punkt, an
dem der Mensch sich unterwirft, denn darum geht es, um die Anerkennung der
Instanz, die das Recht hat, den Tod zu geben, und zwar den guten Tod zu geben,
einen Tod, der keine Gemeinheit ist. Religion ist das Gef, in dem diese
Transaktion bewltigt wird, und das ist eine ungeheure Zivilisationsleistung, denn
ansonsten gehen die Menschen hin und sagen, jeder Tod sei ein Mord, das ist die
Reaktion der archaischen Psyche.
Immerhin erkennen Sie eine zivilisatorische Leistung der Religion an, aberknnte man es nicht auch genau umgekehrt interpretieren, die Religion alsBefreiung des Menschen aus der Absurditt seines Hingeworfenseins, einGef, das ihn erst autonom werden lsst?Da sitzt jetzt Herr Ratzinger mit uns am Tisch, denn genau dieses Thema hat er ja
in seiner Regensburger Rede behandelt, er hat darin ja zugegeben, dass es in der
Theologie ursprnglich um die Frage der Unterwerfung ging und es im Islam
angeblich noch immer so sei, dass der Herr so hoch und dunkel und unerforschlich
sei, dass er als Todgeber fungiert, so kann eine Haltung entstehen, wo sich der
Glubige selbst zum Todesengel wandelt und glaubt, dafr die Beglaubigung des
hchsten Todgebers zu besitzen, das sind die Kurzschlsse der gefhrlichen Art.
Nun gibt es auch Habermas hat jngst darauf hingewiesen die totaleUnterwerfung vor der Vernunft, der Machbarkeit, dem Naturalismus. Wasrettet uns eigentlich beiderseitig in die Humanitt?Die Frauen. Sie sind der Schlssel zur Zivilisierung. Der Islam hat sich vom Anfang
des 20. Jahrhunderts, wo er zu einer marginalen Glaubensgruppe zhlte, binnen
eines Jahrhunderts verachtfacht, das heit, hier ist Kampffortpflanzung in der Luft,und damit auch eine Form von zweiter Proletarisierung. In dem Augenblick, wo das
weibliche Dabeisein wir haben diese aufs Ganze wnschenswerte Entwicklung im
Westen , wo der weibliche Stolz gestrkt wird, strzen auch die Geburtenraten auf
vernnftige Werte herunter. Der Schlssel liegt in der Ermchtigung der Frau. Der
Terrorist ist ja in der Regel der dritte, vierte oder fnfte, das heit, der berflssige
Sohn und damit der zornige junge Mann. Der beunruhigendste Gedanke, der zurzeit
in der Welt herumgeistert, Gunnar Heinsohn hat ihn ausgesprochen, ist der
Gedanke, dass es in der arabischen Welt in den nchsten dreiig Jahren auch bei
einem massiven Abnutzungskrieg noch mehr als genug Shne gbe, und wir haben
gesehen, was an diesen Fronten mglich ist, im Krieg zwischen dem Iran und Irak,
der weitgehend unbeobachtet von den europischen Medien einer der blutigsten
Kriege des 20. Jahrhunderts war, mindestens eine Million Mnner wurden verheizt
es war die pure Lebensverschwendung, von daher fhrt fr den Westen kein Weg
daran vorbei, den Konflikt der Zivilisationen zu suchen.
Sie sprechen von einem Clash im Sinne Samuel Huntingtons?Nein, das ist ein vllig falsches Konzept, ich spreche von einem zivilisierenden
Konflikt, wir mssen die Idee eines Lebens aus dem Knnen in unterwerfungslustige
Kulturen einfhren, damit sich auch die Religion wandelt, von einer Religion der
Unterwerfung zu einer Religion des betreuten Knnens, also, europisch
gesprochen, Protestantismus, der Glaube des von Gott getragenen Knnens.
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