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So spart die deutsche Mittelschicht Wohlstand sichern: Wie Lebensstile das Anlageverhalten beeinflussen

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So spart die deutsche MittelschichtWohlstand sichern: Wie Lebensstile das Anlageverhalten beeinflussen

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Sparen im Wandel

Die Deutschen sind ein Volk von Sparern – zumindest waren sie das in der Vergangenheit: Ende der achtziger Jahre lag die Spar-quote noch um die zwölf Prozent des verfügbaren Einkommens. Inzwischen sind es nur noch neun Prozent. Hinzu kommt, dass die deutsche Bevölkerung sehr einseitig spart, bevorzugt in zinsbasier-ten Sparplänen, Bausparverträgen oder Sichteinlagen. Dank eines intakten Zinseszinseffektes hat das in der Vergangenheit auch gut funktioniert. Jetzt im Umfeld niedriger Zinsen bleibt unter dem Strich aber nichts mehr übrig. So wird klar: Wohlstandssicherung wird mit den tradierten Mustern der Geldanlage immer schwieriger.

Die Kultur des Sparens befindet sich an einem neuralgischen Punkt. Die Menschen merken teilweise, dass ein klassisches „Weiter so“ nicht mehr funktioniert. Sie sind verunsichert, weil sie nicht wissen, wie es stattdessen gehen könnte. Die einen fahren deshalb ihre Sparanstrengungen zurück, andere machen dennoch weiter, als sei nichts geschehen. Dabei wissen viele, dass man auf das Sparen auch in Zeiten niedriger Zinsen nicht verzichten darf. Damit es sich jedoch lohnt, müssen neue Wege gefunden werden.

Diese Evolution des Sparens stellt die Menschen vor große Heraus- forderungen – insbesondere die Mittelschicht, die rund 60 Prozent der deutschen Sparer abbildet. Über die Mittelschicht ist in den vergangenen Jahren viel geschrieben worden – über ein mögli-ches Schrumpfen, über ihre Ängste und ihre Ziele. Zu kurz kam dabei mitunter, dass es „die Mittelschicht“ als homogene Masse so nicht gibt. Denn dahinter stecken ganz unterschiedliche Lebens- stile, Werte und Erwartungen.

Hier setzt diese Studie an und beleuchtet die Sparkultur in den verschiedenen Milieus der Mittelschicht, um die heterogenen Ziele, Verhaltensweisen und Ängste besser zu verstehen und damit die Bedürfnisse der Zielgruppen. Das ist ein wichtiger erster Schritt, um Ansätze zu entwickeln, die dazu beitragen, das Sparen den neuen Erfordernissen im Niedrigzinsumfeld anzupassen und damit den Wohlstand der Deutschen zu sichern.

Hans Joachim Reinke

Hans Joachim ReinkeVorstandsvorsitzender der Union Asset Management Holding AG

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Mittelschicht ist nicht gleich MittelschichtAuf die Milieus kommt es an: das Studiendesign

Deutschland geht es gut. Die Bundesrepublik hat die globale Finanz- und Wirtschaftskrise relativ unbeschadet überstanden und bislang auch die Eurokrise erfolgreich gemeistert. Sinkende Arbeitslosenzahlen und steigende Realeinkommen stimmen die Deutschen grundsätzlich optimistisch, wie Umfragen zeigen. Trotzdem sorgen sich insbesondere die Angehörigen der Mittel-schicht um den Erhalt ihres hart erarbeiteten Wohlstands, um ihre Altersvorsorge und um die Zukunft der nachfolgenden Generation.Eine Ursache für die Verunsicherung ist die anhaltende Niedrig- zinspolitik der Europäischen Zentralbank. Aber auch der demo- grafische Wandel und die sinkenden Bevölkerungszahlen spielen eine Rolle.

Mittelschicht steht für 60 Prozent der Haushalte

„Die Mittelschicht schrumpft.“ Diese Aussage ist in den vergan-genen Jahren viel zitiert worden. Statistisch ist das nicht belegbar: Schon in den 1980er Jahren gehörten 60 Prozent der deutschen Haushalte dazu. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Wie steht es um ihre Vermögensbildung?

Um diese Frage zu beantworten, hat Union Investment das Handelsblatt Research Institute (HRI) unter Leitung von Profes-sor Dr. Bert Rürup beauftragt, Sparverhalten und Sparmotive deutscher Haushalte unter Berücksichtigung der Lebensstile zu

untersuchen. Ausgangspunkt bildet die These, dass Lebensstile einen stärkeren Einfluss auf das Sparverhalten ausüben als bislang angenommen.

Grundlage der Untersuchung sind die Daten des Sozio-ökono- mischen Panels (SOEP), einer jährlich durchgeführten Wieder- holungsbefragung von Privathaushalten und die in der Marktfor-schung etablierten „Sinus-Milieus®“ des Heidelberger Sinus- Instituts. Während sich Erstere gut zur Analyse der Verschiebung der Einkommensverhältnisse eignen, lassen die Sinus-Milieus Schlüsse auf die Wertvorstellungen, die unterschiedliche Risiko- bereitschaft und die materiellen Bedürfnisse der Mittelschicht zu. Die Studie konzentriert sich dabei auf die fünf Milieus, die der deutschen Mittelschicht zugeschrieben werden: das bürgerliche, traditionelle, sozialökologische, adaptiv-pragmatische und hedo- nistische Milieu.

Lebensstile beeinflussen das Sparverhalten

So entsteht ein umfassendes Bild der materiellen Möglichkeiten und Wünsche der deutschen Mittelschicht. Und nicht nur das. Vor allem liefert die Untersuchung eine Antwort auf die Frage, warum nicht alle Haushalte der Mittelschicht gleich sparen. Fest steht nun: Das sozioökonomische Umfeld und unterschiedliche Lebensstile müssen bei der Analyse des Sparverhaltens stärker berücksichtigt werden.

Fünf Milieus in der Mitte der GesellschaftDie gesamte Studie steht im Netz zur Verfügung unter:www.wohlstand-mittelschicht.de

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Im Schnitt 50 Jahre alt mit einem Haushaltseinkommen von 2.368 Euro im Monat – das ist die deutsche Mittelschicht. Ihre Angehörigen sind ein wenig älter als der Durchschnitt der Ge-samtbevölkerung mit 48 Jahren. Mit fast einem Drittel liegt der Anteil an Rentnern und Pensionären in der Mittelschicht über dem Durchschnitt.

Größer als angenommen

Zur Mittelschicht werden nach gängiger Konvention alle privaten Haushalte in Deutschland gezählt, die ein äquivalenzgewichtetes Nettoeinkommen zwischen 70 und 150 Prozent des mittleren Einkommens (Medianeinkommen) vorweisen können. Nach dieser Definition gehören in Deutschland rund 60 Prozent der Haushalte zur klassischen Mittelschicht. Und das schon seit den 1980er Jahren. Die Mittelschicht schrumpft also nicht, wie befürchtet.

Kurzfristiges Sparen im Vordergrund

Mehr als die Hälfte aller Mittelschichthaushalte legt jeden Mo-nat einen fixen Betrag zurück. Grundsätzlich spart die deutsche Mittelschicht lieber kurz- als langfristig, etwa für eine Urlaubs-reise (38 Prozent) oder eine größere Anschaffung (36 Prozent). Nur 29 Prozent sorgen extra für einen finanziell abgesicherten Lebensabend vor. Bei der Geldanlage setzen die Haushalte auf Sicherheit: Zwei Drittel sind nicht bereit, für eine in Aussicht gestellte höhere Rendite ein Risiko einzugehen. Das restliche Drittel ist zwar auch sicherheitsbewusst, geht aber überschau-bare Risiken ein. Demzufolge ist die bevorzugte Sparform der Mittelschicht das Girokonto (96 Prozent), dicht gefolgt vom Sparbuch (65 Prozent).

Gut versichert ...

Nicht nur bei der Vermögensbildung agieren die Haushalte der Mittelschicht vorsichtig. Auch ihre Vermögenswerte scheinen sie gut absichern zu wollen: 80 Prozent der Befragten besitzen eine Hausratversicherung, 65 Prozent eine Kaskoversicherung für ihr Auto und ein Drittel eine Gebäudeversicherung. 40 Prozent ha-ben eine private Unfallversicherung abgeschlossen, 68 Prozent eine private Haftpflichtversicherung, und 17 Prozent verfügen über einen Berufsunfähigkeitsschutz.

...aber nicht unbedingt für den Ruhestand

15 Prozent der Mittelschichtangehörigen besitzen eine betrieb-liche Altersvorsorgeanlage, eine staatlich geförderte Riester-Ren-te haben 14 Prozent abgeschlossen. Allerdings: Die Hälfte aller Befragten besitzt weder das eine noch das andere.

Das ist die deutsche Mittelschicht

Fast zwei Drittel der deutschen Privathaushalte gehören zur Mittelschicht. Wodurch zeichnen sie sich aus und wie sparen sie? Ein Überblick

Die Mitte der Gesellschaft

60%der Gesamtbevölkerung

€ 2.368durchschnittliches Haushaltseinkommen

50Jahre alt

Die Einkommensmitte Das Medianeinkommen ist die Einkommenshöhe, bei der es genauso viele Menschen mit einem höheren wie mit einem niedrigeren Einkom-men gibt. Das bedeutet: Würde man die Bevölkerung nach der Höhe ihres Einkommens in zwei Gruppen einteilen, erhielte die Person, die genau zwischen den beiden Gruppen steht, das Medianeinkommen. Das Medianhaushaltseinkommen liegt bei 1.641 Euro netto im Monat.

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Fünf Milieus, fünf Anlageziele

Worauf legen Menschen Wert, wie leben sie, welche Wün-sche haben sie? Die Milieuforschung erfasst alle wich-tigen Erlebnisbereiche wie etwa Arbeit, Freizeit, Familie und Geld, mit denen eine Person täglich zu tun hat, und verdichtet sie zu einer Basistypologie, den Sinus-Milieus®. Zum ersten Mal hat das Markt- und Sozialforschungs- unternehmen Sinus Sociovision diese Zielgruppen-Typolo-gie Anfang der 1980er Jahre erstellt.

Der Milieuansatz zielt darauf ab, Status und Verände-rungen in den Einstellungen und Verhaltensweisen der Bevölkerung vor dem Hintergrund des sich vollziehenden Wertewandels zu beschreiben.

Lebensechtes Abbild der Gesellschaft

Bei der Definition der Milieus handelt es sich im Unter-schied zur traditionellen Schichteinteilung um eine inhalt-liche Klassifikation. Grundlegende Wertorientierungen, die Lebensstil und -strategie bestimmen, gehen dabei ebenso in die Analyse ein wie Alltagseinstellungen, Wünsche, Ängste und Erwartungen an die Zukunft. Im Gegensatz zu sozialen Schichten beschreiben die Sinus-Milieus® real existierende Subkulturen in unserer Gesellschaft mit gemeinsamen Sinn- und Kommunikationszusammenhän-gen in ihrer Alltagswelt – ein lebensechtes Abbild der Gesellschaft und kein statistisches Konstrukt.

Entwicklungen wie die Flexibilisierung von Arbeit und Privatleben, die Erosion klassischer Familienstrukturen, die Digitalisierung des Alltags und die wachsende Wohlstands- polarisierung resultieren in einer nachhaltig veränderten Milieulandschaft. Das Sinus-Institut spricht an dieser Stelle von der „Unschärferelation der Alltagswirklichkeit“. Parallel zum Wertewandel in der Gesellschaft wird das Milieumodell daher immer wieder mit der Realität abge-glichen und angepasst. Zuletzt erfolgte dies im Jahr 2010.

Von traditionell bis hedonistisch – die deutsche Mittelschicht ist so vielfältig wie ihr Sparverhalten

Traditionelle Mitte

Die sicherheits- und ordnungsliebende Kriegs- und Nachkriegs- generation ist tief in Traditionen verwurzelt. Für ihre Mitglieder gilt, dass sie wirtschaftlich versorgt sind. Daher weicht das Spar-verhalten deutlich von dem anderer Milieus ab.

Den Status quo sichern

Altersvorsorge steht bei der traditionellen Mitte nicht mehr im Fokus, denn drei Viertel fühlen sich ausreichend abgesichert. Mehr als ein Drittel wohnt im Eigenheim. Bevorzugt werden sichere und liquide Geldanlagen. Dabei steht klar das Ziel im Vordergrund, Erreichtes zu bewahren – gerade auch für potenzielle Erben. Weitere Sparanlagen als die vorhandenen sind nicht geplant. Dementsprechend gering ist das Interesse an Geldanlageinforma-tionen.

15,3%der Deutschen(10,8 Mio. Bürger)

€ 1.893durchschnittliches Haushaltseinkommen

68Jahre alt

• Sicherheitsliebende Nachkriegsgeneration• Kleinbürgertum, Arbeiterkultur• Höchster Anteil an Rentnern/Pensionären• Niedrigste Einkommen der Mittelschicht

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Bürgerliche Mitte Sozialökologische Mitte

14%der Deutschen(9,9 Mio. Bürger)

€ 2.499durchschnittliches Haushaltseinkommen

51Jahre alt

7,2%der Deutschen(5,0 Mio. Bürger)

€ 2.591durchschnittliches Haushaltseinkommen

50Jahre alt

Das Zentrum der deutschen Mittelschicht strebt sichere und har-monische Verhältnisse an. Angehörige dieses Milieus haben sich vielfach bereits sozial und beruflich etabliert. Überdurchschnittlich häufig verfügen sie daher auch über eine eigene Wohnimmobilie. Sie sparen am regelmäßigsten und am intensivsten. Es sind so gut wie alle Sparformen verbreitet, dabei dominieren sichere und liquiditätsorientierte Anlageformen.

Sicherheit ist das A und O

Im bürgerlichen Milieu leben überdurchschnittlich viele Fonds- sparer. Auch in den Depots spiegelt sich die ausgeprägte Affinität zu Immobilien wider. Die bürgerliche Mitte hat ein ausgesprochen hohes Sicherheitsbedürfnis – dies zeigt sich sowohl bei den An- lagepräferenzen als auch bei der finanziellen Absicherung von Vermögenswerten sowie der eigenen Erwerbsfähigkeit. Die kom-fortable Ausstattung der Haushalte mit Konten und Geldanlagen hat allerdings zur Folge, dass der aktuelle Bedarf als weitgehend gesättigt angesehen werden muss. Wenn in den nächsten Jahren die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen, wird davon die bürgerliche Mitte stark betroffen sein.

In keinem anderen Milieu ist die Wertorientierung so tief verankert wie im sozialökologischen. Das soziale Gewissen ist stark ausge-prägt. Den Menschen ist es wichtig, bewusste Entscheidungen zu treffen. Hier sind besonders viele Akademiker und Beamte ver- treten, die im nächsten Jahrzehnt aus dem Erwerbsleben ausschei-den werden.

Nachhaltige Anlagen sind gefragt

Viele besitzen Immobilien und haben breit vorgesorgt. Häufig wer-den weitere Geldanlagen nicht geplant. Größeres Geldvermögen hat in diesem Milieu eine vergleichsweise untergeordnete Bedeu-tung. Es besteht eine Präferenz für nachhaltige Anlagen. Auffällig ist der relativ hohe Anteil an Fondsbesitz in diesem Milieu.

• Leistungs- und anpassungsbereit• Streben nach sozialer und beruflicher Etablierung• Generelle Bejahung gesellschaftlicher Ordnung

• Soziales und ökologisches Gewissen• Globalisierungs-/Konsumkritiker• Höchste Akademikerrate

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Adaptiv-pragmatische Mitte Die hedonistische Mitte

8,9%der Deutschen(6,3 Mio. Bürger)

€ 2.638durchschnittliches Haushaltseinkommen

38Jahre alt

15,1%der Deutschen(10,6 Mio. Bürger)

€ 2.411durchschnittliches Haushaltseinkommen

38Jahre alt

Ihre Mitglieder sind anspruchsvoll, zielorientiert und wollen die Kapitalanlagen optimiert wissen. Dieses Milieu verfügt über ein ausgeprägtes Zugehörigkeitsgefühl, gepaart mit großer Anstren-gungsbereitschaft. Man schafft es, traditionelle Werte und gesell-schaftliche Modernisierung miteinander zu kombinieren. Dabei befinden sich viele in einer beruflichen oder familiären Aufbau-phase. Vorsorgesparen ist nicht sonderlich stark ausgeprägt.

Flexibilität ist wichtig

Viele bevorzugen eine flexible Anlage, um auf schwer abschätz-bare Herausforderungen der Zukunft als Konsequenz unsteter Lebensverläufe reagieren zu können. Pragmatismus wird auch bei der Geldanlage großgeschrieben. Adaptiv-Pragmatische sind daher auch offen für die Beratung, wenn sie ihnen weiterhilft. Es gibt ein großes Interesse an Immobilien, die als Altersvorsorge ge-sehen werden. Hinzu kommt ein überdurchschnittliches Interesse an Investmentfonds.

Wohlstandssicherung steht (noch) nicht auf der Agenda. Diesem Milieu geht es weniger um Besitz, und das verändert zwangsläufig das Sparverhalten. Denn das Leben im Hier und Jetzt lässt nur wenig Raum für die langfristige Vermögensplanung. Daher ist das Anlageverhalten unregelmäßig und wenig zielorientiert. Ausnah-me: Bildungssparen, zu dem Hedonisten am ehesten bereit sind.

Risikobereit und an Aktien interessiert

Die Haushalte agieren in der Geldvermögensbildung zwar eher ziellos, sind aber dennoch anspruchsvoll. Der vergleichsweise späte Eintritt in das Erwerbsleben erfordert ein Sparen in rendite- starken Anlagen, um ein nennenswertes Geldvermögen zu bilden. Dem kommt eine risikofreudigere Anlageeinstellung entgegen. Fraglich ist, ob die erforderliche Kompetenz in Finanzfragen vor- handen ist. Bekannt ist allerdings ein hohes Interesse an Börsen-daten. Starre Angebote werden nicht angenommen. Es bedarf größerer Flexibilität.

• Spaßorientierte moderne untere Mitte• Lebt im Hier und Jetzt• Verweigerung von Konventionen und

Erwartungen der Leistungsgesellschaft• Weniger als die Hälfte ist berufstätig

• Leistungsbereite moderne Mitte der Gesellschaft• Nutzenkalkül, konventionell, kompromissbereit

und sicherheitsorientiert• Streben nach Verankerung und Zugehörigkeit• Höchste Einkommen in der Mitte

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Die Analyse der Milieus und der damit verbundenen Lebensstile stellt die Relevanz gängiger Annahmen für das Sparverhalten infrage. Das gilt etwa für die Bedeutung der Einkommenshöhe. Es zeigt sich: Das konkrete Sparverhalten eines Haushalts wird in hohem Maß von dessen sozialer Bezugsgruppe bestimmt. So sparen Haushalte, die unterschiedlichen Milieus angehören, bei ähnlich hohen Einkommen sehr unterschiedlich. Die Bedeutung der Einkommenshöhe wird daher im Einzelfall stark überschätzt.

Junge Milieus mit Nachholbedarf

Die Milieubetrachtung liefert realitätsnahe Erkenntnisse. So weicht das Sparverhalten der beiden jungen Milieus (Hedonisten und Adaptiv-Pragmatische) deutlich vom durchschnittlichen Sparver-halten ab. Bei Hedonisten und Adaptiv-Pragmatischen besteht Interesse an Geldanlage und Altersvorsorge. Beides wird jedoch vielfach (noch) nicht angegangen, obwohl der Bedarf erkannt zu sein scheint. Jedenfalls fühlen die Jüngeren sich überwiegend nicht ausreichend für das Alter abgesichert.

Kurzfristige Sparmotive gewinnen an Bedeutung

Das kurzfristige Zielsparen hat in der Mittelschicht eine höhere Bedeutung als langfristiges Sparen. Diese Entwicklung deutet darauf hin, dass die Bundesbürger immer weniger zu längerfris- tigem Konsumverzicht bereit sind. Der gesamtwirtschaftliche Trend zu kurzfristigeren Sparzielen spiegelt sich in einer betont liquiden Geldvermögensbildung über alle Milieus.

Bildungssparen wird zum Thema

Auffällig ist bei Adaptiv-Pragmatischen und Hedonisten ein Inter-esse an Produkten des Bildungssparens. Aus volkswirtschaftlicher Sicht könnten sich hier Anreize als sinnvoll erweisen, die staatliche Bildungsziele unterstützen. Die durchschnittliche Verbreitung von Riester-Verträgen im ansonsten wenig sparaffinen Hedonistenmili-eu zeigt, dass steuerliche Anreize ihre Wirkung in dieser Zielgrup-pe nicht verfehlen.

Ältere Milieus: Handlungsbedarf im Niedrigzinsumfeld

Doch auch für die Haushalte in den weniger dynamischen Milieus der bürgerlichen und der sozialökologischen Mitte gibt es hin-sichtlich der Geldanlage Entscheidungsbedarf. Es laufen in den kommenden Jahren viele Lebensversicherungen aus, und zahlrei-che Bausparverträge werden frei. Für die Haushalte gilt es, gerade im Niedrigzinsumfeld geeignete Wiederanlagemöglichkeiten zu finden, um langfristig ertragreich anlegen zu können.

Risikofreudig und renditebewusst

Die in Umfragen bekundeten Planungen der Haushalte der hedo- nistischen und adaptiv-pragmatischen Milieus zeigen: Sie sind die Aktiensparer von morgen. Zwar zeugen die vorhandenen Sparformen eher von sicherheitsorientiertem Sparverhalten, aber in ihrer Selbsteinschätzung gibt sich diese junge Mitte durchaus risikofreudig.

Die Relevanz von Einkommen und Bildung ist geringer als bislang vermutet

Die Milieuzugehörigkeit beeinflusst das Sparverhalten

Urlaubsreise größere Anschaffungen Unvorhergesehenes Altersvorsorge Renovieren/Modernisieren Ausbildung/Unterstützung Kinder/Enkel Absicherung Ehepartner/Lebensgefährten Abtragen von Schulden Vererben an Kinder/Enkel Erwerb eines Eigenheims eigene Bildung/Fort- und Weiterbildung andere Gründe

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Sparmotive Adaptiv-prag- matische Mitte

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Bürgerliche Mitte

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Traditionelle Mitte

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Hedonistische Mitte

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Total

Quelle: Handelsblatt Research Institut. Die Prozentangaben in der Spalte „Total“ zeigen an, zu wie viel Prozent die fünf betrachteten Milieus für ein bestimmtes Motiv sparen. Dieser Prozentwert stellt für die folgenden fünf Milieuspalten den Durchschnittswert 100 dar. Die hellen und dunklen Einfärbungen beschreiben die Abweichungen davon beim jeweiligen Sparmotiv.

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Adaptiv-Pragmatische und Hedonisten bauen ihre Position als Leitmilieus aus

Die Milieulandschaft entwickelt sich ständig weiter und wird immer dynamischer. Getrieben wird dieser Prozess einerseits vom Wertewandel in der Bevölkerung und innerhalb der unterschied-lichen Milieus. Andererseits wirken demografische und ökono-mische Strukturveränderungen. Tendenziell ist heute schon zu beobachten, dass die deutsche Mittelschicht bunter wird.

Die Richtung ist eindeutig Es ist anzunehmen, dass die soziokulturellen Einflussgrößen, die zur Überarbeitung der Sinus-Milieus® im Jahr 2010 geführt haben, in den kommenden Jahren keine radikale Kehrtwende vollziehen werden. Damit behalten bestehende Veränderungstendenzen ihre treibende Kraft. Im Einzelnen ist eine beschleunigte Modernisie-rung und Individualisierung der Gesellschaft zu erwarten, befeuert von einer fortschreitenden Technisierung des beruflichen wie privaten Lebens und verbunden mit steigender Kommunikation und Mobilität.

Vor dem Hintergrund gleichzeitiger Alterung ist zu befürchten, dass ein Teil der Bevölkerung von diesem Wandel abgehängt wird oder sich abgehängt fühlt. In beiden Fällen greifen Resignation und Verunsicherung um sich, wovon vor allem das traditionsver-wurzelte und das bürgerliche Milieu betroffen sein werden.

Am sozialökologischen Milieu dürfte sich unter demografischer Betrachtung wenig ändern. Angesichts der gefestigten normativen und sozialen Werte sind keine nennenswerten Abwanderungen zu erwarten, aber auch keine Zuwanderungen aus anderen Milieus.

Die Hedonisten etablieren sich als Leitmilieu

Von besonderer Bedeutung sind die Leitmilieus, die eine starke Anziehungskraft auf andere ausüben und deshalb voraussichtlich an Bedeutung gewinnen werden: Hedonisten und Adaptiv-Pragma-tische. Beim adaptiv-pragmatischen Milieu wird die Veränderung  davon abhängen, wie stark der weitere Zufluss aus dem hedonis-tischen, dem bürgerlichen und dem traditionellen Milieu ausfällt.

Ausblick: Die Entwicklung bis 2025

Traditionelle Bürgerliche Sozialökologische Adaptiv-Pragmatische Hedonisten

Quelle: Handelsblatt Research Institut

Milieutrends bis 2025

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Großstädter sparen weniger

Die bürgerliche Mitte ist überdurchschnittlich stark in Rhein-land-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen vertreten. Schwächer ist sie in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg repräsentiert. Der Befund passt zum Ortsgrößen- vergleich. Demnach ist das regelmäßige Sparen in Großstädten über 100.000 Einwohnern mit fünf Prozentpunkten unterdurch-schnittlich ausgeprägt gegenüber kleinen und mittelgroßen Städten von bis zu 100.000 Einwohnern (mit zwei Prozentpunkten über dem Durchschnitt) mit starker bürgerlicher Mitte.

Traditionelles Milieu in den neuen Ländern schwächer

Die Traditionellen sind in Hamburg, Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt unterrepräsentiert. Damit ist das älteste Milieu der Mitte in den neuen Ländern deutlich untergewichtet. Dieser Befund überrascht angesichts der demografischen Entwicklung mit Abwanderungsbewegungen jüngerer Menschen im ländlichen Raum des Ostens. Abgesehen davon zeigt sich eine breite Vertei-lung dieses Milieus über die gesamte Bundesrepublik, Schwer-punkte sind Nordrhein-Westfalen und Bayern. Hedonisten in der Hauptstadt

Das Milieu mit den am wenigsten regelmäßig Sparenden ist in Berlin, Sachsen-Anhalt und dem Saarland überdurchschnittlich stark vertreten. Ansonsten leben die Hedonisten überall in durch- schnittlicher Dichte von 15 Prozent. Ausnahmen sind Hessen und Rheinland-Pfalz. In diesen beiden westdeutschen Bundesländern sind die modernen Nonkonformisten unterdurchschnittlich reprä-sentiert.

Bildung vor allem auf dem Land ein Sparmotiv

Die Bundesländer mit der höchsten Konzentration an Hedonisten (Berlin, Saarland, Sachsen-Anhalt) sind ausgerechnet die Regi-onen, in denen das adaptiv-pragmatische Milieu lediglich eine schwache Konzentration aufweist. Im Saarland ist die gut verdie-nende, aufstrebende junge Mitte deutlich unterrepräsentiert. Die Bestverdiener der Mittelschicht haben Schwerpunkte in Mecklen-burg-Vorpommern und Brandenburg, ausgerechnet in zwei länd-lich geprägten neuen Bundesländern. Eine starke Übergewichtung des Bildungssparmotivs in Städten unter 100.000 Einwohnern belegt die höhere Konzentration jüngerer Mittelschichtmilieus in ländlichen Regionen.

Anteile an Sozialökologischen schwanken am meisten

Hessen und Rheinland-Pfalz sind die am dichtesten von Haushal-ten aus dem sozialökologischen Milieu besiedelten Regionen in der Bundesrepublik. Hinzu kommen die Stadtstaaten Bremen und Hamburg. Festzuhalten bleibt, dass die stark akademisch geprägte Mitte am wenigsten gleichmäßig über die Bundesrepublik verteilt ist. Es gibt sowohl große Lücken von unterdurchschnittlicher Re-präsentanz als auch überdurchschnittlich hohe Konzentrationen.

Die fünf Milieus sind unterschiedlich stark in den Bundesländern vertreten – mit Auswirkungen auf das regionale Sparverhalten

Wer lebt wo?

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Die Verteilung der Milieus Die Grafik zeigt, zu wie viel Prozent die einzelnen Milieus in den Bundesländern vertreten sind.

Traditionelle Mitte

Bürgerliche Mitte

Sozialökologische Mitte

Adaptiv-pragmatische Mitte

Hedonisten

übrige Milieus

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Quelle: Handelsblatt Research Institut

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Rechtliche Hinweise

Die Inhalte in diesem Dokument wurden von der Union Asset Management Holding AG nach bes-tem Urteilsvermögen erstellt und herausgegeben. Eigene Darstellungen und Erläuterungen beruhen auf der jeweiligen Einschätzung des Verfassers zum Zeitpunkt ihrer Erstellung.

Als Grundlage dienen Informationen aus eigenen oder öffentlich zugänglichen Quellen, die für zuverlässig gehalten werden. Für deren Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit steht der Verfasser jedoch nicht ein.

Grundlage dieser Broschüre ist eine Studie des Handelsblatt Research Institute.

Stand aller Informationen, Darstellungen und Erläuterungen: November 2014, soweit nicht anders angegeben.

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