Social-Media-Patterns für Unternehmen

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  DIPLOMARBEIT Social-Media-Patterns für Unternehmen Die Entwicklung von Patterns für die Kommunikation von Marketing und PR mit Social Media Eingereicht an der FH JOANNEUM Graz Studiengang Journalismus und Unternehmenskommunikation Vorgelegt im Mai 2010 von Brigitte Alice Radl, Matrikelnummer 0610181023 Betreuer: Mag. Heinz Wittenbrink

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Die Entwicklung von Patterns für die Kommunikation von Marketing und PR mit Social MediaPlease cite: Radl, B. A. (2010). Social-Media-Patterns für Unternehmen. Die Entwicklung von Patterns für die Kommunikation von Marketing und PR mit Social Media. FH JOANNEUM, Graz.

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DIPLOMARBEITSocial-Media-Patterns fr UnternehmenDie Entwicklung von Patterns fr die Kommunikation von Marketing und PR mit Social Media

Eingereicht an der FH JOANNEUM Graz Studiengang Journalismus und Unternehmenskommunikation

Vorgelegt im Mai 2010 von Brigitte Alice Radl, Matrikelnummer 0610181023 Betreuer: Mag. Heinz Wittenbrink

Eidesstattliche ErklrungIch erklre hiermit eidesstattlich, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbststndig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und die den benutzten Quellen wrtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder hnlicher Form keiner anderen Prfungskommission vorgelegt und auch nicht verffentlicht.

Graz, am 30. Mai 2010

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DanksagungHiermit mchte ich allen meinen Verwandten, Freunden und Bekannten danken, die mir whrend der Erstellung der Arbeit zur Seite gestanden haben. Insbesondere gilt mein Dank Heinz Wittenbrink, fr seine Untersttzung whrend der gesamten Dauer meines Studiums an der FH JOANNEUM, fr viele gute Ratschlge und die Betreuung meiner Arbeit. Weiters danke ich meinen Eltern und meiner Schwester, die mich auch an schlechten Tagen ermutigt haben, sowie meinem besten Freund Rene, fr die ausfhrlichen und hoch informativen Telefonate. Und natrlich ein groes Dankeschn an meine beste Freundin Martina, fr die vielen vielen Stunden, die sie in das Lektorat meiner Arbeit investiert hat, fr ihr Interesse an meiner Ttigkeit, unzhlige geglckte Aufmunterungsversuche und den Eistee. Schlussendlich noch ein Dank an meinen Mac ohne Dich htte ich es nicht geschafft!

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Hinweis zu geschlechtsspezifischer AusdrucksweiseIn der vorliegenden Arbeit wurde auf das Gendern zu Gunsten eines besseren Leseflusses verzichtet. Es wird ausdrcklich darauf hingewiesen, dass diesem Umstand weder eine gewollte Ungleichbehandlung von Frauen und Mnnern, noch eine unsensible Einstellung der Autorin zum Thema Gender Mainstreaming zu Grund liegen.

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KurzfassungSocial Networks, Twitter, Blogs, Wikis und viele weitere Web-2.0-Anwendungen haben nicht nur bedeutenden Einfluss auf den Alltag und die Kommunikationsgewohnheiten der Menschen, Social Media fhren auch zu vernderten Anforderungen an die Kommunikation von Unternehmen. Die neuen interaktiven und partizipativen Kommunikationsformen, -mechanismen und -prozesse im Web gehen mit einem Bedeutungsverlust der klassischen Massenmedien einher, welche nicht mehr alleine im Mittelpunkt der Ttigkeiten von Marketing und PR stehen. Damit ein Unternehmen heutzutage seine Zielgruppen bestmglich erreichen kann, fhrt nahezu kein Weg mehr an Social Media vorbei. Allerdings sind sich viele Unternehmen der Tragweite dieser Entwicklungen nicht bewusst bzw. mangelt es an dem ntigen Verstndnis fr die Funktionsweisen der neuen Kommunikationstools. Basierend auf den Erkenntnissen aus drei detaillierten Case Studys betreffend die erfolgreiche Nutzung von Social Media, werden in der vorliegenden Arbeit Social-MediaPatterns fr Unternehmen entwickelt. Die Patterns stellen Regeln dar, welche allgemeingltig und in ihrem jeweiligen Kontext uneingeschrnkt anwendbar sind. Damit ersetzen sie simple Leitfden oder Handlungsempfehlungen fr die Kommunikation von Marketing und PR in Social Media und werden auch der Komplexitt des Einzelfalls gerecht. Der Beschreibung der Case Studys sowie der Entwicklung der Patterns geht in der Arbeit die Betrachtung der Vernderung der Kommunikation, des Medienwandels sowie des gesamtgesellschaftlichen Wandels durch Social Media voraus. Diese Prozesse haben massive Auswirkungen auf Marketing und PR: Demokratisierung, Enthierarchisierung, Individualisierung, Dialogorientierung, Personalisierung und Glaubwrdigkeit sind zentrale Faktoren fr die Kommunikation in Social Media. Die steigende Bedeutung des Internets allgemein sowie Social Media im Speziellen wird anhand von aktuellen statistischen Daten hervorgehoben, woraus sich wiederum die Notwendigkeit tiefgreifender Vernderungen im klassischen Marketing sowie den traditionellen PR ergibt. Die entwickelten Social-Media-Patterns bilden zeitgeme Kommunikation in Social Media ab und ermglichen es Unternehmen, in einen nutzenstiftenden Dialog mit ihren Zielgruppen einzutreten.

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AbstractThe evolution of social networks, twitter, blogs, wikis and other web 2.0 tools affects not only everyday life and communication habits of people. Social media demand also changes of the communication of companies. The new interactive and participatory forms, mechanisms and processes of communication on the Internet go along with a loss of the importance of traditional mass media, which no longer constitute the one and only centre of the marketing and public relations actions. Nowadays there is almost no way for companies avoiding the web and social media in connection with reaching their target groups in the best way. Admittedly many companies do not know about the enormous importance of these developments and are having a lack of understanding and know-how about social media communications and their functionalities. The central element of this thesis is the development of social media patterns, based on the findings achived from three in detail explained case studies concerning the effective use of social media communications. The patterns display rules, which are universally valid and in their contexts non-restrictively applicable. Hence they can replace simple codes of practice and suggestions for activities used by marketing and public relations communications in social media and are able to cope with the complexity of every individual case. The first part of the thesis contains a description of the changes in communication and media as well as the cross-social alteration due to social media. These processes have a massive impact on marketing and public relations: democratization, dehierarchization, individualization, orientation to dialogue, personalization and credibility are principal factors for social media communications. In this connection there exists a particular challenge for companies which is caused by the loss of controlability of information in social media. The increasing importance of the Internet in general and social media in particular is highlighted by current statistical data, which again call attention to the need of drastic changes in traditional marketing and public relations. The developed social media patterns describe a contemporary communication in social media and allow companies to enter into a benefit generating dialogue with their target groups.

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InhaltsverzeichnisEidesstattliche Erklrung .......................................................................................................II Danksagung.......................................................................................................................... III Hinweis zu geschlechtsspezifischer Ausdrucksweise.......................................................... IV Kurzfassung............................................................................................................................V Abstract ................................................................................................................................ VI Inhaltsverzeichnis................................................................................................................VII Abbildungsverzeichnis...........................................................................................................X Abkrzungsverzeichnis ........................................................................................................ XI 1. Einleitung ........................................................................................................................ 1 1.1. Ausgangssituation .................................................................................................... 1 1.2. Zielsetzung und Aufbau der Arbeit.......................................................................... 3 2. Grundlegende Begriffe.................................................................................................... 6 2.1. Web 2.0 .................................................................................................................... 6 2.2. Social Web, Social Media und Social Software....................................................... 9 2.3. Kategorisierung von Social-Media-Anwendungen................................................ 12 3.Vernderung der Kommunikation und Medienwandel durch Web 2.0 und Social Media................................................................................................................................ 16 3.1. Das Kommunikationsmodell der Massenmedien................................................... 16 3.2. Prosumer und Produser in Web 2.0 und Social Media ................................... 17 3.3. Gesellschaftliche Entwicklungen durch Web 2.0 und Social Media ..................... 19 3.4. Medienwandel durch Web 2.0 und Social Media .................................................. 21 3.5. Die Rolle des Journalisten in Web 2.0 und Social Media...................................... 22 3.6. Machtverschiebung durch die new participatory society ................................... 23 4. Marketing und PR in Social Media............................................................................... 25 4.1. Die Vernderung der Onlinenutzung und der Trend Social Media ....................... 25 4.2. Mechanismen und Effekte von Social Media betreffend Marketing und PR ........ 29 4.2.1. Das Pull-Prinzip und One-to-One-Marketing und -PR in Social Media......... 30 4.2.2. Kontrollverlust von Marketing und PR in Social Media ................................ 33 4.3. Der Status quo von Social Media in Marketing und PR ........................................ 37

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4.3.1. Die Bedeutung von Social Media auf Nutzerebene ........................................ 37 4.3.2. Die Bedeutung von Social Media fr Marketing und PR ............................... 40 4.3.3. Zusammenfassendes Fazit............................................................................... 44 4.4. Exkurs: Das vernderte Selbstverstndnis der PR durch Social Media................. 45 5. Erluterung der Entwicklung der Social-Media-Patterns fr Unternehmen ................. 48 5.1. Die Theorie der Patterns von Christopher Alexander ............................................ 49 6. Social-Media-Patterns fr Unternehmen....................................................................... 52 6.1. Kundenkommunikation in Social Media ............................................................... 52 6.1.1. Die Bedeutung der Kundenorientierung fr Unternehmen............................. 52 6.1.2. Dell und Social Media..................................................................................... 54 6.1.3. Der Dell IdeaStorm ......................................................................................... 56 6.1.4. Funktionalitten des Dell IdeaStorm............................................................... 58 6.1.4.1. Posten von Ideen auf IdeaStorm .............................................................. 59 6.1.4.2. Bewertung der Ideen durch die IdeaStorm-Community .......................... 62 6.1.4.3. Diskussionen in der IdeaStorm-Community und Storm Sessions........ 63 6.1.4.4. Feedback von Dell bezglich der Umsetzung von Ideen......................... 68 6.1.5. Kommunikative und partizipative Mechanismen von IdeaStorm................... 70 6.1.6. Customer is King: Social-Media-Patterns in der Kundenkommunikation.. 71 6.1.6.1. Pattern 1: Partizipation, Motivation und Involvement ......................... 71 6.1.6.2. Pattern 2: Aufmerksamkeit des Unternehmens und das Schaffen einer Plattform................................................................................................................. 73 6.1.6.3. Pattern 3: Aufgabe der Kontrolle durch das Unternehmen .................. 74 6.2. Kommunikation mit Multiplikatoren in Social Media........................................... 75 6.2.1. Die Bedeutung von Blogger Relations fr Unternehmen............................ 76 6.2.2. Nokia und Social Media.................................................................................. 79 6.2.3. Das Nokia Blogger Relations Program ....................................................... 80 6.2.4. Kommunikative und partizipative Mechanismen des Nokia Blogger Relations Program ...................................................................................................... 84 6.2.5. Reputation is everything: Social-Media-Patterns in der Kommunikation mit Multiplikatoren............................................................................................................. 86 6.2.5.1. Pattern 1: Einbeziehung von Multiplikatoren in die Kommunikation . 87

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6.2.5.2. Pattern 2: Richtiger Umgang mit Multiplikatoren................................ 89 6.2.5.3. Pattern 3: Meinungsfreiheit und Integritt der Multiplikatoren wahren .................................................................................................................. 91 6.3. Mitarbeiterkommunikation in Social Media .......................................................... 93 6.3.1. Die Bedeutung von Mitarbeiterblogs fr Unternehmen.................................. 94 6.3.2. Daimler und Social Media .............................................................................. 97 6.3.3. Das Daimler-Blog ........................................................................................... 99 6.3.4. Struktur und Kategorisierung des Daimler-Blogs......................................... 102 6.3.5. Kommunikative und partizipative Mechanismen des Daimler-Blogs .......... 105 6.3.6. We are the Company: Social-Media-Patterns in der Mitarbeiterkommunikation ........................................................................................ 109 6.3.6.1. Pattern 1: Menschen im Mittelpunkt .................................................. 109 6.3.6.2. Pattern 2: Meinungspluralitt statt One-Voice-Policy........................ 111 6.3.6.3. Pattern 3: Freiheit in der Kommunikation und Anwendungshilfe durch das Unternehmen.................................................................................................. 112 6.4. Die Social-Media-Patterns fr Unternehmen im berblick................................. 114 Literaturverzeichnis............................................................................................................ 118 Gedruckte Quellen ......................................................................................................... 118 Ungedruckte Quellen ..................................................................................................... 120

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AbbildungsverzeichnisAbbildung 1: Classification of Social Media by social presence/media richness and selfpresentation/self-disclosure.......................................................................................... 15 Abbildung 2: IdeaStorm Startseite ....................................................................................... 58 Abbildung 3: Post your idea-Seite auf IdeaStorm ............................................................ 61 Abbildung 4: User Dashboard auf IdeaStorm .................................................................. 62 Abbildung 5: Promote- und Demote-Buttons auf IdeaStorm ....................................... 63 Abbildung 6: Beispiel einer Idee aus der Kategorie Top Ideas inklusive einiger Kommentare auf IdeaStorm ......................................................................................... 65 Abbildung 7: Storm Sessions auf IdeaStorm.................................................................... 67 Abbildung 8: Feedback zur Umsetzung einer Idee anhand von Statusmeldungen und Kommentaren der Dell-Mitarbeiter auf IdeaStorm...................................................... 70 Abbildung 9: TRIAL A NOKIA-Formular auf WOMWorld/Nokia................................ 84 Abbildung 10: Das Daimler-Blog ...................................................................................... 100 Abbildung 11: Menleiste des Daimler-Blogs................................................................... 102 Abbildung 12: Daimler vernetzt. .................................................................................... 103 Abbildung 13: Kategorisierung der Blogposts auf dem Daimler-Blog nach Autoren....... 105 Abbildung 14: Fayolsche Brcke....................................................................................... 107 Abbildung 15: bersicht ber die Social-Media-Patterns fr Unternehmen..................... 117

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AbkrzungsverzeichnisACTA Ads Anm. BAR API ARD bzw. DAX FedEx IAB OVK PC PDF PR u.a. VoIP z.B. ZDF Allensbacher Computer- und Technikanalyse englische Kurzform von Advertisement Anmerkung der Autorin, Brigitte Alice Radl Application Programming Interface Arbeitsgemeinschaft der ffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland beziehungsweise (ursprnglich) Deutscher Aktienindex frher Federal Express, international ttiges US-amerikanisches Kurier- und Logistikunternehmen Internet Advertising Bureau Online-Vermarkterkreis Personal Computer Portable Document Format Public Relations unter anderem Voice over IP (Internet-Protokoll-Telefonie) zum Beispiel Zweites Deutsches Fernsehen

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1. Einleitung1.1. Ausgangssituation Starbucks hat ber sieben Millionen Fans auf Facebook.1 ber eineinhalb Millionen Menschen folgen Tony Hsieh, CEO des Online-Schuhhndlers Zappos, auf Twitter.2 Und der Swarenhersteller Skittles betreibt keine herkmmliche Homepage mehr, sondern hat seinen gesamten Unternehmensauftritt in Social Media verlegt.3 Diese und viele weitere Beispiele deuten auf die rasante Entwicklung von Web 2.0 und Social Media in den letzten Jahren hin und zeigen deren wachsende Bedeutung auf. Unternehmen sehen sich in diesem Zusammenhang neuen Herausforderungen gegenber. Erfolgreiche Kommunikation von Marketing und PR beruht nicht mehr auf dem klassischen Sender-Empfnger-Modell der Massenmedien des 20. Jahrhunderts, sondern wird durch interaktive und partizipative Kommunikationsformen im Internet ergnzt. Das Giekannenprinzip der Informationsbermittlung an ein Massenpublikum wird durch neue Kommunikationskanle sowie Medienstrukturen abgelst. Indem jeder User nicht mehr nur Empfnger von Botschaften ist, sondern durch die Mglichkeiten der Erstellung eigener Inhalte (User Generated Content) zu einem potenziellen Sender wird und die Rolle des Prosumers bzw. Produsers einnimmt, stellen sich gesamtgesellschaftliche Vernderungen ein, welche mit Demokratisierung und Enthierarchisierung einhergehen. Der Journalist verliert zunehmend seine Gatekeeper-Funktion und entscheidet nicht mehr alleine, welche Inhalte an die ffentlichkeit gelangen. Durch die spezifischen Mechanismen von Web 2.0 und Social Media verbreiten sich in der Blogosphre, in Social Networks und Communitys Informationen schnell und weitflchig durch Viral- und Netzwerkeffekte und fhren so zu neuen Kommunikations- und Informationsformen. Die klassischen Massenmedien sehen sich mit sinkenden Leser-, Hrer- und Zuseherzahlen konfrontiert, whrend die Partizipation und das Involvement in Social Media stetig steigen. Aufgrund dessen ergibt sich auch die Notwendigkeit fr Unternehmen, diesen Wandel in ihre Marketing- und PR-Strategien miteinzubeziehen, da sie sich bisher hauptschlich auf1

Vgl. Top Brands on Facebook. Facebook Page Statistics. Hg. v. Candytech. In: Facebakers.com (Website) vom 18. 5. 2010. http://www.facebakers.com/facebook-pages/brands/, zuletzt eingesehen am 18. 5. 2010. 2 Vgl. [Tony Hsieh, CEO von Zappos.com auf Twitter, Anm. BAR]. In: Twitter (Microblogging-Dienst) vom 18. 5. 2010. https://twitter.com/zappos, zuletzt eingesehen am 18. 5. 2010. 3 Vgl. [Website von Skittles mit Social-Media-Angeboten, Anm. BAR]. http://skittles.com/, zuletzt eingesehen am 18. 5. 2010.

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die Kommunikation ber Massenmedien konzentrierten. Die User sehen sich heute einer unbegrenzten Verfgbarkeit von Inhalten im Netz gegenber, entscheiden selbst, welche Inhalte sie rezipieren mchten und genieen nahezu unumschrnkte Meinungsuerungsund Entscheidungsfreiheit. Diese Vernderungen sind fr Marketing und PR von groer Bedeutung, da das Erreichen von Zielgruppen wesentlich anspruchsvoller wird und von einem gekonnten Webauftritt abhngt. In diesem Zusammenhang sind Unternehmen jedoch auch mit einem Kontrollverlust in der Kommunikation konfrontiert: Positionieren sie ihre Botschaften in Social Media und ffnen sich dialogorientierter und wechselseitiger Kommunikation mit ihren Zielgruppen, mssen sie die bewusste und zielgerichtete Steuerung der Kommunikation zum Teil aufgeben und sich den Meinungen und Ansichten der User stellen. Die Angst vor Reputationsschden durch negative Kritik ist besonders im deutschsprachigen Raum von Seiten der Unternehmen noch relativ hoch. Transparenz, Glaubwrdigkeit und Dialog stehen in Social Media allerdings im Vordergrund und sind Voraussetzungen fr erfolgreiche Kommunikation im Web. Personalisierung und Individualisierung durch die neuen Kommunikationsformen erfordern den Beziehungsaufbau zu Einzelpersonen. Ein aktives Auftreten von Unternehmen sowie Verstndnis fr die Funktionsweisen, Mechanismen und spezifischen Eigenheiten von Social Media sind weitere Voraussetzungen fr erfolgreiche Kommunikation in der Zukunft. Die aus diesen Faktoren resultierenden gesellschaftlichen und insbesondere sozialen Entwicklungen fhren zu einem Wandel des Selbstverstndnisses von Marketing und PR und erfordern von Unternehmen Vernderungen ihrer Informationsund Kommunikationspolitik. Die sich insbesondere durch Social Media ergebenden neuen Kommunikationsanforderungen im Web erscheinen fr Marketing und PR paradox, da sie hufig den Regeln der Unternehmenskommunikation ber die klassischen Massenmedien widersprechen. Es treten kommunikative Konflikte auf, welche in dieser Form bisher noch nicht vorhanden waren, und deren Lsung einer vllig neuen und zeitgemen Herangehensweise bedarf.

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1.2. Zielsetzung und Aufbau der Arbeit Das Ziel der Arbeit ist die Entwicklung von Social-Media-Patterns fr Unternehmen, welche allgemeingltig und im Rahmen ihres jeweiligen Kontextes auf verschiedene Situationen anwendbar sind. Sie stellen eine Alternative zu den zahlreich in der aktuellen Literatur zu Marketing und PR vorhandenen Handlungsempfehlungen und Tipps fr Social-Media-Auftritte von Unternehmen dar, welche per se keine Erfolgsgarantie haben und meist nicht den komplexen Anforderungen des Einzelfalls gerecht werden knnen. Die vorliegende Arbeit gliedert sich dabei in zwei groe Teilbereiche: Einerseits einen theoretischen Teil, welcher sich mit der Kommunikation von Marketing und PR und deren Wandel in Bezug auf Social Media beschftigt, sowie andererseits die detaillierte Beschreibung von drei Case Studys und die daraus folgende Entwicklung von SocialMedia-Patterns fr Unternehmen. Der zweite Teil der Arbeit ist somit anwendungsorientiert und kann bei Bedarf zu einem Werkstck betreffend die Kundenberatung und -gewinnung in der Praxis von Marketing- und PR-Agenturen ausgeweitet werden. Die entwickelten Social-Media-Patterns haben dabei nicht den Anspruch, insgesamt als eigenstndige wissenschaftliche Theorie zu gelten, sondern stellen eine Art Versuch dar, die Grundlage fr eine Pattern language in der Agenturpraxis zu schaffen. Die Entwicklung einer solchen Pattern language fr die Kommunikation von Marketing und PR in Social Media bedarf jedoch einer vorangehenden praktischen Anwendung der bisher aufgestellten Patterns sowie einer Erfolgsanalyse, welchen anschlieend die berarbeitung, Ausweitung und Weiterentwicklung der Social-MediaPatterns folgen kann. Das Kapitel Grundlegende Begriffe fhrt in die Arbeit ein. Es erlutert die Begriffe Web 2.0 und Social Media und unterstreicht deren Bedeutung fr die Entwicklung von neuen Kommunikationsformen, -strukturen und -prozessen. Die Arbeit ist nicht darauf ausgerichtet, einzelne Social-Media-Tools im Detail zu behandeln. Dennoch bietet das Kapitel Kategorisierung von Social-Media-Anwendungen einen berblick ber den Status quo in der Social-Media-Sphre. Das Kapitel Vernderung der Kommunikation und Medienwandel durch Web 2.0 und Social Media geht auf die neuen Formen, Mechanismen und Modelle zwischenmenschlicher Kommunikation im Web ein. Es beschreibt die Rolle des Users als

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Prosumer bzw. Produser, geht auf gesellschaftliche Entwicklungen durch Social Media ein und beschreibt Vernderungen im Mediensektor durch die neuen Kommunikationsmglichkeiten im Netz. Die Bedeutung dieser Entwicklungen fr die Kommunikation von Unternehmen wird im Kapitel Marketing und PR in Social Media erarbeitet und mit statistischen Zahlen belegt. Dabei wird auf die Vernderung der Onlinenutzung, auf die daraus folgenden Herausforderungen fr Marketing und PR sowie auf Problemstellungen in diesem Zusammenhang aufmerksam gemacht. Der Abschnitt Der Status quo von Social Media in Marketing und PR gibt einen berblick ber den state of the art und vergleicht den amerikanischen mit dem deutschsprachigen Raum. Den ersten Teil der Arbeit beschliet ein Exkurs zum vernderten Selbstverstndnis der PR durch Social Media. Nach dem theoretischen Teil folgt das Kapitel Erluterung der Entwicklung der SocialMedia-Patterns fr Unternehmen, welches die Vorgehensweise im darauf folgenden praktischen Teil sowie die Pattern-Theorie von Christopher Alexander erlutert. Das Kapitel Social-Media-Patterns fr Unternehmen beinhaltet die detaillierte Beschreibung von drei Best-Practice-Beispielen betreffend den Social-Media-Auftritt von Unternehmen. Die Auswahl der Beispiele erfolgte aufgrund der im Rahmen der Arbeit entwickelten Kategorisierung von wichtigen Zielgruppen von Unternehmen (Kunden, Multiplikatoren, Mitarbeiter). Jede einzelne Case Study beinhaltet zu Beginn ein Fokusthema, welches fr die Kommunikation mit der betreffenden Zielgruppe in Social Media eine zentrale Bedeutung hat. Weiters folgt die Beschreibung des betreffenden Social-Media-Einsatzes sowie ein kurzes Fazit, welches die wichtigsten kommunikativen und partizipativen Mechanismen des Beispiels zusammenfasst. Abschlieend beinhaltet jede Case Study drei Social-MediaPatterns, welche sich aus dem konkreten Beispiel ergeben, allerdings allgemeingltig und damit vielseitig anwendbar sind. Die Entwicklung der Social-Media-Patterns fr Unternehmen stellt den wissenschaftlichen Teil der Arbeit dar, welcher einerseits praktisch, andererseits theoretisch fundiert ist. Die praktische Fundierung ergibt sich aus der Beschreibung von erfolgreichen Einzelbeispielen in Social Media (Case Studys). Die theoretische Fundierung stellt die Anwendung der

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Pattern-Theorie von Christopher Alexander auf die betreffenden Best-Practice-Beispiele dar, was die Entwicklung von spezifischen Social-Media-Patterns ermglicht. Abschlieend folgt mit dem Kapitel Die Social-Media-Patterns fr Unternehmen im berblick eine Zusammenfassung der erarbeiteten Patterns in tabellarischer Form. Hierbei werden die einzelnen Patterns sowie jeweils der betreffende Kontext, der Krftekonflikt sowie dessen Lsung in kurzen Worten beschrieben.

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2. Grundlegende BegriffeIm Folgenden sollen einige Begriffe, die fr das Verstndnis der Arbeit essentiell sind, erlutert werden. Der Fokus liegt hierbei jedoch weniger darauf, umfassende und abschlieende Begriffsdefinitionen zu finden, als Abgrenzungen zu schaffen, die Grundlagen fr neue Formen der Kommunikation im Internet zu erklren sowie deren Bedeutung herauszustreichen. Da zum gegebenen Zeitpunkt auerdem keine Hinweise bestehen, in welche Richtung sich die Onlinekommunikation in Zukunft entwickeln wird, welche Kommunikationsinstrumente und -formen schon bald berholt sein werden und welche zuknftig vermehrt an Bedeutung gewinnen werden, wird auf eine detaillierte Beschreibung von Social-Media-Tools und -Diensten verzichtet. 2.1. Web 2.0 Der Begriff Web 2.0 ist heute in aller Munde und spielt auf eine gefhlte Vernderung des WWW whrend der letzten Jahre an4. Eine einheitliche Definition gibt es nicht, handelt es sich doch eher um die Beschreibung einer vernderten Wahrnehmung in der Nutzung des Internets5 sowie um allgemeine Prinzipien und Entwicklungen wie zunehmende Vernetzung, Interaktivitt und Offenheit. Der Begriff Web 2.0 wird heute hufig auch als Modewort und inflationr gebraucht. Dennoch steht die soziale, wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung des Web 2.0 auer Frage, denn die neuen Technologien haben zu einer erdrutschartigen Vernderung der Kommunikations- und Informationspolitik in der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts gefhrt, welche sich binnen weniger Jahre vollzogen hat. Der Begriff wurde in Zusammenhang mit einem Brainstorming des OReilly Verlags und MediaLive International populr, dessen Fazit war, dass das Internet nach dem Platzen der Dotcom-Blase im Herbst 2001 nicht wie erwartet an Bedeutung verloren hatte, sondern wichtiger denn je war. Dieser Wandel des Internets wurde mit dem Begriff Web 2.0

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Ebersbach, Anja [u.a.]: Social Web. Konstanz 2008. S. 3. Schmahl, Diana: Moderne Online-Marketing-Methoden. Affiliate Marketing, Suchmaschinen Marketing, Viral Marketing und Web 2.0. Saarbrcken 2007. S. 79.

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belegt und sollte Inhalt der ersten Web 2.0 Conference im Jahr 2004 sein. Eineinhalb Jahre spter gab es bereits 9,5 Millionen Citations bei Google fr den neuen Begriff.6 Im September 2005 hat Tim OReilly die sieben wichtigsten Prinzipien des Web 2.0 in seiner Prsentation What is Web 2.0 prsentiert. Im Folgenden findet sich eine Zusammenfassung der bedeutsamsten Aspekte:7 Das Web als Plattform macht eine Reihe lokaler Desktopanwendungen obsolet. Die kollektive Intelligenz der User wird genutzt. User Generated Content und Usability stehen im Vordergrund. Inhalte sind wichtiger als deren Darstellung. Die von den Usern permanent generierten Datenmengen werden global zugnglich (APIs) und Mashups ermglichen die Verbindung verschiedener Inhalte. Das Web ist nicht mehr nur am PC nutzbar, sondern auch auf mobilen und anderen Endgerten. Es handelt sich beim Web 2.0 also nicht um eine Menge an isoliert zu betrachtenden neuen Anwendungen, sondern um neue Anwendungstypen und Techniken in Form von Services, welche klar an den Bedrfnissen der Nutzer orientiert sind und eine soziale Bewegung durch Partizipation und Selbstdarstellung in Gang bringen. Die aktive und freiwillige Beteiligung einer groen Zahl an Nutzern ohne Zwnge von Organisationen, Prozessen, Technologien, bestimmten Plattformen8 ist dabei der bedeutendste Unterschied zum Web 1.0, welcher unter anderem durch ein hohes Ma an Usability sowie Modularitt der Anwendungen erreicht wird.9 Durch das schnelle Aufkommen und die rasche Verbreitung der neuen Technologien haben sich allerdings auch Problemfelder ergeben, betreffend beispielsweise rechtliche Aspekte bei der Speicherung personenbezogener Daten oder die Notwendigkeit der Implementierung neuer Geschftsmodelle im Internet. Das Web 2.0 steckt noch in den Kinderschuhen und wird in Zukunft eine Reihe an Vernderungen in allen Lebensbereichen nach sich ziehen, wie sie etwa Mike Wesch von der Kansas State University in seinem viel6

Vgl. OReilly, Tim: What is Web 2.0. Design Patterns and Business Models for the Next Generation of Software. In: OReilly (Website) vom 30. 9. 2005. http://oreilly.com/web2/archive/what-is-web-20.html, zuletzt eingesehen am 17. 5. 2010. 7 Vgl. OReilly, 2005. 8 Koch, Michael und Richter, Alexander: Enterprise 2.0. Planung, Einfhrung und erfolgreicher Einsatz von Social Software in Unternehmen. Mnchen 2007. S. 3. 9 Vgl. Koch, 2007, S. 3f.

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beachteten YouTube-Video The Machine is Us/ing Us dokumentierte: We need to rethink copyright, authorship, identity, ethics, aesthetics, rhetorics, governance, privacy, commerce[...]10 Die Bedeutung des Internets steht jedoch lngst auer Frage, wie das TIME Magazine bereits im Jahr 2006 erkannt hat, indem es dem Web 2.0 mit der Verleihung des Titels Person of the Year gehuldigt hat, der an You (Dich) verliehen wurde. Denn das Web 2.0 ist ein Tool, welches die Beitrge von Millionen Menschen zusammenfhrt, deren Gesamtheit groe Bedeutung erlangt.11 Der Blogger Dion Hinchcliffe beschreibt diesen Vorgang als Evolution, welche die WebRevolution noch beschleunigt hat und macht darauf aufmerksam, dass heute jeder einzelne User integraler Bestandteil des Web 2.0 ist.12 [...] a new generation of openness, sharing, and community powered by the Web that some think may be recognized in hindsight as breaking down important cultural barriers and institutions in a very similar fashion as what happened in the 1960s.13 Ausgehend von einer Dezentralisierung der Informations- und Inhaltskontrolle geht er von unvorhersehbaren, jedoch signifikanten Langzeiteffekten dieser Entwicklungen aus. The Web is essentially a system without an owner, a platform that is under no ones control, though anyone is free to built [sic!] a new platform on top of that.14 Das Web 2.0 ermglicht gleichzeitig weitgehende Individualisierung wie auch Kollektivbildung. Rick Stengel, Managing Editor des TIME Magazine, begrndet in einem Online-Artikel die Wahl von You zur Person of the Year 2006 folgendermaen: [...] that individuals are changing the nature of the information age, that the creators and consumers of user-generated content are transforming art and politics and commerce, that they are the engaged citizens of a new digital democracy.1510

Wesch, Mike: Web 2.0 ... The Machine is Us/ing Us. In: YouTube (Video) (kein Datum). Von 4:00 bis 4:15. http://www.youtube.com/watch?v=6gmP4nk0EOE, zuletzt eingesehen am 17. 5. 2010. 11 Vgl. Grossman, Lev: Times Person of the Year: You. In: TIME (Online-Magazin) vom 13. 12. 2006. http://www.time.com/time/magazine/article/0,9171,1569514,00.html, zuletzt eingesehen am 17. 5. 2010. 12 Vgl. Hinchcliffe, Dion: Time Magazines Person of the Year: You and Web 2.0. In: Dion Hinchcliffes Web 2.0 Blog (Blog) vom 20. 12. 2006. http://web2.socialcomputingjournal.com/time_magazines_person_of_the_year_you_and_web_20.htm, zuletzt eingesehen am 17. 5. 2010. 13 Hinchcliffe, 2006. 14 Hinchcliffe, 2006. 15 Stengel, Richard: Now Its Your Turn. In: TIME (Online-Magazin) vom 16. 12. 2006. http://www.time.com/time/magazine/article/0,9171,1570743,00.html, zuletzt eingesehen am 17. 5. 2010.

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Mit der Vernderung des Webs gehen folglich tiefgreifende Vernderungen der gesellschaftlichen Strukturen einher: Enthierarchisierung, Demokratisierung, Individualisierung, Dezentralisierung und Personalisierung sind Faktoren, die sich auch massiv auf die Offline-Welt auswirken und alle Lebensbereiche im 21. Jahrhundert stark beeinflussen. 2.2. Social Web, Social Media und Social Software Die Begriffe Social Web, Social Media sowie Social Software sind nicht synonym zu verstehen, haben allerdings einen gemeinsamen Kern: Die neuen Formen der Kommunikation und Partizipation im Web 2.0. In der Literatur werden die Begriffe hufig nicht scharf voneinander getrennt und flieen fters ineinander ber. Auch im Folgenden geht es nicht um eine detailgenaue Abgrenzung, sondern vielmehr um die Gemeinsamkeiten der drei Begriffe, welche die Charakteristika der neuen Kommunikationsformen und -instrumente im Web 2.0 beschreiben. Im weiteren Verlauf der Arbeit werden unter dem Begriff Social Media die in diesem Kapitel ausgefhrten Eigenschaften der neuen Technologien subsumiert sowie weiters die zur Umsetzung der Kommunikation im Web bentigten Programme und Anwendungen, das soziale Netz der Beteiligten sowie die von ihnen bereitgestellten Daten. Social Media sind ein Teil des Web 2.0 und bedienen sich dessen Technologien zum Aufbau und zur Untersttzung von sozialen Strukturen sowie zur Kommunikation und Interaktion ber das Netz. Die User stehen also ganz klar im Mittelpunkt. Die zwischenmenschlichen Interaktionen betreffen vor allem den Informations- und Wissensaustausch, die Herstellung von Kontakten sowie die Kommunikation ber das Internet.16 Anja Ebersbach, Markus Glaser und Richard Heigl gehen in ihrem Dreiecksmodell von drei Grundpfeilern des Social Webs aus: Kollaboration, Beziehungspflege und Information. Die Kollaboration fut auf der entscheidenden Bedeutung von User Generated Content. Die User mchten nicht mehr nur Informationen austauschen, sie mchten auch selbst welche erstellen. Durch die Vernetzung und Verknpfung vieler Daten werden kollaborative Verfahren mglich und durch Crowdsourcing bzw. Wisdom of the Crowds kann etwas16

Vgl. Ebersbach, 2008, S. 29.

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Neues von einer Vielzahl an Nutzern geschaffen werden. Die Kollaboration stellt damit einen Grundpfeiler der sozialen Interaktion im Web dar. Ein weiterer Grundpfeiler ist die Beziehungspflege, welche als logische Konsequenz der Kontaktaufnahme mit anderen Nutzern im Web betrachtet wird und einen wichtigen Faktor der Partizipation darstellt. Als dritten Pfeiler betrachten die Autoren die Information, welche aus den bereitgestellten Daten einerseits und der sozialen Gruppe der User andererseits generiert wird und ohne die kein kommunikativer Austausch mglich wre. Die Community basiert also auf den Informationen, welche die User bereitstellen und austauschen, und welche die Attraktivitt einer Plattform ausmachen. Zwischen den drei Bereichen bestehen Wechselwirkungen, welche durch Kommunikation erreicht werden.17 Aufgrund dieses Modells gelangen Ebersbach, Glaser und Heigl zu einer durchwegs brauchbaren Definition des Social Webs: Das Social Web besteht aus (im Sinne des WWW) webbasierten Anwendungen, die fr Menschen den Informationsaustausch, den Beziehungsaufbau und deren Pflege, die Kommunikation und die kollaborative Zusammenarbeit in einem gesellschaftlichen oder gemeinschaftlichen Kontext untersttzen, sowie den Daten, die dabei entstehen und den Beziehungen zwischen Menschen, die diese Anwendungen nutzen.18 In der Literatur ist eine groe Zahl an Definitionen zu finden, welche in ihren Ausprgungen zwar variieren, aus welchen sich jedoch Grundprinzipien fr und essentielle Aspekte von Social Media herauskristallisieren lassen. Der Blogger, Autor und Kommunikationsberater Klaus Eck beschreibt Social Media als die Summe von Online-Tools und Plattformen [...], die es uns erlauben, unsere Meinungen und Erfahrungen im Web miteinander auszutauschen.19 Auch fr den Marketingprofi David Mermann Scott liegt der Fokus von Social Media auf der Interaktion sowie auf aktiver Partizipation der User: Social media describes the way people share ideas, content, thoughts, and relationships online. Social media differs from so-called mainstream media in that

17 18

Vgl. Ebersbach, 2008, S. 30ff. Ebersbach, 2008, S. 31. 19 Eck, Klaus: Karrierefalle Internet. Managen Sie Ihre Online-Reputation, bevor es andere tun!. Mnchen 2008. S. 49.

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anyone can create, comment, and add to social media content. Social media can take the form of text, audio, video, images, and communities.20 Eine inhaltlich hnliche Begriffserklrung liefert eine Studie der Carl von Ossietzky Universitt zu Social Media: Der Begriff Social Media umfasst alle Mediendienstleistungen auf Webseiten, die Interaktion und aktive Inhaltserstellung durch die Nutzer ermglichen. [...] Social Media-Dienste versetzen den Nutzer in die aktive Rolle des Mitgestalters von Medieninhalten. Zudem erfordern und schaffen sie eine Kultur der Diskussion, Kritik und offenen Meinungsuerung.21 Auch die Kernkompetenz von Social Software wird in der Vernetzung von Personen und Gruppen gesehen. Dabei wird auf die Nutzung der kollektiven Intelligenz sowie auf die soziale Kommunikation, Interaktion und Zusammenarbeit verwiesen.22 Der Internetexperte Clay Shirky prgte mit einer Keynote zur ETech-Konferenz bereits 2003 das Verstndnis von Social Software entscheidend: My definition is fairly simple: Its software that supports group interaction.23 Andreas M. Kaplan und Michael Haenlein betrachten in ihrer Definition Social Media als Teil des Web 2.0 und streichen ebenfalls das Generieren sowie den Austausch von Inhalten durch die Nutzer heraus: Social Media is a group of Internet-based applications that build on the ideological and technological foundations of Web 2.0, and that allow the creation and exchange of User Generated Content.24

20

Scott, David Mermann: Social Media Debate. In: EContent (Online-Magazin) vom 15. 11. 2007. http://www.econtentmag.com/Articles/Column/After-thought/social-media-debate40186.htmhttp://www.time.com/time/magazine/article/0,9171,1570743,00.html, zuletzt eingesehen am 17. 5. 2010. 21 Nicolai, Alexander T. und Vinke, Daniel: Wie nutzen Deutschlands grte Marken Social Media?. Eine empirische Studie. Oldenburg 2009. S. 4. http://www.construktiv.de/newsroom/wpcontent/uploads/2009/12/social-media-studie_langversion_091207.pdf, zuletzt eingesehen am 17. 5. 2010. 22 Vgl. Web 2.0 in der Unternehmenspraxis. Grundlagen, Fallstudien und Trends zum Einsatz von Social Software. Hg. v. Andrea Back [u.a.]. Mnchen 2008. S. 4. 23 Shirky, Clay: A Group Is Its Own Worst Enemy. In: Clay Shirkys Writings About the Internet (Blog) vom April 2003. http://www.shirky.com/writings/group_enemy_old.html, zuletzt eingesehen am 17. 5. 2010. 24 Kaplan, Andreas M. und Haenlein, Michael: Users of the world, unite!. The challenges and opportunities of social media. In: Business Horizons, 53/2010. S. 61.

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Aus der Vielzahl an Definitionen und Begriffsabgrenzungen lassen sich einige grundlegende Prinzipien und Aspekte ableiten, welche als essentielle Elemente von Social Media betrachtet werden knnen und hier eine einzige Begriffsdefinition ersetzen sollen: Partizipation: Jeder kann sich (freiwillig und aktiv) beteiligen. User Generated Content: Generieren und Bereitstellen von Inhalten durch die Nutzer (Verschmelzung der Sender- und Empfngerrolle der Nutzer wird zum Prosumer bzw. Produser). Vernetzung: Social-Media-Anwendungen vernetzen Personen und Gruppen sowie Informationen. Interaktion: Social-Media-Anwendungen ermglichen den Austausch von objektiven und subjektiven Informationen sowie Daten zwischen den Nutzern. Wisdom of the Crowds: Durch das Engagement vieler Einzelpersonen entsteht kollektive Intelligenz (Kollaboration durch Interaktion). 2.3. Kategorisierung von Social-Media-Anwendungen Im Folgenden werden Social-Media-Anwendungen gewissen Kategorien zugeordnet, um die groe Bandbreite der vorhandenen Dienste anschaulich zu machen sowie um einige beispielhaft zu nennen. Es besteht jedoch nicht der Anspruch, die Anwendungen in ihrer Gesamtheit aufzuzhlen oder zu erlutern. Die Kategorisierung von Social-MediaAnwendungen ist fr die vorliegende Arbeit nicht von zentraler Relevanz, da eher auf die Funktionen und essentiellen Elemente von Social Media fokussiert wird und nicht auf einzelne Tools. Dennoch soll eine Einteilung der Dienste dazu dienen, sich einen berblick ber den state of the art von Social Media zu verschaffen. Mittlerweile gibt es eine kaum noch berschaubare Zahl an Social-Media-Anwendungen im Web. In der Literatur wird hufig versucht, die Flle an Diensten zu kategorisieren. Einteilungskriterien sind etwa technische Komponenten, Zweck/Funktionen oder Inhalte der Communitys und Anwendungen. Eine brauchbare Differenzierung ist jene nach technischen Komponenten. Demnach lassen sich Social Media in Wikis, Blogs, Social-Network-Dienste, Social Sharing sowie weitere Social-Media-Anwendungen, welche auf vielen Plattformen zu finden sind, unterteilen:2525

Vgl. Ebersbach, 2008, S. 33.

12

-

Wikis: Zweck eines Wikis ist die kollaborative Erstellung von Inhalten, wobei die kollektive Intelligenz einer greren Userzahl genutzt wird. Die Gemeinschaft steht dabei im Mittelpunkt und reguliert sich selbst. Beispiel: Wikipedia

-

Blogs: Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Blogs. Meist werden sie von Einzelpersonen betrieben und dienen der Darstellung subjektiver Meinungen zu einem gewissen Thema. Durch die Vernetzung vieler Blogs entsteht die Blogosphre.

-

Social-Network-Dienste: Die einzelnen Plattformen richten sich an verschiedene Personengruppen (Studenten, Geschftsleute etc.). Sie dienen der Vernetzung zwischen den Teilnehmern und ermglichen Kontaktaufbau sowie Beziehungspflege. Beispiele: Facebook, Xing, MySpace, StudiVZ etc.

-

Social Sharing: Diese Anwendungen untersttzen die einfache Bereitstellung sowie den Austausch von digitalen Inhalten wie etwa Bilder, Videos oder Bookmarks. Beispiele: YouTube, flickr, del.icio.us etc.

Ein ebenso brauchbares Einteilungskriterium ist der Zweck/die Funktion der Social-MediaAnwendungen, wobei sich manche mehreren Kategorien zuordnen lassen, wie beispielsweise Blogs. Hier gelangen Ebersbach, Glaser und Heigl aufgrund ihres Dreiecksmodells zu folgender Differenzierung:26 Kollaboration: Durch die Inhaltserstellung und Zusammenarbeit vieler Nutzer wird neues Wissen generiert, gesammelt und verknpft (Wisdom of the Crowds). Beispiele: Wikis, Social Bookmarking, Social Tagging etc. Beziehungspflege: Der Aufbau zwischenmenschlicher Verbindungen sowie die Beziehungspflege schaffen weitlufige soziale Netze. Beispiele: Social Networks, Blogs etc. Information: ber Social Media knnen Informationen aller Art sowie digitale Inhalte schnell und weitreichend verbreitet werden. Beispiele: Social Sharing, Blogs, Microblogging etc.

26

Vgl. Ebersbach, 2008, S. 35.

13

Eine weitere Klassifizierung von Social-Media-Anwendungen fhren Andreas M. Kaplan und Michael Haenlein auf Basis von Theorien aus der Medienforschung (soziale Prsenz und Medienreichhaltigkeit) sowie sozialen Prozessen (Selbstdarstellung und Selbstwahrnehmung) durch:27 Bezogen auf die mediale Komponente unterscheiden sich Medien durch den Grad der mglichen sozialen Prsenz (akustischer, visueller und physischer Kontakt) zwischen den Kommunikationspartnern. Je grer die soziale Prsenz ist, desto grer ist auch der Einfluss der Kommunikationspartner auf das Verhalten des jeweils anderen. Social presence is influenced by the intimacy (interpersonal vs. mediated) and immediacy (asynchronous vs. synchronous) of the medium, and can be expected to be lower for mediated (e.g., telephone conversation) than interpersonal (e.g., faceto-face discussion) and for asynchronous (e.g., e-mail) than synchronous (e.g., live chat) communications.28 Die Medienreichhaltigkeit steht hierzu in engem Zusammenhang und beschreibt die Menge an Information, die in einem gewissen Zeitintervall ber das Medium vermittelt werden kann und damit Mehrdeutigkeiten auflst und Unsicherheiten beseitigt. Die soziale Dimension von Social Media (Selbstdarstellung und Selbstwahrnehmung) wird als zweites Einteilungskriterium herangezogen. Das Konzept der Selbstdarstellung beruht darauf, dass Menschen in jeder Form sozialer Interaktion den Wunsch haben, den Eindruck, welchen andere Leute von ihnen haben, zu beeinflussen. Weiters spielt auch die Selbstwahrnehmung eine wichtige Rolle. Das zweite Einteilungskriterium fr SocialMedia-Anwendungen beruht demnach darauf, welche Form der Selbstdarstellung mglich ist und wie hoch der Grad an Selbstwahrnehmung zu sein hat. Die Kombination dieser beiden Dimensionen von Social Media fhrt zu einer mglichen Kategorisierung einzelner Anwendungen. Wikis und Blogs beispielsweise sind meist textbasiert und erlauben lediglich den Austausch simpler Inhalte, weshalb sie auch eine geringe soziale Prsenz und Medienreichhaltigkeit aufweisen. Demgegenber erreichen Dienste, welche das Bereitstellen und bermitteln von Bildern oder Videos erlauben, wie z.B. YouTube oder flickr, schon hhere Werte in dieser Kategorie. Virtual Games wie

27 28

Vgl. Kaplan, 2010, S. 61f. Kaplan, 2010, S. 61

14

World of Warcraft oder Second Life erreichen den hchsten Grad, da es sich um Faceto-Face-Kommunikation in einer virtuellen Umgebung handelt. Bezogen auf die soziale Dimension besteht in Anwendungen wie Blogs und Social Networks ein hherer Grad an Selbstdarstellungsmglichkeiten als beispielsweise in Wikis oder Content Communitys wie YouTube oder flickr.29 In der folgenden Abbildung sind diese Erkenntnisse zusammengefasst:

Abbildung 1: Classification of Social Media by social presence/media richness and selfpresentation/self-disclosure Quelle: Kaplan, Andreas M. und Haenlein, Michael: Users of the world, unite!. The challenges and opportunities of social media. In: Business Horizons, 53/2010. S 62.

29

Vgl. Kaplan, 2010, S. 61f.

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3. Vernderung der Kommunikation und Medienwandel durch Web 2.0 und Social MediaDurch die neuen Technologien des Web 2.0 im Allgemeinen sowie Social Media im Speziellen haben sich neue Formen, Mechanismen und Modelle der zwischenmenschlichen Kommunikation etabliert, welche sich rasch und weitlufig verbreitet haben und mittlerweile groen Einfluss auf Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur und Medien besitzen. Im Folgenden werden einige der bedeutendsten Vernderungen dargestellt, welche sich u.a. massiv auf die Bereiche Marketing und PR auswirken und somit die Grundlage fr die weiteren Kapitel der Arbeit darstellen. 3.1. Das Kommunikationsmodell der Massenmedien Das klassische Modell der Massenmedien wie Print, Radio oder Fernsehen wurde durch neue, interaktive und partizipative Kommunikationsformen im Internet ergnzt, welche zu einem bedeutenden Strukturwandel gefhrt haben. Web 2.0 heit, dass das Internet nicht mehr eine bloe Informationsdrehscheibe oder Verkaufsplattform fr Anbieter und Nachfragende ist. Web 2.0 bedeutet: Die Online-Welt ist sozial geworden.30 Die Massenkommunikation ist durch eine klare Trennung der beiden Rollen Sender (Kommunikatorseite) und Empfnger (Rezipientenseite) charakterisiert.31 Die interpersonalen Kommunikation (Face-to-Face-Kommunikation) sowie verschiedene Bereiche der Telekommunikation ermglichen hingegen eine Aufhebung dieser Linearitt, indem dieselbe Person im Lauf der Kommunikation verschiedene Rollen einnimmt, einmal der Sender, dann wieder der Empfnger ist.32 Diese symmetrische, reziproke Kommunikation im direkten Kontakt von Personen wird [...] als Interaktion bezeichnet.33

30

Kielholz, Annette: Online-Kommunikation. Die Psychologie der neuen Medien fr die Berufspraxis. Heidelberg 2008. S. 4. 31 Vgl. Rothe, Friederike: Zwischenmenschliche Kommunikation. Eine interdisziplinre Grundlegung. Wiesbaden 2006. S. 80. 32 Vgl. Publizistik Massenkommunikation. Hg. v. Elisabeth Noelle-Neumann [u.a.]. 3., aktualisierte, vollstndig berarbeitete und ergnzte Auflage. Frankfurt am Main 2004. S. 158ff. 33 Noelle-Neumann, 2004, S. 160.

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In seiner Definition von Massenkommunikation streicht Gerhard Maletzke 1963 die Einseitigkeit dieser Kommunikation als eines ihrer zentralen Merkmale heraus und nimmt damit die Interaktion aus dem Begriff aus: Unter Massenkommunikation verstehen wir jene Form der Kommunikation, bei der Aussagen ffentlich [...] durch technische Verbreitungsmittel (Medien) indirekt [...] und einseitig (also ohne Rollenwechsel zwischen Aussagendem und Aufnehmendem) an ein disperses Publikum [...] vermittelt werden.34 Das heit, Kommunikator und Rezipient tauschen in den klassischen Massenmedien ihre Rollen nicht, es findet kein Austausch sondern lediglich eine einseitige bermittlung von Information statt, womit der Kommunikationsprozess als asymmetrisch zu bezeichnen ist. Hierdurch wird zwar eine Rckkoppelung (Feedback) vom Rezipienten an den Kommunikator nicht ausgeschlossen, es handelt sich dabei allerdings nicht um Interaktion, da die beteiligten Partner ihre Rollen nicht tauschen.35 Bei Massenkommunikationsprozessen sind die Rckmeldungen etwa Leserbriefe oder Telefonanrufe meist weniger unmittelbar, sie wirken sich auf das Kommunikatorverhalten erst mit Verzgerung aus.36 3.2. Prosumer und Produser in Web 2.0 und Social Media Mit dem Internet haben sich jedoch durch technologische Innovationen die Kommunikationskanle, Medienstrukturen sowie die strikte Rollenverteilung zwischen Sender und Empfnger stark verndert und bisher getrennte Kommunikationstechniken wie gesprochene Sprache, Text, Video, Audio oder Telekommunikation sind verschmolzen. Diese Integration fhrt zu neuen Angebots- und Nutzungsformen im Web sowie zur Auflsung der Grenzen zwischen Massen- und Individualkommunikation. Whrend frher ein einzelner Sender eine Botschaft an eine Vielzahl von unbestimmten Empfngern sendete, ohne dass symmetrische Kommunikation, Feedback und Interaktion mglich waren, verschmelzen im Web 2.0 und in Social Media die Rollen von Kommunikator und Rezipient. Durch die Mglichkeit der Nutzer, im Netz selbst Inhalte zu erstellen und diese weiterzuverbreiten, kommt es zu einer Relativierung des einseitigen Sender-Empfnger34 35

Leschke, Rainer: Einfhrung in die Medientheorie. Mnchen 2007. S. 15. Vgl. Noelle-Neumann, 2004, S. 160. 36 Noelle-Neumann, 2004, S. 161.

17

Modells der klassischen Massenmedien. Interaktion und Partizipation stehen im Vordergrund.37 Das Modell des Prosumers bezieht sich auf diesen Umstand und beschreibt die vernderte Position des Users, der gleichzeitig Producer und Consumer von Inhalten und Informationen im Web ist. Der Begriff geht auf Alvin Toffler zurck, welcher 1980 in seinem Werk The Third Wave ber die Personalisierung von Gtern schreibt und den Konsumenten ber seine Prferenzen in den Produktionsprozess miteinbezieht. Damit wird der passive Konsument zum aktiven Produzenten.38 As prosumers we have a new set of responsibilities, to educate ourselves. We are no longer a passive market upon which industry dumps consumer goods but a part of the process, pulling toward us the information and services that we design from our own imagination.39 Toffler sieht in der Asymmetrie zwischen Konsumenten und Produzenten ein Hauptproblem der damaligen Gesellschaft. Der Prosumer fhrt laut ihm zur ersten wirklich menschlichen Gesellschaft: Above all, as we shall see, Third Wave civilization begins to heal the historic breach between producer and consumer, giving rise to the prosumer economies of tomorrow. For this reason, among many, it could with some intelligent help from us turn out to be the first truly humane civilization in recorded history.40 Im Web 2.0 und in Social Media ist diese Verschmelzung bereits erfolgt, denn im Mitmachnetz kann jeder Nutzer dank einfacher technischer Hilfsmittel mit niedrigen Einstiegsbarrieren nicht nur passiv Informationen und Inhalte sammeln, sondern sich aktiv an deren Erstellung und Verbreitung beteiligen. Auf der Tagung Prosumer Revisited: Zur Aktualitt der Prosumer-Debatte im Mrz 2009 an der Johann Wolfgang Goethe-Universitt Frankfurt am Main wurde von verschiedenen Wissenschaftern und Fachleuten der Tofflersche Prosumer-Begriff diskutiert. In seinem Blog sieht der Autor und Vortragende auf der Tagung, Axel Bruns, diesen fr das Web 2.037 38

Vgl. Noelle-Neumann, 2004, S. 304. Vgl. Prosumer Revisited: Zur Aktualitt einer Debatte. Hg. v. Birgit Blttel-Mink und Kai-Uwe Hellmann. Wiesbaden 2010. S. 13ff. 39 N.N.: Alvin Toffler and the Third Wave. In: The Masters Forum (kein Datum). http://www.mastersforum.com/PastPrograms/AlvinTofflerTheThirdWave/tabid/64/Default.aspx, zuletzt eingesehen am 17. 5. 2010. 40 Toffler, Alvin: The Third Wave. London 1980. S. 12f.

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sowie Social Media als berholt an. Er begrndet dies mit der festen Verankerung des Begriffs im Zeitalter der Vorherrschaft der Massenmedien und sieht den Tofflerschen Prosumer zwar als besonders gut informierten und kritischen Konsument, jedoch nicht als einen aus eigenem Antrieb aktiven, kreativen Ersteller und Weiterbearbeiter neuer Inhalte. Da im Web durch die anyone can edit-Philosophie potenziell alle Nutzer aktiv an der Inhaltserstellung teilnehmen knnen und nicht mehr nur ein paar besonders Interessierte, fhrt er den Begriff des Produsers (zusammengesetzt aus Producer und User) ein, da die Nutzer im Web 2.0 und in Social Media immer auch Produzenten gemeinsamer Informationssammlungen sind.41 3.3. Gesellschaftliche Entwicklungen durch Web 2.0 und Social Media Weil die User nicht mehr nur passive Rezipienten sind, sondern sich aktiv an der Inhaltserstellung im Web beteiligen, gestalten sie auch aktiv die gesellschaftlichen Entwicklungen und Vernderungen mit, welche mit dem Web 2.0 und Social Media einhergehen. Silvio Divani stellt in einem Artikel in der Zeitschrift tv diskurs die Frage Web 2.0 Motor sozialen Wandels? und beantwortet sie positiv mit dem Argument der massenhaften und hierarchiefreien Verbreitung von Inhalten und Informationen ber das Web, welche zu Effekten wie Selbstprogrammierung der Gesellschaft, Many-to-ManyKommunikation sowie Schwarmintelligenz fhrt.42 Selbstprogrammierung beschreibt, dass Ziel- und Leitvorstellung aus sich selbst heraus entstehen bzw. durch die Gesellschaft in Folge der Gesamtheit ihres Handelns entwickelt werden.43 Das Web 2.0 und Social Media erlauben es dem einst passiven Rezipienten, sich seine eigene Welt zu erschaffen und selbst Medieninhalte zu generieren, wodurch das Netz zum Spiegel der Gesellschaft wird. Parallel zu dieser new participatory culture werden alte Hierarchien aufgebrochen und machen einer neuen Form der Demokratisierung Platz.44

41

Vgl. Bruns, Axel: Vom Prosumer zum Produser: Ein neues Verstndnis nutzergesteuerter Inhaltserschaffung (Prosumer Revisited 2009). In: Snurblog (Blog) vom 26. 3. 2009. http://snurb.info/node/935, zuletzt eingesehen am 17. 5. 2010. 42 Vgl. Divani, Silvio: Web 2.0 Motor sozialen Wandels?. tv diskurs, 49/2009. S. 46. http://www.fsf.de/fsf2/publikationen/bild/tv_diskurs/09/tvd_inhalt49.pdf, zuletzt eingesehen am 17. 5. 2010. 43 Divani, 2009, S. 46. 44 Vgl. Jenkins, Henry: Convergence Culture. Where old and new media collide. New York 2006. S. 24.

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Wie bereits erlutert, wird im Web das klassische Sender-Empfnger-Modell der Massenmedien von Interaktion und Partizipation abgelst. Durch User Generated Content, flache Hierarchien und die direkten Antwortmglichkeiten eines jeden Empfngers wird erstmals echte Many-to-Many-Kommunikation mglich.45 Thomas Knwer, ehemaliger Redakteur, Agenturgrnder, Blogger und Kommunikationsfachmann, begrndet durch die potenziell unbegrenzte Zahl an Sendern und Empfngern auch die Vernderung der zwischenmenschlichen Beziehungen und Bindungen: Das eigentlich wichtige an Social-Media-Diensten ist, dass sie eine Medienrevolution sind. Denn sie sind die ersten Medien, die die Grenze zwischen Sendungs- und Kommunikationsmedium aufheben. Das gab es vorher noch nie.46 Ein weiterer Aspekt dieser Entwicklung ist das ungemeine Potenzial der kollektiven Intelligenz, welche erst durch den Aufbau sozialer Netze im Web 2.0 mglich wird. Martin Ebner von der Technischen Universitt Graz hat in einem Vortrag den Unterschied zum Web 1.0 folgendermaen erklrt: Es geht nicht mehr darum, Informationen zu vernetzen, sondern die Menschen dahinter. Das ist eigentlich das, was heute jedes soziale Netzwerk ausmacht.47 So taucht in der Literatur sowie in verschiedenen Fachvortrgen immer wieder die Feststellung auf, dass es sich bei Web 2.0 und Social Media nicht um eine Revolution im technischen, sondern im sozialen Sinne handelt, wie es der E-Learning-Theoretiker Stephen Downes bereits 2006 feststellte: Web 2.0 is an attitude, not a technology. This means there is no technological revolution, it is a social revolution.48 Wie schon fters festgestellt, stehen so die User im Mittelpunkt von Web 2.0 und Social Media. In diesem Zusammenhang ist das enorme Gewicht der sogenannten weak ties (schwache Verbindungen) fr die Netzwerkbildung im Web herauszustreichen.49 In dem Artikel The strength of weak ties geht Mark Granovetter davon aus, dass die Zahl der45 46

Vgl. Divani, 2009, S. 46ff. N.N.: Erffnung [Thomas Knwer erlutert den Medienwandel, Anm. BAR]. In: make.tv. Video vom 9. 2. 2010. Von 30:47 bis 30:53. http://make.tv/pb21/show/37092, zuletzt eingesehen am 17. 5. 2010. 47 N.N.: Web 2.0 - Vortrag von Dr. Martin Ebner. In: UStream. Video vom 12. 11. 2009. Von 1:40 bis 1:50. http://www.ustream.tv/recorded/2541714, zuletzt eingesehen am 17. 5. 2010. 48 Ebner, Martin: Web 2.0 und Kommunikation. In: Slideshare. Prsentation vom 12. 11. 2009. S. 5. http://www.slideshare.net/mebner/vernetzung-kommunikation-web-20?from=ss_embed, zuletzt eingesehen am 17. 5. 2010. 49 Vgl. Jansen, Dorothea: Einfhrung in die Netzwerkanalyse. Grundlagen, Methoden, Forschungsbeispiele. 3., berarbeitete Auflage. Wiesbaden 2006. S. 106f.

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strong ties (starken Verbindungen), die ein Nutzer hat, gewhnlich begrenzt ist. Die Pflege dieser starken Verbindungen (die Nutzer kennen sich meist persnlich) ist zeitaufwndig und mehrere strong ties fhren meist zu einer Gruppe ohnehin untereinander vernetzter Akteure, die in sich geschlossen ist. Durch eine fehlende Vielzahl an Kontakten nach auen und ein dadurch entstehendes Informationsdefizit tendieren solche strong-ties-Gruppen zur Schlieung nach innen. Weak ties sind hingegen weniger redundant und knnen in Netzwerken selbst groe Distanzen berbrcken sowie generell in sich geschlossene Gruppen miteinander verbinden. Die weak-ties-Struktur sozialer Netze ist einer der Grnde, warum sich Informationen im Web 2.0 und in Social Media so rasch verbreiten. ber weaks ties werden Informationen ber groe Distanzen bermittelt und verharren nicht in geschlossenen Gruppen.50 The argument asserts that our acquaintances (weak ties) are less likely to be socially involved with one another than are our close friends (strong ties).51 3.4. Medienwandel durch Web 2.0 und Social Media Welcome to convergence culture, where old and new media collide, where grassroots and corporate media intersect, where the power of the media producer and the power of the media consumer interact in unpredictable ways.52 Die Vernderung der Position des einstmals passiven Rezipienten, konkret des Users, der nun selbst im Web Inhalte erstellt und verbreitet, zieht als logische Konsequenz auch einen Wandel der klassischen Massenmedien nach sich, welcher besonders fr die in dieser Arbeit behandelten Bereiche Marketing und PR von groer Bedeutung ist. Nachdem zunchst nur durch Face-to-Face-Kommunikation Informationen bermittelt werden konnten, hat die Verbreitung von Zeitungen und Magazinen die ra der Massenkommunikation eingeleitet, welche anschlieend durch die Medien Radio und Fernsehen erneut revolutioniert wurde. Trotz groer rumlicher Entfernung konnten die Rezipienten die Geschehnisse auf einmal live miterleben. Mit der Entstehung und Weiterentwicklung des Internets sowie des Web 2.0 und der Social Media nderte sich die50

Vgl. The Strength of Weak Ties: A Network Theory Revisited. Bd. 1: Sociologial Theory. Hg. v. Randall Collins. New York 1983. S. 201. 51 Granovetter, 1983, S. 201ff. 52 Jenkins, 2006, S.2.

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Medienlandschaft jedoch neuerlich massiv.53 It was the dawn of a new era. It was a place where everyone could get information from everywhere.54 Die klassischen Massenmedien wie Print, Radio und Fernsehen sehen sich aktuell mit roten Zahlen und sinkenden Leser-, Hrer- und Zuseherzahlen konfrontiert. Angesprochen auf diese Situation sowie auf das mediale Unverdrngbarkeitsgesetz von Wolfgang Riepl, welches besagt, dass kein lteres Medium durch ein hher entwickeltes vollkommen verdrngt oder ersetzt werden knne, bezieht der Medienwissenschafter Stephan Weichert in einem Interview konkret Stellung zur groen Bedeutung des Web 2.0 und Social Media im Vergleich zu den klassischen Massenmedien.55 [...] zumal das Internet gar keine neue Mediengattung ist, sondern ein gigantisches Verteilmedium, das alle bisherigen Massenmedien in sich aufsaugt, vereinnahmt und publizistisch umformt. [...] Die derzeitigen Umwlzungen im Mediensektor sind mit denen der vergangenen Jahre also gar nicht vergleichbar, weil das Netz ohnehin alles kann, was Hrfunk, Fernsehen, Magazine und Zeitungen zusammen auch knnen [...]56 3.5. Die Rolle des Journalisten in Web 2.0 und Social Media In Zusammenhang mit User Generated Content und der raschen Informationsverbreitung ber das Netz verndert sich auch die Rolle des Journalisten im Medienbetrieb. Er verliert zunehmend seine Gatekeeper-Funktion und hat nicht mehr das Vorrecht auf die Auswahl und Verbreitung von Informationen, nachdem das Verhltnis von Produzenten und Konsumenten verschwimmt und aufgeweicht wird. Stephan Weichert prognostiziert, dass der Journalist verstrkt auf sein Gegenber eingehen und es aktiv miteinbeziehen muss: Er [der Journalismus, Anm. BAR] wird sich also zu etwas Neuem hin entwickeln mssen, das die Beteiligung der Nutzer, Leser und Zuschauer automatisch mitdenkt,

53

Vgl. Baekdal, Thomas: Where is Everyone?. In: baekdal (Blog) vom 27. 4. 2009. http://www.baekdal.com/articles/management/market-of-information/, zuletzt eingesehen am 17. 5. 2010. 54 Baekdal, 2009b. 55 Vgl. Asmuth, Tobias: Fast Foward. Der Wissenschaftler Stephan Weichert zur Zukunft der Medien. In: fluter.de (Online-Magazin) vom 6. 7. 2009. http://www.fluter.de/de/81/thema/7779/?tpl=162, zuletzt eingesehen am 17. 5. 2010. 56 Asmuth, 2009.

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zugleich aber die professionellen Standards von der Recherche bis zur Trennung von Kommentar und Nachricht weiterhin aufrecht erhlt.57 In diesem Zusammenhang spricht er von einem komplexen New Digital Journalism, welcher neue Darstellungsformen fordert, die es erlauben, verstrkt in Interaktion mit den Nutzern zu treten, und nicht mehr linear und statisch aufgebaut sind.58 Auch Martin Ebner sieht eine Vernderung in der Rolle des Journalisten: Frher war der Journalist zustndig, uns aktuelle Informationen zu liefern. Heute liefern wir die aktuellen Informationen.59 Dies macht den Journalismus allerdings nicht obsolet. Nicht mehr der Journalist ist derjenige, der uns exklusiv die Nachrichten liefert, sondern der Journalist wird zu demjenigen, der die Informationen in einem ordentlichen Bericht zusammenfasst.60 3.6. Machtverschiebung durch die new participatory society Die Freiheit der User, im Web 2.0 sowie in Social Media selbst Inhalte zu generieren und zu verbreiten, wird nach Annahme vieler Theoretiker zu einer selbstbewussten ffentlichkeit fhren, welche durch direkte und hierarchiefreie Kommunikation in alle Richtungen gekennzeichnet ist. Ohne die Linearitt klassischer Massenmedien entstehen ganz neue Mglichkeiten der Kommunikation und Informationsverbreitung im Netz, welche auf dem sozialen Aspekt des Web 2.0 sowie Social Media beruhen. Silvio Divani schreibt diesbezglich von einer neuen Diversitt und Non-Linearitt durch die unumschrnkte Verfgbarkeit von Inhalten und die unbegrenzten Mglichkeiten ihrer Deutung.61 Stefan Krempl nimmt in Krieg und Internet bereits 2004 auf die Machtverschiebung durch die neuen Beteiligungsmglichkeiten der Nutzer im Web 2.0 und Social Media Bezug, welche zu bedeutenden Umwlzungen fhrt: Das Netz erfllt theoretisch viele der Anforderungen Enzensbergers an ein egalitres Medium (dezentralisiert, jeder Empfnger ein potenzieller Sender, Interaktion

57 58

Asmuth, 2009. Vgl. Asmuth, 2009. 59 Web 2.0 - Vortrag von Dr. Martin Ebner, 2009, von 41:50 bis 41:53. 60 Web 2.0 - Vortrag von Dr. Martin Ebner, 2009, von 41:32 bis 41:46. 61 Vgl. Divani, 2009, S. 49.

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und Feedback, Selbstorganisation und kollektive Produktion). Es gilt als Hort der freien und unzensierten Meinungsuerung, Mythos der Unzensierbarkeit.62 Die Menschen solidarisieren sich im Web aus den unterschiedlichsten Motiven und erhalten durch den Aufbau sozialer Netzwerke und Gruppen trotz rumlicher Trennung eine nicht mehr zu berhrende Stimme. Das Mitmachnetz fhrt somit zu einer Enthierarchisierung althergebrachter Strukturen und verleiht den Nutzern eine neue Macht. Informationen in Form von User Generated Content verbreiten sich ber das Web 2.0 und Social Media rasend schnell und knnen Unternehmen, Organisationen oder Einzelpersonen einen erheblichen Reputationsschaden, jedoch genauso Kultstatus zufgen oder neue Trends setzen. Andrew Shapiro hat dies bereits 1999 folgendermaen formuliert: Wir leben in einer Zeit, in der viele Autorittsfiguren ihren Status verlieren: Gesetzgeber und andere Regierungsvertreter, Berufsjournalisten, Mittelsmnner im Handel oder Ausbilder. Hierarchien zerfallen. Gatekeeper werden bergangen. Macht wird an die 'Endnutzer' bertragen.63 Wie bereits erwhnt, sind diese Aspekte besonders fr Marketing und PR von erheblicher Bedeutung, da diese seit jeher die Medien zur Kommunikation mit ihren Zielgruppen nutzen. Die wachsende Bedeutung von Web 2.0 und Social Media sowie die in diesem Zusammenhang erluterten Vernderungen der Kommunikation und sozialen Entwicklungen fhren zu neuen Anforderungen an Marketing und PR und werden mit entscheidend fr deren Erfolg in der Zukunft sein.

62

Krempl, Stefan: Krieg und Internet: Ausweg aus der Propaganda?. In: DGPuK (Webserver Universitt Leipzig) vom 20. 2. 2004. http://soemz.euv-frankfurt-o.de/~sk/Pub/muc204.html, zuletzt eingesehen am 17. 5. 2010. 63 Krempl, Stefan: Krieg und Internet: Ausweg aus der Propaganda?. Hannover 2004. S. 20.

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4. Marketing und PR in Social MediaMit der groen Verbreitung des Internets, der Entstehung von Web 2.0 und im Speziellen Social Media haben sich neue Anforderungen an Marketing und PR ergeben. Die im Kapitel Vernderung der Kommunikation und Medienwandel durch Web 2.0 und Social Media beschriebenen Vernderungen der Kommunikationsformen und -modelle sowie die Revolutionierung der Medienwelt durch das Web wirken sich in diesen Bereichen besonders stark aus. Die spezifischen Eigenheiten des Netzes sowie die Besonderheiten von und neuen Mglichkeiten durch das Web 2.0 und Social Media haben in den letzten Jahren zu einer stetig steigenden Zahl an Internetnutzern gefhrt und auch deren Verhalten gegenber Unternehmen, Organisationen und Marken verndert. Ein weiterer wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang ist die allgegenwrtige Informationsberlastung, welcher der einzelne Nutzer lngst nicht mehr gewachsen ist. Dies fhrt dazu, dass er einen Groteil der auf ihn einstrmenden Informationen ausblendet und berhaupt nicht mehr wahrnimmt. Aufgrund dessen und noch einiger weiterer Aspekte, welche im Detail im folgenden Teil der Arbeit diskutiert werden, ergeben sich neue Herausforderungen fr Marketing und PR bei der Ansprache, Kommunikation und Bindung ihrer Zielgruppen. 4.1. Die Vernderung der Onlinenutzung und der Trend Social Media Die stetig steigende Onlineprsenz der Bevlkerung fhrt dazu, dass traditionelle Formen von Marketing und PR, welche sich hauptschlich der klassischen Massenmedien zur Verbreitung ihrer Inhalte bedienen, nicht mehr zeitgem und dementsprechend auch weniger erfolgreich sind. Dass dieser Trend sich mit groer Wahrscheinlichkeit fortsetzen wird, lsst sich u.a. anhand der Entwicklung der Zahlen zur Onlinenutzung erkennen. So weist die ARD/ZDFOnlinestudie 2009 eine (gelegentliche) Onlinenutzung fr 67,1 % der deutschen Bevlkerung ber 14 Jahren aus, whrend dieser Wert 2003 noch bei 53,5 % und 1997 berhaupt erst bei 6,5 % lag.64 Das britische Internet Advertising Bureau (IAB) beschreibt in dem Paper Online Facts & Figures fr das Vereinigte Knigreich ein hnliches64

Vgl. ARD/ZDF-Onlinestudie (2009): Onlinenutzung. Hg. v. ARD/ZDF-Medienkommission. Baden-Baden 2009. o.P. http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/index.php?id=onlinenutzung, zuletzt eingesehen am 17. 5. 2010.

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Ergebnis: 2008 waren 32 Millionen Menschen in Grobritannien online, das sind 65 % der Erwachsenen. 76 % der britischen Internetuser gingen 2008 tglich oder zumindest regelmig online.65 Neben dem ungebrochenen Anstieg der Internetnutzung generell ist auch ein kontinuierlicher Anstieg der Nutzungsfrequenz zu bemerken. Gem der Studie ACTA 2008 bedienen sich 59 % der deutschen Internetnutzer von 14 bis 64 Jahren tglich des Webs. Insgesamt sind das 45 % der betreffenden Nutzerschicht, die tglich online sind. Auch die tgliche Nutzungsdauer der deutschen Bevlkerung von 14 bis 64 Jahren ist im Zeitraum von 2002 bis 2008 stetig gestiegen. Whrend 2002 tglich nur 8 % lnger als zwei Stunden im Web waren, waren es 2008 bereits 15 %.66 In diesem Zusammenhang ist auch auf die steigende Nutzung von Social-Media-Angeboten hinzuweisen. Die ARD/ZDF-Onlinestudie 2009 weist folgende Zahlen fr die deutschen Onlinenutzer ab 14 Jahren aus: 65 % haben 2009 Wikipedia zumindest selten genutzt, 52 % Videoportale, 34 % Social Networks, 25 % Fotosammlungen und immerhin noch jeweils knapp 10 % berufliche Netzwerke und Weblogs. Betreffend die tgliche Nutzung wurden 2009 von 13 % der Deutschen in dieser Altersschicht Social Networks am hufigsten genutzt, gefolgt von Videoportalen mit 9 % und Wikipedia mit 4 %. Besonders Videoportale und Social Networks haben laut der Studie an Popularitt bei den Usern gewonnen: Wurden Social Networks 2007 von 6 % der deutschen Onlinenutzer ber 14 Jahren zumindest wchentlich aufgesucht, waren es 2009 bereits 24 %. Videoportale wurden 2007 von 14 % regelmig aufgesucht, 2009 bereits von 26 %.67 Dies ist kennzeichnend fr die aktuellen Entwicklungen im Web und weist auf die stetig steigende Nachfrage nach multimedialen Inhalten hin. 62 % aller deutschen Onliner haben 2009 beispielsweise Videos ber das Web oder Fernsehsendungen zeitversetzt abgerufen,

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Vgl. Online facts & figures. Hg. v. Internet Advertising Bureau. (kein Verlagsort und Datum). o.P. http://www.iabuk.net/en/1/iabknowledgebankaudiencefactsandfigures.html, zuletzt eingesehen am 17. 5. 2010. 66 Vgl. Kcher, Renate: ACTA 2008. Vernderung der Informations- und Kommunikationskultur. Mnchen 2008. o.P. http://www.acta-online.de/praesentationen/acta_2008/acta_2008_Information%2390EDC.pdf, zuletzt eingesehen am 20. 5. 2010. 67 Vgl. ARD/ZDF-Onlinestudie (2009): web 2.0. Hg. v. ARD/ZDF-Medienkommission. Baden-Baden 2009. o.P. http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/index.php?id=165, zuletzt eingesehen am 17. 5. 2010.

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2008 waren es erst 55 %. 51 % hrten 2009 Musikdateien, Podcasts und Radiosendungen im Web, 2008 waren es nur 43 %.68 Aufschlussreich sind auch die Zahlen zur Nutzung von Social Networks: So sind laut der Studie Social Communities des ForschungsWerks aus dem Jahr 2009 63 % der deutschen Internetnutzer ber 18 Jahren Mitglieder in mindestens einer Social Community. 13 % sind sogar in drei oder mehr Networks angemeldet.69 Anhand dieser Zahlen lsst sich erkennen, welch enorme Verbreitung sowie Bedeutung das Internet in der breiten Masse der Bevlkerung bereits hat. Der Stellenwert der traditionellen Massenmedien als Werbetrger sowie Kontaktmedien fr Marketing und PR ist parallel zu dieser Vernderung gesunken. Viele Unternehmen investieren heute einen beachtlichen Teil ihres Werbe- und Marketingbudgets in den Onlinebereich. Der OVK Online-Report 2010/01 weist fr das Jahr 2009 das Internet mit einem Marktanteil von 16,5 % erstmals als drittstrkstes Werbemedium in Deutschland nach TV und Zeitungen aus, wobei sich der Abstand zwischen Print und Online von 7,2 % im Jahr 2008 auf 4,9 % verringert hat. Der deutsche Onlinewerbemarkt ist 2009 um 12 % auf ber vier Milliarden Euro gewachsen, was die Erwartungen der Fachleute bei weitem bertroffen hat. Besonders gefragt sind auch im Werbebereich multimediale Inhalte, besonders Videowerbung. Video-Ads konnten gegenber 2008 159,5 % zulegen und auch in Zukunft wird mit steigender Verbreitung von Bewegtbildformaten gerechnet. Fr 2010 prognostiziert der OVK ein Wachstum von 14 % fr den deutschen Onlinewerbemarkt.70 hnliche Tendenzen sind fr den britischen Werbemarkt zu erkennen, wie das Fact Sheet Online adspend des Internet Advertising Bureau (IAB) zeigt. Mit 23,5 % Marktanteil war das Internet der einzige Sektor, in welchem 2009 die Werbeeinnahmen gesteigert werden konnten. Damit ist das Web aktuell das grte Werbemedium im Vereinigten Knigreich. Whrend die Werbeindustrie generell einen Rckgang von 16,6 % verzeichnete, konnte die Onlinewerbung als einziger Sektor einen Zuwachs von 4,6 % gegenber dem Vorjahr68

Vgl. ARD/ZDF-Onlinestudie (2009). Hg. v. ARD/ZDF-Medienkommission. Baden-Baden 2009. o.P. http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/index.php?id=188, zuletzt eingesehen am 17. 5. 2010. 69 Vgl. Social Communities. Hg. v. ForschungsWerk GmbH. Nrnberg 2009. o.P. http://www.forschungswerk.de/pressearchiv/ForschungsWerk_Studie2009_Social_Communities.pdf, zuletzt eingesehen am 17. 5. 2010. 70 Vgl. OVK Online-Report 2010/01. Zahlen und Trends im berblick. Hg. v. Online-Vermarkterkreis. Dsseldorf 2010. S. 5ff. http://www.ovk.de/fileadmin/downloads/fachgruppen/OnlineVermarkterkreis/OVK_Online-Report/OVK%20Online-Report%20201001_Webversion.pdf, zuletzt eingesehen am 17. 5. 2010.

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erreichen. Als Grnde fr die zunehmenden Investitionen in den Onlinewerbemarkt werden die steigende Onlinenutzung der Bevlkerung sowie die steigende Zahl an Breitbandanschlssen angefhrt. Weiters wird das Werbewachstum im Web damit begrndet, dass auch Randgruppen erreicht werden knnen.71 Anhand von Zahlen sind auch klare Rckschlsse ber die Vernderung der Mediennutzung durch das Web mglich. Laut der ARD/ZDF-Onlinestudie hat sich die Internetnutzung im Tagesverlauf zwischen 2005 und 2009 sehr stark verndert. Noch im Jahr 2005 sank die Internetnutzung ab 19 Uhr, im Jahr 2009 hingegen stieg sie ab 16 Uhr rapide an und erreichte ihren Spitzenwert zwischen 19 und 20 Uhr.72 Diese Entwicklung lsst auf ein Phnomen schlieen, welches Thomas Knwer als Ambient Communication, sogenannte Nebenherkommunikation, beschreibt. Die Kommunikation luft dabei im Hintergrund und unterscheidet sich stark von beispielsweise bewusster Kommunikation am Telefon.73 Ambient Communication gewinnt dabei laut der Studie Community Monitor 2008 durch das Web weiterhin an Bedeutung, da die Menschen beispielsweise abends nicht mehr nur fernsehen oder einer anderen Beschftigung nachgehen, sondern parallel dazu online sind. In diesem Zeitraum steigt besonders die Zahl der Beitrge in Social Networks stark an. Dies ist ein weiterer Faktor, welcher die hohe Onlinenutzung in den Abendstunden erklrt.74 Ein weiteres Beispiel fr die Vernderung der Mediennutzung ist die verstrkte Nutzung von Onlineplattformen im Vergleich zu klassischen Massenmedien wie Print, TV oder Radio. Laut der Studie ACTA 2009 rezipierten im Jahr 1998 noch 93 % der deutschen Spiegel-Leser ausschlielich das gedruckte Printmagazin Der Spiegel, lediglich 2 % das Printmagazin und das Onlinemagazin und 6 % nur den Spiegel Online. Innerhalb weniger Jahre haben sich die Gewohnheiten der Spiegel-Leser stark verndert: 2009 rezipierten nur noch 54 % der Spiegel-Leser ausschlielich das Printmagazin, was ein Minus von 39 % bedeutet. Der Spiegel Online jedoch wurde demgegenber wesentlich strker rezipiert:71

Vgl. Fact Sheet: Online adspend H1 2009. Hg. v. Internet Advertising Bureau. (kein Verlagsort und Datum). o.P. http://www.iabuk.net/media/images/iabresearch_adspend_adspendfctshth108_5253.pdf, zuletzt eingesehen am 17. 5. 2010. 72 Vgl. ARD/ZDF-Medienkommission, 2009a. 73 Vgl. [Thomas Knwer erlutert den Medienwandel, Anm. BAR], 2010, von 33:55 bis 36:49. 74 Vgl. Community-Monitor 2008. Hg. v. Brain Injection und Cologne Business School. Kln 2008. S. 21. Nur als Download vorhanden unter http://www.braininjection.com/component/option,com_phocadownload/Itemid,41/view,sections/, zuletzt eingesehen am 17. 5. 2010.

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13 % lasen das Online- und das Printmagazin und sogar 33 % der Leser rezipierten ausschlielich den Spiegel Online, was ein Plus von 27 % bedeutet.75 Zusammengefasst ist die steigende Onlinenutzung in Verbindung mit der steigenden Nutzungsfrequenz und Nutzungsdauer bezeichnend fr das kontinuierliche und schnelle Wachstum sowie die groe Bedeutung des Internets. Die steigende Nutzung von SocialMedia-Anwendungen lsst die Tendenz erkennen, dass dieser Bereich von den Usern in Zukunft noch strker frequentiert werden wird, was sich auch an der steigenden Nachfrage nach multimedialen Inhalten erkennen lsst, deren Verbreitung durch Social Media immer strker gegeben ist. An den steigenden Investitionen in den Onlinewerbemarkt sowie an der Vernderung der Mediennutzung, welche sich durch eine Bedeutungsverschiebung von klassischen Massenmedien hin zu Onlineplattformen auszeichnet, lsst sich auch fr Marketing und PR die Notwendigkeit ablesen, verstrkt im Web 2.0 sowie in Social Media ttig zu werden, um in Zukunft ihre Zielgruppen bestmglich erreichen zu knnen. Die Kommunikationsbranche steht also heute und in Zukunft vor der groen Herausforderung, die Mechanismen und Besonderheiten des Webs zu bercksichtigen sowie den Trend Social Media zu erkennen und zu nutzen. 4.2. Mechanismen und Effekte von Social Media betreffend Marketing und PR Im folgenden Kapitel wird die Entwicklung von traditionellem Marketing und klassischen PR hin zu Social Media Marketing und den sogenannten PR 2.0 skizziert sowie werden die damit einhergehenden vernderten Anforderungen an die Kommunikationsbranche beschrieben. Es besteht nicht der Anspruch, einen Leitfaden mit Handlungsempfehlungen zur Umsetzung einzelner Kommunikationsmanahmen oder zur erfolgreichen Anwendung einzelner Social-Media-Tools zu liefern, da dies in der Literatur bereits hufig vorgenommen wurde. Vielmehr sollen fr Marketing und PR relevante Mechanismen und Eigenheiten von Social Media sowie wichtige Effekte in diesem Bereich erlutert werden.

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Vgl. Schneller, Johannes: ACTA 2009. Zentrale Trends der Internetnutzung in den Bereichen Information, Kommunikation und E-Commerce. Mnchen 2009. o.P. http://www.actaonline.de/praesentationen/acta_2009/acta_2009_Trends_Internetnutzung.pdf, zuletzt eingesehen am 17. 5. 2010.

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4.2.1. Das Pull-Prinzip und One-to-One-Marketing und -PR in Social Media Durch die vernderten Kommunikationsgewohnheiten der Menschen im Netz ergeben sich auch neue Anforderungen an Marketing und PR. Unternehmen mssen heute im Web 2.0 und in Social Media aktiv auftreten, um nachhaltig ihre Zielgruppen erreichen zu knnen und profitieren dabei von den spezifischen Mechanismen des Internets: Neben einer beachtlichen Reichweite und Kontaktintensitt, bietet das Internet eine klare Zielgruppenansprache und die Reduzierung von Streuverlusten durch die Definition von Belegungseinheiten.76 Wurden die Zielgruppen in Zeiten des klassischen Marketings sowie der traditionellen PR allgemein ber die Massenmedien angesprochen, ist diese Vorgehensweise heute aufgrund der vernderten Gegebenheiten durch das Web 2.0 und Social Media ineffizient. Das Bewusstsein fr diesen Wandel zeigen die Ergebnisse der Studie PR-Trendmonitor aus dem Jahr 2009. Demnach beurteilen die befragten Fach- und Fhrungskrfte der Kommunikationsbranche den Bedeutungsverlust klassischer Medien, die Informationsflut sowie das Internet allgemein als grte Herausforderungen der PR fr die nchsten zwei Jahre.77 Thomas Baekdal nimmt in seinem Blogartikel How the Social Web Destroys Traditional Marketing auf die Trendwende in der Kommunikationsbranche folgendermaen Bezug: Traditional marketing is not compatible with the social world. The social web is not just a different format; it is a completely different form of communication.78 Er skizziert die Entwicklung des traditionellen Marketings zum Social Media Marketing und geht dabei von einem drastischen Wandel der Massenkommunikation aus. Vor 20 Jahren bediente sich das traditionelle Marketing noch der Einwegkommunikation ber die Massenmedien. Erst mit dem Aufkommen des Web 2.0 und Social Media wurde eine Zweiwegkommunikation mglich.79

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Schmahl, 2007, S. 1. Vgl. PR-Trendmonitor. PR-Budgets und Kommunikationsstrategien. Hg. v. Faktenkontor und news aktuell. Hamburg 2009. S. 54. http://www.newsaktuell.de/pdf/prtrendmonitor102009.pdf, zuletzt eingesehen am 17. 5. 2010. 78 Baekdal, Thomas: How the Social Web Destroys Traditional Marketing. In: baekdal (Blog) vom 18. 10 2009. http://www.baekdal.com/articles/management/traditional-marketing-social-web/, zuletzt eingesehen am 17. 5. 2010. 79 Vgl. Baekdal, 2009a.

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The internet changed how people experienced communication. In the past it was one way, or controlled via external points (like a company website). The social web is about multi-faceted communication.80 David Henning beschreibt Social Media Marketing in einem Artikel als grundlegende Vernderung des Marketings allgemein: Im klassischen Marketing herrschen meist 1:n Beziehungen, Hierarchien und einseitige Kommunikationskanle. Dies alles existiert im heutigen Internet dank Social Media vielfach nicht mehr. Werbetreibende und Unternehmen mssen sich somit im Internet an die neue Situation gewhnen, nur noch einer unter vielen zu sein, zu kommunizieren und sich die Aufmerksamkeit ihrer Verbraucher immer wieder von Grund auf zu erarbeiten.81 Unternehmen stehen vor der Herausforderung, in Zeiten der Informationsberlastung das Interesse ihrer Zielgruppen zu wecken und in direkten persnlichen Kontakt mit Einzelpersonen zu treten. Laut Thomas Baekdal sind Individualisierung und Personalisierung wichtige Faktoren, um die Nutzer erreichen zu knnen: Marketing is no longer about things. Its about people, and how it brings people together. People have taken over completely. Companies and their products dont have place in it.82 Der User ist im Web autonom und unabhngig in der Wahl der Informationen und Inhalte, welchen er seine Aufmerksamkeit schenkt. In der Massenkommunikation besteht ein nachlassendes Interesse an austauschbaren Produkten und Dienstleistungen, aufgrund dessen ein ausgeprgtes Low-Involvement-Verhalten der Rezipienten festzustellen ist. Unternehmen, welche erfolgreich bleiben wollen, mssen darauf reagieren und auch auf Marketing und PR bezogen konsequent umdenken.83 Diese Effekte der Demokratisierung und Enthierarchisierung im Web fhren zu einem Wandel vom Push- zum Pull-Prinzip. Marketing und PR ber klassische Massenmedien

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Baekdal, 2009a. Henning, David: Die sieben Todsden im Social Media Marketing. In: Internet World Business (OnlineMagazin) vom 5. 11. 2009. http://www.internetworld.de/Nachrichten/Praxistipps/Die-sieben-Todsuenden-imSocial-Media-Marketing-22824.html, zuletzt eingesehen am 17. 5. 2010. 82 Baekdal, 2009a. 83 Vgl. Schmahl, 2007, S. 3f.

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zeichnen sich durch One-to-Many-Kommunikation, massenhafte Streuung der Inhalte nach dem Giekannenprinzip, Monolog, einseitige Markenbildung durch Unternehmen sowie Konzentration auf das Angebot aus. Es handelt sich also um ein Push-Prinzip, bei welchem die Kommunikation einseitig vom Unternehmen ausgeht. Social Media hingegen sind PullMedien, da der Kunde aktiv wird und selbst entscheidet, wann er welche Informationen und Inhalte erhalten mchte. Es kann eine individuelle Ansprache durch Personalisierung erreicht werden; indem die Wnsche und Bedrfnisse der einzelnen Nutzer beachtet werden, der Dialog ersetzt den Monolog und statt Markenbildung durch das Unternehmen werden die Nutzer in die Festlegung von Markencharakteristika miteinbezogen. Die Nachfrage und nicht mehr das Angebot steht im Mittelpunkt, der Nutzer hat Einfluss auf Produkte und Dienstleistungen. Weiters knnen sich Unternehmen verschiedener Kommunikationsformen bedienen, denn ber Social Media ist Individualkommunikation (One-to-One-Kommunikation), die Ansprache einer begrenzten Zielgruppe (One-to-FewKommunikation) oder auch One-to-Many-Kommunikation mglich.84 Mark Zuckerberg uerte sich auf einer Konferenz 2007 zur Wende vom Push- zum PullPrinzip und unterstrich damit die aktuelle und zuknftige Bedeutung dialogorientierter Kommunikation fr Marketing und PR in Social Media: "For the last 100 years media has been pushed out to people, but now marketers are going to be part of the conversation".85 Social Media ebnen damit den Weg zu interaktivem One-to-One-Marketing sowie -PR, charakterisiert durch den Aufbau von Beziehungen zu Einzelpersonen und dialogorientierter, wechselseitiger Kommunikation. Die Erlangung der Aufmerksamkeit der Nutzer sowie deren Partizipation in Social Media sind zwei der grten Herausforderungen fr Marketing und PR in der Zukunft: The interruptive model of advertising continues weakening in favour of engagement. The challenge to persuade consumers to listen has replaced the ease of buying time to interrupt. Consumers are more conscious than ever of where and

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Vgl. Chaffey, Dave [u.a.]: Internet Marketing. Strategy, Implementation, Practice. 4., berarbeitete Auflage. Edinburgh 2009. S. 36. 85 Upbin, Bruce und Tanaka, Wendy: Facebooks Big Play To Earn Big Money. In: Forbes (Online-Magazin) vom 11. 6. 2007. http://www.forbes.com/2007/11/06/facebook-ad-platform-tech-internetcx_wt_bu_1106techfacebook.html, zuletzt eingesehen am 17. 5. 2010.

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how they give their attention, and are ruthless in tuning out when the message doesnt resonate.86 4.2.2. Kontrollverlust von Marketing und PR in Social Media Es ergibt sich also eine vollkommen vernderte Ausgangssituation in der Marketing- und PR-Kommunikation. Whrend Unternehmen es einerseits in Zeiten der Informationsberlastung schwer haben, die Aufmerksamkeit ihrer Zielgruppen zu erreichen, stehen sie gleichzeitig einem Kontrollverlust im Web gegenber. Dieser resultiert aus dem Wandel des passiven Rezipienten zum aktiven Prosumer bzw. Prod