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Solvency II – Bedeutung, Implikation und Anforderung

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Eine Formel für alles: Diversifikation nach dem Pythagoras-Theorem

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4 „ Es gelten nicht auf einmal neue Wahrheiten“

Ein Interview mit dem Talanx-Finanzvor-stand Dr. Immo Querner über Solvency II

12 Solvency II mischt die Karten im Versicherungsmarkt neuDie Bedeutung von Solvency II für die Versicherungswirtschaft

20 Ein effizienter Kapitaleinsatz bedingt ein maßgeschneidertes ModellOhne echte Alternative: das interne Talanx-Modell TERM

30 Solvency II wird das Gesicht des Talanx-Konzerns verändernImplikationen für Strategie, Kapital-anlagepolitik und Produktportfolio

42 Bleibt nun alles anders?Sieben Fragen und Antworten zum Thema Solvency II

45 Mehr Transparenz durch die neuen BerichtspflichtenAnforderungen an die Berichterstattung

Durch die Einführung von Solvency II am 1. Januar 2016 haben sich die Rahmenbedingungen für die europäische Versicherungswirtschaft signifikant verändert – ein komplexer Veränderungsprozess, der viele Fragen auf-wirft. Diese Broschüre gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema Solvency II und veranschaulicht deren Bedeutung für die Talanx.

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„ Es gelten nicht auf einmal neue Wahrheiten“

Ein Interview mit dem Talanx-Finanzvorstand Dr. Immo Querner über Solvency II

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Interview mit Dr. Immo Querner

Herr Dr. Querner, über Solvency II liest man häufig, es zwinge die Versi-cherungsbranche zu einer „grundlegenden kulturellen und strategischen Neuausrichtung“, es stelle einen „Quantensprung“, gar einen „Paradigmen-wechsel“ für die Unternehmen dar. Teilen Sie diese Einschätzungen?

Querner: Meine Antwort ist ein klares Jein. Ja, weil das Aufsichts-recht mit Solvency II tatsächlich in weiten Teilen ganz neue Wege beschreitet – etwa in der Risikobewertung, aber auch durch die Möglichkeit, ein unternehmensinternes Modell anzuwenden; außer dem wird die Aufsicht eindeutig europäischer. Es gibt aber auch gute Gründe für ein klares Nein: Die Risikolandschaft für die Versicherungsunternehmen wird durch Solvency II nicht völlig neu gestaltet, es gelten nicht auf einmal ganz andere Wahrheiten. Vieles von dem, was mit Solvency II jetzt normiert und forma-lisiert wird, entspricht im Grunde den Anforderungen an eine ganz normale eigen verantwortliche Unternehmensführung. Die Unternehmen handelten in der Vergangenheit ja nicht risiko-blind, sondern waren sich bewusst, dass der Risikoausgleich im Kollektiv besonders dann wirkt, wenn sie über Portfolios mit geringen Konzentrationen verfügen.

„ Vieles von dem, was mit Solvency II jetzt normiert und formalisiert wird, entspricht im Grunde den Anforde-rungen an eine ganz normale eigenverantwortliche Unternehmensführung.“

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Man kann deshalb auch die These vertreten, dass bei den Versich e-rern auch ohne Solvency II die Erkenntnis gewachsen wäre, etwa das Anlagerisiko in einer so ausgeprägten Niedrigzinsphase, wie wir sie seit einigen Jahren erleben, immer stärker ins Kalkül zu nehmen. Insofern klingt das Wort vom „Paradigmenwechsel“ in meinen Ohren deutlich zu dramatisch.

Soll man Ihre Aussage so verstehen, dass Solvency II letztlich überflüssig war, weil die Unternehmen aus sich heraus die notwendigen Verände-rungen vollzogen hätten?

Querner: Nein, es bestand eindeutig Handlungsbedarf. Aufsicht ist angebracht, um Gläubigerschutz für die Versicherungsnehmer zu gewährleisten, und zwar im Sinne eines Level Playing Fields im gesamten Binnenmarkt in gleicher Art und Weise. Dahinter steht der Gedanke, dass die Leistungsfähigkeit derjenigen, die ein Versprechen auf Versicherungsschutz geben, auch hinreichend wahrscheinlich gewährleistet sein muss. Und das erfordert eine gewisse Mindest- Eigenkapitalisierung, auf die die Aufsicht zu Recht schauen muss. Das Anlagerisiko spielte bei der Bemessung des Kapitalbedarfs im Aufsichtsrecht in der Vergangenheit überhaupt keine Rolle, hier bestand eindeutig Handlungsbedarf. Den bejahe ich auch bei der Art und Weise, wie man das Eigenkapital berechnet: Bislang lag dieser Berechnung ein rein lineares Verständnis des Eigenkapitalbedarfs zugrunde nach dem Motto „mehr Prämien oder mehr Rückstellun-gen gleich mehr Risiken“. Das Grundprinzip einer Versicherung – nämlich die Diversifikation des Versicherungs- und des Anlage-portfolios und damit der Risikoausgleich – spielte dabei keine Rolle. Das wird durch Solvency II nun zu Recht stärker berücksichtigt.

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Interview mit Dr. Immo Querner

Also alles bestens, keine Kritik an Solvency II?

Querner: Nein, das wäre der falsche Schluss, wir haben durchaus Kritikpunkte. Einer davon ist die eher politisch motivierte Rechen-vorschrift für Staatsanleihen, die im Standardmodell nicht mit Eigen kapital unterlegt werden müssen, weil sie angeblich kein Risiko darstellen; das darf man aber mit guten Gründen bezweifeln. Kri-tisch zu hinterfragen ist auch, dass durch Solvency II innerhalb der EU zwar dieselben Rechenregeln gelten, sie aber wohl nicht überall auch identisch umgesetzt werden; hier haben wir die Sorge, dass es zu Wett bewerbsverzerrungen kommen kann. Ein anderes Problem ergibt sich bei der von Solvency II vorgegebenen Überlebenswahr-scheinlichkeit für das jeweils folgende Jahr von mindestens 99,5 % und die damit verknüpfte Kapitalausstattung: Die Frage, wie das in einer Unternehmensgruppe wie dem Talanx-Konzern aggregiert wird, ist in unseren Augen noch nicht befriedigend ge löst – denn mit Solvency II wird eine virtuelle Haftungsgemeinschaft konstru - iert, die so nicht existiert. Auf der anderen Seite werden Minder-heits anteile pönalisiert. Dieses Problem betrifft natürlich nicht nur uns, sondern auch andere Konzerne in verschiedenen Rechts-ordnungen. Die Schweizer haben das besser gelöst, indem dort die Gruppe den Solvabilitätstest besteht, wenn ihn alle Einzel-unternehmen bestehen. Auch sehe ich die Gefahr, dass durch das Aufsichtsregime und den daraus resultierenden Druck, bestimmte Kapitalanlagen zur Risikominimierung verkaufen zu müssen, der Anreiz zu einem relativ gleichförmigen prozyklischen Verhalten besteht. Und wenn fremdbestimmt viele Anleger gleich zeitig das-selbe machen, besteht die latente Gefahr, dass mehr Volatilität und Instabilität ins gesamte Finanzsystem kommen.

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Was sind die Implikationen von Solvency II für die Kapital anlage- und Produktpolitik von Talanx?

Querner: Ganz allgemein gesprochen schärft Solvency II den Blick für den Aktiva-Passiva-Zusammenhang zwischen den Kapital-anlagen und den Verpflichtungen. Um eine attraktive Kapital-anlagerendite zu erzielen, werden wir auf der Aktivseite noch stärker auf Diversifikation achten; das hätten wir sicher auch ohne Solvency II getan, aber mit Solvency II wird es jetzt auch aufsichts-rechtlich „belohnt“. Eine Möglichkeit besteht darin, in verant-wortbarer Dosis sogenannte Illiquiditätsspreads auszunutzen, bei denen relativ schlecht handelbare Anlagen besonders vergütet werden – das gilt für Immobilien, Private Equity oder auch für Infrastrukturprojekte mit langer Laufzeit, die wir uns in Zukunft noch genauer anschauen werden. Beim Blick auf die Verpflich-tungen auf der Passivseite fällt natürlich die Lebensversicherung besonders ins Auge. Weil Solvency II zeigt, wie wirtschaftlich fragwürdig die tradierte Lebensversicherungspolice mit ihren hohen Verwaltungs- und Vertriebskosten sowie Garantien ist, wird sich der Markt hin zu Produkten entwickeln, die weniger Eigenkapital konsumieren. Aber auch da stellt sich die Frage, ob diese Entwicklung nicht auch ohne Solvency II eingetreten wäre, weil die Unternehmen aus eigener Erkenntnis zu diesem Schluss gekommen wären.

„ Im Detail ist manches an Solvency II kritikwürdig, aber vieles dem Grunde nach vernünftig; wo Solvency II auf wirtschaftlich rationale Versiche-rungsunternehmen trifft, gibt es keinen An-passungsschock.“

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Interview mit Dr. Immo Querner

Wird Solvency II vor allem ein Kostentreiber sein, oder kann es sich auch als Werttreiber erweisen?

Querner: Solvency II wird auf jeden Fall ein Kostentreiber sein und ist es ja bereits seit vielen Jahren; wir erleben einen teilweise überbordenden bürokratischen Aufwand, der kaum durch einen entsprechenden aufsichtsrechtlichen Nutzen gerechtfertigt ist. Inwieweit Solvency II ein Werttreiber sein kann, wird sich erst noch zeigen müssen.

Führt Solvency II durch die Anforderung, die Risiken noch genauer in den Blick zu nehmen, zwingend zu höheren Eigenkapitalreserven?

Querner: Nein, die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Ausstattung mit Eigenkapital können Konsequenzen in beide Rich-tungen haben: Bei der Lebensversicherung werden wir in Zukunft sicher deutlich mehr Eigenkapital benötigen als früher, bei der Schaden/Unfallversicherung hängt das stark vom Portfolio ab. In Summe muss die Branche wahrscheinlich mehr Eigenkapital zur Verfügung stellen, aber das ist nicht das Ziel von Solvency II. Das politisch gewollte Ziel ist es, dass die Überlebenswahrscheinlich-keit für das folgende Jahr mindestens 99,5 % beträgt.

Wie sieht das konkret bei Talanx aus?

Querner: Wir sind schwerpunktmäßig im B2B- oder B2B2C-Ge-schäft unterwegs, für unsere Vertragspartner ist eine hinreichende Bonität unsererseits besonders wichtig. Wir haben das beim Rating in eine Kapitalanforderung im „AA“-Bereich übersetzt, die noch strenger ist als die aufsichtsrechtliche Anforderung. Wenn man das quantifiziert, läuft das auf eine Überlebenswahrscheinlichkeit auf ein Jahr implizit gerechnet von 99,97 % hinaus, das ist ein deutlich höherer Wert als die von Solvency II geforderten 99,5 %. Dafür benötigen wir etwa 79 % mehr Kapital, als es das Solvency-II-Regi-me verlangt. Im Kern heißt das: Der Markt war auch schon in der Vergangenheit relativ rational und ist über die Eigenkapitalan-forderungen der BaFin hinausgegangen. Die Solvenzquote ohne verwendbare Übergangsmaßnahmen der Talanx AG lag nach Solvency II Ende 2015 regulatorisch bei 171 % und ökonomisch bei 253 %. Damit sind wir komfortabel kapitalisiert.

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Sind die Versicherungsnehmer damit besser geschützt als zuvor?

Querner: Für die Versicherungsnehmer ist Solvency II sicher eine Weiterentwicklung, weil das Aufsichtsregime sachgerechter ist als in der Vergangenheit. Die Aufsicht hat jetzt ein besseres Fieber-thermometer, und das ist zum Vorteil der Versicherungsnehmer.

Und was bedeutet Solvency II für die Aktionäre?

Querner: Zu den Herausforderungen des neuen Regimes für die Investoren gehört neben den hohen Verwaltungskosten für die Bewirtschaftung des für sie natürlich zunächst nachteiligen Systems die relativ hohe Volatilität bei der Solvenzausstattung. Darauf haben wir auch reagiert, indem wir uns für das interne Modell entschieden haben. Das hat den großen Vorteil, dass wir beim Messen auch weni-ger fremdbestimmt gegenüber „den Launen des Standardmodells“ sind und individuell und somit besser auf die Risikospezifika von Talanx eingehen können. Letztlich ist aus Investorensicht noch zu erwähnen, dass neben der Volatilität auch die anfängliche Unter-schiedlichkeit in Berichtskonventionen, wie Modellierungswahl-rechte der internen Modelle – wie z. B. nationale Aufsichtsinterpreta-tionen –, eine große Herausforderung darstellen.

Häufig ist zu lesen, durch Solvency II würden die großen Versiche- rungsunternehmen größer werden, während die kleineren unter exis-tenzgefährdenden Druck geraten könnten. Ein realistisches Szenario?

Querner: Diese These hört man in der Tat immer wieder, aber ich würde sie nicht unbedingt unterschreiben. Die großen Unterneh-men haben sicher den Vorteil, dass sie diversifizierter aufgestellt sind. Dem steht entgegen, dass sie eben wegen ihrer Größe auch hohe Komplexitätskosten verkraften müssen. Ich kann mir deshalb gut vorstellen, dass auch kleinere Unternehmen mit einfacheren Geschäftsmodellen sehr gut mit Solvency II zurechtkommen.

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Interview mit Dr. Immo Querner

Sind europäische Versicherer – ob größer oder kleiner – im welt weiten Wettbewerb im Nachteil, weil sie es mit Konkurrenten zu tun haben, die unter schwächeren Aufsichtsregimen stehen?

Querner: Außerhalb der EU müssen wir schon immer die jeweils nationalen Solvenzerfordernisse erfüllen und in der gesamten Talanx-Gruppe parallel die europäischen Anforderungen, die jetzt durch Solvency II angepasst wurden. Das ist sicher manchmal her-ausfordernd, aber auch nicht wirklich neu für uns. Deshalb würde ich auch in diesem Punkt nicht dramatisieren und dagegenhalten: Im Detail ist manches an Solvency II kritikwürdig, aber vieles dem Grunde nach vernünftig; wo Solvency II auf wirtschaftlich rationale Versicherungsunternehmen trifft, gibt es keinen Anpassungsschock. Und selbstverständlich nehme ich für die Talanx-Gruppe in An-spruch, dass unser Handeln von vernünftigen Überlegungen und Entscheidungen geleitet wird.

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Solvency II mischt die Karten im Versicherungsmarkt neu

Die Bedeutung von Solvency II für die Versicherungswirtschaft

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Bedeutung für die Versicherungswirtschaft

Mit 6.716 Dokumentenseiten ist Solvency II dicker als die Bibel und komplexer als das Steuerrecht. Wie bei der Bibel zeigt sich die Relevanz des neuen Aufsichtsregimes jedoch weniger im Umfang und in der Komplexität als im Inhalt – und dieser ist nach Ansicht von Experten kaum zu überschätzen: Solvency II sei „eine strategische und kulturelle Herausforderung“, ein „Paradigmenwechsel“, der die Versicherungsbranche „von Grund auf verändern“ werde, schreiben zum Beispiel die Strategieberater von Bain & Company. Etwas neutraler formuliert es die Bundes-anstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) – sie spricht von der „größten europaweiten Reform in der Versicherungsaufsicht der letzten Jahrzehnte.“ Worum geht es also bei Solvency II?

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Ziel von Solvency II ist es zum einen, die Aufsicht über die Versiche-rungsbranche in den Ländern der Europäischen Union stärker zu koordinieren, zu harmonisieren und damit einheitliche Wettbewerbs-standards im Versicherungssektor des europäischen Binnenmarktes zu schaffen. Vor allem aber soll das neue Regelwerk den Versicherten-schutz europaweit stärken.

Kernstück von Solvency II ist das sogenannte Drei-Säulen-Konzept, das strukturell an die Solvabilitätsregeln des Bankensektors („Basel II“) angelehnt ist. Die erste der drei Säulen umfasst vor allem quantitati-ve Regelungen. Dazu gehören Vorschriften zur marktkonsistenten Bewertung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten, aus denen sich zweierlei Anforderungen an die Eigenmittel ableiten – die Solvenz-kapitalanforderung (Solvency Capital Requirement, SCR) und die Mindestkapitalanforderung (Minimum Capital Requirement, MCR). Sinkt die Eigenmittelausstattung eines Versicherers unter diese aufsichtsrechtlichen Sollgrößen, greifen die Aufsichtsbehörden ein. Ermittelt werden die Größen mithilfe komplexer mathematischer Modellrechnungen, die sämtliche für das Unternehmen und sein Geschäftsmodell relevanten Risiken berücksichtigen – die versiche-rungstechnischen Risiken und die operationellen Risiken sowie auch die Risiken, die sich aus der Anlage der Prämien einnahmen ergeben können. Sowohl die Finanzaufsicht als auch die Unternehmen, die mit Abstand die größten institutionellen Investoren in Deutschland bei Staatsanleihen, Aktien oder Immobilien sind, orientieren sich damit stärker am tatsächlichen Risiko ihres Geschäfts. So können sie frühzeitig gegensteuern und das Unternehmen durch die vorge-schriebenen Kapitalpuffer absichern gegen Risiken, wie zum Beispiel Großschäden durch Naturkatastrophen oder extreme Bewegungen

„Dicker als die Bibel“: Solvency II umfasst 6.716 Dokumentenseiten und ist komplexer als das Steuerrecht

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Bedeutung für die Versicherungswirtschaft

an den Aktien- oder Anleihemärkten. Für die vollständige Umsetzung der Solvency-II-Bewertungsvorschriften haben die Versicherer eine Übergangsfrist von 16 Jahren, außerdem können sie zur Quantifizie-rung ihrer Solvenzlage entweder ein vorgegebenes Standardmodell verwenden oder – wie die Talanx AG – ein selbst entwickeltes, internes Kapitalmodell, das durch die Aufsicht genehmigt werden muss.

Diese quantitativen Vorgaben zur Finanzausstattung machen das Ver sicherungsgeschäft mathematischer. Doch weil auch weiterhin letztlich Menschen – und nicht Rechenmodelle in Computern – darüber entscheiden, welche Risiken ein Versicherer eingehen kann, formuliert die zweite Säule von Solvency II qualitative Vorgaben: Die Unternehmen müssen gegenüber der Aufsicht nachweisen, dass sie über kompetentes Führungspersonal verfügen und dank eines unternehmensspezifischen Risikomanagements alle Risiken jederzeit unter Kontrolle haben. Die Risiko- und Solvabilitätsbeurteilung (Own Risk and Solvency Assessment, ORSA) zwingt die Unternehmen dazu,

I.Quantitative Regelungen

II.Qualitative Vorgaben

III.Verstärkte Berichtspflichten

> Nachweis über Vorhandensein

eines kompetenten Führungs-

personals, das dank eines

unternehmensspezifischen

Risikomanagements alle Risiken

jederzeit unter Kontrolle hat

> Regelmäßige und detaillierte

Information der BaFin über

wesentliche Kennzahlen zur

Finanz-, Vermögens- und

Risikolage, insbesondere zu

den Solvenzkapitalanforderun-

gen, ebenso über die aktuelle

Marktsituation und wichtige

Personalentscheidungen

> Vorschriften zur markt-

konsistenten Bewertung

von Vermögenswerten

und Verbindlichkeiten

> Anforderungen an die Eigen-

mittel: Solvenzkapitalan-

forderung (SCR), Mindest-

kapitalanforderung (MCR)

Das Drei-Säulen-Modell

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sich laufend mit ihrer Risiko- und Finanzlage zu befassen und ihre Er-gebnisse regelmäßig an die Aufsicht zu liefern. Bei der Kapital anlage gilt das „Prudent Person Principle“: Danach dürfen die Unternehmen nur in Vermögenswerten investieren, deren Risiken sie durchschauen und steuern können. Auch dürfen sich die Asset-Manager bei ihrer Anlageentscheidung nicht allein auf Bonitätsbewertungen von Rating agenturen stützen, sondern müssen ergänzend eigene Ein-schätzungen vornehmen.

Die dritte Säule von Solvency II schließlich besteht im Wesentlichen aus verstärkten Berichtspflichten gegenüber der Aufsichtsbehörde und der Öffentlichkeit. Die Unternehmen müssen die BaFin regelmäßig und detailliert über wesentliche Kennzahlen zur Finanz-, Vermögens- und Risikolage informieren, insbesondere zu den Solvenzkapitalan-forderungen, ebenso über die aktuelle Marktsituation und wichtige Personalentscheidungen. Auch für die Verbraucher und Investoren bringen die neuen Berichtspflichten mehr Transparenz – beispiels-weise müssen die Unternehmen auch über ihre Kapitalanlagestrategie infor mieren. Zudem erlaubt die europaweite Harmonisierung der Berichts pflichten prinzipiell eine länderübergreifende Vergleichbarkeit zwischen in- und ausländischen Versicherungsunternehmen.

Wenn er das alte Solvency-I-Regime mit dem neuen von Solvency II vergleichen soll, fasst Helge Reinsch, Talanx-Risikomanager im Geschäftsbereich Privat- und Firmenversicherung International, dies

> Schutz der Versicherten und deren Forderungen> Vereinheitlichung von Wettbewerbsstandards im Versiche-

rungssektor des EU-Binnenmarkts> weitgehende Gewährleistung einer einheitlichen Aufsichts-

praxis in Europa

Solvency II definiert die EU-weit geltende Anforderung an die Kapital aus stattung und das Risiko management sowie ein einheitliches Berichtswesen von Versicherungsunter-nehmen. In den Anwendungsbereich fallen sowohl Erst- als auch Rückversicherungsunternehmen unabhängig von ihrer Rechtsform.

Ziele von Solvency II

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Bedeutung für die Versicherungswirtschaft

so: Man müsse von „zwei völlig verschiedenen Welten“ sprechen. Denn unter Solvency II, erklärt Reinsch, müsse ein Unternehmen wie Talanx, das nach dem noch anspruchsvolleren internen Kapitalmodell arbeitet, unzählige Werte und Kennzahlen in einem deutlich höheren Detaillierungsgrad ermitteln und an die Aufsicht berichten – bis hin zu einzelnen Titeln von Assets oder einzelvertraglichen Rückversicherun-gen, nicht zu reden von den neuen Dokumentationspflichten.

Der Aufwand, den die Talanx AG für Solvency II betrieben hat, ist umso höher einzuschätzen, als manche aufsichtsrechtlichen Vorgaben des neuen Regelwerks bis zuletzt – und noch bis heute – nicht abschließend geklärt sind, trotz unzähliger persönlicher Gespräche und eines nie dagewesenen Datenaustauschs zwischen Unternehmen und Aufsicht seit vielen Jahren. „Durch den Umbau der europäischen Aufsichts-struktur wurden manche Detailanforderungen an die Unternehmen häufig parallel zur bereits stattfindenden Implementierung im Unter-nehmen immer wieder neu justiert – eine riesige Herausforderung“, sagt Talanx-Finanzvorstand Dr. Immo Querner. Was Querner als „un-stetigen, oft unübersichtlichen Prozess innerhalb aller drei Säulen von Solvency II“ beschreibt, ist in der Versicherungsbranche inzwischen

Persönliche Gespräche und umfang-reicher Datenaustausch im Zuge der Implemetierung: Helge Reinsch, Talanx-Risikomanger

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zum geflügelten Wort geworden: Solvency II sei ein „Moving Target“, ein sich bewegendes Ziel, das dennoch getroffen werden muss. Der Talanx-Gruppe ist das gelungen; Ende 2015 erhielt sie von der BaFin die Genehmigung für ihr internes Kapitalmodell, das sie schon seit mehre-ren Jahren im Risikomanagement und in der Unternehmenssteuerung erfolgreich einsetzt.

Herrschte zu Beginn von Solvency II noch vielfach die Erwartung vor, dass gerade durch das interne Kapitalmodell generell weniger Eigen-kapital bereitgestellt werden müsse, hat sich inzwischen die realisti-schere Einschätzung durchgesetzt, dass die Kapitalanforderung je nach Versicherungsprodukt auch wachsen kann. „Gerade bei der klassischen Lebensversicherung mit hohen Garantien und langen Laufzeiten führt die genauere Abbildung der Risiken zu einem höheren Kapitalbedarf“, erklärt Dr. Jörg Hilgenfeldt, Risikomanager im Geschäftsbereich Privat- und Firmenversicherung Deutschland. Der durch die drei Säulen von Solvency II geschärfte Blick liefert ein detailreicheres, differenzierteres und gleichzeitig holistisches Bild der diversen Risiken – ein Ansatz, dem sich die Talanx AG freilich schon immer verpflichtet fühlte.

Geschärfter Blick auf die Risiken: Dr. Jörg Hilgenfeldt, Risikomanager des Geschäftsbereichs Privat- und Firmenversicherung Deutschland

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Bedeutung für die Versicherungswirtschaft

„Als stark diversifizierter Konzern mit Rück- und Erstversicherungen können wir unsere Risikostruktur mit Solvency II bestmöglich abbil-den“, meint Hilgenfeldt, „wir sind damit noch dichter dran an dem, was tatsächlich passiert.“

Das „Primat des Risikomanagements“, das die europäischen Länder ihren Versicherungsunternehmen mit Solvency II verordneten (und ebenso den außereuropäischen, die in der EU geschäftlich aktiv sind), dürfte sich dabei keineswegs automatisch als Wettbewerbsnachteil jenseits europäischer Grenzen erweisen. Auch hier lohnt der differen-zierende Blick: Während einige internationale Versicherungsmärkte wie die USA und Kanada Solvency II eher skeptisch betrachten und von einer Anpassung ihrer Aufsichtssysteme absehen, bewerten andere Länder, darunter wichtige Rückversicherungsstandorte, Solvency II als Vorläufer eines künftigen globalen Aufsichtssystems. Die Schweiz, die Türkei, Israel, Südafrika, Bermuda, Brasilien, Mexiko, Chile, Australien, Japan, Malaysia, Singapur, Hongkong, China oder Indien arbeiten – jeweils in unterschiedlich großen Schritten und in unterschiedlichen Tempi – auf eine regulatorische Äquivalenz mit dem risikobasierten Drei-Säulen-Ansatz von Solvency II hin. Insofern besteht die berechtigte Aussicht, dass sich das europäische Aufsichtsregime als Maßstab auf den internationalen Märkten behaupten und durchsetzen kann.

„ Als stark diversifizierter Konzern mit Rück- und Erstversicherungen können wir unsere Risiko-struktur mit Solvency II bestmöglich abbilden.“

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Ein effizienter Kapitaleinsatz bedingt ein maßgeschneidertes Modell

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Das interne Talanx-Modell TERM

Als die Talanx-Gruppe Ende November 2015 von der Bundes anstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) die Genehmigung für ihr internes Risikokapitalmodell nach Solvency II erhielt, lagen sieben lange Jahre der Vorberei-tung für diesen Moment hinter ihr. Und noch viel länger, bereits seit Anfang 2000, beschäftigt sich Chief Risk Officer Dr. Gerhard Stahl bei Talanx mit dem neuen Aufsichts-regime, das am 1. Januar 2016 europaweit in Kraft getreten ist. Vor seinem Wechsel zur Talanx-Gruppe im Jahr 2007 war der Mathematiker 13 Jahre lang bei der BaFin, wo die Solvabilität sowohl von Banken als auch von Versicherern sein beherrschendes Thema war. Auf der Seite der Aufsicht hat Stahl maßgeblich an der Entwicklung von Solvency II mitgewirkt – als Risikomanager bei der Talanx-Gruppe kümmert er sich seither um die Umsetzung.

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Um das Vermögen und die Verbindlichkeiten in einer Solvabilitäts-bilanz für die Berechnung des adäquaten risikoorientierten Kapital-bedarfs (SCR) zusammenzuführen, wie es Solvency II vorschreibt, haben Versicherer die Wahl zwischen einem Standardmodell und einem eigenen internen Modell. Während das Standardmodell in wesentli-chen Teilen verbindliche Vorgaben macht – etwa bei der Verteilung der Risikofaktoren, bei den gegenseitigen Abhängigkeiten der Einzelrisiken oder bei der Bestimmung des Risikokapitals –, entfallen diese Vorgaben bei der Anwendung des internen Modells. Hier entwickelt der Anwender selbst die Methodik, mit der die zentralen und dezentralen Risiko-kategorien einer Unternehmensgruppe identifiziert, analysiert und bewertet werden. Allerdings muss das interne Modell von der Aufsicht geprüft und zertifiziert werden. Dabei erfolgt die Zertifizierung nur, wenn das interne Modell das Risikoprofil des Unternehmens besser abbildet als das Standardmodell.

Einführung von Solvency II

2008Seit 2008 in der Vorantragsphase für die Genehmigung des internen Talanx Enterprise Risk Model (TERM)

2015Ende November 2015 Genehmigung des internen Risikokapitalmodells nach Solvency II durch die BaFin

2016Am 1. Januar 2016 europaweite Einführung von Solvency II

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Das interne Talanx-Modell TERM

„ Nur mithilfe eines internen Modells könnten mögliche Diversifikationseffekte über alle Sparten oder Risikokategorien hinweg adäquat bestimmt werden.“

Der finale Modell-Antrag umfasst rund 32.000 Seiten: Dr. Gerhard Stahl, Chief Risk Officer

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Seit 2008 befand sich die Talanx-Gruppe in der Vorantragsphase für die Genehmigung ihres internen Talanx Enterprise Risk Model (TERM), das zwischen den Risiken einzelner Geschäftsbereiche und jenen des gesamten Konzerns unterscheidet und ihre Abhängigkeiten berück-sichtigt; bereits seit mehreren Jahren wurde TERM im Risikomanage-ment und in der Unternehmenssteuerung erfolgreich eingesetzt, bevor es nach der Zertifizierung durch die BaFin mit dem Jahreswechsel 2016 „scharf gestellt“ wurde.

Der Aufwand für die Modellierung, Implementierung und den Betrieb von TERM lässt sich mit Zahlen beschreiben, aber damit kaum fassen: In der sieben Jahre währenden Vorantragsphase stellte Talanx der BaFin etwa 60 Gigabyte Daten zur Verfügung, wurden rund 200.000 E-Mails und Dokumente verschickt; der finale Modellantrag umfasste rund 32.000 Seiten; die Behörde prüfte das Talanx-Modell im Umfang von schätzungsweise 2.700 Mitarbeitertagen. Die Gruppe baute in diesen Jahren der Vorbereitung Stellen im Risikomanagement in der Größenordnung von 40 % auf. Von den etwa 250 Talanx-Mitarbeitern befasst sich ein großer Teil vor allem mit den Anforderungen von

„ Solvency II ist so komplex und vielschichtig wie das Steuerrecht: Mit sehr vielen Details kennen sich am Ende nur noch einige wenige Experten wirklich aus.“

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Das interne Talanx-Modell TERM

Solvency II. Die Regelungen, die nun seit Anfang 2016 gelten, haben einen Umfang von mehreren tausend Seiten und veranlassen den Chef-Risikomanager Stahl zu einer Analogie mit dem Steuerrecht: „Das Wort komplex gibt keine Vorstellung davon, wie komplex es wirklich ist. Solvency II ist so komplex und vielschichtig wie das Steuer-recht: Mit sehr vielen Details kennen sich am Ende nur noch einige wenige Experten wirklich aus.“

Trotz dieses immensen Aufwands ist Stahl überzeugt, dass es für Talanx richtig war, das interne Risikokapitalmodell dem Standardmodell vor-zu ziehen. Für das Geschäftsmodell der Talanx-Gruppe ist die Diversi-fika tion des Risikoprofils von besonderer Bedeutung. Hierzu tragen die Naturkatastrophen und die Kapitalmarktrisiken wesentlich bei. „Für diese drei Hauptkomponenten ist das Standardmodell überhaupt nicht gebaut. Die Standardverfahren wurden für durchschnittlich große Kompositversicherer kalibriert, aber nicht für ein international agierendes, stark diversifiziertes Unternehmen wie die Talanx-Gruppe mit dem Rückversicherer Hannover Re und dem Industrieversicherer HDI Global SE.“

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Im internen Modell werden deshalb alle Risikokategorien der Gruppe abgebildet. Neben dem Marktrisiko, dem Naturkatastrophenrisiko und dem Prämien- und Reserverisiko beeinflusst die Diversifikation maßgeblich das Zielsolvenzkapital SCR der Gruppe. Nur mithilfe eines internen Modells könnten mögliche Diversifikationseffekte über alle Sparten oder Risikokategorien hinweg adäquat bestimmt werden, betont Stahl. Und auch bei den Kapitalmarktrisiken sei das interne Modell aus der Perspektive der Steuerung vorteilhafter, weil es der Volatilität der Märkte besser gerecht werde. Für die Talanx-Gruppe wären die Standardmethoden deshalb ein „völlig untaugliches Mittel“ gewesen, um die Risiken zu bemessen und das Unternehmen risiko-adäquat zu steuern, bilanziert Stahl.

TERM: Ein Risikomodell für mehr Planungssicherheit

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Das interne Talanx-Modell TERM

Zwar ergibt sich aus der Anwendung von TERM wie erwartet eine – auf den gesamten Konzern bezogene – deutlich passendere Eigen-kapital anforderung als beim Standardmodell, wovon die Eigenkapital-rendite profitiert. „Aber viel wichtiger bei unserer Entscheidung für das interne Modell war, dass wir mit den Risiken und Chancen unseres Geschäfts mit größtmöglicher Professionalität umgehen können“, betont Stahl. „Interne Modelle verbessern die Informationsbasis für Ent-scheidungen unter Unsicherheit und damit die Qualität der Geschäfts-prozesse. Ein Versicherungsunternehmen, das für sich in Anspruch nimmt, zu den führenden der Branche zu gehören, muss seine Risiken bestmöglich verstehen, um sie bepreisen und managen zu können.“ Damit wird deutlich, dass die Einführung interner stochastischer Risikomodelle weit mehr ist als ein Instrument zur Erfüllung regulato-rischer Vorgaben, sondern eine – nahezu alternativlose – strategische Entscheidung darstellt für einen auch intern höheren Nutzen wie beispielsweise eine optimierte konzernweite Rendite-Risiko-Steuerung.

> ganzheitliche Betrachtungsweise> kleinere Modellfehler (TERM 20 %; standardisierte Methoden 200–300 %)> klares Bild der Diversifizierung> besseres Kapitalmanagement> maßgeschneiderte Informationen (z. B. Steuern)> konsistentes Limit- und Schwellenwertsystem> positive Effekte auf das Rating

Vorteile von TERM im Vergleich zu standardisierten Methoden*

* Quelle: Talanx-Workshop zum Stand von TERM und Solvency II, Januar 2015

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So liegt TERM letztlich auch im Interesse von Kunden und Vermittlern, die erfahren, dass gutes Risikomanagement mehr Sicherheit bedeutet. Dafür sorgt ein ausgeklügeltes System der regelmäßigen Risikobe-richterstattung. Es gewährleistet, dass Risiken und deren potenzielle Auswirkungen zeitnah auf allen Ebenen kommuniziert werden bis hinauf zum Vorstand und zum Aufsichtsrat, die dann gegebenenfalls steuernd eingreifen können.

„Wir haben jetzt eine unbefristete Genehmigung für TERM erhalten und werden das Modell entsprechend den sich verändernden Märkten immer wieder neu anpassen – das ist ein nie endender Prozess“, meint der oberste Talanx-Risikomanager. Die Aufsichtsbehörde dränge auch darauf, das Modell permanent zu verbessern, man sei wie schon in der Vorantragsphase im dauernden Austausch. Dabei erlebt der ehema-lige BaFin-Mitarbeiter Stahl eine Behörde, die in der Umsetzung von Solvency II mit viel Augenmaß vorgehe. Allein, das Regelwerk selbst, das ja europaweit Gültigkeit besitzt, habe nach der Insolvenz von Lehman Brothers leider eine starke bürokratische Schlagseite bekommen und produziere deshalb in den Versicherungsunternehmen einen zu hohen bürokratischen Aufwand. „Das kann letztlich auch kontraproduktiv für die Risikokultur werden“, warnt Stahl.

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Das interne Talanx-Modell TERM

Als Generalkritik an Solvency II will Stahl das jedoch nicht verstanden wissen. Von bürokratischen Auswüchsen abgesehen, ermögliche das neue Aufsichtsregime den adäquaten Umgang mit Risiken. „Als Risikomanager müssen wir eben dicke Bretter bohren, und wir tun das nicht nur als kühle Mathematiker, sondern auch mit großem Engage-ment und viel Herzblut.“ Das einzig richtige Werkzeug dafür sei TERM. „Stochastische Modelle zur Beurteilung von Risiken sind der einzig vernünftige Weg beim Versuch, Komplexität zu beherrschen. Wenn wir das interne Modell nicht hätten, hätten wir es erfinden müssen.“

„ Stochastische Modelle zur Beurteilung von Risiken sind der einzig vernünftige Weg beim Versuch, Komplexität zu beherrschen. Wenn wir das interne Modell nicht hätten, hätten wir es erfinden müssen.“

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War das der Anfang vom Ende der Niedrigzinsperiode? Als die US-Zentralbank Fed Ende 2015 nach Jahren des äußerst billigen Geldes die Leitzinsen in den USA erhöhte, wurde dies weltweit als „Zinswende“ willkommen geheißen. Zumindest in Amerika soll es mit den Zinsen nun wieder aufwärtsgehen, in Europa jedoch scheint das Ende des vielen und billigen Geldes noch nicht gekommen. Die ge-genwärtige Zinspolitik der Europäischen Zentralbank EZB ist nach Ansicht der gesamten Versicherungsbranche eine große Belastung und birgt hohe Risiken. Denn die über-bordende Liquidität durch Anleiheaufkaufprogramme er-höht nur die Dosis der falschen Medizin. Die geldpolitische Ausnahmesituation hat der Branche einen massiven Wandel aufgezwungen, weil es immer schwerer wird, das Geld der Kunden gewinnbringend anzulegen. Und ausgerechnet in dieser historischen Niedrigzinsphase wird nun das neue europäische Aufsichtsregime Solvency II „scharf geschaltet“, das die Risiken des billigen Geldes jetzt noch transparenter werden lässt.

Solvency II wird das Gesicht des Talanx-Konzerns verändern

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Implikationen: Strategie, Kapital anlagepolitik und Produktportfolio

Problematisch ist dies vor allem für die deutschen Lebensversicherer, weil das in Solvency II vorgesehene Prinzip des „Full Fair Value“ zu star-ken Schwankungen beim Kapitalbedarf führt. Nach Solvency II müssen sich die Unternehmen künftig an einer einheitlich vorgegebenen Zinsstrukturkurve orientieren: Sinkt das Zinsniveau, müssen die Un-ternehmen höhere Rückstellungen bilden, bei steigendem Zinsniveau sinkt ihr Kapitalbedarf. Die Versicherer müssen deshalb umso mehr Kapital für die den Kunden gegebenen Zinsgarantien selbst vorhalten, je mehr die mittlere Laufzeit der Anlagen und die mittlere Laufzeit der Garantien auseinanderklaffen. Wegen des begrenzten Angebots an lang laufenden festverzinslichen Wertpapieren am Kapitalmarkt ist es nahe-zu unmöglich, die Zinsverpflichtungen vollständig fristenkongruent zu bedecken, denn die Zinsbindung der Aktivseite ist regelmäßig kürzer als jene auf der Verpflichtungsseite. Daraus resultiert ein hohes Zinsän-derungsrisiko, das sich bei anhaltend niedrigem Zinsniveau negativ auf die Unternehmen auswirken kann: Die Unternehmen stehen so vor der Herausforderung, die vertragliche Garantieverzinsung für die Versicherungsnehmer, denen in guten Zeiten bis zu 4 % zugesagt wurden, zu erwirtschaften, während gleichzeitig klassische risikoarme Anlagen wie Staatsanleihen kaum noch Rendite abwerfen.

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„Für eine angemessene Sicht auf dieses Garantierisiko muss man auch beachten, dass die Kundenleistungen über einen sehr langen Zeitraum verteilt zu erbringen sind. Die Fitness eines Lebensversicherers muss deshalb die eines Marathonläufers sein – man kann deshalb im Lebens-versicherungsmarkt zu Recht fragen, ob die Risiken durch die auf einen Sprinter abgestellte strikte Marktbewertung nicht manchmal überzeich-net werden“, meint Dr. Michael Pannenberg, Leiter der Aktuariellen Steuerung Leben im Geschäftsbereich Privat- und Firmenversicherung Deutschland. Dennoch helfe Solvency II, den Blick zu schärfen für die großen Summen, die im Lebensversicherungsmarkt bewegt werden, und für die damit verbundenen Risiken. „Solvency II bringt im Endergebnis deshalb eine gute Mischung aus Marktwertorientierung einerseits und Orientierung an der langfristigen Natur des Lebensversicherungs-geschäfts andererseits, auch wenn noch manche Baustelle vorhanden ist. Es ist deshalb insgesamt ein vernünftiges Instrument“ – das der Talanx-Konzern konsequent dazu nutzte, sein Produktportfolio anzu-passen. „Die ,alte Klassik‘ ist unter den gegebenen Bedingungen nicht mehr finanzrational“, meint Pannenberg, „als börsennotierter Versiche-rer, der vernünftig mit dem Geld seiner Aktionäre umgeht, mussten wir darauf reagieren.“

> Bei Entwicklungen für Neuprodukte müssen die Risiko- und Solvency-Implikationen noch stärker als bislang berücksichtigt werden, um die Kapitalanforderungen zu erfüllen

> wachsende Bedeutung von Diversifikation des Portfolios, um Risiken über die verschiedenen Sparten und Anlageklassen zu streuen

> Auswirkungen auf das Lebensgeschäft: Produktanpassungen im Bereich der langfristigen Garantieprodukte

> Auswirkungen auf das Nicht-Leben-Geschäft: Preiserhöhungen oder Neudefinition von Risiken

* Quelle: BCG: Herausforderungen Solvency II. Vorbereitungen auf die weitreichenden strategischen Auswirkungen, Seite 3 und Seite 7, Oktober 2010

Einfluss von Solvency II auf das Versicherungsgeschäft*

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Implikationen: Strategie, Kapital anlagepolitik und Produktportfolio

Deshalb vollzog Talanx nicht nur eine organisatorische Trennung der Sparten Leben und Schaden/Unfall und automatisiert verstärkt interne Prozesse und digitalisiert Kundenkontaktpunkte. Bis Ende 2016 werden seine Lebensversicherer im Geschäft mit deutschen Privat-kunden den aktiven Verkauf traditioneller klassischer Lebens- und Rentenversicherungen mit Garantiezins einstellen. Ersetzt werden sie durch moderne kapitaleffiziente Produkte: Bereits seit Mitte 2014 bie-tet etwa die HDI Lebensversicherung ein erstes Produkt aus der neuen Linie an, Anfang 2016 erfolgte die Einführung einer weiteren kapital-effizienten Rentenversicherung. Bei dem Konzept dieser „modernen Klassik“ werden dem Vertrag weiterhin jährlich Überschüsse zugeord-net, mindestens werden jedoch die eingezahlten Beiträge am Ende der Laufzeit garantiert. Durch die Endfälligkeit der Garantie verringert sich dabei das zu hinterlegende Risikokapital. „Trotz der aktuellen Kapital-marktsituation bieten wir mit den neuen Produkten bei Vertragsende

Den Blick schärfen für die großen Summen: Dr. Michael Pannenberg, Leiter der Aktuariellen Steuerung

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eine Garantie der eingezahlten Beiträge an. Darüber hinaus erhöhen wir die Chancen für unsere Kunden, dass sie höhere Überschüsse gut-geschrieben bekommen als bei Lebensversicherungen älterer Bauart“, erklärt Pannenberg. Mit Fokus auf der betrieblichen Altersvorsorge werden diese modernen kapitaleffizienten Absicherungskonzepte stärker in den Vordergrund gerückt, gleichzeitig soll der Absatz von Biometrie- und Risikoprodukten ausgebaut werden. Talanx verspricht sich davon eine bessere Wettbewerbsposition. „Wir sind überzeugt, dass wir uns dadurch fitter für die Zukunft machen und unseren Kunden weiter attraktive Angebote für die Altersvorsorge und die Absicherung biometrischer Risiken machen können.“

Wettbewerbsvorteile durch kapitaleffiziente Absicherungskonzepte sichern: Dr. Jörg Hilgenfeldt (links) und Dr. Michael Pannenberg (rechts)

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Implikationen: Strategie, Kapital anlagepolitik und Produktportfolio

Während Solvency II im Geschäftsbereich Privat- und Firmenversi-cherung Deutschland bis hinein in die Produktgestaltung sichtbar wird, zeigt es seine Wirkung im Geschäftsbereich Privat- und Firmen-versicherung International vor allem durch einen massiv erhöhten Austausch zwischen der Geschäftsbereichszentrale in Hannover und den Talanx-Gesellschaften in 14 Ländern in Europa, Asien und Lateinamerika. Regelmäßige Video- und Telefonkonferenzen, zahllose Besuche in den Ländern und internationale Treffen in Hannover – „wir nutzen jeden Kommunikationskanal, den man sich vorstellen kann“, sagt Helge Reinsch, Leiter des Risikomanagements im Ge-schäftsbereich Privat- und Firmenversicherung International. Der Austausch ist wichtiger denn je, weil es der Geschäftsbereich mit ver-schiedenen Aufsichtsregimen zu tun hat – mit jenem von Solvency II in den europäischen Talanx-Gesellschaften, die freilich unter „sehr ver-schiedenen Facetten der länderspezifischen Umsetzung von Solvency II“ operieren, etwa bei der Risikobewertung von Staatsanleihen, wie Reinsch berichtet. Außereuropäische Talanx-Gesellschaften hin gegen arbeiten unter ganz eigenen regulatorischen Regeln, die von Solvency II abwei-chende Pflichten kennen, sich teilweise aber auch zielgerichtet dem europäischen Aufsichtsmodell annähern. „Die Implementierung der vielfältigen Anforderungen ist ohne das außerordentliche Engagement und die fachliche Unterstützung unserer Kollegen in den Auslandsein-heiten nicht möglich“, sagt Helge Reinsch.

„ Solvency II bringt im Endergebnis deshalb eine gute Mischung aus Marktwertorientierung einer-seits und Orientierung an der langfristigen Natur des Lebensversicherungsgeschäfts anderer seits.“

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Bei diesem Nebeneinander unterschiedlicher Aufsichtsregime fungiert der Geschäftsbereich als eine Art Service- oder Kompetenz center, dessen Risikoabteilung in den vergangenen Jahren auf inzwischen 14 Experten angewachsen ist. Sie sind firm sowohl bei der Anwendung des aufwändigen internen Kapitalmodells TERM nach Solvency II, wie es die Talanx-Gruppe von der BaFin genehmigt bekam, als auch in der Anwendung des Standard modells. „Bevor wir in einer Auslands-gesellschaft ein Modell implementieren, machen wir eine umfassende Kosten-Nutzen-Analyse“, erklärt Reinsch. Und bislang erwies es sich stets als die bessere Lösung, in den ausländischen Gesellschaften für das Standardmodell zu optieren, während die Berechnungen nach dem internen Kapitalmodell dort für Gruppenzwecke des europäischen Shareholders Talanx AG angestellt werden; regelrecht zweigleisig fahren die beiden großen Talanx-Gesellschaften in Polen und Italien, die für sich selbst und für die lokale Aufsicht mit den Formeln des Standardmodells arbeiten und mit den wesentlich komplizierteren Vorgaben des internen Modells für die Talanx AG.

Umfassende Kosten-Nutzen-Analyse vor Modell-Implementierung: Helge Reinsch

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Implikationen: Strategie, Kapital anlagepolitik und Produktportfolio

Die originäre Leistung des Geschäftsbereiches bestand und besteht deshalb darin, Kommunikation und Know-how-Transfer mit und zwischen den Gesellschaften effektiv zu gestalten und in Kooperation mit den anderen Kompetenzcentern ein Modell zu entwickeln und zu implementieren, dessen Module in allen Gesellschaften verwendet und gleichzeitig an die lokalen Geschäftsmodelle angepasst werden können. „Auf diese Weise können wir in jeder Landesgesellschaft alle wesentlichen Prozesse entlang der Wertschöpfungskette vom Under-writing über die Rückversicherung bis zur Schadenabwicklung nach möglichen Risiken durchleuchten und gegebenenfalls Maßnahmen definieren und Steuerungsimpulse setzen“, sagt Reinsch. Trotz des immensen Aufwands erlebe er bei den ausländischen Kollegen hohe Akzeptanz und ein großes professionelles Engagement für die gemein-same Aufgabe: „Das ist ein kooperatives Zusammenwirken, das ich sehr schätze.“

Kooperatives Zusammenwirken und aktiver Austausch: Thomas Adrian Schmidt (zweiter von rechts) und Kollegen

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Von einer ähnlich großen Unterstützung aus der Organisation berichtet Thomas Adrian Schmidt, Leiter des Risikomanagements im Geschäfts-bereich Industrieversicherung, der durch die HDI Global SE geführt wird und mit Tochtergesellschaften und Netzwerkpartnern in mehr als 130 Ländern aktiv ist. „Zusammen mit den Fachabteilungen haben wir ein realitätsnahes Modell für die Gesellschaften aufbauen und bei der Aufsicht vorstellen können. Hierbei kam uns zugute, dass die Entwick-lung der Rechenkerne der Schadenversicherer durch das Service- Center Non-Life zentral und synergetisch erfolgte.“ Da die Modelle der Industrie-versicherung zu den komplexesten im Konzern gehören, wurde diese Aufgabe auch im Risikomanagement der HDI Global SE etabliert. Die Rechenkerne werden dann an die lokalen Bedürfnisse der weiteren Konzerngesellschaften vor Ort angepasst. „Für mich ist das ein hervor-ragendes Beispiel, wie wir die Talanx-Werte leben“, sagt Risikomanager Schmidt, „weil wir holdingweit mit Kollegen im In- und Ausland sehr gut zusammenarbeiten im Sinne der Konzern interessen“.

Investition in alternative Investments, um nachhaltige Renditen zu erzielen

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Implikationen: Strategie, Kapital anlagepolitik und Produktportfolio

Schmidt sieht in der Genehmigung des internen Modells einen gro-ßen Schritt zur weiteren Professionalisierung: „Durch die Einführung einer risikoorientierten Aufsichtsregelung und die Möglichkeit eige-ner stochastischer Modelle ist es uns möglich, unsere Risikokultur zu verbessern. Wir verstehen unser Geschäft jetzt noch eine Spur besser, tiefer, wissenschaftlicher, aktuarieller.“ Davon würden mittelfristig auch die Kunden und Investoren profitieren, weil sich für sie die Transparenz deutlich erhöhe.

Für die zunehmende Internationalisierung und die guten Wachstums-erwartungen im Ausland, wo bereits heute mehr als die Hälfte des Prämienvolumens erwirtschaftet wird, scheint der Geschäftsbereich Industrieversicherung damit gut gerüstet. Ein weiterer Baustein dafür ist die Umwandlung und Umfirmierung in eine Europäische Aktien-gesellschaft (Societas Europaea, SE): Der neue Name HDI Global SE soll den Industrieversicherer noch stärker sichtbar machen als internatio-nale Marke mit dem Anspruch eines globalen Anbieters von Versiche-rungslösungen für Industrie- und Konzernkunden.

Auswirkungen auf die Anlagepolitik, um nachhaltige Renditen und Risikoaufschläge zu erzielen

> Investition in mehr Regionen außerhalb der Eurozone mit höheren Zinsen > höhere Aktienquote im Rahmen der angepeilten konzernweiten Quote von 1 %> Alternative Investments, z. B. Infrastrukturprojekte wie Fern straßen, Brücken,

Tunnel, Daten- oder Stromnetze

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Talanx investiert 320 Mio. EUR in den Bau von 55 Windkraftanlagen vor der Insel Norderney

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Wirkung entfaltet Solvency II schließlich auch in der Anlagepolitik von Talanx – für die die Talanx Asset Management GmbH verantwortlich zeichnet –, wobei auch hier die niedrigen Zinsen der eigentliche Aus löser sind. Sie erschweren es Versicherern wie Talanx, nachhaltige Renditen und Risikoaufschläge zu erzielen. Eine Antwort darauf kann sein, mehr in Regionen außerhalb der Eurozone mit höheren Zinsen zu inves-tieren, wozu Talanx als international aufgestellter und im Ausland wachsender Versicherer beste Voraussetzungen hat; auch eine höhere Aktienquote im Rahmen der angepeilten konzernweiten Quote von 1 % kann eine Antwort sein, wobei das durch die neuen Solvency-II- Regeln zur Solvenzkapitalanforderung nicht nur teurer wird, sondern auch eine höhere Volatilität mit sich bringt. Alternative Investments sind deshalb zunehmend auch Infrastrukturprojekte wie Fernstraßen, Brücken, Tunnel, Daten- oder Stromnetze, die über einen längeren Zeitraum ordentliche Erträge erwirtschaften können. Die Investitions-zyklen solcher Projekte über zwanzig, dreißig und mehr Jahre passen gut zum langfristig ausgerichteten Geschäftsmodell der Versicherer und bieten zugleich relativ planbare und stetige Rück flüsse, die die Versicherer brauchen, um die Leistungsversprechen gegenüber ihren Kunden zu erfüllen. Deshalb hat die Talanx, die über einen Bestand an selbst verwalteten Kapitalanlagen von rund 100 Mrd. EUR verfügt, Mitte 2015 in einen geplanten Offshore-Windpark investiert – sie steuert 320 Mio. EUR für den Bau von 55 Windkraftanlagen in der Nähe der ostfriesischen Insel Norderney bei. Mit der zehnjährigen Anleihe beteiligt sich Talanx an diesem Infrastruktur projekt und plant mittel-fristig, bis zu 2 Mrd. EUR in diesem Bereich zu investieren. Um den Renditerück gängen durch das Niedrigzinsniveau entgegenzu wirken, ist für das Unternehmen auf lange Frist ein Investitions volumen in breit diversifizierten alternativen Anlagen von bis zu 5 Mrd. EUR denkbar.

Implikationen: Strategie, Kapital anlagepolitik und Produktportfolio

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1. Solvency-II-Sicht (Unterschiede gegenüber Peers), ökonomische Sicht (Basiseigenmittel), IFRS-Sicht: warum bemisst die Talanx-Gruppe ihr Kapital bzw. ihre Kapitalanforderungen unter so vielen unterschied-lichen Blickwinkeln? Welcher Wert ist für die tatsächliche Steuerung maßgeblich?

Könnte die Talanx-Gruppe ihre Steuerungswelt ganz allein bestimmen, wäre die Zahl der Blickwinkel auf die Kapitalanforderungen bzw. auf das Kapital kleiner. Neben der aus Talanx-Sicht zentralen ökonomischen Betrachtung führt aber kein Weg daran vorbei, auch andere Sicht-weisen zu bedienen: zuvorderst, weil rechtlich zwingend, die aufsichts-rechtliche Betrachtung; daneben aber natürlich auch der Blickwinkel der Rating agenturen mit deren in Details abweichenden Berechnungs-methoden; und natürlich die Betrachtung unter IFRS. Die Talanx- Gruppe muss alle diese Blickwinkel im Auge behalten, auch wenn im Zentrum der Betrachtungen die rein ökonomische Sicht steht.

2. Weshalb ist die Volatilität unter Solvency II so groß? Im Geschäft mit langfristigen Garantien müssen Versicherer mit zu-künftigen Cashflows rechnen und dabei zum Teil 50 Jahre und noch weiter vorausschauen. Jede kleine Änderung in den hierfür heran-ge zogenen Zinskurven erzeugt gravierende Hebelwirkungen bei der Bewertung langfristiger Garantien, zumal der Ausgangspunkt der Bewertung eine Stichtagsbetrachtung ist, bei der eine Moment-aufnahme der Kapitalmarktzinsen dramatische Auswirkungen zeitigen kann. Das ist mathematische Realität und kein Defizit von Solvency II. Entscheidend ist vielmehr, ob es gelingt, ein sachgerechtes Extra polieren der Zinskurven sicherzustellen, damit in aktuellen Niedrigzins zeiten weder zu früh noch zu spät Alarmsignale auf-leuchten. Die hierfür schlussendlich gefundenen aufsichtsrechtlichen Lösungen erscheinen im Kern sachgerecht, auch wenn sie sich in den nächsten Jahrzehnten erst noch bewähren und bei Bedarf angepasst werden müssen.

Bleibt nun alles anders?

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Sieben Fragen und Antworten

3. Warum ist der Betrachtungszeitraum unter Solvency II auf nur ein Jahr ausgerichtet? Solvency II bleibt nicht beim Betrachten eines einzigen Jahres stehen. Den mathematischen Modellen liegen die relevanten Zahlungsflüsse über den gesamten Ver pflichtungszeitraum zugrunde; das sind in der klassischen Lebensversicherung teilweise mehr als 50 Jahre. Begrenzt auf ein Jahr ist nur die Prognose über den Barwert der Zah lungs-ströme. Aber auch hier reicht der Blick von Solvency II weiter, weil im Rahmen des Own Risk und Solvency Assessments zusätzlich die Mittelfristplanung zu berücksichtigen ist.

4. Warum genügt Talanx nicht die Wahrscheinlichkeit von 99,5 %, um einen wirtschaftlichen Ruin zu vermeiden? Das anspruchsvollere Wahrscheinlichkeitsniveau von 99,97 % ent-spricht einerseits der Risikokultur von Talanx sowie andererseits dem von Standard & Poor’s erwarteten Konfidenzniveau für ein Finanz-stärkerating (Insurer Financial Strength Rating) von A+.

5. Untersteht das interne Modell der Aufsicht der EIOPA? Wie ist das Verhältnis zur deutschen Aufsicht? Wie versteht die EIOPA ihre Rolle im System der Aufsichtsbehörden (Abgrenzung zu nationalen Aufsehern, zur EZB) > harmonischer Dreiklang oder Kakophonie? Das Gruppenmodell der Talanx untersteht der ausschließlichen Auf-sicht der BaFin. Diese tauscht sich zu grundsätzlichen Modell fragen mit den anderen, für einzelne Gruppengesellschaften zu ständigen Aufsehern im sogenann ten College of Supervisors eng aus. EIOPAs Rolle ist dabei, einheitliche methodische Standards vor zugeben – ent weder durch verbindliche technische Regelwerke oder durch Empfehlungen. Diese Empfehlungen kommen verbind lichen Regeln nahe, weil die nationalen Aufseher öffentlich erklären müssen, ob

Sieben Fragen und Antworten zu Solvency II

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sie den EIOPA-Empfehlungen entsprechen. Andernfalls müssen sie eine Begründung veröffentlichen (comply or explain). Hat die BaFin einmal eine Comply-Erklärung abgegeben, fühlt sie sich hieran in der Verwaltungs praxis auch gebunden. Diskussionen sind dann kaum noch möglich.

6. Wo gibt es ein Level Playing Field (bei der Antragstellung, bei den Natio-nalitäten, beim Vergleich internes vs. Standardmodell)? Durch Solvency II soll ein europaweites Level Playing Field geschaffen werden. Nicht immer wurde dies konsequent erreicht. Wenn man etwa die Berechnungslogik für das benötigte Solvenzkapital unter dem Standardmodell in bestimmten Konstellationen aus rein (euro-pa-)politischen Motiven durchbricht, bestraft man die Anwender in-terner Modelle, wenn man ihnen diese (politisch motivierten Durch-brechungen der) Methodik verweigert. Beispiel: Staatsanleihen nicht mit Kapital zu unterlegen, mag allgemein methodisch fragwürdig sein. Fraglos liegt aber ein Verstoß gegen den Level-Playing-Field-Ge-danken vor, wenn man diesen politischen Kompromiss nicht auf alle Nutzer interner Modelle anwendet.

7. Was hat Talanx aufbauorganisatorisch verändert? Entscheidend war in den letzten Jahren die kontinuierliche Integration des Risikomanagements in die strategischen Prozesse. Unterstützt wurde dies durch die bereits vollzogene Einrichtung der vier Gover-nance-Funktionen Mitte des Jahres 2015 – die Risikomanagement-Funk-tion, die versiche rungsmathematische Funktion, die Compliance- Funktion und die interne Revisionsfunktion. Diese vier Funktionen unterstützen und stärken ein gruppenweit konsistentes internes Kontrollsystem als Schlüsselelemente der Governance und fungieren als Garanten für die Risikokultur der Talanx-Gruppe.

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Anforderungen durch Solvency II

■ Jährlich und vierteljährlich müssen die Unternehmen der BaFin zusätzliche quantitative Berichtsformulare (QRT, Quantitative Reporting Templates) in einem standardisierten Format vorlegen. Diese elektronischen Meldeformulare geben detailliert Auskunft über die aktuelle Entwicklung der Finanz- und Vermögenslage des Unternehmens, ins-besondere über die Solvenzkapitalanforderungen. Die Daten können von der Aufsichts-behörde zeitnah ausgewertet und analysiert werden. Durch die länderübergreifende Ver gleich barkeit und Verfügbarkeit der Daten werden drohende Risiken europaweit sichtbar. Neu sind zum Beispiel QRTs mit Informationen über Fonds („look-through“) und Derivate, von 2017 an auch über strukturierte Produkte, die Profitabilität von Kapitala nlagen und Rückkaufvereinbarungen.

■ Zusätzlich zu den Quartalsdaten müssen die Unternehmen regelmäßig Berichte erstel-len, die neben wesentlichen Daten und Kennzahlen auch qualitative Einschätzungen enthalten, beispielsweise zur aktuellen Marktsituation, zur Lage des Unternehmens und zu internen Entwicklungen, etwa wichtigen Personalentscheidungen. Dieses narrative Berichtswesen setzt sich aus dem SFCR, dem RSR und dem ORSA-Bericht zusammen. Alle drei Berichte enthalten auch quantitative Informationen, die jedoch gut nachvollziehbar erläutert werden müssen.

■ Das gilt für den Bericht über die Solvabilität und Finanzlage (SFCR, Solvency and Financial Condition Report), der ab dem Jahr 2017 sowohl der Aufsichtsbehörde als auch der Öffentlichkeit jährlich vorzulegen ist. Der SFCR informiert unter anderem über die wesentlichen wirtschaftlichen Ergebnisse, wichtige Ereignisse des vergangenen Ge-schäftsjahres und die aktuelle Solvenzsituation des Unternehmens. Damit sind erstmals umfangreiche, standardisierte Informationen zur Beurteilung der Risikolage des Versi-cherers öffentlich zugänglich. Transparenz soll hier gerade auch für „nicht besonders mit der Materie vertraute Leser“ hergestellt werden, damit sie sich eine Meinung über die Qualität des Geschäftsbetriebes und die wirtschaftliche Situation des Unternehmens bilden können. Zum Adressatenkreis gehören Versicherungsunternehmen, Ratingagen-turen, Investoren und Versicherungsnehmer. Als Medium der Wahl wurde das Internet definiert.

Gemäß der dritten Säule von Solvency II müssen Versicherungsunternehmen extrem de- tailliert über ihre Finanzlage, ihre Risiken und wesentlichen Geschäftsbereiche berichten – und zwar sowohl gegenüber der Aufsichtsbehörde als auch gegenüber der Öffentlichkeit. Das ermöglicht der Behörde eine bessere Risikoüberwachung und sichert die Stabilität der Versicherungsbranche; Kunden und Investoren bringen die neuen Berichtspflichten mehr Transparenz; zudem erlaubt die europaweite Harmonisierung dieser Berichtspflichten, die quantitative und qualitative Elemente beinhalten, eine bessere Vergleichbarkeit.

Anforderungen an die BerichterstattungMehr Transparenz durch die neuen Berichtspflichten

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■ Eine weitere wichtige Informationsquelle der Aufsichtsbehörde ist der regel-mäßige Aufsichtsbericht (RSR, Regular Supervisory Reporting), der inhaltliche Überschneidungen mit dem SFCR aufweist und der gleichen Struktur folgt. Wegen des sachkundigeren Adressaten – der RSR richtet sich ausschließlich an die Behörde – enthält der Bericht zusätzliche detailliertere Informationen. Der RSR soll insbesondere wesentliche Änderungen bei der Geschäftstätigkeit und der Leistung, der Geschäftsorganisation, dem Risikoprofil, der Bewertung für Solvenzzwecke und dem Kapitalmanagement aufzeigen und absehbare künftige Geschäftsentwicklungen thematisieren; er soll auch die Ursachen und Wirkun-gen dieser Änderungen präzise darstellen. Der Bericht muss mindestens alle drei Jahre und erstmals 2017 vorgelegt werden, die Frequenz wird unterneh-mensindividuell von der Behörde festgelegt.

■ Ab dem Geschäftsjahr 2016 ist der Aufsichtsbehörde innerhalb von zwei Wo-chen nach Abschluss der unternehmenseigenen Risiko- und Solvabilitätsbe-urteilung der ORSA-Bericht (Own Risk and Solvency Assessment) vorzulegen. Er muss die Resultate in Bezug auf die Beurteilung des gegenwärtigen und mittelfristigen Gesamtsolvabilitätsbedarfs enthalten sowie die Beurteilung der jederzeitigen Einhaltung der Anforderungen an die Kapitalausstattung und an die Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen. Außerdem muss er aufzeigen, wie stark das Risikoprofil von den Annahmen abweicht, die der Berechnung des Zielsolvenzkapitals zugrunde liegen. Der ORSA-Bericht muss jährlich vorgelegt werden.

■ Eine einmalige Besonderheit für das Jahr 2016 ist das Day-1-Reporting. Als Übergangsbestimmung umfasst es quantitative und qualitative Informa-tionen für einen zeitnahen Überblick über die Vermögenslage und Solvenz-situation des Unternehmens.

■ Zusätzlich gelten auf europäischer Ebene Berichtspflichten gegenüber der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betrieb-liche Altersversorgung (EIOPA), wobei zwei EIOPA-Leitlinien relevant sind – jene zum Berichtswesen und zu den Offenlegungspflichten und jene zu den Leitlinien über Methoden zur Bestimmung der Marktanteile. Ausschließlich für makroökonomische Zwecke und nur für bestimmte Unternehmen und Gruppen ist noch eine weitere EIOPA-Leitlinie maßgeblich.

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