Somatosensorische Modulation im nozizeptiven System ... · zeptivem Input auf. 1965 stellten...

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Aus der Neurologischen Klinik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Direktor: Prof. Dr. med. Dr. h.c. Stefan Schwab __________________________________________________________________________ Somatosensorische Modulation im nozizeptiven System induziert durch differentielle Stimulation von C-Fasern Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg vorgelegt von Magdalena Ute Stühler aus Fürth

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Aus der Neurologischen Klinik

der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Direktor: Prof. Dr. med. Dr. h.c. Stefan Schwab

__________________________________________________________________________

Somatosensorische Modulation im nozizeptiven System

induziert durch

differentielle Stimulation von C-Fasern

Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde

der Medizinischen Fakultät der

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

vorgelegt von

Magdalena Ute Stüh ler

aus

Fürth

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Meinen Eltern gewi dmet

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Gedruckt mit Erlaubnis der

Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Univ ersität Erlangen-Nürnberg

Dekan: Prof. Dr. med. Dr. h.c. Jürgen Schüttler Referent: Prof. Dr. med. Christian Maihöfner Koreferent: Prof. Dr. med. Wolfgang Sperling Tag der mündlichen Prü-fung:

22. November 2012

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Inhaltsverzeichnis 1. Zusammenfassung................................................................................. 3 2. Einleitung .............................................................................................. 5

2.1 Schmerz als Warnsignal..................................................................................... 5 2.2 Nozizeptoren und Leitungsbahnen..................................................................... 6 2.3 Protopathische Bahn zur sensiblen Rinde.......................................................... 7 2.4 Areale der Schmerzverarbeitung........................................................................ 7 2.5 Neuropathischer Schmerz .................................................................................. 8 2.6 Elektrisches Schmerzmodell ............................................................................ 10 2.7 Schmerz und Thermorezeption ........................................................................ 11

3. Material und Methoden.......................................................................14 3.1 Studiendesign ................................................................................................... 14 3.2 Probanden......................................................................................................... 15 3.3 Elektrisches Modell.......................................................................................... 16 3.4 Psychophysikalische Testung........................................................................... 17 3.4.1 Taktile Detektionsschwelle ........................................................................... 17 3.4.2 Mechanische Schmerzschwelle.....................................................................18 3.4.3 Thermische Schwellen .................................................................................. 19

4. Statistik................................................................................................22 5. Ergebnisse ...........................................................................................23

5.1 Temperaturschwellen – vor und nach elektrischer Reizung ............................ 23 5.1.1 Kaltschwelle zentral .................................................................................. 23 5.1.2 Warmschwelle zentral............................................................................... 23 5.1.3 Kälteschmerzschwelle zentral................................................................... 23 5.1.4 Hitzeschmerzschwelle zentral................................................................... 23 5.1.5 Kaltschwelle proximal .............................................................................. 25 5.1.6 Warmschwelle proximal ...........................................................................25 5.1.7 Kälteschmerz proximal ............................................................................. 25 5.1.8 Hitzeschmerz proximal ............................................................................. 26 5.1.9 Kaltschwelle kontralateral......................................................................... 27 5.1.10 Warmschwelle kontralateral.................................................................... 27 5.1.12 Hitzeschmerzschwelle kontralateral........................................................ 28

5.2 Mechanische Schwellen................................................................................... 30 5.2.1 Mechanische Detektionsschwelle zentral ................................................. 30 5.2.2 Mechanische Detektionsschwelle proximal.............................................. 30 5.2.3 Mechanische Detektionsschwelle kontralateral ........................................ 30 5.2.4 Mechanische Schmerzschwelle zentral..................................................... 31 5.2.5 Mechanische Schmerzschwelle proximal ................................................. 32 5.2.6 Mechanische Schmerzschwelle kontralateral ........................................... 32

5.3 Auswertung der randomisierten Werte ............................................................ 34 6. Diskussion ...........................................................................................36

6.1 Einfluss der C-Faser Stimulation auf die Temperaturschwellen...................... 36 6.1.1 Temperaturschmerzschwellen................................................................... 36 6.1.2 Temperaturwahrnehmungsschwellen........................................................ 37 6.1.3 Paradoxe Sensationen................................................................................ 38

6.2 Einfluss der C-Faser Stimulation auf die mechanischen Schwellen................ 40 6.2.1 Detektionsschwellen ................................................................................. 40 6.2.2 Schmerzschwellen..................................................................................... 40

7. Literaturverzeichnis.............................................................................43

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8. Abkürzungsverzeichnis.......................................................................49 9. Danksagung.........................................................................................50

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1. Zusammenfassung

Hintergrund und Ziele

Nach elektrischer Stromreizung kommt es zum Auftreten von Hyperalgesie nach Pin

Prick Stimulation. In unserem Versuch soll eruiert werden, ob es ähnliche Verände-

rungen auch in Bezug auf die Temperaturwahrnehmungen gibt. Außerdem soll das

Auftreten der „paradoxen Hitze“ untersucht werden.

Methoden

Als experimentelles Schmerzmodell wurde das durch elektrische Stromreizung indu-

zierte mechanische Hyperalgesie-Modell angewandt. Bei 15 Probanden wurden zwei

Sitzungen zu jeweils 0,5Hz und 20Hz absolviert. Vor und nach Stromreizung wurde

ein QST-Test, der mechanische Schmerzschwelle, taktile Detektionsschwelle, die

Temperaturschwellen mit Hitze- und Kälteschmerz beinhaltet, vorgenommen.

Ergebnisse und Beobachtungen

Es kam zu einer Beeinträchtigung der Kälteempfindung nach el. Stimulation, sowohl

für Kälteschmerz als auch für Kaltschwellen. So konnte eine Kältehypästhesie und

eine Kältehypalgesie an einigen Messstellen nachgewiesen werden. Die Warm-

schwellen waren nicht davon betroffen. Ebenfalls unverändert zeigte sich das Auftre-

ten der paradoxen Hitze vor und nach elektrischer Stimulation.

Praktische Schlussfolgerungen

Die paradoxe Hitzeempfindung lässt sich nicht verändern durch noxische Stromrei-

zung. Daher kommt man zu der Schlussfolgerung, dass die Warmfasern anstatt der

nozizeptiven Fasern für die Weiterleitung der paradoxen Sensationen verantwortlich

sind.

Die verminderte Kälteempfindlichkeit bei Schmerzpatienten ließ sich hier an einem

experimentellen Modell bestätigen. So kann man davon ausgehen, dass hierbei zwi-

schen der Schmerzverarbeitung und der Kälteverarbeitung auf spinaler oder zentraler

Ebene ein Zusammenhang besteht.

Die Ergebnisse für taktiles Empfinden und Pin Prick-Stimulation aus früheren Stu-

dien der Arbeitsgruppe ließen sich größtenteils bestätigen.

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Summary

Purpose

Electrical stimulation may cause hyperalgesia after pin prick stimulation. The pur-

pose of this study is to assess if changes due to temperature sensation can be identi-

fied. Additionally the occurrence of paradoxical heat is evaluated.

Methods

For the experimental pain model, the electrical stimulation induced mechanical hy-

peralgesia model was used. All 15 subjects were induced with frequencies of 0,5 Hz

and 20 Hz in a first and second session respectively. Before and after the electrical

stimulation, the quantitative sensation test battery, including the mechanical pain

threshold, the tactile detection threshold, and the temperature thresholds of heat pain

and cold pain, were conducted.

Results

Cold sensation was significantly affected by electrical stimulation for cold pain as

well as for cold detection thresholds. Therefore, cold hypaesthesia and cold hypalge-

sia was identified in some test points. The warm thresholds as well as the occurrence

of paradoxical heat were unaffected by electrical stimulation.

Discussion

The paradoxical heat is unchanged by noxious electrical stimulation, leading to the

conclusion that warm fibers rather than nociceptive fibers are responsible for para-

doxical sensations. The reduced sensibility for cold sensations of patients afflicted by

chronic pain was proven by an experimental model. This is a strong indication that

the pain processing can be related to the cold processing on a spinal or central level.

Existing results of our work-group regarding the tactile sensation and pin prick

stimulation were largely supported by the results of this study.

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2. Einleitung

„Schmerz ist kein körperliches Ereignis, sondern ein existentielles.

Es leidet nicht der Körper, sondern der Mensch als Ganzes.“

David Le Breton, Schmerz. Eine Kulturgeschichte (2003)

Schmerz ist ein komplexer Bewusstseinsinhalt und wird von den Menschen kulturell

und individuell verschieden erfahren. Die organische Spur des Schmerzes ist nur ein

Aspekt einer komplexeren Realität, denn der Schmerz erfasst den Menschen in seiner

Gesamtheit und zeigt sich dementsprechend in verschiedenen Komponenten (33).

2.1 Schmerz als Warnsignal

Der Schmerz ist ein komplexes Gefühlsereignis, das den Körper vor Gefahren schüt-

zen soll. Dessen Ausfall kann für den Menschen verheerende Folgen haben. Die Ge-

fahr, die von einem noxischen Reiz aus der Peripherie ausgeht, wird nicht mehr er-

kannt. So kann es z.B. bei Schädigung des Tractus spinothalamicus, dessen Lei-

tungsqualitäten u.a. auch Schmerz und Temperatur sind, zu schweren Verbrennungen

kommen, wenn der Schmerz als Warnsignal nicht mehr wahrgenommen wird. Die

Verletzung würde erst durch den Geruch nach verbranntem Gewebe wahrgenommen

werden. Dies zeigt die „existenzielle Bedeutung des Schmerzes“ (32) und verdeut-

licht, dass Menschen mit verändertem oder fehlendem Schmerzempfinden eine kür-

zere Lebenserwartung haben.

Erst durch die Weiterleitung von nozizeptiven Reizen ins zentrale Nervensystem

entsteht die bewusste Empfindung Schmerz. Hierbei spielen mehrere Dimensionen

eine Rolle.

- Die sensorisch-diskriminative Dimension beurteilt Stärke, Art, Dauer und

Lokalisation des Schmerzes und hat somit eine Art Messfunktion.

- Die affektiv-emotionale Dimension löst unlustbetonte Affekte aus.

- Die motorische Dimension bewirkt vor allem Flucht- oder Schutzreflexe, wie

z.B. das Wegziehen der Hand.

- Die vegetative Dimension geht einher mit steigendem Blutdruck, ansteigen-

der Herzfrequenz, erweiterten Pupillen und evtl. Übelkeit. Dies wird reflekto-

risch ausgelöst über das vegetative Nervensystem.

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- Die kognitive Dimension besteht aus dem Vergleich der aktuellen Schmerzen

mit jenen aus der Vergangenheit und deren Bewertung (47, 57).

2.2 Nozizeptoren und Leitungsbahnen

Max von Frey entwickelte 1895 erstmals die Theorie vom Bestehen spezifischer Re-

zeptortypen, von denen spezifische Schmerzbahnen zum Gehirn leiten. Diese Theo-

rie konnte erst mit den elektrophysiologischen Ableitungen von Edgar Adrian und

Yngve Zottermann bestätigt werden. Sie zeigten auch, dass taktile Nervenfasern der

Haut unter physiologischen Bedingungen nicht an der Schmerzweiterleitung beteiligt

sind (21).

Nozizeptoren antworten nur auf schmerzhafte mechanische, chemische oder thermi-

sche Reize. Sie haben daher eine hohe Erregungsschwelle und gehören zu den hoch-

schwelligen Rezeptoren, im Gegensatz zu den niederschwelligen Rezeptoren für Be-

rührung, Wärme oder Kälte. Die meisten sind polymodale Rezeptoren, das heißt sie

besitzen Transduktionsmechanismen für verschiedene Modalitäten, wie noxische,

mechanische, chemische oder thermische Reize. Im Gegensatz dazu gibt es Mecha-

nonozizeptoren, die nur auf mechanische Reize ansprechen. Eine Untergruppe stellen

die „stillen“ Nozizeptoren dar, die im Normalfall nicht durch mechanische oder

thermische Reize erregbar sind.

Nozizeptoren sind freie, nicht-korpuskuläre Nervenendigungen, die mit langsam lei-

tenden Axonen verbunden sind. Meist handelt es sich dabei um unmyelinisierte A-

xone, die zu den langsam leitenden C-Fasern (< 2,5m/s; meistens 1m/s) gehören. Die

dünn myelinisierten Axone vom Typ der Aδ-Fasern haben eine etwas schnellere Lei-

tungsgeschwindigkeit von 2,5-30m/s (47). Sie sind für die erste Schmerzwahrneh-

mung zuständig, die meist als scharf bezeichnet wird und gut lokalisierbar ist. So

ergaben Messungen von Kakigi et. Altri nach Co2-Laser-Stimulation eine Leitungs-

geschwindigkeit von Aδ-Fasern von 9,0m/s (24). Darauf folgt der zweite Schmerz,

der über die C-Fasern geleitet wird und etwas später wahrgenommen wird. Dieser

lässt sich schlechter lokalisieren und dauert länger an. Torebjörk ermittelte 1974

durch Mikroneurographie eine Leitungsgeschwindigkeit von 0,5-1,2 m/s (56).

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2.3 Protopathische Bahn zur sensiblen Rinde

Von den Sinnesrezeptoren der Haut werden Schmerz- und Temperaturempfindungen

sowie grobe Druck- und Tastempfindung, zusammengefasst als protopathische Bahn,

über Rückenmarksneurone zum Thalamus und Hirnstamm geleitet. Die Impulse aus

der Peripherie werden über das erste Neuron in das Hinterhorn des Rückenmarks

geleitet, wo sie auf das zweite Neuron verschaltet werden. Dabei ist zu beachten,

dass ein großer Teil der Aδ-Fasern in den oberflächlichen Schichten endet (Lamina

I+II), während viele marklose C-Fasern bis ins ventrale Horn ziehen (Lamina IV-VI).

Die Zellkörper der pseudounipolaren Neurone liegen in den Spinalganglien. Nach

der Verschaltung auf das zweite Neuron kreuzen die Fasern auf die Gegenseite und

ziehen im kontralateralen Vorderseitenstrang, bestehend aus Tractus spinothalamicus

und Tractus spinoreticularis, zum Nucleus ventralis posterior des Thalamus. Hier

folgt die Umschaltung auf das dritte Neuron, dessen Fasern in der primären somato-

sensiblen Rinde des Gyrus postcentralis in somatotoper Anordnung enden (1, 57).

2.4 Areale der Schmerzverarbeitung

Erst durch Aktivierung des thalamokortikalen Systems entsteht eine bewusste

Schmerzempfindung. Nur im Wachzustand empfinden wir Schmerzen. Im Schlaf

können zwar nozizeptive Reize zum Thalamus weitergeleitet werden, die weitere

Verarbeitung wird jedoch blockiert.

Bei der zentralen Schmerzverarbeitung unterscheidet man ein laterales von einem

medialen thalamo-kortikalem System.

Ersteres beinhaltet die sensorisch-diskriminative Dimension, während letzterem die

affektive Schmerzkomponente, die Gedächtnisbildung und Aufmerksamkeitsreaktio-

nen zugesprochen werden. Ein wichtiges Areal des lateralen Systems ist der primäre

somatosensorische Kortex. Die Fasern des Tractus spinothalamicus erregen Zellen

im Ventrolateralkomplex des Thalamus, welche ins sensorische Kortexareal S1 (Gy-

rus postcentralis) projizieren. Die Zellen sind somatotopisch organisiert und besitzen

kleine rezeptive Felder. Ein weiteres Areal ist der sekundäre somatosensorische Kor-

tex (S2), der bei einem noxischen Reiz in einer Körperhälfte ipsi- und kontralateral

aktiviert wird. Er besitzt große rezeptive Felder und vereint taktile, nozizeptive und

andere Informationen zu einem Gesamtbild. Ihm wird eine unspezifische Intensitäts-

kodierung zugesprochen (18).

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Das mediale System führt über den posterioren und intralaminären Komplex des

Thalamus, besitzt große rezeptive Felder und projiziert zu assoziativen Kortexarea-

len. Dazu gehören die Insula, das mittlere Gyrus cinguli und der präfrontale Kortex.

Die Insula interagiert zwischen sensorischem und limbischem System, wobei die

Schmerzverarbeitung und die Intensitätskodierung eine ihrer wichtigsten Aufgaben

ist (18). Bei chronischen Schmerzsyndromen ist die vordere Inselrinde verstärkt akti-

viert (48). Der Gyrus cinguli ist zuständig für die Aufmerksamkeitssteuerung und die

Steuerung motorischer Reaktionen (16, 58).

Der präfrontale Kortex ist eingebunden in Emotion, Affekt und Gedächtnis (6, 47).

2.5 Neuropathischer Schmerz

Schmerz hat nicht nur eine Schutzfunktion. Man unterscheidet den Nozizeptor-

schmerz, bei welchem die in den vorangegangenen Kapiteln beschriebenen Struktu-

ren intakt sind, vom neuropathischen Schmerz. In der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts

tauchten erstmals Theorien über die zentrale Verarbeitung und Modulation von nozi-

zeptivem Input auf. 1965 stellten Melzack und Wall die Gate-control-Theorie auf

und lieferten ein neues Verständnis für die Schmerzentstehung, welche sich nicht

mehr als festes anatomisches Gebilde mit festem Eingang und Ziel darstellt. Das no-

zizeptive System als plastisches System lässt sich bereits im Rückenmark durch In-

teraktionen mit dem nichtnozizeptiven System und durch Beeinflussung von deszen-

dierenden Bahnen modulieren. Weitere Interaktionsmöglichkeiten gibt es im Thala-

mus und in den Kortexarealen, wo die Schmerzempfindung entsteht (6). Diese Plas-

tizität und die dynamischen Prozesse, die die Schmerzentstehung beeinflussen, sind

die Grundlage für die Chronifizierung von Schmerzen (32). Chronische neuropathi-

sche Schmerzen sind häufig in der Klinik anzutreffen und werden definiert als

Schmerzen, die auf einer Läsion oder Erkrankung des somatosensorischen Nerven-

systems beruhen (23).

Nach Stand der Forschung ist eine Läsion afferenter Bahnen notwendig für die Ent-

wicklung von neuropathischem Schmerz (2). Häufig gibt es nicht nur einen patholo-

gischen Mechanismus der Entstehung, sondern eine veränderte Signalverarbeitung

auf mehreren Ebenen (55). So können mehrere Mechanismen zu neuropathischen

Schmerzen führen und der gleiche Mechanismus kann bei verschiedenen Krank-

heitsbildern auftreten. Außerdem können verschiedene Mechanismen bei einem Pati-

enten vorhanden sein und sie können zum gleichen Symptom führen. Dies lässt die

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Komplexität des neuropathischen Schmerzes erkennen und die Notwendigkeit, eine

Behandlung zu entwickeln, die den verschiedenen Mechanismen gerecht wird (5).

In den letzten Jahren konnten folgende sechs Mechanismen der Entstehung neuro-

pathischer Schmerzen charakterisiert werden (32):

- Periphere Sensibilisierung

- Abnorme Erregbarkeit geschädigter Neurone

- Zentrale Sensibilisierungsmechanismen

- Disinhibition der Nozizeption

- Sympathisch unterhaltene Schmerzsyndrome

- Zentrale Reorganisationsphänomene

Die häufigste Einteilungen neuropathischer Schmerzen richtet sich nach ihrer Ätio-

logie:

Tab. 1: Ätiologische Klassifikation von neuropathischen Schmerzen abgewandelt übernommen aus (2):

Gruppe Ätiologische Ursachen

Fokale oder multifokale Läsionen des peripheren Ner-

vensystems

- Phantomschmerz

- Post-herpetische Neuralgie

- Post-traumatische Neuralgie

- Ischämische Neuropathie

Generalisierte Schädigung des peripheren Nervensys-

tems (Polyneuropathien)

- Diabetes mellitus

- Alkohol

- Genetische Neuropathien

- Vitamin-B-Mangel

- Toxische Neuropathien

(Arsen, Thallium, Isoniazid, Metronidazol)

- Plasmozytom

ZNS - Läsionen

- Rückenmarksverletzung

- Hirninfarkt

- Multiple Sklerose

Komplexes regionales Schmerzsyndrom (Complex

regional pain syndrome, CRPS) - CRPS Typ I und II

Bei den klinischen Charakteristika unterscheidet man zwischen neurologischen Aus-

fallerscheinungen, den sogenannten negativen sensorischen Symptomen, und sensib-

len Reizphänomenen, den positiven sensorischen Symptomen. Bei den neurologi-

schen Ausfallerscheinungen kommt es zu einer Verminderung der sensorischen Qua-

lität. Je nach betroffenem System kann es zu einer Hypästhesie (herabgesetzte Be-

rührungsempfindung), einer Hypalgesie (herabgesetzte Schmerzempfindung), einer

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Thermhypästhesie (herabgesetzte Temperaturempfindung) oder einer Pallhypästhesie

(verringerte Vibrationsempfindung) kommen. Für den Patienten stellen sie keine

schmerzhafte Empfindung dar.

Bei den sensiblen Reizphänomenen treten Parästhesien (Missempfindungen, wie

Kribbeln), Dysästhesien (unangenehm empfundene Parästhesien mit Schmerzkom-

ponente) sowie spontane und evozierte Schmerzen auf. Zu den spontanen Phänome-

nen gehören kontinuierlich auftretende (wie z.B. bei Neuropathien) und einschießen-

de (wie z.B. bei Trigeminusneuralgie) Schmerzen. Evozierte oder stimulusinduzierte

Schmerzen, wie Allodynie und Hyperalgesie, treten nach Applikation eines Reizes

auf. Allodynie bezeichnet eine schmerzhafte Empfindung durch normalerweise nicht

schmerzhafte Reize (Wärme, Kühlung, Berührung), wie z.B. die Berührung der Haut

mit einem Pinsel. Unter Hyperalgesie versteht man, dass bereits schmerzhafte Reize

(Hitze, Kälte, mechanische Reize) noch intensiveren Schmerz auslösen (3). Es gibt

zwei Arten von Hyperalgesie nach Gewebsverletzung: Die primäre tritt in der Zone

der Verletzung auf und folgt nach Hitzeapplikation und starkem Druck (45). Die se-

kundäre breitet sich in unverletztes Gewebe aus und wird ausgelöst durch mechani-

sche Stimulation (mechanische Hyperalgesie) (14, 26, 29). Da evozierte Schmerzen

für den Patienten quälend sind, liegt sehr großes Interesse daran, sie zu erforschen.

Außerdem gelten sie als Leitsymptome des neuropathischen Schmerzes. Deshalb

wurden Surrogatmodelle des neuropathischen Schmerzes entwickelt, um die zugrun-

deliegenden Mechanismen des hyperalgetischen Zustands experimentell zu erfor-

schen (37).

2.6 Elektrisches Schmerzmodell

Es haben sich verschiedene Surrogatmodelle für evozierte Schmerzen etabliert. Sie

bieten den Vorteil, dass man einzelne Symptome am gesunden Probanden gezielt

untersuchen kann, was am Patienten durch die Komplexität der Erkrankung nicht der

Fall ist. Sie bilden jedoch keinen Ersatz für ein klinisches neuropathisches Schmerz-

syndrom. Eine veränderte Schmerzwahrnehmung kann beispielsweise evoziert wer-

den durch das Capsaicin–Hyperalgesiemodell, das Menthol–Hyperalgesiemodell und

das UV–B–Hyperalgesiemodell (4, 34, 36, 50, 51, 63). In dieser Studie wird ein sta-

biles hyperalgetisches Areal durch transdermale elektrische Stimulation von mecha-

noinsensitiven C-Fasern erzeugt, die zu den „stummen Nozizeptoren“ gehören. Diese

werden nur bei potentiell schädigenden peripheren Stimuli aktiviert (61).

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In früheren Studien zeigte sich, dass diese Hyperalgesie zentral vermittelt ist, da sie

sich nicht durch einen Anästhetikaring eindämmen ließ. Außerdem erwies sich die

Hyperalgesiefläche als größer als die Fläche des applizierten Reizes, was auf ein wei-

teres Merkmal der zentralen Sensibilisierung hinweist, die sich auch auf benachbarte

Gebiete ausdehnt (60). Im Gegensatz dazu beruhen der Axon-Reflex und die primäre

Hyperalgesie auf einer peripheren Sensibilisierung.

Mit diesem Schmerzmodell kann man auch Areale mechanischer Hypalgesie und

Hypästhesie erzeugen, bei welchen ebenfalls ein zentraler Mechanismus vermutet

wird. Entscheidenden Einfluss auf die Wahrnehmungsveränderung hat hierbei die

Frequenz der Stimulation oder das Verhältnis von Stimulationsdauer zu Stimulati-

onspause. In vorhergehenden Studien zeigte sich bei 0,5Hz Stimulation ein hyperal-

getischer Effekt und bei 20Hz Stimulation ein hypalgetischer Effekt. Bei beiden Sti-

mulationen trat eine Hypästhesie auf (14, 41, 52). Ein weiterer Hinweis auf einen

heterotopen polysynaptischen Prozess der zentralen Sensibilisierung ist, dass C-

Fasern in diesem Modell elektrisch stimuliert werden, die mechanische Hyperalgesie

(Pin-Prick Hyperalgesie) jedoch primär von Aδ-Fasern vermittelt wird (41).

2.7 Schmerz und Thermorezeption

Das Temperaturempfinden ist eng verbunden mit dem Schmerzsystem, weil die Ner-

venfasern gemeinsam im Tractus spinothalamicus verlaufen. Ein Ausfall dessen kann

auch einen Ausfall des Temperaturempfindens in der gleichen Region bedeuten. Ein

weiteres Beispiel aus dem Alltag und der Sportmedizin ist, dass Kälte den Schmerz

lindert. Es gibt Hinweise, dass Kälte die zentrale Schmerzverarbeitung inhibiert. Käl-

te reduziert den Schmerz nach elektrischer Stimulation (7, 12). Aber wie oder warum

sie zusammenspielen, ist noch nicht geklärt.

Nachdem in den vorhergehenden Studien der Arbeitsgruppe die Effekte der zentralen

Sensibilisierung auf das taktile System dargestellt wurden, soll nun das Temperatur-

system nach der etablierten Methode, nämlich transdermaler elektrischer C-Faser-

Stimulation, untersucht werden.

Zunächst soll auf die beteiligten Fasertypen eingegangen werden. Um 1881 gelang

Alfred Goldscheider (1858-1935) in seiner Dissertation, unabhängig von Magnus

Blix (1858-1935), der Nachweis von Warm- und Kaltpunkten auf der Haut. Somit

konnte er einen eigenen Sinneskanal für Temperaturreize identifizieren und war ü-

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berzeugt von einer spezifischen Nervenleitung für Temperatur. Max von Frey (1852-

1932) nahm in den 1890er-Jahren an, dass alle Sensationen der Haut mit einem Re-

zeptor assoziiert seien, konnte seine Hypothese in der damaligen Zeit jedoch noch

nicht beweisen. Anfang des 20. Jahrhunderts, mit dem Aufkommen elektrophysiolo-

gischer Methoden, wurden die Warm- und Kaltsensoren der Haut erstmals beschrie-

ben. Demzufolge wird Kälte von dünn myelinisierten kältespezifischen Aδ-Fasern

(Maximum bei 20-30°C) und Wärme von unmyelinisierten warm-spezifischen C-

Fasern (Maximum bei 40-43°C) aus der Peripherie zum Tractus spinothalamicus

weitergeleitet. Einige Kältefasern können bei hohen Temperaturen aktiviert werden

und so vermutlich das Phänomen der „paradoxen Kälte“ auslösen. Aδ- und C-

Nozizeptoren sind für das Erkennen von noxischen Hitze- und Kältereizen zuständig

(21, 46).

Ein weiteres Phänomen, das noch nicht gut untersucht ist, aber zur Aufklärung von

zentralen Mechanismen dienen könnte, die neuropathischen Schmerz verursachen, ist

die „Illusion of pain“ oder die „Thermal grill illusion“ (TGI). Der „thermale Grill“

demonstriert die aus dem Alltag bekannte Verknüpfung zwischen zentralen Neuro-

nen für Schmerz und denjenigen für Temperatur. Zum ersten Mal wurde dieses Phä-

nomen 1896 von Thunberg beschrieben. Dabei rufen zwei Metallstäbe nebeneinan-

der, die nicht schmerzhaft warm und kalt sind, einen plötzlich brennenden Schmerz

hervor. Schmerzspezialisten ist bekannt, dass viele Schmerzpatienten eine Dysfunk-

tion der thermalen Sensibilität haben. Die äußert sich häufig in einer Kälte-Allodynie

und herabgesetztem Temperaturempfinden im schmerzenden Areal. Diese Charakte-

ristik ist dem thermalen Grill ähnlich, in welchem brennender Schmerz bei reduzier-

tem Temperaturempfinden wahrgenommen wird. Deshalb wird die „Illusion of pain“

als experimentelles Modell für zentralen Schmerz propagiert. Allerdings ergaben

sich nicht in allen Studien schmerzhafte Sensationen, sondern auch welche mit para-

doxer Hitzeempfindung; ebenso wenig ist man sich einig über den zugrundliegenden

Mechanismus (15). Es kann nur über die Ebene der Entstehung der schmerzvollen

Sensation spekuliert werden. Neben der spinalen Ebene kämen noch der Hypothala-

mus und verschiedene Kortexareale in Betracht. In einer bildgebenden Studie von

A.D. Craig konnte gezeigt werden, dass der anteriore cinguläre Kortex (ACC) durch

die „Grill illusion“ aktiviert wurde (12). In einer neueren Studie aus dem Jahr 2010

von Boettger wurde herausgefunden, dass während der TGI eine traurige Stimmung

die Schmerzempfindung und das Unbehagen erhöhte. Dies spricht für eine zentrale

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Verstärkung eines Phänomens, das im Gehirn, wahrscheinlich in der kognitiven oder

affektiven Komponente der Schmerzverarbeitung, entsteht. Mit der Erforschung der

neuronalen Mechanismen für diese Schmerzphänomene könnte man vielen Patienten

helfen (8, 11).

Ein verwandtes Phänomen der TGI und sowohl bei Schmerzpatienten als auch beim

Gesunden anzutreffen, ist die „paradoxe Hitzeempfindung“, definiert als paradoxe

Wahrnehmung von Hitze bei einem Kaltstimulus. Sie kann bei bestimmten Erkran-

kungen, wie z.B. bei Neuropathien, Nervenkompressionssyndromen, bei Multipler

Sklerose oder „post-stroke pain“ auftreten. Es konnte gezeigt werden, dass der para-

doxe Brennschmerz über C-Fasern weitergeleitet wird (53). Wenn kälteaktivierte

Aδ-Fasern, welche C-Fasern normal hemmen, unterbrochen werden, führt dies zur

Disinhibition der C-Fasern und zu einer Brennschmerzempfindung. Bei diesem Ef-

fekt sind sogenannte HPC-Neurone, welche auf „heat“, „pinch“ and „cold“ reagieren,

aus Lamina I des Rückenmarks involviert. Sie besitzen konvergente Eingänge für

Wärme und Kälte und sind bei gestörter kältevermittelter Hemmung verantwortlich

für eine „paradoxe Hitzeempfindung“ (32).

Die zentralen Mechanismen der paradoxen Hitze sind unbekannt. In einer fMRI Stu-

die aus dem Jahr 2004 wiesen K. D. Davis et alii nach, dass die Aktivität im insulä-

ren Kortex eng verbunden ist mit der Wahrnehmung der „paradoxen Hitze“. Eine

Teilregion der Insula ist auch beteiligt am Phänomen der „Grill illusion“ (13).

Ziel dieser Studie ist es, das Vorkommen von thermalen sensorischen Abweichungen

an Probanden, vor und nach elektrischer C-Faser Stimulation, zu untersuchen. Dabei

soll, neben der Kaltschwelle, der Warmschwelle, dem Kaltschmerz und dem Hitze-

schmerz auch das Phänomen der „paradoxen Hitze“ miteinbezogen werden, um die

zentrale Integration der Temperaturwahrnehmung besser zu verstehen. Außerdem

sollen die Werte der mechanischen Detektionsschwelle und der mechanischen

Schmerzschwelle, welche in vorhergehenden Studien schon bestimmt wurden, noch

einmal untersucht werden.

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14

3. Material und Methoden

3.1 Studiendesign

An der Studie nahmen 15 jugendliche, gesunde Probanden in etwa gleicher Ge-

schlechterverteilung teil. Dies waren 8 weibliche und 7 männliche Teilnehmer.

Die Versuche fanden an 2 Tagen mit einem Zeitabstand von einer Woche statt. Dabei

ist zu konstatieren, dass sich der Versuchsaufbau nicht änderte, nur die noxische

Stimulation der kutanen Nervenfasern variierte im Vergleich zur vorhergehenden

Messung. Jeder Proband musste sich einer Stromreizung mit einer Frequenz von 20

und 0,5 Hz unterziehen, welche sich in vorhergehenden Studien der Arbeitsgruppe

schon bewährt hatten und unterschiedliche Effekte auf die Hautafferenzen und zent-

ralen Mechanismen hatten (14). Zunächst erfolgte die Bestimmung der 3 Messpunk-

te, anhand derer die psychophysischen Referenzwerte bestimmt wurden, mit einem

Permanent Marker. Der mediale Punkt auf der Verbindungslinie zwischen articulatio

manus und articulatio cubiti des rechten volaren Unterarms diente als Punkt der elek-

trischen Stimulation und erster Messpunkt (zentral), während sich der zweite Mess-

punkt (proximal) 2 cm proximal davon befand. Der dritte (kontralateral) wurde an

entsprechender Stelle auf gleicher Höhe des ersten am kontralateralen Arm markiert.

Vor jeder noxischen Reizung wurde eine Bestimmung der psychophysischen Refe-

renzwerte mithilfe einer QST- Testbatterie vorgenommen. Dazu gehörten die Be-

stimmung der mechanischen Detektionsschwelle (MDT), der mechanischen

Schmerzschwelle (MPT), der thermalen Sensationen wie Warmschwelle (WDT),

Kaltschwelle (CDT), thermische Unterschiedsschwelle (TSL), Kälteschmerzschwelle

(CPT) und Hitzeschmerzschwelle (HPT). Nach Durchführung der Quantitativen Sen-

sorischen Testung an allen zuvor markierten Testpunkten erfolgte eine noxische Rei-

zung der afferenten Nervenfasern mit Stromimpulsen am vorher festgelegten ersten

Messpunkt. Dabei musste der Untersucher die Stromstärken immer wieder anpassen

um beim Probanden die subjektive Empfindung einer Schmerzstärke von 6 auf einer

numerischen Skala von 1-10 auszulösen. Die elektrischen Referenzwerte, wie elek-

trische Detektionsschwelle (EDT), elektrische Schmerzschwelle (EPT) und die Wer-

te zur Aufrechterhaltung einer Schmerzstärke von 6 (NRS6), wurden auf einem

Formblatt protokolliert. Dem elektrisch induzierten Schmerz schloss sich wiederum

die gleiche Testbatterie wie vorher an den gleichen 3 Messpunkten an. Die gleichen

Bestimmungen wiederholten sich 1 Woche später am zweiten Versuchstag noch

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einmal, nur die Stromfrequenz zur noxischen Reizung änderte sich. Dabei war zu

beachten, dass mit etwa der Hälfte der Probanden in der ersten Sitzung mit 0,5Hz

gestartet wurde und mit der anderen Hälfte mit 20 Hz, damit nicht in der zweiten

Sitzung die Erfahrung der Probanden das Ergebnis in eine Richtung hätte verfälschen

können und sich bei den Untersuchern keine Routine einschlich. Außerdem wurde

ein Proband in beiden Sitzungen immer vom gleichen Untersucher gemessen.

Foto1: Die eingezeichneten Messpunkte am Unterarm

3.2 Probanden

Die Anzahl der freiwilligen Probanden betrug 15 im Alter von 18-30 Jahren. Die

Teilnehmer waren meist Studenten, die vorher auch schon an anderen psychophysi-

schen Experimenten der Arbeitsgruppe teilgenommen hatten, oder Bekannte von

Mitarbeitern der Physiologie. Das Durchschnittsalter betrug 25,4 Jahre. Die Vertei-

lung der Geschlechter war ausgewogen mit 8 weiblichen und 7 männlichen Studen-

ten.

Die Probanden wurden vor ihrer Teilnahme über den Aufbau des Experimentes, die

Versuchsmodalitäten und den Ablauf aufgeklärt, allerdings nicht über die zu erwar-

tenden Effekte. Die Teilnehmer waren physisch und psychisch gesund, hatten keine

neurologischen oder systemischen Erkrankungen und hatten am Tag des Versuches

und dem vorhergehenden keine Analgetika oder andere Medikamente eingenommen,

welche die Schmerzempfindlichkeit oder die periphere Reizantwort hätten beein-

trächtigen können.

Die entsprechenden verbindlichen Richtlinien des Weltärztebundes gemäß der De-

klaration von Helsinki wurden für diese Studie beachtet. Die Medizinische Fakultät

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der Friedrich-Alexander-Universität hatte den entsprechenden Ethikantrag für die

psychophysische Untersuchung von gesunden Probanden geprüft.

3.3 Elektrisches Modell

De Col und Maihöfner hatten ein Surrogatmodell etabliert mit dem man eine stabile

Hyperalgesie ebenso wie eine Hypästhesie und Hypalgesie an gesunden Testperso-

nen evozieren konnte (14, 49, 52). Dies geschah durch die noxische Stimulation von

C-Fasern, welche eine sekundäre mechanische Hyperalgesie auslösten (14, 28). Der

Untersucher wählte den ersten Messpunkt (zentral) am rechten Unterarm und be-

festigte darauf die 2 Elektroden mit Hilfe eines elastischen Bandes. Die zwei Elekt-

roden, welche in einem Plastikring im Abstand von 4 mm befestigt waren, hatten

einen Durchmesser von 2 mm. Der erzeugte Strom in der oberen Dermis wurde von

einem Konstantstromstimulator (DS7A, Digitimer, Heertfordshire, England) über

zwei dünne Kabel zu den Elektroden geleitet. Dieser erzeugte monophasische Recht-

eckspulse, mit einer Dauer von 0,5ms und einer Frequenz von 0,5 Hz bzw. 20 Hz.

Bevor die noxische Stromstärke erreicht wurde, notierte der Untersucher die elektri-

sche Detektionsschwelle (EDT) beim ersten Wahrnehmen der Stromapplikation und

die elektrische Schmerzschwelle (EPT) beim Erreichen einer schmerzhaften Empfin-

dung. Daraufhin steigerte er die Stromstärke, bis der Proband den Schmerz auf einer

Skala von 0 bis 10 (numerische Ratingskala, NRS; 0=kein Schmerz, 10=maximal

vorstellbarer Schmerz) für vergleichbar hielt mit der Stufe 6. Wegen der Adaptation

der Testpersonen war ein kontinuierliches Nachregulieren etwa alle 2 Minuten not-

wendig. Die subjektive Schmerzempfindung von 6 wurde nun 35 Minuten konstant

gehalten.

Foto 2: Elektrode am ersten Messpunkt fixiert

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3.4 Psychophysikalische Testung

Dafür wurde eine quantitative sensorische Testung herangezogen, die die Bestim-

mung verschiedener Empfindungs- und Schmerzschwellen nach unterschiedlichen

Reizen beinhaltete. Dies war ein neu entwickeltes Diagnoseverfahren für Patienten

mit neuropathischen Schmerzen.

Die Arbeitsgruppe um Professor Rolf-Detlev Treede an der Universität Mainz entwi-

ckelte eine standardisierte Testbatterie für die sensorische Testung, die auch vom

Deutschen Forschungsnetzwerk Neuropathischer Schmerz verwendet wurde. Nach

dieser Handlungsanweisung für den Untersucher wurden die Messungen durchge-

führt. Dies betraf die mechanische Detektions- und Schmerzschwelle und die Tempe-

ratursensationen. Es wurde immer an den gleichen 3 Markierungen gemessen, vor

und nach noxischer Reizung mit elektrischem Strom. Die Reihenfolge der

Messpunkte blieb immer dieselbe: zentral, proximal, kontralateral.

3.4.1 Taktile Detektionsschwelle

Dieser Test diente der Messung der Fähigkeit leichte Berührung wahrzunehmen und

die taktile Wahrnehmungsschwelle zu bestimmen.

Die taktile Detektionsschwelle wurde bestimmt anhand eines standardisierten Sets

von von Frey-Haaren (Optihair-Set, MARSTOCKnervtest, Schriesheim, Deutsch-

land), welche einheitlich beschaffen waren und aus Glasfaserfilamenten mit abge-

rundeter Fläche zur Haut bestanden. Es existierten verschiedene Stimulusintensitä-

ten, angefangen bei 0,25mN, über 0,5mN, 1mN, 2mN, 4mN, 8mN, 16mN, 32mN,

64mN, 128mN bis 256mN.

Nach der modifizierten Grenzwertmethode testete man 5 Serien ab- und aufsteigen-

der Stimulusintensität. Dabei wurden die Grenzwerte festgehalten (method of limits)

und aus ihnen dann der geometrische Mittelwert zur weiteren Auswertung errechnet.

Der Untersucher fing an mit der höchsten Intensität. Da für die meisten gesunden

Testpersonen Werte über 16mN leicht wahrnehmbar waren, wurde in dieser Untersu-

chung bei 16mN begonnen. Falls sie nicht wahrnehmbar gewesen wären, hätte man

zu den höheren Intensitäten greifen können. Wenn der Proband mit einem eindeuti-

gen „Ja“ den Reiz registrierte, folgte der nächste Stimulus niedrigerer Intensität. Die-

se Reihe wurde weiterverfolgt bis zu demjenigen Filament, dessen Aufsetzen auf die

Haut der Proband nicht mehr spürte. Diese Intensität diente als erste untere Schwelle.

Dann begann die Umkehrung der Applikationsreihenfolge bis die Testperson den

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Reiz wieder wahrnahm, der dann die erste obere Schwelle repräsentierte. Dies testete

der Untersucher noch viermal und notierte die Grenzwerte für die 5 oberen und unte-

ren Schwellen. Aus diesen 10 Werten wurde dann das geometrische Mittel errechnet.

Es war zu beachten, dass man die Filamente, deren abgerundete Kontaktfläche zur

Haut weniger als 1mm betrugen, immer in der gleichen Art aufsetzte, bis sie sich

leicht durchbogen. Der Proband schaute während des gesamten Tests nicht auf das

untersuchte Hautgebiet. Dies wurde an allen 3 Messstellen durchgeführt (45).

Foto 3: von Frey Haar

3.4.2 Mechanische Schmerzschwelle

Mit diesem Test wurde die Fähigkeit zur Wahrnehumg von stechendem Schmerz

dokumentiert, um eine evtl. verminderte Schmerzempfindlichkeit (Hypoalgesie) zu

befunden (35, 45). Der Test wurde durchgeführt mit einem Set von 7 Nadelreizsti-

mulatoren (Pin Prick punctate probes) definierter Stimulusintensität. Die Nadeln hat-

ten eine flache Kontaktfläche mit etwa 0,2 mm Durchmesser und waren in einer Füh-

rungshülse frei beweglich befestigt. Dabei waren sie mit einem bestimmten Gewicht

versehen, so dass die applizierte Kraft genau normiert war. So ergaben sich

Stimulusintensitäten von 6, 16, 32, 64, 128, 256, 512 mN.

Bei diesem Test wendete man ebenfalls die modifizierte „Grenzwert-Methode“ an.

Es wurden wieder 5 Serien auf- und absteigender Stimulusintensitäten gemessen,

wobei das geometrische Mittel aus den Grenzwerten als mechanische Schmerz-

schwelle galt (20, 64). Der Untersucher begann bei 8 mN, dann folgten die nächst-

höheren Intensitäten, bis die Berührung als zusätzlich stechend wahrgenommen wur-

de. Diese Kraft diente als erster Schwellenwert. Danach kehrte sich die Applikations-

reihenfolge wieder um zur kleineren Intensität, bis der evozierte Reiz nicht mehr

schmerzhafte Qualität besaß. Dieser galt als zweiter Wert oder untere Schwelle.

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Nach vier weiteren Serien ergaben sich so fünf obere und untere Schwellen als Wen-

depunkte, aus denen der Mittelwert errechnet wurde.

Die Nadel berührte die Haut nur leicht und wurde in einer weichen Bewegung auf-

und abgesetzt. Dabei erhielt man eine Andruckzeit von etwa 2 Sekunden, in welcher

die Haut nur von der Nadel berührt werden durfte, nicht von der Hülse. Der Proband

durfte wiederum nicht auf das Testfeld schauen und sollte stechend empfundene Rei-

ze mit „ja“ und solche, bei denen nur eine Berührung wahrgenommen wurde, mit

„nein“ bestimmen. Nach der Ermittlung von 10 Werten an einer Messstelle wurde

die gleiche Messung an der nächsten wiederholt.

Foto 4: Test mit Pin Prick Nadel

3.4.3 Thermische Schwellen

Die thermischen Schwellen wurden mit dem Thermal Sensory Analyzer II (TSA II

Medoc Inc., Ramat Ishai, Israel) gemessen, welcher Daten lieferte über sensorischen

Verlust oder Hypersensibilität und geeignet war zur Diagnose peripherer Neuropa-

thien. Da Aδ- und C-Fasern den Temperaturreiz weiterleiten, wurde hiermit ihre

Funktion überprüft. Mit Hilfe des TSA wurden die Schwellenwerte bestimmt für die

Wahrnehmung von Kälte und Wärme, für Hitze- und Kälteschmerz und für alternie-

rende Reize. Bei letzteren, auch Unterschiedsschwelle genannt, zeigte sich das Phä-

nomen der paradoxen Hitze, bei welcher ein Kaltreiz als warm empfunden wurde.

Die Schwellen wurden durch die Grenzwertmethode ermittelt. Dabei konnten die

kontinuierlich auf- und absteigenden Temperaturstimuli vom Probanden per Knopf-

druck gestoppt werden, was der gesuchten Schwelle entsprach. Hier wurden mehrere

Stimuli hintereinander erzeugt, aus deren Mittel sich dann der Schwellenwert er-

rechnete.

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Das computergestützte Gerät war zwischen 0 und 50°C wirksam und arbeitete mit

einer linearen Temperaturveränderung, wobei die Basistemperatur bei 32°C lag (62).

Für die Reizapplikation wurde die Thermode, die von Kenshalo entwickelt wurde

und auf dem Prinzip eines Peltier Elementes basierte, auf den jeweiligen Messpunkt

platziert und entweder erwärmt oder abgekühlt (25). Die Ausgangstemperatur betrug

dabei 32°C. Die Temperaturänderung kam zustande durch einen Strom, der durch

zwei Halbleiter, die miteinander in Kontakt waren, mit unterschiedlichem Energie-

niveau floss. Dabei kam es zur Abkühlung auf der einen Seite der metallischen Ver-

bindung und zur Erwärmung auf der anderen Seite.

Die Thermode kühlte oder erwärmte somit die Haut des Probanden auf einer Fläche

von 3x3cm. In diesem Versuch wurde die Kontaktfläche zur Haut eingegrenzt durch

ein Filzstück, das als Isolator diente, aus welchem ein Quadrat mit den Maßen 2x2cm

herausgeschnitten wurde. Dies geschah mit der Absicht, die Fähigkeit, unterschiedli-

che Reize zu erkennen, zu erschweren und das Auftreten von paradoxer Hitze zu

untersuchen.

Vor der praktischen Durchführung wurden die Probanden über das Vorgehen aufge-

klärt. Die Thermode wurde, sobald sie eine Basistemperatur von 32°C hatte, auf den

ersten Messpunkt plaziert und das Filzstück wurde zwischen Thermode und Haut

gelegt.

Zunächst folgte die Messung der Kaltschwelle (CDT) und damit die Fähigkeit, einen

Wechsel der Temperatur nach „kalt“ zu bemerken. Die Thermode kühlte sich konti-

nuierlich mit einer Geschwindigkeit von 1°C /s ab. Der Untersucher wies den Pro-

banden an, sofort auf die Stop-Taste in seiner freien Hand zu drücken, wenn er eine

Veränderung nach „kalt“ oder „kühler“ verspürte. Im Anschluss erwärmte sich die

Thermode wieder zur Ausgangstemperatur. Dieses Procedere wiederholte sich drei-

mal und die Schwellenwerte wurden in der Datenbank gespeichert. Aus diesen drei

Werten ließ sich dann ein Mittelwert bilden, die Kaltschwelle.

Als Nächstes folgte die Messung der Warmschwelle (WDT), das hieß die Fähigkeit,

einen Wechsel der Temperatur nach „warm“ zu erkennen. Diesmal erwärmte sich die

Thermode kontinuierlich und der Proband drückte sofort auf die Stop-Taste, wenn er

eine Veränderung der Temperatur nach „warm“ verspürte. Im Anschluss kühlte sich

die Thermode wieder zur Ausgangstemperatur von 32°C ab. Diese Prozedur wurde

dreimal wiederholt und die Schwellenwerte wurden in der Datenbank gespeichert.

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Daran schloss sich der Test der thermischen Unterschiedsschwelle an (TSL). Dieser

diente der Erkennung von paradoxen Sensationen, bei welchen der Proband einen

Kaltreiz als warm empfand (paradoxe Hitze) oder einen Warmreiz als kalt (paradoxe

Kälte). Es folgten zwanzig alternierende Stimuli, die nach Zufallsprinzip warm oder

kalt waren. Der Proband wusste nicht welcher Reiz als Nächstes folgte. Er wurde

angewiesen, die Stop-Taste zu drücken, sobald er eine Veränderung der Temperatur

nach warm oder kalt spürte und ebenso wurde er angewiesen, die Qualität des Reizes

zu bestimmen. Danach ging die Thermode wieder zurück zur Basistemperatur und

der nächste Reiz folgte. Der Untersucher notierte die paradoxen Sensationen, die

später in die Excel-Tabelle übertragen wurden. Wiederum wurden die Temperatur-

werte, bei denen der Proband die Veränderung spürte, gespeichert.

Als Nächstes folgte der Test der Kälteschmerzschwelle (CPT), bei welchem es um

die Wahrnehmung von tatsächlich gespürtem Schmerz ging. Die Thermode kühlte

sich ab und der Proband drückte auf den Knopf, sobald zu der Wahrnehmng von Käl-

te ein zusätzlicher Schmerz oder ein „Stechen“ hinzukam. Danach erwärmte sich die

Thermode wieder auf Ausgangstemperatur. Dies wurde insgesamt dreimal wieder-

holt.

Abschließend folgte der Test der Hitzeschmerzschwelle (HPT), bei welchem es e-

benso um gefühlten Schmerz ging. Die Thermode erwärmte sich und der Proband

betätigte wieder die Stop-Taste, sobald sich die Wahrnehmung von Wärme änderte

bis hin zu einem „Brennen“ oder „Stechen“. Im Anschluss kühlte sich die Thermode

wieder zur Ausgangstemperatur ab. Dies wurde ebenfalls dreimal wiederholt.

Während der gesamten thermischen Tests hatte der Proband keine Sicht auf den PC-

Bildschirm. Die vorhergehenden Absätze beschrieben die thermische Messung für

den ersten markierten Messpunkt. Danach wurde die Thermode auf den zweiten

Messpunkt (proximal) mit dem Filz gelegt, mit Klettband befestigt und diesselbe

Messung wieder gestartet. Am Schluss folgte der dritte Messpunkt (kontralateral)

(42, 44, 62).

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Foto 5: Thermode mit Filzstück am Unterarm fixiert

4. Statistik

Zur statistischen Auswertung der Ergebnisse wurden das Microsoft® EXCEL Soft-

ware Paket (Version 2000) und das PASW Statistics 18 Software Paket verwendet.

Die Daten wurden im Balkendiagramm als Mittelwert ± Standardfehler des Mittel-

wertes (SEM, standard error of the mean) dargestellt. Die Signifikanz einiger Ergeb-

nisse wurde mit dem Wilcoxon Rangsummentest geprüft. Des Weiteren wurden die

paradoxen Sensationen mithilfe von Kreuztabellen und Chi-Quadrat-Test nach Pear-

son ausgewertet.

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5. Ergebnisse

5.1 Temperaturschwellen – vor und nach elektrischer Reizung

5.1.1 Kaltschwelle zentral

Die folgenden Werte geben die Mittelwerte ± Standardfehler vor und nach elektri-

scher Reizung an. In den Abbildungen ist der zweifache Standardfehler dargestellt.

Die Kaltschwellen werden durch die elektrische Reizung an gleicher Stelle bei 20

und 0,5 Hz signifikant beeinflusst. Bei der Frequenz von 0,5 Hz Stromreizung sank

die Kaltschwelle von 27,4±0,7°C auf 25,4±0,7°C (p=0,03). Bei einer Frequenz von

20 Hz sank die Kaltschwelle von 28,2±0,6°C auf 22,2±1,4°C (p=0,00). Die Kalt-

schwelle aus beiden Frequenzen erwies sich als signifikant.

5.1.2 Warmschwelle zentral

Die Warmschwellen werden nicht signifikant durch die elektrische C-Faser Stimula-

tion beeinflusst. Bei 0,5 Hz blieb die Warmschwelle in etwa gleich mit 37,6±0,9°C

und 37,4±0,8°C (p=0,60). Bei 20 Hz erhöhte sie sich etwas von 37,3±0,8°C auf

38,4±0,9°C (p=0,05).

5.1.3 Kälteschmerzschwelle zentral

Der Kälteschmerz wird bei 20 Hz signifikant beeinflusst. Die Kälteschmerzschwelle

wird dabei von 7,0±2,3°C auf 3,7±1,9°C herabgesetzt (p=0,03). Bei 0,5 Hz ergibt

sich eine nicht signifikante Reduktion der Kälteschmerzschwelle von 9,3±2,1°C auf

7,8±2,1°C (p=0,17).

5.1.4 Hitzeschmerzschwelle zentral

Die Hitzeschmerzschwelle wurde nach Stromreizung nicht signifikant verändert im

Vergleich zu vorher. Bei 0,5 Hz ergibt sich eine nicht signifikante Reduktion der

Schwelle von 46,7±0,6°C auf 46,2±0,6°C (p=0,17). Bei 20 Hz erhöht sich die

Schmerzschwelle leicht von 46,3±0,7°C auf 46,9±0,7°C (p=0,37). Die folgenden

graphischen Darstellungen sollen die Schwellenunterschiede vor und nach elektri-

scher Stromreizung an den drei zentralen Messstellen verdeutlichen.

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Abbildung 1: Darstellung der Kaltschwelle zentral

Abbildung 2: Darstellung der Warm-schwelle zentral

Abbildung 3: Darstellung der Kälte-schmerzschwelle zentral

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Abbildung 4: Darstellung der Hitze-schmerzschwelle zentral

5.1.5 Kaltschwelle proximal

Bei den Kaltschwellen proximal ergibt sich bei Stromreizung mit 0,5Hz eine signifi-

kante Beeinflussung, während die Veränderung bei 20Hz nicht signifikant ist. Bei

0,5Hz wird die Kaltschwelle signifikant von 27,4±0,4°C auf 24,7±0,9°C herabgesetzt

(p=0,01). Bei 20Hz wird die Kaltschwelle von 25,5±1,3°C auf 24,2±0,9°C reduziert

(p=0,09).

5.1.6 Warmschwelle proximal

Bei den Warmschwellen proximal zeigt sich keine signifikante Veränderung. Bei

0,5Hz bewegt sie sich zwischen 38,4±0,9°C und 38,9±1,2°C. Bei 20Hz verhält sie

sich ähnlich mit 38,4±1,0°C und 39,0±1,0°C. Die p-Werte betragen 0,38 für 0,5Hz

und 0,38 für 20Hz.

5.1.7 Kälteschmerz proximal

Der Kälteschmerz proximal wird bei beiden Frequenzen signifikant beeinflusst. Bei

0,5Hz sinkt die Kälteschmerzschwelle von 11,2±2,0°C auf 8,0±1,6°C (p=0,04). Bei

20Hz sinkt die Kälteschmerzschwelle von 7,3±1,5 auf 4,1±1,4°C (p=0,04).

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5.1.8 Hitzeschmerz proximal

Die Hitzeschmerzschwelle proximal ändert sich ebenso wenig signifikant im Vorher-

nachher-Vergleich wie die zentrale Hitzeschmerzschwelle. Die Werte liegen zwi-

schen 46,7±0,5°C und 47,2±0,7 bei 0,5Hz. Bei 20Hz bleiben sie bei 46,9°C mit ei-

nem Standardfehler von 0,4 und 0,7. Die p-Werte betragen dabei p=0,43 (0,5Hz)

und p=0,82 (20Hz). Die folgenden Darstellungen zeigen die Schwellenunterschiede

an der proximalen Messstelle.

Abbildung 5: Darstellung der Kaltschwelle proximal

Abbildung 6: Darstellung der Warm-schwelle proximal

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Abbildung 7: Darstellung des Kälte-schmerzes proximal

Abbildung 8: Darstellung der Hitze- schmerzschwelle proximal

5.1.9 Kaltschwelle kontralateral

Bei den Kaltschwellen kontralateral ergibt sich nur bei 20Hz eine signifikante Herab-

setzung, während bei 0,5Hz die Reduzierung unspezifisch ist. Bei 0,5Hz sinkt die

Kaltschwelle von 27,3±0,5 auf 26,3±0,9°C (p=0,6). Bei 20Hz sinkt die Kaltschwelle

von 27,6±0,3 auf 25,6±0,8°C (p=0,02).

5.1.10 Warmschwelle kontralateral

Bei den Warmschwellen kontralateral zeigen sich keine signifikanten Ergebnisse. Sie

bewegen sich bei 0,5Hz zwischen 39,2±1°C und 38,5±0,9°C (p=0,6). Bei 20Hz lie-

gen sie zwischen 39,1±0,9°C und 40,5±1°C (p=0,07).

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5.1.11 Kälteschmerz kontralateral

Die Kälteschmerzschwellen zeigen keine signifikanten Veränderungen. Die p-Werte

betragen dementsprechend p=0,78 (0,5Hz) und p=0,96 (20Hz). Bei 0,5Hz steigt die

Kälteschmerzschwelle von 9,6±2,3 auf 11,1±2,1°C. Bei 20Hz bleibt sie in etwa

gleich bei 10,5±2,1°C und 10,0±1,8°C.

5.1.12 Hitzeschmerzschwelle kontralateral

Die Hitzeschmerzschwellen kontralateral zeigen, wie die vorhergehenden, keine sig-

nifikanten Veränderungen. Sie bleiben auf dem gleichen Niveau von 47,4±0,3 bis

47,9±0,5°C bei beiden Frequenzen. Die p-Werte betragen dabei 0,43 (0,5Hz) und

0,73 (20Hz). Die Ergebnisse für die kontralaterale Messstelle werden in den folgen-

den Diagrammen graphisch dargestellt.

Abbildung 9: Darstellung der Kaltschwelle kontralateral

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Abbildung 10: Darstellung der Warm-schwelle kontralateral

Abbildung 11: Darstellung des Kälte-schmerzes kontralateral

Abbildung 12: Darstellung des Hitze-schmerzes kontralateral

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5.2 Mechanische Schwellen

5.2.1 Mechanische Detektionsschwelle zentral

Es werden wieder die Mittelwerte mit Standardfehler angegeben. In den Diagram-

men ist der Standardfehler zweifach dargestellt. Bei der mechanischen Detekti-

onsschwelle zentral zeigt sich bei 0,5Hz ein nicht signifikanter Anstieg von 1,9±0,3

auf 2,5±0,5mN. Bei 20Hz dagegen ist der Anstieg von 1,7±0,3 auf 3,1±0,5mN signi-

fikant. Die p-Werte betragen 0,22 (0,5Hz) und 0,00 (20Hz).

5.2.2 Mechanische Detektionsschwelle proximal

Bei 0,5Hz zeigt sich ein leichter Anstieg der Detektionsschwelle, die nicht signifi-

kant ist, von 2,1±0,4 auf 2,5±0,7mN. Bei 20Hz ergibt sich ein signifikanter Anstieg

von 1,6±0,3 auf 3,3±0,7mN. Die p-Werte betragen 0,68 (0,5Hz) und 0,00 (20Hz).

5.2.3 Mechanische Detektionsschwelle kontralateral

Bei 0,5Hz Stromreizung ergibt sich ein nicht signifikanter Unterschied zwischen der

Detektionsschwelle vorher und nachher (p=0,08), wohingegen bei 20Hz der Unter-

schied signifikant ist (p=0,01). Bei 0,5Hz steigt die Schwelle im Mittel von 1,7±0,3

auf 2,3±0,4mN an. Bei 20Hz zeigt sich ein signifikanter Anstieg von 1,3±0,2 auf

1,9±0,2mN. Die folgenden graphischen Darstellungen sollen dies verdeutlichen.

Abbildung 13: Darstellung der Detektionsschwelle zentral

Page 34: Somatosensorische Modulation im nozizeptiven System ... · zeptivem Input auf. 1965 stellten Melzack und Wall die Gate-control-Theorie auf und lieferten ein neues Verständnis für

31

Abbildung 14: Darstellung der Detekti-onsschwelle proximal

Abbildung 15: Darstellung der Detekti-onsschwelle kontralateral

5.2.4 Mechanische Schmerzschwelle zentral

Bei 0,5Hz zeigt sich eine signifikante Veränderung der Schmerzschwelle, während

sie sich bei 20Hz nicht signifikant ändert. Bei 0,5Hz sinkt die mechanische Schmerz-

schwelle von 162,5±25,4 auf 72,8±19,3mN. Bei 20Hz steigt die Schwelle von

200,8±32,8 auf 302,1±56,3mN. Die p-Werte nach dem Wilcoxon-Test betragen da-

bei 0,00 (0,5Hz) und 0,12 (20Hz).

Page 35: Somatosensorische Modulation im nozizeptiven System ... · zeptivem Input auf. 1965 stellten Melzack und Wall die Gate-control-Theorie auf und lieferten ein neues Verständnis für

32

5.2.5 Mechanische Schmerzschwelle proximal

Nach Stromreizung mit 0,5Hz tritt eine signifikante Herabsetzung der Schwelle auf,

was einer Hyperalgesie entspricht, während die Veränderung nach 20Hz nur gering

ist. Bei 0,5Hz sinkt die Schwelle signifikant von 187,16±31,5 auf 73,62±17,3mN.

Bei 20Hz zeigt sich ein leichtes Sinken der Schmerzschwelle von 166,9±28,4 auf

147,6±34,5mN. Die p-Werte betragen dabei 0,00 für 0,5Hz und 0,59 für 20Hz.

5.2.6 Mechanische Schmerzschwelle kontralateral

Bei beiden Frequenzen tritt eine nicht signifikante Reduzierung der mechanischen

Schmerzschwelle nach elektrischer Stromreizung auf. Bei 0,5Hz sinkt diese von

142,5±24,4 auf 112,3±20,6mN, während sie bei 20Hz von 132,6±31,4 auf

101,9±16,0mN sinkt. Die p-Werte betragen hierbei 0,08 für 0,5Hz und 0,06 für

20Hz.

Abbildung 16: Darstellung des mechani-schen Schmerzes zentral

Page 36: Somatosensorische Modulation im nozizeptiven System ... · zeptivem Input auf. 1965 stellten Melzack und Wall die Gate-control-Theorie auf und lieferten ein neues Verständnis für

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Abbildung 17: Darstellung des mechani-schen Schmerzes proximal

Abbildung 18: Darstellung des mechani-schen Schmerzes kontralateral

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34

5.3 Auswertung der randomisierten Werte

Zur Auswertung der randomisierten Werte werden Kreuztabellen und der Chi-

Quadrat-Test verwendet. Insgesamt sind 3600 Warm - und Kaltwerte auszuwerten,

davon 1800 vor Stromreizung und 1800 nach Stromreizung, davon wiederum 900 bei

20Hz und 900 bei 0,5Hz. Auf jeden Probanden fallen 240 Warm- und Kaltreize in

ungeordneter Reihenfolge in 2 Sitzungen.

Das Mittel der Warmsensationen liegt bei 46,3±0,1°C. Das Mittel der Kaltsensatio-

nen liegt bei 21,8±0,2°C. Die „paradoxe Hitze“ tritt im Mittel bei 21,9±0,5°C auf

(N=222), während das Minimum bei 0,0°C liegt und das Maximum bei 31,9°C. Der

Mittelwert der paradoxen Kälte beträgt 41,3±1,8°C (N=18).

Über 2 Sitzungen verteilt tritt die „paradoxe Hitze“ insgesamt 122 mal vorher und

100 mal nachher auf. Das entspricht 3,4% vorher und 2,8% nachher bezogen auf die

Gesamtzahl der Messungen. Dementsprechend tritt die „paradoxe Hitze“ in 6,2% der

Fälle ohne einen signifikanten Unterschied zwischen den Messungen vor und nach

elektrischer Stromreizung auf.

Das Phänomen der paradoxen Kälte zeigt sich deutlich weniger mit nur 10 Fällen vor

noxischer elektrischer Stimulation und 11 Fällen nachher. Dies entspricht jeweils

0,3% vorher und nachher und 0,6% insgesamt auf die Gesamtzahl bezogen.

Mit 1668 und 1689 den Temperaturwerten entsprechenden Angaben liegen die Pro-

banden in 46,3% der Fälle vorher und 46,9% der Fälle nachher zu 93,3% richtig. Der

p-Wert aus dem Chi-Quadrat Test beträgt 0,31. Die nachfolgende Tabelle soll die

nicht signifikanten Ergebnisse der paradoxen Empfindungen verdeutlichen.

Tabelle 2: Darstellung der Häufigkeit der paradoxen Empfindungen in einer Kreuztabelle

Zeit

vorher nachher Gesamt

Paradoxe Hitze 122 100 222

Paradoxe Kälte 10 11 21

neutral 1668 1689 3357

Gesamt 1800 1800 3600

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35

Im Folgenden sollen die randomisierten Werte innerhalb einer Sitzung betrachtet

werden, also abhängig von der Frequenz. Es zeigt sich kein großer Unterschied im

Auftreten der paradoxen Hitze und Kälte abhängig von der Frequenz der Stromrei-

zung. Bei 0,5Hz beläuft sich die Anzahl auf 67 (3,7%) vorher und 51 (2,8%) nach-

her, insgesamt 118 (6,6%). Die Anzahl der paradoxen Kältewerte beträgt 8 (0,4%)

vorher und 5 (0,3%) nachher, insgesamt 13 (0,7%).

Bei 20 Hz ergeben sich 55 (3,1%) vorher und 49 (2,7%) nachher, was zu 104 para-

doxen Hitzewerten insgesamt führt (5,8%). Die Anzahl der „paradoxen“ Kältewerte

von 8 (0,4%) ist dagegen gering mit 2 (0,1%) vorher und 6 (0,3%) nachher. Wie er-

wartet zeigt der Chi-Quadrat Test auch hier keine signifikanten p-Werte mit 0,22 für

0,5Hz und 0,31 für 20 Hz. In Tabelle 3 wird dies nochmal im Einzelnen dargestellt.

Tabelle3: Darstellung der Häufigkeit der paradoxen Empfindungen nach Frequenz getrennt.

Zeit Frequenz

vorher nachher Gesamt

Paradoxe Hitze 67 51 118

Paradoxe Kälte 8 5 13

neutral 825 844 1669 0,5 Hz

900 900 1800

Paradoxe Hitze 55 49 104

Paradoxe Kälte 2 6 8

neutral 843 845 1688 20 Hz

900 900 1800

Paradoxe Hitze 122 100 222

Paradoxe Kälte 10 11 21

neutral 1668 1689 3357 Gesamt

1800 1800 3600

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36

6. Diskussion

6.1 Einfluss der C-Faser Stimulation auf die Temperaturschwellen

6.1.1 Temperaturschmerzschwellen

Bei den Temperaturschmerzschwellen ergibt sich nur bei den Kälteschmerzschwel-

len ein signifikanter Unterschied zwischen den Messungen vorher und nachher. Die

Hitzeschmerzschwellen dagegen ändern sich kaum. Somit hat in dieser Studie die

elektrische Reizung der C-Fasern keinen Einfluss auf das Wahrnehmen von

schmerzhaft heißen Temperaturen. Vergleichbare Ergebnisse lassen sich in der Lite-

ratur finden und stimmen mit klinischer Erfahrung überein. In einer Studie von Tay-

lor und Kollegen wird festgestellt, dass Patienten mit neuropathischen Schmerzen

und gesunde Probanden fast gleiche Hitzeschmerzschwellen haben. Auch in einer

weiteren Studie von Ellrich et.al. zeigen sich keine Unterschiede zwischen Testseite

und Kontrollseite bei Cluster Kopfschmerz (17, 54). In anderen klinischen Studien

zeigt sich jedoch eine Veränderung der Hitzeschmerzschwellen bei Patienten oder an

betroffenen Stellen im Vergleich zu gesunden Probanden oder nicht betroffenen Are-

alen (40).

Unsere Untersuchungen bei Kälteschmerzschwellen zeigen an zwei Messstellen eine

Kältehypalgesie nach Stromreizung. Dies ergibt proximal bei beiden Frequenzen

eine erniedrigte Kälteschmerzschwelle und ebenso zentral bei 20 Hz. Für elektrische

Stimulation gibt es keine vergleichbaren Ergebnisse, jedoch tritt die Kältehypalgesie

auch in anderen experimentellen Schmerzmodellen auf. In einer Studie von Callsen

tritt sie mit Kältehypästhesie nach Capsaicin-Applikation auf. Dies jedoch nur im

primären Areal und nicht im sekundären, während in unserer Studie auch die Umge-

bung, was der proximalen Messstelle entspricht, beeinträchtigt ist (9). Auch bei

Klein et al. in einem Versuch an Ratten wird von einer Kältehypalgesie auf einer –

5°C kalten Platte nach Menthol-Applikation berichtet. Gleichzeitig verweist der Au-

tor jedoch darauf, dass bei Studien mit Menthol am Menschen sowohl Kältehyperal-

gesie als auch –hypalgesie auftreten können und die Kälteschmerzschwellen somit

variabler sind als die Hitzeschmerzschwellen (27). Ein Beispiel für das Auftreten von

Kältehyperalgesie im Menthol-Modell findet sich bei Wasner et al. (59). Was klini-

sche Studien betrifft, findet Taylor eine geringere Schmerztoleranz für Kälte bei neu-

ropathischen Patienten, die allerdings nicht signifikant ist. Dies bestätigt sich auch

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bei Ellrich et.al., die keine signifikanten Ergebnisse für den Kälteschmerz im QST

finden (17, 54). Letztendlich können aus den verschiedenen Ergebnissen für den Käl-

teschmerz in verschiedenen Modellen noch keine endgültigen Schlussfolgerungen

abgeleitet werden.

Die Rolle der zentralen Verarbeitung von Hitze- und Kälteschmerz wird von Morin

in seiner psychophysikalischen Studie untersucht. Danach geht er von unterschiedli-

chen Aktivierungsmustern im Gehirn bei beiden Schmerzmodalitäten aus, die auch

verschieden vom Patienten empfunden werden (39). Dies könnte einen Erklärungs-

ansatz für die unterschiedliche Beeinflussung der Temperaturschmerzen durch C-

Faser Stimulation liefern.

6.1.2 Temperaturwahrnehmungsschwellen

Was die Wahrnehmungsschwellen betrifft, zeigen wie bei den Schmerzschwellen nur

diejenigen für Kälte signifikante Veränderungen nach C-Faser Stimulation. Somit

zeigt sich auch bei den Warmschwellen kein Einfluss von noxischer elektrischer

Stimulation. Diese Unabhängigleit der Warmschwellen stimmt mit der Erfahrung

von Wasner et al. am Menthol-Modell, das ebenfalls auf Sensibilisierung von C-

Nozizeptoren beruht, überein (59). In der Literatur lassen sich jedoch klinische Stu-

dien finden, in denen bei neuropathischen Schmerzen auch die Warmschwellen be-

troffen sind (17, 30, 31). Sie ergeben eine Verschlechterung des Warmempfindens,

also eine Thermhypästhesie und lassen sich in unserer experimentellen Arbeit nicht

bestätigen. Zu Bemerken ist jedoch, dass das klinische Studien an Patienten waren,

während diese mit Probanden anhand eines Schmerzmodells durchgeführt wurde und

deren Daten also nicht vollständig übertragbar sind.

In unseren Untersuchungen der Kaltschwellen ergeben sich bei folgenden Messstel-

len signifikante Ergebnisse: zentral, proximal, kontralateral. Während zentral für

beide Frequenzen eine signifikante Thermhypästhesie existiert, handelt es sich pro-

ximal um die Messung von 0,5 Hz und kontralateral um die Messung von 20 Hz.

Die nichtsignifikanten Kaltschwellen weisen eine Tendenz zur Hypästhesie auf.

Dies lässt sich auch in der Literatur wiederfinden. Bei zuvor erwähntem Schmerz-

modell mit Capsaicin am Probanden zeigt sich auch eine reduzierte Kaltschwelle (9).

Eine Hypästhesie für Kälte tritt auch in den klinischen Studien von Petersen, Marti-

nez, Krämer und Ellrich auf. In der Studie von Krämer über thermische Schwellen

bei diabetischer Neuropathie korreliert die veränderte Kaltschwelle sogar positiv mit

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der Schmerzqualität. Bei Ellrich tritt ein signifikanter Unterschied zwischen Kopf-

schmerzseite und Kontrollregion bei cluster Kopfschmerzpatienten auf, auch in allen

Subgruppen. Martinez untersuchte neuropathische Schmerzpatienten und eine Kon-

trollgruppe, wobei sich bei den Patienten eine signifikant reduzierte Kaltschwelle an

Hand und Fuß finden lässt. In anderen Studien ergibt sich keine signifikant veränder-

te Kältewahrnehmung. Eine Tendenz zur verminderten Empfindlichkeit auf Kaltsti-

muli ist jedoch sichtbar (31, 54). Somit liegen unsere Ergebnisse für Kaltschwellen

in einem vergleichbaren Bereich (17, 30, 38, 43).

Die Kältewahrnehmung wird primär von Aδ-Fasern geleitet, im Gegensatz dazu be-

trifft die elektrische Stimulation vorwiegend C-Fasern, die in der oberflächlichen

Lamina des dorsalen Horns im Rückenmark enden, wobei eine Ko-Stimulation von

Aδ-Fasern nicht ausgeschlossen werden kann. Dasselbe Phänomen trat in anderen

Studien der Arbeitsgruppe am elektrischen Modell bei Pin-Prick Hyperalgesie auf,

welche, wie Kälte, primär von Aδ-Fasern geleitet wird und für eine heterotope poly-

synaptische Verschaltung spricht (41). Außerdem findet sich hiermit ein weiterer

Hinweis darauf, dass somatosensorische Plastizität nicht nur Hyperalgesie provo-

ziert, sondern auch Hypalgesie und Hypästhesie, besonders nach 20 Hz Stimulation.

Da noch wenig darüber bekannt ist, wird vermutet, dass neurobiologische Elemente

mit der Verschaltung im Rückenmark interferieren oder mit der Deaktivierung von

bestimmten Kortexarealen, wie dem primären oder sekundären sensiblen Kortex

(52).

6.1.3 Paradoxe Sensationen

Zusätzlich zu den Schwellenmessungen haben wir das Auftreten von paradoxen Sen-

sationen, insbesondere der paradoxen Hitze dokumentiert. Dabei ergeben sich keine

signifikanten Unterschiede zwischen dem Auftreten vor und nach elektrischer Strom-

reizung. Es scheint, als ob die elektrische C-Faserstimulation keinen Einfluss auf das

Auftreten von paradoxen Sensationen hat. In der Literatur sind dazu jedoch keine

vergleichbaren Daten zu finden. Das Vorkommen der paradoxen Hitze und ihre Ent-

stehung wird noch von Wissenschaftlern und Klinikern untersucht und ist spekulativ.

Man hätte vermuten können, dass eine Änderung in der Anzahl paradoxer Hitzeemp-

findungen auftritt, da nach Hypothesen von Hämäläinen, Susser und Davis wahr-

scheinlich C-Fasern, aufgrund der ähnlichen Antwortverzögerung wie bei Warmsen-

sationen, daran beteiligt sind. Eine enge Korrelation zwischen Kältehypästhesie und

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paradoxer Hitze bei Patienten mit urämischer Neuropathie scheint zu bestehen (10).

Deswegen hätte man auch in unserer Studie, bei verminderter Kaltwahrnehmung

nach noxischer C-Faser Reizung, auf ein vermehrtes Auftreten von paradoxer Hitze

spekulieren können. Zumindest die Kältehypästhesie hat sich in unserer Studie bestä-

tigt, wenngleich die paradoxe Hitze ohne signifikante Veränderung im vorher nach-

her Vergleich blieb.

Außerdem gibt es Untersuchungen mit temporärer Blockade der A-Fasern, bei wel-

cher Kaltreize als „warm“ empfunden werden. Dies erklärt man sich mit einer Disin-

hibition der C-Fasern, entstanden durch die Aufhebung der Hemmung der C-Fasen

durch A-Fasern. Die bisherigen Studien können jedoch nicht klären, wo die Disinhi-

bition stattfindet: peripher oder zentral. Daher scheinen unmyelinisierte Fasern und

zentrale Komponenten der Hitzeverarbeitung eine Rolle zu spielen. Das vermehrte

Auftreten von paradoxer Hitze bei peripheren Neuropathien mag durch A-Faser Dys-

funktion verschuldet sein, während bei multipler Sklerose dassselbe Phänomen durch

einen anderen Mechanismus auf zentral-thalamischer Ebene ausgelöst werden könn-

te. Wie schon in der Einleitung erwähnt, kommt nach Davis im zentralen System der

Insula eine Schlüsselrolle zu. Große Übereinstimmung über Studien hinweg scheint

zu sein in der Behauptung, dass wahrscheinlich C-Fasern an der Weiterleitung der

paradoxen Hitze beteiligt sind, wobei Susser 1999 erwähnt, dass der Typ der C-

Fasern, nozizeptive oder nicht-nozizeptive, nicht geklärt ist. Hämäläinen spekuliert

1982 auf polymodale Nozizeptoren, wohingegen Campero der Meinung ist, dass

diese nicht im (nichtnoxischen) Temperaturbereich der paradoxen Hitze aktiviert

werden. Er schreibt den C2-Fasern, die bei Wärme und Kälte aktiviert werden, diese

Eigenschaften zu. Diese „Warm-Sensoren“, wie er sie benennt, sollen für paradoxe

Hitze verantwortlich sein. Somit ließe sich auch erklären, dass el. Stimulation von

stummen Nozizeptoren in unserem Versuch keinen Einfluss auf diese Fasern und

damit die Häufigkeit der paradoxen Hitze hat. Ein weiterer Faktor, der für diese The-

se sprechen würde ist, dass Vorwärmen das Auftreten der paradoxen Hitze erleichtert

(10, 13, 53).

Die paradoxe Hitze tritt bei uns in 6,2% der Fälle in einem Temperaturmittel von

21,9°C auf und liegt damit in einem vergleichbaren Bereich zu der Studie von Hämä-

läinen, deren Prozentsatz etwas höher lag (9,8%) aufgrund anderer Versuchsmodali-

täten. Mit Vorwärmen wurde hier sogar ein Prozentsatz von 35% erreicht. Bei Susser

bewegt sie sich in zwei Versuchen mit veränderten Faktoren zwischen 6 und 26 %.

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Zusätzlich wurde das Phänomen bei 42% der Patienten mit urämischer Polyneuropa-

thie und bei 63% der Patienten mit wahrscheinlicher oder definitiver Multipler Skle-

rose gefunden (19, 22, 53).

Die paradoxe Kälte tritt mit nur 0,6% der Fälle am Rande auf. Wie schon in der Ein-

leitung erwähnt, beruht sie auf einer Aktivierung der Kältefasern bei hohen Tempera-

turen.

6.2 Einfluss der C-Faser Stimulation auf die mechanischen Schwellen

6.2.1 Detektionsschwellen

In Anlehnung an vorhergehende Studien haben wir im Rahmen des QST auch die

mechanischen Schwellen bestimmt. Es handelt sich um die taktile Detektionsschwel-

le und die mechanische Schmerzschwelle. Zunächst ist zu den Detektionsschwellen

zu sagen, dass sich eine Hypästhesie nach noxischer Stromreizung ergibt. Bei 20 Hz

Stimulation ergibt sich ein signifikanter Unterschied zwischen vorher und nachher an

allen drei Messstellen, während sich bei 0,5 Hz nur eine Tendenz zur Hypästhesie

erkennen lässt. Dies ist übereinstimmend mit früheren Studien aus der Arbeitsgrup-

pe, die bei 20 Hz eine stärkere Ausprägung der taktilen Hypästhesie feststellten. So-

mit gibt es auch hier, neben einigen anderen psychophysikalischen Studien, einen

weiteren Hinweis darauf, dass noxische Stimuli auf die zentrale taktile Verarbeitung

störend einwirken können. Hierbei spielt die Deaktivierung des primären somatosen-

sorischen Kortex eine Rolle (52).

6.2.2 Schmerzschwellen

Ein ähnliches Muster im primären Kortex soll auch zu finden sein bei Pin Prick Sti-

mulation nach elektrisch induziertem Verlust sensorischer Wahrnehmung (20Hz).

Die vorhergehenden Studien von De Col et al. zeigten eine signifikante Erhöhung der

mechanischen Schmerzschwelle nach 20 Hz Stimulation, während sich in unserer

Studie dieses Ergebnis nicht bestätigen ließ. Die Werte im Vergleich zwischen vor-

her und nachher waren nicht signifikant, wobei zentral eine Tendenz zur Hypalgesie

zu erkennen war. Dies bestätigt, dass das Auftreten von sensorischem Defizit weni-

ger zuverlässig bei Schmerzpatienten zu finden ist, als die Positivsymptome wie sti-

mulusinduzierter Schmerz, worauf De Col verweist. Insgesamt sind die Mechanis-

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41

men, die zu einer Abschwächung der Empfindung nach 20 Hz Stimulation führen

noch wenig bekannt. Wahrscheinlich ist, dass auch die Anzahl der Probanden eine

Rolle spielt. In der vorhergehenden Studie belief sie sich auf 28, während es in dieser

mit 15 etwas weniger waren und der Schwerpunkt der Untersuchung auf die Tempe-

raturmessungen gelegt wurde.

Bei 0,5 Hz trat übereinstimmend mit der vorhergenannten Studie ein Areal von Pin

Prick Hyperalgesie an zentraler und proximaler Messstelle auf. Da sekundäre Pin

Prick Hyperalgesie ein Korrelat zentraler Sensibilisierung ist, könnte man davon

ausgehen, dass solche Prozesse stattgefunden haben und evtl. auch die kontralaterale

Seite betreffen. Die mechanische Schmerzschwelle wurde an den ipsilateralen Mess-

punkten nach elektrischer Stromreizung signifikant reduziert, während sich kontrala-

teral keine signifikante Veränderung ergab. Eine Tendenz zur Hyperalgesie ist dort

jedoch zu erkennen. Auch zu den kontralateralen spinalen Effekten gibt es noch we-

nige vergleichbare Studien, die das untersucht haben. In einem Rattenversuch sollen

die Zellen des dorsalen Horns inhibiert werden durch kontralaterale ipsisegmentale

Stimulation von Adelta und C-Fasern. In einer Studie von Nickel hatte eine

kontralaterale 20 Hz Stimulation zum Beispiel keinen antihyperalgetischen Effekt

auf die Entwicklung der Hyperalgesie bei 0,5 Hz (14, 41).

In dieser Hinsicht gäbe es noch weiteren Untersuchungsbedarf mit einer größeren

Anzahl von Probanden und weiteren Studien. Auffällig ist in unserer Studie hierzu,

dass nur bei 20 Hz Stimulation, wenn im QST eine signifikante Veränderung der

Empfindungsqualität auftrat, auch die kontralaterale Seite signifikant verändert war.

Dies betrifft hier die Kaltschwelle und die taktile Detektionsschwelle, bei welchen

sich nach noxischer 20 Hz Stimulation und wahrscheinlicher Beteiligung zentraler

Mechanismen, wie dem primären sensorischen Kortex, eine Hypästhesie entwickelte.

Auch wenn sich kein Zusammenhang zwischen paradoxer Hitze und der elektrischen

Stimulation von stummen Nozizeptoren ergab, so konnte das Auftreten des Phäno-

mens ergänzend zu anderen psychophysischen Studien bestätigt werden. Die Beo-

bachtung einer reduzierten Kaltschwelle im Schmerzmodell stimmt mit der klini-

schen Erfahrung und früheren Erkenntnissen der Arbeitsgruppe, bei welchen Plastizi-

tät im nozizeptivem System auch sensorische Schwächung betrifft, überein. In die-

sem Kontext ist auch die Kältehypalgesie zu sehen, welche anscheinend erstmals in

einer psychophysikalischen Schmerzstudie mit elektrischer Stimulation auftrat. Was

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die mechanischen Schwellen betrifft, konnten die früheren Ergebnisse in Bezug auf

Pin Prick Hyperalgesie und taktile Detektionsschwellen weitgehend bestätigt werden.

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8. Abkürzungsverzeichnis

ACC - anterior cingulate cortex

CRPS - Komplex Regionales Schmerzsyndrom

CDT - cold detection threshold

CPT - cold pain threshold

EDT - electrical detection threshold

EPT - electrical pain threshold

HPT - heat pain threshold

NRS - numerische Ratingskala

QST - Quantitativer sensorischer Test

S1 - Primär sensorischer Kortex

TGI - thermal grill illusion

TSL - thermische Unterschiedsschwelle

UVB - Ultraviolettes Licht,Wellenlänge 290-320 m

WDT - warm detection threshold

ZNS - Zentrales Nervensystem

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9. Danksagung

Mein Dank gilt Herrn Prof. Dr. med. Dr. h.c. Stefan Schwab dafür, dass ich meine

Promotionsarbeit an der Neurologischen Klinik durchführen durfte.

Ich bedanke mich herzlichst bei meinen Betreuern der Studie Prof. Dr. med Christian

Maihöfner und Dr. med. Elena Peltz für die Unterstützung, die Geduld, die Ideen, die

Anregungen und die gute Zusammenarbeit in angenehmer Atmosphäre.

Ebenso möchte ich allen danken, die in organisatorischen und technischen Fragen

dazu beigetragen haben, die Arbeit zu verwirklichen. Ich danke besonders Conny

Hofmann vom Physiologischen Institut, die mir mit ihrer freundlichen Art bei Fragen

und Problemen zu den Versuchen zur Seite stand.

Mein Dank gilt den Probanden, die sich zu den etwas schmerzhaften Versuchen zur

Verfügung gestellt haben.

Schließlich möchte ich mich bei meinen Eltern bedanken, die mich im Studium und

während der Promotion unterstützt haben.