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Herausgegeben vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz in Verbindung mit dem Präsidium der deutschen Verbände für Archäologie Sonderdruck aus Archäologisches Korrespondenzblatt Jahrgang 39 · 2009 · Heft 2

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Herausgegeben vom

Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz

in Verbindung mit dem

Präsidium der deutschen Verbände für Archäologie

Sonderdruck aus

ArchäologischesKorrespondenzblatt

Jahrgang 39 · 2009 · Heft 2

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Paläolithikum, Mesolithikum: Michael Baales · Nicholas J. Conard

Neolithikum: Johannes Müller · Sabine Schade-Lindig

Bronzezeit: Christoph Huth · Stefan Wirth

Hallstattzeit: Markus Egg · Dirk Krauße

Latènezeit: Rupert Gebhard · Hans Nortmann · Martin Schönfelder

Römische Kaiserzeit im Barbaricum: Claus v. Carnap-Bornheim · Haio Zimmermann

Provinzialrömische Archäologie: Gabriele Seitz · Werner Zanier

Frühmittelalter: Brigitte Haas-Gebhard · Dieter Quast

Wikingerzeit, Hochmittelalter: Hauke Jöns · Bernd Päffgen

Archäologie und Naturwissenschaften: Felix Bittmann · Joachim Burger · Thomas Stöllner

Die Redaktoren begutachten als Fachredaktion die Beiträge (peer review).

Das Archäologische Korrespondenzblatt wird im Arts & Humanities Citation Index®

sowie im Current Contents®/Arts & Humanities von Thomson Scientific aufgeführt.

Übersetzungen der Zusammenfassungen (soweit gekennzeichnet): Loup Bernard (L. B.)

und Manuela Struck (M. S.).

Beiträge werden erbeten an die Mitglieder der Redaktion oder an das

Römisch-Germanische Zentral museum, Ernst-Ludwig-Platz 2, 55116 Mainz, [email protected]

Die mit Abbildungen (Strichzeichnungen und Schwarzweißfotos), einer kurzen Zusammenfassung und der

genauen Anschrift der Autoren versehenen Manuskripte dürfen im Druck 20 Seiten nicht überschreiten. Die

Redaktion bittet um eine allgemeinverständ liche Zitierweise (naturwissenschaftlich oder in Endnoten) und

empfiehlt dazu die Richtlinien für Veröffentlichungen der Römisch-Germanischen Kommis sion in Frankfurt

am Main und die dort vorgeschlagenen Zeitschriftenabkürzungen (veröffentlicht in: Berichte der Römisch-

Germanischen Kommission 71, 1990 sowie 73, 1992). Zur Orientierung kann Heft 1, 2006 dienen.

ISSN 0342 – 734X

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages

© 2009 Verlag des Römisch-Germanischen ZentralmuseumsRedaktion und Satz: Manfred Albert, Evelyn Bott, Hans Jung, Martin SchönfelderHerstellung: gzm Grafisches Zentrum Mainz Bödige GmbH und Horst Giesenregen GmbH, Mainz

REDAKTOREN

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PHILIPPE DELLA CASA · EMANUELA JOCHUM ZIMMERMANN · CHRISTIANE JACQUAT

EINE ALPINE SIEDLUNG DER BRONZE- UND EISENZEIT

IN AIROLO-MADRANO (KT. TESSIN, SCHWEIZ) –

ARCHÄOLOGISCHE UND PALÄOÖKOLOGISCHE GRUNDLAGEN

Die Abteilung Ur- und Frühgeschichte der Universität Zürich, seit vielen Jahren in der archäologischen Er -

forschung des Alpenraums engagiert, hat über die letzten 20 Jahre eine ganze Reihe thematisch und geo -

graphisch sich ergänzender Projekte im Zentralalpenraum durchgeführt (Abb.1), deren gemeinsamer Fokus

die Erforschung der prähistorischen Siedlungsdynamik und der ihr zugrunde liegenden ökologischen, wirt-

schaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen darstellt (Primas / Della Casa / Schmid-Sikimic 1992; Della

Casa / Bass / Fedele 1999; Primas u.a. 2004; Della Casa 2000; 2002; 2007)1.

PRÄHISTORISCHE SIEDLUNGEN IM TESSIN – ZUM STAND DER FORSCHUNG

Das alpine Einzugsgebiet des Flusses Tessin, geographisch in weiten Teilen deckungsgleich mit dem gleich-

namigen Kanton der Schweiz, ist zwar reich an prähistorischen Nekropolen (UBC 2000) – über das Sied-

lungswesen der vorrömischen Zeit hingegen war bis vor Kurzem kaum etwas bekannt. Vielfache Gründe

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Abb. 1 Lage archäologischer Projekte der Abt. Ur- und Frühgeschichte der Universität Zürich (UZH) im zentralen Alpenraum, 1985-2008.

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geomorphologischer, siedlungsgeographischer wie auch denkmalpflegerischer Natur können zur Erklärung

dieses Sachverhalts beigezogen werden – jedenfalls unterscheidet sich diese Situation deutlich von der -

jenigen der nach Osten (Graubünden) und Westen (Wallis) anschließenden Gebiete, während unmittelbar

nördlich des zentralen Alpenmassivs eine ebenso geringe (wenn nicht geringere) Funddichte zu verzeichnen

ist (Primas / Della Casa / Schmid-Sikimic 1992).

Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der sich aus der Kartierung von Funden jüngerer prähistorischer

Perioden ergebenden Wichtigkeit des Tessintals als siedlungsgeographischer Raum und Kommunikations-

achse (Della Casa 2007) konnte im Frühjahr 2006 mittels Finanzierung durch den Schweizerischen Natio-

nalfonds und in Kooperation mit einer Reihe von Partnerinstitutionen ein neues siedlungs- und landschafts-

archäologisches Projekt in der Leventina (Alpines Tessintal) lanciert werden2. Das Projekt wurde ermuntert

durch die bereits im Jahr 2003 anlässlich einer Geländebegehung erfolgte Entdeckung und nachfolgende

Teiluntersuchung einer prähistorischen Siedlung auf dem Hügel »In Grop« von Airolo-Madrano (Kt. Tessin;

Jochum Zimmermann u.a. 2006; 2007).

Das neue Leventina-Projekt ist stark interdisziplinär vernetzt und auf Fragestellungen der Mensch-Umwelt-

Beziehungen ausgerichtet; die Rekonstruktion und das Verständnis prähistorischer Siedlungsprozesse wird

über kulturgeschichtliche und naturwissenschaftliche (Proxy-)Daten erarbeitet, die mittels eines GIS/AIS

analysiert und visualisiert werden. Die archäologischen Grundlagen dazu bilden (neben der Archäologi-

schen Karte des Kantons Tessin) die Grabungen von 2004 bis 2006 in der Siedlung von Airolo-Madrano »In

Grop« und die sie begleitenden bioarchäologischen Untersuchungen in Botanik, Anthrakologie und

Zoologie (Jacquat / Della Casa / Studer im Dr.) sowie ein archäologisches Geländesurvey in ausgewählten

Tal-, Montan- und Alpinzonen der Leventina (Della Casa u.a. 2008), ergänzt durch kulturanthropologische

Befragungen der Talbevölkerung zu Agrar-, Waldnutzungs-, Viehzucht- und Handwerkstechniken (2007).

Für den ökologisch-landschaftsgeschichtlichen Teil des Projekts werden neue palynologische Profile gebohrt

und vegetationsgeschichtlich – mit speziellem Fokus auf Mensch-Umwelt-Interaktionen (»human impact«)

– ausgewertet (2007-2008). Pedologische und bodenchemische Untersuchungen (2006-2008) vervollstän-

digen das Datenset für die Rekonstruktion der Landnutzung in vorgeschichtlicher Zeit 3.

AIROLO-MADRANO »IN GROP«: ALLGEMEINE SITUATION

Das Tal der Leventina, der von Airolo (1160m ü.NN) bis Biasca (303m ü.NN) reichende Talabschnitt des

Tessins, wird durch drei massive Felsriegel mit schluchtartigen Verengungen untergliedert. Der oberste von

ihnen verläuft unmittelbar südlich von Airolo, zwingt den Fluss in die unwegsame Schlucht von Stalvedro

und schafft so ein insbesondere für den Talverkehr bedeutsames Geländehindernis (Abb. 2; vgl. Della Casa

2007, Abb. 6). Die modernen Kommunikationsachsen – Talstraße, Autobahn und Eisenbahntrasse – ver -

laufen heute alle in Tunneln; bis in die Neuzeit hinein jedoch war der Wegverlauf linksseitig, durch den

Einstieg zum Val Canaria und über den Geländerücken beim Dorf Madrano. Die strategische Bedeutung

des Stalvedro-Riegels als Engstelle am Talweg wird durch zwei alte Gemäuer unterstrichen, die sich beid-

seits der Schlucht auf den jeweils höchsten Felserhebungen befinden: das rechtsseitige trägt den klin-

genden Namen »Torre dei Saraceni« (oder »Torre Pagani«), während auf der Seite von Madrano der Name

»Chiaslasc« (etwa: »gebrochene Burg«) aufgeführt ist (vgl. Butti Ronchetti 2000, 51ff. Taf. 2-3). Ihr Er -

bauungszeitraum ist unbekannt, dürfte aber mittelalterlich sein; eine kleine Sondage im Sommer 2005

ergab jedenfalls gemörteltes Mauerwerk.

Direkt unterhalb des Felsriegels »Mött Chiaslasc«, durch eine kleine Senke getrennt, liegt der längliche

Hügel mit Gipfelplateau »In Grop« (etwa: »Am Knoten«), der nach Süden durch den Felsabbruch der

194 Della Casa u.a. · Eine alpine Siedlung der Bronze- und Eisenzeit in Airolo-Madrano (Kt. Tessin, Schweiz)

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Schlucht und zum Dorf hin durch eine steile Böschung über weite Teile natürlich befestigt ist (Abb. 3). Der

prähistorische Fundplatz erstreckt sich über einen Großteil der Plateaufläche und der angrenzenden Ge -

lände senke4.

Der Stand der archäologischen Untersuchungen ist auf der Planskizze (Abb. 4) wiedergegeben. Nach einer

Geländebesichtigung mit dem Leiter der kantonalen Denkmalpflege, G. Chiesi, begannen diese mit einer

kleinen Sondage an der Kante der Senke im Jahr 2003 (vgl. Feld 1). Gewissheit über die prähistorische Be -

siedlung erbrachten Flächengrabungen und weitere Sondagen in 2004, die zur Aufdeckung umfang reicher

Fundschichten sowohl in der Geländesenke als auch auf dem Hügelplateau führten (vgl. Feld 2). Eine erste

Serie von Radiokarbondaten bildet das absolutchronologische Rückgrat der Untersuchungen, mit konsis -

tenten Belegungsnachweisen in der mittleren und späten Bronzezeit auf dem gesamten Areal sowie einer

zusätzlichen jüngereisenzeitlichen Fundschicht, die bislang nur im Bereich der Senke nachgewiesen ist.

Mit den Kampagnen von 2005 und 2006 sind nun insgesamt knapp 100m2 Fläche archäologisch unter-

sucht worden; davon entfallen 60,5m2 auf die Senke, 32m2 auf das Plateau und 2×2m2 auf weitere

Sondagen in den Randbereichen des Hügels. Aufgrund systematischer Bohrsondierungen am ganzen Hügel

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Abb. 2 Blick nach Südostenauf das Talbecken von Airolo(Kt. Tessin) in der oberen Leven-tina, mit Riegel von Stalvedround Lage des SiedlungsplatzesMadrano »In Grop«. – (Photo UZH 2006).

Abb. 3 Blick nach Süden aufden prähistorischen Siedlungs -hügel Airolo-Madrano (Kt. Tessin)»In Grop«. – (Photo UZH 2004).

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ist es zudem möglich, verlässliche Aussagen über die Flächenausdehnung der archäologischen Fundschich -

ten zu formulieren: Diese erstrecken sich über weite Teile des Hügelplateaus (ca. 2000m2) und der Gelände -

senke (ca. 400m2), nicht aber im Vorfeld des Siedlungshügels (vgl. Abb. 4). Die Bohrsondierungen haben

auch gezeigt, dass auf dem Plateau – trotz seines oberflächigen Erscheinungsbilds – eine integrale Schicht -

erhaltung nur in den sedimentverfüllten Vertiefungen zwischen den in Ost-West-Richtung verlaufenden

Felsrippen zu erwarten ist.

BEFUNDE UND STRATIGRAPHIE

Wie in (alpinen) Landsiedlungen üblich, gestaltet sich auch in Madrano die Grabung, Dokumentation und

Interpretation der archäologischen Befunde schwierig. Zwar ist, je nach Areal, die Kulturschichterhaltung

beträchtlich (bis 110/120cm), doch sind die verschiedenen Horizonte stark komprimiert, teilweise erodiert

und durch zahlreiche Pfostenstellungen und Gruben gestört. Im recht einheitlichen, lehmig-humosen Sedi-

ment ist zudem (sowohl in den Plana als auch in den Profilen) die Ermittlung von Schichtübergängen und

Befundgrenzen stark erschwert.

Die Grundeinheit der Befundbeobachtung bzw. -ansprache bildet die »Position«, eine wertneutral ver -

gebene Nummer für jedes strukturell erkennbare Element des archäologischen Befunds (also Schicht, Linse,

Steinlage, Mauer, Grube, Grubengrenze etc.). Als Instrument für die Darstellung, Korrelation und Inter -

pretation der Befundsituation wird die Harris-Matrix verwendet (Harris 1989)5. Für Madrano wurde zu -

nächst jeder Grabungssektor mit zugehörigem Profil aufgenommen (F1 mit Sektoren 1.1-5; F2 mit Sektoren

196 Della Casa u.a. · Eine alpine Siedlung der Bronze- und Eisenzeit in Airolo-Madrano (Kt. Tessin, Schweiz)

Abb. 4 Airolo-Madrano(Kt. Tessin): Planskizze desSiedlungsareals »In Grop«,mit Lage der Grabungs -felder und Ausdehnungder Bohrsondagen. – M. = 1:1000. – (J. Bucher,UZH).

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Abb. 5 Airolo-Madrano (Kt. Tessin) »In Grop«, Feld 1 (Senke): Harris-Matrix mit Korrelationen und Phasengliederung.

Abb. 6 Airolo-Madrano (Kt. Tessin) »In Grop«, Feld 2 (Plateau): Harris-Matrix mit Korrelationen und Phasengliederung.

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2.1-3); in einem zweiten Schritt wurden charakteristische Befunde – in der Regel sedimentologisch mehr

oder weniger eindeutig ansprechbare Schichten – über die Profile/Sektoren eines Felds hinweg korreliert. In

einem dritten Schritt schließlich wurden, ausgehend von der Befundsituation, offensichtlich oder wahr-

scheinlich zusammengehörende Strukturen zu »Phasen« zusammengefasst (F1 in Abb. 5; F2 in Abb. 6).

Die Senke (F1)

Das bis in den Randbereich der Hügelsenke reichende Grabungsfeld 1 (vgl. Abb. 4) weist, je nach Sektor,

eine sehr unterschiedliche Befund- und Schichterhaltung auf. Die Humusüberdeckung (Pos. 101) beträgt im

ganzen Feld 50-100cm. Die Sequenz lässt sich wie folgt beschreiben:

– Randbefestigungen: Die nördlichen Sektoren F1.1-2 (Referenzprofil in Abb. 7) sind geprägt durch eine Abfolge vonverstürzten Mauerzügen, von denen der jüngste (Pos. 102/Phase 6; undatiert) zu einer kleinen Stützmauer (Weg oderAckerterrasse) gehört haben dürfte. Die aus massiven Felsbrocken fundamentierte Mauer Pos. 103 und ihr hangseitig

198 Della Casa u.a. · Eine alpine Siedlung der Bronze- und Eisenzeit in Airolo-Madrano (Kt. Tessin, Schweiz)

Abb. 7 Airolo-Madrano (Kt. Tessin) »In Grop«,Feld 1: Westprofil durch die nördlichen Sektoren(1.1-2). – M. = 1:50. – (J. Bucher, UZH).

Abb. 8 Airolo-Madrano (Kt. Tessin) »In Grop«,Feld 1: Südprofil durch die Mauer Pos. 103 inSektor F1.1-2. – M. = 1:50. – (J. Bucher, UZH).

Abb. 9 Airolo-Madrano (Kt. Tessin) »In Grop«, Feld 1: Westprofil durch die südlichen Sektoren (1.4-5). – M. = 1:50. – (J. Bucher,UZH).

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markanter Versturz (Pos. 103_a/156) stammen von einer Randbefestigung, die den Zugang zur Senke in Phase 5(jüngere Eisenzeit) sicherte (Abb. 8). Unter dieser Versturzlage liegen hangseitig die Reste einer älteren Mauer ausplattenförmigen Steinen (Pos. 105_a) innerhalb einer hellen, siltig-sandigen Schicht Pos. 105. Es handelt sich hierbeium die Reste einer ebenfalls Ost-West-verlaufenden Randbefestigung mit intermittierenden massiven Pfosten -stellungen (Pos.107), die den Phasen 3/4 (mittlere/späte Bronzezeit) zugewiesen werden kann. Ältere SchichtrestePos.144-145 (mittlere Bronzezeit) sind in diesem Bereich nur sehr spärlich vorhanden; sie liegen unter den erfasstenVersturzlagen (vgl. Abb. 7).

– Gebäudereste: In den südlichen Sektoren (F1.3-5) nimmt die Schichtstärke von Osten nach Westen und von Nordennach Süden (Abb. 9) markant zu. Insbesondere trifft dies für das an die Mauer Pos. 103 anstoßende und strati -graphisch zu ihr gehörende siltige Schichtpaket (Pos. 108/157/1134) zu. Eine Gruppe von Strukturen ist hier ein -gebettet (Abb. 10); ihre Ausrichtung ist in etwa südost-nordwestlich, diagonal zum Grabungsraster und parallel zur

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Abb. 10 Airolo-Madrano (Kt. Tessin) »In Grop«, Feld 1: Planums-befund mit Strukturen der Phase 5 (jüngere Eisenzeit). – M. =1:50. – (J. Bucher, UZH).

Abb. 11 Airolo-Madrano (Kt. Tessin) »In Grop«, Feld 1: Planums -befund der Negative der Brandgruben der Phasen 4 und 3 (mitt-lere/späte Bronzezeit). – M. = 1:50. – (J. Bucher, UZH).

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Randmauer. Es dürfte sich um die Reste eines Ge -bäudes handeln. Die nördliche Begrenzung wird voneiner Steinlage/einem Mauerrest (Pos. 166) gebildet,an den die Überreste eines Platten bodens (Pos.178)anstoßen; in südlicher Richtung bildet der MauerrestPos. 1135 mit dem Versturz Pos. 1150 einen Ab -schluss. Dazwischen liegen zwei eng gefügte Sub -strukturen aus stehenden und liegenden Platten (Pos.168 und 1146), wahrscheinlich in zeitlicher Ab folge,da auf unterschiedlichen Niveaus ge legen. Ihre Deu -tung ist mangels weiterer Elemente (z.B. Brand resten)unklar; es könnte sich um Unterlagen von Herdstellenoder aber von massiven Stützpfosten handeln.

– Brandgruben: Nach unten folgen zwei dunkle siltig-sandige, bisweilen stark mit Holzkohle durchsetzteSchichtpakete (Pos. 106/164/1156 und 105/172/1160), die die aufeinanderfolgenden Besiedlungspha -sen 4 und 3 widerspiegeln. Herausragende struktu-relle Elemente dieser Horizonte ist eine Reihe von2×2 bis 3×3m großen, z.T. sorgfältig mit Steinenaus gekleideten Brandgruben (Abb. 11). Diese Grubensind mit brandgeröteten, zersprungenen Steinen undHolzkohle verfüllt und enthalten auch zahlreicheMakroreste. Der (zumeist undifferenziert verwendete)Begriff der »fours polynésiens« hat sich für solcheStrukturen eingebürgert (vgl. etwa Fischer 1996) –jedenfalls handelt es sich um Wirtschaftsbereiche, diedem Darren, Garen oder Räuchern gedient haben. ImFall der Grube Pos. 1158 konnte sehr schön die um -laufende doppelte Staketenreihe (Pos. 1172-1184)eines organischen Überbaus dokumentiert wer den(vgl. Abb. 11).Unter der durchgehenden hellen, sandigen, praktischfundleeren Zwischenschicht (Pos. 144/180/1186) derPhase 2 liegt schließlich das älteste Schichtpaket(Pos. 145/173/1189), das an den Übergang der Früh-zur Mittelbronzezeit (Phase 1) datiert. Auch dieserHorizont enthält relativ wenig Fundmaterial. An derUnterkante der dunklen, holzkohlehaltigen Schichtkonnten eine Reihe von Pfostenstellungen (Pos.1125_32 und 1190_94) sowie Gruben und Fleckenmit verbranntem Lehm und flachen Steinsetzungen(Pos. 1120, 1122 und 1196) dokumentiert werden,die als Herdstellen an gesprochen werden. Ein zu sam -menhängender Flä chen befund ergab sich hier aller-dings nicht.

Das Plateau (F2)

Das auf dem Hügelplateau angelegte Grabungs-

feld 2 (vgl. Abb. 4) zeigt eine deutlich weniger

mächtige Schichterhaltung bzw. -abfolge; die Hu -

200 Della Casa u.a. · Eine alpine Siedlung der Bronze- und Eisenzeit in Airolo-Madrano (Kt. Tessin, Schweiz)

Abb. 12 Airolo-Madrano (Kt. Tessin) »In Grop«, Feld 2: Südprofil(Querprofil) durch das Grabungsfeld (Sektoren 2.1/2.3). – M. = 1:50.– (J. Bucher, UZH).

Abb. 13 Airolo-Madrano (Kt. Tessin) »In Grop«, Feld 2: Planums -befund der jüngeren Phasen 4 und 3. – M. = 1:50. – (J. Bucher, UZH).

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mus abdeckung Pos. 2001 beträgt hier ca. 25-

40cm, die Dicke des Kulturschichtpakets max.

50cm. Eisenzeitliche Reste fehlen hier.

– Brandschutt: Ein Großteil des Grabungsfelds wirddurch eine ausgedehnte unregelmäßige, bis auf dengeologischen Untergrund (Pos. 280) reichende Grubeeingenommen, die mit Brandschutt verfüllt ist (Abb.12-13). Diese mög licherweise mehrteilige Grube Pos.203/2003 enthält sehr viel Holzkohle, Bruchsteine undverziegelten Lehm sowie reichlich durchmischtesFundmaterial mit Keramik, Metall, Steingeräten undBergkristall. Sie bildet – zusammen mit den randlichzum Feld eingetieften Gruben (Pos. 2005 und 2061)sowie den Resten einer oder zweier in etwa Ost-West-verlaufender Mauern (Pos. 2008/2010) – die letztefassbare Siedlungsphase 4 auf dem Plateau (späteBronzezeit).

– Gebäudereste: Darunter liegen die stark gestörten Ho -rizonte der Phase 3, im wesentlichen Baureste vonwahrscheinlich zwei Häusern, mit ebenfalls Ost-West/Nord-Süd-Ausrichtung. In den südlichen Gra bungs -sektoren 2.1-2 hat sich ein größeres Stück eines schöngefügten Plattenbodens mit Lehmestrich (Pos. 202/205) und nördlicher Begrenzungsmauer (Pos. 207) er -halten sowie ein dazugehöriges zweiteiliges Schicht-paket (Pos. 201/209 und 204/206). Im nördlichenSektor 2.3 liegen die Reste eines weiteren, schlechterhaltenen Bodens (Pos. 2041).

201ARCHÄOLOGISCHES KORRESPONDENZBLATT 39 · 2009

Es folgt eine 15-30cm dicke dunkle, humose Schicht (Pos. 208_o/211/2012), die kleinere Steinsetzungen, aberwenig erkennbare architektonische Elemente birgt. Eine mit Plattensteinen ausgelegte Brandgrube Pos. 2015 in derNordwestecke von Sektor F2.3 sowie Grübchen, Pfostenlöcher und zahlreiche Linsen aus teils hellem, teils ge -branntem Lehm weisen sie als Siedlungsschicht aus (Phase 2).

– Brandgruben: Der unterste Horizont der Phase 1 (frühe/mittlere Bronzezeit) besteht aus einer direkt auf dem geo -logischen Untergrund bzw. Fels aufliegenden bräunlich-gelben, siltigen Schicht (Pos. 208_u/253/2017) mit Stein -setzungen, zahlreichen hellen, sandigen Flecken und Linsen von gebranntem Lehm bzw. Feuerstellen (z.B. Pos. 2059).An der Unterkante zeichnen sich kleinere Gruben sowie zahlreiche Pfosten- und Staketenlöcher ab (Abb. 14). Augen-fälligster Befund ist eine runde, mit flachen Steinen ausgekleidete Brandgrube Pos. 2027 über einer Schicht vonverziegeltem Lehm mit Holzkohle und brandversehrten Steinen verfüllt. Um die Brandgrube herum konnte ein Kranzvon Staketen dokumentiert werden (Pos. 2056_58). Weitere Staketen- und Pfostenlöcher sind am Boden der Grubefassbar (Pos. 2043_53), es bleibt aber unklar, ob sie zur Grubenanlage gehören oder etwas älteren Datums sind.

CHRONOLOGIE: 14C-DATEN UND AUSGEWÄHLTE FUNDKOMPLEXE

Die Chronologie der Siedlungsabfolge auf dem Plateau und in der Senke ergibt sich in erster Linie aus einer

Serie von sieben 14C-Daten (Tab. 1), die ausgehend vom Grabungsbefund 2004-2005 an Holzkohlen er -

arbeitet wurde6, sowie aus einer ersten, kursorischen Sichtung der Fundkomplexe, von denen hier einige

präsentiert und typochronologisch diskutiert werden sollen. Die 14C-Daten ergeben ein in mehrerer Hinsicht

kohärentes Bild (Abb. 15): Es gibt keine stratigraphischen Invertierungen oder Ausreißer, und die Datierung

der Siedlungsabfolge in der Senke und auf dem Plateau stimmt überein, mit jeweils gut gruppierten Daten.

So ist in beiden Grabungsfeldern der älteste Horizont (Phase 1) absolutchronologisch auf die Zeit von 1600-

Abb. 14 Airolo-Madrano (Kt. Tessin) »In Grop«, Feld 2:Planums befund der Phase 1 in Sektor 2.3. – M. = 1:50. –(J. Bucher, UZH).

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202 Della Casa u.a. · Eine alpine Siedlung der Bronze- und Eisenzeit in Airolo-Madrano (Kt. Tessin, Schweiz)

Abb. 15 Airolo-Madrano (Kt. Tessin) »In Grop«: Radio-karbondaten mit Wahrscheinlichkeitsverteilung undchronostratigraphischer Zuordnung (Calib 5.0/UZH).

1450cal. BC eingrenzbar (Übergang Früh- zu Mittelbronzezeit), der jüngere Horizont (Phase 4) auf die Zeit

von 1300-1150cal. BC (Spätbronzezeit). Die dazwischen liegenden Phasen 2 und 3 dürften somit in die

Mittel bronzezeit fallen. Phase 5 schließlich ist bislang nur im Bereich der Senke nachweisbar; sie ist zwi -

schen 350 und 100cal. BC, also in den jüngeren Abschnitt der Eisenzeit datiert. Für die nachfolgenden

Ausführungen haben wir uns deshalb wesentlich auf die Publikation der Siedlung Mesocco-Tec Nev

(Kt. Graubünden; Della Casa 2007) sowie auf Vergleichsfunde aus Tessiner Gräberfeldern gestützt.

Die Humusschichten enthalten Streufunde aus Perioden, die ansonsten im Grabungsbefund nicht vertreten

sind: etwa mittelalterliche und neuzeitliche Metallobjekte (Abb. 16, 1), Vorderladerkugeln aus Blei, ein

Fragment einer (spät-)römischen Specksteinschüssel (Abb. 16, 2; vgl. Donati 1986) sowie zwei kleine

Fragmente von Terra Sigillata, was durchaus zur durch die Nekropole von Madrano ausgewiesenen rö -

mischen Präsenz im Gebiet passt (vgl. Anm. 4). Aus dem Humus in Feld 2 stammen das Wandfragment

einer mit abgerollten Strichbündeln verzierten Schüssel (Abb.17, 45) – wie aus der Nekropole von Ascona-

Lab.-Nr. Sektor Befund Phase 14C-Alter cal. 1 Sigma BC cal. 2 Sigma BC

ETH-29562 F1.3 Pos. 108 5 2160±50 355-114 366-56ETH-29563 F1.3 Pos. 128_o 5/4 2140±50 350-64 359-46ETH-29564 F1.3 Pos. 142 4 2980±50 1294-1128 1382-1050ETH-29565 F1.3 Pos. 154 1 3255±55 1608-1459 1665-1422

ETH-29568 F2.1 Pos. 203.1 4 3090±55 1426-1303 1493-1212ETH-29567 F2.1 Pos. 203.3 4 2950±55 1262-1056 1372-1006ETH-29566 F2.1 Pos. 2049 1 3300±55 1634-1505 1731-1453

Tab.1 Airolo-Madrano (Kt. Tessin) »In Grop«: Radiokarbondaten (Grabungsbefunde 2004-2005).

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203ARCHÄOLOGISCHES KORRESPONDENZBLATT 39 · 2009

Abb. 16 Airolo-Madrano (Kt. Tessin) »In Grop«, ausgewählte Fundkomplexe, Feld 1: 1. 11 Eisen. – 7-8 Bronze. – 12-13 Schlacke. –2. 9-10 Speckstein. – 22 Bergkristall. – 4-6 Glas. – Übrige: Keramik. – Kleinfunde M. = 1:2; Keramik M. = 1:3. – (J. Bucher, UZH).

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204 Della Casa u.a. · Eine alpine Siedlung der Bronze- und Eisenzeit in Airolo-Madrano (Kt. Tessin, Schweiz)

Abb. 17 Airolo-Madrano (Kt. Tessin) »In Grop«, ausgewählte Fundkomplexe, Feld 1 und 2: 42 Bergkristall. – 48-49 Bronze. –Übrige: Keramik. – Kleinfunde M. = 1:2; Keramik M. = 1:3. – (J. Bucher, UZH).

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S.Ma terno (Kt. Tessin) bekannt (»Protogolasecca«, 12./11. Jahrhundert v.Chr.; vgl. de Marinis 2000) – und

ein eisenzeitliches Schalenfragment mit geschwollener Lippe (Abb.17, 44).

Phase 5 ist mit einigen typischen Kleinfunden chronologisch gut charakterisiert: Dazu gehören das Fuß -

fragment einer schweren Sanguisugafibel vom alpinen Typ (Abb. 16, 7; Tessin D bis LT B) und drei Viel -

augenperlen aus blauem Glas, wie sie in der Nekropole von Giubiasco (Kt. Tessin) in Gräbern der Stufen

LT B und C (4.-2. Jh. v.Chr.) auftauchen (Abb. 16, 4-6; vgl. Tori u.a. in Vorb.).

Die Keramik der Phasen 4 und 3 in Feld 1 ist sehr einheitlich; vorherrschend sind reduzierend gebrannte,

flachbodige Töpfe mit gestrichener oder geglätteter Oberfläche und ausbiegenden, geschwungenen oder

abgesetzten Rändern. An Dekoration sind Kerbleisten und Wandrauung auf den grob gemagerten Gefäßen

(Abb. 16, 18. 25; 17, 36. 39-40) und glatte Leisten, Knubben, Riefen, Eindrücke und Einstiche auf den fein

gemagerten Gefäßen (Abb. 16, 28; 17, 37-38) vertreten. Zu erwähnen sind des Weiteren kleine Näpfe mit

ausbiegendem Rand (Abb. 16, 15-16. 23) und Fragmente feintoniger, dunkel geglätteter Schüsseln mit ab -

gesetzter Schulter und Dekor (Abb. 16, 19. 26). All diese Form- und Dekorelemente sind im umfangreichen

Inventar der bronzezeitlichen Siedlung von Mesocco gut ausgewiesen (Della Casa 2000, 33ff. Abb. 2, 41-

45), sodass wir in etwa von einer Gleichzeitigkeit des Fundmaterials ausgehen können. Das Inventar von

Mesocco datiert absolut- und relativchronologisch in den Zeitraum 14.-12. Jahrhundert v.Chr./Bz D-Ha A

(eben da 47ff.), was mit der Absolutchronologie in Madrano gut korreliert.

Aus dem Brandschutt der Phase 4 in Feld 2, einem zweifellos vermischten Inventar, sind neben der Keramik

in der beschriebenen Art (Abb. 17, 50-52) zwei Bronzefunde zu verzeichnen: ein nicht näher bestimmbarer

Nadelschaft und eine mit konzentrischen Rippen und Tremolierstich verzierte Stachelscheibe mit kurzem

Dorn (Abb. 17, 49). Formal verweist dieses Stück in den nordalpinen bzw. süddeutschen Raum; merkmal-

verwandte Typen datieren in die ältere bzw. mittlere Hügelgräberzeit (Pirling 1980, 18ff.), und formale

Details wie das Fischgrätmuster finden sich auf Stachelscheiben aus dem See von Viverone (Piemont) wieder

(Bertone / Fozzati 2004, Abb. 36).

Für Phase 2 kann ein aussagekräftiger Komplex aus Feld 2 vorgelegt werden. Die Keramik ist von der

gleichen Machart wie in den oberen Schichten und zeigt auch formale Ähnlichkeiten (Ränder, Dekore;

Abb. 18, 57-58. 62). Breite Ösenhenkel (Abb. 18, 53) und Bandhenkel (Abb. 18, 64), rillen- und kornstich-

verzierte Wandungen (Abb. 18, 61) und recht feinkeramische, karenierte Gefäße (Abb. 18, 59-60. 63) fin -

den Entsprechungen im (allerdings nicht stratifizierten) »Bronzo Medio«-Inventar von Viverone (Bertone /

Fozzati 2004, 27ff.; vgl. Abb. 17, 23. 29). Der Komplex enthält außerdem zwei Fragmente von Kupfer-

bzw. Bronze barren (Abb. 18, 54-55; planokonvexe Barren7), durchlochte Steingewichte (Abb. 18, 56) und

eine geflügelte Pfeilspitze mit verdicktem Dorn (Abb. 18, 65). Des Weiteren möchten wir teilweise recht

große Bergkristalle (Abb. 17, 42; auch aus anderen Schichten – vgl. Abb. 16, 22) hervorheben, deren Funk-

tion zunächst nicht weiter eingegrenzt werden kann.

Die ältesten Horizonte haben wenig Fundmaterial erbracht (Abb. 17, 43; 18, 66-70); für die mittlere Bronze -

zeit im (Süd-)Alpenraum nicht ungewöhnlich ist eine kleine runde Bernsteinperle (Abb. 18, 66); bei der Kera -

mik finden sich wiederum ausbiegende Ränder und glatte Leisten.

Unter den Streufunden, die durch Begehungen am Hügel und in seinem unmittelbaren Umfeld entdeckt

wurden, sind das Fragment eines römischen Lavezbechers, ein eisenzeitlicher Wirtel aus rötlichem Ton sowie

eine kerbretuschierte Klinge (Typus Montbani) aus hellbraunem Silex zu verzeichnen (Abb. 18, 71-73).

Als vorläufiges Fazit kann festgehalten werden, dass die typochronologische Ansprache des Fundmaterials

mit dessen stratigraphischer Abfolge und den zur Verfügung stehenden absoluten Daten in gutem Einklang

steht. Wir sind zuversichtlich, im Laufe der weiteren Auswertung des Fundplatzes in Airolo-Madrano erst-

mals einen umfassend chronostratifizierten südalpinen Siedlungskomplex für den Zeitraum der Mittel- bis

Spätbronzezeit erarbeiten zu können.

205ARCHÄOLOGISCHES KORRESPONDENZBLATT 39 · 2009

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206 Della Casa u.a. · Eine alpine Siedlung der Bronze- und Eisenzeit in Airolo-Madrano (Kt. Tessin, Schweiz)

Abb. 18 Airolo-Madrano (Kt. Tessin) »In Grop«, ausgewählte Fundkomplexe, Feld 2: 54-55. 65 Bronze. – 56. 67 Felsgestein. – 73 Silex. – 66 Bernstein. – 72 Ton. – Übrige: Keramik. – Kleinfunde M. = 1:2; Keramik M. = 1:3. – (J. Bucher, UZH).

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MAKRORESTANALYSEN

Da der Rekonstruktion des ökologischen und ökonomischen Umfelds der Siedlung in Madrano im Rahmen

des Leventina-Forschungsprojekts eine wichtige Bedeutung zukommt, wurde den Makroresten bereits auf

der Grabung große Aufmerksamkeit geschenkt. Die archäologischen Befundsituationen (Schichten, Gru -

ben, Feuerstellen) wurden systematisch beprobt; zusätzlich wurden Sedimentproben auf ihren Pollengehalt

hin untersucht – leider ohne Erfolg8. Auch in Bezug auf die zoologischen Makroreste gestaltete sich die

Ausgangslage schwierig: wie üblich in kristallinen Böden ist auch in Madrano die Knochenerhaltung sehr

schlecht; sie beschränkt sich auf Zähne bzw. Zahnlamellen und kalzinierte Knochenfragmente.

Bedeutend besser steht es um die botanischen Makroreste: Aus ca. 300kg Sediment/60 Proben konnten

im Labor über 3000 verkohlte Früchte und Samen ausgeschlämmt und bestimmt werden (Tab. 2; zu

Methoden und Details vgl. Jacquat / Della Casa / Studer im Dr.). Ein zweiter wichtiger Makrorestkomplex

besteht aus Holzkohlen; insgesamt sind es über 340 anthrakologische Proben, verteilt auf Strukturen und

Befunde sämtlicher Zeitphasen9.

Unter den Kulturpflanzen sind Getreidearten, insbesondere die Gerste (Hordeum vulgare) vorherrschend;

verschiedene Weizenarten (Triticum cf. aestivum/turgidum, Tr. dicoccum, Tr. cf. monococcum, Tr. cf. spelta)

und Hirse (Panicum miliaceum) sind in geringem Umfang ebenfalls vertreten, auch Hülsenfrüchte wie Erbse

(Pisum sativum) und Saubohne (Vicia faba) und Öl- und Faserpflanzen wie Lein (Linum usitatissimum). Das

Fundbild entspricht dem anderer zeitgleicher Siedlungen im zentralöstlichen Alpenraum (Jacomet 1999).

Alle diese Pflanzen eignen sich für einen Anbau auf der Höhe von Madrano und darüber hinaus bis auf

1600-1700m ü.NN (vgl. Zoller 1960). Das Spektrum der Adventiv- und Segetalpflanzen weist auf ein

passen des montanes Substrat hin, vergleichbar den aktuellen Braunerdeböden in der oberen Leventina. Wir

können beim jetzigen Stand der Auswertungen davon ausgehen, dass die Siedlung von Madrano in der

Bronze- und Eisenzeit in ein lokales Subsistenzwirtschaftssystem eingebunden war. Ergänzend zum wahr-

scheinlichen kleinräumigen Feldbau auf Hängen und Terrassen kann auch Sammelwirtschaft nachgewiesen

werden, wobei in gleichem Maß das montane Umfeld (Fichte [Picea abies] und Tanne [Abies alba]) und die

durch den Menschen überprägte Landschaft mit Hecken und Lichtungen (Hasel [Corylus avellana], Rose

[Rosa sp.], Brombeere [Rubus fruticosus] und Himbeere [Rubus idaeus], Holunder [Sambucus], Holzapfel

[Malus sylvestris] und Steinobstgewächse [Prunus sp.]) in Erscheinung treten (vgl. Jacquat / Della Casa /

Studer im Dr.).

207ARCHÄOLOGISCHES KORRESPONDENZBLATT 39 · 2009

1 2 3 4 5

GetreideHordeum vulgare Gerste ×× ×× ×× ×× ××Panicum miliaceum Hirse ×Triticum cf. aestivum/turgidum Nacktweizen × ×Triticum cf. dicoccum Emmer × × × × ×Triticum cf. monococcum Einkorn ×Triticum cf. spelta Dinkel × × ×HülsenfrüchtePisum sativum Erbse × × ×Vicia faba Saubohne ×Öl- und FaserpflanzenLinum usitatissimum Lein × ×

Tab. 2 Airolo-Madrano (Kt. Tessin) »In Grop«: botanische Makrorestanalysen 2004-2006, semiquantitative Erfassung der Kultur -pflanzen.

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Im Vergleich dazu können aus der anthrakologischen Untersuchung vorerst nur sehr vorläufige Daten

vorgestellt werden (Tab. 3; Bestimmung von ca. 400 Holzkohlen aus 150 Proben). Diese müssen zudem mit

den Resultaten der neuen Pollenanalysen abgeglichen werden, die für Bedrina (Dalpe, Kt. Tessin; neue Boh -

run gen im Moor, das bereits von Zoller 1960 diskutiert wurde) und Roncascio (Airolo-Nante, Kt. Tessin; die

Madrano gegenüberliegende Talseite) in Bearbeitung sind.

Wenn wir davon ausgehen, dass die in situ geborgenen Holzkohlen die ursprüngliche und anthropisch

überprägte Waldvergesellschaftung im Umfeld des Siedlungsplatzes widerspiegeln – also diejenigen Areale,

die zur Deckung der Nachfrage nach Nutz- und Brennholz aufgesucht wurden –, ergeben sich einige in -

teressante Beobachtungen. Der natürliche Wald besteht großteils aus Fichte (Picea abies, ca. 40%) sowie

aus Ahorn (Acer sp.), Esche (Fraxinus sp.) und Tanne (Abies alba). Der Umstand, dass 50% der Holzkohlen

auf lichtliebende Arten wie Erle (Alnus sp.), Birke (Betula sp.), Hasel (Corylus avellana) und Pappel (Populus

sp.) entfallen, zeigt, dass die Siedlung – und zwar schon zu ihrem Beginn – in eine stark gelichtete Land-

schaft eingebettet ist (vgl. Jacquat / Della Casa / Studer im Dr.). Madrano »In Grop« spiegelt demnach nicht

eine bronzezeitliche Pioniersiedlung in einem weitgehend naturbelassenen Urwald wider.

AIROLO-MADRANO UND DIE FRÜHEN SIEDLUNGEN DES ZENTRALEN ALPENRAUMS: AUSBLICKE

Nach Ausweis der vorliegenden Datenauswertung und -interpretation fassen wir mit Madrano eine weitere

bronzezeitliche Siedlung der frühen Intensivierungsphase in den inneren Alpen, die in etwa mit dem Beginn

der mittleren Bronzezeit und (was zunächst paradox erscheinen mag) der Löbben-Klimadepression zu sam -

menfällt (Della Casa 1998; 2000, 151ff.; vgl. Hebert / Kienast / Mandl 2007, 74ff.). Wir haben an anderer

Stelle in Form eines Szenarios dargestellt, dass hier ursächliche Zusammenhänge ökodynamischer Natur

vermutet werden können (Della Casa 2000, 174ff. Abb. 6, 18). Drei Fragestellungen werden in Zukunft im

Vordergrund stehen:

1. Auf lokaler Ebene interessiert ein ausgereiftes »site catchment« der Siedlung in Madrano, in dem modell-

haft empirisch und kartographisch erhobene naturräumliche Grundlagen mit vegetationsgeschichtlichen

208 Della Casa u.a. · Eine alpine Siedlung der Bronze- und Eisenzeit in Airolo-Madrano (Kt. Tessin, Schweiz)

1 2 3 4 5

WaldAbies alba Tanne 2 (2,3%) 2 (2,0%) 5 (3,8%)Acer sp. Ahorn 3 (5,1%) 2 (2,3%) 8 (7,9%) 9 (6,9%) 3 (11,5%)Picea abies Fichte 28 (47,5%) 25 (29,1%) 26 (25,7%) 52 (39,7%) 17 (65,4%)

lichtliebende ArtenAlnus sp. Erle 18 (30,5%) 16 (18,6%) 21 (20,8%) 30 (22,9%) 2 (7,7%)Betula sp. Birke 6 (10,1%) 25 (29,1%) 23 (22,8%) 19 (14,5%)Corylus avellana Hasel 4 (6,8%) 17 (16,8%) 3 (2,3%) 2 (7,7%)Maloideae Kernobst 11 (12,8%)Populus sp. Pappel 3 (3,5%) 7 (5,3%)

kühle StandorteFraxinus excelsior Esche 2 (2,3%) 1 (1,0%)Salix sp. Weide 3 (3,0%) 6 (4,6%)

MischwaldCarpinus betulus Hainbuche 2 (7,7%)

Gesamt/Periode 403 Holzkohlen 59 (100%) 86 (100%) 101 (100%) 131 (100%) 26 (100%)

Tab. 3 Airolo-Madrano (Kt. Tessin) »In Grop«: anthrakologische Analysen 2004-2005, vorläufige Resultate.

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und wirtschaftsarchäologischen Daten korreliert werden, um Themen der räumlichen und ökonomischen

Organisation des Siedlungsumlands bis hin zur Frage der Nutzung verschiedener montaner und alpiner

Höhenlagen – Thema Alpwirtschaft – zu diskutieren (vgl. Sauerbier / Fasler / Della Casa im Dr.). Das Ge -

ländesurvey der Jahre 2007-2008 hat durch die Lokalisierung verschiedener Abri- und Freilandsitua-

tionen mit bronze- und eisenzeitlichen 14C-Daten in den Alpinlagen der oberen Leventina dazu wichtige

Resultate geliefert (Della Casa u.a. 2008)10.

2. Auf regionaler Ebene (zentralöstlicher Alpenraum) stehen die Zusammenhänge zwischen Klima- und

Siedlungsentwicklung im Fokus der Untersuchungen. Kausale Prozesse müssen hier insbesondere über

eine höhere Auflösung der Zeitkomponenten (Klimaereignisse, archäologische Funde) und der direkten

und indirekten Kulturindikatoren (Makroreste, »human impact« in Pollen- und Bodenprofilen) gesucht

werden. Anvisiert sind dabei nicht nur die mittelbronzezeitliche Löbben-Oszillation, sondern auch Klima-

depressionen zum Ende der Bronzezeit und während der Eisenzeit, die mit auffälligen Lücken im archäo -

logischen Fundbild zu korrelieren scheinen (Della Casa 2000, 176ff.).

3. Fremdfunde und andere kulturelle Kontaktphänomene betonen die Wichtigkeit der Transit- und Ver -

kehrs wege im Alpenraum, der – im Kontrast zu seiner ökologischen Grenzsituation – integrierter Teil des

europäischen Kulturgefüges der Bronze- und Eisenzeit ist (Della Casa 2002; Schmid-Sikimic 2002).

209ARCHÄOLOGISCHES KORRESPONDENZBLATT 39 · 2009

Anmerkungen

1) Ebenfalls zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang dieNeubearbeitungen von seit langer Zeit bekannten Gräber -funden, etwa der Nekropolen von Mesocco und Tamins,Kt. Graubünden (Schmid-Sikimic 2002) sowie von Giubiasco,Kt. Tessin (Tori u.a. 2004; Pernet u.a. 2006; Tori u.a. in Vorb.),die sich inhaltlich durchaus an die siedlungsarchäologischenForschungen anschließen lassen. Als weiterer Schwerpunktder genannten Forschungen ist die Auseinandersetzung mitder Frage der prähistorischen Kommunikations- und Transit-wege sowie mit dem transalpinen Handel in der Bronze- undEisenzeit zu nennen (Schmid-Sikimic 2002; Della Casa 2004;2007), in deren Kontext der Erforschung der Siedlungs- undGräberlandschaft eine entscheidende Rolle zukommt.

2) Projekt »Leventina – prähistorische Siedlungslandschaft. Um -welt, Siedlung und Wirtschaft im alpinen Tessintal 1500 BC-15 AD« des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung derwissenschaftlichen Forschung, Nr. 100012-111987, Laufzeit2006-2009. Partner: Ufficio dei beni culturali (Bellinzona), In -stitut für Geodäsie und Photogrammetrie der ETHZ, ETHZ-PSIIon Beam Physics (AMS-Labor), Geographisches Institut derUZH, Institut für Pflanzenwissenschaften UNIBE, Museumd’Histoire Naturelle (Genf).

3) Die interdisziplinären Forschungen in der Leventina werdendurch einen umfangreichen Forschungskredit ermöglicht, fürden wir dem Schweizerischen Nationalfonds zur Förderungder wissenschaftlichen Forschung zu großem Dank verpflich-tet sind. Für die tatkräftige Unterstützung vor Ort und in vie-len administrativen Belangen danken wir den Verantwort-lichen des Ufficio dei beni culturali von Bellinzona (Kt. Tessin),namentlich G. Chiesi und R. Cardani Vergani sowie ihren Mit-arbeitern D. Calderara, L. Mosetti und M. Morinini. Die Feld-arbeiten wurden durch das Entgegenkommen der Landbesit-zer, der Familien Taragnoli und Ramelli, ermöglicht, denen wir

an dieser Stelle herzlich danken möchten. Kartengrundlagenverdanken wir M. Sauerbier; sämtliche aufwändige Bild -vorlagen wurden von J. Bucher erarbeitet. Wertvolle Hin -weise und Diskussionen erfuhren wir durch unsere KollegenC. Burga, E. Eckmeier, M. Fransioli, Th. Reitmaier, B. Schmid-Sikimic und W. Tinner. Nicht zuletzt danken wir den zahl -reichen Studierenden der Abt. Ur- und Frühgeschichte derUniversität Zürich, die mit großem Einsatz zum Erfolg der Gra-bungen in Madrano beigetragen haben.

4) Aus archäologischer Sicht ist Madrano in erster Linie aufgrundeiner römischen Nekropole bekannt geworden, die in den1950er/1960er-Jahren ausgegraben wurde (Butti Ronchetti2000). Dieses Gräberfeld befindet sich am Südrand des ak -tuellen Dorfs im Bereich der Straße, ohne direkten räumlichenBezug zum Hügel »In Grop« – was vermuten lässt, dass diezugehörige römische Ansiedlung auf dem Dorfareal zusuchen wäre. Dieser Sachverhalt wird dadurch unterstrichen,dass sowohl unter den Lesefunden vom Hügel als auch imFundmaterial der Grabungen bisher kaum römische Fundezutage getreten sind.

5) www.harrismatrix.com vom 23. 6. 2009. – Analyse unter Her-anziehung der verschiedenen analytischen und graphischenFunktionen, die das Programm »Stratify 1.4« von I. Herzog(2004; www.stratify.org vom 23.6.2009) zur Verfügung stellt.– Die Harris-Matrix dient in erster Linie der eindimensionalenDarstellung des Grabungsbefunds im Sinne einer Zeitabfolge;darüber hinaus können Fehler in der stratigraphischen Lesungdes Befunds aufgedeckt, Korrelationen getestet und Interpre-tationen – z.B. eine Gliederung des Befunds nach Phasen/Perioden – visualisiert werden.

6) Die für die Altersbestimmung erforderliche Präparierung undAufbereitung des Probenmaterials erfolgte im Radiokarbon -labor des Geographischen Instituts der Universität Zürich. Dieanschließende Datierung wurde mittels AMS-Technik auf dem

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Tandembeschleuniger des Instituts für Teilchenphysik der ETH-Hönggerberg durchgeführt. Die Kalibrierung der Daten er -folgte mit Calib 5.0 auf IntCal04.14c.

7) Analysen durch M. Mehofer und E. Pernicka in Arbeit.

8) Untersuchung von sechs Proben durch R. Drescher-Schneider(2006).

9) Untersuchungen durch W. Schoch (2004-2005) und durchA. Du fraisse (2006); in Bearbeitung.

10) Zu den ergänzenden Resultaten der Kampagne 2008 ist einweiterer Bericht für das Jahrbuch Archäologie Schweiz 2010in Arbeit.

210 Della Casa u.a. · Eine alpine Siedlung der Bronze- und Eisenzeit in Airolo-Madrano (Kt. Tessin, Schweiz)

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Primas u.a. 2004: M. Primas / Ph. Della Casa / E. Jochum Zimmer-mann / R. Huber, Wartau – Ur- und frühgeschichtliche Siedlun-gen und Brandopferplatz im Alpenrheintal (Kanton St. Gallen,Schweiz) 2. Bronzezeit, Kupferzeit, Mesolithikum (Bonn 2004).

Sauerbier / Fasler / Della Casa im Dr.: M. Sauerbier / D. Fasler / Ph.Della Casa, Bronze Age land use in the Central Alps: GIS-basedinvestigation of influencing environmental and economic fac-tors. In: On the Road to Reconstructing the Past. Papers of the36th CAA conference in Budapest, 2008 (im Druck).

Schmid-Sikimic 2002: B. Schmid-Sikimic, Mesocco Coop (GR).Eisen zeitlicher Bestattungsplatz im Brennpunkt zwischen Südund Nord (Bonn 2002).

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Zusammenfassung / Abstract / Résumé

Eine alpine Siedlung der Bronze- und Eisenzeit in Airolo-Madrano (Kt. Tessin, Schweiz) – archäologische und paläoökologische GrundlagenDer Beitrag präsentiert erste Ergebnisse zu Siedlungsgeschichte, materieller Kultur, wirtschaftlicher Grundlage undlandschaftlicher Einbettung der bronze- und eisenzeitlichen Siedlung von Airolo-Madrano im alpinen Tessintal(Schweiz). Die kohärent erhobenen und interdisziplinär ausgewerteten Daten der stratigraphischen, chronologischenund archäobiologischen Analysen zeichnen das Bild einer subsistenzautarken Siedlung im ökologischen Grenzraum derZentralalpen, die einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der frühen dauerhaften Besiedlung des inneren Alpenraumsund ihrer kulturgeographischen Einbettung liefert.

An alpine settlement of the Bronze and Iron Age in Airolo-Madrano (Ticino, Switzerland) – archaeological and palaeo-ecological basicsThis paper presents first results of the excavations in the Bronze and Iron Age settlement of Airolo-Madrano in theAlpine Ticino valley (Switzerland), particularly concerning its settlement history, material culture, economic backgroundand environmental setting. The coherently acquired and interdisciplinarily analysed stratigraphical, chronological andarchaeo-biological data speak in favour of a self-sufficient settlement in the ecological border zone of the Central Alps.It offers substantial insight into the early permanent colonisation of the Alpine region in terms of history and culturalgeography.

Un habitat alpin des âges du Bronze et du Fer à Airolo-Madrano (canton du Tessin, Suisse) – bases archéologiques et paléoécologiquesCette contribution présente les premiers résultats des fouilles dans l’habitat des âges du Bronze et du Fer de Airolo-Madrano dans la vallée alpine du Tessin (Suisse), concernant en particulier l’histoire de l’occupation, la culture maté-rielle, les bases économiques et environnementales. Les données stratigraphiques, chronologiques et archéobiolo -giques, acquises et analysées de manière cohérente et interdisciplinaire, montrent l’image d’un habitat autarcique situéen zone de limite écologique des Alpes centrales, offrant par cela d’importants éléments de compréhension par rapportà l’histoire et la géographie culturelle de la première colonisation durable des Alpes internes.

Schlüsselwörter / Keywords / Mots clés

Alpen / Schweiz / Leventina / Bronzezeit / Eisenzeit / Landschaft / SiedlungAlps / Switzerland / Leventina / Bronze Age / Iron Age / landscape / settlementAlpes / Suisse / Léventine / âge du Bronze / âge du Fer / paysage / habitat

211ARCHÄOLOGISCHES KORRESPONDENZBLATT 39 · 2009

Philippe Della CasaEmanuela Jochum ZimmermannChristiane JacquatUniversität ZürichAbt. Ur- und FrühgeschichteKarl-Schmid-Str. 4CH - 8006 Zü[email protected]@[email protected]

Tori u.a. 2004: L. Tori / E. Carlevaro / Ph. Della Casa / L. Pernet / B.Schmid-Sikimic / G. Vietti, La necropoli di Giubiasco (TI) I: Storiadegli scavi, documentazione, inventario critico (Zürich 2004).

in Vorb.: L. Tori / B. Schmid-Sikimic / Ph. Della Casa / E. Carle-varo / L. Pernet, La necropoli di Giubiasco (TI) III: Le tombe dell’età del Bronzo, del Golasecca e del La Tène Antico e Medio.Sintesi dello studio (Zürich in Vorbereitung).

UBC 2000: Ufficio dei Beni Culturali, Localizzazione die rinveni-menti archaeologici nel canton Ticino e nella Mesolcina durantel’età del Bronzo, l’età del Ferro e la Romanizzazione. In: R. C. deMarinis / S. Biaggio Simona (Hrsg.), I Leponti tra mito e realtà(Locarno 2000) 391-418.

Zoller 1960: H. Zoller, Pollenanalytische Untersuchungen zur Vege-tationsgeschichte der insubrischen Schweiz. Denkschr. Schwei-zer. Naturforsch. Ges. 83/2, 1960, 46-156.

Page 22: Sonderdruck aus Archäologisches Korrespondenzblattnächst jeder Grabungssektor mit zugehörigem Profil aufgenommen (F1 mit Sektoren 1.1-5; F2 mit Sektoren 196 Della Casa u.a.· Eine

ISSN 0342-734X

Mustafa Sahin, Berkay Dincer, Thomas Zimmermann, Neue Fundplätze

des älteren Paläolithikums bei Bursa in Nordwestanatolien (Türkei) – ein Vorbericht. . . . . . . . . 153

Stephan M. Heidenreich, Zur räumlichen Analyse paläolithischer Fundstellen – das Beispiel

des spätpaläolithischen Fundplatzes von Salzkotten-Thüle, Kr. Paderborn. . . . . . . . . . . . . . . . . 163

Dragana Antonovic, Aleksandar Stojanovic, The nephrite amulet

from Zmajevac (Cerovac, Central Serbia) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

Philippe Della Casa, Emanuela Jochum Zimmermann, Christiane Jacquat,Eine alpine Siedlung der Bronze- und Eisenzeit in Airolo-Madrano (Kt. Tessin, Schweiz) –

archäologische und paläoökologische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

Holger Baitinger, Punisch oder griechisch? Bemerkungen zu einem Pfeilspitzentypus

aus Olympia. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213

Diether Ziermann, Philip Lüth, Eine eisenzeitliche Nadel mit figürlichem Kopf

aus Issendorf, Lkr. Stade. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223

János Veres, The depiction of a carnyx-player from the Carpathian Basin –

a study of two Celtic bronze statuettes from Eastern Hungary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231

Martin Grünewald, Eine römische Hundebestattung mit zugehörigem Fressnapf aus Mayen. . . . . . 251

Tereza Štolcová, Gabriele Zink, Karol Pieta, Textiles from the chieftain’s grave

in Poprad-Matejovce – report on the first stage of the laboratory examination . . . . . . . . . . . . 263

Calin Cosma, Nicolae Gudea, Eine in Aţintiș (jud. Mureș) entdeckte Fibel

mit der Darstellung einer menschlichen Maske auf dem Fibelfuß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279

Mechthild Schulze-Dörrlamm, Der karolingische Geweihbeschlag

aus der Wüstung Hausen (Lkr. Gießen) – Reliquiar- oder Gürtelschnallenfragment? . . . . . . . . . 289

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