Sonia und Alexandre Poussin - Delius Klasing...13. Mike Wells, Jill Kirkland, Shelley und Ewan...

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Sonia und Alexandre Poussin

AFRIKA ZU FUSSVom Kap der Guten Hoffnung

zum Kilimandscharo

Delius Klasing Verlag

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Für alle Afrikaner, die uns eingeladen, empfangen, beköstigt,geholfen und uns mit den so vielfältigen Facetten des wunderbarenmenschlichen Reichtums ihres Kontinents vertraut gemacht haben.

Ohne sie wären unsere Schritte sinnlos geblieben.

»Ihr habt Glück! Ihr kommt aus dem Blauen und geht ins Blaue!Darf ich mich ganz klein machen und mich in euren Rucksack

setzen, um euch zu begleiten?«Daniel, der Stotterer, aus Cileka in Malawi

»Der Mensch entsteht aus dem Geist, den die lehmige Erdeatmet.«

Antoine de Saint-Exupéry, »Wind, Sand und Sterne«

»Gehe deinen Weg, er existiert nur für dich.«Augustin, »Bekenntnisse«

»Der Mensch erschien lautlos.«Pierre Teilhard de Chardin

Der alte Mann: »Warum wandert ihr?«Wir: »Um euch kennenzulernen.«

Der alte Mann: »Warum fahrt ihr nicht Auto?«Wir: »Weil wir euch dann nicht bemerkt hätten.«

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Inhalt

Die Pinguine und der Wein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11Die Kraniche und der Philosoph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20Der große Weiße und die kleinen Farbigen . . . . . . . . . . . . . . 30Glückliches, trauriges Land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41Geisterjäger und Menschenjäger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56Die Forellen und die Besessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66Das Königreich im Himmel – Von den Dinosauriern zu den

Kannibalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77Das Königreich im Himmel – Der alte Mann

und die Diamanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90Der Regenbogen und die Blutschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103Von Knochen und Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119Von Reißzähnen und Hörnern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129Das Fenster Gottes und die Arche Brian . . . . . . . . . . . . . . . . . 141»Small Zimbabwe« versus »Great Zimbabwe« . . . . . . . . . . . . 157Tristes Simbabwe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174Katarakte und Serpentinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189Mosambik – Der Tiger und die Cholera . . . . . . . . . . . . . . . . . 206Die sugar daddies und das Paradies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221Der Vater der Erinnerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236Auf dem Grab des Vergessens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247Makoumba und das Lachen der Zebras . . . . . . . . . . . . . . . . . 262Der alte Knochen und der König . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272Tansania – Die Gören und der Riese Paul . . . . . . . . . . . . . . . . 284Rungwa – Auf den Spuren der Löwen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291Missionen und das Volk der Barbaig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311Sansibar – Von Menschenhändlern und Delfinen . . . . . . . . . 328Das Dach Afrikas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345Internetadressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349

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3333 km01.09.2001

5000 km01.01.2002

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7000 km15.06.2002

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1000 kmCarte : Edigraphie

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1. Etappe2. Etappe

Route vom Kap der Guten Hoffnung bis zum See Genezareth

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Vom Kap der Guten Hoffnung bis zur Grenze von Lesotho

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Die Pinguine und der Wein

ir: ganz klein, ganz bleich, ganz unten.Der Wind umtost heulend unseren stillgelegten Bunkeram Ende der Welt – am Kap der Guten Hoffnung. So soll-

te es sein! Wir stehen am Anfang der Verwirklichung unseres über-dimensionalen Vorhabens, Afrika der Länge nach zu Fuß zu durch-queren.

Hier liegen wir also, vor den Rangern des Nationalparks ver-steckt, eng aneinandergeschmiegt und dennoch vom eisigen Windaus der Antarktis steifgefroren, und warten auf den Sonnenauf-gang des 1. Januar 2001. Um das dritte Jahrtausend mit einer Wan-derung zu begrüßen, um unsere lange Geschichte zu feiern.

Ein kleines Glas mit foie gras und eine Flasche Champagner wär-men unsere Herzen. Wir sind allein, unser einziger Zeuge ist dasKreuz des Südens am Himmel.

Gestern sind wir nach Robben Island gepilgert, wo Nelson Man-dela 18 von 27 Jahren Haft absaß und seinen »Langen Weg zur

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1. Pat und Mike Hambelt

2. Zébulon Tafari

3. Morgan Day und Sean Morris

4. Richard Erasmus

5. Hanlie und Wicus Leeuwnaar

6. Carina und Laubscher Van der

Merwe, Elsbeth und Hendrick

Wilhelm

7. Adriaan, Louise und Aimie

Mocke

8. Chris Lombard

9. Priscilla und Fernholt Galant

10. Pauline und Gerhart Du Plessis

11. Tina und Richard Ambler-Smith

12. Esther und Isaac Wildemann

13. Mike Wells, Jill Kirkland, Shelley

und Ewan Wildemann

14. Leigh-Anne und Malcolm

Mackenzie

15. Lynn und Obie Oberholzer

16. Karen und Rick Becker

17. Colleen und Chris Louw

18. Jill und Julian Bennett

19. Carol und Johnny Morgan

20. Minnie und Dries De Klerk

21. Jenny und Wilhelm Waagenaar

22. Dawn und Wynne Green

Südafrika

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Freiheit« schrieb. Auf uns warten 14 000 Kilometer – ein Augen-zwinkern für den großen alten Herrn.

In unserem dunklen Rattenloch erinnern wir uns – vor Kälteschlotternd – an die hektischen letzten Tage vor unserer Abreise.

Davor hatte es lange Monate anstrengender Vorbereitungengegeben, und nun warten wir darauf, endlich loszugehen. Dabeibin ich schon jetzt fix und fertig.

Wir haben uns vorgenommen, »auf den Spuren des Menschen«am Großen Afrikanischen Grabenbruch entlangzuwandern. VomKap der Guten Hoffnung im äußersten Süden Afrikas bis zum SeeGenezareth in Israel … Sozusagen auf der Fährte des ersten Men-schen auf seinem Weg in die Welt. Weder wird es diesen erstenMenschen noch eine erste Reise konkret gegeben haben, und»Wiegen der Menschheit« existieren in fast gleicher Zahl wie Fos-silienfundstätten. Die ältesten Funde aber stammen tatsächlichvom Ostafrikanischen Grabenbruch, und wir wollen sie mit unse-ren Schritten vereinigen; wollen auf dem Weg von Ort zu Ort dieZeit und den Raum zurückverfolgen vom modernen Menschen biszum Australopithecus.

Neben diesen theoretischen Überlegungen wollen wir aber vorallem einfach im Herzen des heutigen Afrikas wandern. Wir möch-ten unser Leben mit den Afrikanern teilen, die uns für einen Abendbeherbergen, uns austauschen, bevor es weitergeht, das wirklicheAfrika (v)ermessen, das jenseits der gängigen Klischees liegt, unddem düsteren Dreigestirn von Krieg, Krankheiten und Hunger ent-fliehen. Afrika muss doch anders sein – da liegt es vor uns. Wirwollen es kennenlernen. Fangen wir ganz einfach an!

Der Horizont beginnt sich zu verfärben. Der aufgewühlte IndischeOzean prallt weiß tosend auf den Atlantik, wir starren durch dieSchießscharte, um den ersten Sonnenaufgang des Jahrtausends andiesem Ende der Welt nicht zu verpassen. Die katabatischen Windeund die brüllenden Brecher gleichen dem fulminanten »Ritt derWalküren«. Der Leuchtturm hoch oben auf dem guanoweißenFelsen des Kaps reflektiert den ersten Sonnenstrahl: Wir brechenauf gen Norden!

Die Kaphalbinsel ist mit Heidekraut bewachsen, und im grellenLicht bei kaltem, mistralähnlichem Wind fühlen wir uns ans Mit-telmeer erinnert, nicht an eine Terra incognita. Inmitten der nachEricea duftenden Fynbos-Vegetation mit verschiedensten Silber-baumgewächsen steht ein weißes Kreuz als Zeuge Vasco da Gamas,

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der schon 1498 hierherkam. In den Wellen tummeln sich See-löwen.

Am späten Nachmittag erreichen wir kurz vor Simonstown denStrand von Boulders, der von unseren ersten afrikanischen Gast-gebern, den Pinguinen, bevölkert ist. Diese Komiker watscheln mitAusnahme einiger kleinerer, mit dem Schnabel ausgefochtener Ter-ritorialkämpfe friedlich zwischen den schnarchenden Seeelefantenumher, sonnen sich oder stürzen sich in die Wellen, und wir fragenuns, ob sie die Menschen oder die Menschen sie nachahmen. Wiraalen uns mit ihnen im Sand. Mit ihren schwarzweißen Uniformenscheinen sie das Farbproblem ihres Landes bereits überwunden zuhaben!

Die Nacht verbringen wir in unseren Schlafsäcken bei den Pin-guinen auf der Düne. Um uns herum andauerndes Geplapper …

Das Mondlicht auf dem Ozean bewacht unseren Schlaf. Nachund nach verschwindet das Gestirn. Ein Zauber? Nein, eine Mond-finsternis. Ein leichter urmenschlicher Schauer kriecht mir denRücken hoch: Ein gutes Omen? Ein Fluch? Die Phönizier, Odys-seus, da Gama, sie alle brachten vor Antritt ihrer Reisen Opfer. Wirindessen begeben uns jeden Abend in die gastfreundliche Obhutder Afrikaner. Der Rest ist nichts als Schweiß, das Unbekannte,Kilometer und Dichtung.

Unsere ersten Afrikaner sind Pinguine. Der Mond sieht aus wieeine angebissene Hostie, und in seinem Schein versinken wir inden fiebrigen Träumen unserer ersten Nacht in Afrika.

Am nächsten Morgen machen wir uns früh auf den Weg und tref-fen auf einen Mann, der sich über einen Motor beugt. Wo wir wohlein Frühstück bekämen? Ein zerzauster Kopf taucht auf, und schonsind wir zu Ei und Toast eingeladen.

Mike Hamblet ist Rentner. Aus Simbabwe und hier im Urlaub.Er bewohnt mit Pat jeweils für sechs Monate einen kleinen Bun-galow und beobachtet die Wale. Eine schöne Art, der Schwarz-malerei in seinem Lande zu entkommen. Er erzählt uns vom mör-derischen Wahn Mugabes, von der Wirtschaftskrise, dem kom-menden Hunger, der Zeitenwende … Er leidet mit seinen Lands-leuten. Dabei waren sie mal die Reichsten in ganz Afrika. Doch derTyrann hat alles zersört.

Wir verabreden uns in Harare. Wir haben noch so viel vor. Undwir spüren unseren ersten Muskelkater. Im Windschatten ist esglutheiß. Unser Schweiß rinnt in Strömen. Abends gelangen wir in

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ein Wohngebiet bei Noordhoek. Das Gebell riesiger Hunde verjagtuns. Hier mögen wir nicht fragen. Dann ein Schild: Waldarbeiter.Sie sitzen vor einer Baracke auf einer morschen Veranda. Fast hätteich um eine Bleibe gebeten, doch angesichts ihrer von dakha, demlokalen Rauschmittel, gelb gefärbten Augen und der galgenähn-lichen Baumstämme zögere ich. Wir hauen ab. Unterwegs bedaue-re ich die Entscheidung. Dann stößt plötzlich einer der Arbeiter zuuns. Auf seinem T-Shirt steht Jesus is my rock. Er bietet uns einenPlatz in ihrem Schlafsaal an. Sein Ton klingt vertrauenerweckend.Ein Mann mit großem Herzen. John stellt uns seine Kumpel vor:die superwilds – der große rastalockige Zebulon mit seinem Raub-tierlächeln, der kleine schwarze Paulo, der heruntergekommeneMark. Sie alle sind vom Leben gezeichnet, schlicht und frustriert,doch nicht auf den Mund gefallen, den Umgang mit Weißen aller-dings nicht gewohnt. Nachdem ihre erste Schüchternheit über-wunden ist, kümmern sie sich rührend, machen zwei Betten füruns frei, bewachen uns in der Gemeinschaftsdusche. Sonia ist zu-erst dran. Zebulon steht vor der Tür. Als ich meine Socken wasche,taucht ein Typ auf. Zebulon stoppt ihn: »Drinnen duscht eineWeiße!« Der andere fühlt sich verschaukelt: »Du hast zu viel ge-raucht!« Und öffnet die Tür.

Sonia stößt einen Schrei aus, der Mann schlägt die Tür zu undwendet sich erschrocken ab, als hätte er einen rosa Elefanten gese-hen. Alles lacht. Der Typ bekommt ein Bier, und während Zebulonuns eine vegetarische Pizza zubereitet, erzählt er von der Religionder Rastafaris, die auf den äthiopischen Kaiser Haile Selassiezurückgeht. Als ich ihm sage, dass wir dort vorbeikommen werden,umarmt er mich herzlich.

Diese Nacht wird ordentlich geschnarcht.

Am nächsten Morgen steht die Sonne schon hoch am Himmel, alswir einen steilen Hügel erklimmen, von dem schwerer Verkehrs-lärm herunterschallt. Plötzlich stehen wir inmitten von Abgasen.Wir sind entsetzt. Zwei Typen wollen uns im Auto mitnehmen. Wirlehnen ab.

Es ist unsere erste Verweigerung. Hart, aber gut. Sie stärkt unse-re Überzeugung, vertreibt den Zweifel. Denn den gibt es, natürlich!Warum nicht früher ankommen, die Zeit zum Ausruhen nutzen?Warum die Zeit mit Wandern verschwenden, bei dieser Bullen-hitze?

Im Gehen liegen das Interesse, der Unterschied, die Kraft und

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der Luxus unseres Projektes. Kein Glaube ohne Zweifel. Wir müs-sen daran glauben. Auch wenn ich in der rechten Ferse die Anfängeeiner Tendinitis spüre und Sonia ihre fünfte Blase aufsticht.

Am Abend versuchen wir unser Glück in Constantia, demMilliardärsviertel am Kap. Sonia ist beunruhigt. Man wird unswegjagen!

Das Tor wird elektrisch geöffnet. Unentschlossen gehen wir einevon Blumen gesäumte Allee hinauf. Und werden von einem ver-gnügten Riesen empfangen. Wir äußern unser Anliegen. Er brichtin ein bewunderndes Lachen aus und mutmaßt, wir seienFranzosen. »Seid ihr alle so verrückt?«

Minuten später ergehen wir uns in einem Pool à la Hollywoodund schlürfen Gingerale. Morgan, der Lebensgefährte, kommt aufeinem wunderschönen Vollblut angeritten. Sean und Morgan sindInnenarchitekten. Ihre Geschäfte laufen glänzend. Morgen fliegensie nach Österreich, zum Skilaufen.

Sie empfehlen uns anstelle der Autobahn den »Contour Path«,einen Wanderweg durch den Wald um den Tafelberg herum bisnach Kapstadt.

Dann stellen sie uns ihre Familie vor: drei Dalmatiner und eineSiamkatze, sehr verspielt …

Als wir aus dem Wasser steigen, stößt Sean einen Schrei aus.Unsere Körper sind vom Vorabend mit Flohstichen übersät! DieHaustiere kommen wie ein Wirbelwind angefegt und stoßen unse-re Cocktailgläser um. In diesem Gedränge gibt es gleich ein nächs-tes Glas, etwas Puder auf die Stiche, eine Arnikasalbe für Pferde aufmeine Waden und ein Senfkörnerfußbad für Sonia. Wer sagt hier,die Franzosen seien verrückt? Afrika zu Fuß – unsere Unterneh-mung lässt sich gut an.

Nach einem verschwenderischen Frühstück verlassen wir un-sere beiden liebenswürdigen Gastgeber, durchqueren die Gärten von Kirstenbosh und stoßen auf den Contour Path, der uns durcheinen wunderbaren Mischwald aus duftendem Bambus, Eichen,Japan-Ahorn, Kiefern, Eukalyptus, Gummi- und Teakbäumen undyellowwoods, den typischen uralten Baumriesen Südafrikas, führt.Eine märchenhafte Welt!

Der Großstadtlärm schallt herauf. Wir umrunden den Tafelbergund dringen am Nachmittag von oben her in den city bowl. In derFerne zeichnet sich die »Waterfront« mit den historischen Hafen-becken ab, in denen einst die Schiffe auf dem Weg nach IndienZwischenstopp einlegten. Vier Tage haben wir bis nach Kapstadt

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gebraucht und eine Mischung aus Mittelmeer und BritischemKönigreich vorgefunden, denn diese Halbinsel ist sehr weiß. Ganzunerwartet. Ein anderes Afrika.

Ryan Searle, ein entfernter Vetter, empfängt uns in seinem Haus. Wir nutzen die Gelegenheit, unsere Ausrüstung durchzuse-hen, unsere Socken aus Hightech-Fasern gegen die guten selbst ge-strickten aus Wolle zu tauschen, Klettverschlüsse und Gurte an dieRucksäcke zu nähen, damit sie besser sitzen, die Zahl der Zahn-bürsten zu halbieren, die Reißverschlüsse durch Bindfäden zu er-setzen und überall wertvolles Gewicht zu sparen. Wir werfen Bal-last ab.

Schließlich wiegen unsere Rucksäcke jeweils acht Kilo: einein-halb die Wasserflasche, drei Kilo und 100 Gramm unsere Technik– Videokamera, Kassetten, eine Batterie, ein Telefon mit E-Mail-Empfang, 500 Gramm der Schlafsack, dazu eine halbe Isomatte,ein T-Shirt und eine Hose für die Nacht, zwei Unterhosen und einPaar Ersatzsocken. Das ist alles. Und das ist schon zu viel!

Dazu entbehrlicher Luxus: eine ultraleichte Decke aus Vlies,ein Regencape aus Fallschirmseide und ein Teleskop-Wander-stab. Das letzte Kilo wird von einem Tagebuch, einem Minikultur-beutel, einer winzigen Reiseapotheke, einer Stirnlampe und einerBlockflöte beansprucht. Ein Minimum fürs Maximum! Und wohl-gemerkt: keine Kleidung zum Wechseln, keine Lebensmittel.

Am Sonntag bei Sonnenaufgang verlassen wir Kapstadt auf derVoortrekker Road, welche schon zu Beginn des 18. Jahrhundertsvon den Buren mit ihren Ochsenkarren zwecks Kolonisierung desHinterlandes befahren wurde. Man hat uns ausreden wollen, dieStadt per pedes zu verlassen. Wer hatte uns nicht alles eingeredet,wir würden es nicht heil schaffen! Es ist eine Frage des Timings.Am Sonntagmorgen schlafen die Bösewichte ihren Rausch aus! DieStraße verläuft schnurgerade. Fünf Kilometer läuft sie an einemFriedhof entlang. Selbst die Toten liegen in diesem Land getrennt:hier die Grabsteine der Juden, dort die Gruften der Briten, weit wegdie Steine des Muslime, und schließlich die Reihen weißer Holz-kreuze auf frisch geebnetem Grund. Vor den Toren des Friedhofesfür die Schwarzen stehen die Leichenwagen Schlange. Offensicht-lich wird hier mehr gestorben. Voller Kummer denke ich an dieseToten, die hier zum ersten und zum letzten Mal mit einer Limou-sine fahren.

Mittags werden wir von Richard Erasmus angehalten, einem

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schwarzen Taxifahrer, der uns ermahnt, nicht in diesem Stadtteilherumzuwandern, welcher einen schlechten Ruf habe, und der unszum Essen einlädt. Wir steigen ein, nicht ohne zu vereinbaren, dasser uns wieder herauslässt, wo er uns aufgegabelt hat. Er ist einver-standen.

Bei einem gebratenen Fisch in einem gepflegten Einfamilien-haus inmitten von Chaos schimpft der rundliche Fünfzigjährige,dass er die Schwarzen verachtet, weil sie die Probleme am Kapheraufbeschworen haben. Er als colored hätte schon immer ge-meinsame Sache mit den Weißen gemacht …

Betroffenheit.Wir erfahren so von der Bedeutung der »Farbigen« als Nach-

fahren der niederländischen und französischen Pioniere, die sicheinst mit den Hottentotten, den Khoisan, den Indern und denGefangenen aus Malaysia mischten. Ihre Haut variiert in der Tö-nung von Katzenzungen über Honig bis zum Schokoladenku-chen. Sie sprechen Afrikaans und pflegen ihre eigenen Sitten undBräuche. Und laut Richard stehen sie stets zwischen Weiß undSchwarz. »Wie die Mitte eines Sandwichs«, sagt Richard, »früherwar die Weißen oben, jetzt sind es die Schwarzen.«

Die coloreds sind dafür bekannt, dass sie freitagsabends ordent-lich einen zur Brust nehmen. Richard hat auch gleich eine Ausredeparat: das System des tot, das den Weinbauern erlaubt, einen Teildes Lohnes in Naturalien auszuzahlen. Schlechte Angewohnheitenlassen sich nur schwer abgewöhnen. Richard gibt unumwundenzu, dass die Gewalt ein großes Problem seiner Gemeinschaft ist.Vor zwei Jahren hat er seinen Ältesten verloren. Steve war ein mus-tergültiger Junge und wurde am Strand rücklings erstochen, ohnejeglichen Grund. Auch zeigt uns der Vater seinen vernarbten Hals– die Spuren einer Glasscherbe, weil er versucht hatte, zwei aufge-brachte Jugendliche zu trennen: »Der Alkohol ist das Kreuz meinesVolkes!«

Wir setzen unseren Weg in Richtung der Weinberge von Stel-lenbosch und Franshoek fort, die einst von aus Frankreich geflohe-nen Hugenotten angelegt und mit Merlot, Cabernet und den süd-afrikanischen Pinotage-Trauben bepflanzt wurden. Die Weine sinddort dem lokalen Wind namens Cape Doctor und der erbarmungs-losen Sonne ausgesetzt und schmecken ähnlich wie Portwein.

Die Universitätsstadt Stellenbosch heißt auch die »Stadt derEichen«. Kalksteinkirchen thronen in den Parks, auf deren WiesenVäter ihre Sprösslinge im Cricketspiel unterweisen. Bei ihrer

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Gründung 1680 war Stellenbosch die erste Stadt im Binnenland.Die alten, mit Glyzinien bewachsenen Cottages im holländischenStil säumen noch heute die großzügigen Alleen. Auch sieht manhier – wie in Europa – so manches Reetdach. Und überall wunder-schöne Eichen!

Wir treffen den jungen französischen Aristokraten Stéphane deSaint-Salvy, seines Zeichens Önologe, der gerade eine de Villiersgeheiratet hat, deren Familie seit drei Jahrhunderten in Afrikaansässig ist. Das Paar verleiht den lokalen Spiers-Weinen denFrench touch. Sie wohnen außerhalb in einem Haus von 1781.Stéphane ist ein Träumer, Karine ein Blondschopf mit funkelndenblauen Augen. Sie führen uns an diesem Abend ein in das Ritualdes braai, der südafrikanischen Variante des Freiluftgrillens.

Für ein Kilo Rindfleisch zahlt man drei oder vier Euro. DieseGelegenheit muss genutzt werden! Und beim Wenden des Fleischeswird vom idealen Leben geträumt: ein halbes Jahr hier, das anderehalbe Jahr in Frankreich. Dann hätte man zwei Ernten.

Auf dem Etikett der Flaschen von Nachbar Reynecke findet sichein augenzwinkernder Verweis auf unsere Wanderung: einFaustkeil, wie er nebst anderen prähistorischen Werkzeugen in denWeinbergen gefunden wurde. Die Kapregion war über 30 000 Jahrevon Jägern und Sammlern bewohnt. Daran sollten sich dieSchwarzen wie die Weißen erinnern, die sich hier wie die erstenMenschen aufführen… Historiker gaben dieser Urbevölkerung dieBezeichnung strandlopers, denn sie lebte an den Stränden und vor-nehmlich von den Früchten des Meeres. Von ihnen stammen diespäteren Khoi Khoi, Griquas und andere Khoisan-Ethnien ab.

Am nächsten Tag geht es durch Farmland und Weinberge weiter inRichtung Franshoek, die »Ecke der Franzosen«. Wir lesen vertrau-te Namen: Languedoc, La Cigale, La Petite Ferme … Das maleri-sche Tal wird von den Drakensteinbergen begrenzt.

An diesem Abend holt uns David de Villiers, der junge Brudervon Karine, von der Straße ab. Wir schlafen auf seiner historischenFarm, die 1688 von einem Vorfahren errichtet wurde. Er hat denBetrieb vor ein paar Jahren wieder aufgenommen. Ein harter Job.

Das Haus mit Blick ins Tal wird von riesigen Bäumen beschat-tet. Pfauen kreischen unter dem roten Abendhimmel, und aus denWiesen steigen immer wieder Schwärme gackernder Perlhühnerauf. Die brüchigen Fensterläden stehen offen, und die Säulen derVeranda beschwören sehnsuchtsvoll die guten alten Zeiten. Das

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