Sonnenwende

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Sonnenwende Äquator Tageslänge Beleuchtung der Erde am 21. Juni nördl. Wendekreis 23,5° n. B. nördlicher Polarkreis 66,5° n. B. südl. Wendekreis 23,5° s. B. südl. Polarkreis 66,5° s. B. N S 6 Monate (Polartag) 24 Stunden 13½ Stunden 12 Stunden 10½ Stunden Polarnacht (für 6 Monate) 0 Stunden Tageslänge (Sonne im Zenit) Ekliptik ε≈23,44° Die Tageslänge am 21. Juni auf verschiedenen Breitenkreisen Eine Sonnenwende oder Sonnwende (lateinisch solsti- tium, griechisch ἡλιοστάσιον hēliostásion “Stillstand der Sonne”) findet zweimal im Jahr statt. Zur Wintersonnen- wende – auf der Nordhalbkugel der Erde am 21. oder 22. Dezember – erreicht die Sonne die geringste Mittagshöhe über dem Horizont, während der Sommersonnenwende am 20., 21. oder 22. Juni (an Orten nördlich des nördli- chen Wendekreises) ihren mittäglichen Höchststand über dem Horizont. Auf der Südhalbkugel sind die Verhältnis- se umgekehrt. Während des dortigen Winters ist auf der Nordhalbkugel Sommer. Bei einer Sonnenwende erreicht die Sonne im Lauf ei- nes Sonnenjahres den größten nördlichen oder südlichen Abstand vom Himmelsäquator. In diesem Augenblick kehrt die Sonne ihre durch die Schiefe der Ekliptik be- wirkte Deklinationsbewegung um und nähert sich wieder dem Himmelsäquator. Diese maximale Deklination erreicht sie jedes Jahr zweimal: einmal nördlich und einmal südlich des Him- melsäquators; je nach Hemisphäre (also Nord- oder Südhalbkugel der Erde) spricht man dabei jeweils von der Sommer- oder Wintersonnenwende. [1] 1 Astronomische Grundlagen 1.1 Definition Die genaue Definition lautet: Die Sonnenwenden sind die Zeitpunkte, in denen die scheinbare geozentrische ekliptikale Länge der Sonne 90° oder 270° beträgt. Scheinbar heißt: unter Berücksichtigung von Aberration und Nutation. Geozentrisch heißt: von einem fiktiven Beobach- ter im Erdmittelpunkt aus gesehen. Die Definition ist also unabhängig vom Standort eines realen Be- obachters; die Sonnenwenden treten daher weltweit zum selben Zeitpunkt ein (der aber je nach örtlicher Zeitzone verschiedenen Uhrzeiten entspricht). Die zwei Zeitpunkte fallen bis auf wenige Minuten mit jenen Zeitpunkten zusammen, in denen die Sonne ihre größte nördliche oder südliche Deklination – etwa 23° 26' 20” – und damit ihre nördlichste oder südlichste Stellung auf der Himmelskugel erreicht. Der geringe Zeitunter- schied resultiert aus dem Umstand, dass es eigentlich das Baryzentrum des Erde/Mond-Systems ist, das sich gleich- mäßig in der „Erd“bahnebene (Ekliptik) um die Sonne bewegt, während die Erde selbst diesen Schwerpunkt um- kreist und sich in der Regel etwas oberhalb oder unter- halb dieser Ebene befindet. Vom Geozentrum aus gese- hen läuft die Sonne daher nicht exakt auf der Ekliptik (sie hat eine ekliptikale Breite ungleich null). Sie passiert deshalb zum einen nicht exakt den nördlichsten bzw. süd- lichsten Punkt der Ekliptik, zum anderen führt ihre ver- änderliche ekliptikale Breite dazu, dass die maximale De- klination in der Regel nicht genau an den Sonnwendpunk- ten angenommen wird. 1.2 Folgerungen Jahreslauf der Erde um die Sonne. Ganz links: Sommer auf der Nordhalbkugel. Ganz rechts: Winter auf der Nordhalbkugel. Die Sonnenwenden markieren den Beginn des astrono- mischen Sommers bzw. des astronomischen Winters. Wenn die Sonne ihre größte nördliche oder südliche De- klination von 23,4° erreicht, steht sie senkrecht über den so genannten Wendekreisen der Erde (nämlich den 1

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Sonnenwende

Äquator

TageslängeBeleuchtung der Erde am 21. Juni

nördl. Wendekreis23,5° n. B.

nördlicher Polarkreis66,5° n. B.

südl. Wendekreis23,5° s. B.

südl. Polarkreis66,5° s. B.

N

S

6 Monate (Polartag)

24 Stunden

13½ Stunden

12 Stunden

10½ Stunden

Polarnacht(für 6 Monate) 0 Stunden Tageslänge

(Sonne im Zenit)

Ekliptikε≈23,44°

Die Tageslänge am 21. Juni auf verschiedenen Breitenkreisen

Eine Sonnenwende oder Sonnwende (lateinisch solsti-tium, griechisch ἡλιοστάσιον hēliostásion “Stillstand derSonne”) findet zweimal im Jahr statt. ZurWintersonnen-wende – auf der Nordhalbkugel der Erde am 21. oder 22.Dezember – erreicht die Sonne die geringste Mittagshöheüber dem Horizont, während der Sommersonnenwendeam 20., 21. oder 22. Juni (an Orten nördlich des nördli-chen Wendekreises) ihren mittäglichen Höchststand überdem Horizont. Auf der Südhalbkugel sind die Verhältnis-se umgekehrt. Während des dortigen Winters ist auf derNordhalbkugel Sommer.Bei einer Sonnenwende erreicht die Sonne im Lauf ei-nes Sonnenjahres den größten nördlichen oder südlichenAbstand vom Himmelsäquator. In diesem Augenblickkehrt die Sonne ihre durch die Schiefe der Ekliptik be-wirkte Deklinationsbewegung um und nähert sich wiederdem Himmelsäquator.Diese maximale Deklination erreicht sie jedes Jahrzweimal: einmal nördlich und einmal südlich des Him-melsäquators; je nach Hemisphäre (also Nord- oderSüdhalbkugel der Erde) spricht man dabei jeweils von derSommer- oderWintersonnenwende.[1]

1 Astronomische Grundlagen

1.1 Definition

Die genaue Definition lautet: Die Sonnenwenden sinddie Zeitpunkte, in denen die scheinbare geozentrischeekliptikale Länge der Sonne 90° oder 270° beträgt.

• Scheinbar heißt: unter Berücksichtigung vonAberration und Nutation.

• Geozentrisch heißt: von einem fiktiven Beobach-ter im Erdmittelpunkt aus gesehen. Die Definitionist also unabhängig vom Standort eines realen Be-obachters; die Sonnenwenden treten daher weltweitzum selben Zeitpunkt ein (der aber je nach örtlicherZeitzone verschiedenen Uhrzeiten entspricht).

Die zwei Zeitpunkte fallen bis auf wenige Minuten mitjenen Zeitpunkten zusammen, in denen die Sonne ihregrößte nördliche oder südliche Deklination – etwa 23° 26'20” – und damit ihre nördlichste oder südlichste Stellungauf der Himmelskugel erreicht. Der geringe Zeitunter-schied resultiert aus dem Umstand, dass es eigentlich dasBaryzentrum des Erde/Mond-Systems ist, das sich gleich-mäßig in der „Erd“bahnebene (Ekliptik) um die Sonnebewegt, während die Erde selbst diesen Schwerpunkt um-kreist und sich in der Regel etwas oberhalb oder unter-halb dieser Ebene befindet. Vom Geozentrum aus gese-hen läuft die Sonne daher nicht exakt auf der Ekliptik(sie hat eine ekliptikale Breite ungleich null). Sie passiertdeshalb zum einen nicht exakt den nördlichsten bzw. süd-lichsten Punkt der Ekliptik, zum anderen führt ihre ver-änderliche ekliptikale Breite dazu, dass die maximale De-klination in der Regel nicht genau an den Sonnwendpunk-ten angenommen wird.

1.2 Folgerungen

Jahreslauf der Erde um die Sonne. Ganz links: Sommer auf derNordhalbkugel. Ganz rechts: Winter auf der Nordhalbkugel.

Die Sonnenwenden markieren den Beginn des astrono-mischen Sommers bzw. des astronomischen Winters.Wenn die Sonne ihre größte nördliche oder südliche De-klination von 23,4° erreicht, steht sie senkrecht überden so genannten Wendekreisen der Erde (nämlich den

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2 1 ASTRONOMISCHE GRUNDLAGEN

Breitenkreisen auf 23,4° nördlicher bzw. südlicher Brei-te). Sie steht also

• am 21. Juni über dem nördlichenWendekreis (Som-mersonnenwende auf der Nordhalbkugel, Winter-sonnenwende auf der Südhalbkugel),

• am 21. oder 22. Dezember über dem südlichenWendekreis (Wintersonnenwende auf der Nord-halbkugel, Sommersonnenwende auf der Südhalb-kugel).

Für beide Erdhalbkugeln gilt jeweils: Zur Winterson-nenwende erreicht die Sonne im Jahreslauf ihren tiefs-ten Stand in Bezug auf den Meridiandurchgang. Zu die-sem Zeitpunkt herrscht der kürzeste Tag und die längsteNacht, weil der größere Teil der täglichen Sonnenbahnunterhalb des Horizonts liegt. Umgekehrt erreicht dieSonne zur Sommersonnenwende ihren höchsten Stand.Zu diesem Zeitpunkt herrscht der längste Tag und diekürzeste Nacht, weil der größere Teil der täglichen Son-nenbahn oberhalb des Horizonts liegt.Nahe den Polarkreisen gibt es zur Wintersonnenwen-de einen Tag ohne Sonnenaufgang sowie zur Som-mersonnenwende einen Tag ohne Sonnenuntergang(Mitternachtssonne, „Weiße Nächte“). Weiter polwärtsherrscht dann wochen- bis monatelang der Polartag bzw.am anderen Pol die Polarnacht. Während dieser Zeiträu-me liegt die tägliche Sonnenbahn vollständig oberhalbbzw. unterhalb des Horizonts.Zwischen den Sonnenwenden überschreitet die Sonnejeweils den Himmelsäquator und steht dann senkrechtüber dem Äquator der Erde. Diese Zeitpunkte sinddie Äquinoktien oder Tagundnachtgleichen. Äquinoktienund Sonnenwenden stellen den Beginn der jeweiligen as-tronomischen Jahreszeiten dar.Obwohl der Tag der Wintersonnenwende der kürzesteTag ist, tritt der früheste Sonnenuntergang bereits et-wa zehn Tage früher und der späteste Sonnenaufgangerst etwa zehn Tage später ein. Ursache hierfür ist dieZeitgleichung. Zur Sommersonnenwende macht dieserEffekt analog etwa vier Tage aus.

1.3 Datum

Weil das Sonnenjahr knapp sechs Stunden länger ist alsdas kalendarische Gemeinjahr mit genau 365 Tagen, ver-schiebt sich der Zeitpunkt der Sonnenwenden in Jahren,die keine Schaltjahre sind, um etwa sechs Stunden zu spä-teren Uhrzeiten. In einem Schaltjahr (z. B. 2012, 2016,2020; in der Tabelle fett hervorgehoben) springt der Ter-min zum Ausgleich wieder um etwa 18 Stunden zurück.In der Mitteleuropäischen Zeitzone fällt die Sommerson-nenwende gegenwärtig stets auf den 21. Juni. Im 20. Jahr-hundert konnte sie auch am 22. Juni eintreten. Im 21.Jahrhundert wird sie ab 2020 manchmal am 20. Juni sein,

weil die Schaltregel (365,2425 Tage) die tatsächliche Jah-reslänge (365,2422 Tage) nur näherungsweise darstellenkann. Ohne die Gregorianische Kalenderreform würdesich ihr Datum pro Jahrtausend um sieben bis acht Ta-ge verschieben. Diese Verkürzung erfolgte dadurch, dass– abweichend von der Schaltregel des Julianischen Ka-lenders – die Säkular-Jahre (das sind Jahre, deren Zahldurch 100 teilbar ist) keinen Schalttag mehr erhalten, essei denn, die Jahreszahl ist durch 400 teilbar.Die Wintersonnenwende fällt in der MitteleuropäischenZeitzone gegenwärtig etwa gleich häufig auf den 21. und22. Dezember. Bis 2099 wird es häufiger der 21. Dezem-ber werden, aber nach 2100 gleicht sich das wieder aus,weil 2100 kein Schaltjahr ist.Weitere Details hierzu siehe im Artikel Jahreszeit.

1.4 Winterpunkt und Sommerpunkt

Im Moment der Wintersonnenwende steht die Sonneim Vergleich zu den Hintergrundsternen im sogenanntenWinterpunkt – jenem Punkt der Ekliptik, der genau 90°vom Frühlingspunkt entfernt ist (Rektaszension = 18h).Er liegt derzeit im Sternbild Schütze (lat.: sagittarius); et-wa in dieser Richtung liegt auch das galaktische Zentrum.Analog dazu steht die Sonne imMoment der Sommerson-nenwende im sogenannten Sommerpunkt (Rektaszension= 6h) im Sternbild Stier.Durch die Präzession der Erdachse wandern der Winter-punkt und der Sommerpunkt im Laufe von 25.780 Jah-ren (Zyklus der Präzession) einmal durch den gesamtenTierkreis. So lag der Winterpunkt in der Antike nochim Sternbild Steinbock (deshalb auch „Wendekreis desSteinbocks“) und wird sich in etwa 300 Jahren ins Stern-bild Schlangenträger verschieben.Der Sommerpunkt lag in der frühen Antike im SternbildKrebs (deshalb auch „Wendekreis des Krebses“), seineWanderung ist in der folgenden Tabelle über einen gan-zen Zyklus der Präzession dargestellt. Legt man die mo-dernen Grenzen der Sternbilder zu Grunde, dann befindeter sich in folgenden Sternbildern:dient dem Zeilenumbruch, bitte nicht entfernen

ImWinkel von 90° zum Sommerpunkt und Winterpunktliegen jeweils der Frühlingspunkt (Rektaszension = 0h)und der Herbstpunkt (Rektaszension = 12h), in denen dieSonne beim Äquinoktium steht.

1.5 Solstitiallinie

Die Verbindungslinie zwischen den Positionen der Erdezum Zeitpunkt der Sommersonnenwende und der Win-tersonnenwende wird Solstitiallinie genannt. Diese Li-nie geht also mitten durch die Sonne hindurch, ihre Ver-längerung außerhalb der Erdbahn durch den Sommer-

Page 3: Sonnenwende

2.2 Feste und Feiern 3

punkt und den Winterpunkt. Sie steht senkrecht auf derÄquinoktiallinie.

2 Geschichtliches und Kulturelles

2.1 Jahreszeiten

Die Sommersonnenwende wird in vielen Ländern, wiein Mitteleuropa und den USA, als Beginn der JahreszeitSommer gesehen. In Irland hingegen wird der Zeitraumvom 1. Mai (siehe auch Beltane) bis zum 31. Juli alsSommer betrachtet; die Sommersonnenwende liegt alsoetwa in der Mitte der Jahreszeit. In vielen Ländern, indenen heute der kalendarische Sommer am 20./21. Junibeginnt, wird der Tag der Sommersonnenwende dennochals Mittsommer bezeichnet, was möglicherweise auf ei-nen alten gemeinsamen steinzeitlichen Kalender zurück-geht. Im Belchen-System geht zum Beispiel die Sonne zurSommersonnenwende vom Elsässer Belchen aus gesehenüber dem nordöstlich gelegenen Kleinen Belchen auf, wasdie Bestimmung des Zeitpunkts der Sommersonnenwen-de unabhängig von anthropogenen Objekten ermöglicht.

2.2 Feste und Feiern

Die Verehrung der Sonne und des wiederkehrenden Lich-tes geht auf Traditionen in prähistorischer Zeit zurück.[2]Die Sonne hatte essentielle Bedeutung für das irdischeÜberleben. Die Sommersonnenwende trug einen Aspektdes Todes und der Vergänglichkeit in sich. Dem gegen-über standen die längerwerdenden Tage nach der Win-tersonnenwende, die Leben und Auferstehung verkör-perten. Diese Wendepunkte schlugen sich entsprechendin Ritus und Mythologie nieder.[3] Bemerkenswert ist,dass die Sonne im abendländischen Kulturkreis immerdem männlichen Prinzip zugeordnet ist, jedoch hier ei-ne Ausnahme im germanischen Sprachraum besteht, wel-cher in der Sonne die Mutter sieht.[3] Schon der Turmvon Jericho aus dem 9. Jahrtausend v. Chr. deutet aufdie Kenntnis der Sommersonnenwende hin, und spä-tere steinzeitliche Kultstätten wie Stonehenge erfasstendiesen Zeitpunkt mittels der relativ leicht feststellbarenAuf- und Untergangspunkte der Sonne, die zu Winterbe-ginn etwa im Südosten bzw. Südwesten liegen. Auch dieHimmelsscheibe von Nebra als wichtiger bronzezeitlicherFund dokumentiert die Sonnenwende.Da ab 21./22. Dezember die Tage wieder länger werden,war die Wintersonnenwende in vielen antiken und früh-mittelalterlichen Kulturen ein wichtiges Fest, das oft einpaar Tage vor bzw. nach dem Datum der tatsächlichenSonnenwende gefeiert wurde. Zur Zeit der Einführungdes Julianischen Kalenders lagen die Sonnenwenden aufdem 25. Dezember und dem 24. Juni.Dass Kaiser Aurelian im 3. Jahrhundert den 25. De-zember zum reichsweiten »dies natalis solis invicti« er-

klärt haben soll, ist in der jüngsten Forschung umstrit-ten. Lange Zeit hielt man das christliche Weihnachts-fest (»die Geburt der wahren Sonne« Jesus Christus)für eine Überprägung des römisch-heidnischen Kaiser-und Sonnenkults. Heute geht man von einer paralle-len Entwicklung aus. Der Tag der Wintersonnenwen-de wurde wahrscheinlich durch die Christen zuerst be-setzt, da kein paganes Hochfest zu diesem Zeitpunkt statt-fand. Für das Jahr 354 ist die erste gesicherte Erwähnungdes heidnischen Festes »Sol invictus« in der Stadt Romnachweisbar.[4] Furius Dionysius Filocalus beschrieb die-sen 25. Dezember als das Datum der Geburt Jesu Christiim Chronograph von 354.[5] Die Entwicklung der Fes-te zu Ehren des jeweiligen Gottes hatten offensichtlichdie gleichen neuplatonisch-solarmythologischen Wurzelnund standen in einem engen Austausch. Beide Seitenassoziierten sich mit der „neu entstehenden Sonne“ zurWintersonnenwende.[4]

Umstritten ist, ob zumindest die nördlichen Germanenum die Wintersonnenwende das Julfest feierten.[2] Die-ses wäre dann mit Feuer- und Lichtsymbolik zur Win-tersonnenwende praktiziert worden.[6][3] Historisch be-legbare schriftliche Zeugnisse sind nur sehr wenige be-kannt, überwiegend in Form von Kalenderstäben mitRunenzeichen.[7]

Das christliche Weihnachtsfest, mit dem die Geburt Jesugefeiert wird, findet heute kurz nach der tatsächlichenWintersonnenwende statt. Diese fällt in etwa zusammenmit dem Thomastag des Heiligenkalenders am 21. De-zember. Seit der Christianisierung Europas werden dieseFeiern oft mit dem Heiligen des 24. Juni, Johannes demTäufer, verbunden, der als besonders machtvoller Heili-ger galt (Johannistag). Einige der Sonnenwendbräuche,die sich bis heute erhalten haben, wie die Johannisfeuer,sind nach ihm benannt. Auch hier liegt das Datum kurznach der tatsächlichen Sommersonnenwende, da nochdas Datum des Julianischen Kalenders benutzt wurde.Zoroastrier sowie muslimische Völker des iranischenKulturkreises und Zentralasiens zelebrieren zur Winter-sonnenwende die Yalda-Nacht.Den Tag der Sommersonnenwende betrachten seit jemanche Menschen als mystischen Tag; manche begehenihn mit weltlichen oder religiösen Feierlichkeiten. Son-nenwendfeste hatten vor allem in den germanischen, nor-dischen, baltischen, slawischen und keltischen Religioneneinen festen Platz.Je größer der Unterschied zwischen dem harten Winterund dem warmen Sommer, desto intensiver wurde vonjeher dieser Tag gefeiert. Im Norden Europas, wo in dersommerlichen Jahreszeit die Nächte gar nicht mehr dun-kel werden (man spricht auch von den Weißen Nächten),haben Sonnenwendfeiern – als Mittsommerfest bezeich-net – mehr Bedeutung als zum Beispiel in Südeuropa.Heidnische oder neuheidnische Religionsgemeinschaftenfeiern am 21. die Sonnenwende, meist auch mit einemFeuer. Teilweise wird dieses Fest als Litha bezeichnet.

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4 3 EINZELNACHWEISE UND FUßNOTEN

Zur Zeit des Nationalsozialismus wurden dieangeblich altgermanischen Sonnenwendfeiern„wiederbelebt“[Anm. 1] und als offizielle Feiertage indie Symbolik von „Volk, Blut und Boden“ integriert,insbesondere durch die SS.Sonnenwendfeiern werden von unterschiedlichenReligions- und Weltanschauungsgemeinschaften wieFreireligiösen und Freidenkern,[8] Vereinen, Parteienwie der SPD,[9] Freiwilligen Feuerwehren, Gemeindenund Tourismusverbänden[10] veranstaltet.[11] In der DDRveranstaltete auch der sozialistische Jugendverband FreieDeutsche Jugend Sonnwendfeiern.[12]

Ein wichtiger Ort für Sonnenwendfeiern sind dieExternsteine. Hieran beteiligen sich unter anderen An-hänger neuheidnischer und esoterischer Gruppen; dieSonnwendfeier zieht jedoch auch Neonazis an.[11]

Aufsehen erregen insbesondere Sonnwendfeiernrechtsextremer Gruppen. Bei der von einem örtlichenVerein ausgerichteten Sonnenwendfeier Pretzien 2006wurden unter anderem eine US-amerikanische Flaggeund ein Exemplar des Tagebuchs der Anne Frankverbrannt, ohne dass die übrigen Anwesenden ein-griffen. Seit diesen Ereignissen werden rechtsextremeSonnenwendfeiern in Deutschland von der Polizei zuneh-mend aufgelöst.[13][14] In der Presse wird vornehmlichüber Sonnwendfeiern politisch rechtsorientierter undrechtsextremer Gruppen berichtet.[15] Auch unter denneuheidnischen Gruppen gibt es solche rechtsextremerOrientierung wie die Artgemeinschaft – GermanischeGlaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestal-tung, die auch 2010 eine Sonnwendfeier veranstaltethat.[16] Für Ásatrú ist das sogenannte Mittsommerfest,nach dem Julfest, das zweitwichtigste Fest im Jahr.[17]

Die südlichste Sommersonnenwendfeier findet seit 1929in der spanischen Region Alicante statt. Das GolowanFest findet in Cornwall statt, wobei Golowan in derkornischen Sprache für Sonnenwende steht. In Indien undNepal findet Ende Dezember/Anfang Januar Makar San-kranti statt.

2.3 Sonstiges

Eratosthenes bestimmte bei einer Sommersonnenwende(Sonnenhöchststand) den Erdumfang.William Shakespeares Komödie A Midsummer Night’sDream (dt. „Ein Sommernachtstraum“) handelt währendeiner Sommersonnenwende in der klassischen Einheitvon Zeit, Ort und Handlung des Geschlossenen Dramas.Neben den beiden anderen nimmt Richard Wagner „dasschöne Fest, Johannistag“ (Bass-Arie) als klassische Ein-heit der Zeit in seiner heiteren OperDie Meistersinger vonNürnberg: Passend zum Bühnengeschehen fand die Ur-aufführung in München am Sonnwendtag 21. Juni 1868statt. An die drei klassischen Einheiten hält sich auchIngmar Bergman in seinem Film von 1955 „Das Lächeln

einer Sommernacht“ (Sommarnattens leende).Das typische Juni-Sommerwetter und die in mittlerenBreiten der Nordhalbkugel noch frühlingshafte Wachs-tumsstimmung in der Natur ist ideal für Freiluftveranstal-tungen aller Art. So ist die Sonnenwende ein willkomme-ner Anlass (und bei manchen bewusster Grund) für Festeoder Feiern um diesen Tag herum.Die größte unorganisierte Sommersonnwendfeier in Eu-ropa findet in Stonehenge statt, die größte Deutschlandsan den Externsteinen.

3 Einzelnachweise und Fußnoten[1] Der Sommer beginnt am 21. Juni; der kürzeste Abstand

Erde-Sonne, das sog. Perihel, wird dagegen Anfang Janu-ar erreicht, woraus explizit hervorgeht, dass es zur Erklä-rung der Jahreszeiten nicht auf den Abstand Erde-Sonne,sondern auf die Neigung („Ekliptik“) der Rotationsachsezur Bahnebene ankommt.

[2] Edgar Charles Polomé: Germanentum und religiöse Vor-stellungen. In: Heinrich Beck (Hrsg.): Germanenproblemeaus heutiger Sicht. Reallexikon der germanischen Alter-tumskunde, Ergänzungsbände, Band 1, de Gruyter, Ber-lin, New York 1999, ISBN 3-11-016439-6, S. 278

[3] Werner Weissmann: Sonne, Gral, Dämonen. Bedeutendeabendländische Symbole in Mythos, Religion und Kunst.WUV Universitätsverlag, Wien 2003, ISBN 3-85114-778-2, S. 267f (online auf books.google.de).

[4] Gregor Rohmann: Tanzwut. Kosmos, Kirche undMensch in der Bedeutungsgeschichte eines mittelalterli-chen Krankheitskonzeptes. Vandenhoeck & Ruprecht,Göttingen 2013, ISBN 978-3-525-36721-6, S. 267f(online auf books.google.de).

[5] Susan B. Roll: Toward the Origins of Christmas, Kampen1995, ISBN 90-390-0531-1, S. 83 ff.

[6] Hans Förster: Die Feier der Geburt Christi in der Al-ten Kirche: Beiträge zur Erforschung der Anfänge desEpiphanie- und Weihnachtsfests. Mohr Siebeck, Tübin-gen 2000, ISBN 3-16-147291-8, S. 116 (siehe FußnoteNr. 8: Auch die heidnischen Germanen feierten zur Zeitder Wintersonnenwende ein großes Freudenfest, das so-genannte Julfest, online auf books.google.de).

[7] Andreas Nordberg: Jul, disting och förkyrklig tideräkning.(PDF; 2,1 MB) Kalendrar och kalendarisk riter i det för-kristna Norden. Uppsala 2006, S. 65.

[8] Die Krux mit den Ritualen. Von weltlichen Alternativenzu kirchlichen Angeboten. In: NZZ online, 4. Dezember2009, abger. am 23. Juni 2010.

[9] SPD-Ortsverein Lenting: Auch bei der 27. Lentinger Sonn-wendfeier wurde wieder „gezündelt“. abger. 23. Juni 2010.

[10] Sommersonnenwende: Die Sommersonnenwende in derWachau und im Nibelungengau.

[11] Spiel mit dem Feuer. In: Der Stern. 21. Juni 2010.

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[12] Dresden. Sonnwendfeier der FDJ am Neustädter Elbufermit Blick auf Altstadtsilhouette, Juni 1960

[13] Keine Sonnenwendfeier für rechte Szene. In: FrankfurterRundschau. 21. Juni 2009, abger. am 21. Juni 2010

[14] Sachsen-Anhalt. Polizei beendet Sonnenwendfeiern vonRechtsextremisten. Auf: Spiegel-online 22. Juni 2008, ab-ger. 23. Juni 2010.

[15] Escheder Hof wird zum Treffpunkt der Neonazi-Szene.Auf:Welt-online 16. Juni 2009, abger. am 23. Juni 2010

[16] Sonnenwende im Hufhaus. Auf: Blick nach Rechts, übereine Sonnwendfeier der rechtsextremen Artgemeinschaft,abger. 23. Juni 2010.

[17] Fritz Steinbock: Das Heilige Fest. Rituale des Traditionel-len Germanischen Heidentums in heutiger Zeit.Daniel Jun-ker Verlag, 2004, S. 125.

4 Anmerkungen[1] (…) So laßt uns denn an dem uraltheiligen Gebrauche

der Sonnwendfeier festhalten. Das Sonnwendfeuer aber seiuns die Loderglut, der wir alles undeutsche Wesen über-weisen, auf daß sie es verzehre. (…) Aus: Aurelius Pol-zer: Sonnenwende. In: Marburger Zeitung, Nr. 69/1900,21. Juni 1900, S. 1 f. (Online bei ANNO). — AureliusPolzer (1848–1924) gehört zu den geistigen Wegbereiterndes Nationalsozialismus. Aus: K(arl)-H(einz) Burmeister:Polzer Aurelius. In: Österreichisches Biographisches Lexi-kon 1815–1950 (ÖBL). Band 8, Verlag der Österreichi-schen Akademie der Wissenschaften, Wien 1983, ISBN3-7001-0187-2, S. 189.

5 Weblinks

Wiktionary: Sonnenwende – Bedeutungserklärun-gen, Wortherkunft, Synonyme, ÜbersetzungenNormdaten (Sachbegriff): GND: 4369408-1

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6 6 TEXT- UND BILDQUELLEN, AUTOREN UND LIZENZEN

6 Text- und Bildquellen, Autoren und Lizenzen

6.1 Text• Sonnenwende Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Sonnenwende?oldid=145527214 Autoren: Jed, Aka, Rivi, WolfgangRieger, DenisBarthel, Asthma, Geof, Zwobot, Wolfgang1018, Arcy, Ninjamask, Hadhuey, Zumbo, Zinnmann, Mike Krüger, Freiburger26, StYxXx,Hardenacke, Acf, Sicherlich, Martin-vogel, Ot, Gerhardvalentin, Ri st, Chrisfrenzel, Hi-Lo, Johannes Rohr, Mana, Florian Blaschke, S.K.,Elchjagd, Hansele, Joni2, Marilyn.hanson, Zwoenitzer, Rhododendronbusch, Polarlys, Rax, Ukuechle, Jergen, FlaBot, Saperaud, Sybilla,Jodo, Fiege, AchimP, Zombi, RedBot, Talaris, Curtis Newton, Huste, Itti, Superhappyboy, Sch, Lappländer, Fingalo, Frumpy, Str1977,Jungpionier, Revontuli, Sechmet, W!B:, Saehrimnir, Dufo, Drachentoeter, Ulm, König Alfons der Viertelvorzwölfte, Progad, Der Lan-ge, Löschfix, Irrtum, WAH, Ironix, Stargaming, PortalBot, FSLEP, Bjs, Cottbus, Cjesch, Mosmas, Costa Blanca, Anahita, Jo Atmon,Rettet den Sonnabend, Ronald M. F., Nicolas17, Kai Burghardt, Franz Halac, Isderion, Carol.Christiansen, Jüppsche~dewiki, Chianti,Nwabueze, Haya~dewiki, Spuk968, Marimah, Dr.cueppers, Leider, Gleiberg, Escarbot, Horst Gräbner, IngaGottschalk, Gohnarch, Od-insjarl, Hybscher, JAnDbot, Nicolas G., Mardil, YourEyesOnly, Sebbot, Boga, AxelStrauss, Numbo3, ThoR, Nobody perfect, AlexanderLeischner, Darkking3, Menrathu, Rosenkohl, House1630, Drasidae, VolkovBot, Lampart, TXiKiBoT, AndreasFahrrad, Membeth, Ai-bot, DanielHerzberg, Regi51, Gereon K., Gierczyk, Idioma-bot, Xformer~dewiki, SieBot, Crazy1880, Loveless, Der.Traeumer, Svíčková,Snoopy1964, JøMa, Aktionsbot, Emdee, Jesi, Rewireable, Alnilam, Pittimann, Nassauer27, Se4598, Kakoui, Reinhard Wenig, Nosce,Estirabot, Dansker, Inkowik, Xeph, PeterZF, Fiat tux, MatEngel, Miliatrix, Laurentianus, Oberlaender, Yoshik, Preia, Lenau, NjardarBot,Master Uegly, Thorn42, ³²P, Komischn, Pappenheim, Luckas-bot, Jotterbot, Xqbot, Howwi, Isheden, The Brainstorm, RibotBOT, Pölk-kyposkisolisti, PradeSB, Jivee Blau, VJS~dewiki, Earnest B, Meier99, Shivastar, Baird’s Tapir, Antonsusi, Philas, Dinamik-bot, M.Bmg,TjBot, R*elation, EmausBot, .Mag, Ul1-82-2, Neun-x, Sprachfreund49, MFleischhacker, Grafite, RonMeier, Shiva108, Fiver, der Hell-seher, Verhaal, FA2010, CherryX, Krdbot, Airwave2k2, Kasirbot, Widerborst, MerlIwBot, Std2, Tdiet, Sonne7, Wheeke, Radiojunkie,Leandro da Magonza, Addbot, Astrofreund, Schneckal4677, Christiansen, Carol und Anonyme: 142

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6.3 Inhaltslizenz• Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0