SonntagsBlick Magazin – «Swiss Made in New York»

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MAGAZIN 28. September 2014 6 Thema 7 Am Ende einer Etage in einem Hochhaus- Glaspalast in SoHo befindet sich das Haupt- quartier von Localike. Hier hecken Andreas Leuzin- ger (31) und Simon Mingozzi (30) den perfekten Plan für Touristen aus, die einen massgeschneider- ten New-York-Aufenthalt wünschen. «Wir sind der gute Freund vor Ort, dem du sagst, was dir gefällt, und der dann die besten Orte für dich raussucht», erklärt Simon, einer der beiden Köpfe, die hinter diesem «Reiseservice, den es bis anhin noch nicht gab», stecken. «Wir haben den Anspruch, Tipps zu geben, die nicht im Reise- führer stehen», fügt sein Partner Andreas an. Es geht um Geheimtipps, um «Hidden Places», um versteckte Parks oder um neu eröffnete, angesagte Restaurants und Shops. Die beiden Jungunter- nehmer erfüllen auch Spezialwünsche. Bloss am Auſtrag, ein Treffen mit dem Bürgermeister zu ar- rangieren, haben sie sich die Zähne ausgebissen. Wie kommt es, dass sich zwei Schweizer New- York-Experten nennen? «Durch die vielen Reisen hierher haben wir uns in diese Stadt verliebt und kannten uns langsam richtig gut aus.» Ihre Freunde hätten immer wieder gefragt: Wo wart ihr dieses Mal, was könnt ihr empfehlen? «Also dachten wir uns: Warum machen wir das mit den Tipps nicht professionell?» Sowieso hätten die beiden zuvor in Zürich tätigen Marketingfachmänner eine neue Herausforderung gesucht und gespürt, dass sie ihren Horizont erweitern möchten. Mit Visum, Businessplan und Erspartem im Gepäck ging es Ende 2012 auf nach New York. Und das Geschäſt läuſt: Schon bald werden die beiden Senk- rechtstarter Mitarbeiter einstellen, und weitere Städte wollen ihr Konzept übernehmen. Ständig sind Andreas und Simon, die auch privat ein Paar sind, unterwegs auf der Suche nach den neusten Hotspots. Im Moment am liebsten in Greenpoint, Brooklyn. «Das Quartier ist gerade am Erwachen.» Aber als richtige Schweizer wissen sie natürlich auch, wo man in New York Raclette- Käse oder Ragusa findet. «Hier bekommst du alles, auch ein Stückchen Heimat», sagt Simon. Denn die Heimat sieht sie wohl nicht so schnell wieder. Miet-Freunde für Reisende Andreas Leuzinger und Simon Mingozzi wissen, wo in New York Schweizer Spezialitäten wie Ragusa, Elmex oder Raclette- Käse zu finden sind. « Wir sind der Freund vor Ort. Nur den Bürgermeister, den können wir bis jetzt nicht liefern» Simon Mingozzi, Partner Localike Fortsetzung auf Seite 8 Dampfende Heizungsrohre in den Strassen, exorbitante Mieten und ein Lebensgefühl auf der Überholspur. Wie Schweizer es in New York schaffen. VON BENEDIKT LACHENMEIER (TEXT) UND KATJA HEINEMANN (FOTO) S irenengeheul, Pressluft- hammer, Smog. Gefühlte 37 Grad brennen auf die Haut, es ist feucht wie im Dschungel. So fühlt sich der Sommer in jener Stadt an, die 6500 Kilometer entfernt von der Schweiz auf dem gleichen Breiten- grad wie Neapel liegt. Bewaffnet mit Mütze, Schal, Handschuhe und Stiefel finden sich die Bewohner der grössten amerikanischen Met- ropole dann zur kalten Jahreszeit auf der Strasse wieder. Die arkti- schen Luftmassen aus Kanada brin- gen im Winter bis zu minus 20 Grad in die Stadt und lassen selbst im dicksten Wollmantel jedes Knie schlottern. Unabhängig von der Jahreszeit halten sich die Preise auf einem Niveau, das so hoch ist wie die berühmten Wolkenkratzer am Hudson River. Oder wo sonst muss ein Hotdog-Stand-Besitzer über 250 000 Franken hinblättern, nur damit er seinen Verkaufswagen ein Jahr lang in einem Park aufstellen Filme, TV-Serien oder Dokumenta- tionen statt. Ist es diese Illusion, die auch viele Schweizer dazu bringt, für im- mer ihre sieben Sachen zu packen, um sich im Big Apple niederzulas- sen? «Ich glaube», sagt Grafikerin und Bloggerin Tina Roth Eisenberg (40), «alles, was ich hier aufgebaut habe, hätte ich in der Schweiz nicht erreicht.» Roth Eisenberg alias Swiss Miss ist gebürtige Appenzel- lerin und wohnt seit 1999 in New York. Sie schreibt einen Blog, der ein Millionenpublikum erreicht, or- ganisiert Künstlertreffen und führt ein 14-köpfiges Unternehmen, das abwaschbare Tattoos entwirft und verkauft. «Es herrscht hier eine Ma- cher-Mentalität», schwärmt sie. Diese Meinung vertritt auch der Fotograf Marco Grob. «In der schwersten Wirtschaftskrise haben sie hier 1934 das Empire State Buil- ding errichtet, um zu demonstrie- ren: Wir gehen rauf.» Auch er ist oben. Der Oltner por- trätiert für die grössten Magazine der Welt Persönlichkeiten wie darf? Wo zahlt man für eine Vier- zimmerwohnung 7000 Franken, wo kostet das Essen im Supermarkt gleich viel wie im Restaurant? New York ist unerträglich. Und gleichzeitig so anziehend wie kaum eine andere Stadt dieser Welt. Die 8,3-Millionen-Metropole faszi- niert, sie versprüht einen Zauber, der kaum beschreibbar ist. Es heisst, wer es hier schafft, der schafft es überall. So strömen Men- schen von überall hierher, in der Hoffnung auf ein Leben, an das sie nur in ihren kühnsten Träumen zu glauben wagten. Wer es hier schafft ... Bereits Frank Sinatra sang ein Lob- lied auf «die Stadt, die niemals schläft». Tatsächlich fährt die U- Bahn Tag und Nacht, viele Shops sind rund um die Uhr geöffnet, und in den Büros brennen während 24 Stunden die Lichter. Auch die Kreativwirtschaft kennt wohl keinen Feierabend. Jedes Jahr finden alleine auf den grossen und kleinen Strassen von New York 40 000 Shootings für Musikvideos, Andreas Leuzinger (l.) und Simon Mingozzi wissen, wo was läuft. Swiss Made in New York

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New York fasziniert. Auch immer mehr Schweizer versuchen ihr Glück im Big Apple. Ist es die Grösse? Ist es das Chaos? Ist es die Illusion? Ein Versuch, wenigstens ein paar Fragen zu beantworten.

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MAGAZIN28. September 2014 6 Thema 7

Am Ende einer Etage in einem Hochhaus-Glaspalast in SoHo befindet sich das Haupt-

quartier von Localike. Hier hecken Andreas Leuzin-ger (31) und Simon Mingozzi (30) den perfekten Plan für Touristen aus, die einen massgeschneider-ten New-York-Aufenthalt wünschen. «Wir sind der gute Freund vor Ort, dem du sagst, was dir gefällt, und der dann die besten Orte für dich raussucht», erklärt Simon, einer der beiden Köpfe, die hinter diesem «Reiseservice, den es bis anhin noch nicht gab», stecken. «Wir haben den Anspruch, Tipps zu geben, die nicht im Reise-führer stehen», fügt sein Partner Andreas an. Es geht um Geheimtipps, um «Hidden Places», um versteckte Parks oder um neu eröffnete, angesagte Restaurants und Shops. Die beiden Jungunter-nehmer erfüllen auch Spezialwünsche. Bloss am Auftrag, ein Treffen mit dem Bürgermeister zu ar-rangieren, haben sie sich die Zähne ausgebissen. Wie kommt es, dass sich zwei Schweizer New-York-Experten nennen? «Durch die vielen Reisen hierher haben wir uns in diese Stadt verliebt und kannten uns langsam richtig gut aus.» Ihre Freunde hätten immer wieder gefragt: Wo wart ihr dieses Mal, was könnt ihr empfehlen? «Also dachten wir uns: Warum machen wir das mit den Tipps nicht professionell?» Sowieso hätten die beiden zuvor in Zürich tätigen Marketingfachmänner eine neue Herausforderung gesucht und gespürt, dass sie ihren Horizont erweitern möchten.

Mit Visum, Businessplan und Erspartem im Gepäck ging es Ende 2012 auf nach New York. Und das Geschäft läuft: Schon bald werden die beiden Senk-rechtstarter Mitarbeiter einstellen, und weitere Städte wollen ihr Konzept übernehmen. Ständig sind Andreas und Simon, die auch privat ein Paar sind, unterwegs auf der Suche nach den neusten Hotspots. Im Moment am liebsten in Greenpoint, Brooklyn. «Das Quartier ist gerade am Erwachen.» Aber als richtige Schweizer wissen sie natürlich auch, wo man in New York Raclette-Käse oder Ragusa findet. «Hier bekommst du alles, auch ein Stückchen Heimat», sagt Simon. Denn die Heimat sieht sie wohl nicht so schnell wieder.

Miet-Freunde für ReisendeAndreas Leuzinger und Simon Mingozzi wissen, wo in New York Schweizer Spezialitäten wie Ragusa, Elmex oder Raclette- Käse zu finden sind.

«Wir sind der Freund vor Ort. Nur den

Bürgermeister, den können wir bis jetzt nicht liefern»Simon Mingozzi, Partner Localike

Fortsetzung auf Seite 8

Dampfende Heizungsrohre in den Strassen, exorbitante Mieten

und ein Lebensgefühl auf der Überholspur. Wie Schweizer es

in New York schaffen.

VON BENEDIKT LACHENMEIER (TEXT) UND KATJA HEINEMANN (FOTO)

Sirenengeheul, Pressluft-hammer, Smog. Gefühlte 37 Grad brennen auf die Haut, es ist feucht wie im Dschungel. So fühlt sich

der Sommer in jener Stadt an, die 6500 Kilometer entfernt von der Schweiz auf dem gleichen Breiten-grad wie Neapel liegt. Bewaffnet mit Mütze, Schal, Handschuhe und Stiefel finden sich die Bewohner der grössten amerikanischen Met-ropole dann zur kalten Jahreszeit auf der Strasse wieder. Die arkti-schen Luftmassen aus Kanada brin-gen im Winter bis zu minus 20 Grad in die Stadt und lassen selbst im dicksten Wollmantel jedes Knie schlottern. Unabhängig von der Jahreszeit halten sich die Preise auf einem Niveau, das so hoch ist wie die berühmten Wolkenkratzer am Hudson River. Oder wo sonst muss ein Hotdog-Stand-Besitzer über 250 000 Franken hinblättern, nur damit er seinen Verkaufswagen ein Jahr lang in einem Park aufstellen

Filme, TV-Serien oder Dokumenta-tionen statt.

Ist es diese Illusion, die auch viele Schweizer dazu bringt, für im-mer ihre sieben Sachen zu packen, um sich im Big Apple niederzulas-sen? «Ich glaube», sagt Grafikerin und Bloggerin Tina Roth Eisenberg (40), «alles, was ich hier aufgebaut habe, hätte ich in der Schweiz nicht erreicht.» Roth Eisenberg alias Swiss Miss ist gebürtige Appenzel-lerin und wohnt seit 1999 in New York. Sie schreibt einen Blog, der ein Millionenpublikum erreicht, or-ganisiert Künstlertreffen und führt ein 14-köpfiges Unternehmen, das abwaschbare Tattoos entwirft und verkauft. «Es herrscht hier eine Ma-cher-Mentalität», schwärmt sie. Diese Meinung vertritt auch der Fotograf Marco Grob. «In der schwersten Wirtschaftskrise haben sie hier 1934 das Empire State Buil-ding errichtet, um zu demonstrie-ren: Wir gehen rauf.»

Auch er ist oben. Der Oltner por-trätiert für die grössten Magazine der Welt Persönlichkeiten wie

darf? Wo zahlt man für eine Vier-zimmerwohnung 7000 Franken, wo kostet das Essen im Supermarkt gleich viel wie im Restaurant?

New York ist unerträglich. Und gleichzeitig so anziehend wie kaum eine andere Stadt dieser Welt. Die 8,3-Millionen-Metropole faszi-niert, sie versprüht einen Zauber, der kaum beschreibbar ist. Es heisst, wer es hier schafft, der schafft es überall. So strömen Men-schen von überall hierher, in der Hoffnung auf ein Leben, an das sie nur in ihren kühnsten Träumen zu glauben wagten.

Wer es hier schafft ... Bereits Frank Sinatra sang ein Lob-lied auf «die Stadt, die niemals schläft». Tatsächlich fährt die U-Bahn Tag und Nacht, viele Shops sind rund um die Uhr geöffnet, und in den Büros brennen während 24 Stunden die Lichter.

Auch die Kreativwirtschaft kennt wohl keinen Feierabend. Jedes Jahr finden alleine auf den grossen und kleinen Strassen von New York 40 000 Shootings für Musikvideos,

Andreas Leuzinger (l.) und Simon Mingozzi wissen, wo was läuft.

Swiss Madein New York

MAGAZIN28. September 2014 98 Thema

Volg ist im Dorf daheim – auch in der Westschweiz.Seit Jahrzehnten steht der gelbe Volg-Schriftzugfür typisch schweizerische Werte und fürfrisches und fründliches Einkaufen in rund550 Dörfern. Mit ein Grund, warumimmer mehr Kunden finden, dassmit Volg die Post abgeht.

Volg. Im Dorf daheim.

bran

ding

house

Der Designerin war die Schweiz zu langsam.

pünktlich gelten? «Es spielt keine Rolle, woher du kommst», stellt der Starfotograf klar. «Wenn du hier nicht pünktlich bist, bist du weg. Es wartet keiner auf dich.» Auch Tina Roth Eisenberg weiss: «Du musst ein zäher Chog sein.»

Vor 50 Jahren war es einfacher Der Konkurrenzdruck ist hoch, alle Augen sind auf diese Weltstadt gerichtet. Der Wunsch, dort Fuss zu fassen, ist dementsprechend gross. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich die Einwohnerzahl ver-doppelt. Grafikerin, Designerin und Bloggerin Tina Roth Eisenberg rät: «Komm hierher und versuch, Vorstellungsgespräche zu bekom-

Mit einer Tasse Kaffee in der Hand schaut Tina Roth Eisenberg (40) aus

dem Fenster ihres Büros im Stadtteil Dumbo in Brooklyn. Sie blickt hinaus auf den East River und die Manhattan Bridge und erinnert sich an ihre Ankunft in New York vor 15 Jah-ren: «Es war ein Heimkommen. Habe ich in einem früheren Leben hier gewohnt?» Sie vergesse nie, wie sie aus der U-Bahn gekom-men sei und gedacht habe: Wow, die Stadt hat meinen Speed! In der Schweiz hatte sie immer das Gefühl, die anderen mit ihrem Tempo zu überfordern. «Ich rede schnell, und ich laufe schnell.» Rasant ging es gleich los. An ihrem zweiten Tag in New York hatte die Grafikerin ihr ers-tes Praktikum in der Tasche. «Du wirst nie wieder nach Europa zurückkehren», machte der Firmeninhaber schon beim Vorstellungs-gespräch klar. Da war die Designerin erst mal baff. Doch schon nach ein paar Wochen bot er der Appenzellerin tatsächlich einen festen Job inklusive Visum an – und sie packte die Chance bei den Hörnern. «Ich hab nur noch Ja gesagt.» Aber: Nach 9/11 stand

men. Schau, ob du jemanden kennst, der jemanden kennt, der bei einer Firma arbeitet.» So habe es auch bei ihr funktioniert. Und nach ein paar Wochen hatte sie ei-nen festen Job und – ganz wichtig – ein Visum in der Tasche. Ein sol-ches zu bekommen, sei schwierig, betont Roth Eisenberg.

Das war nicht immer so. Vor 50 Jahren, als «Lüthi & Blanc»-Star Linda Geiser (79) nach New York ziehen wollte, sei sie einfach zur amerikanischen Botschaft gegan-gen und habe «die grüne Karte» be-antragt. «Man hat geschaut, ob ich vorbestraft bin, und weil das nicht der Fall war, hat man mich drei Mo-nate später angerufen und gesagt,

ich könne gehen. No problem», er-innert sich die Schauspielerin.

Der «American Dream» im Big Apple ist möglich. Das beweisen neben Starfotograf Marco Grob, Unternehmerin Tina Roth Eisen-berg und Schauspielerin Linda Geiser auch der DJ und Gastronom Oliver Stumm (46) sowie die Senk-rechtstarter Andreas Leuzinger (31) und Simon Mingozzi (30). Sie bieten einen exklusiven Reise-service an. In fünf Porträts schil-dern Auslandschweizer, wie sie ihr Glück in New York gefunden haben und wie sich das Leben in der Stadt ihrer Träume anfühlt. l

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Swiss Miss von WeltTina Roth Eisenberg alias Bloggerin Swiss Miss vergisst ihre Heimat nicht. «Ich bin stolz, Schweizerin zu sein.»

sie ohne Job und ohne Visum da. Also nahm sie ein Jahr lang jeden erdenklichen Free-lance-Job an, bis sie in einer Interactive Agentur unterkam. «Ich hatte und habe eine Geheimwaffe: Ich zeige viel Enthusiasmus», sagt Roth Eisenberg. Es liege aber nicht nur an ihr selbst, es sei auch die positive Energie, die einem in New York entgegenschlage. «Hier kannst du etwas in den Boden fahren, wieder von vorne beginnen, und die Leute unterstützen dich. Das fehlt in der Schweiz ein wenig.» Ausgerechnet als sie schwanger war, machte sie sich selbständig. Sie startete als Blogge-rin Swiss Miss durch und gründete ein paar Jahre später, inspiriert durch ihre Tochter Ella (7), die oft mit «grüseligen Bildern» auf dem Arm nach Hause kam, Tattly. Die Firma produziert abwaschbare Tattoos und ver-kauft sie inzwischen in alle Welt, «einfach mit schönen Illustrationen». Zudem organisiert sie in fast 100 Ländern die Künstlertreffen «Creative Mornings» und kreierte die eigene Kalender-App «TeuxDeux».

Trotz ihrer unschweizerischen Art vergisst die Swiss Miss ihre Heimat nicht. «Ich bin stolz, Schweizerin zu sein. Dieses Land ist ein grosser Teil meines Lebens, obwohl ich nicht mehr dort wohnen will.» Im Gegen-satz zu ihrem New Yorker Ehemann, mit dem sie nebst Tochter Ella Sohn Tilo (4) hat. «Er würde sofort in die Schweiz ziehen. Für ihn gibt es nichts Schöneres als Wandern. Und als Küchendesigner kann er natürlich auch so richtig gut Chuchichäschtli sagen.»

Fortsetzung von Seite 6

«Ich habe und hatte eine

Geheimwaffe: viel Enthusiasmus»

Grafikerin und Unternehmerin Tina Roth Eisenberg in ihrem Atelier.

Spezial-Tipps für New York City auf Seite 12

Barack Obama oder Popstars wie Lady Gaga. An 280 Tagen pro Jahr ist er unterwegs. Grob gefällt, dass man im Gegensatz zur Schweiz Talente nicht nur wahrnimmt, son-dern auch fördert. «In jedem Fach findest du extreme Spitzen», so der Fotograf.

Teil des «Erfolgsmodells New York» sei auch die Vielfalt der Stadt. In der Tat weist kaum eine andere ein vergleichbares ethnisches Ge-misch auf. Ganze 800 verschiedene Sprachen werden im «Schmelztie-gel der Kulturen» gesprochen. Ist es trotzdem ein Vorteil, Schweizer zu sein, weil wir als zuverlässig und

MAGAZIN28. September 2014 1110 Thema

SEIN LOOK ÄNDERT, NICHT ABER SEIN REZEPT.

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Der fähige «Alien»

Schwarzer Anzug, dunkle Sonnenbrille – auf der Strasse in New York bleibt

Marco Grob (49) unerkannt. Er tritt auf wie ein Star, der dem Blitzlichtgewitter entfliehen will. Kein Wunder, der Oltner ist derzeit der international angesagteste Schweizer Foto-graf. Von – nahezu – null auf hundert in nur sechs Jahren. «Es ist erfrischend und gleichzeitig beängstigend zu wissen, dass das, was du machst, von allen gesehen wird», erklärt er. Mit dem Beängstigend hält er sich

nicht lange auf: «New York ist das Mekka der Fotografie.» Und manchmal sage er sich: »Besser, als ich es hier gerade erlebe, geht es im Moment nicht.» Zum Beispiel als Grob bei strömendem Regen in einer Bar Unterschlupf fand. «Es war fünf vor zwölf, als ich einen Campari Orange bestellte und auf besseres Wetter hoffte. Um Mitternacht hatte ein Opernsänger Geburtstag. Seine Kollegen, alle ebenfalls Opernsänger, sangen für ihn ‹Happy Birthday›. Der Kellner und ich standen mit herabhängendem Kiefer da, und er sagte: ‹Only in New York, only in New York!›» «Ich bin ein ‹Alien with extraordinary abili-ties›», sagt Grob lachend. Tatsächlich stehe das so in seinem Visum, was die Leute am Zoll jeweils wundern würde. Ein Agent verhalf ihm 2008 zur Bewilligung und organisierte die ers-ten Jobs. Grob wusste, der Eintritt als Fotograf in diese Stadt würde über die Magazine laufen. «In der Schweiz hast du fast keine Magazin-Szene, und ohne Magazine kannst du als Foto-graf persönlich nicht wachsen.» Das «New York Magazine» war sein erster Auftraggeber, kurz darauf wurde Grob von «Time» entdeckt, wo er sich mit dem Titelblatt mit Hillary Clin-

ton den ersten grossen Job angelte. Seither hatte der Solothurner George Clooney, Uma Thurman und viele andere Prominente vor der Linse. Aber noch heute ist sich der Starfo-tograf bewusst: Die Aufträge können auch an-dere bekommen. «Es ist eine Aufforderung, an die Grenzen zu gehen. Du musst es gut ma-chen – und zwar jedes Mal.» Auf Networking habe er keine Lust. «Entweder bin ich über meine Arbeit erfolgreich, oder ich bin es nicht.»

New York ist das Mekka für Künstler.

«Die Schweizer sind zu konfliktscheu.

Manchmal muss man auf den Tisch hauen»

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Schauspielerin Linda Geiser (79) ist bekannt aus «Lüthi & Blanc» und den

«Kummerbuben». Bei der Interview-Anfrage winkt sie ab. «Die Schweiz weiss doch schon alles über mich», sagt sie. Stattdessen lädt sie zu einer Grillparty in ihrem Haus im East Village ein. Sie will talentierte Schweizer Künstler vorstellen. Da wären die Videokünstlerin Susanne Hofer mit dem Maler Sebastian Sieber, die Choreografin und Tänzerin Anna Huber oder Rapper Greis, der gerade an seiner neuen Platte bastelt. Die Förderung junger Künstler liegt Geiser am Herzen. Seit 1982 beherbergt die Wahl-New-Yorkerin Stipendiaten aus Bern und Zürich jeweils für ein halbes Jahr. Wie aber ist sie an dieses typische New Yorker Backsteinhaus

mit dem lauschigen Garten gekommen? «1961 bin ich als Mieterin eingezogen, und sechs Jahre später konnte ich es für damals 40 000 Franken kaufen.» Das Geld lieh sie sich von ihrem Vater. «Heute bekomme ich jeden Tag Angebote im Betrag von sechs Millionen.» Das lässt die Schauspielerin kalt. «Ich denke nicht daran zu verkaufen, es interessiert mich nicht.» Genau das nervt Geiser heute an New York: dass die Stadt zur «Sandkiste der reichsten Menschen der Welt» geworden ist. Die Schauspielerin lebt vor allem von den Mieten, manchmal von Rollen. «‹Lüthi & Blanc› hätte ich gerne länger gemacht, dann hätte ich Bad und Küche umbauen können.» Nach New York gekommen ist sie damals aus

Liebe zum Verleger Peter Mayer. Aus der Hei-rat wurde nichts. Geblieben ist sie trotzdem. Mit ihrem 23 Jahre jüngeren Partner John lebt Linda nun seit 33 Jahren zusammen.

Mit knapp 80 fühlt sich Linda Geiser immer noch jung. «Ich kann die Treppe raufrennen bis unters Dach und bin nicht mal ausser Atem.» Aber sie sei so faul, wie sie nur sein könne. «Hast du meinen Keller gesehen? Ich sollte ihn schon lange aufräumen, aber ich will nicht.» Faul? Von wegen. Im Moment dreht Geiser gerade einen Dokumentarfilm über das Leben ihrer kleinwüchsigen 70-jähri-gen Schweizer Freundin Ruth Soucek-Jenzer, die gerade mal 85 cm misst. Ausserdem arbeitet sie an einem neuen Theaterstück, schreibt für den «Berner Bär» monatlich eine Kolumne und rief die Swiss Film Foundation

ins Leben, die auch jungen Filmemachern Sti-pendien ermöglichen soll. «Jetzt, wo alle auf meiner Ebene sterben, muss ich etwas ma-chen, das den Jüngeren nützt», findet Geiser. Auch am 1. August trifft man Linda in ihrem Garten. Dann kommen ihre Schweizer Freunde mit dem Alphorn vorbei. «Das Leben ist wun-derbar hier», sagt die Schauspielerin, «und jetzt will ich ein Würstchen essen.»

Mami für KünstlerLinda Geiser Die «Lüthi & Blanc»-Schauspielerin führt ein Atelierhaus für Berner Künstler in New York.

Ihr Backsteinhaus könnte Geiser

täglich verkaufen. Aber sie will nicht.

Marco Grob glaubt nicht an Networking. Alles, was für den Ausnahme-Fotografen zählt, ist harte Arbeit.

Von Olten zu den Stars in Amerika: Marco Grob fotografiert die Elite der Welt.

«Ich bin so faul, wie ich nur sein kann»

An 280 Tagen im Jahr ist Grob unterwegs. Auch für die Uno, im Einsatz für Landminen-Opfer. Die Schweiz vermisst der Fotograf nur, wenn er erschöpft ist – zurückkehren möchte er nicht. «Die Schweizer sind viel zu konflikt-scheu. Manchmal muss man auf den Tisch hauen, sonst gäbe es viele wichtige Errungen-schaften heute schlicht nicht.»

MAGAZIN28. September 2014 12 Thema 13

Die New Yorker sind sehr unter

Druck.

Reisetipps

Wer in New York Rösti mit Brat-wurst und Zwiebelsauce oder

Fondue sucht, wird bei Oliver Stumm (46) im Café Select fündig. «Wir sind aber nicht per se ein Schweizer Lokal mit gekreuzten Skiern an den Wänden», stellt der Gastronom aus Zürich klar. «Es gibt auch Burger und Fries.»

«Nach dem Mathematikstudium wollte ich Musik machen», erklärt Stumm. Bevor es den Ingenieur in die Gast-ronomie zog, kam der Erfolg als DJ. Nicht in der Schweiz, sondern in Amerika. «Die ganze Welt schaut auf New York. Auf Zürich? Weniger», sagt Stumm. «Hier lernst du, dass es möglich ist, aus deinem Schlafzimmer heraus einen internationalen Hit zu landen.» Drei Jahre nach seiner Ankunft war er als DJ H2O mit seinem Track «Nobody’s Business» in den Top 20. Ein Top-10-Hit wurde aus «Flawless» – jenem Song, den George Michael 2004 als «Flawless (Go to The City)» bis an die Spitze der US-Charts brachte. «New York spornt dich an,» schwärmt der ameri-kanisch-schweizerische Doppelbürger Stumm. «Du musst schauen, wie du die Miete bezahlen kannst.

Die New Yorker seien massiv unter Druck und dar-um international oft so erfolgreich in der Musik-branche – im Gegensatz zu den Schweizern, die ein zu schönes Leben hätten. Über 90 Auftritte von Tokio bis Mexico City habe er früher jährlich gehabt. Auch in der Schweiz, wo Stumm heute noch ab und zu auflegt. Irgendwann habe er eine Pause gebraucht. «Wenn du jede Nacht im Studio verbringst, hast du bald

Der DJ- GastronomOliver Stumm bediente in seinem Café Select schon Scarlett Johansson und Philipp Seymour Hoffman.

keine Freunde mehr.» Aus dem anfänglichen Nebenprojekt Café Select wurde ein erfolgreiches In-Lokal. Vor ein paar Monaten eröffnete Stumm das Restaurant Rintintin, ein weiteres ist in Pla-nung. Er sei schon immer ein wenig im «Gast-freundlichkeitsbereich» gewesen. An illegalen Par-tys in der Schweiz kümmerte er sich früher um die Getränke, mit 26 war er Mitbesitzer einer Beiz. Besonders prägend waren die Besuche in einem Hotel in Flims als kleiner Bub. Dort habe Stumm gesehen, was man alles für den Gast tue. Als die Schauspielerin Scarlett Johansson einmal um halb zwei Uhr morgens bei ihm im Select sass und Hunger hatte, habe er ihr halt ein paar Chäschüech-li gemacht. Obwohl die Küche schon lange ge-schlossen war. Eine weitere unvergessliche New-York-Story spielte sich nicht im, sondern vor dem Café Select ab. Als der Restaurantbesitzer den Müll rausbrachte, wurde er von der Polizei verhaftet. Zwei Tage sass Oliver Stumm im Gefängnis. War-um, weiss er bis heute nicht genau. «Vielleicht hiel-ten sie mich für einen Obdachlosen.»

«Vielleicht hielten sie mich für einen

Obdachlosen»

Oliver Stumm in seinem Restaurant

Café Select.

Benedikt LachenmeierFreier MitarbeiterSonntagsBlick Magazin

Dachterrassen-Bars, Restaurants, trendige Boutiquen

oder Designer-Hotels? New

York weckt den Entdeckergeist. Hier finden Sie

meine persönlichen Insidertipps.

Cocktails nippen im Northern TerritoryGreenpoint in Brooklyn ist noch immer ein Geheimtipp – wo sich genau der Eingang des Northern Territory befindet, der zur schönsten Dachterrasse des Viertels führt, gilt es zuerst einmal herauszufinden. Aber dann: mediterrane Atmosphäre, die Aussicht auf Manhattan, prima Cocktails. Und unten im Restaurant gibt es Burger und Italo-Food. northernterritorybk.com

Die verschlüsselte Bar: ApothekeDiese Bar in Chinatown ist tatsächlich wie eine Apotheke mit all den zuge-hörigen Schränkchen gestaltet. Der Eintritt muss verdient werden, die Apotheke ist passwortgeschützt: Zuerst gilt es, das vom Türsteher ausgedachte Rätsel zu lösen. Wer es rein geschafft hat, wird mit den besten Cocktails der Stadt belohnt.apothekenyc.com

Boutique-Paradies NolitaWen das Luxus-Shopping an der 5th Avenue langweilt, der fühlt sich im Nolita-Quartier wohl eher zu Hause. In kleinen Boutiquen zwischen Houston und Broome Street finden sich trendi-ge Schuhe und gut geschnittene

Shirts. Zum Abschluss entspannt ein Lunch im The Grey Dog an der 244 Mulberry Street. Dort gibt es günsti-gen frisch gepressten Fruchtsaft, Salat oder Rührei mit Speck. thegreydog.com, taninyc.com

Altes neu entdecken: Hell’s Kitchen Flea Market

Times Square? Überlaufen und nur für Touristen! New Yorker pilgern am Samstagmorgen auf den Flohmarkt Hell’s Kitchen und ergattern antike Kunstdrucke, Vintage-Lederjacken oder Sammleruhren. Sogar der «National Geographic» listet diesen Flohmarkt unter den zehn weltbesten Shoppingmeilen auf. Ein Besuch lohnt sich allein schon wegen der filmreifen Atmosphäre. hellskitchenfleamarket.com

Tierisch schön: Museum of Natural HistoryDie Anzahl ausgestopfter Tiere im Museum of Natural History sprengt jegliche Dimensionen: Über 30 Milli-onen Objekte auf fünf Stockwerken erwarten die Besucher – von Dino-saurierskeletten bis hin zu Eisbären, die in einer Nachbildung ihrer natürli-chen Umgebung präsentiert werden. Übrigens: Hier wurde «Nachts im Museum» gedreht. amnh.org

U-Bahn-Sound im Goodbye Blue MondayUnter der U-Bahn-Brücke in Wil-liamsburg versteckt sich ein kleiner, kreativ dekorierter Club. Das ehema-lige Restaurant ist ein Tummelplatz für die New Yorker Underground-Musik szene. Jeden Tag spielen min-destens zwei Bands – vielleicht auch ein Star von morgen. goodbye-blue-monday.com

In der Hotellobby: «Burger Joint»Beim Betreten des Hotels Le Parker Meridien in Manhattan deutet nichts auf den berühmten Burger Joint hin, von dem alle erzählen. Hinter dem gros-sen Vorhang in der Lobby tut sich aber eine neue Welt auf: Eine Theke, fünf

Tische, vollgekritzelte Wände und Burger der Extraklasse erwarten einen dort.burgerjointny.com

Auf der Staten Island Ferry die Aussicht geniessenStaten Island als Ausflugsziel lohnt sich nicht, die Reise hin und zurück hingegen sehr. Von der Fähre aus geniesst man die Aussicht auf Man-hattan und die Freiheitsstatue. Eine anschliessende Tour mit dem Mietvelo macht den Trip perfekt. siferry.com, citibikenyc.com

Billig und gut essen bei Vanessa’s Dumplings

Spätestens nach ein paar Tagen im Big Apple schreit das Portemonnaie nach Erholung. Da hilft Vanessa’s

Dumplings weiter. Hier reichen fünf Dollar für ein ganzes Menü! Es gibt feine, selbst gemachte Teigtaschen, Nudeln, Suppen und «Peking-Style»-Pancakes. vanessas.com

Auf den Gleisen der High Line spazierenWas kann bloss aus einer still-gelegten Eisenbahnstrecke wer-den? Ein Garten! Die knapp drei Kilometer lange Hochbahnstrasse lädt dazu ein, mitten in Manhattan zwischen Hochhäusern im Grünen zu flanieren. Am einen Ende der Strecke befindet sich zudem der Chelsea Market – eine alte Lager-halle mit Bücher- und Kleiderläden sowie kleinen Restaurants.thehighline.org, chelseamarket.com

Hotel Dream DowntownDurchgestylt von A bis Z ist das Dream Downtown im trendigen Quartier Chelsea. Die Zimmer sind mit runden Fenstern und silbernen Tapeten ausgestattet. Und obwohl auf der Dachterrasse und beim Pool jeden Abend eine Party steigt, bekommt der, der nachts lieber schlafen möchte, nichts davon mit – dank gut ausgeführter Architektur.dreamhotels.com

Brooklyns schönste Dachterrasse im

Northern Territory.

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