Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

33
Berlin, den 24.09.2007 Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07 Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation Jan Schmiedgen / Matrikelnummer 357275 (2. Semester / Bachelor) vorgelegt bei Prof. Barbara Kirchner.

description

Hausarbeit AV-Kommunikation

Transcript of Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Page 1: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Berlin, den 24.09.2007

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Jan Schmiedgen / Matrikelnummer 357275 (2. Semester / Bachelor)

vorgelegt bei Prof. Barbara Kirchner.

Page 2: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 2 -

Kontaktdaten des Autors

Jan Schmiedgen

Wolliner Straße 12a

10435 Berlin

Telefon +49 (030) 54 49 87 39

Telefax +49 (030) 54 49 87 39

Mobil +49 (0173) 3 83 15 26

E-Mail [email protected]

Speicherort: C:\Dokumente und Einstellungen\schmiedgenj\Desktop\Hausarbeit_Sound-Branding_Final.doc

Page 3: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 3 -

Inhalt 1 Einleitung ................................................................... 6

2 Das Konstrukt der Markenidentität............................ 7 2.1 Corporate Design.................................................................................. 8 2.2 Multisensuelle Markenkommunikation................................................. 9

3 Auditive Wahrnehmungsphänomene........................ 13

4 Sound Branding........................................................ 15 4.1 Begriffsabgrenzungen .......................................................................... 15 4.2 Sinn und Nutzen von Sound Branding................................................ 17 4.3 Die Elemente einer Sound Identity...................................................... 18 4.4 Praxisbeispiele ..................................................................................... 26 4.4.1 Siemens................................................................................................... 27 4.4.2 Deutsche Telekom .................................................................................. 29 4.4.3 Audi........................................................................................................ 29

5 Kritik und Fazit ........................................................ 30

6 Anhang ..................................................................... 31

Page 4: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 4 -

Abbildungsverzeichnis Corporate Identity und Corporate Image (© Meta Design® 2007; vgl. Birkigt/Stadler 2002, S. 23) .................................................7

Verteilung der Sinneseindrücke der menschlichen Wahrnehmung; eigene Darstellung in Anlehnung an Kilian 2005...........................................................10

Auswahl von Markenkontaktpunkten mit Sound Branding-Potential (Vattenfall 2006) 11

Zusammenhang zwischen »globaler« (Corporate) Sound Identity und Brand Sounds (nach Ringe 2005, S. 51) ........................................12

Die Corporate Sound-Basiselemente (nach MetaDesign®/Westermann 2007)................18

Gestaltungsprinzip des visuellen und akustischen Signets der Deutschen Telekom ........19

Nokia Tunes .................................................................................................................20

Kategorisierung von Produktgeräuschen (Kastner 2006, S. 88)......................................26

Fibonacci-Zahlenfolge ...................................................................................................27

Das Fibonacci-Prinzip in seiner klanglichen Umsetzung als Signatur bei Siemens (Siemens 2007) .......................................................................27

Das Siemens-Closing mit Markennamensnennung und akustischer Signatur (Siemens 2007) ......................................................................28

Zusammenspiel von Sound Branding Elementen (Siemens 2007) .................................28

Definitionen Sound Branding ............................................................................................................15

Brand Sound Identity, Corporate Sound Identity..........................................................16

Brand Sound, Corporate Sound ....................................................................................16

Tabellenverzeichnis Reizkombinationen zweier Sinnesmodalitäten (nach Kilian 2007, S. 218) .....................10

Die Ebenen eines Soundscapes (Vgl. Bronner 2007, S. 89, Siemens 2007) ....................22

Page 5: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 5 -

Abkürzungsverzeichnis

bzgl. Bezüglich

bzw. beziehungsweise

d. h. das heißt

et. al. et altera

ggf. gegebenenfalls

Hrsg. Herausgeber

i. d. R. in der Regel

o. ä. oder ähnliche(s)

o. g. oben genannte(n)

o. J. ohne Jahresangabe

S. Seite(n)

sog. sogenannte(n)

u. a. unter anderem

u. U. unter Umständen

z. B. zum Beispiel

Page 6: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 6 -

1 Einleitung

Mit den Menschen ist es wie mit den Hasen -

man muss sie bei den Ohren packen. (Mirabeau 1791)

Vor über 2.300 Jahren stellte Aristoteles fest, dass der Mensch fünf Sinne habe: das

Sehen, das Hören, das Schmecken, das Riechen und das Tasten. Diese Vorstellung erfreut

sich bis heute großer Beliebtheit, obwohl die moderne Physiologie sich einig ist, dass es in

Wahrheit sogar mindestens neun1 sind.

Aber allein die fünf klassischen Sinne – so ist sich die moderne Markenführung einig –

bieten ein enormes Potential, das man sich zu Nutze machen könnte: Das Stichwort

„Multisensorische Markenführung“ geistert daher seit Jahren unbeirrt durch Fachmedien.

Marken (speziell auch Unternehmensmarken) sollen sinnlich erfahrbarer werden und sich

im steten Kampf um Aufmerksamkeit und Konditionierung ihrer Bezugsgruppen einen

einzigartigen Platz auf der mentalen Landkarte jener sichern. Daran ist grundsätzlich

nichts auszusetzen – im Gegenteil: die konsequente Übersetzung der Marken-

persönlichkeit in alle sinnlich wahrnehmbare Kanäle ist ein wesentlicher Schlüssel für den

Markenerfolg. Umso verwunderlicher ist es aber, wenn man bemerkt, dass in der Praxis

von fünf Kanälen oft nur einer professionell und strategisch genutzt wird: der Visuelle.

Während in der visuellen Kommunikation viel Aufwand und Forschung betrieben wird,

wie es am besten gelingt, Markenwerte und –botschaften adäquat ins Visuelle zu

übersetzen und strukturiert zu nutzen, wurden die restlichen vier Sinne in der

Vergangenheit eher vernachlässigt. Erst in jüngster Zeit gewinnt ein wichtiger Kanal

zunehmend an Bedeutung: das Hören.

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist daher, sich mit dem »neuen« Feld der akustischen

Markenkommunikation auseinanderzusetzen. Dabei soll in Kapitel 2 zunächst eine

thematische Einordnung in bestehende Konzepte und Modellvorstellungen erfolgen.

Kapitel 3 reißt kurz ausgewählte Wahrnehmungsphänomene an, die die Bedeutung

auditiver Sinneswahrnehmungen stützen. Auf eine detaillierte Auseinandersetzung mit der

Physiologie des Hörens wird aber im Sinne einer Fokussierung der Arbeit verzichtet.

1 Die Thermozeption (Temperatursinn), Nozizeption (Schmerzempfindung), der Gleichgewichtssinn sowie die Propriozeption (Körperempfindung oder Tiefensensibiliät).

Page 7: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 7 -

Desweiteren werden wichtige Schlüsselbegriffe erläutert, von einander abgegrenzt und,

soweit vorhanden, Parallelen zur visuellen Markengestaltung aufgezeigt. Die Vorteile

strategisch-akustischer Markengestaltung werden in Kapitel 4.2 skizziert und mit drei in

der Praxis sehr erfolgreichen Beispielen (Kapitel 4.4) abgerundet.

2 Das Konstrukt der Markenidentität

Den Ausgangspunkt jedweder Markenkommunikation bildet die Unternehmens- bzw.

Markenidentität (Corporate- bzw. Brand Identity). Nach der klassischen Definition1 ist

Corporate Identity die strategisch geplante und operativ eingesetzte Selbstdarstellung und

Verhaltensweise eines Unternehmens nach innen und außen auf der Basis einer

»festgelegten2« Unternehmensphilosophie, langfristiger Unternehmenszielsetzungen sowie

eines definierten (Soll-) Images, mit dem Willen, alle Handlungsinstrumente des

Unternehmens in einheitlichem Rahmen nach innen und außen darzustellen (vgl.

Birkigt/Stadler 2002, S. 18). Sie umfasst drei Dimensionen: Corporate Culture (oder

Corporate Behaviour), Corporate Communications und Corporate Design. Ziel ist, alle

drei Dimensionen dergestalt in Einklang zu bringen (KERK-Prinzip3), dass über die Zeit

bei den avisierten Anspruchsgruppen das vom Unternehmen intendierte (Soll-) Image

entsteht (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Corporate Identity und Corporate Image (© Meta Design® 2007; vgl. Birkigt/Stadler 2002, S. 23)

1 Zur Kritik am klassischen CI-Verständnis vgl. Hermann 1999, Rughase 2007 2 Eine Unternehmenskultur und somit ein philosophieformendes Prämissensystem (Schein 1995) kann man nicht »festlegen«, es wird von vielen Faktoren beeinflusst (vgl. Hatch 2005; Hatch/Schultz 2000). 3 KERK = Konsistenz, Einzigartigkeit, Reziprokität und Kontinuität (Kilian 2007, S.55)

Page 8: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 8 -

Neben den drei genannten Dimensionen spielt aber auch die Marken- und

Produktkommunikation – im Sinne eines Corporate Branding – eine gewichtige Rolle im

Aufbau der Corporate Identity. Denn oft müssen Unternehmen komplexe

Markenportfolios managen, denen eine strategisch angelegte Markenarchitektur zugrunde

liegt. So bedienen sich z. B. Unternehmen wie Virgin oder Siemens eines Markenhauses

(Branded House1), während Unilever oder Procter & Gamble die Strategie eines »Haus der

Marken« (House of Brands2) verfolgen, wo jede Marke mit eigenständiger Brand Identity

geführt wird. Ich möchte der Einfachheit halber im Folgenden von einem Markenhaus

ausgehen, weshalb die Begriffe Corporate Identity, Brand Identity oder Corporate Brand3

synonym verwendet werden.

2.1 Corporate Design

Eine der vielen Aufgaben einer Brand Identity ist es, Widersprüche in der

Kommunikation nach innen und außen zu vermeiden. Sie muss an allen

Markenkontaktpunkten (Brand Touchpoints) auf die gleiche Art und Weise erlebbar

sein. Dabei soll sie sich aber nicht durch stumpfes Wiederholen (von Botschaften oder

Gestaltungsdogmen) in den Köpfen ihrer Anspruchsgruppen verankern, sondern durch

die geschickte, selbstähnliche Reproduktion (vgl. Kilian 2007, S.55) von sinnlicher

Erfahrung und kommunikativen Inhalten.

Eine Schlüsselrolle dabei nimmt das Corporate Design ein. Im Idealfall bietet es, als ein

strategisch aus der Markenidentität abgeleiteter gestalterischer Rahmen, eine Plattform für

die spannende »Variation des Immergleichen« (vgl. Birkigt/Stadler 2002, S.21). Es macht

die Markenpersönlichkeit sinnlich erlebbar und ist Garant für Wiedererkennung,

Differenzierung und Identifikation. Die vorherrschende Reduzierung von Corporate

Design auf das visuelle Erscheinungsbild einer Marke ist nicht mehr zeitgemäß. So fordert

z. B. Olins bezüglich der Persönlichkeit eines Unternehmens: „Sie sollte sich in der

visuellen Identität eines Unternehmens widerspiegeln.“ (Olins 1990, S.132)

Muss sich denn aber die Persönlichkeit einer Marke nicht in allen Identitätsäußerungen

wieder finden? Selbstverständlich muss sie: Erst recht im Zuge der ständig steigenden

medialen Reizüberflutung, zunehmender Differenzierungsschwierigkeiten verbunden mit

einem hohen Wettbewerbsdruck im Buhlen um die Aufmerksamkeit markenrelevanter

1 Fast alle Produkte werden unter dem Dach der Unternehmensmarke angeboten. Unternehmens- und Markenidentität sind somit fast deckungsgleich und unterscheiden sich nur in kommunikationsstrategisch angelegten Nuancen. 2 Unternehmens- und Markenidentität stehen besonders in der Kommunikation nach außen in keinem engen Zusammenhang und weichen mehr oder weniger voneinander ab. 3 Zum Verständnis von Unternehmen als Marken: Deekeling 2004, Esch 2004

Page 9: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 9 -

Anspruchsgruppen. Hier kommt die Notwendigkeit multisensueller

Markenkommunikation ins Spiel.

2.2 Multisensuelle Markenkommunikation

Die Überbewertung des Visuellen „Menschen nehmen ihre Umgebung zu jeder Zeit und an jedem Ort mit allen fünf

Sinnen wahr und treffen ihre Entscheidungen aufgrund ihrer multisensualen Eindrücke,

egal ob bewusst oder unbewusst. In jedem Fall [...] lösen verschiedenen Sinneseindrücke

unterschiedliche Assoziationen aus und sprechen unterschiedliche Werte an, die Kauf

auslösend und Wahl entscheidend sein können“ (Kilian 2007, S. 225) Dennoch ist es

erstaunlich, wie viele Marken zwar großen Wert auf eine bewusste Sichtbarmachung ihrer

Identität über das Visuelle legen, die restlichen Kanäle aber in kaum oder gar nicht

bewusst im Sinne eines strategischen Designs gestalten. Wenn diese dem Zufall überlassen

werden und ihre Wirkungen ungesteuert entfalten, kann dies im schlimmsten Fall die

Markenidentität konterkarieren. Dabei ist erwiesen, dass verschiedene Sinnesmodalitäten

gemeinsam wirken und im Zusammenspiel eine ungleich größere Wirkung entfalten1 als

monomodal (vgl. Kilian 2007, S. 217; Kroeber-Riel/Weinberg 1999, S. 90).

Laut Kilian laufen 70-80% aller Entscheidungen aufgrund gespeicherter Reiz-

Reaktionsmuster unbewusst ab. Das heißt, wir beziehen vielfach gar nicht wissentlich alle

Informationen bei einer Entscheidungsfindung ein –unser Gehirn jedoch schon (vgl.

Kilian/Brexendorf 2005, S. 13). Darüber hinaus kann die multimodale Sinnesreizung

synästhesieähnliche Effekte2 hervorrufen (siehe Tabelle 1). Während echte Synästhesie

eher selten ist, kann sich die Markenkommunikation aber das Phänomen der Irradiation

zu Nutze machen: „Während bei der Synästhesie eine intermodale Reizübertragung

stattfindet, zielt die Irradiation auf die Beurteilungsübertragung von einem

Produktmerkmal auf ein anderes.“ (Kilian 2007, S.218) So beeinflusst beispielsweise die

Farbe von Margarine ihren wahrgenommenen Fettgehalt (vgl. Linxweiler 2004, S. 68).

Irradiationen sind also »unechte Synästhesien«, die als gedankliche Verknüpfungen in

unserer Vorstellung entstehen.

1 Auch die Erinnerungsfähigkeit und Abrufbarkeit erhöht sich. 2 »Echte synästhetische Effekte« sind relativ selten. Man schätzt, dass in Deutschland rund 100.000 Personen in der Lage sind, zu einem Sinnensreiz zwei oder mehr Wahrnehmungen zu haben. So können Synästhetiker beispielsweise Geräusche nicht nur hören, sondern auch in Formen und Farben sehen.

Page 10: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 10 -

Modalität Geruch Geschmack Hören Sehen

Geschmack Aroma

Hören Akustische Geruchs-assoziation

Akustische Geschmacks-assoziation

Sehen Duftbilder Optische Geschmacks-assoziation

Akustische "Szenen"

Tasten Gefühlter Geruch Mundgefühl Akustisches Fühlvermögen

Optisch-haptische Formqualität

Tabelle 1: Reizkombinationen zweier Sinnesmodalitäten (nach Kilian 2007, S. 218)

In einer gezielten multisensualen Markengestaltung und dem entsprechendem Aufbau

von Irradiationen bei den avisierten Anspruchsgruppen (vgl. auch Kapitel 3 Auditive

Wahrnehmungsphänomene: Visual-Transfer Effekt) liegen daher vielfältige

Möglichkeiten und ungenutzte Potentiale, sich die Zusammenhänge zwischen den fünf

Sinnen zu Nutze zu machen.

akustisch 11,0% Ohren

gustatorisch 3,5% Nase

haptisch 1,5% Haut/Bewegung

olfaktorisch 1,0% Zunge

optisch 83,0% Augen

Abbildung 2: Verteilung der Sinneseindrücke der menschlichen Wahrnehmung1; eigene Darstellung in Anlehnung an Kilian 2005

Abbildung 2 zeigt, dass das Hören gleich nach dem Sehen die menschliche

Wahrnehmung entscheidend dominiert. Da in den meisten Fällen medial vermittelter

Kommunikation nur diese zwei Kanäle bedient werden können und die Bedeutung des

Sehsinns in der Literatur ausreichend gewürdigt wurde, beschränke ich mich im

Folgenden nur noch auf den Einsatz des Auditiven in der Markenkommunikation.

1 Vgl. Braem 2004, S. 192, Linxweiler 2004, S. 49

Page 11: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 11 -

Sound Branding als Bestandteil des Corporate Designs Zunächst gilt festzuhalten: Alle bewusst gestalteten Äußerungen einer Markenidentität

sollten dem Corporate Design (zum Begriffsumfang von »Design« vgl. Hardt 2006)

zugeschrieben werden (vgl. Westermann 2007). Also auch Klangliche. Interessanterweise

gibt es viele Parallelen und Anknüpfungspunkte zwischen der visuellen und akustischen

Gestaltung eines Corporate Designs, auf die ich im Rahmen dieser Arbeit immer einmal

kurz hinweisen werde.

Wie bereits erwähnt, ist es wichtig, über alle Markenkontaktpunkte (sowohl in der

internen als auch der externen Kommunikation) ein konsistentes Erscheinungs- und

Klangbild der Marke zu erzeugen, das ihr einen unverwechselbaren Look-Listen-And-Feel1

verleiht. Dabei stellen – wie Abbildung 3 zeigt – ganz besonders die modernen

Kommunikationsmedien erstaunliche viele Möglichkeiten zur akustischen

Identitätsvermittlung zur Verfügung.

Abbildung 3: Auswahl von Markenkontaktpunkten mit Sound Branding-Potential (Vattenfall 2006)

1 In Anlehnung an den Begriff »Look-and-Feel«, der die visuelle und inhaltliche Anmutung einer Gestaltung beschreibt.

Page 12: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 12 -

Ebenso wie die visuelle Gestaltung eines Corporate Designs Freiräume für eine angepasste

Gestaltung von Produkt- oder Submarken (z. B. Tochterunternehmen im Rahmen einer

Dachmarkenstrategie → siehe Kapitel 2 Das Konstrukt der Markenidentität) lassen kann,

ist dies auch in der akustischen Markengestaltung möglich. Ein aus der Markenidentität,

unter Berücksichtigung von Markenwerten und –attributen, abgeleiteter

Klangestaltungsrahmen kann als übergeordnete Instanz dienen. Er bestimmt als

»gestalterische Leitplanke« das Design untergeordneter Marken, ohne ihnen wichtige

kreative Interpretationsspielräume zu nehmen (vgl. Westermann 2007; Ringe 2005, S. 50

ff.). Bei Monomarken oder weniger komplexen Architekturen „kann ein einheitliches

Audio Branding bereits die ganze Acoustic Corporate Identity darstellen“ (Ringe 2005,

S.50).

Abbildung 4: Zusammenhang zwischen »globaler« (Corporate) Sound Identity und Brand Sounds (nach Ringe 2005, S. 51)

Warum aber ist unser Hörsinn so prädestiniert für eine strategische Ausnutzung in der

Markenkommunikation? Aus welchen Komponenten besteht nun eine Sound Identity?

Und wie kann man die vielen bereits gefallenen Begriffe gegeneinander abgrenzen? Dies

sollen die nächsten Kapitele klären.

Brand Sound / Audio Branding(Produkt-) Marke

B

Brand Sound / Audio Branding (Produkt-) Marke

A

Brand Sound / Audio Branding (Produkt-) Marke

C

Sound Identity

Allgemeine Richtlinien zurakustischen Identität

Audio Branding des Unternehmens / Konzerns

Page 13: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 13 -

3 Auditive Wahrnehmungsphänomene

Das menschliche Ohr ist nach dem Auge unser wichtigstes Sinnesorgan.

So ist der Hörsinn der erste Sinn, mit dem ein ungeborener Mensch seine Umwelt

wahrnimmt. Bereits eine Woche nach der Befruchtung der Eizelle sind mit dem

Mikroskop kleine Ohr-Ansätze am Embryo zu sehen. Schon in der

28. Schwangerschaftswoche reagieren Föten auf Geräusche.

Die menschliche Hörschnecke ist in der Lage 7.000 verschiedene Tonhöhen

auseinanderzuhalten. Besonders unser musikalisches Gedächtnis ist enorm. Noch nach

Jahrzehnten kann ein wichtiges Musikstück aus unserer Jugend starke Emotionen und

Erinnerungen wecken (vgl. Raffaseder 2007, S. 107). Dies hängt damit zusammen, dass

das Gehör mit der Interpretationsfähigkeit des Gehirns verknüpft ist, das z. B.

musikalische Grundmuster gespeichert hat: Bestimmte Melodien oder Klänge können

somit bestimmte Erinnerungen und Empfindungen auslösen (Emotionalisierung durch

Assoziation → vgl. Stadler 2005, S. 28).

Obwohl sich Licht schneller ausbreitet als Schall, verarbeitet das auditive System des

Menschen physiologisch gesehen Reize um ein vielfaches schneller als das visuelle System.

„Im Gegensatz zum Auge lässt sich das Ohr nicht einfach verschließen. Außerdem ist es

an keinen Blickwinkel gebunden und nimmt stets alle Schallsignale in einem Raum auf.“

(Raffaseder 2007, S. 105) Das damit einhergehende Reizdatenaufkommen ist viel zu groß

um es bewusst wahrzunehmen. Daher wird ein Großteil jener Signale – „die unbewusst

Stimmungen und Emotionen erzeugen und damit unser Handeln beeinflussen“

(Langeslag/Hirsch 2003, S. 233) –unbewusst wahrgenommen. Wir nehmen sie wahr,

aber »blenden« sie aus. Z. B. stört uns das Plätschern eines Baches oder das gleichförmige

Rauschen von Autos auf einer Straße nicht und lässt uns ruhig schlafen. Sobald aber der

Wecker klingelt oder ein anderes ungewohntes Geräusch ertönt, schnellen wir hoch. In

der Wissenschaft hat sich daher der Begriff des Cocktailpartyeffektes für das Phänomen des

gleichzeitig bewussten und unbewussten Hörens etabliert. Er beschreibt die Situation, in

der ein im Hintergrund laufendes Gespräch während des eigenen Gespräches völlig

ausgeblendet werden kann. Fällt jedoch ein Schlüsselbegriff, beispielsweise der eigene

Name, wird unsere Aufmerksamkeit sofort auf das andere Gespräch gelenkt. Man geht

daher davon aus, dass das Gehirn akustische Signale nach Relevanz sortiert und

entsprechend bewusst oder unbewusst wahrnimmt (vgl. Ringe 2005, S. 26; Raffaseder,

S. 106)

Page 14: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 14 -

Prägnante Klänge und Geräusche sind daher geradezu prädestiniert für einen Einsatz in

der werblichen Anwendung (zur genauen Abgrenzung und Begriffsbestimmung von

Schall, Geräusch, Ton und Klang siehe Kastner 2006, S. 74 ff): So können auditive

Elemente in der Markenkommunikation aufmerksamkeitsaktivierend wirken und die

Erinnerbarkeit1 (Recall) verstärken (vgl. Ringe 2005, S. 29ff; Raffaseder 2007, S.107ff; ).

Darüber hinaus sorgt der so genannte Visual Transfer Effekt für assoziative Erinnerungen

bei der Wahrnehmung von Klängen (oder Gerüchen). So werden visuelle Bilder, die in

vergangenen Rezeptionssituationen aufgenommen wurden, in unserem Gehirn wieder

aktiviert, wenn wir bestimmten akustischen Reizen ausgesetzt werden (vgl. Imas 2005). Z.

B. kann Ein Radiospot, der mit den gleichen akustischen Signalen wie sein TV-Pendant

arbeitet, diese Bilder aus der Erinnerung hervorrufen.

Wie wichtig das Hören ist, zeigt sich aber auch besonders im Zusammenspiel mit der

visuellen Wahrnehmung. So steht z. B. in den Filmwissenschaften der Begriff der

»Polarisation« für die gegenseitige Beeinflussung von Ton- und Bildwahrnehmung, um

die Interpretation von Filmrezipienten gezielt zu lenken:

BEISPIEL

Lufthansa Werbespot

Der Film zeigt in einer Kreisfahrt ein fliegendes Flugzeug von außen. Nach dem Schnitt zeigt

eine Kamerafahrt das Innengeschehen des Sitzganges mit Stewardessen, die emsig ihre

Vorbereitungen treffen. In einer Variante des Spots begleitet eine hektische schnelle Musik das

Geschehen, in der anderen eine sanfte Langsame. Beide Male jedoch werden die gleichen

Filmsequenzen gezeigt. Wir nehmen je nach musikalischer Untermalung das Fliegen als

anstrengend oder als relaxend wahr.

1 Nicht umsonst ist das gesungene Lied eine der ältesten Überlieferungsformen der Menschheit. Texte, Inhalte oder Botschaften bleiben einfach besser im Gedächtnis, wenn sie z. B. gesungen werden.

Page 15: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 15 -

Dabei braucht es noch nicht einmal das Zusammenspiel mit visuellen Reizen, um

Emotionen zu erzeugen: Musik ist ein universeller Code1, der in der Lage ist, per se zu

emotionalisieren ohne dass der Rezipient seine Bedeutung erst »erlernen« muss. Sie ist so

in der Lage, ohne Bedeutungsaufladung affektiv-emotional im Rezipienten zu wirken.

Das macht sie unabhängig von Dechiffrierungsfähigkeiten und kulturellem

Bedeutungswandel2 (vgl. Stadler 2005, S. 46). Der Grund dafür liegt in ihrer neuro-

physiologischen Verarbeitung, die unbewusst im limbischen System des Menschen

erfolgt, dass u. a. – so wird vermutet – für die Steuerung von emotionalen Empfindungen

zuständig ist (vgl. Stadler 2005, S. 28).

4 Sound Branding

Da das Forschungsgebiet recht jung ist und sich in der überschaubaren Literatur zum

Thema noch keine einheitlichen Fachtermini etabliert haben, soll das folgende Kapitel

zunächst die vielen (teilweise auch in dieser Arbeit) synonym verwendeten Begriffe

definieren. Im Folgenden werden dann die Ziele von Sound Branding sowie die einzelnen

Elemente von Brand Sounds genauer erläutert.

4.1 Begriffsabgrenzungen

Die folgenden drei Definitionen nach Bronner/Hirt 2007 (S. 11-12) genießen derzeit

einen breiten Konsens:

Sound Branding (Audio-Branding, Sonic Branding, Acoustic Branding)

Bezeichnet den Prozess des Markenaufbaus und der Markenpflege durch den Einsatz

von akustischen Elementen im Rahmen der Markenkommunikation.

Definition 1: Sound Branding

1 In der visuellen Kommunikation müssen die Bedeutungen von Symbolen zunächst gelernt (codiert) werden, ehe sie emotionale Wirkungen beim Rezipienten entfalten können(emotionale Aufladungen). Die Codierungen sind meist kulturell determiniert. So hat z. B. eine Swastika (Hakenkreuzsymbol) in Indien eine glücksbringende Bedeutung., während sie in großen Teilen der westlichen Welt negativ belegt ist. 2 Dies soll nicht heißen, dass Musik nicht auch symbolisch aufgeladen werden könnte oder sie keinen kulturellen Einflüssen unterliege.

Page 16: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 16 -

Die Brand Sound Identity, Corporate Sound Identity (akustische Markenidentität,

Akustische Unternehmensidentität, Akustisches Markenprofil) bildet die

Orientierungsgrundlage für den akustischen Markenauftritt (Unternehmensauftritt)

und den Einsatz akustischer Branding-Elemente. Sie kommt im Brand Sound

(Corporate Sound) zum Ausdruck und stellt die akustische Identität einer Marke

(eines Unternehmens) dar.

Definition 2: Brand Sound Identity, Corporate Sound Identity

Brand Sound, Corporate Sound

Die akustische Dimension des Brand Design (Corporate Design). Spiegelt die

akustische Identität einer Marke (eines Unternehmens) wieder und wird durch seine

(Audio-Branding-)Basiselemente (Audio-Logo, Brand Song, Brand Voice etc.) hörbar.

Definition 3: Brand Sound, Corporate Sound

Die o. g. akustischen Basiselemente sind analog zum visuellen Corporate Design jene

Komponenten, auf denen Brand Sounds ihre Gestaltung aufbauen. Ihre Funktionen und

Gestaltungskriterien werden im Kapitel 1 (Die Elemente einer Sound Identity) genauer

erläutert.

Page 17: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 17 -

4.2 Sinn und Nutzen von Sound Branding

Oberstes Ziel von Sound Branding ist, das Hören als wichtigen Wahrnehmungskanal

(siehe 3 Auditive Wahrnehmungsphänomene) zu nutzen und die Marke über das Gehör

auditiv zu inszenieren, da ein ganzheitlicher Markenauftritt, wie bereits in Kapitel »2.2

Multisensuelle Markenkommunikation« gezeigt, entscheidend für den Wettbewerbserfolg

ist und in Zukunft gar noch zunehmen wird. Der Corporate/Brand Sound muss dabei die

akustische Präsenz der Marke im gesamten Auftritt bilden und nicht nur als »werbliche«

Maßnahme. Gelingt es der Marke Klangerlebnisse dergestalt zu inszenieren, dass diese im

Einklang mit allen anderen Markendimensionen stehen (selbstähnlicher Klangkorridor

für eine ständige Neuinszenierung), so sind die Voraussetzungen für die folgenden

Nutzendimensionen erfüllt (vgl. Ulrich 2007, S. 135 ff.; Kastner 2006, S. 188):

→ Differenzierung

→ Wiedererkennung

→ Emotionalisierung

→ Identifikation

Klang führt beim Rezipienten dazu „Marken schnellstmöglich zu erkennen und zu

differenzieren“ (Ulrich 2007, S. 136), da sie akustische Reize jenseits ihrer

Aufmerksamkeit, teils sogar unterbewusst, erreichen. Durch die Nutzung einer weiteren

sensuellen Ebene wird so die Markenkonditionierung beschleunigt und langfristig das

Markenimage gestärkt. Aber auch der Fakt, dass Musik und Klangelemente affektiv-

emotionale Wirkungen (vgl. Stadler 2005, S. 46) auslösen können spielt eine große Rolle.

So kann die Marke emotional aufgeladen werden und evtl. vorhandene Abwehrhaltungen

oder Distanzierungen des Rezipienten vorbeugen. Dies wird noch durch den Fakt

begünstigt, dass klanglich-musikalische Botschaften leichter als Textbotschaften

verarbeitet werden, da sie geringerer kognitiver Anstrengung bedürfen (vgl. Bronner

2007, S. 93). Aber auch der Visual-Transfer-Effekt und die Ungerichtetheit unseres

Hörsinns (der Rezipient kann wegschauen aber nicht weghören) sind gewichtige

Argument für den Einsatz von Sound Branding.

Neben einer besseren Ausschöpfung der Multidimensionalität einer Marke schafft ein

Brand Sound darüber hinaus auch Synergien für zukünftige Soundanwendungen. So

bietet er neben effizienterer Kommunikation und Konsistenzverbesserungen auf

betriebswirtschaftlicher Ebene auch Kostenersparnisse.

Page 18: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 18 -

4.3 Die Elemente einer Sound Identity

Aus welchen Komponenten besteht nun aber eine Sound Identity? Auch hier gibt es

unterschiedliche Betrachtungsweisen (vgl. Bronner 2007, S.84 ff.; Kastner 2006, S. 77 ff.;

Ringe 2005, S. 40 ff.; Westermann 2007) und Begrifflichkeiten. Die wichtigsten

Basiselemente jedoch erfüllen in der Literatur alle die gleiche Funktion und sind in

Abbildung 5 dargestellt. Darüber hinaus gibt es noch Sonderformen akustischer

Kommunikation, wie z. B. Jingles, akustische Icons und Symbole, sowie alle Arten von

Produktsounds, die dieser Kapitel auch kurz erläutern wird.

Abbildung 5: Die Corporate Sound-Basiselemente (nach MetaDesign®/Westermann 2007)

Die akustische Signatur Die akustische Signatur, auch akustisches Signet, Audio Logo oder Sonic Logo genannt,

ist ein auditives Symbol der Marke und das »Herzstück« einer Sound Identity. Sie besteht

meist aus einer kurzen Tonfolge (z. B. Telekom, Intel) oder einem Geräusch (z. B. BMW

→ Amboss, Audi → Herzschlag). Ein Sonderfall ist der gesungene Markenname, der als

Gestaltungsvariante heute meist vernachlässigt wird und eher dem Jingle zuzuordnen ist

(vgl. Kastner 2007, S.79). Eine akustische Signatur und ein Jingle können zwar in engem

Bezug zueinander stehen, sollten aber nicht miteinander verwechselt werden.

Page 19: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 19 -

Abbildung 6: Gestaltungsprinzip des visuellen und akustischen Signets der Deutschen Telekom

Folgenden Anforderungen muss ein akustisches Signet genügen: Marken-Fit1 (Spiegelt es

die Identität der Marke?), Einprägsamkeit, Flexibilität, Prägnanz und

Unverwechselbarkeit2. Dabei fällt auf, dass die gleichen Kriterien auch für die Entwicklung

visueller Signets gelten. Die Parallelen und Grundmuster zwischen visueller und

akustischer Gestaltung im Rahmen eines Sound Branding gehen aber noch viel weiter: So

orientiert sich die Struktur akustischer Signaturen oft an derjenigen von visuellen Logos.

So korrelieren z. b. visuelles und akustisches Signet der Deutschen Telekom sehr stark mit

einander. Die Wortmarke Telekom besteht aus fünf Elementen, vier magentafarbenen

Quadraten, den sog. Digits, sowie dem prägnanten Telekom-»T«. Analog zum

Logoaufbau erklingen daher fünf Töne (Abbildung 6), die das Gestaltungsprinzip hörbar

machen (vgl. Kastner 2007, S. 79, Ringe 2005, S. 71 ff.) und somit entsprechend codierte

Werthaltungen, Markenattribute oder Botschaften transportieren sollen. Weitere

Beispiele dazu behandelt Kapitel 4.4 Praxisbeispiele.

Ähnlich wie im visuellen – man erinnere sich an die vielfachen Variationen des Nike

„Swoosh“ als gestalterisches Element – wird es auch im akustischen Bereich immer

schwieriger werden, kurze und prägnante Tonfolgen zu kreieren, die über hohes

Differenzierungspotential verfügen, da auch hier der Gestaltungsraum nicht

unerschöpflich ist.

Interessanterweise beweisen manche gelernte »Sounds«, dass eine Marke in Anlehnung an

Watzlawick »nicht nicht klingen kann«. So hat sich z. B. – ob vom Unternehmen gewollt

1 Schafft es das Audio Logo die Markenwerte und -attribute akustisch zu transportieren und somit der Markenpersönlichkeit gerecht zu werden? (vgl. Lepa 2007) 2 Hier ist zum einen der Differenzierungscharakter gegenüber dem Wettbewerb gemeint, zum anderen aber auch eine Eigenständigkeit, die es dem Markeninhaber erlaubt, die Signatur rechtlich vor Nachahmern zu schützen. Dies gestaltet sich im akustischen Bereich schwieriger als im Visuellen, weil die eindeutige grafische Fixierung und Beschreibung von Klang schwierig ist und man sich besonders bei Geräuschfolgen mit Frequenzspektren o. ä. behelfen muss. (vgl. Loeber 2007)

Page 20: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 20 -

oder nicht – der typische Nokia Klingelton »Nokia Tunes1« als akustische Repräsentation

der Marke in den Köpfen der Verbraucher eingebrannt.

Abbildung 7: Nokia Tunes

Im Falle Nokia muss dies sicher nichts Schlechtes bedeuten, zeigt aber, dass es besser ist,

die klangliche Gestaltung einer Marke nicht dem Zufall zu überlassen.

Jingle Da die Begriffe Akustische Signatur oder Audio Logo für akustische Markenzeichen relativ

neu sind, werden sie oft auch gern mit dem Terminus Jingle verwechselt. Ein Jingle ist

aber in Abgrenzung zu einer akustischen Signatur die musikalisch-gesungene Vertonung

eines Markenclaims oder -slogans (vgl. Kastner 2006, S. 80, Stadler 2005, S. 52, Bronner

2007, S. 85). Laut Kastner sollte er als „mnemotechnischer Code einfach zu erinnern sein

und sich wie ein Ohrwurm schnell im Gedächtnis der Bezugsgruppen festsetzen [...]“. Die

akustische Signatur und der Jingle sind, ähnlich zu Signet und Claim im »visuellen«

Corporate Design, die kleinsten gestalterischen Einheiten im Sound Branding, in denen

eine Melodie wahrgenommen werden kann.

Da manche Jingles bereits sehr fest im Bewusstsein bestimmter Konsumentengruppen

verankert sind, werden sie auch gerne rein instrumental eingesetzt. Hier ist der Übergang

zum Akustischen Signet teilweise fließend (vgl. Bronner 2007, S. 86) und ein gelernter

Jingle kann – wenn einmal gelernt – als eben solches eingesetzt werden.

Brand Voice Das gesprochene Wort nimmt in der Markenkommunikation eine besondere Stellung

ein. Gestützt durch entsprechende Wording-Richtlinien und eine adäquate Tonality (vgl.

Reins 2006) soll es die Markenpersönlichkeit transportieren und die Erwartungen,

Werthaltungen und Lebenskontexte der angesprochenen Bezugsgruppen reflektieren (vgl.

Lehmann 2007, S.97-101). Da »Persönlichkeit« von »Person« kommt und sich letzteres

aus dem lateinischen »per« (durch oder für) und »sonor« (Klang) zusammen setzt, kann

man den Begriff »Person« auch als »durch den Klang« übersetzen (vgl. Kastner 2007,

1 Wurde 1992 der Komposition »Gran Vals« des Spaniers Franscisco Tárrega (1854-1909) entnommen.

Page 21: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 21 -

S. 81). Dies zeigt, dass die Stimme eines der herausragenden aber merkwürdigerweise oft

auch ungenutztesten Merkmale in der Markenkommunikation ist.

Die Auswahl von Sprechern samt der Sprachmerkmale ihrer Stimmen (Prosodie) wie z. B.

Rhythmus, Intonation, Betonung und Tempo sollten daher nicht willkürlich getroffen

werden, sondern den Charakter der Marke reflektieren. Auch hier gibt es wieder

Parallelen zum visuellen Teil eines Corporate Designs: „Genauso wie nicht jedes

Unternehmen Arial oder Helvetica als Hausschrift verwendet, bietet die Sprechstimme

ein hohes Potential, der Marke einen unverwechselbaren Charakter [...] zu verschaffen.“

(Kastner 2007, S. 81-82)

Ein Paradebeispiel für eine gelungene und konsistente Anwendung einer Brand Voice ist

daher z. B. der Möbelhersteller IKEA. Die IKEA-typische Copy-Strategie (einfache joviale

Sprache und gezieltes Duzen) zieht sich vom Informationsblatt über den Katalog bis hin

zum berühmten Off-Sprecher, der mit seinem schwedischen Akzent Sympathien beim

Verbraucher erweckt.

Soundscape Der Begriff »Soundscape« geht auf den kanadischen Komponisten und Klangkünstler

Murray Schafer zurück, der sich selber auch gerne als »Klangökologen« bezeichnete. Er

entwarf um 1970 die ersten Klangteppiche, Klangkulissen, Klangflächen oder Ambient

Sounds, wie sie alternativ auch genannt werden.

Was wir hören, ist unsere klangliche Umwelt, die Gesamtheit der klingenden Umgebung:

der Soundscape. Soundscapes in der akustischen Markenführung sind daher Collagen, die

einen bestimmten Ort in Klängen wiedergeben. Ein Soundscape besteht nicht aus dem

Originalton (O-Ton), also der unveränderten Wiedergabe von Klangereignissen einer

Umgebung. Ein Soundscape ist vielmehr das gestaltete Abbild einer Klangumgebung (vgl.

Kastner 2006, S. 85; Stadler 2005, S. 23-25; Siemens 2007; Westermann 2007).

Page 22: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 22 -

Man kann den Soundscape in zwei Ebenen unterteilen:

Grounds Figures

Ein Ground ist eine lange Klangstrecke,

die einen Raum beschreibt oder definiert

→ Länger anhaltende Sounds

(»Streicher-« oder »Synthesizer-Flächen«)

Eine Figure ist ein kurzes Klangereignis,

welches einen bestimmten Ort akustisch zu

identifizieren hilft. → Kurze

Klangereignisse.

Tabelle 2: Die Ebenen eines Soundscapes (Vgl. Bronner 2007, S. 89, Siemens 2007)

Mit der Aufteilung in Grounds und Figures ergibt sich erneut eine Parallele zur visuellen

Gestaltung bzw. Wahrnehmung, denn auch in der auditiven Anwendung gilt das Figur-

Grund-Gestaltprinzip (vgl. Mayer 2005, S. 73 ff.).

BEISPIEL

O2 - can do

Der Telekommunikationsanbieter unterlegt seine Werbespots mit »weichen«, »sphärischen«

Klangflächen, die die charakteristische Bildwelt mit den blubbernden Wasserblasen akustisch

unterstützen. Während die Grounds in jedem Spot selbstähnlich variiert werden, kommen je

nach Situation unterschiedliche Figures zum Einsatz. Zum Beispiel das Blubbern der Blasen

bei »Unterwasserspots« oder das »Zischen« von Lichtstrahlen, die von entsprechenden

Testimonials »in die Luft gemalt« werden. Die charakteristische »O2 Atmosphäre« kommt dabei

in jeder Variation auf.

In den Sound Branding-Richtlinien des Unternehmens Siemens findet sich z. B. die

folgende Begründung zur strategisch angelegten Gestaltung des Siemens-typischen

Soundscapes: „Der Brand Soundscape Siemens entsteht durch die stilisierte Verdichtung der

Klangräume Siemens, die durch die Produkt- und Arbeitswelt von Siemens bestimmt werden.

Das heißt, die Originalakustik wird nicht nur einfach aufgenommen und wiedergegeben.

Ebenso wenig ist es eine bloße Aneinanderreihung von puristischen Klangereignissen. Wie in

Soundscapes wird die Originalakustik hier weder einfach aufgenommen und wiedergegeben

noch werden einzelne Klangereignisse lediglich hintereinander gereiht. Die Originalklänge

werden in Signale, musikalische Töne und Abfolgen von Klängen und Geräuschen

transformiert. [...] Der Brand Soundscape Siemens umfasst Grounds und Figures, welche die

Klangwelt Siemens beschreiben. Ein konsistenter Einsatz des Soundscapes führt dabei zu einer

zunehmenden Schaffung einer Siemens Klangwelt, die über den Einsatz von Musik und

Stimme hinaus eine klangliche Identifikation mit der Marke Siemens schafft.“ (Siemens

2007)

Page 23: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 23 -

Sound-Icon und Earcon Earcons (auch »Sound-Symbole« genannt) und »Sound-Icons« sind die kleinsten bzw.

kürzesten Elemente eines Audio-Brandings. Sie sind akustische Bezeichner, die ein

spezielles Objekt oder Ereignis repräsentieren.

Dabei sollte man genau unterscheiden: Zwischen Ikon und Symbol1 gibt es nämlich feine

Unterscheide, die aus der Semiotik bekannt sind. Genau genommen sind nämlich Sound-

Icons das, was in auditiven Benutzerschnittstellen (AUI) als »Auditory Icons« bezeichnet

wird. Das heißt, sie stellen „realistische Alltagsgeräusche oder stilisierte Varianten davon

dar und besitzen somit eine reale Bedeutung.“ (Bronner 2007, S.88) Darum müssen sie

nicht erst erlernt werden. Earcons dagegen sind abstrakte akustische Nachrichten, die

analog zu visuell abstrahierten Icons, Informationen verdichtet auf der akustischen Ebene

vermitteln. Ihre Bedeutung muss erlernt werden.

BEISPIEL

Ratequiz-Spiel am PC

Beantwortet der Nutzer eine Frage richtig könnte z. B. ein Applaus ertönen (Auditory Icon,

Sound-Icon). Gibt das Programm aber stattdessen z. B. zwei kurze Töne gleicher Frequenz

aus, so muss deren Bedeutung im Kontext dieser Anwendung erst gelernt werden und dies

würde ein Earcon darstellen. (Bronner 2007, S.88)

In der Markenkommunikation, abseits elektronischer Mensch-Maschine-Schnittstellen,

können Sound-Icons auch Teil eines akustischen Signets oder Brand Songs sein. In

ikonischer Funktion weisen sie gerne direkt auf Merkmale oder Eigenschaften der

Markenleistung hin. Als Beispiele seien hier der berühmte »Flensburger Plopp«, das

»Zischen« beim Öffnen einer Coca Cola Flasche oder die AOL-typische Benachrichtigung

»You have Mail« (vgl. Bronner 2007, S.88, ) genannt.

Zukünftig werden die »Grenzen« zwischen den funktionsorientierten bzw.

anwendungsbezogenen und den eher brandingorientierten Sound-Icons weiter

verschwimmen. Denn mit steigendem Bewusstsein für die Bedeutung von Sound-

Branding werden auch Funktionsklänge auf dem, aus der Markenidentität abgeleiteten,

Klangraum basieren. Sind sie einmal gelernt, können auch sie eine identitätsstiftende

Funktion erfüllen (man denke z. B. an typische Apple-Systemsounds).

1 Ein »Ikon« ist ein Zeichen, das sich auf seinen bezeichneten Gegenstand durch das Merkmal der Ähnlichkeit bezieht. Diese kann visueller, klanglicher oder anderer Art sein. Zu unterscheiden ist das Ikon von dem »Symbol«, das eine willkürliche Bezeichnung darstellt.

Page 24: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 24 -

Brand Song Brand Songs (alternativ auch gern Werbesongs oder Markenlieder genannt) sind Lieder,

die neu komponiert, interpretiert, adaptiert oder als »Original-Lied« verbreitet werden.

Dabei unterscheidet man zwischen einem sog. Brand Theme oder einem Commercial

Song (vgl. Kastner 2006, S.82).

Brand Themes sind über einen längeren Zeitraum eingesetzte und exklusiv lizenzierte

Titel, wie z. B. »Bohemian like you1« des Mobilfunkanbieters Vodafone.

Commercial Songs dagegen zeichnen sich durch eine zeitlich begrenzte Verwendung,

z. B. in Werbespots, aus. Sie sollen – oft durch kurzfristigen, austauschbaren Einsatz –

Nähe zum Lifestyle des »Konsumenten« beweisen. Im Sinne einer strategisch eingesetzten

auditiven Kommunikation besitzen Commercial Songs jedoch Schwächen. (hierzu auch:

Kastner 2006, S. 82 ff.; Stadler 2005, S. 52; Ringe S. 45 ff.) So ist z. B. empirisch

nachgewiesen worden, dass trend- und lifestylelastige Musik „die Botschaftsquelle – also

die Marke – unglaubwürdig erscheinen lässt, wenn sie als unpassend empfunden wird.

[...] Unpassende Musik kann sich sogar negativ auswirken“ (Bronner 2007, S. 94). Die

Musik sollte also auch hier nicht nach geschmäcklerischen Vorlieben, sondern im

Abgleich mit der Markenidentität ausgewählt werden (vgl. Langeslag/Hirsch 2005, S.

238 ff.).

Selten gelingt es einem Commercial Song, visuelle und sprachliche Botschaftsinhalte

derart stark zu unterstützen und eine markenadäquate Atmosphäre schaffen, dass er sich

evolutionär zu einem Brand Song im Sinne eines Brand Theme entwickelt. Ein

Paradebeispiel dafür ist allerdings die Marke »Becks«. Allein beim Hören des Liedes »Sail

away« – von Joe Cocker 1995 für den internationalen Einsatz überarbeitet – können sich

synästhesie-ähnliche Effekte einstellen. So hat man sofort das Schiff mit den grünen

Segeln vor seinem geistigen Auge (vgl. auch Kapitel 3: Visual Transfer Effekt).

Gefühlsassoziationen von Freiheit, Abenteuer, Männlichkeit oder Frische stellen sich ein,

womit auch schon die Wertewelt von Becks vermittelt wäre. Dieser Song, aber auch

Lieder wie »Bacardi feeling« oder »I’m walking« von Aral, sind damit lebendige Beispiele

für die Kraft eines strategisch angewandten Brand Songs.

Natürlich gibt es neben den beiden oben genannten Arten der Verwendung von Musik

für die Zwecke der Markenkommunikation noch viele weitere Spielarten, z. B.

Kooperationen (z. B. Mercedes Benz Mixed Tape), Musikmarketing oder Branded

1 Der Song wurde exklusiv für Vodafone von der US-amerikanischen Rockband »The Dandy Warhols« komponiert.

Page 25: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 25 -

Entertainment (vgl. Bronner 2007, S.90 ff.; Kastner 2007, S. 83 ff.; Ringe 2005, S. 43

ff.). Diese sollen aber im Interesse einer Fokussierung dieser Arbeit nicht betrachtet

werden.

Weiterhin möchte ich auch darauf hinweisen, dass ein Brand Song nicht mit einer

Firmenhymne zu verwechseln ist, da diese eher selten einen Bezug zum Brand Song hat

und in ihrer Funktion eher innengerichtet wirkt (vgl. Bronner 2007, S.90).

Produkt Sound Eine weitere und oft unterschätzte auditive Komponente im Rahmen multisensuellen

Markenerlebens ist der Produkt Sound. Fortschrittliche Markenartikler – speziell im

FMCG1-Bereich – haben seine Bedeutung schon lange erkannt. So sorgt z. B. beim

Gebäckhersteller Bahlsen ein mehrköpfiges Forscherteam für die Entwicklung und

Optimierung des markentypischen »Keksknacks«. Er ist als Symbol (besser Ikon) für

»Frische« auch Teil der audiovisuellen Kommunikation (z. B. in Werbespots) und ein

Qualitätsversprechen, das bei jeder Produktanwendung eingelöst werden muss.

Langnese hat in seiner Magnum-Eisserie »Fünf Sinne« mit der Sorte » Magnum Fünf

Sinne – Sound« bewiesen, dass das auditive Erleben eines knackigen Klanges beim Biss in

die mit karamellisierten Zuckerstückchen versehene Zartbitterumhüllung zum

ganzheitlichen Markenerlebnis dazugehört und nicht dem Zufall überlassen werden sollte.

Auch Nestlé unterhält Akustiklabors, die von beißoptimierten Cornflakes, für frisch

anmutende Knackgeräusche, bis hin zu »zischoptimierten« Vakuumverpackungen alles

unter die Lupe nehmen, was beim Verbraucher ein subjektiv hörbares Qualitätsmerkmal

darstellt.

Autoherstellern, wie z. B. Porsche oder BMW, geht es nicht darum Betriebsgeräusche zu

minimieren oder gar zu eliminieren (was heute technisch komplett möglich wäre) sondern

deren Sounddesign derart zu optimieren oder teilweise gar zu verstärken2, dass ein

hörbarer markentypischer Klang dem Nutzer das subjektive Gefühl gibt, dass die

herstellertypischen Markenversprechen eingelöst werden (vgl. Kilian 2007, S. 66;

Haverkamp 2007, S. 228 ff.). „Bei Porsche [...] liegt der Fokus der Klangingenieure auf

dem Sicherheit vermittelnden Sound zuschnappender Autotüren, dem würzigen Klang

von Auspuffrohren und Motoren sowie den Klick-Geräuschen beim Betätigen von

Schaltern.“ (Kilian 2007, S. 66) Fünf Prozent der Entwicklungskosten werden daher bei

1 FMCG = Fast Moving Consumer Goods (Schnelldrehende Konsumgüter) 2 Teilweise werden bestimmte Betriebsgeräusche über Lautsprecher nachverstärkt oder verfremdet

Page 26: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 26 -

Porsche in die Akustik investiert, denn man weiß, dass Geräusche dem Verbraucher, nach

dem Motto „klingt gut, ist gut“, als Indikator für Produktqualität dienen.

Neben solchen Paradebeispielen gibt es aber auch zufällige, aktiv oder passiv entstehende,

sowie weitere Arten von Geräuschen1. Eine Kategorisierung von Geräuscharten und -

merkmalen von Produkten nach Kastner (2006) ist in Abbildung 8 nachzuvollziehen.

Abbildung 8: Kategorisierung von Produktgeräuschen (Kastner 2006, S. 88)

Die Abbildung zeigt, dass die soundstrategischen Gestaltungsmöglichkeiten sehr

mannigfaltig sind und somit auch in der Produktklanggestaltung große Potentiale für eine

multisensuelle Markenkommunikation liegen.

4.4 Praxisbeispiele

Die folgenden Beispiele sollen nun ganz kurz anreißen, wie man in der Praxis versucht,

Klang in den strategisch-gestalterischen Rahmen einer Marke einzubetten. Die

Fallbeispiele haben dabei nicht den Anspruch, die gesamte Klangwelt der einzelnen

Marken detailliert darzulegen. Es werden lediglich prägnante Elemente (vornehmlich die

1 so verrät uns z. B. das prüfende Klopfen auf ein Objekt etwas über seine qualitative Beschaffenheit → auch wenn eine täuschend echte Massivholzverblendung über Spanplatten gezogen ist, wird der Verbraucher dies »entdecken« und die Wertigkeit des Objektes dementsprechend einordnen

Page 27: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 27 -

akustische Signatur) in ihrer Entstehung skizziert und in Bezug zur visuellen

Markengestaltung gesetzt.

4.4.1 Siemens

Da sich ein Corporate/Brand Sound harmonisch in bestehende Designrichtlinien

einfügen sollte, hat man bei Siemens einen interessanten Weg eingeschlagen, die Marke

zum Klingen zu bringen: In der visuellen Gestaltung der Siemens Markenwelt ist das

Fibonacci-Prinzip1 eine elementare Grundlage, auf der die gesamte

Gestaltungssystematik, von der Website bis zum Geschäftsbereicht, fußt.

an+2 = an+1 + an mit a1 = a2 = 1

0 1 1 2 3 5 8 13 21 34 55 89 144 233 ...

Abbildung 9: Fibonacci-Zahlenfolge

Die Fibonacci-Zahlenreihe hat u. a. auch den Vorteil, das sie sich nicht nur visuell,

sondern auch auditiv hervorragend umsetzen lässt:

Abbildung 10: Das Fibonacci-Prinzip in seiner klanglichen Umsetzung als Signatur bei Siemens (Siemens 2007)

1 Ein universelles mathematisches Prinzip, das sich in unserer Umwelt, Natur und sogar im Universum wiederfindet. Es wurde nach dem italienischen Mathematiker Leonardo von Pisa (1180-1240), auch bekannt als Leonardo Fibonacci, benannt.

Page 28: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 28 -

Die aus dem Gestaltungsprinzip abgeleitete Signatur kommt seit ihrer Einführung in

allen Medien mit auditivem Kanal zum Einsatz. Meist wird dabei zuerst der Markenname

»Siemens« von einem Sprecher (mit fest definierten »Brand Voice«-Parametern)

gesprochen und danach die Signatur angehangen. Markennennung und die Signatur

werden auch als »Closing« bezeichnet, da sie typischerweise meist am Ende eines Spots,

o. ä. Anwendungen, stehen.

Abbildung 11: Das Siemens-Closing mit Markennamensnennung und akustischer Signatur (Siemens 2007)

Natürlich besteht auch der Siemens Corporate Sound aus noch mehr Bestandteilen: z. B.

aus neun aus den Siemens-Markenwerten abgeleiteten Figures, diversen Grounds u. v. m.,

die untereinander kombiniert werden können und erst im Zusammenspiel das gesamte

Hörbild der Marke ergeben. Abbildung 12 zeigt noch einmal einen möglichen

Kompositionsaufbau der Sound Branding Elemente im Zusammenspiel (für z. B. einen

TV-Spot).

Abbildung 12: Zusammenspiel von Sound Branding Elementen (Siemens 2007)

Die Siemens Sound Identity ist also ein interessantes Beispiel, das zeigt, wie man eine

Marke nach einem stringent angewandten Gestaltungsprinzip erlebbar machen kann.

Page 29: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 29 -

4.4.2 Deutsche Telekom

Auch die berühmte Telekom-Signatur ist, wie in Kapitel 4.3 Die Elemente einer Sound

Identity (siehe Abbildung 6) erwähnt, nicht zufällig entstanden oder gar auf beliebiger

Basis entwickelt wurden. Das visuelle Logo und die Töne der Audiosignatur korrelieren

stark miteinander und ergänzen sich: So bauen sich z. B. die Töne der Audiosignatur von

links oder von rechts auf, je nachdem in welchem multimedialen Anwendungskontext das

visuelle Logo samt seiner »Digits1« positioniert wird.

4.4.3 Audi

Ein bekanntes Beispiel eines Audio Logos auf Klanggeräuschbasis stammt vom

Autohersteller Audi. Ein synthesizerähnlicher und futuristisch anmutender Sound wird

kombiniert mit einem rückwärts gespielten Herzschlag. Ersteres soll den Audi-typischen

Technikanspruch (»Vorsprung durch Technik«) assoziieren lassen, letzteres das

Fahrerleben symbolisieren (vgl. Bronner 2007, S. 84).

1 Kleine prägnante Quadrate, die um das markante Telekom-»T« als Elemente angeordnet sind. Die Digits sind ein wesentliches gestalterisches Element im Corporate Design des Telekommunikationsdienstleisters und stehen stellvertretend für die vier Hauptbereiche des Unternehmens (Ringe 2005, S. 72f.).

Page 30: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 30 -

5 Kritik und Fazit

Wie die Arbeit gezeigt hat wird es für Unternehmen zunehmend wichtiger, eine

ganzheitliche Sicht in der Markenführung einzunehmen, die alle Sinne in der Ansprache

ihrer Anspruchsgruppen einbezieht. Corporate/Brand Sound ist ein wichtiger Bestandteil

dieser Strategie. Das Thema ist mit seinem ganzheitlichen Anspruch zwar noch relativ

neu, wird aber, so alle Experten, in seiner Bedeutung schnell wachsen. Sound Branding

beherbergt viel ungenutztes Potential, speziell aus der Differenzierungsperspektive. Noch

sind nicht alle klanglichen »Claims« abgesteckt – der Gestaltungsraum ist groß. Allerdings

ist auch ein Corporate/Brand Sound nur ein Baustein in einer Gesamtstrategie. Seine

Wirkungen sollten daher nicht überbewertet werden. Denn nur im konsistenten

Zusammenspiel mit allen anderen Bausteinen einer Markenidentität kann es auch seine

ganze Kraft entfalten.

Ich persönlich bin der Meinung, dass das Thema speziell durch die rasante Vermehrung

klangfähiger elektronischer Medien (und »neuartiger Markenkontaktpunkte1«) immer

mehr an Bedeutung gewinnen wird und wünsche mir, dass die Unternehmen die

Chancen von strategisch eingesetztem Sound Branding erkennen und – mit der nötigen

Sensibilität für die eigene Marke – verantwortungsvoll mit dem Instrument umgehen.

Denn als weiteren Weg zur »akustischen Umweltverschmutzung«, der uns viele neue

differenzierungsschwache »Nachahmer-Ding-Dongs in Telekom-Art« beschert, möchte

ich es nicht missbraucht sehen ...hören.

1 Z. B.: Cyberspace, Second Life, In-Game-Advertising, Interaktiver Film etc.

Page 31: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 31 -

6 Anhang

Literatur / Quellen Birkigt, K., Funck, H. J., Stadler, M., Stadler, M. M., & Funck, H. Joachim. (2002).

Corporate Identity: Grundlagen, Funktionen, Fallbeispiele (10. Aufl). Landsberg/Lech: verlag moderne industrie AG & Co. KG.

Brandmeyer, K., Deichsel, A., & Prill, C. (Hrsg.). (2003). Jahrbuch Markentechnik 2004/2005: Markenrecht, Markentechnik, Markentheorie, Forschungsbericht, Horizonte: Deutscher Fachverlag.

Bronner, K., & Hirt, R. (Hrsg.). (2007). Audio-Branding: Entwicklung Anwendung Wirkung akustischer Identitäten in Werbung Medien und Gesellschaft. Praxisforum Medienmanagement, 5. München: Fischer.

Christian, U. (2007). Abgehört - der Stellenwert der akustischen Markenführung aus Expertensicht. In: K. Bronner, & R. Hirt (Hrsg.), Praxisforum Medienmanagement: Vol. 5. Audio-Branding. Entwicklung Anwendung Wirkung akustischer Identitäten in Werbung Medien und Gesellschaft (S. 132–140). München: Fischer.

Domizlaff, H. (1951). Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens: Ein Lehrbuch der Markentechnik (2. Aufl.). Hamburg: H. Dulk.

Haverkamp, M. (2006). Synästhetische Wahrnehmung und Geräuschdesign. http://www.michaelhaverkamp.mynetcologne.de/Syn_Wahrn_Ger_update_05_HAV.pdf [03.09.2007].

Haverkamp, M. (2006). Visualisierung auditiver Wahrnehmung - historische und neue Konzepte: Ein phänemonologischer Überblick. http://www.michaelhaverkamp.mynetcologne.de/visualisierung_text.pdf [03.09.2007].

Haverkamp, M. (2007). Synästhetische Aspekte der Geräuschgestaltung im Automobilbau. In: K. Bronner, & R. Hirt (Hrsg.), Praxisforum Medienmanagement: Vol. 5. Audio-Branding. Entwicklung Anwendung Wirkung akustischer Identitäten in Werbung Medien und Gesellschaft (S. 228–245). München: Fischer.

Herrmann, C. (1999). Die Zukunft der Marke: Mit effizienten Führungsentscheidungen zum Markterfolg (1. Aufl.). Frankfurt am Main: Frankfurter Allg. Buch.

IMAS International. (2005). Der Visual-Transfer-Effekt in Media-Mix-Kampagnen mit Radio. http://www.radiozentrale.de/site/163.0.html [18.09.2007].

Jackson, D. (2003). Sonic Branding: An Essential Guide to the Art and Science of Sonic Branding: An Essential Guide to the Art and Science of Sonic Branding: Palgrave Macmillan.

Page 32: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 32 -

Kastner, S. (2006). Klang macht Marken: Sonic Branding als Erfolgsfaktor einer multisensuellen Markengestaltung. Inauguraldissertation, Universität der Künste. Berlin. .

Kilian, K. (2007a). Akustik als klangvolles Element multisensualer Markenkommunikation. In: K. Bronner, & R. Hirt (Hrsg.), Praxisforum Medienmanagement: Vol. 5. Audio-Branding. Entwicklung Anwendung Wirkung akustischer Identitäten in Werbung Medien und Gesellschaft (S. 214–227). München: Fischer.

Kilian, K. (2007b). Von der Markenidentität zum Markenklang als Markenelement. In: K. Bronner, & R. Hirt (Hrsg.), Praxisforum Medienmanagement: Vol. 5. Audio-Branding. Entwicklung Anwendung Wirkung akustischer Identitäten in Werbung Medien und Gesellschaft (S. 54–69). München: Fischer.

Kilian, K., & Brexendorf, T. Oliver. (2005). Multisensuale Markenführung als Differenzierungs- und Erfolgsgröße. Campus 02 Business Report, (Nr. 2), 12–15. http://www.markenlexikon.com/d_texte/campus_kilian_brexendorf_multisensuale_markenfuehrung_2005.pdf [17.09.2007].

Kroeber-Riel, W., & Esch, F.-R. (2004). Strategie und Technik der Werbung: Verhaltenswissenschaftliche Ansätze (6., überarb. und erw. Aufl.). Kohlhammer Edition Marketing. Stuttgart: Kohlhammer.

Kroeber-Riel, W., & Weinberg, P. (1999). Konsumentenverhalten: Vahlens Handbücher der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften: Franz Vahlen Verlag.

Langeslag, P., & Hirsch, W. (2003). Acoustic Branding - Neue Wege für Musik in der Markenkommunikation. In: K. Brandmeyer, A. Deichsel, & C. Prill (Hrsg.), Jahrbuch Markentechnik 2004/2005. Markenrecht, Markentechnik, Markentheorie, Forschungsbericht, Horizonte (S. 231–245). Deutscher Fachverlag.

Langeslag, P., & Krugmann, D. (2007). Akustische Markenführung im Rahmen eines identitätsbasierten Markenmanagements. In: K. Bronner, & R. Hirt (Hrsg.), Praxisforum Medienmanagement: Vol. 5. Audio-Branding. Entwicklung Anwendung Wirkung akustischer Identitäten in Werbung Medien und Gesellschaft (S. 70–81). München: Fischer.

Lindstrom, M., & Kotler, P. (2007). Brand sense: How to build powerful brands through touch, taste, smell, sight and sound (Repr). London: Kogan Page.

Linxweiler, R. (2004). Marken-Design: Marken entwickeln Markenstrategien erfolgreich umsetzen (2., erw. Aufl.). Wiesbaden: Gabler.

Mayer, H. O. (2005). Einführung in die Wahrnehmungs-, Lern- und Werbe-Psychologie (2., überarb. und erw. Aufl). Edition Psychologie. München: Oldenbourg.

Meta Design. (17.09.2007). Corporate Identity: MetaBrandmodel®. http://www.metadesign.de/html/de/543.html .

Michael B. Hardt. (2006). Design Definition. http://www.michael-hardt.com/PDF/lectures/design-definition.pdf [18.09.2007].

Page 33: Sound Branding – Klang und Musik in der Markenkommunikation

Hausarbeit im Modul 04c – AV-Kommunikation | 06/07

- 33 -

Olins, W. (1990). Corporate identity: Strategie und Gestaltung. Frankfurt: Campus-Verlag.

Raffaseder, H. (2007). Klangmarken und Markenklänge: die Bedeutung der Klangfarbe im Audio-Branding. In: K. Bronner, & R. Hirt (Hrsg.), Praxisforum Medienmanagement: Vol. 5. Audio-Branding. Entwicklung Anwendung Wirkung akustischer Identitäten in Werbung Medien und Gesellschaft (S. 102–119). München: Fischer.

Reins, A. (2006). Corporate Language: Wie Sprache über Erfolg oder Misserfolg von Marken und Unternehmen entscheidet (1. Aufl.). Mainz: Schmidt.

Ringe, C. (2005). Audio Branding: Musik als Markenzeichen von Unternehmen. Berlin: VDM Verlag Müller.

Ringle, T. (2006). Strategische identitätsorientierte Markenführung: Mit Fallstudien aus der Automobilindustrie (1. Aufl.). Gabler Edition Wissenschaft. Wiesbaden: Dt. Univ.-Verl.

Rottscheidt, I. (10.12.2004). Ich rieche was, was Du nicht siehst. http://www.dw-world.de/dw/article/0,1564,1415283,00.html [03.09.2007].

Rughase, O. G. (2007). Identity and Strategy: How Individual Visions Enable the Design of a Market Strategy That Works: Edward Elgar Publishing Ltd.

Schafer, R. Murray. (1988). Klang und Krach: E. Kulturgeschichte d. Hörens. Frankfurt am Main: Athenäum.

Schein, E. H. (1995). Unternehmenskultur: Ein Handbuch für Führungskräfte. Frankfurt/Main [u.a.]: Campus-Verl.

Schultz, M. (Hrsg.). (2000). The expressive organization : linking identity, reputation, and the corporate brand. Oxford: Oxford Univ. Press.

Schultz, M., Antorini, Y. M., & Csaba, F. (Hrsg.). (2005). Corporate Branding: Purpose / People / Process (1st ed.). Kopenhagen: Copenhagen Business School Press.

Siemens AG. (03.09.2007). Brandville. http://brandville.siemens.com [03.09.2007].

Stadler, M. (2005). Was ist Sound Branding?: Eine Annäherung an die akustische Markenführung. Diplomarbeit, Universität der Künste. Berlin. .

Vattenfall Konzernmarketing. (2006). Klang und Animation / Anhang zum Vatenfall Markenhandbuch: Version 1.0. .

Vattenfall Konzernmarketing. (2006). Visuelle Identität / Vatenfall Markenhandbuch: Version 2.0 (S. 1:1-3:5). .

Westermann, C. Frank (2007, May 19). Sound Branding - Vortrag auf der Typo-Berlin 2007. Berlin.