Soziale Medien und Recht (cv)

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34 MANAGEMENT & KARRIERE Social Media BILD: FOTOLIA Social-Media-Richtlinien schaffen hier Klarheit – und sie fördern beim Arbeitnehmer ein akti- ves Bewusstsein über den richtigen Umgang mit den neuen Kommunikationsmöglichkeiten. Den Arbeitgeber schützen sie andererseits vor unkontrollierten Veröffentlichungen und nega- tiver Publizität. Weiter kann damit das Risiko von Schadenersatzansprüchen Dritter verrin- gert werden. Denn unter gegebenen Vorausset- zungen wird ein Unternehmen bekanntlich haftbar für die Handlungen seiner Arbeitneh- mer. Zudem zeigt die Erfahrung, dass Arbeit- nehmer, die für mögliche rechtliche Risiken sensibilisiert worden sind, bewusster und vor- sichtiger mit sozialen Medien umgehen. VON OLIVER STAFFELBACH D ie Diskussion, ob und inwieweit Arbeit- nehmer soziale Medien nutzen dürfen, ist längst im Gang. Sie wird in der Schweiz jedoch selten umfassend ge- führt, sondern beschränkt sich in der Regel auf Teilaspekte wie die Nutzung von Facebook wäh- rend der Arbeitszeit. Eine neuere Tendenz be- steht darin, dass Unternehmen soziale Medien für eigene Zwecke nutzen, indem sie beispiels- weise Werbekampagnen auf Twitter durchfüh- ren. Die Bedeutung der Internetplattformen als Kommunikationskanal und Marketinginstru- ment für Unternehmen nimmt rasant zu, ein Ende dieser Entwicklung ist nicht absehbar. Es lohnt sich, bei der Nutzung von sozialen Medien auch rechtliche Aspekte zu berücksichtigen. Im Gegensatz zu anderen Ländern, beispielsweise Deutschland, wurde diesem Thema in der Schweiz bis anhin nur wenig Beachtung ge- schenkt. SOCIAL-MEDIA-RICHTLINIEN Dürfen Arbeitnehmer soziale Netzwerke wäh- rend der Arbeitszeit verwenden? Dürfen sie in Netzwerken oder Blogs Informationen über ih- ren Arbeitgeber verbreiten? Wenn ja, welche? Ist es erlaubt, seinen Arbeitgeber in Blogs zu kritisieren? Vielfach ist für die Mitarbeiter nicht restlos klar, wo genau in diesen Bereichen die Grenzen gezogen werden. Soziale Medien und Recht Dem Einfluss von Blogs, Facebook, Twitter und Co. können sich auch Unternehmen nicht mehr entziehen. Dass bei der Nutzung von sozialen Medien rechtliche Vorgaben bestehen, wird oft übersehen. So reduzieren Sie die Risiken.

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Soziale Medien und Recht (cv) Social Media

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34 MANAGEMENT & KARRIERE Social Media

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IA

Social-Media-Richtlinien schaffen hier Klarheit

– und sie fördern beim Arbeitnehmer ein akti-

ves Bewusstsein über den richtigen Umgang

mit den neuen Kommunikationsmöglichkeiten.

Den Arbeitgeber schützen sie andererseits vor

unkontrollierten Veröffentlichungen und nega-

tiver Publizität. Weiter kann damit das Risiko

von Schadenersatzansprüchen Dritter verrin-

gert werden. Denn unter gegebenen Vorausset-

zungen wird ein Unternehmen bekanntlich

haftbar für die Handlungen seiner Arbeitneh-

mer. Zudem zeigt die Erfahrung, dass Arbeit-

nehmer, die für mögliche rechtliche Risiken

sensibilisiert worden sind, bewusster und vor-

sichtiger mit sozialen Medien umgehen.

VON OLIVER STAFFELBACH

�Die Diskussion, ob und inwieweit Arbeit-

nehmer soziale Medien nutzen dürfen,

ist längst im Gang. Sie wird in der

Schweiz jedoch selten umfassend ge-

führt, sondern beschränkt sich in der Regel auf

Teilaspekte wie die Nutzung von Facebook wäh-

rend der Arbeitszeit. Eine neuere Tendenz be-

steht darin, dass Unternehmen soziale Medien

für eigene Zwecke nutzen, indem sie beispiels-

weise Werbekampagnen auf Twitter durchfüh-

ren. Die Bedeutung der Internetplattformen als

Kommunikationskanal und Marketinginstru-

ment für Unternehmen nimmt rasant zu, ein

Ende dieser Entwicklung ist nicht absehbar. Es

lohnt sich, bei der Nutzung von sozialen Medien

auch rechtliche Aspekte zu berücksichtigen. Im

Gegensatz zu anderen Ländern, beispielsweise

Deutschland, wurde diesem Thema in der

Schweiz bis anhin nur wenig Beachtung ge-

schenkt.

SOCIAL-MEDIA-RICHTLINIEN

Dürfen Arbeitnehmer soziale Netzwerke wäh-

rend der Arbeitszeit verwenden? Dürfen sie in

Netzwerken oder Blogs Informationen über ih-

ren Arbeitgeber verbreiten? Wenn ja, welche?

Ist es erlaubt, seinen Arbeitgeber in Blogs zu

kritisieren? Vielfach ist für die Mitarbeiter nicht

restlos klar, wo genau in diesen Bereichen die

Grenzen gezogen werden.

Soziale Medien und RechtDem Einfluss von Blogs, Facebook, Twitter und Co. können sich auch Unter nehmen nicht mehr entziehen. Dass bei der Nutzung von sozialen Medien rechtliche Vorgaben bestehen, wird oft übersehen. So reduzieren Sie die Risiken.

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35Computerworld 4/25. Februar 2011

www.computerworld.ch

Je nach Branche, Unternehmenskultur sowie

Mitarbeiter- und Kundenstruktur sind die

Social-Media-Richtlinien eines Unternehmens

sehr unterschiedlich auszugestalten. Es ver-

steht sich von selbst, dass eine Grossbank an-

dere Richtlinien braucht als ein mittelgrosses

Industrieunternehmen.

DER ARBEITNEHMER ALS RISIKO

Der Arbeitnehmer hat in den sozialen Medien

unzählige und teilweise recht effektive Möglich-

keiten, seinen Arbeitgeber zu schädigen. Von

besonderer Bedeutung sind Beeinträchtigungen

des guten Rufs des Arbeitgebers. In Blogs, Foren

und sozialen Netzwerken verbreitete Unwahrhei-

ten können Unternehmen nachhaltig schädigen.

Branchenkenner sind überzeugt, dass schon

heute ein beträchtlicher Teil der öffentlichen

Meinungsbildung in sozialen Medien erfolgt.

Die Risiken einer negativen Publizität kann

der Arbeitgeber reduzieren, indem er seinen

Arbeitnehmern die bestehenden Grenzen durch

entsprechende Richtlinien möglichst präzise

aufzeigt. Denn die Arbeitnehmer wollen den

Arbeitgeber meist nicht bewusst schädigen,

sondern sind sich der Folgen von unbedachten

Äusserungen schlechthin nicht bewusst. Im

Falle von komplexen Richtlinien können Schu-

lungen und Kontrollen das Präventionsma-

nagement des Arbeitgebers abrunden. Weiter

kann es Sinn machen, bestimmte Verstösse an

schwerwiegende Folgen wie beispielsweise eine

Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu knüpfen

und dies den Arbeitnehmern auch klar zu kom-

munizieren. Wenig erfolgversprechend sind bei

Rufschädigungen demgegenüber Schaden-

ersatzprozesse. Denn der aus der Rufschädi-

gung resultierende finanzielle Schaden muss

vor Gerichten substantiiert und bewiesen wer-

den, was sich regelmässig als schwierig erweist.

VERWENDUNG FREMDER INHALTE

Sofern bei Auftritten in sozialen Medien fremde

Texte, Grafiken, Bilder, Musik oder Videos erfor-

derlich sind, muss abgeklärt werden, ob diese

rechtlich geschützt sind. Relevant sind insbe-

sondere das Urheberrecht, das Persönlichkeits-

recht und das Markenrecht. Ist dies der Fall,

muss grundsätzlich die Einwilligung der Be-

rechtigten eingeholt werden. Die Einwilligung

kann mündlich, sollte aus Gründen der Beweis-

barkeit jedoch besser schriftlich erfolgen.

Es sind jedoch längst nicht alle Inhalte

rechtlich geschützt. So sind Texte und Grafiken

unter Umständen zu banal, um urheberrecht-

lichen Schutz zu erlangen, und auch unkünstle-

rische Fotografien weisen oft nicht das hierfür

erforderliche Mass an individueller Gestaltung

auf. Zudem bestehen in den Gesetzen diverse

Ausnahmebestimmungen, die dazu führen kön-

nen, dass an sich rechtlich geschützte Inhalte

im konkreten Fall ohne Einwilligung des Berech-

tigten verwendet werden dürfen. Längst nicht

jedes Abmahnschreiben eines angeblichen

Rechteinhabers ist begründet und gibt die kor-

rekte Rechtslage wieder. Sowohl im Hinblick auf

mögliche Werbekampagnen in sozialen Medien

als auch bei Abmahnschreiben lohnt es sich

also, die Rechtslage sorgfältig prüfen zu lassen.

VERBOTENE MASSENWERBUNG?

Spannend und in der Schweiz noch kaum dis-

kutiert ist die Frage, inwieweit die Vorschriften

über Massenwerbung (Art. 3 lit. o des Gesetzes

gegen den unlauteren Wettbewerb) auch beim

Werben in sozialen Medien

zur Anwendung kommen.

Darf beispielsweise ein Un-

ternehmen auf Xing allen

seinen Kontakten Nachrich-

ten mit Werbeinhalten zu-

kommen lassen? Oder darf

ein Unternehmen über Twit-

ter seine Follower über die Direct Messages mit

Informationen über seine Produkte versorgen?

Massenwerbung ist in der Schweiz nur unter

restriktiven Voraussetzungen zulässig. Sie muss

nach Einwilligung des Kunden gesendet wer-

den, einen konkreten Absender enthalten und

einen Hinweis auf eine Ablehnungsmöglichkeit

aufführen. Bei bestehenden Kunden gilt zudem

eine Sonderregel: Wer für einen Kauf seine

Adresse angegeben hat, muss sich gefallen las-

sen, dass seine Adresse vom Verkäufer für Mas-

senwerbung genutzt wird, sofern er dies nicht

abgelehnt hat, nachdem er auf die Ablehnungs-

möglichkeiten hingewiesen worden ist. Werden

diese Regeln vorsätzlich nicht eingehalten,

kann dies Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren

oder Geldstrafen zur Folge haben.

Die geltenden schweizerischen Vorschriften

zur Massenwerbung können auch bei sozialen

Medien zur Anwendung kommen. Bei Massen-

mitteilungen ist also Vorsicht geboten. Zudem

werden Werbeaktivitäten in sozialen Medien oh-

nehin oft durch die Nutzungsbedingungen der

Plattformbetreiber eingeschränkt. Vor Werbe-

kampagnen in sozialen Medien sollte also stets

geprüft werden, inwieweit diese zulässig sind.

BEZUG ZUM AUSLAND

Bei Aktivitäten in sozialen Medien besteht oft

ein Bezug zum Ausland, beispielsweise wenn

einige der potenziellen Kunden, die angegan-

gen werden, ihren Wohnsitz ausserhalb der

Schweiz haben oder ein Produkt international

vertrieben werden soll. In solchen Fällen kann

die Zuständigkeit ausländischer Gerichte

begründet werden und sind neben schweizeri-

schen Bestimmungen meist auch ausländische

Bestimmungen zu beachten. Diese können im

Vergleich zum schweizerischen Recht abwei-

chende oder ergänzende rechtliche Vorgaben

enthalten.

In der EU besteht im Gegensatz zur Schweiz

beispielsweise die Pflicht, in Onlineveröffent-

lichungen ein Impressum zu führen. Vor allem

in Deutschland wird derzeit rege diskutiert, ob

die Vorschriften betreffend Impressumspflicht

auch beim Werben in sozialen Medien zur

Anwendung kommen. Dies wird klar bejaht, was

zu absurden Konsequenzen führen kann. So

wird beispielsweise vertreten, dass Profilseiten

von Unternehmen auf Twitter, die der Werbung

dienen, mit einem Impressum ausgestattet

sein müssen.

«Nicht jedes Abmahn-schreiben ist begründet. Prüfen Sie die Rechtslage»Oliver Staffelbach

Mit den folgenden Verhal-

tensweisen können Sie

rechtliche Risiken bei der

Nutzung von sozialen Me-

dien verringern:

In sozialen Medien kön-

nen die Vorschriften über

Massenwerbung zur Anwen-

dung kommen. Die Verlet-

zung dieser Vorschriften

kann strafrechtliche Konse-

quenzen haben.

In der Regel dürfen bei

Auftritten in sozialen Me-

dien fremde Texte, Grafiken,

Bilder und Videos nicht

ohne Einverständnis des

Berechtigten verwendet

werden. Es bestehen jedoch

gewichtige Ausnahmen zu

diesem Grundsatz.

Bei Aktivitäten in sozialen

Medien mit Auslandbezug

sollte abgeklärt werden,

inwieweit damit die Zustän-

digkeit ausländischer Ge-

richte begründet werden

kann und ausländisches

Recht zur Anwendung

kommt.

Für Unternehmen macht

es vielfach Sinn, den Um-

gang der Arbeitnehmer mit

sozialen Medien klar festzu-

legen. Dies geschieht in der

Regel durch Social-Media-

Richtlinien, deren Inhalt von

Unternehmen zu Unterneh-

men stark variieren.

Durch Schulungen, Kont-

rollen sowie die Festlegung

konkreter Sanktionsfolgen

bei Verstössen kann die

Wirksamkeit der Richtlinien

verbessert werden.

Vorsichtsmassnahmen im Unternehmen

Oliver Staffelbach ist auf IT-Recht spezialisierter

Rechtsanwalt bei Wenger & Vieli aus Zürich

www.wengervieli.ch