… · Soziale Medien wie Facebook, Xing und Twitter eröffnen für die Rekrutierung von...

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Text Simon Wolanin Foto Simon Lütolf I mmer mehr Menschen nutzen soziale Medien, um persönliche Inhalte zu veröffentlichen und sich untereinander auszutauschen. Über 2,5 Millionen Schweizer besitzen ein Profil auf Facebook, der bekanntesten Social-Media-Plattform. Das Potenzial ist also riesig. Da bietet es sich für Unternehmen an, diesen Trend auch bei der Personalgewinnung zu nutzen. Noch hat sich die aktive Suche nach Arbeitskräften über Social Media in der Schweiz allerdings nicht durchgesetzt. «Online-Stellenausschreibungen, E-Assessments und elektronische Bewerbungen gehören mittlerweile zum All- tag», sagt Social-Media-Expertin Andrea Back vom Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen. «Die PERSONALWESEN UND SOZIALE NETZWERKE Social Media mischen Personal Soziale Medien wie Facebook, Xing und Twitter eröffnen für die Rekrutierung von Arbeitskräften neue Perspektiven. Trotzdem hat sich die Personalbeschaffung über soziale Netzwerke in der Schweizer Unternehmenspraxis noch nicht durchgesetzt. WWW.FACEBOOK.COM Die bekann- teste Plattform; hat über 650 Millionen aktive Nutzer weltweit, in der Schweiz sind es 2,6 Millionen. Wird vor allem für private Zwecke verwendet. WWW.TWITTER.COM Anwendung zum Mikroblogging; wird von Privatper- sonen, Organisationen, Unternehmen und Massenmedien zur Verbreitung von kurzen Textnachrichten genutzt. WWW.YOUTUBE.COM Internet-Video- portal, auf dem die Benutzer kostenlos Videos ansehen und hochladen können. Pro Minute werden über 35 Stunden Videomaterial auf die Plattform geladen (Stand November 2010). WWW.XING.COM Das bekannteste Businessportal in der Schweiz. Hier können Privatpersonen ihre geschäft- lichen Kontakte verwalten und das eigene Beziehungsnetz erweitern. WWW.LINKEDIN.COM Grösstes Businessportal mit weltweit über 90 Millionen Nutzern zur Pflege von Geschäftskontakten. In der Schweiz noch wenig verbreitet. Die bekanntesten sozialen Netzwerke 6 6 I 2011 der arbeitsmarkt

Transcript of … · Soziale Medien wie Facebook, Xing und Twitter eröffnen für die Rekrutierung von...

Text Simon Wolanin Foto Simon Lütolf

I mmer mehr Menschen nutzen soziale Medien, um persönliche Inhalte zu veröffentlichen und sich untereinander auszutauschen. Über 2,5 Millionen Schweizer besitzen ein Profil auf Facebook, der

bekanntesten Social-Media-Plattform. Das Potenzial ist also riesig. Da bietet es sich für Unternehmen an, diesen Trend auch bei der Personalgewinnung zu nutzen. Noch hat sich die aktive Suche nach Arbeitskräften über Social Media in der Schweiz allerdings nicht durchgesetzt.

«Online-Stellenausschreibungen, E-Assessments und elektronische Bewerbungen gehören mittlerweile zum All-tag», sagt Social-Media-Expertin Andrea Back vom Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen. «Die

P e r s o n a l w e s e n u n d s o z i a l e n e t z w e r k e

Social Media mischen Personal gewinnung aufSoziale Medien wie Facebook, Xing und Twitter

eröffnen für die Rekrutierung von Arbeitskräften neue Perspektiven. Trotzdem hat sich die

Personal beschaffung über soziale Netzwerke in der Schweizer Unternehmenspraxis noch

nicht durchgesetzt.

WWW.facebook.coM Die bekann-

teste Plattform; hat über 650 Millionen

aktive Nutzer weltweit, in der Schweiz

sind es 2,6 Millionen. Wird vor allem

für private Zwecke verwendet.

WWW.tWitter.coM Anwendung

zum Mikroblogging; wird von Privatper-

sonen, Organisationen, Unternehmen

und Massenmedien zur Verbreitung

von kurzen Textnachrichten genutzt.

WWW.youtube.coM Internet-Video-

portal, auf dem die Benutzer kostenlos

Videos ansehen und hochladen können.

Pro Minute werden über 35 Stunden

Videomaterial auf die Plattform geladen

(Stand November 2010).

WWW.xing.coM Das bekannteste

Businessportal in der Schweiz. Hier

können Privatpersonen ihre geschäft-

lichen Kontakte verwalten und das

eigene Beziehungsnetz erweitern.

WWW.Linkedin.coM Grösstes

Businessportal mit weltweit über

90 Millionen Nutzern zur Pflege von

Geschäftskontakten. In der Schweiz

noch wenig verbreitet.

Die bekanntesten sozialen Netzwerke

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6 I 2011derarbeitsmarkt

Anwendung von Personalrekrutierung über soziale Netz-werke ist hingegen erst am Anfang der Entwicklung, hier liegt die aktuelle Herausforderung.» Nur etwas mehr als ein Drittel der Schweizer Unternehmen nutzen Social Media bei der Personalgewinnung. «Zwar ist das Interesse gross, aber es ist noch viel Aufklärungsbedarf vorhanden», stellt Back fest.

firmen zögern bei anwendungDas Social-Media-Angebot ist vielfältig. Da gibt es einer-

seits Plattformen, die eher für private Zwecke genutzt werden, wie zum Beispiel Facebook. Wichtigere Portale für Unternehmen sind dagegen beispielsweise Xing und Linkedin, auf denen geschäftliche Kontakte gepflegt wer-den (siehe Kasten). Obwohl das Internet inzwischen mit Abstand das wichtigste Medium für die Personalsuche ist, setzen die Unternehmen vor allem auf Inserate auf der eigenen Homepage und in Internet-Stellenbörsen statt auf Social Media.

Wird auf soziale Netzwerke zurückgegriffen, dann eher für die Informationsbeschaffung über Kandidaten als für die aktive Personalsuche. Dies zeigt eine Befragung Schweizer Top-500-Unternehmen im Rahmen einer im Mai erschiene-nen Studie des Stellenportals «monster.ch». Knapp dreissig Prozent der befragten Firmen nutzen Xing für die aktive Suche nach Informationen über bereits identifizierte Kandidaten, rund jede fünfte Facebook. Aktiv nach Arbeits-kräften suchen gut zehn Prozent über Xing, drei Prozent über Facebook und Linkedin. Nur selten schalten die Unter-nehmen Stellenanzeigen über Social Media auf: Bei Xing sind es weniger als sieben Prozent, bei Facebook nicht ein-mal zwei Prozent. Trotz der zurückhaltenden Anwendung gibt fast die Hälfte der Personalverantwortlichen an, dass sie Social-Media-Anwendungen für die Rekrutierung als positiv beurteilen und keine Mühe mit der Bedienung haben.

angst vor kontrollverlustDie Vorteile der Rekrutierung über Social Media sind

vielfältig. Andrea Back verweist auf eine Studie von Christian

Arbe i tswel t

P e r s o n a l w e s e n u n d s o z i a l e n e t z w e r k e

Social Media mischen Personal gewinnung aufHaueter, die im Rahmen des Projekts «Business 2.0» Ende 2009 an der Universität St. Gallen durchgeführt wurde. 58 Schweizer Firmen beantworteten Fragen zur Rekrutierung mit Web-2.0-Anwendungen. Den grössten Pluspunkt sehen sie in der kostengünstigen Suche nach Fachkräften, die auf dem Markt schwer zu finden sind. Durch die erhöhte Reichweite kann ein grösserer Talentpool erreicht und gezielt angeworben werden. Weitere Stärken sind, dass Firmen Zeit beim Anstellungsprozess sparen und ihre Arbeitskräfte besser selektieren können, weil sie über mehr Daten verfügen.

Die Studie der Universität St. Gallen zeigt aber auch, wieso viele Unternehmen bei der Anwendung des sogenannten «Recruiting 2.0» zögern. Einerseits schrecken die Firmen vor den technischen Herausforderungen zurück, die bei der

Benutzung entstehen. Zudem herrscht die Sorge, dass die Kontrolle über den Informationsfluss verloren gehen könnte. Die «informelle» Kommunikation, die durch die Feedback-Möglichkeit bei sozialen Medien entsteht, wird oft kritisch eingeschätzt. Es entsteht eine Strukturlosigkeit der Inhalte auf dem Web 2.0, da diese von jedem Benutzer individuell bestimmt und gestaltet werden können. Auch das strategisch sinnvolle Einsetzen der verschiedenen Plattformen bereitet vielen Unternehmen Mühe. Schliesslich befürchten sie, dass transparente Informationen zu einem erhöhten Wettbewerb unter den Arbeitgebern führen.

Im Vergleich zu Ländern wie Deutschland und den USA ist die Schweiz bei der Personalrekrutierung über soziale Netz-werke eher im Rückstand. Erstaunlich ist, dass es laut Studie in der Schweiz keine relevanten Unterschiede zwischen den Branchen gibt. Dies erklärt sie damit, dass die Nutzung von Web 2.0 im Rekrutierungsprozess über sämtliche Unter-nehmen hinweg noch eher tief ist. Sie spekuliert, dass sich branchenabhängige Ausprägungen erst zeigen werden, wenn sich die neue Form der Personalgewinnung bei den Firmen etabliert hat.

t e c h n o l o g i e u n t e r n e h m e nt e c h n o l o g i e u n t e r n e h m e n

Das PR-Netzwerk Eurocom Worldwide hat über 650 Führungs-

kräfte in Technologieunternehmen zu sozialen Netzwerken,

Unternehmensblogs und Recruitment im Social Web befragt.

38 Prozent der Unternehmen erhöhen 2011 die Budgets

für Social Media. Die gestiegene Bedeutung zeigt sich auch

darin, dass jedes zweite Unternehmen ein eigenes Profil

auf Facebook hat. Trotz des Bedeutungszuwachses sehen

mehr als die Hälfte der Firmen klassische Public Relations

nach wie vor als effizienteste Kommunikationsdisziplin

an – vor Internet Marketing und Social Media.

Facebook ist das am häufigsten genutzte soziale Netz-

werk, gut die Hälfte der Unternehmen und drei Viertel

der Befragten selbst nutzen es laut Umfrage. Noch im

Vorjahr hatte nur jedes dritte Unternehmen ein eigenes

Facebook-Profil. Auf Twitter sind darüber hinaus 46 Pro-

zent der Unternehmen mit einem eigenen Account aktiv,

gefolgt von Linkedin und Youtube. Durch die zunehmend

gemischte Nutzung der Social-Media-Kanäle – privat

und geschäftlich – wird das Web 2.0 auch für Personaler

immer interessanter. Bereits 38 Prozent der Technolo gie-

unternehmen sehen sich die Social-Media-Profile von

potenziellen Mitarbeitern regelmässig an.

Auch bei der Öffentlichkeitsarbeit werden soziale Medien

immer wichtiger. «Die Grenzen zwischen Social Media und

Public Relations verwischen sich zunehmend. Der Einsatz

von Social Media ist aus der professionellen Kommunikation

mit der Öffentlichkeit nicht mehr weg zudenken», sagt

Christoph Schwartz vom deutschen Eurocom-Worldwide-

Partner Schwartz PR.

Social Media gewinnen an Bedeutung

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Arbe i tswel t

vom Bewerber oder von der Bewerberin, statt im Internet nach privaten Daten zu suchen.»

grosses Potenzial vorhandenABB Schweiz setzt soziale Medien dagegen nur sporadisch

ein. Die meisten Jobangebote platziert der Elektrotechnik-konzern auf seiner Homepage. Einzelne Stellen schreibt die Firma zudem über Xing und Facebook aus. In seltenen Fällen tritt die Personalabteilung mit den Kandidaten direkt über Xing in Kontakt. «Es ist eine neue Art der Personalge winnung», sagt Lukas Inderfurth, Leiter Medienstelle bei ABB. «Wir müs-sen erst Erfahrungen sammeln, bevor wir entscheiden, ob wir vermehrt darauf setzen.»

In Zukunft wird die Stellensuche über soziale Netzwerke an Bedeutung gewinnen. Claudia Häfeli schätzt das Potenzial als gross ein: «Die Personalgewinnung über Social Media wird zunehmen, vor allem auch via Twitter.» Noch haben viele Unternehmen Mühe, sich auf diese neue «Feedback-Kultur» einzustellen und die damit verbundenen technischen und organisatorischen Herausforderungen zu meistern. Michel Ganouchi, Marketingleiter der Stellenbörse «monster.ch», prophezeit, dass «immer mehr Firmen sich bewusst werden, dass sie Kandidaten über diese neuen Kanäle ansprechen können». Sie seien auf Xing, Facebook, Twitter und Youtube angewiesen, um «ihr Image als Arbeitgeber zu fördern und effektiv Stellen zu besetzen». n

effiziente Suche nach fachkräftenEin Unternehmen, das das Netz bereits heute dafür nutzt,

ist der Migros-Genossenschafts-Bund. Der Grossverteiler setzt hauptsächlich Xing zur Personalgewinnung ein. «Wir suchen damit Fach- und Führungskräfte, die auf dem Markt schwierig zu finden sind», sagt Personalbereichsleiterin Claudia Häfeli. Die Kandidaten werden direkt angeschrieben und auf die v akante Stelle aufmerksam gemacht. Dabei komme es auch vor, dass die angesprochenen Personen sich erst später bei der Genossenschaft melden. Derzeit läuft beim Migros-Genossen-schafts-Bund ein Pilotprojekt, bei dem getestet wird, wie erfolg-versprechend das Anwerben von Fachkräften über soziale Netzwerke ist. Bei positiven Ergebnissen will das Unternehmen einen Standardprozess für die Personalsuche über Social Media einrichten. «Es ist ein produktiver Weg, weil man schnell an qualifizierte Fachkräfte herankommt», sagt Claudia Häfeli. Allerdings sei die Suche aufwendig, oft fehle die Zeit dafür.

Neben Xing sucht Migros auch über den Kurznachrichten-dienst Twitter nach geeignetem Personal. Die Firma plant einen eigenen Twitter-Kanal, über den sie Jobangebote ver-öffentlichen will. Nicht verwendet wird das Businessportal Linkedin. Dieses eignet sich derzeit laut Claudia Häfeli eher dazu, Fachpersonal auf internationaler Ebene aufzuspüren. Auch Facebook und Google werden nicht zur Informations-gewinnung über die Kandidaten eingesetzt. «Wir verschaffen uns lieber beim persönlichen Vorstellungsgespräch ein Bild

s t e l l e n s u c h e m i t s o c i a l m e d i as t e l l e n s u c h e m i t s o c i a l m e d i a

nicht nur für unternehmen nicht nur für unternehmen

eröffnen sich durch Social eröffnen sich durch Social

Media neue Möglich keiten,Media neue Möglich keiten,

sondern auch für arbeit­sondern auch für arbeit­

suchende. Michel ganouchi, suchende. Michel ganouchi,

Marketingleiter der StellenMarketingleiter der Stellen­­

börse «monster.ch», zeigt börse «monster.ch», zeigt

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suche gewinnbringend ein­suche gewinnbringend ein­

gesetzt werden können.gesetzt werden können.

PaSSive nutzung PaSSive nutzung

Stellensuchende erstellen auf Businessplatt-

formen wie Xing oder Linkedin Profile für

potenzielle Arbeitgeber, die sich via Internet

über einen Bewerber informieren. «Das Profil

sollte aktuell, professionell und lückenlos

sein», sagt Ganouchi, «und etwa dieselben

Angaben enthalten, die im privaten Lebens-

lauf zu finden sind.» Ausserdem müsse darauf

geachtet werden, dass private Social-Media-

Aktivitäten beispielsweise auf Facebook nicht

anstössig wirken.

aktive nutzungaktive nutzung

Hier gilt es, über soziale Netzwerke aktiv

nach Stellen zu suchen. Beispielsweise gibt

es Firmen, die über Twitter Joban gebote

kom munizieren. «So ist man tagesaktuell

informiert über offene Stellen in relevanten

Bereichen», sagt der Marketingleiter. Bei

«monster.ch» gibt es 13 Kanäle, denen man

je nach Bedarf folgen kann, beispielsweise

für Stellen im Verkauf. Immer mehr Firmen

haben zudem auf Facebook Karriereseiten,

auf denen sich Interessierte über Firmen -

kultur und offene Stellen informieren können.

Allerdings ist dies in der Schweiz noch nicht

sehr verbreitet. Es könne auch hilfreich sein,

Freunden per Statusmeldung in seinem

Facebook-Profil mitzuteilen, dass man auf

Jobsuche ist.

vor­ und nachteiLevor­ und nachteiLe

Mit sozialen Netzwerken erhält der oder die

Stellensuchende einen Einblick in die Firmen-

kultur, und es ist zum Teil eine Direktansprache

möglich. Durch die neuen Kommunikations-

kanäle kann das eigene Netzwerk ausgebaut

werden, und man kann gezielt Informationen

über sich freigeben. Dabei sollte man beachten,

dass sich im Internet veröffentlichte Angaben

nicht mehr ohne Weiteres löschen lassen. Eine

gewisse Transparenz an Information ist laut

Michel Ganouchi aber notwendig: «Man muss

bereit sein, zu geben, um zu erhalten.» Jeder

Bewerber müsse sich fragen, wie viel Informa-

tionen er preiszugeben bereit ist. «Ich stelle

noch eine grosse Verunsicherung bei Stellen-

suchenden fest, wie sie mit diesen neuen

Kommunikationsmethoden umgehen sollen.»

Soziale Netzwerke gewinnbringend einsetzen

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