SozialISTmuss Sonderausgabe Jusos RLP

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// // An alle jungen Menschen: Seid so frei! Sonderausgabe zum Thema Jugend und Politik zu den Landtagswahlen 2011

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Sonderausgabe der Verbandszeitung "SozialISTmuss" der Jusos RLP zur Landtagswahl 2011

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// // An alle jungen Menschen: Seid so frei! Sonderausgabe zum Thema Jugend und Politik zu den Landtagswahlen 2011

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//// DAS ERSTE MAL… INFOS ZUR WAHL / Landtagswahl – Jetzt darf auch ich! Doch was nun? / 4-5 / An alle jungen Menschen in RLP: Seid so frei! / 6-7 / Jusos gestalten Rheinland-Pfalz / 3 / Wie entsteht eigentlich ein Wahlprogramm? / 8-9

//// INTERVIEWS / „Mir ist es wichtig, dass wir vor allem Politik MIT Jugendlichen machen“ – Ein Interview mit Tanja Machalet / 10-11 / Interview mit Kurt Beck: „Wir möchten auf die Menschen hören, für die wir politische Entscheidungen treffen“ / 12-14

//// WIR FORDERN / Bildung für alle – und zwar umsonst! / 16-17 / Gleicher Lohn für gleiche Arbeit! / 18-19

//// INTERNATIONALES / So werden Wahlen in Russland durchgeführt – Analyse der „gelenkten Demokratie“ / 15

// // INHALT / SONDERAUSGABE / / 2011

Herausgeber:Jusos Rheinland-PfalzKlarastraße 15 a55116 MainzTel.: 0 61 31 – 2706114Fax.: 0 61 31 – 2706127@: [email protected]: www.jusos-rlp.de

Verantwortlich: Andro Scholl (V.i.S.d.P.)

Redaktion: Oliver Lösch, Ellen Diehl, Nora Egler, Sascha Rachow, Lydia Gaber, Stefan Schmitz

Layout/Druckvorstufe: Stefan SchmitzSD-Manufaktur, Hillesheim/Eifel, www.sd-manufaktur.de

Bildnachweise:Titelbild: Archiv Jusos RLP

Bilder im Innenteil: Archiv Jusos RLP, Juso Bundesver-band (S. 6), SPD RLP (S.10 & S. 12), Tanja Machalet (S. 11), Fotolia (3desc, Matthias Enter, Prodakszyn / alle fotolia.com S. 15-17 ), Pixelio (S. 16), Juso Bundesverband (S. 18)

Druck: Theissen Medien Gruppe, Monheimwww.tmg-web.de

Impressum

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Landtagswahl – Jetzt darf auch ich! Doch was nun?

Falls Du dich wunderst, warum wieder Laternenmasten mit seltsam grinsenden Gesichtern geschmückt werden, warum Menschen in der Fußgängerzone bei klirrender Kälte unter einem Sonnenschirm stehen oder Dich freundlich ansprechen und Dir dabei mehr oder weniger nützliche Dinge schenken. Keine Sorge, sie sind nicht verrückt, es sind wieder Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Du darfst mitwählen! Wie das geht, erfährst Du hier!

Wie erfahre ich, wann und wo ich wählen kann?Das steht alles auf der Wahlbenachrichtigung, die Du einige Wochen vor dem Wahltermin bekommen solltest. Wenn Du keine erhalten hast, kann es dafür mehrere Gründe geben.Wenn Du wahlberechtigt bist und kurz vor der Wahl immer noch keine Wahlbenachrich-tigung bekommen hast, wendest Du Dich am besten an das für Dich zuständige Wahlamt. Aber Du kannst auch ohne Wahlbenachrichtigung wählen gehen. Alles was Du brauchst ist dein Personalausweis. Du bist immer dort wahlberechtigt, wo Du Deinen Hauptwohnsitz (ein-getragen im Ausweis) hast. Frag im Zweifelsfall Deine Nachbarn, in welches Wahllokal sie gehen. So viel können wir schon vorab verraten: Gewählt werden kann am 27. März 2011 zwischen 8 und 18 Uhr.

Wieso habe ich zwei Stimmen?Das ist der Fall, da wir bei Bundestags- und Landtagswahlen eine Kombination aus Mehrheits- und Verhältniswahl haben.

Häh?Also: Mit der Erststimme wählt man den oder die DirektkandidatIn. Das ist eine Person, die in Deinem Wahlkreis wohnt und für den Landtag kandidiert. Mehrere Parteien stellen solche KandidatInnen auf. Einem oder einer davon kannst Du Deine erste Stimme geben. Wer hier nach der Auszählung die meisten Stimmen, also die Mehrheit hat, ist auf jeden Fall im Landtag.Mit der Zweitstimme wählst Du die Liste einer Partei. Alle Parteien, die antreten, haben eine Liste eingereicht, auf der Personen stehen, die aus Sicht der Parteien in den Landtag sollten. Auch hier kannst Du wieder eine Stimme vergeben. Die Parteien bekommen so viele von den 101 Sitzen im Landtag zugesprochen, wie sie prozentual Stimmen bei der Zweitstimme erhalten haben. Diese Plätze bekommen dann zuerst die Menschen, die die Direktmandate geholt haben (Erststimme). Die weiteren Plätze für die Parteien werden dann nach der Reihenfolge der Liste aufgefüllt.

h!

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Na gut, dann sollte ich wohl wählen gehen. Aber was soll ich wählen?Diese Frage kann Dir niemand beantworten – außer Du selbst. Was Freunde, Fami-lie oder Dein Umfeld sagen, sollte Dich weniger beeinfl ussen. Denn: Mach Dir Dein eigenes Bild. Schau Dir die Programme der Parteien an oder sprich die Menschen, die auf der Straße Wahlkampf machen, einfach einmal auf die Themen an, die Dir wichtig sind. Falls Du doch etwas Hilfe brauchst, gibt es zu jeder Wahl im Internet einen Wahl-O-Mat. In ihm sind Thesen zusammengefasst, aus denen Du deine Fa-voriten wählen kannst. Am Schluss wird Dir dann gezeigt, mit welcher Partei Du die größten Übereinstimmungen haben könntest. Darauf solltest Du dich allerdings nicht beschränken, da der Wahl-O-Mat nicht die komplette Vielfalt und Ausführlichkeit der politischen Meinungen berücksichtigen kann.

Und was passiert, wenn eine Partei z.B. 40 Wahlkreise gewinnt, aber nach den Pro-zenten nur 39 Sitze hat?Das „überschüssige“ Mandat bleibt der Partei erhalten, allerdings wird die Sitzzahl im Landtag soweit erhöht, dass das Verhältnis der Landesstimmen (Zweitstimmen) der Parteien erhalten bleibt. Das heißt evtl. bekommen die anderen Parteien auch zusätzliche Mandate.

Muss ich denn wählen gehen?Nein, in Deutschland gibt es keine Wahlpfl icht. Allerdings solltest Du immer bedenken, dass Du mit der Ab-gabe Deiner Stimme die Möglichkeit hast, die Entwicklung Deines Landes zu beeinfl ussen.

Super! Aber mir fällt gerade ein, dass ich am 27. März im Urlaub bin! Kann ich jetzt nicht wählen?Doch! Auf der Rückseite Deiner Wahlbenachrichtigung fi ndest Du den An-trag für Deine Briefwahlunterlagen. Wenn Du ihn ausfüllst und wegschickst, bekommst Du Deine Wahlunterlagen nach Hause geschickt. Dann kannst Du Deine Kreuzchen machen und Deine Stimmzettel wieder wegschicken. So geht Deine Stimme nicht verloren und Du kannst Deinen Urlaub genießen.

Klasse! Und wie sieht’s mit Verhütung beim ersten Mal aus? ;-)Auch ‘ne gute Frage! Du solltest radikale Parteien verhindern, indem Du demokratischen Parteien Deine Stimme gibst.

Alles klar, jetzt weiß ich Bescheid! Vielen Dank!

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An alle jungen Menschen in RLP:

Seid so frei!

von Daniel Richardt und Andro Scholl

Jeder junge Mensch will etwas zu essen haben, muss ab und an auf Toilette, geht mit Freunden weg oder sitzt vor dem PC. Wir schauen Fernsehen, lesen Zei-tung oder gehen ins Kino. Junge Menschen machen gerne Party, gehen auf Konzerte oder reisen gerne. Wir gehen zur Schule, zur Uni, zu unseren Ausbil-dungsplätzen, um uns für einen Beruf zu bilden. Wir arbeiten hart, manchmal über 8 Stunden am Tag und 40 Stunden in der Woche, manchmal arbeiten wir ehrenamtlich. Manche haben keinen Schulabschluss geschafft. Einige von uns haben keinen Arbeits- und Ausbildungsplatz. Viele werden diskriminiert und offen gemobbt, manchmal tun wir es selbst, ohne uns dessen bewusst zu sein. Oft stehen wir unter hohem Druck, haben große Erwartungen an uns selbst, die wir nicht erfüllen können. Das alles verbindet uns jun-ge Menschen heute miteinander – aber auch mit allen anderen. Vielleicht machen wir von dem einen mehr als andere und trifft das andere weniger auf uns zu. Und vielleicht denken ältere Menschen eher an die Zeit nach der Arbeit oder an die Zukunft ihrer (Enkel-)Kinder. Aber alle wollen wir frei entscheiden, ob, wann, wo und wie wir das Eine oder das Andere tun.

Wir leben nicht alleine auf der Welt, sind gleicher als wir denken

Bei den oben genannten Alltagssituationen sind wir gelegentlich bei der Entscheidung, ob wir das eine tun oder lassen können, auf uns selbst gestellt und Man-ches können wir gar nicht entscheiden. Wenn einem die Natur kommt und die Blase drückt, dann müssen wir auf Toilette. Vieles andere aber ist nur möglich und wir sind frei es zu tun, weil wir es vorher mit Fa-

milie, Freundin oder Freund, Schule oder Arbeitsplatz abgesprochen, diskutiert oder vertraglich in Über-einstimmung gelöst haben, weil es sonst die Freiheit der jeweils Anderen, die von unserer Entscheidung betroffen sind, einschränken würde. Manches wollen wir auch gar nicht alleine entscheiden. Kurz gesagt: Es gibt viele Dinge, die können wir nicht alleine tun, und wenn wir es täten, wären wir nicht freier als zu-vor! Weil wir nämlich nicht alleine auf der Welt leben und wir uns gleicher sind, als wir es uns manchmal bewusst sind oder es uns vorstellen.

Was hat das jetzt alles mit Jugend, Jusos/SPD und Politik zu tun?

Politik (Parteien, PolitikerInnen, Gewerkschaften, Mi-nisterien, Interessensorganisationen) hat eine besonde-re Aufgabe. Parteien und deren Jugendorganisationen suchen gemeinsam miteinander oder streiten über verschiedene Lösungen, überzeugen Mehrheiten und formulieren politische Inhalte, die dann unser Gemein-wesen, unsere Gesellschaft und unser Zusammenleben bestimmen. Wir Jusos streben eine Gesellschaft der Freien und Gleichen an, in der Krieg nicht existiert (und das eben nicht nur bei uns in Deutschland, sondern international) und Konfl ikte nicht gewalttätig, sondern im Wettstreit um Alternativen gelöst werden. Zum Beispiel im Vorfeld von Wahlen im Streit mit anderen Parteien und der Diskussion mit Euch.

Politik nimmt Euch ernst: Wahlalter ab 16.

Ja, die Politik sollte Euch ernstnehmen. Nicht immer tut sie das. Das haben wir bei den Jusos und der SPD in Gesprächen mit jungen Menschen festgestellt und uns deshalb dazu entschieden, uns in Zukunft für eine He-

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rabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre einzusetzen – ab 2014 bei den Kommunalwahlen in Rheinland-Pfalz und ab 2016 bei den nächsten Landtagswahlen. Viele Gesetze betreffen eben auch 16-Jährige, sie sollen deshalb auch konkret mitentscheiden dürfen. Ihr wählt nicht mehr rechte und menschenfeindliche Parteien als ältere Menschen, nur weil ihr unter 18 seid, wie es z.B. die Jugendorganisation der CDU, die Jungen Union, behauptet. Das ist kein Argument gegen das Wählen mit 16! Ihr sollt mitentscheiden dürfen über Euer Bildungssystem, über Schulstruktur, LehrerInnenausbildung, die Zugangsvoraussetzungen der Hochschulen, über die Frage, wie berufl iche Ausbildung aussehen soll. Ihr sollt mitentscheiden dürfen, was Jugendzentren oder Freizeitmöglichkeiten bei Euch vor Ort angeht. Ihr wisst was Ihr braucht, um freier zu leben und gemeinsam mit Euren Freunden im Dorf oder der Stadt eine gute Perspektive zu haben.

Ungleicher Streit und Ausgrenzung

Streit ist nichts Schlimmes, er kann uns nach vor-ne bringen. Ohne Streit und Auseinandersetzung entwickeln wir uns weder in der Familie noch in der Gesellschaft weiter. Es gibt aber auch Streitigkeiten, die in die Sackgasse führen, weil man sich um des Streites Willen streitet. JedeR kennt das. Aber solche Konfl ikte können auch auf dem Rücken von Menschen ausgetragen werden, die zu schwach sind, um sich zu wehren. Das fängt damit an, dass Zuhause die Kritisierten bei einer Auseinandersetzung oft gar nicht erst dabei sind und sich den Vorwürfen nicht wider-setzen können. Und das kommt auch im größeren Rahmen auf der Suche nach politischen Lösungen vor, weil „Gruppen“ oder einzelne Menschen weder die fi nanziellen noch die politischen Mittel haben, sich zu wehren und für ihre Freiheit zu kämpfen. Das sind zum Beispiel ärmere Menschen oder Menschen mit Migrationshintergrund, die neben ihrer oftmals schwierigeren sozialen Situation auch zusätzlich gesellschaftlich wegen Nationalität, Hautfarbe usw. ausgegrenzt werden.

Demokratie und Courage: Das NDC

An der Seite dieser Menschen stehen wir Jusos – z.B. wenn wir uns für das Netzwerk für Demokratie und Courage (NDC) einsetzen und fordern, dass dieses weiterhin durch das Land und die SPD unterstützt wird. Das NDC arbeitet zusammen mit ehrenamt-lichen TeamerInnen (TeamerIn kann jedeR sein, Du

müsstest nur eine einwöchige Ausbildung absolvieren) an vielen Schulen in Rheinland-Pfalz gegen Vorurteile, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit sowie für Demokratie und Mut. Vielleicht war es auch schon einmal bei Dir an der Schule? In den Projekttagen werden konkre-te Vorschläge entwickelt, wie man mutig vorgehen kann, wenn man z.B. BeobachterIn eines rassistisch gewalttätigen Übergriffs oder einer Verbalattacke wird – egal ob in der eigenen Klasse, am Arbeitsplatz oder in der Öffentlichkeit.

Mut und Gerechtigkeit: Ein starker, entlas-tender Staat

Doch nur der Mut zur Aufklärung von Vorurteilen al-lein geben Euch und sozial benachteiligten Menschen in unserer Gesellschaft noch keine Perspektive auf ein gutes Leben mit guter Bildung, guter Ausbildung, guter Arbeit in sozialer Sicherheit. Nur wer sozial abgesichert ist, ist frei. Das gilt insbesondere für uns junge Menschen. Stärker als unsere Eltern stehen wir unter Leistungs- und Erfolgsdruck des Arbeits- und Ausbildungsmarktes. Intensiver als unsere Eltern suchen wir nach Orientierung. Um junge Menschen zu entlasten, stehen wir Jusos deshalb gemeinsam mit der SPD Rheinland-Pfalz für ein Recht auf Ausbildung, für gebührenfreie Bildung von Anfang an, für den besonderen Schutz junger Menschen am Arbeitsplatz, für die bessere Anerkennung von Abschlüssen von MigrantInnen und nicht zuletzt für einen starken Staat, für den wir auf Bundesebene beispielsweise über die Einführung einer Vermögenssteuer, der Erhöhung des Spitzensteuersatzes und einer Transaktionssteuer kämpfen. Nicht, um es denjenigen, die immer reicher werden, einfach nur wegzunehmen und weil wir es neiden, sondern weil wir es brauchen, um unsere Gesellschaft freier und gerechter zu machen, um die Umstellung auf regenerative Energien, eine bessere Bildung und soziale Sicherheit fi nanzieren zu können und auch junge Menschen zu entlasten.

Seid so frei! Gestaltet Eure Zukunft mit!

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Was die Parteien in der nächsten Legislaturperiode umsetzen wollen, falls sie gewählt werden, steht in ihrem Wahlprogramm. Doch wie entsteht dieses Programm eigentlich? Wer schreibt es und warum muss es denn so lang sein?

SCHRITT 1: Im Vorfeld diskutieren alle Interessensvertretungen innerhalb einer Partei, beispielswei-se der Vorstand und die Arbeitsgemeinschaften, zu denen auch die Jusos zählen, und überlegen gemeinsam, welche Themenschwerpunkte das Programm enthalten soll, was die Partei alles erreichen möchte und wie.

SCHRITT 2: Daraufhin verfasst jemand einen ersten Entwurf des Programms auf Grundlage der Text-bausteine, die die Interessenvertretungen zur Verfügung stellen. Wie die Kernforderungen der einzelnen Themenbereiche gestaltet sein können, siehst Du auf der Liste, die auf der rechten Seite abgebildet ist.

SCHRITT 3: Dieser Entwurf wird den Mitgliedern der Partei vorgestellt, so dass diese Änderungsan-träge verfassen und stellen können, wenn ihnen die Forderungen als ungenügend erscheinen und sie Verbesserungen vorschlagen wollen.

SCHRITT 4: Entweder werden die Änderungsanträge (in der Programmkommission oder auf den Parteitagen) übernommen oder eine Mehrheit der Delegierten stimmt gegen diese. Schließlich gibt es eine Endversion des Programms, mit welcher die Partei in den Wahlkampf startet.

Ein konkretes Beispiel: Die Jusos möchten, dass die SPD u.a. das Recht auf Ausbildung in ihr Wahlprogramm aufnimmt sowie folgende Forderungen unter dem Punkt zur Integration von Menschen mit Migrationshintergrund hinzufügt: umfassende Programme zur Sprachförderung, die doppelte Staatsangehörigkeit, die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen, das kommunale Wahlrecht für DrittstaatlerInnen sowie die Unterstützung von MigrantInnen-Verbänden, die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund fördern. Deshalb stellen die Jusos Änderungsanträge, die genau diese Punkte benennen.

Wie entsteht eigentlich ein Wahlprogramm?ahlprogramm?

Wahlprogramm

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Gleiche Bildungschancen für alle...

…sehen für die SPD so aus: frühkindliche Bildung, leistungsfähige Schulen, eine

sehr gute Unterrichtsversorgung, längeres gemeinsames Lernen, eine hohe Durchläs-

sigkeit, Ausbau von Ganztagsschulen und ein kostenfreies Erststudium.

Kinderbetreuung - Die rheinland-pfälzische SPD möchte genügend Betreuungs-

plätze für Kinder unter drei Jahren anbieten.

Gebührenfreiheit von der Kindertagesstätte bis zum Hochschulabschluss

Gute Arbeit - Die SPD will sich für gute Arbeitsbedingungen, den Kündigungs-

schutz, den fl ächendeckenden Mindestlohn, die Tariftreue, Mitbestimmungsrechte in

den Betrieben und gleiche Löhne für Frauen und Männer einsetzen.

Chancengleichheit von Frauen und Männern in Hochschule und Wissenschaft

Die SPD wird ein Nachwuchsförderprogramm aufl egen, das den speziellen Bedürf-

nissen von Frauen in der Wissenschaft entspricht, um den Anteil von Frauen unter

den Professuren zu erhöhen.

Umweltfreundliche, sichere und bezahlbare Energien ohne Atomkraft

Stärkung der dezentralen Energieversorgung mit erneuerbaren Energien vor Ort

und Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien am Stromverbrauch bis 2020 auf

mindestens 30 %.

Kampf gegen Rechts - Die SPD möchte das „Netzwerk für Demokratie und

Courage“ (NDC) bei seiner engagierten Arbeit unterstützen.

Schnelle Zugänge zum Internet - Die SPD will dafür sorgen, dass alle Regio-

nen des Landes mit schnellen Anschlüssen versorgt werden.

Förderung von Ehrenamt und bürgerschaftlichem Engagement

So können die einzelnen Themenbereiche aussehen (entnommen aus dem Entwurf für das SPD-Wahlprogramm zur LTW 2011):

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Die SPD möchte das Wahlalter auf 16 heruntersetzen. Warum ist es besonders wichtig, dass Jugendliche bereits im jungen Alter bei Wahlen mitentscheiden dürfen?

Wir reden viel über Beteiligung und Mitbestimmung von Jugendlichen und darüber, dass wir Politik für Jugend-liche machen müssen. Mir ist aber wichtig, dass wir vor allem Politik MIT Jugendlichen machen. Und eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass sie auch selbst darüber abstimmen können. Gerade in den Dörfern und Städten können sie damit Politik direkt und praktisch mitgestalten. Sie sind nicht nur die ExpertInnen, wenn es darum geht, wie ein vernünftiger Jugendraum auszusehen hat. Vielmehr sind sie auch diejenigen, die am besten beurteilen können, wie eine Kommune so attraktiv gestaltet werden kann, dass sie dort wohnen bleiben oder nach der Ausbildung gerne wieder dorthin zurückkehren.

Warum ist es wichtig, dass sich gerade junge Menschen politisch engagieren?

Sich politisch zu engagieren heißt die eigene Zukunft mitzugestalten. Wenn sich nur diejenigen engagieren, die ihre Jugend schon hinter sich haben, gerät diese ganze Lebensphase aus dem Blick. Aus meiner eigenen politischen Biografi e als Juso kann ich sagen, dass viele der Ideen, die – meist Jahre später – umgesetzt wur-den, zuerst dort entwickelt wurden. Das heißt: ohne politisches Engagement Jugendlicher stößt die Kreativität in Parteien und die Kraft, Neues zu entwickeln, irgendwann an ihre Grenzen.

Was macht die Stärke der SPD in RLP aus?

Die SPD in Rheinland-Pfalz ist stark, weil sie auf die Menschen hört. Das ist vor allem auch das Markenzeichen von Kurt Beck. Behutsam Reformen anzugehen und die Menschen dabei mitzunehmen, sie nicht vor vollendete Tatsachen zu stellen, sondern immer wieder ausgewogene Kompromisse zu formulieren – das ist die SPD in Rheinland-Pfalz.

Gute Bildungschancen für alle. Was verstehst Du darunter?

Gute Bildungschancen bedeutet vor allem, dass der Zugang zu Bildung nicht vom Einkommen der Eltern abhän-gen darf. Mit gebührenfreien Kitas und dem gebührenfreien Erststudium ist Rheinland-Pfalz hier Vorreiter. Aber auch was die Durchlässigkeit im Bildungssystem angeht, stehen wir gut da.

Warum hast Du Dich persönlich für die SPD entschieden?

Ich komme aus einer klassischen Arbeiterfamilie. Mein Vater war lange Jahre im Betriebsrat. Das hat mich

„Mir ist es wichtig, dass wir vor allem Politik MIT Jugendlichen machen“

Die 1974 geborene Tanja Machalet ist die jüngste Direkt-Kandidatin der SPD in Rheinland-Pfalz. Zur Zeit arbeitet sie als Referentin in der Staats-kanzlei in Mainz, aber am 27. März möchte sie für den Wahlkreis 06 - Montabaur den Sprung in den Landtag schaffen.

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geprägt. Die endgültige Entscheidung zum Eintritt in die SPD fi el dann aber 1991, als Rudolf Scharping die Wahl in Rheinland-Pfalz gewonnen hat. Da war dann das Gefühl: Jetzt geht’s los! Jetzt können wir, kann ich, sozialdemokratische Politik mitgestalten.

Wie kann die SPD Deiner Meinung nach jünger und moderner werden?

Was heißt denn jünger und moderner? Jung und modern sind für mich keine Werte an sich. Wenn es darum geht, dass die SPD wieder attraktiv für die Menschen wird, dann geht dies vor allem nur über eine stärkere Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an den innerparteilichen Diskussionen. Das heißt, wir müssen sie noch stärker in unsere Entscheidungsprozesse einbinden. Da gibt es eine Menge an neuen Methoden, die wir nur konsequent anwenden müssen. Und vor allem dürfen wir nicht darauf warten, dass die Leute zu uns kommen. Wir müssen noch viel stärker als bisher auf sie zugehen.

Was sind für Dich die wichtigsten Handlungsfelder, um Geschlechtergerechtigkeit zu errei-chen, z.B. im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf?

Sicherlich ist das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein zentrales, wenn es um Geschlechtergerechtig-keit geht. Ich möchte es aber nicht darauf reduzieren, denn Lohnungleichheit zum Beispiel ergibt sich nicht nur daraus, dass Frauen Mütter sind. Es gibt auch immer noch mehr Gewalt gegen Frauen in engen sozialen Bezie-hungen. Und Mädchen haben häufi g immer noch schlechtere Bildungschancen, wenn sie aus ärmeren Familien kommen. Sie werden auch immer noch viel zu häufi g in die „klassischen“ Frauenberufe vermittelt. Auch hier spielt wieder das Bildungssystem eine entscheidende Rolle. Geschlechtergerechtigkeit ist also ein Thema, das schon in den Kitas und den Schulen vermittelt werden muss. Im Übrigen halte ich die Äußerungen von Bundes-familienministerin Schröder zur Rolle der Frau für völlig daneben, denn sie bewirkt damit genau das Gegenteil von mehr Gleichberechtigung.

Zu guter Letzt: Zu guter Letzt: Wieso sollten junge Menschen in RLP gerade die SPD unter-stützen.

Weil wir in Rheinland-Pfalz bewiesen haben, dass wir Politik für die Menschen machen. Wir machen keine leeren Versprechungen. Wir kümmern uns um gute Ausbildung und sichere Arbeitsplätze, aber auch um eine nachhaltige Energieversorgung ohne Atomkraft.

Wir danken für das Gespräch!

Alle weiteren Informationen über Tanja findet Ihr auf ihrer Homepage www.tanja-machalet.de und natürlich findet ihr sie auch bei Facebook, WKW und Twitter.

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Was hat die SPD-Landesregierung in der zu-rückliegenden Legislatur für junge Menschen erreicht?

Das Ziel unserer Politik für junge Menschen ist es, sie zu unterstützen, damit ihnen alle Wege offen stehen und sie später ihr eigenes Leben meistern können. Das haben wir mithilfe vielfältiger Reformen im Bildungswesen getan, insbesondere durch den Ausbau der vorschulischen Bildung und des Ganz-tagsschulangebots. Wir haben in den vergangenen Jahren aber auch gemeinsam mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften einen konsequenten Abbau der Jugendarbeitslosigkeit erreichen können, damit junge Menschen, die die Schule verlassen, nicht ohne Pers-pektiven dastehen.

Überdies lernen viele Jugendliche soziales Verhalten auch außerhalb der Schule. Wir haben in Rheinland-Pfalz ein dichtes Netz an Vereinen, die den Jugendli-chen sinnvolle Freizeit- und Sportangebote unterbrei-ten. Das Land unterstützt diese zum Teil ehrenamtliche, außerschulische Jugendarbeit fi nanziell – zum Beispiel die Sportvereine und die Pfadfi nderInnen. Im Ge-gensatz zu vielen anderen Ländern haben wir den Etat hierfür nicht gekürzt, sondern im Haushalt 2011 sogar moderat erhöht.

Zudem existiert seit den 1990ern das Aktionspro-gramm „Kinderfreundliches Rheinland-Pfalz“. Mit diesem Programm unterstützen wir z.B. Leseförder-projekte oder wir helfen den Kommunen bei Ferien-betreuungsmaßnahmen. Mit dem Programm wollen wir auch erreichen, dass junge Menschen von klein auf erfahren, was demokratische Teilhabe bedeutet. Wenn Menschen bereits im Kindesalter lernen, wie man mitbestimmt, Einfl uss nimmt, so sind das gute Vor-aussetzungen dafür, dass sie später Verantwortung für sich und für andere übernehmen können. Aus diesem Grund haben wir uns auch nach vielen Diskussionen entschlossen, das aktive Wahlalter für Landtags- und

Kommunalwahlen von 18 auf 16 Jahre zu senken, wie es beispielsweise vom Schülerlandtag, aber auch von den Jusos gefordert wurde.

Die SPD hat Bildungspolitik zu ihrem Schwerpunkt gemacht. Was wurde erreicht und wie wird man hier nach der Wahl wei-terarbeiten?

Ich denke, wir hatten in den letzten fünf Jahren große Herausforderungen zu meistern und haben dabei recht gut abgeschnitten. Das liegt nicht zuletzt daran, dass wir die Ausgaben für Bildung in den letzten Jahren stetig erhöht haben, zuletzt im Haushalt 2011 um sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr. Wir haben damit zum Beispiel den Ausbau der frühen Förde-rung im Kindergarten massiv vorangetrieben. Die Bildungs- und Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren wurden erheblich ausgebaut: 2005 gab es für gerade einmal 4,8 Prozent der Kinder in RLP unter drei Jahren einen Platz, heute stehen Plätze für 24,1 Prozent dieser Altersgruppe zur Verfügung. Damit sind wir aber natürlich noch nicht am Ziel, die Ausbauan-strengungen müssen und werden mit der SPD weiter gehen. Wir werden den eingeschlagenen Weg der besseren Bildung zu geringen Kosten für die Familien konsequent weitergehen: Ab dem kommenden Schul-jahr wollen wir die Klassengröße in der Grundschule schrittweise bis 2014 auf 24 SchülerInnen senken und dabei gleichzeitig Grundschulstandorte auch auf dem Land erhalten. Bis 2015 sollen auch in den Orientie-rungsstufen nicht mehr als 25 SchülerInnen pro Klasse unterrichtet werden. Wir fi nanzieren das durch die sogenannte demographische Dividende. Das heißt, wir könnten durch den Rückgang der SchülerInnen-zahlen etwa 1000 LehrerInnenstellen einsparen. Stattdessen erhalten wir diese und können so kleinere Klassen verwirklichen. Außerdem wollen wir ab 2012 Bus- und Bahnfahrten zur Schule bis zur 10. Klasse kostenfrei machen.

„Wir möchten auf die Menschen hören, für die wir politische Entscheidungen treffen“

Interview mit Kurt Beck

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Auch die Sprachförderangebote und die schulvor-bereitenden Maßnahmen sowie die entsprechende Weiterbildung der ErzieherInnen ist massiv ausgebaut worden. Wir stellen für diese Bildungsangebote jährlich acht Millionen Euro zur Verfügung. Und weil Bildung in Rheinland-Pfalz nichts kosten soll, war es uns wichtig, das gute Angebot in den Kindergärten für die Eltern beitragsfrei zu machen. Wir sind damit das einzige Bundesland, das diese kostenlose Bildungs-kette eingerichtet hat – vom Kindergarten bis zum Erststudium. An diesem Prinzip der Gebührenfreiheit werden wir auch künftig festhalten.

Gleichzeitig haben wir den Ausbau des Ganztags-schulangebotskonsequent fortgesetzt. Mit Beginn des kommenden Schuljahres haben wir über 570 Ganztagsschulen im Land. Das heißt: Über 40 Prozent der Schulen in Rheinland-Pfalz bieten Mittag-essen, Hausaufgabenbetreuung, Förderunterricht und Freizeitaktivitäten an. Auf diese gemeinsame Leistung von Land, Kommunen, den Schulleitungen und den Lehrkräften bin ich stolz, aber auch darauf, dass die Ganztagsschule von einer übergroßen Mehrheit der Bevölkerung geschätzt wird.

Wir möchten auf die Menschen hören, für die wir politische Entscheidungen treffen. Daher haben wir auch bei der Novellierung des Hochschulgesetzes die Studierbarkeit der Bachelor- und Masterstudiengänge sichergestellt. Wir haben außerdem die Möglichkeit zum Teilzeitstudium verbessert, für eine stärkere Betei-ligung der Studierenden im Hochschulrat gesorgt und dem Aspekt der besseren Vereinbarkeit von Familie, Studium, wissenschaftlicher Qualifi kation und Beruf große Aufmerksamkeit geschenkt. Gleichzeitig hat das Land mit dem Programm „Wissen schafft Zukunft II“ die Mittel für die Hochschulen um 520 Millionen Euro zusätzlich aufgestockt. Frauen verdienen im selben Beruf weniger als ihre männlichen Kollegen. Wie können diese Entgeltunterschiede, der Gender Pay Gap, beseitigt werden?

Es ist ein Unding, dass der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern noch immer bei 23 Prozent liegt. Damit steht Deutschland im europäischen Vergleich auf dem fünftletzten Platz. Dieser Missstand wird zu Recht am Equal Pay Day (EPD) angeprangert und muss behoben werden. Die SPD setzt sich ein für gleiche Bezahlung bei gleicher und gleichwertiger Arbeit – das muss natürlich auch für beide Geschlech-ter gelten.

Der EPD trägt viel dazu bei, dass die Öffentlichkeit dieses Problem stärker wahrnimmt. Deshalb betei-ligt sich die Landesregierung an Veranstaltungen zu diesem Tag und unterstützt regionale Aktionen. Wir brauchen eine politische Strategie, die an die Ursachen für die Lohnunterschiede herangeht, und ein abgestimmtes Vorgehen aller relevanten Arbeits-marktakteurInnen. Bei uns steht das Thema auf der gleichstellungspolitischen Agenda ganz weit oben – das ist notwendig, denn auch in Rheinland-Pfalz beträgt der durchschnittliche geschlechtsspezifi sche Lohnunterschied 21,6 Prozent.

Ein aus unserer Sicht geeignetes Instrument zur Beseitigung der Unterschiede sind freiwillige Lohntests der Betriebe. Damit werden solche Entgeltunterschie-de aufgedeckt. Einige Unternehmen in Rheinland-Pfalz haben sich bereits auf den Weg gemacht und Lohntestverfahren durchgeführt. Wir werben für diese Lohntests und schaffen die Rahmenbedingungen für die Herstellung von Lohngerechtigkeit, beispiels-weise durch die Förderung der Berufsorientierung von Mädchen in zukunftsträchtige Berufe oder die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch den Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten und Ganztagsschulen. Wir werden auch nicht nachlas-sen bei unserer Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn: Auch dieser würde einen Beitrag zum Abbau der Entgeltunterschiede leisten.

Wie steht die SPD in RLP zu einem Recht auf Ausbildung?

Jugendliche haben einen Anspruch darauf, nach ihrem Schulabschluss auch einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Freiheit heißt für uns SozialdemokratInnen auch, dass jede und jeder die Chance haben muss, einen Beruf zu erlernen, um danach eigenständig und selbstbestimmt zu leben und nicht auf die Hilfe Ande-rer angewiesen zu sein. Zudem hat die duale Berufs-ausbildung, d.h. das Verzahnen von theoretischem Wissenserwerb in der berufsbildenden Schule mit der praktischen Anwendung am Ausbildungsplatz dazu geführt, dass wir hochqualifi zierte ArbeitnehmerInnen haben, die entscheidend zum wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands und somit zur Sicherung unseres Wohl-standes beigetragen haben.

Wir hatten vor einigen Jahren einen großen Mangel an Ausbildungsplätzen. Dieser Mangel hat vielen jungen Leuten, die durchaus motiviert und geeignet waren, eine duale Berufsausbildung zu absolvieren, die Perspektive geraubt. Nicht wenige junge Men-schen haben auf den Lehrstellenmangel mit einer

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verlängerten Schulzeit reagiert, sodass Leistungsstarke statt einer guten Ausbildung eher einen Hochschulab-schluss anstrebten. Nicht zuletzt diese Entwicklung hat zu dem viel diskutierten Fachkräftemangel geführt.

Ich habe deshalb vor vielen Jahren den „Ovalen Tisch für Ausbildung und Fachkräftesicherung“ eingerichtet. An diesem Tisch treffen VertreterInnen der Landes-regierung, Gewerkschaften und der Industrie in RLP zusammen. Gemeinsam haben wir uns auf den Weg gemacht, für ein adäquates Angebot an Ausbildungs-plätzen zu arbeiten. Die Lage auf dem Ausbildungs-markt stellte sich im vergangenen Jahr besser dar als im Vorjahr. Zwar lag die Zahl der BewerberInnen lan-desweit immer noch über der Zahl der Ausbildungs-stellen. In einigen Regionen, beispielsweise im Raum Trier, hat sich die Situation jedoch bereits umgekehrt. Die VertreterInnen der Industrie- und Handelskammern und der Handwerkskammern bestätigten, dass die Wirtschaft Fahrt aufnimmt und die Unternehmen die Fachkräftesicherung verstärkt im Blick haben. Unter anderem durch die am „Ovalen Tisch“ getroffenen Vereinbarungen konnte die Jugendarbeitslosigkeit in Rheinland-Pfalz auf einen Wert von 2,9 Prozent gedrückt werden.

Welchen Stellenwert hat das Engagement junger Menschen innerhalb der Partei?

Einen großen. Die Sozialdemokratie und ihre Werte sind generationenübergreifend gültig. Damit diese Werte auch in Zukunft in der deutschen Politik die wichtige Rolle spielen, die ihnen zukommt, ist es wich-tig, dass sich möglichst viele junge Menschen bei den Jusos, den Juso-Hochschulgruppen oder in den Orts-vereinen und Unterbezirken engagieren. Die Jusos leisten hervorragende Arbeit, weil sie seit Jahren sehr gute Angebote zur politischen Bildung machen. Mir liegt zudem sehr viel daran, dass sich die Jusos, wie andere Arbeitsgemeinschaften auch, in die Entschei-dungsprozesse der Partei einbringen. Gleichzeitig ist es wichtig, dass junge Menschen auch in den Ortsver-einen und Unterbezirken Verantwortung übernehmen. Eine Partei, die sich dem Fortschritt verschreibt, muss neuen Ideen, neuen Formen der Parteiarbeit gegen-über aufgeschlossen sein und dem Nachwuchs die Möglichkeit geben, sich zu bewähren.

Warum ist die SPD die Partei in Rheinland-Pfalz, die für Menschen jeglicher religiöser oder nicht-religiöser Überzeugung gleicher-maßen offen ist?

Wir sind uns durchaus der Wurzeln bewusst, aus denen die sozialdemokratische Bewegung im Deutsch-land des 19. Jahrhundert entstanden ist. Neben dem Humanismus, der Aufklärung und dem Liberalismus ist es auch der christliche Wert der Nächstenliebe, der unser Streben nach sozialer Gerechtigkeit und das Einstehen für die Schwachen in der Gesellschaft begründet. Gleichwohl war und ist die Sozialdemo-kratie in ihrer Geschichte nie an eine Konfession oder eine Glaubensrichtung gebunden gewesen. In unserer Partei sind daher alle willkommen, unabhängig von ihrem Glauben oder Nichtglauben. Diese Offenheit macht es für viele EinwanderInnen anderer Religions-zugehörigkeit leicht, sich politisch zu engagieren. Überdies ist für uns SozialdemokratInnen die im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit ein hohes Gut, das es zu bewahren gilt.

Zu guter Letzt: Wieso sollten junge Menschen in RLP gerade die SPD unterstützen.

Viele der Entscheidungen, die auf Landesebene getroffen werden, betreffen junge Menschen. Gera-de die Gesetzgebung im Bereich der Bildungs- und Hochschulpolitik hat Einfl uss auf den Alltag junger Menschen und auf ihre schulische Laufbahn. Die SPD bietet jungen Menschen vom Kindergarten bis hin zum Erststudium ein gebührenfreies, durchlässiges Bil-dungssystem, in dem alle Bildungswege offen stehen. Die SPD in Rheinland-Pfalz ist die Partei der Ganz-tagsschule, sie steht für längeres gemeinsames Lernen und für eine individuelle Förderung der SchülerInnen. Wir sorgen gemeinsam mit anderen gesellschaftlichen AkteurInnen für genügend Ausbildungsplätze und eine qualitativ hochwertige berufl iche Bildung in den verschiedenen Formen der berufsbildenden Schule. Gleichzeitig möchten wir all jenen, die können und wollen, die Möglichkeit eines Hochschulstudiums eröff-nen, indem wir genügend Studienplätze schaffen.

Darüber hinaus ist die SPD in Rheinland-Pfalz die Par-tei des Miteinanders, statt des Gegeneinanders. Die Menschen in unserem Land sind unterschiedlich und haben unterschiedliche Interessen. Die SPD versteht Regierungspolitik als eine Aufgabe, bei der möglichst viele Menschen mitgenommen und eingebunden werden. Denn nur so ist garantiert, dass fortschrittliche Politik nachhaltig ist.

Wir danken für das Interview!

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von Dmitrij Michajlov, Mitglied der Russian Social Democratic Union of Youth (RSDUY)

Zur Sowjetzeit nahmen regelmäßig 90% der Wähler-schaft an Wahlen teil. Im heutigen Russland werden ebenfalls solche Zahlen propagiert – so sollen 2008 bei der Präsidentschaftswahl 92% der Wahlberechtigten ge-wählt haben und von ihnen ganze 87% Dmitri Medwe-dew. Dieses Phänomen ist eines der kennzeichnenden Merkmale dessen, wohin die sogenannte „Tandem-demokratie“ (oder „gelenkte Demokratie“) Putins und Medwedews das Land führt. Gegenwärtige Wahlen in Russland müssen sich einer mehrstufi gen „Korrektur“ unterziehen lassen – angefangen bei den Bedingungen für die Wahlkämpfe bis hin zur Auswertung der Abstim-mung. Hierin besteht das Wesen des Mechanismus der vom Kreml verbreiteten „souveränen Demokratie“.

Nahezu alle Massenmedien stehen unter Kontrolle oder der direkten Leitung durch verschiedene Ebenen der „Machtvertikale“. Nachrichtensendungen laufen größtenteils nach dem gleichen Muster ab: täglich werden Machtinhaber und ihre Tätigkeiten ins rechte Licht gerückt, ohne jegliche kritische Note oder Berück-sichtigung einer der Staatsmacht widersprechenden Meinung. Diese tägliche „Gehirnwäsche“ reiht sich gut in die historisch verfestigten Stereotype des gesellschaft-lichen Verhaltens während der totalitären Vergangenheit ein. Die regierende Partei „Einiges Russland“ ist eine reanimierte KPdSU – nur ohne jegliche ideologische Beschränkungen.

In einigen Fällen ist die Führung bei der Errichtung von totalitären Mechanismen jedoch einige Schritte weiter gegangen als die späten Kommunisten. In den späten Sowjetjahren fühlten sich die Organe des Innenminis-teriums nicht so frei im Umgang mit den BürgerInnen wie heute. Es kommt oft vor, dass die OMON, eine Spezialeinheit der russischen Polizei, die (obwohl hauptsächlich für die Bewältigung von Geiselnahmen oder anderen besonderen Gefährdungen ausgebildet) beispielweise bei Aufl ösungen von Demonstrationen

eingesetzt wird, gewalttätig und einschüchternd gegen unbewaffnete Oppositionelle vorgeht. Verletzungen von BürgerInnenrechten durch Organe, die eigentlich verpfl ichtet sind diese zu schützen, sind in Russland an der Tagesordnung. Dies ist eines der Gründe für das Fehlen einer offenen Massenopposition im Land. Gerichte sind eingefl echtet in die Vertikale der Macht, die in der Verfassung verankerte Gewaltenteilung ist so gut wie gänzlich liquidiert. Überhöhte Forderungen an die Tätigkeiten von Parteien, die in solch einer Form in keinem demokratischen Land gestellt werden, die Beseitigung bestehender Parteien mithilfe erdachter Vorwände sowie die Ablehnung der Registrierung neuer Parteien – das alles kennzeichnet das offi zielle politi-sche System Russlands. Registrierte Parteien erhalten sogar oftmals keine Erlaubnis, ihre KandidatInnen zur Wahl aufzustellen. Es wird vor allem moralischer Druck auf unerwünschte KandidatInnen und ihre Unterstütze-rInnen aufgebaut.

Im Verlauf der Wahlen sind folgende vorzeitige Ab-stimmungen Gang und Gäbe geworden: AktivistInnen von „Einiges Russland“, der Kreml-Partei, laden die Wählerschaft zu einem Wahlgang bereits vor dem eigentlichen Wahldatum ein und „bedanken“ sich bei ihr mit Lebensmitteln und einer einmaligen Geldzahlung für das Abgeben ihrer Stimme. So erfolgt eine Kontrolle der Willensäußerung der Wählerschaft.Eine besondere Erwähnung verdient das elektronische Wahlsystem GASVybory: Es erlaubt der Regierung, in Anbetracht der Ausdehnung des Landes auf einige Zeitzonen und dank der schrittweisen Feststellung der Abstimmungsergebnisse (vom dünnbesiedelten fernen Osten Russland bis hin zu Zentralrussland), den Ablauf der „Abstimmung“ zu planen und Wahlergebnisse zu „prognostizieren“, indem sie die Zahl der abgegebe-nen Stimmen für die eine oder andere Partei „reguliert“.

Aus den besagten Gründen kann nur jemand von glaubwürdigen Wahlen in Russland sprechen, die / der entweder nicht vertraut ist mit diesem absurden System, oder einfach schamlos lügt.

So werden Wahlen in Russland durchgeführt – Analyse der„gelenkten Demokratie“

Page 16: SozialISTmuss Sonderausgabe Jusos RLP

von Eva-Maria Conrad

Wer in Rheinland-Pfalz seinen Bildungsweg durchläuft, hat es besser als in vielen anderen deutschen Bundesländern. Seit 1991 haben die SPD-Regierungen hier vieles im Bildungswesen zum Positiven ver-ändert, was sich ganz konkret im Schul- oder Hochschulalltag von SchülerInnen und Studierenden niederschlägt. Hier einige Beispiele:

• Da Bildung schon vor der 1. Klasse beginnt, wurde der Vorschul-bereich reformiert. Neben einer verbesserten ErzieherInnenausbildung, gibt es seit August

2010 eine weitere Neuerung: Schon zweijährige Kinder haben in Rheinland-Pfalz einen Rechtsanspruch auf einen Platz im Kindergarten – und der ist zudem noch vollständig beitragsfrei. Ab 2013 sollen bereits Eltern von einjährigen Kindern einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz haben.

• In Rheinland-Pfalz gibt es in diesem Schuljahr schon mehr als 500 Schulen mit Ganztagsangebot. Aber das bedeutet natürlich nicht, dass an diesen Schulen einfach mehr Unterricht stattfi ndet und SchülerInnen hier den ganzen Tag lang nur pauken müssen. Ganztagsschule – das heißt viele spannende Zusatzange-bote am Nachmittag – von der Fußball-AG bis hin zum Schlagzeugunterricht. Aber auch für individuelle Förderung und Zusatzkurse steht in Ganztagsschulen mehr Zeit zur Verfügung. Und wer nach einem langen Schultag nach Hause kommt, hat seine Hausaufgaben in der Regel schon erledigt.

• In vielen anderen Bundesländern können SchülerInnen ihr Abitur bereits nach 12 Schuljahren machen. Dass es einfach nicht funktionieren kann, den gleichen Lernstoff in einem Schuljahr weniger durchzuneh-men, haben diese SchülerInnen dort mit viel Stress erfahren müssen. Daher wird das Abitur nach 8 Jahren auf dem Gymnasium in Rheinland-Pfalz nur dort angeboten, wo SchülerInnen verpfl ichtend ganztags die Schule besuchen. Mehr Zeit zum Lernen – das kann viel Stress, Ärger und schlechte Noten vermeiden.

• Dass SchülerInnen mit Hauptschulabschluss kaum noch Chancen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt haben, ist schon seit langer Zeit offensichtlich. Daher wird es in Rheinland-Pfalz ab dem Schuljahr 2013/14 keine eigenständigen Hauptschulen mehr geben. In der neu eingerichteten Realschule Plus lernen SchülerInnen länger im gemeinsamen Klassenverband, denn pädagogische Untersuchungen haben gezeigt, dass von solch einer Kooperation alle SchülerInnen profi tieren. Nach Klasse 10 kann man an der Fachoberschule sogar noch seine Fachhochschulreife erlangen. Durchlässigkeit hat in dieser neuen Schulform also oberste Priorität! Und für diejenigen, die dennoch Probleme haben, ihre Berufsreife zu erlangen, gibt es das Projekt „Keine(r) ohne Abschluss“ – mit kleineren Klassengrößen und noch mehr Praxisbezug.

• In vielen anderen Bundesländern wurden Studiengebühren einge-führt – mindestens 1000 € im Jahr müssen Studierende dort zahlen. Rheinland-Pfalz setzt jedoch seit Langem auf kostenfreie Bildung vom Kindergarten bis zur Hochschule. Hier können Studierende deshalb ihr Erststudium abschließen, ohne dass sie dafür bezahlen müssen.

• Sicherlich hast du von dem Chaos um die Bologna-Reform gehört. Bundesweit sind SchülerInnnen und Studierende auf die Straßen gegangen, um gegen eine undurchdachte Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge zu protestieren. Die SPD-geführte Landesre-gierung hat diese Proteste ernst genommen und eine ’Reform der Re-form’ durchgesetzt: Die Studienpläne wurden entzerrt, unsinnig hohe

BILDUNG

FuR ALLE!

- und zwar umsonst!

Bildung von Anfang an.

Von Anfang an gebührenfrei.

Page 17: SozialISTmuss Sonderausgabe Jusos RLP

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Prüfungs-dichten verboten und die Übergänge von den Bachelor- zu den Masterstudiengängen vereinfacht. Außerdem braucht man hier zum Studieren schön längst nicht mehr unbedingt das Abitur: eine abgeschlossene Berufsausbildung und Berufserfahrung bzw. eine bestandene Meisterprüfung ebnen ebenso den Weg an die Hoch-schule.

• Von der verpatzten 9. Klasse trotzdem noch zum Abitur? Das gute Netz an Berufsbildenden Schulen in unserem Bundesland bietet für viele SchülerInnen die Möglichkeit, in enger Vernetzung zwischen Theorie und Praxis so gut wie alle möglichen Schulabschlüsse nachzuholen. Und dass andere Länder mit Neid auf unser duales Ausbildungssystem schauen, wird jeder und jedem spätestens beim ersten Auslandsaufenthalt klar.

Es gibt also schon eine ganze Menge an Reformen, die in den letzten Jahren durchgesetzt wurden - aber natürlich könnte Einiges noch besser laufen. Wir Jusos sind daher in ständigem Dialog mit unseren PolitikerInnen, um Bildungspolitik noch besser zu machen. Wir fordern zum Beispiel:

• dass auch das zweigliedrige Schulsystem in naher Zukunft abgeschafft wird. Ein Einteilen in theoretisch und praktisch begabte SchülerInnen, was die Grundlage jedes zweigliedrigen Schulsystems ist, lehnen wir ab. Wir setzen uns ein für echtes gemeinsames Lernen bis zum ersten Schulabschluss, wie es bereits an vielen Integrierten Gesamtschulen in Rheinland-Pfalz existiert. Eine individuelle Förderung entsprechend der Stärken, Neigungen und Schwächen der SchülerInnen sollte für LehrerInnen oberste Priorität haben.

• dass mehr innovative Unterrichtskonzepte Eingang in den Schulalltag fi nden. Projektschulen, an denen schon heute Lernen alters- und fächerübergreifend und mit hoher Selbsttätigkeit der SchülerInnen stattfi ndet, sollten die Regel und nicht die Ausnahme sein!

• dass die Notengebung, wie sie heute praktiziert wird, kritisch hinterfragt und weiterentwickelt wird. Nicht der oder die Klassenbeste sollte das Maß aller Dinge sein, sondern der individuelle Lernfortschritt und allge-mein gültige Standards. So wären Leistungsbeurteilungen vergleichbarer und fairer als sie es jetzt sind.

• dass SchülerInnen mehr Mitspracherechte und Einfl ussmöglichkeiten bekommen, um den Schulalltag mitzugestalten. Schon jetzt gibt es KlassensprecherInnen, SchülerInnenvertretungen und sogar eine Landes-schülerInnenvertretung. Auf Konferenzen innerhalb der Schulen haben diese Vertretungen der Lernenden allerdings kaum Einfl uss. Wir setzen uns daher dafür ein, dass sie in Zukunft nicht nur Rede- sondern auch Stimmrecht erhalten und wirklich mitbestimmen können, wie „ihre“ Schule gestaltet wird.

• dass mehr Demokratieerziehung in Schulen stattfi ndet. Denn wie sollen SchülerInnen später im Leben ihr Recht auf Einfl ussnahme und Mitbestimmung selbstbestimmt ausüben können, wenn sie es nicht von Kindesbeinen an lernen? An vielen Schulen gibt es schon Klassenräte oder SchülerInnenparlamente. Diese sollten zu festen Einrichtungen an allen Schulen werden. Außerdem setzen wir uns dafür ein, dass Demo-kratie ganz konkret im Unterricht gelebt wird und SchülerInnen in einem bestimmten Rahmen mitbestimmen dürfen, was, wie und wo gelernt wird.

• dass alle Studierenden, die ihren Bachelorabschluss in der Tasche haben, automatisch Zugang zum Master-studiengang bekommen. Zulassungsbeschränkungen, die z.B. auf dem Notendurchschnitt basieren, lehnen wir ab.

BILDUNG FÜR ALLE! FÜR ALLE!

Nicht nur für reiche Säcke!

Infomaterial: Im Bereich „Downloads“ auf www.jusos-rlp.de findet ihr ausführliche Infos zu diesem Thema.

Page 18: SozialISTmuss Sonderausgabe Jusos RLP

von Laura Schlimmer und Ellen Diehl

Arbeitende Frauen sind heutzutage etwas ganz Alltägliches. Ist aber in der Arbeitswelt demnach alles gerecht und ist für beide Geschlechter das Ziel der Gleichstellung erreicht?Wohl kaum, denn auch wenn Männer und Frauen in den gleichen Berufen arbei-ten, verdienen Frauen bei gleicher Qualifi zierung im gleichen Beruf weniger.

So wurde die Arbeit einer Frau 2008 laut Statistischem Bundesamt durchschnitt-lich mit 14,51€ pro Stunde entlohnt, womit sie ganze 4,39€ weniger als ihre männlichen Kollegen erhielt. Damit lag der Gender Pay Gap, das heißt der pro-zentuale Unterschied im durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von Frauen und Männern, wie bereits in den Vorjahren konstant bei 23%.1

Das bedeutet, dass weibliche Beschäftigte in Relation zu männlichen Beschäftigten bis weit in den März für umsonst arbeiten.

Wir fordern deshalb gleichen Lohn für gleiche Arbeit! Sexismus muss bekämpft werden, um eine soziale Wirt-schaft zu ermöglichen!

Um dies zu erreichen, müssen wir unter anderem am Equal Pay Day auf die vorherrschende Lohndiskriminie-rung zwischen den Geschlechtern aufmerksam machen!

Was ist der Equal Pay Day und wann fi ndet er statt?

Der Equal Pay Day fi ndet im Jahr 2011 am 25. März statt. Dieser Aktionstag fi ndet jähr-lich statt und markiert den Entgeltunterschied zwischen den Geschlechtern in Deutschland als den Zeitraum, den Frauen über den Jahreswechsel hinaus arbeiten müssten, um auf das durchschnittliche Vorjahresgehalt von Männern zu kommen. Die auf den Missstand hinweisenden Aktionen an diesem Tag senden einen Appell an die Tarifparteien aus, in den Tarifverhandlungen endlich Frauen und Männer gleich zu behandeln und diskriminie-rungsfreie Bewertungssysteme einzuführen.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!

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Die Ursachen der Lohndifferenz zwischen weiblichen und männlichen Beschäftigten sind komplex. Bestehen-de Rollenbilder und vermeintlich typische Aufgabenverteilungen spielen eine große Rolle, was sich auch bei der Berufswahl von Männern und Frauen widerspiegelt. So arbeiten Frauen häufi ger in schlecht bezahlten, sogenannten „Frauenberufen“, hauptsächlich im sozialen Berufssektor, und sind kaum in Führungspositionen vertreten. Zudem arbeiten weibliche Beschäftigte häufi ger als ihre männlichen Kollegen in Teilzeit, da auf ihren Schultern daneben beispielsweise die Kindererziehung lastet. Außerdem haben sie wegen betreuungs- bzw. erziehungsbedingten Berufsunterbrechungen meist weniger Berufsjahre, was sich wiederum negativ auf ihre Gehaltsentwicklung auswirkt.

Aber auch gesetzliche Rahmenbedingungen, wie die fehlende Quote in Aufsichtsräten, sind neben den beste-henden Rollenbildern für Entgeltunterschiede verantwortlich.

Deshalb setzen wir uns ein für:

• einen gleichen Lohn für Frauen und Männer im selben Beruf bei gleicher Qualifi zierung!• das Aufbrechen bestehender Rollenbilder!• die Überwindung falscher Vorstellungen über typisch männliche oder typisch weibliche Berufe!• mehr Frauen in Aufsichtsräten und Kontrollgremien mithilfe einer Quote!• Chancengleichheit von Frauen und Männern in Hochschule und Wissenschaft!• den Ausbau der Infrastruktur für die Betreuung von Kindern!

Wenn Du Lust hast, Dich mit diesem oder anderen feministischen Themen zu befassen, und Dich für die oben genannten Forderungen einzusetzen, wenn Du mit uns gemeinsam am Equal Pay Day für gleichen Lohn eintre-ten willst, melde Dich unter [email protected] und werde aktiv in der Kommission Frauen / Geschlechtergerech-tigkeit. Wir freuen uns auf Dich!

Weiterführende Links:http://www.jusos-rlp.de > Kommissionen > Frauen / Geschlechtergerechtigkeithttp://www.boeckler-boxen.de/1127.htmhttp://www.equalpayday.de/

1 Pressemitteilung Nr.428 vom 12.11.2009.Vieles ist jedoch noch zu tun:

1. Alle Menschen werden vordergründig über ihr Geschlecht defi niert. Die Rollenverteilung benachteiligt jedoch meist Frauen. 2. Die sehr guten Schulleistungen von Frauen haben den Vorsprung der Männer bei den Einkommen nicht reduziert.

3. Vollzeitberufstätige Frauen verdienen knapp 25% weniger als vollzeitberufstätige Männer. Da die Rente oder das Arbeitslosengeld I an das Erwerbseinkommen gekoppelt sind, erhalten Frauen auch hier deutlich weniger.

4. Führungspositionen in allen gesellschaftlichen Bereichen werden weitgehend von Männern besetzt.

5. Vermeintliche „Frauenberufe“ sind meist schlechter bezahlt und bieten geringere berufl iche Aufstiegschancen.

6. Berufe in Teilzeit oder mit prekären Beschäftigungsbedingungen werden zum größten Teil von Frauen ausgeübt.

7. Unbezahlte Haushalts-, Erziehungs- und Pfl egearbeit wird vor allem von Frauen geleistet.

8. Fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten und fehlende Ganztagsschulen drängen Frauen aus dem Erwerbsleben.

9. Das Ehegattensplitting fördert „Alleinernährer“- Haushalte und drängt so Frauen aus dem Erwerbsleben.

10. Jede zehnte Frau in Deutschland ist schon einmal Opfer häuslicher Gewalt geworden.

Biologismus – so nennen wir einfache Erklärungen komplexer sozialer Erschei-nungen mit Hilfe angeblich natürlicher, biologischer Zusammenhänge – ist falsch und gefährlich. Die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse sind komplizierter und widersprüchlicher, als glauben gemacht wird. Biologische Erklärungen des sozialen Geschlechterverhältnisses sind fast immer spekulativ.

Gerade deshalb muss man hier aufmerksam sein. Klischees und Vorurteile fördern keine Emanzipation, sie verhindern sie.

Aktualitat des internationalen Frauentags

JagenJagen,, Sammeln Sammeln,, Einparken Einparken,, Zuhoren -- mit dem Biologiebuch gegen die Emanzipation mit dem Biologiebuch gegen die Emanzipation??

Errungenschaften Errungenschaften && Emanzipation verteidigen Emanzipation verteidigen

In den letzten Jahren gab es, oft in Zusammenhang mit der Demographie-Debatte (zu viele Ältere, zu wenig Kinder etc.), einige Versuche, die in der Gleichstellung der Geschlechter erzielten Errungenschaften in Frage zu stellen.

Leider viel zu viel gelesen werden...... AutorInnen, die eine solche konservative Wende im Geschlechterverhältnis befürworten.

„Warum Frauen schlecht einparken und Männer nicht zuhören können“, ist absoluter Quatsch. Wer früher gesammelt hat, ist noch gar nicht erwiesen, und schließlich haben wir es auch in einigen anderen Bereichen geschafft, uns von unserer steinzeitlichen Rolle zu lösen, oder?

Ebenso unsinnig sind Eva-Prinzipien und das Gespenst der gebärstreikenden Frauen. Dass zum Zeugen von Kindern zwei gehören, sich also Frau UND Mann für ein Kind entschei-den müssen, wissen wir nicht erst seit gestern.

In den letzten Jahrzehnten wurde viel erkämpft und erreicht. Das Wahlrecht und das Recht auf Bildung für Frauen beispielsweise, welche noch 1910 im Zentrum der Forderungen standen, sind in Deutschland und vielen anderen Ländern verwirklicht. All diese und viele weitere Errungenschaften gilt es zu verteidigen.

oooooooooorrrrrrrrrrroooooooooooooorrrrrrrrrrrrooooooooooooooorrrrrrrrrrrrrrooor....

..

aaaaaaaaaaaaaaatttttttttttaaaaaaaaaaaaaaaaattttaaaaaaaaaaaaaaaatttttttttttttt....

Im Gegensatz zum Muttertag besteht beim Internationalen Frauentag nicht die Gefahr, Frauen auf ihre mögliche Mutterrolle

zu reduzieren.

Im Gegenteil: Es geht darum, Frauen als Individuen mit eigenen Interessen und gleichen Rechten zu sehen, auf weiterhin

bestehende Diskriminierungen aufmerksam zu machen und derjenigen Frauen zu gedenken, die in den Frauenbewe-

gungen für Emanzipation gekämpft haben. Ganz allgemein soll an die Leistungen von Frauen erinnert, gedacht und diese

gewürdigt werden.

Layout: Stefan Schmitz,

sd-manufaktur.de

Bilder: Archiv - Juso BV,

John19701970, JustUptowm

08.03. Internationaler

Frauentag

R h e i n l a n d - P f a l zR h e i n l a n d - P f a l z

www.jusos-rlp.de

Warum Internationaler Frauentag

Warum Internationaler Frauentag? ?

Historisches 2

Initiiert von der Sozialistin Clara Zetkin, ging es bei der Kopenhagener Frau-

enkonferenz 1910 um drei große frauenpolitische Forderungen:

• Wahlrecht

• Recht auf gute Arbeitsbedingungen

• Recht auf Bildung.

Aber viele Forderungen gingen auch weiter. So setzte sich die sozialistische

und gewerkschaftliche Frauenbewegung für Frieden und eine humane Ge-

sellschaft ein.

Historisches 1

Der Weltfrauentag war von Anfang an mit der Forderung nach Gleichheit und

Emanzipation verbunden: Nachdem 1909 die Frauenbewegung der USA ei-

nen nationalen Frauentag veranstaltet hatte, rief die internationale sozialistische

Frauenkonferenz in Kopenhagen 1910 den internationalen Frauentag ins Leben.

Die Nazis verboten den internationalen Frauentag, während sie den Mutter-

tag bereits 1933 zum nationalen Feiertag machten. Nach 1945 setzte sich in

Europa der Muttertag durch, während das Feiern des internationalen Frauentags

leider weitgehend auf die Staaten des Ostblocks beschränkt blieb – obwohl die

UNO ihn 1975 zum offi ziellen Gedenktag machte.

V.i.S.d.P. Andro Scholl

Jusos Rheinland-Pfalz

Klarastr. 15a

55116 Mainz

Infomaterial:

Im Bereich „Downloads“ auf www.jusos-rlp.de findet Ihr einen ausführlichen Flyer zu diesem Thema.

Page 20: SozialISTmuss Sonderausgabe Jusos RLP

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sers waren, an diesem Abend eher spät ins Bett kamen.

Die kleinen DingeInteressant waren außerdem die vielen kleinen Dinge, die ganz nach der alten Regel „andere Län-der, andere Sitten“ auffielen. Sicher verging kein Tag, an dem nicht mindestens ein ursprünglicher Programmpunkt verworfen werden musste und spontan, aber elegant, Alternativen gefunden wurden. Ein echtes Erlebnis für die Organisations-fanatikerInnen unter uns, die sich jedoch letzten Endes sicherlich an die stets freundliche Antwort „We will see!“ gewöhnten. Der viel beschwore-ne angebliche Drang der Deutschen zur Pünkt-lichkeit wurde von Mitgliedern der Delegation alsbald abgelegt, stattdessen wurde in geradezu revolutionärer Weise in entspannter Unpünkt-lichkeit geschwelgt, als klar wurde, dass in Russ-land die Uhren eben ein wenig anders ticken. Den größten „Kulturschock“ – aber auch den meisten Spaß – erfuhren wir, als es auf der Rückfahrt von Wyborg anfing in den Bus zu regnen und wir dort unsere Schirme aufspannen mussten. Der Kom-mentar von russischer Seite hierzu: „Jaja, solche Busse gibt es in Russland zu Hauf‘.“ In St. Pe-tersburg selbst fiel uns im Allgemeinen wohl am meisten der scharfe Kontrast zwischen Alt und Neu auf: Prunkbauten neben echter sowjetischer Platte, noble Wohnungen in äußerlich verfalle-nen Häusern. Obwohl die Stadt mittlerweile wohl völlig westernisiert ist, kann man an jeder Ecke in Sowjetalgie schwelgen, sei es in den vielen U-Bahnstationen – architektonisch, aber auch beim Anblick der Damen, die weiterhin mit wachsamem Auge die russi-sche Technik vor bösen Fotoap-paraten bewachen – oder vor den vielen Leninstatuen und -gemäl-den.

Was nehmen wir mit?Wir haben neue Freundschaften geschlossen, politische Stand-punkte ausgetauscht, neue Buch-staben, neue Wörter und neues

Essen kennen gelernt. Was die diskutierten politi-schen Inhalte betrifft, mag mancher Diskussions-verlauf dazu verleitet haben, die Partnerschaft in Frage zu stellen. In den vielen Feedbackrunden auf unserer Reise haben wir Kritikpunkte immer offen geäußert und bewertet und sind letzten Endes zu einem anderen Schluss gekommen: Die Unterschiede, aber besonders auch die poli-tischen Zwänge, denen unsere PartnerInnen in Russland unterworfen sind, sind gerade mit ein Grund, warum wir die Partnerschaft und die da-mit einhergehende Unterstützung ursprünglich initiiert haben und für förderlich befinden. In ei-nem politischen Umfeld, in dem demokratische Prozesse immer weiter eingeschränkt werden, ist ein lebhafter und offener Kontakt ins Ausland umso wichtiger. Dabei müssen wir auch verste-hen, dass unsere russischen FreundInnen anders arbeiten, so dass, wie uns erklärt wurde, an erster Stelle oft die Politisierung und Sensibilisierung Jugendlicher und erst an zweiter Stelle deren in-haltliche Verortung stehen.

Unsere Partnerschaft lebt vom gegenseitigen Voneinander-Lernen. Wir möchten die SDUY bei ihrem Kampf um eine Etablierung der russischen Sozialdemokratie weiter unterstützen und wer-den Euch über den weiteren Verlauf auf dem Lau-fenden halten.

Bei Fragen könnt ihr euch auch bei Ellen Diehl un-ter [email protected] melden.

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02 /2011 // PARTNERSCHAFTEN

von Judith Neumann

Vom 10. bis zum 19. August 2010 reiste eine zwölf-köpfige Gruppe nach Russland zur Social Demo-cratic Union of Youth (SDUY) St. Petersburg. Diese Fahrt und all die Energie, die besonders die Orga-nisatorInnen im Vorfeld und während der Reise hineingesteckt haben, haben sich auf jeden Fall gelohnt. Warum das so ist, möchte ich im Weite-ren erläutern.

PolitischesDer Großteil unseres Aufenthaltes war von poli-tischer Arbeit geprägt. Da diese Fahrt ja bei Wei-tem nicht das erste Treffen unserer langjährigen Partnerschaft war, standen dieses Mal einige The-men auf dem Programm, die bisher nicht disku-tiert worden waren und die besonders für unsere russischen FreundInnen zum Teil auch Neuland waren. Entsprechend überraschend verlief so auch manche Diskussionsrunde, wobei den meis-ten von uns sicher die über Frauenrechte und die Rolle der Frau in der Gesellschaft im Gedächtnis bleiben wird. Während man als FeministIn auch in eigenen Reihen manchmal erstaunt sein mag über die ein oder andere Ansicht, so wurden bei manchen Äußerungen von russischer Seite aus klar, dass es trotz der vielen Gemeinsamkeiten doch einige kulturelle Unterschiede politischer und gesellschaftlicher Natur gibt. Jede langjähri-

ge Freundschaft zeichnet sich jedoch auch gerade dadurch aus, dass man nach einer hitzigen Debat-te auch wieder zusammenfindet und so konnte vielleicht gerade aufgrund der unterschiedlichen Standpunkte jede Seite neue Blickwinkel und An-sätze mit nach Hause nehmen. Bei einer Präsen-tation von Vertretern von Jabloko und Oborona zu Rechten von DemonstrantInnen und einem Dis-kussionsabend zu Erneuerbaren Energien stellten sich die Unterschiede bezüglich der Situationen in den jeweiligen Ländern, aber auch die gemein-sam vertretenen Positionen heraus. In einer wei-teren Diskussionsrunde erfuhren wir, dass man in Russland schon als Gewerkschaftsmitglied als ExtremistIn gilt.

KulturellesZu sehen gab es in St. Petersburg viel: In der Eremi-tage bewunderten wird nicht nur die zahlreichen Kunstwerke, sondern auch das Gebäude selbst, das früher Winterresidenz der russischen Herr-scherInnen war. In der Kunstkammer verblüfften neben der großen anthropologischen Ausstel-lung vor allem die Ausstellungsstücke anato-mischer Anomalien, die Peter der Große im 18. Jahrhundert aus dem ganzen Land hatte zusam-mentragen lassen und der Bevölkerung kosten-los zum Zwecke der Aufklärung in einer Ausstel-lung zur Verfügung stellte. Beim obligatorischen Stadtrundgang war schwer zu entscheiden, ob es in St. Petersburg nun mehr Kirchen oder Brücken gibt. Das heimliche Highlight unserer Ausflüge war sicher die Besichtigung der Baltika-Brauerei, bei der wir viel über die Kunst des Bierbrauens und der Monopolstellungen lernten und erfahren mussten, dass da, wo dänisches Bier draufsteht, durchaus auch mal russisches Bier drin sein kann. Das offizielle Highlight war das Bestaunen der allnächtlichen Brückenöffnung, während der die komplette Stadt in zwei Teile geteilt wird, was dazu führte, dass Teile unserer Delegation, die bei Brückenöffnung auf der „falschen Seite“ des Was-

Flug 293 nach St. Petersburg – Jusos besuchen russische Partnerorganisation

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Beim letzten Kommissionswochenende der Ju-sos RLP wurde der zwar häufig gebrauchte aber kontroverse Begriff der „Deutschen Interessen“ erarbeitet und debattiert. Hierzu gab es ein kur-zes Einführungsreferat mit grundlegenden Defi-nitionen, Darstellung der Thematik in der politi-schen Debatte und der Problematik des Begriffs bezüglich seiner Definition und Anwendung. Im Anschluss wurden die ,,Deutschen Interessen“ im Bereich Wirtschaft, Energie/Ressourcen, Sicher-heit und Menschenrechte/Demokratie in Grup-penarbeit behandelt und anschließend vor der Kommission präsentiert.

Hier wurde anhand von Sachtexten und Essays die Ressourcenverteilung in der Welt dargestellt und die Standpunkte diverser PolitikerInnen dis-kutiert, so z.B. die Aussagen Horst Köhlers, die Bundeswehr habe mitunter die deutsche Han-delsflotte zu verteidigen – ein mehrdeutiges Plädoyer, das durchaus für eine militärische Si-cherung von Ressourcen ausgelegt werden kann. Die Forderung des DIHK-Präsidenten Hans Hein-rich Driftmann, die Bundeswehr für die Interes-sen deutscher Unternehmen einzusetzen, wurde ebenfalls diskutiert. Weiterhin drehten sich die Präsentationen der erarbeiteten Ergebnisse um das „Deutsche Interesse“ der Wirtschaft, Zölle (z.B. für Hochtechnologie) in fremden Märkten abzubauen und gleichzeitig wettbewerbsschwa-che Branchen (z.B. Landwirtschaft) protektioni-stisch abzuschirmen und zu subventionieren – eine kontradiktorische und streng eigennützige außenpolitische Leitlinie, mit teilweise verhee-renden Folgen für Entwicklungsländer. Weiterhin behandelt wurde die Frage, ob es im Interesse Deutschlands liege, Demokratie und Menschen-rechte in anderen Ländern zu fördern, oder gar zu ,,exportieren“. Eine Frage, die zum Beispiel das SPD-Urgestein Egon Bahr verneint, und stattdes-sen Stabilität und Rechtssicherheit höhere Priori-täten einräumt.

In der anschließenden ausführlichen und emotio-nalen Diskussion der Gesamtergebnisse und bei der Erarbeitung eines Positionspapieres zeigten sich in der Kommission sehr unterschiedliche Be-trachtungsweisen, die zu der Erkenntnis führten, dass die Begrifflichkeit der ,,Deutschen Interes-sen“ allein in diesem Kreise schon einer festen Definition entbehrt und damit in seinem Inhalt beliebig gedeutet werden kann. Es wurden außerdem die Themen der nächsten Kommissionswochenenden festgelegt: Eine Mehrheit stimmte dafür, sich jeweils mit den Mi-grationsströmen nach Europa, den Zusammen-schlüssen lateinamerikanischer Staaten (Banco del Sur, UNASUR) und der Zukunft Chinas ausein-anderzusetzen.

Landeskommission Internationales der Jusos Rheinland Pfalz zum Thema ,,Deutsche Interessen!?“

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Beim nächsten Kommissionswochenende: starker Fokus auf die rheinland-pfälzische Wirtschafts-struktur

von Dirk Kratz und Mona Besmens

Man muss ehrlich sein: Im gesamten Juso-Lan-desverband hat sich das Vorurteil verbreitet, in der Juso-Kommission „Wirtschaft und Soziales“ könne man nur mit einem entsprechenden „Vor-wissen“ teilnehmen und mitdiskutieren. Gerade junge GenossInnen schreckten deswegen vor ei-ner Teilnahme oder auch dem Einbringen von ei-genen Themen zurück.

Um damit endgültig aufzuräumen, wagte das neue Leitungsteam der Kommission, Mona Bes-mens und Dirk Kratz, auf dem vergangenen Kom-missionswochenende in Annweiler einen Neuan-fang. Es wurde sehr viel Zeit darauf verwendet in der Kommission, die einigen Zuwachs bekommen hat, neue Arbeitsstrukturen wie auch Themenfel-der für das kommende Jahr abzustecken. Dabei wurde schnell klar, dass zwar Vorträge von exter-nen ExpertInnen als Inputs begrüßt wurden, der Fokus jedoch ganz klar auf dem offenen Diskurs mit klarer Zielorientierung liegen sollte. Ebenso wichtig war allen, dass eine gemeinsame Diskus-sionsebene gefunden wird, so dass alle gleichbe-rechtigt mitreden und sich eigene Meinungen bilden können. Zur Vervollständigung der Arbeit zwischen den Kommissionswochenenden dient eine Yahoo-Group als zentrale Anlaufstelle. Zu-dem soll bei Bedarf ein inhaltlicher Austausch über Telefonkonferenzen laufen, und auch die Netzwerkarbeit mit anderen politischen Akteu-rInnen soll in Zukunft verstärkt in den Fokus ge-nommen werden.

Thematisch wird im kommenden Jahr Folgendes anstehen: Zum einen wird natürlich der Wahl-kampf am Jahresanfang ein hervorgehobener Aspekt sein. So beschäftigt sich die WiSo-Kom-

mission mit den Eckpfeilern sozialdemokrati-scher Wirtschaftspolitik und Strukturförderung in Rheinland-Pfalz. Dazu soll ein Austausch mit den entsprechenden AnsprechpartnerInnen aus Landtagsfraktion und Wirtschaftsministerium stattfinden, so dass auch ein Blick in zukünftige wirtschaftspolitische Aufgaben geworfen wer-den kann. Zum anderen greift die Kommission das Thema „Steuerreform“ auf und möchte un-terschiedliche Steuermodelle diskutieren. Da es ein großer Wunsch der TeilnehmerInnen war insbesondere „grundsätzliche“ Fragestellungen zu behandeln, wird die Kommission nach der Landtagswahl eine Diskussionsrunde zum Thema „Wie wollen wir leben?“ starten. Als Auftakt soll eine gemeinsame Tagesveranstaltung zusam-men mit dem Landesvorstand dienen, in der sich alltagsnah einer Kritik an den aktuellen Produk-tionsverhältnissen (Kinderarbeit im Textilbereich, Massentierhaltung, usw.) angenähert werden soll. Die gefundenen Diskussionsansätze werden dann in das darauf folgende Kommissionswo-chenende übertragen. Daran anschließen wird sich der Themenkomplex der „Armutsbekämp-fung“.

Damit dürfte klar sein, dass sich die WiSo-Kom-mission für 2011 viel vorgenommen hat, und dementsprechend natürlich viele neue und alte MitstreiterInnen benötigt. Wer interessiert ist, sollte sich unbedingt über den jeweiligen Unter-bezirk für das nächste Kommissionswochenende anmelden. Und wer bei der Yahoo-Group (unter www.yahoo.de/groups) vorbeischauen möch-te: Deren Name ist „wiso-rlp“. Für weitere Infos könnt ihr einfach eine E-Mail schreiben an: [email protected].

Neuer Aufbruch in der WiSo-Kommission

01 /2011 // UNSER VERBAND (FORTSETZUNG)

Page 24: SozialISTmuss Sonderausgabe Jusos RLP

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sprechen, sondern auch tatsächlich etwas verän-dern! Deshalb schreiben wir zum Beispiel Anträ-ge, mit denen wir die Ergebnisse unserer Arbeit in den Verband und die Partei hineintragen. Wir werden aktiv, indem wir uns direkt an Dritte wen-den. So beschwerten wir uns zum Beispiel bei Amazon, da der Internetversandhandel die ras-sistische Science-Fiction-Reihe „Stahlfront“ ver-kauft. Dazu kommt, wie oben schon geschildert, die Teilnahme an und Unterstützung von antifa-schistischen Demonstrationen.

Die gute Laune kommt natürlich auch nicht zu kurz!

Wir würden uns freuen, Dich auf dem nächsten KWE in der Kommission Antifa/Inneres zu sehen! Wenn Du noch Fragen hast oder gerne mehr Infos erhalten möchtest, kannst Du Dich gerne an Pas-cal ([email protected]) oder Andreas ([email protected]) wenden.

von Ellen Diehl

London. Eine leere Fabrikhalle. Die 187 Frauen, die normalerweise als Näherinnen in dieser Halle Autositze herstellen, sind nicht an ihrem Arbeitsplatz – sie streiken! Sie streiken für bessere Arbeitsbedingungen und für „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“. Der unterhaltsame Film, dessen für den internationalen Markt ausgewählter, sich im Verlauf des Geschehens erklärende Titel „We want sex“ diesem wohl dank solch einfallsreichem Marketingtrick zu höheren BesucherInnenzahlen verhelfen soll, thematisiert den ersten Streik von Frauen in der britischen Geschichte.

Der Film spielt im Jahr 1968, doch das Szenario klingt allzu sehr nach dem hier und jetzt, lässt sich gut auf 2011 projizieren. Die Probleme sind die gleichen geblieben: Frauen verdienen heutzutage immer noch deutlich weniger als ihre

männlichen Kollegen. Im Durchschnitt 23 Prozent weniger. Durch eine humorvolle, gleichwohl auch kritische und die Kampfeslust weckende Darstellung wird den ZuschauerInnen ein leichter Zugang zum Verständnis für die sozialpolitische Problematik der Entgeltungleichheit ermöglicht. Leider wartet man vergeblich auf einen direkten Hinweis zur aktuell immer noch herrschenden ungleichen Behandlung der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt (beispielsweise am Ende des Films). Dennoch ist es ein Film, der sensibilisierend für das hochaktuelle Thema wirken kann sowie zum Denken anregt – und uns nebenbei zwei emotionale und durchaus auch heitere Stunden beschert.

Rechte sind Privilegien! – Die Sozialkomödie „We want sex (equality)“

02 /2011 // KULTUR

Page 25: SozialISTmuss Sonderausgabe Jusos RLP

// 25 01 /2011 // UNSER VERBAND

von Andreas Lutz

Die Kommission „Antifa/Inneres“ beschäftigt sich mit Innenpolitik sowie mit Fragen des Anti-faschismus im weitesten Sinne. Dazu bereiten die Teilnehmenden Referate mit anschließender Dis-kussion vor. Auch andere Methoden wie Kurzfil-me oder Textarbeit werden verwendet. Uns ist es wichtig, dass nicht nur die Kommissionsleitung alles vorbereitet und referiert, sondern dass auch die TeilnehmerInnen inhaltliche Parts überneh-men. So wird inhaltliche und methodische Viel-falt sichergestellt.

Meist setzen wir uns für das Kommissions-wo-chenende (KWE) ein Schwerpunktthema, welches wir aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten. Außerdem gehen wir auf aktuelle Entwicklungen in unserem Politikbereich ein. WichtigeThemen der letzten Zeit waren Netzpolitik (z. B. Vorratsda-tenspeicherung), Nacktscanner und rechte Belle-tristik.

Auf dem letzten KWE am 13./14. November 2010 in Annweiler beschäftigten wir uns mit dem Is-lam. Wir diskutierten über den Islam als Religion, über Islamophobie, über Islamismus/religiösen Fanatismus und über die Rolle der Frau im Islam. Außerdem trafen wir erste Vorbereitungen für die Teilnahme der Jusos an der Demo in Dresden am 13. Februar 2011. Rechte Gruppierungen nutzen diesen Jahrestag der Bombardierung der Stadt durch die Alliierten alljährlich dazu, ihre men-schenverachtenden und geschichtsrevisionisti-

schen Parolen zu verbreiten. Das wollen wir uns natürlich nicht gefallen lassen und organisieren – wie in den letzten Jahren auch – mit befreun-deten Verbänden Busse für couragierte GenossIn-nen und FreundInnen, die an der Demo teilneh-men möchten. Wir würden uns freuen, viele von euch dort zu sehen!

Ein weiteres Projekt der Kommission ist der Grundlagenreader „Rechtsextremismus“. Mit der Broschüre, die bis zum nächsten KWE in einer Beta-Version erscheinen soll, wollen wir interes-sierten Neumitgliedern, aber auch allen anderen GenossInnen Basiswissen über die rechte Szene vermitteln.

Auf dem nächsten KWE soll es um den Gewaltbe-griff gehen. Wir wollen uns fragen, ob Gewalt ein legitimes politisches Mittel sein kann und wie wir zu Gewalt bei Demos und „zivilem Ungehorsam“ stehen. Aktuelles Thema im Bereich Innenpolitik wird die geplante Zusammenlegung von Bun-despolizei und Bundeskriminalamt sein. Auch im rechten Spektrum steht eine Fusion an, nämlich die der Nazi-Parteien NPD und DVU. Hier ist im Rahmen der aktuellen Stunde REX interessant zu beobachten, welche Auswirkungen diese struk-turelle Veränderung auf die rechte Szene selbst, aber auch auf unsere Arbeit als AntifaschistInnen haben wird.

Die Ziele Weiterbildung und Meinungsaustausch sind der Kommission zwar sehr wichtig, aber wir wollen mehr! Wir wollen nicht nur über Themen

Vorgestellt:

Kommission Antifa/Inneres der Jusos Rheinland-Pfalz

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EDITORIAL

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Interessierte,

die Jusos Rheinland-Pfalz möchten Euch allen mit diesem besonderen SiM zu den anstehenden Landtagswahlen eine besondere Einladung aussprechen: nehmt das Heft des politischen Handelns selbst in die Hand! Seid so frei – auf Euch und Euer Engagement kommt es an, und das nicht nur dann, wenn Politik so stark öffentlich präsent ist wie im Umfeld von Wahlentscheidungen. Einbringen könnt Ihr Euch auf vielfältige Weise: bei den Jusos, aber auch in anderen Organisationen, die sich für Demokratie und eine offene Gesellschaft stark machen, wie beispielsweise das „Netzwerk für Demokratie und Courage“ (NDC).

Insbesondere den ErstwählerInnen unter Euch möchten wir mit unserem Sonderteil zur Landtagwahl einige ganz praktische Informationen zum Thema Wahl an die Hand geben. Neben einer „Wahlanleitung“ findet ihr skizziert, wie das Wahlprogramm einer politischen Partei entsteht, sowie interessante Interviews mit Kurt Beck und Tanja Machalet. Wir möchten Euch außerdem einen kleinen Eindruck davon vermitteln, welche Forderungen von uns Jusos als politische Jugendorganisation Eingang in die „große Politik“ gefunden haben. Weiterhin möchten wir Euch konkrete Forderungen von uns Jusos näher bringen, zum Beispiel beim Thema Bildung. Wir wollen Euch zeigen, wie interessant und abwechslungsreich politische Arbeit sein kann – und präsentieren Euch unsere Kommissionen, in denen wir unsere inhaltlichen Positionen erarbeiten. Das ist aber bei Weitem noch nicht alles: besonders spannend ist unsere Partnerschaft zur SDUY, einer sozialdemokratischen Jugendorganisation in Russland. Ihr findet hier eine Beschreibung unseres Besuchs bei unseren FreundInnen in St. Petersburg. Sowie: den Bericht eines SDUY-Mitglieds darüber, wie Wahlen in Russland ablaufen. Dieser zeigt eindrücklich, dass es nicht selbstverständlich ist, sich in wirklich freien, geheimen und gleichen Wahlen an der Gestaltung des eigenen Lebens beteiligen zu können. Ein Grund mehr Euch zu bitten: Beteiligt Euch! Findet Euch nicht ab mit Dingen, die Euch stören, sondern fragt nach, bei Euren Abgeordneten, bei den KandidatInnen, oder gerne auch bei uns!

Euer

Euer Oliver Lösch

Herausgeber:Jusos Rheinland-PfalzKlarastraße 15 a55116 MainzTel.: 0 61 31 – 2706114Fax.: 0 61 31 – 2706127@: [email protected]: www.jusos-rlp.de

Verantwortlich: Andro Scholl (V.i.S.d.P.)

Redaktion: Oliver Lösch, Ellen Diehl, Nora Egler, Sascha Rachow, Lydia Gaber, Stefan Schmitz,

Layout/Druckvorstufe: Stefan SchmitzSD-Manufaktur, Hillesheim/Eifel, www.sd-manufaktur.de

Bildnachweise:Titelbilder: Archiv Jusos RLP, SDUY

Bilder im Innenteil: S. 4 Bastian Ott, fotolia.com, S. 5 BBC-Films, S. 6 mapoli-photo, fotolia.com, S. 8/9 Archiv SDUY

Druck: Theissen Medien Gruppe, Monheim

Impressum

Page 27: SozialISTmuss Sonderausgabe Jusos RLP

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//// UNSER VERBAND / Vorgestellt: Kommission Antifa/Inneres / 4-5

/ Neuer Aufbruch in der WiSo-Kommission / 6

/ Landeskommission Internationales zum Thema ,,Deutsche Interessen!?“ / 7

//// PARTNERSCHAFTEN / Flug 293 nach St. Petersburg – Jusos besuchen russische Partnerorganisation / 8-9 //// KULTUR / Filmkritik: Rechte sind Privilegien! – Die Sozialkomödie „We want sex (equality)“ / 5

// // INHALT // VERBANDSZEITUNG / / 1_2011

Page 28: SozialISTmuss Sonderausgabe Jusos RLP

Ausgabe 1_2011

// // Ideenschmiede: Die Kommissionen der Jusos RLP // Flug 293 nach St. Petersburg – Jusos besuchen die SDUY