Spanische Traditionen Flamenco – Getanzte Leidenschaft

1
16 20. Juli – 2. August 2012 Spanische Traditionen Von Christine Haselwander Was macht ihn so berühmt – den weltbekannten Flamenco, der das Blut zum Kochen bringt, der in Spanien perfektioniert wird und zum Sinnbild für spanische Kultur und spanisches Tempe- rament geworden ist? Und bei dem man zu impulsiven Klän- gen von Musik mit starrem Blick und einer gespielten Arroganz tanzt? Ich wollte es von einer Fla- menco-Lehrerin wissen, sie lebt und tanzt ihn, lehrt und infor- miert. Bereits am Eingang ihrer Flamenco-Schule in Las Palmas höre ich die Musik, das Gitar- renspiel und das typische Klat- schen. Man kann nicht anders und ist sofort gefesselt von Emo- tionen und Gefühlen, die von dieser Kunst ausgehen, denn Flamenco ist Kunst. In einem großen Spiegelraum mit Parkettfußboden treffe ich Soraya Hernandez – eine Fla- menco-Lehrerin. Sie zeigt ihren Schülerinnen gerade die rich- tige Haltung und sie üben das Klatschen. Es sind drei Frauen, die sich im Flamenco üben. Es ist auch eine ältere spanische Dame dabei, willig, überzeugt und voller Begeisterung. Denn sie steht den beiden jüngeren Frauen in den Übungen in nichts nach. Ich sehe und merke: Fla- menco hat nichts mit Alter und nichts mit der Beschaffenheit des Körpers zu tun. Es ist ein- fach herrlich, die Musik zu hören und den Rhythmus zu erleben, der hier den Takt angibt. Soraya Hernandez, blond, schlank und mit feurigen dunklen Augen, ist die Lehrmeisterin. Sie wird mir zum Thema Flamenco einiges Wissenswertes erzählen und erklären. Kann jeder Flamenco lernen, egal ob jung oder alt, dick oder dünn? „Natürlich“, lächelt die Spanierin, die in Cadíz geboren wurde. „Jeder kann es lernen. Gerade ältere Menschen kommen gerne, sie lieben die Bewe- gungen. Und es ist ihr Jung- brunnen.“ Ihre exotischste Schülerin, verrät sie mir, war eine Japanerin. Und sie hätte ihre Ausbildung mit Bravour geschafft und mit nicht weniger Begeisterung wie die einer Spa- nierin getanzt, sagt Soraya mit leichtem Stolz, denn sie war ja immerhin ihre Lehrerin. Soraya ist mit Flamenco und der spezi- ellen Musik groß geworden, es war ein Teil ihrer Familie. Sie liebte schon früh das Tanzen, die Bewe- gung, den Ausdruck. Heute würde man sagen, sie war hyperaktiv, in Wirklichkeit konnte sie nur ohne Tanzen nicht still sitzen. Mit 20 Jahren fand sie eine Lehrerin, die ihr ganze fünf Jahre lang Unter- richt gab. Die Flamenco-Lehrerin hat für die kanarische Inselregie- rung und die Stadt Las Palmas gearbeitet, Choreografien entwor- fen und hatte Auftritte in vielen Kulturhäusern wie Telde, Santa Brigida, Las Palmas, Maspalomas und andere mehr. Die Flamenco- Schule eröffnete sie 1994. Die Leidenschaft eines ganzen Volkes Zwischen 1765 und 1860 entstanden die ersten Fla- menco-Schulen in Cadíz, Jerez de La Frontera und in Triana (Sevilla). Der Gesang stand ganz am Anfang des Flamencos, denn die Menschen sangen auf den Feldern, bei der Arbeit. Der frühe Flamenco wurde nur von rhythmischem Hände- klatschen begleitet, dem soge- nannten toque de palmas. In der goldenen Ära (1869-1910) entwickelte sich der Flamenco in den zahlreichen Musik-Cafés (cafés cantantes) zur Popularität. Damals entstanden neben der fröhlichen Tanzmusik auch die sehr ernsthaften Varianten, die tiefe Gefühle ausdrücken und die man cante jondo nennt. Der Flamenco hat viele Per- sönlichkeiten auf der ganzen Welt verzaubert und diente großen internationalen Musikern und Stars als Inspirations- quelle. Und so existieren viele Varianten („Palos“) wie etwa die Tarantos, die Bulerías, die Ale- grías und die Soleares. Verschie- dene Stile, die aber letztendlich doch ein ganz eigenes Identi- tätsmerkmal besitzen, nämlich die Leidenschaft eines ganzen Volkes auszudrücken. Weltberühmt Der Tanzsaal in der Flamenco- Schule in Las Palmas wird leer. Der Unterricht ist vorbei und die Schülerinnen gehen mit einem glücklichen Lächeln an mir vor- bei, wischen sich den Schweiß von der Stirn und verschwinden im Umkleideraum. Mittlerweile haben wir in Sora- yas Büro Platz genommen und ich schaue mir die vielen Fotos an, die die Spanierin auf unzäh- ligen Veranstaltungen und mit Schülern zeigen. Was fasziniert die Menschen auf der ganzen Flamenco – Getanzte Leidenschaft Flamenco-Lehrerin Soraya Hernandez Schülerinnen beim Üben

Transcript of Spanische Traditionen Flamenco – Getanzte Leidenschaft

Page 1: Spanische Traditionen Flamenco – Getanzte Leidenschaft

16 20. Juli – 2. August 2012Spanische Traditionen

Von Christine Haselwander

Was macht ihn so berühmt – den weltbekannten Flamenco, der das Blut zum Kochen bringt, der in Spanien perfektioniert wird und zum Sinnbild für spanische Kultur und spanisches Tempe-rament geworden ist? Und bei dem man zu impulsiven Klän-gen von Musik mit starrem Blick und einer gespielten Arroganz tanzt?

Ich wollte es von einer Fla-menco-Lehrerin wissen, sie lebt und tanzt ihn, lehrt und infor-miert. Bereits am Eingang ihrer Flamenco-Schule in Las Palmas höre ich die Musik, das Gitar-renspiel und das typische Klat-schen. Man kann nicht anders und ist sofort gefesselt von Emo-tionen und Gefühlen, die von dieser Kunst ausgehen, denn Flamenco ist Kunst.

In einem großen Spiegelraum mit Parkettfußboden treffe ich Soraya Hernandez – eine Fla-menco-Lehrerin. Sie zeigt ihren Schülerinnen gerade die rich-tige Haltung und sie üben das Klatschen. Es sind drei Frauen,

die sich im Flamenco üben. Es ist auch eine ältere spanische Dame dabei, willig, überzeugt und voller Begeisterung. Denn sie steht den beiden jüngeren Frauen in den Übungen in nichts nach. Ich sehe und merke: Fla-menco hat nichts mit Alter und nichts mit der Beschaffenheit des Körpers zu tun. Es ist ein-

fach herrlich, die Musik zu hören und den Rhythmus zu erleben, der hier den Takt angibt. Soraya Hernandez, blond, schlank und mit feurigen dunklen Augen, ist die Lehrmeisterin. Sie wird mir zum Thema Flamenco einiges Wissenswertes erzählen und

erklären. Kann jeder Flamenco lernen, egal ob jung oder alt, dick oder dünn? „Natürlich“, lächelt die Spanierin, die in Cadíz geboren wurde. „Jeder kann es lernen. Gerade ältere Menschen kommen

gerne, sie lieben die Bewe-gungen. Und es ist ihr Jung-brunnen.“ Ihre exotischste Schülerin, verrät sie mir, war eine Japanerin. Und sie hätte ihre Ausbildung mit Bravour geschafft und mit nicht weniger Begeisterung wie die einer Spa-nierin getanzt, sagt Soraya mit leichtem Stolz, denn sie war ja immerhin ihre Lehrerin. Soraya ist mit Flamenco und der spezi-ellen Musik groß geworden, es war ein Teil ihrer Familie. Sie liebte schon früh das Tanzen, die Bewe-gung, den Ausdruck. Heute würde man sagen, sie war hyperaktiv, in Wirklichkeit konnte sie nur ohne Tanzen nicht still sitzen. Mit 20 Jahren fand sie eine Lehrerin, die ihr ganze fünf Jahre lang Unter-richt gab. Die Flamenco-Lehrerin hat für die kanarische Inselregie-rung und die Stadt Las Palmas gearbeitet, Choreografien entwor-fen und hatte Auftritte in vielen Kulturhäusern wie Telde, Santa Brigida, Las Palmas, Maspalomas und andere mehr. Die Flamenco-Schule eröffnete sie 1994.

Die Leidenschaft eines ganzen Volkes

Zwischen 1765 und 1860 entstanden die ersten Fla-menco-Schulen in Cadíz, Jerez de La Frontera und in Triana (Sevilla). Der Gesang stand ganz am Anfang des Flamencos, denn die Menschen sangen auf den Feldern, bei der Arbeit.

Der frühe Flamenco wurde nur von rhythmischem Hände-klatschen begleitet, dem soge-nannten toque de palmas. In der goldenen Ära (1869-1910) entwickelte sich der Flamenco in den zahlreichen Musik-Cafés (cafés cantantes) zur Popularität. Damals entstanden neben der fröhlichen Tanzmusik auch die sehr ernsthaften Varianten, die tiefe Gefühle ausdrücken und die man cante jondo nennt.

Der Flamenco hat viele Per-sönlichkeiten auf der ganzen Welt verzaubert und diente großen internationalen Musikern und Stars als Inspirations-

quelle. Und so existieren viele Varianten („Palos“) wie etwa die Tarantos, die Bulerías, die Ale-grías und die Soleares. Verschie-dene Stile, die aber letztendlich doch ein ganz eigenes Identi-tätsmerkmal besitzen, nämlich die Leidenschaft eines ganzen Volkes auszudrücken.

Weltberühmt

Der Tanzsaal in der Flamenco-Schule in Las Palmas wird leer. Der Unterricht ist vorbei und die Schülerinnen gehen mit einem glücklichen Lächeln an mir vor-bei, wischen sich den Schweiß von der Stirn und verschwinden im Umkleideraum.

Mittlerweile haben wir in Sora-yas Büro Platz genommen und ich schaue mir die vielen Fotos an, die die Spanierin auf unzäh-ligen Veranstaltungen und mit Schülern zeigen. Was fasziniert die Menschen auf der ganzen

Flamenco – Getanzte Leidenschaft

Flamenco-Lehrerin Soraya Hernandez

Schülerinnen beim Üben