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SPECIAL LUFTFAHRTFORSCHUNG SPEKTRUM

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SPECIAL LUFTFAHRTFORSCHUNG

SSPPEEKKTTRRUUMM

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Allgemeines

Luftfahrtforschung an der TUHH

AIRBUS Stiftungsprofessur

Der Traum vom Fliegen

Forschung

Chronik eines Aufbaus

Vibroakustik

Systemtechnik neuer Tragflügelentwürfe

Genauigkeit muss nicht teuer sein

Rain in the Plane

Zerstörungsfreie Materialprüfung mit Ultraschall

Kommunikationsnetze und -anwendungen

Cryoplane

Auch Flugzeuge müssen zum Crashtest

Wasserversorgungssysteme in Flugzeugen

Bohren für den A380

Concurrent Engineering beim Airbus A380

Rumpfstrukturen aus Faserverbundwerkstoffen

Impressum

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InhaltEditiorial

Die Technische Universität Hamburg-Harburg – als For-schungsuniversität gegründet – setzt konsequent ihrenGründungsauftrag um, zur Stärkung der technologisch-wissenschaftlichen Kompetenz in der MetropolregionHamburg beizutragen. Die Luftfahrtindustrie ist hier einwichtiger Partner. In den von der TUHH definierten zehnstrategischen Forschungsfeldern, die es erlauben, auchkünftig neue Ansätze und Ideen in grundlagen- undanwendungsorientierter Forschung und Entwicklungaufzugreifen, spielt das Feld Luftfahrttechnik eine be-sondere Rolle.

Luftfahrttechnik ist ein faszinierendes Forschungsge-biet, das für den Luftfahrtstandort Hamburg großeBedeutung hat. Die luftfahrttechnische Forschung hatsich in den letzten Jahren – nicht zuletzt durch die engeKooperation mit der Airbus Deutschland GmbH – zueinem für viele wissenschaftliche Arbeitsbereiche derTUHH sehr ansprechenden interdisziplinären Arbeitsge-biet entwickelt. Die Entwicklung verläuft sehr dynamischund steht in Einklang mit den Bestrebungen Hamburgs,sich als einer der größten Standorte der Luftfahrtindu-strie zu positionieren.

Mit diesem Spektrum Special Luftfahrt wird ein wich-tiges Forschungsfeld der TUHH exemplarisch dargestellt.Interessierte Leserinnen und Leser werden viele Beispieleluftfahrtrelevanter F&E-Projekte finden, die gleicher-maßen faszinierend wie informativ sind. Vor allem zeigtdie dargestellte Auswahl die Vielgestaltigkeit und die Leistungsfähigkeit der Kooperation mit Industrie undWirtschaft im Bereich Luftfahrt.

Das vorliegende Heft verfolgt zwei Ziele: Informationund Dokumentation. Es wird dem Namen „Spektrum“ in besonderer Weise gerecht, zeigt es doch ein beein-druckendes Spektrum praxisnaher Forschung, das auchjunge Menschen motivieren wird, sich näher mit demThema Luftfahrtforschung und -technik in Hamburg zu beschäftigen. Mit hervorragenden und begeisterungs-fähigen Köpfen wird es gelingen, technologische Heraus-forderungen in technische Innovationen zu verwandeln.

Die TUHH ist offen für Studierende und Unternehmen.Lassen Sie uns gemeinsam als Ingenieurinnen und Inge-nieure an der Zukunft der Luftfahrt mitarbeiten.

Prof. Dr.-Ing. Otto von Estorff

Vizepräsident Forschung der Technischen Universität Hamburg-Harburg

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Für die TUHH als junge und for-

schungsorientierte Universität hat die

Luftfahrtforschung eine zentrale Be-

deutung. Denn ein wichtiges Aktions-

feld ist die anwendungsorientierte For-

schung und Entwicklung mit Industrie

und Wirtschaft neben der grundlagen-

orientierten Forschung. Die Bedeutung

für die TUHH unterstreicht, dass sie in

ihrem strategischen Forschungsfeld

„Transport- und Verkehrssysteme“ der

Luftfahrtforschung einen besonderen

Stellenwert zugemessen hat. Im Jahr

2002 umfasste das Auftragsvolumen

aller Projekte der Luftfahrtforschung an

der TUHH mehr als 8,5 Mio. Euro.

Bereits mit Aufnahme des Forschungs-und Lehrbetriebes 1982 in ersten kleine-ren Projekten hat sich bis heute eineintensive und facettenreiche Zusammen-arbeit mit der Luftfahrtindustrie - vorallem mit dem Kooperationspartner Airbus Deutschland GmbH und zuneh-mend auch mit den kleinen und mittlerenUnternehmen der Zulieferindustrie ent-wickelt. Im Jahr 2002 wurden in der Forschungskooperation mit der Airbus

Deutschland GmbH in F&E-Projektenrund 2,5 Mio. Euro umgesetzt (sieheAbbildung). Hinzu kommen Projekte, diemit den kleineren und mittleren Firmender Zuliefer- und anderen Unternehmender Luftfahrtindustrie durchgeführt wer-den. In die luftfahrtechnische Forschungsind nahezu alle technischen Disziplinen

der TUHH involviert. Das Spektrum reichtvon der Systemtechnik und Werkstoff-technik über die Energie- und Produkti-onstechnik bis hin zur Informations- undKommunikationstechnik.

Schlüssel für die erfolgreiche Entwick-lung der Luftfahrtforschung ist die engeKooperation mit der Airbus DeutschlandGmbH. Herausragender Meilenstein wardie Unterzeichnung des Kooperationsver-trages 1990: Stichworte der dort verein-barten Zusammenarbeit in Forschung und Ausbildung sind die Einrichtung des Studienschwerpunktes Flugzeug-System-technik im Maschinenbau, die gleichna-mige Stiftungsprofessur, der Bau desgemeinsamen Technologiezentrums Ham-burg-Finkenwerder. Eine Vielzahl techno-logieorientierter F&E-Projekte sind darananknüpfend in den vergangenen Jahrengemeinsam mit Airbus und anderen Part-nern erfolgreich initiiert und bearbeitetworden beziehungsweise befinden sich im Status der Durchführung. Zu nennensind z. B. Projekte zu Themen wie Vibro-akustik, Faserverbundwerkstoffe (CFK),Hochauftriebssysteme und Power Opti-mised Aircraft.

Die Luftfahrtindustrie hat auch für denIndustrie- und Wirtschaftsstandort Ham-burg einen besonderen Stellenwert. Luft-fahrt ist im Senatskonzept „WachsendeStadt“ als ein wichtiges Kompetenz-Clu-ster mit internationaler Ausstrahlung definiert. Hamburg investiert in seineZukunft als drittgrößter Standort der zivi-len Luftfahrtindustrie neben Toulouse undSeattle. Um diese Investitionen zu unter-mauern, hat sich ferner eine Luftfahrtalli-anz in Hamburg gebildet, die im Rahmeneiner Qualifizierungsinitiative Luft- undRaumfahrt für einen der wichtigsten Stan-dortfaktoren sorgt: „brainpower“. Ausbil-dung in Hochtechnologiefeldern ist not-wendig, um den hochqualifizierten Inge-nieurnachwuchs und darüber hinaus dieSystemkompetenz des Standortes zusichern. Dieses war einer der Gründe fürdie Einrichtung des Arbeitsbereichs Flug-zeug-Systemtechnik an der TUHH.

Im Rahmen der transnationalen Airbus-Unternehmensstruktur liegt bei Airbus

Deutschland GmbH die Verantwortlich-keit für die Endlinie der kleineren Airbus-Typen, d.h. wesentliche Verantwortungenfür das Gesamtflugzeug. Im Entwick-lungsbereich beherbergt Airbus Deutsch-land GmbH in Hamburg u.a. das „Centerof Competence“ für Bord- und Kabinen-systeme, was im Rahmen der neuen Air-bus-Unternehmensstruktur für europa-weite Technologieführerschaft steht. Die-ses Gebiet stellt bei Airbus Deutschlandeine entscheidende Kernkompetenz dar,die mit ihrer gesamten Wertschöpfungs-kette von Forschung über Entwicklung,Integrationstests bis zur Fertigung inDeutschland integriert ist, und die esabzusichern und zu verstärken gilt.Bestrebung ist es, diesen wichtigen inge-nieurwissenschaftlichen F&E-Bereich inHamburg weiter zu entwickeln.

Ausgehend von diesen Konstellationenund den positiven Erfahrungen einerdurch ein win-win-Verhältnis geprägtenZusammenarbeit ist ein Ausbau der F&E-Kapazitäten am Luftfahrtstandort Ham-burg initialisiert worden. Ende 2002konnte eine Vereinbarung über einenneuen TUHH Arbeitsbereich unterzeich-net werden, der von Airbus DeutschlandGmbH gestiftet wird. Die Airbus Deutsch-land GmbH wird 1,5 Mio. Euro für diesenArbeitsbereich mit dem Titel „Flugzeug-Systemintegration“zur Verfügung stellen.Mit dem neuen Stiftungsarbeitsbereich,der im Technologiezentrum Hamburg-Finkenwerder loziert sein wird, und derzugehörigen Stiftungsprofessur kann dieerfolgreiche Kooperation in Forschungund Lehre weiter intensiviert und vertieftwerden. Mit dieser Professur wird

· das Studienangebot im Bereich Flugzeug-Systemtechnik erweitert,

· die Ausbildungskapazität in diesemZukunftsfeld erhöht und

· das F&E-Potenzial um eine zusätzlicheinterdisziplinär ausgerichtete Kompo-nente ergänzt.

Ziel der Einrichtung der Stiftungsprofes-sur in der Forschung ist es, das ThemaSystemkompetenz, d. h. die Fähigkeit

Luftfahrtforschung an der TUHH Innovation für den Luftfahrtstandort

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Abb.1 Forschungskooperation

Airbus-TUHH; Drittelumsätze/Jahr

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zur Systemintegration von Bord- undKabinensystemen (u.a. Klimaanlagen,Wassersysteme, Kabinenkommunikations-systeme, Frachtsysteme, Evakuierungs- -systeme) zu vertiefen. Denn mit demNutzlast- und Passagiertransport direkt inVerbindung stehende Systeme gewinneneine zunehmende wirtschaftliche undtechnologische Bedeutung. Sicherheit,Komfort und Verkehrswachstum stellenan Funktion, Auslegung, Integration undoperationelle Effizienz der Kabinen- undBordsysteme neue Herausforderungen.Diese komplexen Systeme zeichnen sichdurch einen sehr engen Bezug zurGesamtflugzeugauslegung sowie einenhohen Integrationsgrad von elektro-nischen Teilfunktionen und Subsystemenunterschiedlicher Technologien aus.

Ferner hört gegenwärtig an der TUHHeine ständig ansteigende Zahl vonStudierenden die Einführungsvorlesung„Grundlagen der Flugzeugsysteme“ undzeigt damit das stark anwachsende Interesse an einer Ingenieurausbildungbeziehungsweise Qualifizierung in die-sem Hochtechnologiebereich. ZusätzlicheKapazitäten sind daher erforderlich, umder Forderung nach grösserer Breite derfachspezifischen Ausbildung und derwachsenden Nachfrage im Studien-schwerpunkt Flugzeug-Systemtechnik zuentsprechen. Projektierung, Entwicklungund Konstruktion von Flugzeugsystemenerfordern neben dem flugzeug- und luft-

fahrtspezifischen Wissen ein fachübergrei-fendes Grundwissen aus den Bereichendes Maschinenbaus, der Elektrotechnikund der Informationstechnologie, wasdurch eine intensive Verzahnung desLehrangebots aller beteiligten Disziplinensichergestellt werden muss.

Mit der Einrichtung des Stiftungsar-beitsbereichs kann die Forschung undLehre an der TUHH in vielfältiger Weiseweiter entwickelt werden. Die Stiftungs-professur deckt ein zukunftsfähiges, auchfür andere Industriezweige zunehmendwichtiger werdendes Forschungsgebietab. Die Forschungs- und Entwicklungs-projekte liefern nicht nur neue Erkennt-nisse, Patente und Innovationen. In denProjekten arbeiten junge Ingenieurinnenund Ingenieure, die ihr erworbenes Knowhow später in die Unternehmen undBetriebe über ihre „Köpfe“ einbringenund transferieren. Mit dem neuen For-schungsansatz trägt die Stiftungsprofes-sur zu einer weiteren Profilierung derTUHH in einem auch aus Sicht des Indu-striestandortes sehr interessanten undwichtigen Sektor des Hochtechnologiebe-reichs bei.

Ausblick

Die Luftfahrtforschung wird an der TUHHauch weiterhin eine strategisch wichtigeGröße bleiben und bei der Weiterentwick-lung des Forschungsportfolios der TUHHeine wesentliche Rolle spielen. Über

Forschungsprogramme wie das Ham-burgische oder nationale Luftfahrtforsch-ungsprogramm und das gerade jetztbeginnende 6.EU- Forschungsrahmen-programm, das „Aeronautics and Space“als prioritär ausgewiesenes Themenfeldbeinhaltet, sind gute Möglichkeiten gege-ben, die Intensität der Zusammenarbeitmit der luftfahrttechnischen Industrie undWirtschaft in Forschung und Entwicklungnoch einmal zu steigern.

So ist die TUHH-Technologie GmbHeingebunden in die Umsetzung des Ham-burger Programms zur Förderung derLuftfahrtforschung und- technologie, dasu.a. die Stärkung der technologischen Lei-stungsfähigkeit der Hamburger Luftfahrt,Ausrüster- und Zulieferindustrie zum Zielhat (siehe www.luftfahrtstandort-ham-burg.de, www.tutech.de). Die TUHH-Technologie GmbH ist darüber hinausspezialisiert, Antragstellern aus Wirtschaftund Hochschulen bei der Einwerbung vonFördermitteln aus F&E-Programmen derEuropäischen Union zu helfen (Antrags-unterstützung, Projektmanagement).

Perspektiven ergeben sich dabei sowohlfür die Zusammenarbeit mit dem transna-tionalen Partner Airbus als auch insbeson-dere mit den kleinen und mittleren Unter-nehmen der Zulieferindustrie, die sichzunehmend am Standort Hamburg ansie-deln. Die TUHH ist offen für weiterezukunftsweisende Kooperationen.

Johannes Harpenau

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Airbus wird der Technischen Universität

Hamburg-Harburg (TUHH) für fünf

Jahre eine Stiftungsprofessur für den

Aufbau des Arbeitsbereichs „Flugzeug-

Systemintegration“ einrichten. Es ist

bereits die zweite Professur dieser Art

und wird ebenfalls im gemeinsam von

Airbus und der TUHH betriebenen Tech-

nologiezentrum Finkenwerder platziert.

Ziel ist es, vor allem die Entwicklung vonKabinensystemen zu fördern. Die Verein-barung wurde von Hans-Joachim Gante,bis 31. Dezember 2002 Vorsitzender der

Geschäftsführung der Airbus DeutschlandGmbH, Professor Dr.-Ing. Christian Nedeß,Präsident der Technischen UniversitätHamburg-Harburg und Professor Dr.Roland Salchow, Staatsrat in der Behördefür Wissenschaft und Forschung der StadtHamburg im Dezember 2002, unterzeich-net.

Hans-Joachim Gante betonte: „Da wirin Hamburg das Kompetenzzentrum fürKabinenausstattung haben, wird die Stif-tungsprofessur dazu beitragen, unserKnow-how auf diesem Gebiet weiterzu-entwickeln. Gleichzeitig werden hochmo-tivierte Nachwuchskräfte auf ihre an-spruchsvollen Aufgaben für das Airbus-Programm vorbereitet. Wir werdenunsere führende Position bei der Kabinen-technologie weiter ausbauen und sehenin dem Schulterschluss zwischen For-schung und Industrie einen idealen Bei-

trag.“ Dr.-Ing. Christian Nedeß ergänzte:„Mit der neuen Stiftungsprofessur wirddie Zusammenarbeit zwischen Airbus undder TUHH konsequent ausgebaut. Airbusgebührt großer Dank und hohe Anerken-nung für diesen Schritt. Wir sehen uns in unserer Strategie bestätigt, interdiszi-plinär ausgerichtete Professuren zu schaf-fen, um für Hamburg wichtige For-schungsfelder noch besser abzudecken. Inder Entwicklungsarbeit an der A380 siehtsich die TUHH im engen Schulterschlussmit Airbus.“ Staatsrat Dr. Roland Salchowhob hervor: „Es freut mich sehr, dass Airbus und Senat Hand in Hand daranarbeiten, den Schwerpunkt Luftfahrt desWissenschaftsstandortes Hamburg zustärken. Besonders für die Studierenden ist die Stiftungsprofessur ein wichtiges Signal, das der ingenieurwissenschaftlicheNachwuchs im Bereich der Flugzeugtech-nik braucht.“

Am Airbus-Standort Hamburg befindetsich das Kompetenz-Zentrum Kabine. Zudiesem Arbeitsanteil gehören ersteGestaltungsideen sowie deren Realisie-rung, die Konstruktion und die Endmon-tage. Die technologisch anspruchsvollenAufgaben umfassen zum Beispiel dieKabinen- und Rumpfsysteme mit Kom-munikations-, Informations- und Unter-haltungselektronik, Zugang zu Internetund Satelliten-Fernsehen sowie Energie-Management- und Versorgungssysteme,ebenso Klima- und Frachtlade-Systeme.

Airbus und die TUHH kooperieren seit1990 erfolgreich in Forschung, Lehre,Ausbildung, Technologietransfer undWeiterbildung. Airbus hat bei Verkehrs-flugzeugen eine Spitzenstellung auf demWeltmarkt erreicht und gilt als Schrittma-cher für die Anwendung neuer Technolo-gien. Zwei Jahre später folgte die ersteAirbus-Stiftungsprofessur in Flugzeug-Systemtechnik. Die personelle Zusam-menarbeit zwischen Airbus und der TUHHist nicht nur auf den Bereich der Flugzeug-Systemtechnik beschränkt, sondern wirdvon verschiedenen Arbeitsbereichen derTUHH getragen, die sich insbesonderemit den Themen Kabinentechnik undInneninstallationen, Akustik, Werkstoff-

technik und -bearbeitung sowie Produkti-onstechnik beschäftigen. Darüber hinausunterhalten Airbus und TUHH das Tech-nologiezentrum Finkenwerder (THF) inunmittelbarer Nähe zum Airbus-Werk.Dort erfolgen seit 1995 Forschungsarbei-ten im Bereich der Flugzeug-Systemtech-nik sowie ergänzende Schulungen.

Airbus ist ein führender Flugzeugher-steller mit der modernsten und umfas-sendsten Produktpalette auf dem Markt.Das weltweit operierende Unternehmenmit Hauptsitz in Toulouse verfügt überKonstruktions- und Fertigungsstandortein Frankreich, Deutschland, Großbritan-nien und Spanien und ist mit eigenenTochtergesellschaften in den USA, Chinaund Japan vertreten. Airbus ist ein EADS-Unternehmen mit BAE SYSTEMS.

Pressestelle

AIRBUS Stiftungsprofessur für die TU Hamburg-Harburg

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v.l.n.r.Prof. Christian Nedeß,

Präsident der TUHH; Hans-Joachim Gante,

ehemaliger Airbus-Chef;Roland Salchow,

Staatsrat der Behörde für Wissenschaft

und Forschung

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Fliegen, so lautet die Devise der neuen

Planergeneration von Flugzeugbauern,

soll in naher Zukunft dem Reisekomfort

eines Autos oder eines Zuges nicht

nachstehen. Das bedeutet, dass das

Dröhnen aus dem Innenraum des Flug-

zeugs weitgehend verbannt und dem

Passagier nur ein erträgliches Maß an

Lärm zugemutet werden soll. Diesem

sensiblen und immer öfter in den Inge-

nieurwissenschaften bearbeiteten Feld

der Akustik haben sich mehrere Arbeits-

bereiche an der TUHH verschrieben.

Unter der Leitung der Professoren UweWeltin und Otto von Estorff ist dasKooperationsprojekt Vibroakustik mit Air-bus entstanden, das sich mit der Lärmre-duktion in der Passagierkabine beschäf-tigt. So werden an einem Teilstück einesFlugzeugs im Technologiezentrum Fin-kenwerder (THF) am Neßpriel 5, direktgegenüber den Flugzeugmontagehallenvon Airbus, seit zirka zwei Jahren akusti-sche Messungen mit optimierten Innen-verkleidungen durchgeführt. Damit dererwünschte Reisekomfort erreicht werdenkann, müssen neue Dämmstoffe bezie-hungsweise neue Schichtungsweisen vonIsolierungsmaterialien im Innenraum desRumpfes angebracht werden. Neue Kon-struktionsstrukturen und -techniken desFlugzeugbaus sollen helfen, den Schall inder Kabine zu dämpfen und das Wohlbe-finden der Passagiere zu steigern. DasWechselspiel von Lärm im Innen- undAußenraum wird systematisch auch mitneuer Messtechnik untersucht.

Wird das Fliegen nicht mehr nur an sei-ner Funktionalität und Praktikabilität,sondern auch an seinem Komfort gemes-sen, rücken weitere Bereiche in das Blickfeld des ingenieurwissenschaftlichenInteresses und stellen dem Flugzeugbauer

neue Herausforderungen: Wie kann dasTropfen der Klimaanlage oder das Perfo-rieren des Flugzeug-Bodens durch dieStöckelschuhe von Frauen verhindert,und wie der kalte Zugstrom von Luft anden Türen der Notausgänge im Fliegerausgeschaltet werden? Wer ärgert sichnicht, wenn aus den Ritzen der Kabinen-verkleidung Wasser auf den Anzug tropftoder wenn sich die Füße des Passagiersnach zirka 500 Flugmeilen wie Eisklötzeanfühlen? Und noch eine Entwicklunglässt sich absehen: derzeit „wachsen“ dieFlugzeuge. Schon bald wird sich der A380als „Riesenvogel“ in die Luft erheben undan prototypischer Technik und faszinie-render Größenordnung dem Tanker oderContainerschiff im Hamburger Hafen ent-sprechen. Diesen steigenden Anforderun-gen an die Größe und den Komfort, dieauf dem ersten Blick den primären Sicher-heits- und Stabilitätsbestimmungen einesFlugzeugs widersprechen, gilt das Inter-esse des modernen und zukünftigen Flug-zeugbaus. Denn je mehr Hightech in demelektronischen „Vogel“ untergebracht wird,desto mehr Zubehör und damit Gewichtmuss berücksichtigt werden. Die enggesteckten Grenzen der physikalischen,ökonomischen, aber auch menschen-bedingten Gesetzmäßigkeiten stellen dasKnow-how der Flugzeugbauingenieureimmer wieder vor neue Herausforderun-gen. Die TUHH betätigt sich nun in viel-facher Hinsicht auf dem Gebiet der Flug-zeugforschung. In direkter Kooperationmit Airbus werden Forschungsprojektedurchgeführt und so dem Ruf der StadtHamburg als Hightechstandort entspro-chen. Auch der einzigartige auditive Prüf-stand des Projektteams Vibroakustik ander TUHH ist in diesen Rahmen einge-bunden und betritt mit seiner Forschungingenieurwissenschaftliches Neuland. Miteinem Drittmittelaufkommen von dreiMillionen Euro und fünf finanzierten wis-senschaftlichen Mitarbeitern entwickeltedas Team in Kooperation mit Airbus in denJahren 2000 bis 2002 hochleistungsfähigeComputersimulations-Modelle, mit denenin Zukunft die akustischen Eigenschafteneines Flugzeugs auch ohne Prototyp vor-

hergesagt werden können. Diese Pro-gramme eröffnen seit Abschluss des Pro-jekts im Dezember 2002 Airbus neueMöglichkeiten bei der Realisierung neuerFlugzeugbau-Techniken. Vibroakustik giltdamit als Beispiel einer gelungenen Zu-sammenarbeit von Industrie und Univer-sität im Dienste des Menschen. Technikfür Menschen zu entwickeln, und diesesMotto hat sich die Technische UniversitätHamburg-Harburg auf die Fahne ge-schrieben, bedeutet eben auch, eineTechnik zu bauen, die dem Menschen eine lärm- und stressfreie Umgebung garantiert.

Katharina Jeorgakopulos

Der Traum vom Fliegen und seine unsichtbaren Nebenwirkungen

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Das gemeinsam von Airbusund der TUHH betriebeneTechnologiezentrum Finken-werder am Neßpriel 5

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Seit Dezember 2001 steht in der Halle

des THF ein Prüfstand aus dem Bereich

der Flugzeugakustik. Dieser im Flug-

zeugjargon genannte „Mock Up“

ermöglicht es, Messungen des Innen-

geräuschs, die sonst nur bei sehr

kostenintensiven Versuchsflügen durch-

geführt werden können, am Boden vor-

zunehmen.

Das Rumpfsegment wird hierbei vonaußen mit Lautsprechern beschallt, diedas Außengeräusch während des Flugessimulieren. Dadurch lassen sich nun ver-einfacht die Auswirkungen verschiedenerInnenverkleidungen und -ausstattungenauf das Innengeräusch „beim Flug“untersuchen, und es können die Ergeb-nisse bestehender akustischer Modell-Berechnungen aus dem Rechner über-prüft werden. Die Basis für dieses „Akustik Mock Up“ bildet die Sektion 16eines Airbus A340, die auf einen speziellangefertigten Prüfstand aufgebocktwurde. Da die Neubeschaffung einer solchen Sektion den Rahmen der Bugetie-rung durch das Luftfahrtforschungspro-gramm II (LuFo II) gesprengt hätte, wurdeeine im Crashversuch beschädigte Sektionwieder aufgebaut.

Der Aufbau

· Nach der Anlieferung der Sektion in derVersuchshalle des THF im November1999 zeigte sich, dass auch Neuteile fürden Wiederaufbau benötigt wurden.Da im Flugzeugbau kein Teil dem an-deren gleicht und die Bauteile für jedesbestellte Flugzeug extra gefertigt wer-den, mussten wir uns mit der Bestellungunserer Neuteile hinten in die langeSchlange in den vollen Auftragsbüchereinordnen.

· Bei der Anlieferung passte die Sektionnur in einer Lage durch das Hallentor,die keinesfalls ihrer Position im späterenPrüfstand entsprach. Für die Reparaturwar diese „falsche“ Position allerdingsein Vorteil. Für die Reparaturarbeitenmusste die Sektion eingerüstet werden,um die beschädigten Hautfelder mitden unversehrten Sektionsbereichen zuverbinden. Anschliessend wurden dieErsatzteile der Außenhaut eingesetzt,neue Spanten eingefügt und alles wie-der vernietet.

· Die Sektion war nun nach den Regelndes Flugzeugbaus wieder neu aufge-baut und sollte mit ihren strukturdyna-mischen Eigenschaften einer Sektion 16aus der Serie entsprechen. Allerdingssah sie mit den ausgetauschten Neutei-

len sehr nach einem „Patchwork“ ausund wurde deshalb im Airbuswerk neulackiert. Nach ihrer Rückgabe erfolgtedann die endgültige Positionierung„der Tonne“ in dem Prüfstand. Da dieHöhe der Sektion der Höhe der Halleentspricht, wurden insgesamt 3 Spezial-kräne benötigt, um Schäden an der Sek-tion oder an der Decke der Halle zu ver-meiden. Hierfür wurde sie auf einemGestell zwischengelagert.

· Während der Reparatur der Sektionwurde mit der Planung des Prüfstandsbegonnen. Dabei galt es insbesondereakustisch dichte Abschlüsse an den bei-den offenen Rumpfseiten herzustellen,was eine immense Herausforderungdarstellte. Gemeinsam mit der Firma Ill-bruck wurde ein Konzept für den Prüf-stand erarbeitet, das alle Anforderun-gen erfüllte und die geeigneten Rand-bedingungen für Messungen undRechnungen schuf.

· Um die Schalldichtigkeit der Abschlüssezu garantieren, wurde ein Doppelwand-system aufgebaut, das mit insgesamt 40Tonnen Sand gefüllt wurde. Sand alsFüllstoff besitzt eine hohe Masse undbringt deshalb eine hohe Schalldäm-mung mit sich. Andererseits sorgt erdurch seinen körnigen Aufbau für einehohe innere Dämpfung. Wie schon beider Positionierung der Tonne, so berei-tete aus hier die geringe Höhe der Hallesowie das Fehlen eines Hallenkrans beider Sandbefüllung in die Wandele-mente größte Probleme, die aber mitGeschick, Ausdauer und Körperkraftüberwunden wurden.

· Mit dem Einbringen der Sektion in dieschallisolierten Wandbauteile war derAufbau des „Akustik Mock Ups“ abge-schlossen. Seit einem Jahr finden nunMessungen an diesem einzigartigenPrüfstand statt.

Christian ThomasBearbeitung Katharina Jeorgakopulos

Chronik eines Aufbaus Der Akustik-Mock-Up am Neßpriel 5

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Ein niedriger Geräuschpegel im Innen-

raum von Flugzeugen ist in Anbetracht

eines gestiegenen Komfortbewusst-

seins der Passagiere zu einem wichti-

gen Entwicklungsziel geworden.

Stand der Technik ist, dass die akustischeAuslegung aufgrund der Erfahrungen ausvorangegangenen Flugzeugentwicklungs-programmen erfolgt. Zusätzlich werdenanalytische Berechnungsmethoden, dieauf zahlreichen Vereinfachungen beru-hen, eingesetzt. Ein hoher Anteil der Ent-wicklungsarbeit wird jedoch für kosten-und zeitintensive Versuche mit Probebau-teilen aufgewendet. Um neue Lösungenfür Problemstellungen und Vorgehens-weisen auf dem Gebiet der Flugzeugin-nenraum-Akustik zu entwickeln, wurdedas interdisziplinäre Forschungsvorhaben„Vibroakustik“ zwischen der Akustikab-teilung der Airbus Deutschland GmbHund den Arbeitsbereichen Mechanik Isowie Mechanik und Meerestechnik derTUHH gegründet. Dabei spannt sich dasThemengebiet über den Einsatz vonnumerischen Berechnungsverfahren bishin zu neuen Messtechniken.

Der Schwerpunkt liegt auf der Entwick-lung von Berechnungsmodellen verschie-dener Komponenten der Flugzeuginnen-verkleidung. Diese ermöglichen schon zuBeginn der Entwicklung von FlugzeugenAussagen über deren akustisches Verhal-ten, die somit frühzeitig in den Konstruk-tionsprozess einfließen können. ZurReduzierung des Schallpegels bietet sichdas Interieurlining der Flugzeuge an, dasaus speziellen Leichtbauverbundelemen-ten aufgebaut ist. Diese Elemente beste-hen aus einem Wabenkern und einerfaserverstärkten Deckschicht. Währenddiese sogenannten Wabenplatten einesehr hohe Festigkeit bei niedrigemGewicht erreichen, ist ihre Schalldäm-mung gegenüber anderen Werkstoffenmit gleichem Flächengewicht schlecht,ebenso strahlen sie bei Körperschallerre-gung sehr viel mehr Schalleistung ab alsvergleichbare Werkstoffe.

Im Laufe des Projekts wurden Vorhersa-gemodelle für Schalltransmissionsunter-

suchungen des Kabinenlinings auf Basiseiner gekoppelten Finite-Elemente-Methode (FEM) und Boundary-Elemente-Methode (BEM) entwickelt. Die mess-technische Überprüfung ergab eine sehrgute Übereinstimung der Simulationsmo-delle mit der Realität. Weiterhin wurdendie Möglichkeiten zum Einsatz verschie-denartiger Schallabsorber wie Glaswolleund Helmholtzresonatoren untersucht.Hierfür wurden erfolgreich analytischeBerechnungsmodelle entwickelt.

Übergeordnetes Ziel ist es, neben deneinzelnen Komponenten auch den kom-pletten Verbund zu betrachten. Es zeigtsich hierbei, dass die FEM bei akustischenBerechnungen für Modelle in der Größen-ordnung einer etwa 40 Sitzplätze umfas-senden Kabinensektion nur für den tiefenFrequenzbereich einsetzbar ist. Der Grundfür diese Einschränkung liegt in der mitsteigender Frequenz und ansteigenderBauteilkomplexität zunehmenden Eigen-frequenzdichte. Bei höheren Frequenzenkommt daher ein weiteres Berechnungs-verfahren zum Einsatz, welches hier seineStärken besitzt – die Statistische Energie-analyse (SEA). Mit ihr sind akustischeAnalysen von komplexen Strukturen übereinen weiten Frequenzbereich möglich.Neben Simulationen an einem komplexenKabinenmodell eines Großraumflugzeu-ges, deren messtechnische Überprüfungzur Zeit erfolgt, konnten im hohen Frequenzbereich Schalltransmissionen andiversen Einfachwandaufbauten und kom-plexen Doppelwandsystemen erfolgreichberechnet werden.

Um die Ergebnisse aus den Berech-nungsverfahren möglichst realitätsnahüberprüfen zu können, wurde der be-schriebene Mock-Up entworfen. (Siehe:Chronik eines Aufbaus: Der Akustik-Mock-Up am Neßpriel 5). Besonders her-vorzuheben ist die schwingungsentkop-pelte Lagerung des Kabinenteils. Da Mes-sungen sonst nur bei sehr kostenintensivenVersuchsflügen durchgeführt werdenkönnen, ermöglicht dieser Prüfstand Mes-sungen am Boden. Es können sowohl dieAuswirkungen verschiedener Innenver-kleidungen und Ausstattungen auf das

Innengeräusch untersucht werden, alsauch die Ergebnisse von am Rechnererstellten akustischen Modellen am„Mock-Up“ überprüft werden. Nebendiesem in seiner Weise einzigartigen Prüf-stand wurden mehrere Prüfstände fürTransmissionsmessungen und Messungvon Materialeigenschaften aufgebaut.

Geplant sind der weitere Ausbau desForschungsvorhabens „Vibroakustik“ undneue Projekte auf dem Gebiet der Aku-stik. So ist es zum Beispiel vorgesehen,unter Verwendung der bisherigen Er-kenntnisse neuartige Wabenstrukturenaufzubauen. Weiterhin sollen die akusti-schen Auswirkungen von neuen Werk-stoffen für die Struktur wie z.B. der Ein-satz von Kohlefasern, untersucht werden.Ein weiteres Ziel ist die Abbildung derLärmentstehung in der Klimaanlage mitHilfe von Simulationsmodellen.

Prof. Dr.-Ing. v.Estorff, Prof. Dr.-Ing. Weltin, Dr. Gleine

Prof. Dr.-Ing. Uwe Weltin

Technische Universität Hamburg-Harburg

AB Mechanik I

Eißendorfer Straße 38

21073 Hamburg

Tel 040 / 42 87 8 - 3005

Fax 040 / 42 87 8 - 2789

[email protected].

Prof. Dr.-Ing. Otto von Estorff

AB Mechanik und Meerestechnik

Eißendorfer Straße 42

21073 Hamburg

Tel 040 / 42 87 8 - 3120

Fax 040 / 42 87 8 - 2028

[email protected]

VibroakustikWeniger Geräusche für mehr Komfort im Flugzeug

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Kabinenlinings, Wabenstruktur

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Seit der Mensch vom Fliegen träumt,

suchen Ingenieure Vorbilder in der

Natur; erinnert sei an Leonardo da Vici

und Otto Lilienthal. Nun wird in einer

Maschine Flugzeug das feinsensorische

und -motorische Netz aus Nerven und

Muskeln des vollendet adaptiven Vogel-

flügels nie realisierbar sein.

Techniken und Technologien zur Nutzungder Physik erlauben es jedoch, den Trag-flügel und seine Charakteristiken wie Auf-triebsvermögen und Luftwiderstand denjeweiligen Flugphasen oder Manövernanzupassen oder sein dynamisches Ver-halten in kritischen Betriebszuständen zubeeinflussen.

Solche Technologien des im weitestenSinn „adaptiven Tragflügels“ durch ver-stellbare Flügelprofilgeometrie und multi-funktionale Steuerflächen finden wir inallen modernen Transportflugzeugen:

· Hochauftriebshilfen, d.h. Vorflügel undLandeklappen zur Start- und Landeleist-ungsverbesserung durch deren Positio-nierung in aerodynamisch günstigsteStellungen

· Querruder beziehungsweise Spoiler derprimären Flugsteuerungssysteme umdie Flugzeugrollachse, die im Niederge-schwindigkeitsbereich auftriebsunter-stützend ausgeschlagen werden kön-nen beziehungsweise im gesamtenFlugbereich als Luftbremsen dienen.

Die Weiterentwicklung dieser Systemeund gänzlich neue Systemfunktionen imZusammenwirken mit Partnerdisziplinenwie Aerodynamik, Flugmechanik undStrukturdynamik sind insofern ein Fokusvon Forschungsarbeiten. Ziel ist, die Aus-legung und erweiterte Funktionalität vonSystemen bereits in den Entwurf lei-stungsgesteigerter Gesamtflugzeugkonfi-gurationen einzubeziehen. Aus denhohen Reisefluggeschwindigkeiten undAbflugmassen moderner Transportflug-zeuge resultieren hohe Flächenbelastun-gen des Flügels, die die eingangs genann-ten Hochauftriebshilfen für Start und Lan-dung (low speed) erfordern: In der RegelVorflügel (engl. slats) und Hinterkanten-klappen (engl. flaps), die in ausgefahrenerStellung eine Flügelflächenvergrößerung,insbesondere aber auch Profilwölbungs-

erhöhung bewirken, Abb.1. Der kostruk-tive Entwurf solcher Klappensysteme istzunächst ein getriebetechnisches Problemin der Ebene, d.h. der Synthese einergeeigneten Kinematik aus meist Mehrge-lenkketten mit Dreh- und Schubgelenken,die die Klappensegmente in aerodyna-

misch und damit start-landeleistungsopti-male Positionen überführt. Insbesonderedie Spaltkonvergenz zwischen Klappe undFlügel beziehungsweise zwischen Klap-pensegmenten, die durch Energiezufuhrin die Grenzschicht bei hohen Anstellwin-keln eine Strömungsablösung und Auf-triebsverlust verhindert, entscheidet überdie aerodynamische Qualität des Getrie-beentwurfs; Abb. 2 zeigt einen realisier-ten Klappenführungs- und Antriebsme-chanismus.

Interdisziplinäre Synthese von Klappen-

führungsmechanismen:

Abhängig vom Getriebetypus, d.h.Anzahl und Art der Gelenke ergeben sichganz unterschiedliche Geometrien undGewichte der verschiedenen Bauteile.Führungsmechanismen für einfacheFowlerklappen, meist aufgebaut als Vier-gelenkgetriebe, wie in Abb. 2, erlaubendrei definierte Klappenstellungen exaktzu erfüllen: Diese sind notwendigerweisedie Reisestellung und z.B. die extremeLandestellung sowie eine Zwischen- oderStartstellung. Weitere Vorgaben von Zwi-schenstellungen sind nicht mehr exakteinhaltbar; sie ergeben sich zwangsläufigaus der zuvor definierten Kinematik. DieSynthese dieser Viergelenk-Mechanismenläßt sich noch mit geschlossenen analyti-schen oder geometrischen Verfahrendurchführen. Abb. 3 zeigt die Definitiondieser Forderungen nach Überdeckung,Spalt und Spaltkonvergenz für einen vor-gegebenen Klappenwinkel. NeuartigeHochauftriebssysteme mit Forderungen

Systemtechnik neuer TragflügelentwürfeBeiträge zur Leistungssteigerung von Flugzeugen

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Abb.2 Klappenmechanismus

A330 / 340

Abb.1 Hochauftriebssysteme

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nach erhöhter Anzahl optimaler Klappen-stellungen im low speed-Bereich oderWölbungsveränderung im Reiseflug ('Flü-gel variabler Wölbung') erfordern kom-plexere Getriebe höherer Ordnung, sprichGelenkanzahl, für die meist keine ge-schlossenen Syntheseverfahren mehr exi-stieren. Es ist offensichtlich, dass die Ent-wicklung solcher Klappenführungsme-chanismen – bis heute ein manueller, starkvon der Intuition des Ingenieurs abhängi-ger Prozess – selbst bei Anwendung vonCAD-Verfahren – eine langwierige itera-tive Suche in einem großen Parameter-raum (neben Getriebetyp auch Geome-trieparametrisierung und der Gelenke) zu einem Lösungskompromiss darstellt.Die Teilautomatisierung dieses Entwurf-sproblems ist Ziel der Entwicklung einesrechnergestützten Werkzeugs zur Syn-these von Klappenführungsmechanis-men. Die entwickelte Methode basiert aufeiner simultan im Rechner vollzogenenSynthese und Analyse, d.h. Findung undBewertung möglicher Klappenmechanis-men eines gewählten Typs. Hierzu wirdaus der Positionierexaktheit der Klappe inallen geforderten Stellungen mit weiterengewichteten Gütefunktionalen wie Bau-teillasten und Gewicht, Fairinghöhe etc.ein integraler Gütewert gebildet. Die Auto-matisierung der Suche nicht nur mögli-cher, sondern über den Gütewert best-möglicher Lösungen eines bestimmtenGetriebetyps im Parameterraum aller denk-baren Gelenklagen übernimmt ein Opti-mierungsalgorithmus für diesen integra-len Gütewert. Das Softwareprogramm zurGetriebeentwicklung beinhaltet entsprech-end zwei gekoppelte Berechnungsmodule:

· ein Kinematikmodul zur Bestimmungdenkbarer, Mechanismen und Ermitt-lung des integralen Gütewerts

· einen Optimierer, basierend auf einemgenetischen Multipopulationsalgorith-mus für die Suche nach einem globalenOptimum im Suchraum. Er bildetanhand der Gütewerte der berechnetenKinematiken 'Fortpflanzungswerte' Deri-vatindividuen vorliegender Lösungenund initialisiert deren kinematische und

kinestostatische Last-Analyse sowie Be-rechnung neuer integraler Gütewerte.

Die Effizienz dieses Syntheseverfahrensfür Klappenmechanismen läßt sich daranablesen, dass mit dem Programm undabhängig von der Komplexität desMechanismus in einem Optimierungs-Suchlauf bis zu 500 Kinematiken (einesTyps) pro Sekunde berechnet und bewer-tet werden können. Intuition und Erfah-rung des Entwicklungsingenieurs müssenzunächst nur den Getriebetyp, Klappen-profil, strukturelle Anbindung des Mecha-nismus an die Flügelstruktur sowie Wich-tungsfaktoren für einzelne Gütefunk-tionale (Führungsablage, Gewicht, Lasten

etc.) vorgeben. Abb. 4 zeigt das Maßsyn-theseergebnis für eine sehr anspruchs-volle Klappenführungsaufgabe, bei der inder Reiseflugstellung eine spaltfreie Klap-penwölbung von 0 bis 5° Klappenwinkelerzeugt werden soll ('variable Wölbung'zur Gleitzahlverbesserung). Der syntheti-sierte Mechanismus basiert auf einem 6-Gelenkgetriebe (hier ein sogenannterWATT 1-Mechanismus), dessen Führungs-eigenschaften – wie dargestellt – durchgeforderte und erreichte Gap- und Over-lap-Werte über dem Klappenwinkel – ineinem 'manuellen' Suchprozess kaumoder nie erreichbar gewesen wären.

Abb.4 Lap / Gap-Qualitäteines synthetisierten 6-Gelenkmechanismus

Abb.3 Klappen-Positionierung

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Multifunktionale Einzelklappenantriebe:

Neben der Entwurfsoptimierung derHochauftriebskonfiguration im Flügelpro-filschnitt ist eine spannweitige Funktions-entkopplung und -erweiterung zwischeninneren und äußeren Landeklappenpaa-ren eine weitere Möglichkeiten zur Start-und Landeleistungsverbesserungen. ImRahmen des Forschungsvorhabens Hoch-auftriebskonzepte mit multifunktionalenSteuerflächen untersucht und bewertetAirbus Deutschland solche neuen Klap-pensysteme aus aerodynamischer, flug-leistungs- und systemtechnischer Sicht. In konventionellen Klappensystemen,Abb. 5, treibt eine zentrale hydromotori-sche Antriebseinheit über eine Wellen-transmission die Stellglieder an allen Klap-pen und positioniert diese in diskreten,wie zuvor betrachteten Stellungen. Durchantriebstechnische Entkopplung der Klap-penpaare, regelungstechnische Synchro-nisation der beiden flügelsymmetrischenKlappenpaare und stetige, flexible Posi-tionierung in Abhängigkeit des Flugzeug-betriebszustands (Gewicht, Start undLandebedingungen nach Standardatmos-phäre) lassen sich Start und Landeleistun-gen weiter verbessern. Die Machbarkeitund regelungstechnische Strategien fürsolche Einzelklappenantriebe wurden amArbeitsbereich Flugzeug-Systemtechnikin Simulationen experimentell untersucht

und nachgewiesen. Das Antriebssystem-konzept für das einzelne Landeklappen-segment besteht aus zwei aus Gründender Redundanz über einen Cross-Shaft(Welle) mechanisch verbundenen, elektri-schen Stellgliedern, permanenterregtenSynchronmotoren mit hochuntersetztenRotationsaktuatoren am Ausgang, Abb.6. Die regelungstechnische Problemstel-lung dieses Systemkonzepts bestehtdarin, bei parallel aktivem Betrieb beiderAntriebe, einem sehr steifen Cross-Shaft,hohen Nichtlinearitäten durch Festrei-bung und Spiel in der Strecke und unter-schiedlichen dynamischen Lasten an bei-den Klappenantriebsstationen die Verbin-dungswelle lastfrei zu halten. Einerseitskönnen dadurch die Ermüdungslasten desCross-Shaft sehr klein gehalten werden,andererseits werden Betriebszustände miteinem motorisch und einem generatorischarbeitenden Motor verhindert. Erreichtwurde dieses durch einen PI-Drehzahlreg-ler mit Rückgriff auf das hochaufgelösteMotorsignal bei übergeordneter Kaska-den-Positionsregelung. Laufende Unter-suchungen befassen sich mit Fehlerüber-wachung (Monitorkonzepte), Redun-danzverwaltung und der Synchronisationder flügelsymmetrischen Klappenpaare.

Strukturregelung flexibler Flugzeuge

Nicht im low speed-Bereich, sondern imhohen Unterschall bei Reisefluggeschwin-digkeit sind Fragen nach dem Entwurf desFlügels und der Gesamtkonfigurationangesiedelt, die aus der Wechselwirkungaerodynamischer Luftkräfte mit struktur-elastischen Rückstellkräften und Massen-kräften resultieren (Aeroelastik). Alle ela-stischen Flugzeugstrukturen weisen einbreites Spektrum möglicher Eigenschwin-gungsformen auf, die durch Böen oder

Flugmanöver angeregt werden und meistsehr schwach gedämpft sind. Besonderskritisch ist diese Situation bei sehr schlan-ken Flugzeugkonfigurationen mit langge-streckten Rümpfen nutzlastgesteigerterVersionen und Tragflügeln sehr hoherStreckung zur Reiseflugleistungsoptimie-rung. Die Folgen können Komfortein-bußen und Unterschreitung strukturkriti-scher modaler Mindestdämpfung bis zuSteuerbarkeitsproblemen bei Frequenz-nachbarschaft von Struktur- mit flugme-chanischen Eigenschwingungsformen desnominell „starren Flugzeugs“ sein. DieseProbleme eines Flugzeugentwurfs besserbeherrschen zu können, sind Ziel von Forschungsarbeiten der Industrie, Groß-forschung und von Universitäten. Tech-nologien der Werkstoff- und Bauweisen-forschung, vornehmlich Kohlefaserver-bundmaterialien werden unter demBegriff „Aeroelastic Tailoring“ zusam-mengefasst: Gezielte Nutzung der Mög-lichkeit der Werkstoff-Anisotropie, den Steifigkeitsaufbau der Struktur so zugestalten, dass im nachzuweisenden Geschwindigkeitsbereich bis VD (max.Bahnneigungsgeschwindigkeit) keine un-zulässigen strukturdynamischen Eigen-schwingungsamplituden auftreten. Alter-native oder auch komplementäre Maß-nahmen bestehen in der Nutzung derprimären Steuerungssysteme und Ruder,um in einem überlagerten Strukturregel-kreis die modale Dämpfung kritischerEigenschwingungsformen zu erhöhen.Diesen Ansatz verfolgt das Forschungs-vorhaben „Systemtechnische Untersu-chungen zur Strukturregelung flexiblerFlugzeuge“ (SYSFF) am Arbeitsbereich.

Ziel ist der Entwurf robuster und echt-zeitfähiger Strukturregler, die über einehohe Geschwindigkeitsspanne (Mach-zahlbereich) Strukturschwingungen effektivdämpfen. Ein Ergebnis methodischer Vor-untersuchungen zum Reglerentwurf füreinen im transsonischen Bereich arbeiten-den Flügels zeigt Abb. 7; beispielhaft istdie durch den Regler über Querruderaus-schläge erreichte Dämpfungserhöhungder Vertikalschwingung der Flügelspitzedargestellt. Diese Ergebnisse stützen sich

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Abb.5 Konventionelles

wellengetriebenes und Einzelantriebssystem-

Außenklappe

Abb.6 Elektrischer

Einzelklappenantrieb

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auch auf hardware in the loop-Untersu-chungen an einem A340 Querruderser-vostellsystem-Prüfstand mit simulierteraeroservoelastischer Strecke ab. DieRegelungsstrategie beruht auf Verfahrender Pollagenzuweisung im geschlossenenStrukturregelkreis für alle nur schwachoder nicht gedämpften Eigenwerte derungeregelten Strecke über dem zubetrachtenden Machzahlbereich und alle Massen-/Betankungs-Zustände. Dem Ausgangsgrößenregler werden gefilterteBeschleunigungs-Sensorsignale zugeführt.Laufende Untersuchungen befassen sichmit der Erweiterung und Anwendung die-ser Strukturregelung auf das gesamte

Flugzeug und das Kollektiv aller Steuer-flächen, Abb. 8. Als Referenzstrecke dienthierzu ein „integrales“ aeroservoelasti-sches Zustandsraum-Modell des A340-600, das von Airbus Deutschland für dieseUntersuchungen bereitgestellt wurde.Speziell soll für geeignete MIMO-Regler-entwürfe (multiple input multiple output)auch deren operationelle Robustheit imHinblick auf mögliche, zu unterstellendeSystemfehler im Sensor- beziehungsweiseAktuator-Bereich untersucht werden. Bei-des führt in Abhängigkeit der Fehlerwahr-

scheinlichkeit zu einer Teildegration inBeobachtbarkeit beziehungsweise Steuer-barkeit des Systems.

Die Erfordernis von Sensorredundan-zen, Zustandsreglern fester Struktur, aberschaltbarer Reglerparameter oder anderersystemtechnischer Optionen zur Siche-rung einer Mindestleistung der Struktur-regelung unter Ausfallgesichtspunkten,wird zu prüfen sein. Es ist interessant fest-zustellen, dass flugmechanische Stabilisie-rungsfunktionen (SAS-Stability Augmen-tation Systems) schon kurz nach Beginndes Strahlluftverkehrs in den 60er Jahrenzum Stand der Technik in Flugsteuerungs-systemen wurden; erstmals mit der

Einführung der modernen Twin-Aisle-Familie (A330/340) von Airbus kam einStrukturregler in der zivilen Luftfahrt zur Serienanwendung, in diesem Fall zur akti-ven Dämpfungsverbesserung von Rumpf-schwingungsformen. Die Notwendigkeitund der Nutzen eines technologischenVorlaufs zu sicher beherrschbaren, neuenund transportleistungsgesteigerten Flug-zeugentwürfen wird daraus erkennbar.Mit prädiktionssicheren und effizienterenEntwicklungswerkzeugen, durch Anwen-dung moderner Schlüsseltechnologien

der Mechatronik wie Antriebstechnik,Mikroelektronik und Regelungstechniksowie einen problemorientierten For-schungsverbund mit Aerodynamik, Flug-mechanik und Strukturdynamik könnendie Systeme des Flugzeugs hierzu einennicht unbeträchtlichen Beitrag leisten.

Die skizzierten Forschungsprojektewurden finanziert im Rahmen des zweitenLuftfahrtforschungsprogramms des Bun-deswirtschaftsministeriums, unterstütztdurch die Freie und Hansestadt Hamburgsowie Beauftragungen durch die FirmenAirbus Deutschland GmbH und LiebherrAerospace Lindenberg GmbH, gleichzei-tig enge Kooperationspartner in diesenUntersuchungen.

Prof. Dr.-Ing. Udo Carl

Prof. Dr.-Ing. Udo Carl

Technische Universität Hamburg-Harburg

Arbeitsbereich Flugzeugsystemtechnik

Nesspriel 5

21129 Hamburg

Tel 040 / 42 87 88 - 202

Fax 040 / 42 87 88 - 270

www.tu-harburg.de/fst/

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Abb.7Aktive Dämpfungvon Flügelstruktur-schwingungen

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Im Flugzeugbau ist das genaue Zusam-

menpassen der Einzelteile lebenswich-

tig für die Passagiere und Besatzungen

der Maschinen. Die Hersteller investie-

ren hohe Summen in die Präzision ihrer

Produktion. Ein Verfahren des Arbeits-

bereiches Fertigungstechnik II an der

Technischen Universität Hamburg-Har-

burg könnte den Aufwand und die

Kosten erheblich senken.

In Hamburg-Finkenwerder baut die Airbus Deutschland GmbH die Rumpfseg-mente für sämtliche Flugzeugtypen und-varianten des europäischen Airbus Kon-zerns. Mit dem Airbus 380 kommt dem-nächst ein weiteres Flugzeug dazu. Beider Montage werden die einzelnen

Rumpfkomponenten auf starren Vorrich-tungen befestigt, zusammengeführt undgenietet. Die Vorrichtungen sind für jedenFlugzeugtyp anders und müssen in vielenVarianten hergestellt und gelagert wer-den. Damit wird erhebliches Kapitalgebunden und teurer Hallenplatz besetzt,der dann für die Fertigung nicht zur Ver-fügung steht.

Für den Auftragsmix, den Airbus zubewältigen hat, ist die vorrichtungsorien-tierte Bauweise zu unflexibel und zuteuer. Ein Forschungsprojekt an der TUHHsoll dem abhelfen. Der Arbeitsbereich Fertigungstechnik II (Werkzeugmaschi-nen und Automatisierungstechnik) wurdevon Airbus und der Wirtschaftsbehördeder Stadt Hamburg mit der Entwicklung

eines Mess- und Kalibrationskonzepteszur automatischen Positionierung groß-volumiger Flugzeugsegmente beauftragt.Schon seit einigen Jahren arbeitet derArbeitsbereich an der Automatisierungvon Fertigungsprozessen. Das Ziel desForschungsprojektes ist es, zukünftig diestarren Vorrichtungen durch ein flexiblesMontagesystem zu ersetzen. Sensorensollen eine Messung der Ist-Positionenund -Orientierungen (Lagen) der Bauteilezueinander ermöglichen. Durch einenVergleich mit den Soll-Werten kann eineBerechnung der Verschiebung erfolgen.Über Aktuatoren werden die Bauteilebewegt, bis die Lagen im Rahmen dervorgegebenen Toleranzen eingestelltsind. Anschließend können die Flugzeug-

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Genauigkeit muss nicht teuer seinFlexible Flugzeugmontage soll Kosten sparen

Abb.1 oben und rechts

Bauplatz 41 in der Endmontage

Das in Hamburg gefertigte Rumpfteil

wird mit der inFrankreich gebauten

Cockpitsektion zusammengefügt.

Copyright: AirbusDeutschland GmbH

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segmente ohne das Risiko teurer Fehlpro-duktion vernietet werden. Ursachen fürLagefehler sind zum Beispiel Hallenbo-denbewegungen, Temperaturschwan-kungen, Elastizitäten, Führungsspiel undReibung. Bisher ist keine Online-Kontrolleder Bauteile möglich. Nur durch Stichpro-ben und visuelle Kontrollen können Feh-ler gefunden werden. Davor können aberRumpfsegmente ungenau genietet sein,die überarbeitet und gegebenenfallseinem speziellen Genehmigungsverfah-ren unterzogen werden müssen. Das ver-ursacht hohe Kosten. Wegen stets vor-handener Mess- und Positionierfehlerwird bei dem neuen Verfahren die Mes-sung ständig wiederholt. Die Daten wer-den online übertragen. Damit dauernMessen, Auswerten und eventuelle Neu-einstellungen nur noch Sekunden bisMinuten. Ein teurer Produktionsstop füreine aufwendige Neukalibration bleibtzukünftig aus. Ebenso für die Umrüstungauf verschiedene Typen und Varianten.Die Umrüstzeit ist nahezu Null. Das Ver-fahren ermöglicht die Handhabung ver-schiedenster Flugzeugsegmente mit dengleichen Maschinen. Es müssen keineunterschiedlichen Vorrichtungen mehrhergestellt und gelagert werden, die aufjeden Flugzeugtyp gesondert passen. DieIdeen für diese Innovation entstanden ausder Habilitation von Dr.-Ing. habil. JörgWollnack zum Thema "VideometrischeVerfahren zur Genauigkeitssteigerung

von Industrierobotern". Er betreut alsOberingenieur des Arbeitsbereiches Ferti-gungstechnik II das Forschungsprojekt.„Unsere Lösungen“, so Wollnack, „müs-sen nicht auf den Flugzeugbaubeschränkt bleiben. Weitere Anwen-dungsfelder sind zum Beispiel im Schiff-bau, Waggonbau oder Fahrzeugbau zuerwarten.“ Möglich wird ein flexiblesMontagesystem durch das Zusammen-spiel und die Nutzung der Innovationenverschiedener Techniken. So werden zumBeispiel die immer besseren Möglichkei-ten der Informationstechnologie von derIndustrie nicht immer genutzt. Jörg Woll-nack: „Heute hat ein Personalcomputerauf dem heimischen Schreibtisch eineRechnerleistung wie vor 10 bis 15 Jahrendie Großrechner. Aus dieser Entwicklungergeben sich intelligente Lösungen. Diesesind nur umzusetzen, wenn die unter-schiedlichen Disziplinen miteinander ver-bunden sind. In der Verbindung vonInformatik, Elektrotechnik und Maschi-nenbau sind sehr viele Synergien zu finden.“

Die Anwendung des neuen Verfahrenserfordert ein anderes Wissensmanage-ment in der Produktion. Wissen ist aufviele Abteilungen verteilt. Die langjähri-gen Erfahrungen der Arbeiter und Ingeni-eure müssen in Algorithmen umgewan-delt werden. Selbst wenn das gelingt, isteine automatische Produktion nicht ganzvollständig möglich. Die letzte Entschei-dung und Kontrolle bleibt nach wie

vor bei dem Menschen. „Das macht einUmdenken der Unternehmen erforder-lich. Das für die komplette Automatisie-rung notwendige ganzheitliche Wissen istbei Maschinen und Industrieroboternnicht präsent. Die Flexibilität von Men-schen kann ein Automat nicht leisten. Da stößt die Automatisierung an ihreGrenzen“, sagt Jörg Wollnack.

Das Forschungsprojekt wird getragenvon dem Hamburger Programm zur Förderung der Luftfahrtforschung und-technologie. Die Industrie trägt einenEigenanteil. Bis Ende 2003 soll es einenVersuchsträger geben, an dem Airbus unddie TUHH gemeinsam die notwendigenExperimente vollziehen und praktischeErfahrungen sammeln und auswerten.Das Forschungsprojekt soll als Ergebnisdie Machbarkeit des automatischen Ver-fahrens belegen. Die weitere Entwicklungbis zum Einsatz des Verfahrens liegt dannallein bei der Industrie.

Christian Soult

Leitung:

Prof. Dr.-Ing. Klaus Rall

Ansprechpartner:

Dr.-Ing. habil. Jörg Wollnack

Technische Universität Hamburg-Harburg

Arbeitsbereich Fertigungsstechnik II

Denickestr. 17

21073 Hamburg

Tel 040 / 4 28 78 - 3494

Fax 040 / 4 28 78 - 2500

[email protected]

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Bei dem Betrieb moderner Passagier-

flugzeuge kann ein Phänomen auftre-

ten, welches in Fachkreisen als „Rain

in the Plane“ bezeichnet wird. Dabei

tropft flüssiges Wasser aus der Kabi-

nenverkleidung über den Passagieren

in die Kabine. Neben diesem für die

Passagiere unangenehmen Effekt kann

das Vorhandensein von Wasser hinter

der Verkleidung auch die Funktion

und Lebensdauer von Bauteilen beein-

trächtigen beziehungsweise verringern.

In den Bereichen hinter der Verkleidungliegen elektrische Leitungen und dieGefahr eines Kurzschlusses besteht, wenndie Leitungen und Verbraucher mit Was-ser in Kontakt geraten. Zwischen Verklei-dung (Lining) und Aussenhülle sind Isolierpakete aus Glasfasermatten einge-baut, um die thermische und akustischeBelastung der Passagiere zu verringern

(siehe Abbildung 1 und 2). Die Glasfaser-matten werden in Folien verpackt, um dasEindringen von Wasser zu verhindern.Durch verschiedene physikalische Effektekommt es zum Wasserdampftransport indie Isolierung, wobei sich flüssiges Wasserin den Paketen sammelt. Während der oftkurzen Bodenzeiten kann das Wassernicht vollständig verdampfen. Es sammeltsich und erhöht das Gesamtgewicht desFlugzeuges, wodurch auch der Treibstoff-bedarf steigt. Zusätzlich kann es zur Kor-rosion der Flugzeugstruktur kommen,wodurch die Steifigkeit des Rumpfes her-abgesetzt wird. Durch Feuchtigkeit wirdaußerdem die Bildung von Bakterien undSchimmel begünstigt, beides kann beiKontakt mit den Atmungsorganen desMenschen gefährliche Krankheiten her-vorrufen. Der Trend zu grösseren Flug-zeugen mit gesteigerter Reichweite wirddas Problem der Wasseransammlung in

Zukunft weiter verschärfen. Ziel einesProjektes des Arbeitsbereiches TechnischeThermodynamik der TUHH und der Air-bus Deutschland GmbH in Hamburg-Finkenwerder ist die Reduktion der Was-seransammlung in der Flugzeugisolie-rung, womit die Airlines in der Lagewären, die Wartungsintervalle zu ver-längern, um Kosten zu sparen. Im Rah-men des Luftfahrtforschungsprogram-mes (LuFo II) wird deshalb der Transportund die Speicherung von Wasser in derFlugzeugisolierung numerisch und experi-mentell untersucht. Dies beinhaltet dieDefinition eines geeigneten Aufbaus derIsolierung relativ zur Flugzeugstruktursowie die Auswahl geeigneter Umhül-lungsfolien. Viele Passagiere klagengerade bei Langstreckenflügen über einezu geringe Luftfeuchtigkeit in der Flug-zeugkabine und die damit verbundenenFolgen wie Reizung der Augen, der Haut

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Rain in the Plane Untersuchung des Feuchtetransportes in Flugzeugisolierungen

Abb.1 Flugzeugrumpf in der

Strukturmontage

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oder der Atemwege. Woraus resultiertfolglich die Wasseransammlung, wenndie Feuchte der Kabine niedrig gehaltenwird?

Während des Fluges wird in der Kabineüber die Klimaanlagenregelung eine rela-tive Luftfeuchtigkeit zwischen 10 und 15 Prozent eingestellt. Der Zuluftzustandist dabei auch von der Anzahl der Passa-giere abhängig, da diese während des Flu-ges Wasserdampf an die Luft abgeben.Bei enger Bestuhlung und hoher Ausla-stung erhöht sich damit die Luftfeuchtig-keit der Kabinenluft. Die Zuluft bestehtzum Teil aus gefilterter Umluft, die aus derKabine abgesaugt wird. Der Rest ist frische Luft, die den Triebwerken vor derBrennkammer entnommen wird. ÜberStösse und Spalte gelangt die Kabinenluftin den Bereich hinter der Verkleidung(siehe Abbildung 3) und strömt durchDruckunterschiede an den dort befindli-chen Isolierpaketen vorbei. Während desFluges kühlt sich die Innenseite der Flug-zeugstruktur auf bis zu -35 °C ab. Ausdem Unterschied der Wasserdampfpar-tialdrücke der Kabinenluft und der Luft ander Struktur folgt ein Wasserdampfdiffu-sionstrom durch die Folien der Isolier-pakete. Bei Unterschreiten der Taupunkt-temperatur kommt es zur Kondensation

von Wasser in den Isolierpaketen, wobeisich das Wasser am Boden der Paketesammelt. So steigt mit der Zeit der Was-seranteil in der Isolierung.

Am Arbeitsbereich Technische Thermo-dynamik wurde im Rahmen des vorangegangenen LuFo I Projektes ein eindimensionales Matlab-Programm zurSimulation des Wärme- und Feuchte-transportes in Flugzeugisolierungen ent-wickelt. Die im Flugzeug relevanten undim Programm implementierten Feuchte-transportmechanismen sind in Abbildung4 dargestellt. Zur Validierung der Simula-tionen konnten Messungen an einemModellversuchsstand am Arbeitsbereichdurchgeführt werden. Dabei wurde derAufbau der Isolierung zwischen Verklei-dung und Struktur nachgebildet. DieAbkühlung der Struktur während des Flu-ges wird über eine gekühlte Aluminium-platte modelliert, wobei Temperaturenzwischen +50 °C und –40 °C einstellbarsind. Die Einstellung der Kühlung wurdeaus Flugversuchdaten der Lufthansaabgeleitet. Als Ergebnis dieser Arbeitkonnte gezeigt werden, dass ein Luftspaltzwischen Isolierung und Aussenhaut dieWasseransammlung in der Isolierungreduzieren kann. Dieser Effekt wird ver-stärkt, wenn der Aufbau mit Luftspalt in

Kombination mit einer dampfdichtenFolie auf der Kabinenseite und einer Foliemit hoher Permeabilität (Durchlässigkeit)auf der Luftspaltseite eingebaut wird.Durch die dampfdichte Folie wird derWasserdampftransport in die Isolierungverringert, während die poröse Folie aufder Luftspaltseite das Austrocknenbegünstigt. Dabei muss dafür gesorgtwerden, dass durch geeignete konstruk-tive Massnahmen das flüssige Wasser imLuftspalt kontrolliert abgeführt wird. Imaktuellen LuFo II Projekt wird diese Arbeitweitergeführt. Für die Simulation derFeuchteansammlung in komplexen 3D-Geometrien konnte das eindimensionaleMatlab-Programm nicht verwendet wer-den. Für diese Berechnungen wird diekommerzielle Strömungssimulationssoft-ware Star-CD benutzt. Zur Validierung derSimulationen steht wieder der Modellver-suchsstand an der TUHH zur Verfügung.Im Mittelpunkt der Arbeiten steht zusätz-lich zur Definition der Bauweisen dieUntersuchung verschiedener Folienmate-rialien. Zusätzlich zur herkömmlichenFolie wird der Einsatz einer adaptivenFolie untersucht, deren Dampfdiffusions-widerstand von der relativen Feuchte derUmgebungsluft abhängig ist. Für dieKabinenseite mit niedriger relativer

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Abb.2 Isolationspaket vor der Montage der Verkleidung

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Feuchte stellt sich ein hoher Dampfdiffu-sionswiderstand ein, wodurch der Trans-port von Wasserdampf in das Materialbehindert wird. An der Luftspaltseiteresultiert bei Unterschreitung der Tau-punkttemperatur eine hohe relativeFeuchte, woraus eine hohe Permeabilitätder Folie folgt. Dies begünstigt das Aus-trocknen der Isolierung. In den bisherigenSimulationen und Messungen hat sichdiese Folie, in Kombination mit der Bau-weise mit Luftspalt, als geeignet gezeigt,um die Wasseransammlung zu reduzieren.

Zusammenfassung und Ausblick

Im bisherigen Projekt konnte gezeigt wer-den, dass sich ein Luftspalt positiv auf dieim Isoliermaterial angesammelte Wasser-menge auswirkt. Insbesondere die Ver-

wendung einer dampfdichten Folie aufder Seite zur Kabine und einer porösenFolie auf der Luftspaltseite zeigte bessereErgebnisse als die Verwendung der her-kömmlichen Folie. Bei Benutzung deradaptiven Folie stellt sich der Dampfdiffu-sionswiderstand abhängig von denUmgebungsbedingungen ein und auf-grund der sich einstellenden Randbedin-gungen erhält man hierbei die Kombina-tion von dichter/poröser Folie mit nureinem Material. Dies wirkt sich günstigauf den Fertigungsaufwand aus, beigleichzeitiger Reduzierung der Wasser-menge im Isolierpaket. In den nächstenArbeitsschritten ist das Star-CD Modell zuerweitern. Damit sind Parameterstudiendurchzuführen, um die am Besten geeig-nete Bauweise zu finden. Zur Validierung

der Simulationen sind Messungen aneinem original A340 Strukturseitenteil beider Airbus in Hamburg-Finkenwerdervorgesehen, wobei auch Versteifungsele-mente und andere Einbauten mitberück-sichtigt werden. Dadurch ist die Abbil-dung der realen Randbedingungen bessermöglich als an dem Modellversuchsstand.

Prof. Dr.-Ing. Gerhard Schmitz

Leitung: Prof. Dr.-Ing. Gerhard Schmitz

Ansprechpartner:

Dipl.- Ing. Mario Wörner

Technische Universität Hamburg-Harburg

Arbeitsbereich Technische Thermodynamik

Denickestr. 17 / 21073 Hamburg

Tel 040 / 4 28 78 - 3044

Fax 040 / 4 28 78 - 4169

www.tt.tu-harburg.de

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Abb.4 Feuchtetransport-

mechanismen

Abb.3Flugzeugkabine mit

Liningelementen

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Die Verwendung moderner Faserver-

bundwerkstoffe für die Luftfahrt und

andere Hochleistungsanwendungen

nimmt ständig zu. Höhen- und Seiten-

leitwerk, Landeklappen, Ruder, Spoiler

und Druckschott sind bei vielen Flug-

zeugtypen der Airbus-Familie bereits

heute aus Kohlenstofffaserverstärkten

Kunststoffen (CFK) gefertigt. Diese

Teile sind bei gleicher Stabilität

wesentlich leichter als herkömmliches

Aluminium.

Langfristig besteht das Ziel, den gesam-ten Flugzeugrumpf aus CFK-Materialienherzustellen. Um Faserverbundwerkstoffeauch an hochbelasteten Stellen mit großerZuverlässigkeit einsetzen zu können, sindzerstörungsfreie Prüfverfahren notwen-dig, mit denen die Materialqualität präziseuntersucht werden kann.

In einem vom BMBF geförderten For-schungsprojekt untersucht der AB Nach-richtentechnik von Professor RohlingMethoden zur zerstörungsfreien Material-prüfung dieser CFK-Strukturen mit Ultra-schall. Insbesondere geht es dabei um dieautomatische Auswertung von Ultra-schallsignalen sowie die Erkennung undKlassifikation von Materialfehlern. Dieautomatisierte Auswertung der Signaleverwendet die vollständige aufgenom-mene Information und liefert objektiveund reproduzierbare Ergebnisse, währenddie Bewertung durch einen Menschen ausDarstellungsgründen nur Bilder mit redu-

zierter Information verwendet und starkvon Erfahrung und Konzentration desPrüfers abhängt.

Im Jahr 2002 hat der ArbeitsbereichNachrichtentechnik ein eigenes Ultra-schall-Prüfsystem in Betrieb genommen.Zur Aufnahme von dreidimensionalenMessdaten verfügt die Anlage über eineManipulatoreinheit. Die Ultraschalldatendes Prüfsystems werden entweder direktin eine Auswertesoftware übernommenoder für weitere Untersuchungen zwi-

schengespeichert. Mit dem neuen Prüfsy-stem konnten bereits viele Erfahrungen inder praktischen Materialuntersuchunggesammelt werden. Ebenfalls untersuchtwerden Ansätze zur Bestimmung desPorengehaltes in CFK-Werkstoffen an-hand des Ultraschallechosignals. Porensind kleinste Lufteinschlüsse im Material,die dessen Stabilität negativ beeinflussenkönnen, falls sie vermehrt und in einerbestimmten Konzentration auftreten. Eshandelt sich also um eine besondere Arteines Materialfehlers, der nur sehr schwerim Ultraschallechosignal zu erkennen ist.Speziell arbeiten wir an einer Methode zurAnalyse der Porosität direkt anhand desStreuechos aus dem Material. Das Verfah-ren wird benötigt für die Messung desPorengehalts der Deckhäute von CFK-Wabenkernverbundstrukturen, für die esbislang keine geeignete Methode gab.Diese Messungen werden üblicherweiseim Wasserbad durchgeführt. Ferner

befasset sich der Arbeitsbereich Nachrich-tentechnik mit der Signalauswertung fürUltraschall-Systeme mit Luft als Koppel-medium. Die Schallübertragung über Lufthat viele Vorteile. Sie ermöglicht die Prü-fung von luftgefüllten Materialien, z.B.Wabenkernverbünden oder Schaumstof-fen, und von Körpern, die nicht mit Was-ser in Berührung kommen dürfen, wie z.B.unbehandelte Keramik. Andererseits trittan den Schallübergängen zwischen Luftund Festkörper eine Dämpfung von

jeweils etwa 30 dB auf, so dass ein sehrstark bedämpftes Signal den Empfängererreicht. Deshalb müssen spezielle Sende-signale und Auswerteverfahren entwick-elt werden, um ein möglichst großes Signal-zu-Rausch-Verhältnis im Echosignalzu gewährleisten.

Prof. Dr. Hermann Rohling

Prof. Dr. Hermann Rohling

Technische Universität Hamburg-Harburg

Arbeitsbereich Nachrichtentechnik

Eißendorfer Straße 40

D-21073 Hamburg

Tel 040 / 4 28 78 - 3028

Fax 040 / 4 28 78 - 2281

www.et2.tu-harburg.de

Zerstörungsfreie Materialprüfung mit Ultraschall

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Abb.1 Ultraschall-Prüfsystem mit Manipulator

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Es ist nicht verwunderlich, dass Aero-

dynamik, Mechanik, Maschinen- und

Triebwerksbau Disziplinen sind, deren

Beherrschung ein Flugzeug sein Flug-

vermögen verdankt. Dass der moderne

Flugzeugbau eine Vielzahl von Proble-

men aufwirft, für deren Lösung es des

Know-Hows eines Nachrichtentechni-

kers oder Netzexperten bedarf, ist auf

den ersten Blick nicht so offensichtlich

– lässt sich aber wohl erahnen, wenn

das Schlagwort vom „fly-by-wire“ ein-

mal gefallen ist.

Über „den Draht“ fließen dann nämlichflugkritische Daten, mit denen das Cock-pit etwa die Auslenkung eines Ruders voneinem dort angebrachten Motor einfor-dert. Neben der Kommunikation zwischenCockpit einerseits und Sensoren oderAktuatoren andererseits gibt es ein hohesAufkommen an Datenverkehr, das sichaus Aufgaben der Überwachung, Steue-rung und Informationsverteilung im Kabi-nenbereich ergibt. Denkt man dabei alleinan die Informations- und Kommunikati-onsbedürfnisse der Passagiere, die inmodernen Großflugzeugen über in denVordersitz eingelassene Terminals verfü-gen werden, so ist ein Verkehrsaufkom-men von 1Gbit/s eine durchaus realisti-sche Größe.

Neben Unterhaltungsanwendungen werden über das Kabinennetz Ansagenund Rufe in der Kabine, die Steuerungvon Licht und Klimabedingungen sowiedie Steuerung von Geräten im Küchen-und Sanitärbereich geleitet. In heutigen Flugzeugen sind für unterschiedliche Anwendungen auch unterschiedlicheKommunikationsinfrastrukturen im Ein-satz; eine Vereinheitlichung in einem ein-zigen Kabinennetz verspricht wirtschaft-liche Vorteile. An ein einheitliches Kabi-nennetz mit ca. 1.000 angeschlossenenEndgeräten werden in puncto Zuverläs-sigkeit Anforderungen gestellt, die diegroßen Netze im terrestrischen Bereichweit übertreffen:

· Zum einen geht es um Informationen,die mit der Sicherheit und dem Wohler-

gehen der Passagiere befasst sind, wieetwa beim Druckausgleich oder demFreigeben der Sauerstoffmasken;

· Zum anderen muss die Fluggesellschaftin dem an und für sich unkritischenUnterhaltungsbereich mit hohen Regress-forderungen rechnen, wenn ein Passa-gier das versprochene Unterhaltungs-programm nicht oder nicht störungsfreiempfangen kann.

Zur Vermeidung der genannten Risikenwerden Konzepte der Fehlertoleranzgesucht, die geeignet sind, die beobacht-bare Ausfallwahrscheinlichkeit unter einenWert von etwa 10 -9 zu bringen. Diesimpliziert gleichermaßen die unmittelbareBereitstellung alternativer Übertragungs-wege im Fehlerfall wie auch das nahtloseAufsetzen eines anderen Rechners aufden Status, der für den fehlerhaften Rech-ner zum Zeitpunkt des Ausfalls maßgeb-lich war. Diese Aufgaben werden nochdadurch erschwert, dass einige Anwen-dungen Echtzeitforderungen stellen: EineNachricht wird verworfen, d.h. ist alsDatenverlust zu betrachten, wenn zwischenihrer Erzeugung mehr als eine in derAnwendung festgelegte Maximalzeit ver-strichen ist. Aus dem Gesagten ergebensich für die Kommunikationsinfrastrukturim Kabinenbereich folgende Anforderungen:

· Bewältigung des Verkehrsaufkommensvon circa 1.000 Endgeräten mit unter-schiedlichen Dienstgüte- und, insbe-sondere Echtzeitanforderungen,

· Fehlererkennungs- und Redundanzkon-zepte für die Datenübertragung,

· Selbstheilungsmechanismen durch ge-eignete Redundanzkonzepte der kriti-schen Anwendungen und

· Konzepte zum Nachweis der geforde-ten Eigenschaften in geeigneten Test-umgebungen.

Der Arbeitsbereich „Kommunikationsnetze“der TUHH widmet sich diesen Problemenin zwei Kooperationsprojekten mit AirbusIndustries. Im Projekt QoS Train (Quality-of-Service Aware Application-TransparentInfrastructure) geht es darum:

· Steuerungsmechanismen zur Garantievon Dienstgüteanforderungen zu kon-zipieren,

· Redundanzkonzepte zur Heilung vonÜbertragungsunterbrechungen zu ent-wickeln und

· Basisfunktionen für Selbstheilungsver-fahren im Anwendungsbereich wieDaten- oder Statusabgleich verteilterProzesse zu spezifizieren und zu imple-mentieren.

Auf diese Art soll der Anwendungspro-grammierer von der Aufgabe befreit wer-den, über Eventualitäten im Netzgesche-hen nachzudenken und dafür in seinenProgrammen Sorge zu tragen. Vielmehrsoll er davon ausgehen, dass jede Nach-richt korrekt und zeitgerecht bei dem fürsie zuständigen, empfangsbereiten Pro-zess ankommt.

Das Projekt TESTDEK (Testbussystemfür die Simulation der Datenerfassung inder Kabine) beschäftigt sich mit der Aus-legung einer Testumgebung für alle ander Kabinenausrüstung beteiligtenSysteme. Darunter fallen die dem Flug-gast direkt sichtbaren Einheiten wieBeleuchtung, sitzbezogene Service-Funk-tionalitäten (individuelle Lichtbeeinflus-sung, Serviceruf, Entertainment, etc.),aber auch die Klimasteuerung, die Steuer-ung für Informationsdurchsagen oder dieDruckregelung der Kabine. In einem sta-tionären Teststand ist es nicht sinnvoll,eine Kabine mit der vollständigen Ori-ginalausrüstung zu installieren. Vielmehrmuss ein repräsentativer Ausschnitt phy-sisch real erstellt und der Rest durchgeeignete Simulatoren daran angebun-den werden. Zur Berücksichtigung desFahrgastverhaltens werden dessen Inter-aktionen mit dem System ebenfalls ineiner Simulation nachgebildet. Es ist damitoffenkundig, dass neben der Original-Flugzeugausstattung eine Vielzahl vonSimulatoren zum Einsatz kommt. ZurTestdurchführung werden die Simulato-ren mit Daten versorgt, die das typischeVerhalten in unterschiedlichen Flugpha-sen nachzubilden erlauben. Über Messde-tektoren werden dann Daten von der

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Kommunikationsnetze und -anwendungenin Großflugzeugen

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Systemreaktion aufgenommen und zurBeurteilung der Korrektheit in einem Test-rechner ausgewertet.

Damit ist offenkundig, dass neben denDatenflüssen in der Flugzeugausrüstungeine sehr umfangreiche zusätzliche Daten-flut zur Teststeuerung, Messung und Aus-wertung unter Realzeitbedingungen zubewältigen ist. Diese Daten können nichtüber den Wirkbus des Flugzeuges ver-sandt werden, wenn dessen Leistungs-fähigkeit getestet werden soll. Vielmehrist ein Testbus zu entwickeln, an den allerealen Endgeräte und alle Endgerätesimu-

latoren angeschlossen sind, über den sieBefehle zur Auslösung von Aktivitätenerhalten. Zur Untersuchung einer optima-len Auslegung und Dimensionierung desTestbusses werden umfangreiche Unter-suchungen auf der Basis realer Verkehrs-daten durchgeführt und Protokollvarian-ten bezüglich ihrer Effizienz in dieser spe-ziellen Umgebung untersucht. Abb.1vermittelt einen Eindruck von dem prinzi-piellen Aufbau von Wirk- und Testbussowie den notwendigen Systemkompo-nenten.

In einem weiteren Projekt ist das Ziel,mit einem Leistungsmanagement eineBasis für eine optimale Nutzung der fürdie Stromversorgung verfügbaren Ener-giequellen zu schaffen. Nach bisherigenkonservativen Ansätzen wurde dieDimensionierung der Stromgeneratoren

dahingehend bemessen, dass diese in derLage sein sollten, alle installierten Ver-braucher gleichzeitig zu bedienen, einAnsatz, der bei dem A380 hinsichtlich desGewichtes zur unvertretbaren Dimensio-nierung der Stromversorgung führenwürde. Messungen ergaben, dasswährend eines Interkontinentalflugesüberwiegend weniger als 15% der instal-lierten Verbraucherleistung abgefordertwurde. Dieser Spitzenverbrauch wurde inden Phasen der Mahlzeitenvorbereitungerzeugt, also durch Öfen im Bereich derKüchen.

In einem intelligenten Leistungsmanage-ment-System muss es daher möglich sein,selbst bei einer Generatorleistung, diegeringer ist als 50 Prozent der installiertenVerbraucherleistung, eine adäquate Be-dienqualität zur Verfügung zu stellen. DieVerbraucherspitzen durch die Öfen ließensich durch eine entsprechende Regelungdeutlich reduzieren. Selbst wenn sich hier-durch geringfügige Verlängerungen derAufwärmzeiten ergeben, ist dies durcheine modifizierte Ablaufplanung ohneEinbußen der Servicequalität zu kompen-sieren. Zur Realisierung eines solchen Lei-stungsmanagements bedarf es nebeneiner detaillierten Analyse des Versor-gungsnetzes und der Eigenschaften dereinzusetzenden Leistungselektronik einerAblaufsteuerung, die über ein Netz dieunterschiedlichen Verbraucher und Sen-

soren (z.B. Temperatursensoren) anspricht.Während man in einer ersten Phase voneiner zentralen Steuerung ausgehen wird,zielen spätere Projektphasen darauf ab,einen „single point of failure“ zu vermei-den und ein Konzept für eine verteilte,ausfallsichere Steuerung zu entwickeln.

Professor Dr. rer. nat. Ulrich Killat

Leitung:

Professor Dr. rer. nat. Ulrich Killat

Ansprechpartner:

Dr.-Ing. Lothar Kreft

Technische Universität Hamburg-Harburg

Arbeitsbereich Kommunikationsnetze

Denickestr. 17

21073 Hamburg

Tel 040 / 4 28 78 - 3149

Fax 040 / 4 28 78 - 2941

[email protected]

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Abb.1: Prinzipieller Aufbau eines Flugzeug-Kabinen-Testsystems

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Um die Antwort auf die im Titel aufge-

worfene Frage einmal vorweg zu nehmen:

Man kann mit Wasserstoff als Treibstoff

fliegen! Und auch eine zweite, sehr

häufig gestellte Frage wird im Vorwege

beantwortet: Wasserstoff ist ein siche-

rer Treibstoff, in Teilaspekten sogar

sicherer als Kerosin, da sich z.B. der

leichte Wasserstoff nach oben verflüch-

tigt und keine Flächenbrände zur Folge

hat, wie es bei Kerosin der Fall ist.

Diese und viele andere Fragen wurden indem EU-Projekt „CRYOPLANE Hydrogenfuelled aircraft – System analysis“, zwi-schen Mai 2000 und April 2002, geklärt.Initiiert wurde das Projekt von der AirbusGmbH und im 5. Rahmenprogramm derEuropäischen Kommission gefördert. Auf-grund der Komplexität des Gesamtprojek-tes wurde es in Arbeitspakete unterteilt. Diese Arbeitspakete untergliederten sich

in ca. 60 Teilaufgaben, die dann von 30europäischen Universitäten und Unter-nehmen, die auf dem jeweiligen Gebietgroße Fachkompetenz aufweisen, bear-beitet wurden. Der Arbeitsbereich Appa-ratebau der TUHH unter der Leitung vonProfessor Dr.-Ing. Jobst Hapke hat meh-rere Teilprojekte bearbeitet. Zum einenleitete Hapke das Arbeitspaket: „Treib-stoffquellen und Infrastruktur“ und zumanderen wurden zwei Teilaufgaben über-nommen:

· Konventionelle Wasserstoffproduktions-prozesse

· Funktionssimulation des Wasserstoff-transportes im Treibstoffsystem.

Das Ziel dieses Projektes war die Schaf-fung der Grundlagen für den Bau einesFlugzeuges zur Demonstration, um denWechsel des Flugtreibstoffes Kerosin aufWasserstoff zu zeigen.

Die Herausforderung und Motivation

Die Wirtschaft und die Gesellschaft sindheute durch ein hohes Maß von Mobilitätgeprägt und davon abhängig. Auf daserreichte Maß an Mobilität zu verzichten,erscheint weder wünschenswert nochmöglich. Im Gegenteil: Die Erwartungenan verfügbare Mobilität werden sowohlnach Umfang als auch nach Qualität wei-ter steigen, insbesondere mit dem wirt-schaftlichen Aufschwung von sogenann-

ten Schwellenländern. So wird vongroßen Flugzeugproduzenten wie Airbusund Boing ein Anstieg des Flugaufkom-mens von ungefähr fünf Prozent pro Jahrfür die nächsten 20 Jahre erwartet. Daserhöhte Flugaufkommen hat somit auchhöhere Emissionen zur Folge, die dieUmwelt mehr und mehr belasten. Nebender Schonung der Ressourcen wie Erdölund Kohle, stellt sich auch die Aufgabeder Reduzierung des CO2-Ausstoßes. DieReduktion des Treibhausgases CO2 wird

als vorrangiges Ziel genannt, um derErderwärmung entgegen zu wirken. Sowerden politisch immer neue Ziele vorge-geben und Strafen bei Überschreitungeines festgelegten Limits des CO2-Aus-stoßes verhängt. Dies führt sogar dazu,dass ein weltweiter Handel mit CO2-Opti-onsscheinen geplant ist.

Diese beiden Fakten, das steigende Ver-kehrsaufkommen und die notwendigeReduzierung von CO2-Emissionen, führenzu immer neueren Technologien, um denTreibstoff effektiver zu nutzen. Es führtaber auf lange Sicht kein Weg an alterna-tiven Kraftstoffen vorbei. Eine Möglich-keit ist die Verwendung von Wasserstoffals Energieträger. Bei der Verbrennungvon Wasserstoff entsteht als primäresVerbrennungsprodukt nur Wasser. Unterder Voraussetzung, dass der Wasserstoffohne Freisetzung von CO2 hergestelltwird, ergibt sich die Möglichkeit einernachhaltigen Energiewirtschaft.

Mit CRYOPLANE wird der Ansatz for-ciert, unter Nutzung von erneuerbarenEnergien den Luftverkehr so umwelt-freundlich zu gestalten, dass seinemWachstum auf lange Zeit nichts entge-gensteht. Es bleibt nur eine Frage offen:Wie hoch ist der Preis, den wir dafür zah-len müssen? Zur Zeit ist der aus regenera-tiven Energien hergestellte Wasserstoffum einige Faktoren teurer als das (nichtbesteuerte) Flugbenzin. Diese ökonomi-sche Barriere gilt es zum Beispiel durchneuere und verbesserte Technologien unddem Aufbau einer besseren Infrastrukturfür die Wasserstoffproduktion und -ver-teilung abzubauen.

Ergebnisse der Studie:

a) Herstellung von Wasserstoff

Zur Zeit wird Wasserstoff überwiegendunter Ausstoß von CO2 hergestellt. Diebeiden wesentlichen Prozesse sind diepartielle Oxidation und die Dampfrefor-mierung. Dort werden als Ausgangspro-dukte kohlenstoffhaltige Verbindungenwie Methan, Ethan oder Kohle eingesetzt.Dies hat eine Produktion von CO2 zurFolge, die z.B. bei der Dampfreformierungmit Ethan 0,29 Norm-m3 CO2 pro

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CryoplaneOder: Kann man mit Wasserstoff fliegen?

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1 Norm-m3 H2 beträgt. Neben den Produktionsprozessen, die direkt zur Pro-duktion von Wasserstoff dienen, existie-ren noch einige Prozesse, bei denen Was-serstoff als Nebenprodukt entsteht. DieseProzesse sind die Chlor-Alkali Elektrolyseund Raffinationsprozesse in der Petro-chemie. Weltweit liegt der Anteil des alsNebenprodukt hergestellten Wasserstoffsbei 40 Prozent, bei einer jährlichenGesamtproduktion von 5, mal 1011 Norm-m3 pro Jahr. Es existieren nun zweiAnsätze, um Wasserstoff ohne Freiset-zung von CO2 zu produzieren. Zum Einenkönnen die herkömmlichen Verfahrenbeibehalten werden. Das dann entste-hende CO2 muss im Produktionsprozessabgetrennt und weiterverarbeitet, bezie-hungsweise gelagert werden. Eine Lage-rung kann z.B. durch Sequestrierungumgesetzt werden. Zum Anderen könnenregenerative Energien für die Produktionvon Wasserstoff genutzt werden. Hierbeikommen Sonnen- und Windenergiesowie Wasserkraft und Biomasse in Frage.Die daraus gewonnene elektrische Ener-gie kann dann in einer Elektrolysezelle zurWasserstoffproduktion genutzt werden.

Eine wesentliche Aufgabe ist noch dieInfrastruktur des Energietransportes, daHerstellungsort und Verbrauchsort desWasserstoffes weit auseinander liegenkönnen. Zwei Möglichkeiten sind derTransport von elektrischer Energie oderder Transport von Wasserstoff. Eine mög-liche Energiekette wäre die Produktionvon elektrischer Energie aus den geotherm-ischen Quellen in Island, Transport derelektrischen Energie über ein Unterseeka-bel nach Hamburg, Nutzung des elektri-schen Stromes zur Wasserstoffproduktiondurch Elektrolyse am Hamburger Flugha-fen. Die verschiedenen Kombinationenwurden alle untersucht und für den jewei-ligen Bedarf gewertet.

b) Simulation des Wasserstofftranspor-

tes im flüssigen Zustand

Bei der Simulation des Wasserstofftrans-portes vom Tank bis hin zur Verbren-nungskammer stand der Aufbau einesMonitoring Systems im Vordergrund. Derwesentliche Unterschied von Wasserstoffzu Kerosin als Treibstoff ist, dass der flüs-sige Wasserstoff tiefkalt bei Temperaturenvon –253°C nahe am Siedezustand mit-

geführt wird. Der Wasserstoff darf aufkeinen Fall verdampfen, da die resultie-rende Zweiphasenströmung einen höhe-ren Druckabfall zur Folge hat. Der Druck-verlust einer Zweiphasenströmung istaufgrund von physikalischen Phänome-nen, wie z.B. der Interphasenreibung, um ein wesentliches höher als der Druck-verlust einer einphasigen, flüssigen Strömung. Damit könnte nicht mehrgenügend Wasserstoff zur Verbrennungs-kammer gefördert werden. Das Simu-lationsprogramm muss also in der Lagesein zu entscheiden, ob der geförderteWasserstoff gerade verdampft sowie denDruckverlust einer eventuell auftretendenZweiphasenströmung zu berechnen. Die-ses wurde mit Hilfe des Simulationspro-gramms MATLAB/SIMULINK realisiert.Um die Ergebnisse abzusichern, wurdenmit der Firma ET- Energie Technologie inMünchen Versuche zur Druckverlustbe-stimmung durchgeführt. Zusätzlich zudem Monitoring System, welches dasgesamte Treibstoffsystem mit Short-CutModellen simuliert, wurden noch Detailsi-mulationen durchgeführt. Diese dreidi-mensionalen Strömungssimulationen

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Abb.1 ExemplarischesTreibstoffsystem

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wurden mit dem Programm PHOENICSdurchgeführt. Dieses Programm löstdirekt die Navier-Stokes’schen Gleichun-gen unter Verwendung von geeignetenTurbulenzmodellen. In diesem Fall kom-men noch die Zweiphasen-Phänomene,wie Interphasenmassen, -impuls und -energietransport hinzu. Die Wasserstoff-Stoffwerte werden über eine Datenbankeingelesen, die so strukturiert ist, dass diestark mit der Temperatur veränderlichen

Stoffwerte im tiefkalten Bereich erfasstwerden können. Es ist das erste Malgelungen, alle diese komplexen Vor-gänge, vor allem mit Änderung des Pha-senanteils, zu simulieren. Diese neuenErkenntnisse sollen später in das Monito-ring System einfließen: Die mathemati-sche Basis der Druckverlustberechnungbildet eine Formel, die von Professor Dr.Ing. Lutz Friedel [1] entwickelt wurde.Außerdem war die Implementierung vonWärmedurchgangsformeln nötig, die denWärmeeintrag von außen in die Rohredarstellen. So wurden verschiedeneBlöcke (Rohr, Krümmer, Rohrerweiterung,

Verzweigung) programmiert, die je nachdem speziellen Fall zusammengesetzt undmodifiziert werden können.

Der Beginn ist das Treibstoffsystem, wiees beispielhaft in Abbildung 1 dargestelltist. In der Abbildung 2 ist eine Leitung ausdem System dargestellt. Die Abbildung 3zeigt schließlich die Umsetzung des Lei-tungssystems in die MATLAB/SIMULINKUmgebung. Jeder der in Abbildung 3 dar-gestellten Blöcke kann über eine Maske

an die jeweiligen Bedürfnisse (Größe,Durchmesser, Aussentemperatur, Dickeder Isolierung, Fehlstellen) angepasstwerden. Der Vergleich von Simulationser-gebnissen zu gemessenen Werten mitidentischen Randbedingungen zeigeneine sehr gute Übereinstimmung [2]. Mit diesem Tool kann einerseits einOnline-Monitoring System aufgebautwerden. Andererseits können die Effektevon Störfällen, wie z.B. ein erhöhter Wärmeeintrag durch eine defekte Isolie-rung, studiert und Optimierungsaufga-ben (Dicke und Material einer Isolier-schicht) untersucht werden.

Ausblick

Der nächste Schritt nach der Systemstudieist die Konstruktion des Demonstrations-flugzeuges. Da dies nicht ohne Verzöge-rung stattfinden kann, ist vorgesehen, ein sogenanntes Network of Excellencemit dem Namen HYTRAF unter der Leitung von Professor Dr.-Ing. JobstHapke aufzubauen. Dieses soll im Rah-men des sechsten Rahmenprogrammeszur Forschungsförderung der EU unter-stützt werden, um einzelne weiter-führende Fragestellungen zu bearbeiten.

Prof. Dr.-Ing. Jobst Hapke

[1] F.Mayinger, Strömung und Wärmeübergangin Gas-Flüssigkeits-Gemischen, Springer-Verlag,

Wien, New York, (1982).[2] D. Sarigiannis, Task Technical Report 3.4,

CRYOPLANE-Projekt (Veröffentlichung steht bevor)

Prof. Dr.-Ing. Jobst Hapke

Technische Universität Hamburg-Harburg

Arbeitsbereich Apparatebau

Eißendorfer Str. 38

21073 Hamburg

Tel 040 / 4 28 78 - 3248

Fax 040 / 4 28 78 - 2938

www.tu-harburg.de/apb/

Abb.2 Verbindung zweier

passiver Tanks

Abb.3 Darstellung des Leitungssystems

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Große Flugzeuge werden nicht wie

Autos mit Personen-Dummies besetzt

und gegen eine Betonwand gefahren.

Der Aufwand wäre zu groß. Das Crash-

verhalten von Flugzeug Inneneinrich-

tungen wird deshalb am Computer

simuliert. Hierzu werden an der TUHH

Modelle entwickelt und durch Versuche

überprüft.

In einem Forschungsprojekt in Zusam-menarbeit mit Airbus Deutschland GmbHwill der Arbeitsbereich Konstruktionstech-nik I das Crashverhalten von Bauteilen imInnenraum von Flugzeugen verbessern.Dafür werden die zur Zeit geltendenhohen Anforderungen an die Flugzeug-passagiersitze, die vor der Zulassung einenCrash-Test bestehen müssen, auf dieInneneinrichtung der Flugzeugkabine über-tragen. Es sollen energieabsorbierendeHalter für die Inneneinrichtungskompo-nenten entwickelt werden. Insbesonderegeht es um Halterungen mit denen dieGepäckfächer (Hatracks) an der Flug-zeugstruktur befestigt werden.

Dipl.-Ing. Marc Pein, einer der verant-wortlichen Ingenieure des ArbeitsbereichsKonstruktionstechnik I, sagt: „In demForschungsprojekt sollen Halterungenunter erweiterten, dynamischen Annah-men synthetisierter Crashfälle berechnetwerden. Mit den Erkenntnissen der Simu-lationen kann der Halter bezüglich funk-tionaler und wirtschaftlicher Gesichts-punkte neu gestaltet werden.“ Zur Zeituntersuchen die Ingenieure am Arbeits-bereich Konstruktionstechnik I, welchebekannten Absorptionsprinzipien und -konzepte für diesen Anwendungsfall inFrage kommen. Sie greifen dabei unteranderem auf Wissen und Erfahrung ausder Automobilentwicklung zurück. Ob-wohl ein Flugzeug keine vergleichbareFahrgastzelle wie ein Auto hat, sind dieErgebnisse aus PKW-Crashtests nutzbrin-gend auf das Flugzeug übertragbar.

Nach aufwendigen rechnerischen Ana-lysen verschiedener Konzepte wollen dieForscher ein oder mehrere geeignete Kon-zepte auswählen, die weiterentwickelt undan die Ansprüche der Flugzeuganwendung

angepasst und optimiert werden. Langfri-stig sollen die Ergebnisse die Crashsimula-tion von Energieabsorbern am Computerverbessern. Dr.-Ing. Viktor Laukart, Mit-arbeiter im Arbeitsbereich Konstruktions-technik I, sagt dazu: „Wir wollen Halterfür die Gepäckfächer entwickeln, die diebestehenden, aber auch erweiterte Sicher-heitsanforderungen erfüllen, gleichzeitigjedoch sehr leicht sind und ihre Aufgabedauerhaft verrichten. Die Halter sollenzusätzlich die durch die Gepäckfächer aufdie Flugzeugstruktur wirkenden Kräftebeim Crash reduzieren.“

Für die zur Bestätigung des Rechenmo-dells erforderlichen Tests sind Versuchs-stände in Planung, die in nächster Zeit inden Versuchshallen des Arbeitsbereichsaufgestellt werden. Mit einem Fallturmsollen die Impulsbelastungen auf die Bauteile untersucht werden. Aus bis zuvier Metern Höhe fällt dazu ein Gewichtvon 30 Kilogramm auf den Absorber. ZumNachweis des Verhaltens im Betrieb desFlugzeuges werden die Halterungen ineinem hydraulischen Prüfstand Schwin-gungsbelastungen ausgesetzt. In diesemPrüfstand können neben Standardbe-lastungen wie Landestöße und Vibra-tionen erhöhte Schwingungsbelastungensimuliert werden, wie sie in Notfall-situationen auftreten können. Auch kann die Schwingungsdämpfung aller Halte-rungen an diesem Versuchsstand unter-sucht werden. Arbeitsbereichleiter Profes-sor Dr.-Ing. Dierk Götz Feldmann dazu:„Mit den Rechenmodellen und den Ver-suchsständen ist neben der Erfüllung derAnforderungen des laufenden Projektesgleichzeitig die Basis für erweiterte Unter-suchungen in Nachfolgeprojekten gelegt.Das Ziel des Vorhabens ist der Nachweisder „technological readiness“ (Einsatz-fähigkeit) der Halterungen.“

Neben Airbus und der TUHH ist auchdie Firma iDS (industrial Design Studio,Professor Granzeier und Dipl. Des.Wietzke) als Partner an der Arbeit betei-ligt. iDs wird ein unter Crash-Aspektenoptimiertes Design erstellen und mit derNeugestaltung der Inneneinrichtung dieVerletzungsgefahren für die Fluggäste im

Crashfall minimieren. Träger dieses For-schungsprojektes ist das Deutsche Zen-trum für Luft- und Raumfahrt DLR. För-derer ist die Stadt Hamburg. Anfang 2004ist der Abschluss des laufenden Projektesgeplant. In Aussicht steht ein Folgeprojektbis 2007.

Christian Soult

Leitung:

Professor Dr.-Ing. Dierk Götz Feldmann

Ansprechpartner:

Dr.-Ing. Marc Pein

Technische Universität Hamburg-Harburg

Arbeitsbereich Konstruktionstechnik I

Denickestr. 17

21073 Hamburg

Tel 040 / 4 28 78 - 3666

Fax 040 / 4 28 78 - 2296

[email protected]

Auch Flugzeuge müssen zum CrashtestVerbesserung der passiven Sicherheit von Flugzeug- Inneneinrichtungen

Abb.1 Designstudie Flugzeugkabine von iDs

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Am 1. Januar 2003 trat die Novellierung

zur Trinkwasserverordnung vom März

2001 (TrinkwV 2001) in Kraft, in wel-

cher auch Wasser für häusliche Zwecke

als Trinkwasser definiert wird. Damit

sind die derzeitigen Schilder „kein

Trinkwasser“ über den Waschbecken

von Flugzeugen und in der Bahn un-

zulässig. Die strengen Forderungen der

neuen TrinkwV 2001 führen zu einem

Handlungsbedarf auf dem Gebiet der

Wasserdesinfektion. Bei den Airlines

besteht daher großes Interesse an Des-

infektionsmodulen zur Nachrüstung

bestehender Wasserversorgungsssteme

und zur Ausrüstung neuer Systeme.

Die Entwicklung eines Desinfektionsmo-duls und die Realisierung einer mit dembestehenden System kompatiblen konti-nuierlichen Zirkulation ist eine der Teilauf-gaben des Forschungsvorhabens. Eineweitere ist die Entwicklung einer innova-tiven Druckbeaufschlagung für das Was-serversorgungssystem. Diese basiert beiheutigen Flugzeugtypen auf einer Kombi-nation aus der so genannten Triebwerks-Zapfluft (bleed air) und verdichteter Luft,die von Kompressoren erzeugt wird.Während des Fluges erfolgt die Druckbe-aufschlagung hauptsächlich durch Zapf-luft, die Kompressoren bedrücken dasWassersystem am Boden und unterstüt-zen die Druckbeaufschlagung währendder Flugphasen. Diese Technik weist ent-scheidende Nachteile auf, da die Führungder Zapfluft vom Triebwerk zum Wasser-tank ein aufwendiges System von Rohrlei-

tungen und Regelarmaturen erfordertund die Armaturen den Druck reduzierenund ggf. Kompressoren hinzuschaltenmüssen. Zudem soll die einwandfreieFunktion über ein breites Temperatur-spektrum gewährleistet sein. Erfahrungs-gemäß verursachen die dafür notwendi-gen Geräte häufig Schwierigkeiten undbeeinträchtigen so die Zuverlässigkeit desDruckbeaufschlagungssystems. Ein adap-tives, dynamisch anpassbares Kompres-sorsystem soll die aufwendigen, auf„bleed air“ basierenden Druckbeauf-schlagungssysteme in Zukunft ersetzen.Dieser vereinfachte Aufbau ist vorteilhaf-ter und zuverlässiger, allerdings zur Zeitnoch nicht Stand der Technik im Flug-zeugbau. Deshalb wird der ArbeitsbereichWasserbau der Technischen UniversitätHamburg-Harburg unter Leitung von Pro-fessor Dr.-Ing. Erik Pasche in engerZusammenarbeit mit der MAN Technolo-gie AG ein Projekt zur Entwicklung derbeschriebenen Systeme durchführen.

Entwicklungsschritte

Für die Entwicklung eines innovativenDruckbeaufschlagungssystems wird dieErstellung eines physikalischen undnumerischen Modells parallel zu experi-mentellen Untersuchungen ausgewählterKompressoren notwendig.

Die bereits existierenden physikalischenModelle der Druckbeaufschlagung fürWasserversorgungssysteme in Flugzeu-gen konzentrieren sich auf die Untersu-chung von Fließdrücken an den Verbrau-cherentnahmestellen. Die Zukunft ver-

langt jedoch Untersuchungen, die dieWechselwirkungen zwischen den Subsys-temen Druckbeaufschlagung, Wasser-speicherung und Wasserversorgung auf-zeigen. Dazu ist es notwendig, das Ver-halten unterschiedlicher Kompressor-typen sowohl im Dauerbetrieb (Druckbe-aufschlagung am Boden) als auch durchgesteuerte Schaltzyklen (Flugmodellierung)zu überprüfen.

Für eine realitätsnahe Simulation derdynamischen Interaktionsprozesse zwi-schen Kompressor und Wasserversor-gungsnetz wird ein numerisches Modellentwickelt, welches die eindimensionaleHydraulik eines Wasserversorgungssy-stems zusammen mit der Gasdynamik derDruckbeaufschlagung berechnet. DasModell muss wegen der großen Band-breite der auftretenden instationärenWasserverbrauchsvorgänge und den damit einhergehenden Schaltvorgängendes Kompressors über eine sehr anpas-sungsfähige Schrittweitensteuerung ver-fügen. Darüber hinaus sollte das Modellsehr effiziente Gleichungslöser enthalten,die rechentechnisch eine sehr feine zeitli-che Auflösung ermöglichen, damit dieextrem instationären Prozesse in derKompressoranschaltphase simuliert wer-den können.

Die Entwicklung des Druckbeaufschla-gungssystems ist eng an die des beschrie-benen Desinfektionsmoduls gekoppelt.Für die Anwendung im Flugzeugbaukommen die Verfahren der elektrolyti-schen und der UV-Desinfektion in Frage.Der wichtigste Vorteil der elektrolytischen

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Untersuchungen von Wasser-versorgungssystemen in FlugzeugenDer Arbeitsbereich Wasserbau engagiert sich in der Luftfahrt

Abb.1 Systemaufbau des

Kompressorteststandes

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Desinfektion ist die anhaltende Wirkungdes elektrolytisch produzierten freienChlors. Dieses wird abhängig von derSystemkonfiguration mehr oder wenigergut im System verteilt und kann auch anentfernten Stellen wirksam sein. Der ent-scheidende Nachteil des Verfahrens ist dieNotwendigkeit eines druck- und tempera-turstabilen Chlor-Sensors. Verfügbarkeitund Preis dieses Sensors sind allerdingsAusschlusskriterien des elektrolytischenVerfahrens. Die UV-Desinfektion ist hin-gegen leicht integrierbar und führt zueiner sehr hohen Keimzahlreduzierung imWasser. Ihre Wirksamkeit ist wenigerabhängig von der Wasserzusammenset-zung. Da die UV-Desinfektion wie einKeimfilter wirkt, hat sie jedoch keinen sogenannten Depoteffekt. Eine permanenteUmwälzung des behandelten Wassers istunerlässlich. Die Effektivität ist abhängigvom Anteil des Systems, der in die Zirku-lation mit einbezogen wird.

Die heutigen Wasserversorgungssy-steme in Flugzeugen besitzen keine per-manente Zirkulation. Ein Wassertransportim Drucksystem findet nur während derZeit statt, in der eine Zapfstelle geöffnetist. Es handelt sich hierbei um ein baum-artig verzweigtes Stichleitungssystem. EinRückfluss zum Tank oder zu einer Versor-gungsleitung ist nicht vorgesehen. Füreine ausreichende Desinfektion ist einepermanente Wasserzirkulation unerläss-

lich. Diese besitzt weiterhin folgende Vor-teile: Ablagerungen an Rohrwänden wer-den reduziert und zahlreiche Heizele-mente an frostgefährdeten Positionenkönnen in Folge der Umwälzung durcheine zentrale Heizung ersetzt werden.

Ausblick

Die zu entwickelnde Lösung für die zuver-lässige Druckbeaufschlagung und Desin-fektion von Wasserversorgungssystemenim Flugzeugbau wird Anwendung auf exi-stierende und vorgesehene Airbus-,Embraer- und Boing-Luftfahrtprogrammefinden. Das gewonnene Know-how ist einwichtiges Element, um den deutschenAnteil an der Luftfahrtindustrie zu sichernund zu bestärken.Als Ergebnis des Forschungsprojekteswird die Auswahl geeigneter Komponen-ten erwartet, die Bestandteil von zuver-lässigen, konkurrenzfähigen und markto-rientierten Wasserversorgungssystemender nächsten Flugzeuggeneration sind.Die Herstellung solcher Komponentenkönnte zum Teil oder vollständig im Ham-burger Raum erfolgen.

Die bereits im Arbeitsbereich Wasser-bau vorhandene Kompetenz auf demGebiet der mathematischen Modellierungtechnischer Strömungen wird um denProblembereich transienter hybrider Strö-mungen ergänzt. Damit eröffnet sich einneues sowohl experimentell als auch

numerisch noch wenig von der Wissen-schaft aufgenommenes Forschungsfeldfür die TUHH. Die bislang überwiegend inder kommunalen Wasserversorgung lie-gende Kompetenz könnte durch neueErkenntnisse aus der Luftfahrttechnik eineRückkopplung erfahren. So entstehenneue Anwendungsgebiete bei Großab-nehmern von Trinkwasser wie z.B. Groß-bauten mit ausgedehnten und stark ver-maschten Wasserversorgungsnetzen undIndustriebetrieben wie Brauereien.

Dipl.-Ing. Markus Töppel

Leitung:

Prof. Dr.-Ing. Erik Pasche

Ansprechpartner:

Dipl.-Ing. Markus Töppel

Technische Universität Hamburg-Harburg

Arbeitsbereich 3-11 Wasserbau

21073 Hamburg - Denickestr. 22

Tel 040 / 4 28 78 - 3761

Fax 040 / 4 28 78 - 2802

www.tuhh.de/wb

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Abb.2 Modifikation des A340 Wassersystems

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Seit Oktober 2001 arbeiten Fertigungs-

techniker der TUHH an dem Projekt

„Bohren neuartiger Schichtverbunde im

Rahmen der A380-Rumpfmontage.“

Ziel des Projektes ist die systematische

Lösung grundlegender Bohrungspro-

bleme in der Rumpfmontage.

Im Vordergrund stehen die Entwicklungvon Bohr- und Reibwerkzeugen, von Vorrichtungen zur Erleichterung der manuellen Bohrbearbeitung sowie dieOptimierung von Prozessfolgen unterBerücksichtigung möglicher Automatisie-rungsschritte unter Einsatz von Bohrvor-schubeinheiten.

Sogenannte Schichtverbunde tretenbeim Flugzeug vor allem dort auf, woBauteile mit Hilfe von Nieten zusammen-gefügt werden sollen. Zur Verbindungunterschiedlicher Werkstoffe wie Alumi-nium, Titan und kohlefaserverstärkterKunststoffe (CFK) sowie Glare (Erläute-rung siehe oben) ist die Niettechnologieheute und zukünftig trotz der Entwick-lung neuer Fügeverfahren unverzichtbar.Hierbei hat es sich bewährt, die Bohrun-gen für die Niete zumindest im qualitäts-bestimmenden Schritt in allen Werkstof-fen zusammen zu fertigen. Dies geschiehtin vielen Fällen manuell, da die Automati-sierung aufgrund der Zugänglichkeit derBearbeitungsstellen nur schwierig gestal-tet werden kann. Deshalb kommen häu-fig manuell geführte Prozesse mit mehre-ren Aufbohrschritten unter Einsatz pneu-matisch angetriebener Bohrmaschinenoder Bohrvorschubeinheiten zur Anwen-dung, die vom Mitarbeiter auf der zubearbeitenden Struktur justiert werden.Nicht nur beim Serienanlauf, sondernauch im Fall von Reparaturen müssenBohrungen in Schichtverbunde manuellhergestellt werden.

Die Werkstoffkombinationen, die beimZusammenfügen der Bauteile im Rumpf-bereich gemeinsam zu bohren sind, wür-den bei einer jeweils einzelnen Bearbei-tung unterschiedliche Werkzeuge undSchnittbedingungen verlangen. DieSchwierigkeiten der Bearbeitung werdendurch hohe Anforderungen an die Boh-

rungsqualität noch verstärkt. Es werdenfolglich Werkzeuge und Schnittbedingun-gen gesucht, die eine gemeinsame Bear-beitung von CFK, Titan und Aluminium ineinem Prozessschritt erlauben. Außerdemwird beim A380 erstmals Glare in einerRumpfstruktur eingesetzt. Dieser Werk-stoff ist in sich schon ein Schichtverbundbestehend aus alternierenden Schichtenvon Aluminium (Dicke ca. 0,3 mm) undGlasfaserlagen (Dicke jeweils ca. 0,13mm), die miteinander verklebt sind. Glarezeichnet sich im Vergleich zu Aluminiumdurch ein geringeres Wachstum vonErmüdungsrissen aus, die die Hauptscha-densursache beim Flugzeug darstellen,und ermöglicht dadurch längere War-tungsintervalle.

Im Rahmen des Projektes werden fürvielfältige Werkstoff- und Schichtdicken-kombinationen angepasste Bohr-, Auf-bohr- und Reibwerkzeuge entwickelt undgetestet. Über 6.500 Bohrungen mit über 20.000 Einzeloperationen wurdenmaschinell und manuell gefertigt und aufihre Qualität hin untersucht. Gemessenwurden unter anderem Bohrungsdurch-messer, Grathöhen am Austritt des Werk-zeuges in verschiedenen Schichten sowieauftretende Delamination bei CFK undGlare. Ein solches Entwicklungsprogrammlässt sich nur im Team termingerecht rea-lisieren. Daher wirken ca. 25 Mitarbeiteraus den verschiedenen Bereichen der Air-bus Deutschland GmbH, der TU Ham-burg-Harburg und von Zulieferern aus derWerkzeugindustrie und aus dem Maschi-nen- und Vorrichtungsbau an diesem Pro-jekt mit.

Die Untersuchungen umfassen nebender manuellen Bearbeitung die Werk-zeug- und Prozessentwicklung für Bohr-vorschubeinheiten, mit denen die gefor-derte Bohrungsqualität in möglichst weni-gen Schritten erreichbar ist. Für diemanuell durchzuführenden Versuchewurde ein Prüfstand entwickelt und aufgebaut, der die in der Rumpfmontageauftretenden Bearbeitungssituationen ab-bildet (Bild 1). Der manuelle Prüfstanderlaubt die prozessbegleitende Messungvon Vorschubkraft, -weg und Bohrma-

schinendrehzahl und wurde darüber hinaus von Mitarbeitern des Airbus-Werkes Hamburg für die Qualifizierungder Prozesse und Werkzeuge genutzt.

Maschinelle Versuche, die im Hinblickauf die beabsichtigte Mechanisierung derBohrbearbeitung erforderlich sind, wer-den auf einer CNC-Bohr- und Fräsma-schine durchgeführt. Auch hier kommenneueste Messmethoden zum Einsatz. Sosteht ein rotierendes Schnittkraftdynamo-meter zur werkzeugseitigen Messung vonVorschubkraft und Schnittmoment zurVerfügung, das bis zur einer maximalenDrehzahl von 25.000 Umdrehungen proMinute eingesetzt werden kann (Bild 2).Diese Einrichtung ist in Norddeutschland

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Bohren für den A380 Werkzeug- und Prozessentwicklung im Team von TUHH

Abb.1 Mitarbeiter der Airbus

Deutschland GmbH bei Qualifizierungs-

versuchen am manuellenBohrprüfstand der

Technischen UniversitätHamburg-Harburg in

unterschiedlichenBearbeitungs-programmen.

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einmalig. Piezoelektrisch werden Kräfteund Momente gemessen und teleme-trisch an eine Auswerteeinheit weiterge-geben. Der Verschleiss der Werkzeugewird optisch gemessen und mit Hilfeneuer Bildverarbeitungsverfahren doku-mentiert. In Zusammenarbeit mit denArbeitsbereichen der Werkstoffwissen-schaften der TUHH, die über das entspre-chende Know-how und die Präparations-einrichtungen verfügen, können eventu-elle Materialschädigungen nahe derBohrungswand oder auch die Delamina-tion von Fasern im CFK oder von Glare-Schichten geprüft werden. Die Zusam-menarbeit zwischen Airbus und TUHH im

Bereich der Fertigungstechnologie hateine lange Tradition und umfasst For-schungs- und Entwicklungsarbeiten mitallen norddeutschen Werken.

Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Hintze, Prof. Dr.-Ing. Rolf Clausen,

Dipl.-Ing. Enno Stöver, Dipl.-Ing. Martin Plucinski

Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Hintze

Technische Universität Hamburg-Harburg

Arbeitsbereich Fertigungstechnik I

Denickestraße 17

21073 Hamburg

Tel 040 / 4 28 78 - 3051

[email protected]

Prof. Dr.-Ing. Rolf Clausen

Technische Universität Hamburg-Harburg

Arbeitsbereich Laser- und

Anlagensystemtechnik

Denickestraße 17

21073 Hamburg

Tel 040 / 4 28 78 - 3454

[email protected]

Abb.2 Rotierendes Schnitt-kraftdynamometer zur werkzeugseitigenMessung von Schnitt-moment und Vorschubkraft bei dermaschinellen Bearbei-tung eines Schichtver-bundes aus CFK/Titan/Aluminium

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Concurrent Engineering im Flugzeug-

bau. Die Entwicklungszeit bis zur Mark-

teinführung eines neuen Flugzeugs

stellt in der Luftfahrtindustrie heute

einen strategischen Erfolgsfaktor dar.

Daher gilt für den Airbus A380, die ein-

zelnen Entwicklungsphasen von der

Konzeptfindung über die Produktent-

wicklung und -konstruktion, die Anla-

gen- und Prozessentwicklung für sämt-

liche Fertigungs- und Montageschritte

bis zur technischen Dokumentation und

Anwenderschulung soweit möglich

zeitgleich durchzuführen.

Die erfolgreiche Realisierung des „Con-current Engineering“ setzt voraus, dasstrotz der zeitlichen Verflechtung der Ent-wicklungsphasen die entwicklungsimma-nenten Änderungen beherrscht und Bud-gets eingehalten werden.

Unter diesen Rahmenbedingungenwird bei der A380-Entwicklung und beizukünftigen Flugzeugentwicklungen einevollständige digitale Modellierung desProduktes und des Produktionsprozessesangestrebt, die eine frühzeitige unddurchgängige Nutzung von Teilergebnis-sen aus vorgelagerten Entwicklungspha-sen wie auch zeitnahe Änderungsschlei-fen erlaubt. Neben vorhandenen Simula-tionstechniken kommen dabei neuartigePlanungs- und Visualisierungstechnolo-gien zum Einsatz, um zeit- und kosten-aufwendige Erprobungen an physischenModellen weitgehend vermeiden zu kön-nen. Ein Lösungsansatz ist die Virtual Rea-lity Technologie, die vom ArbeitsbereichFertigungstechnik I unter anderem zurPlanung manueller Montagearbeits-plätze bei der A380-Rumpfmontage ein-gesetzt wird.

Virtual Reality Technologie an der TUHH

Definitionsgemäß zeichnet sich die VirtualReality Technologie (VR) dadurch aus,dass eine künstliche, dreidimensionale,rechnergenerierte Repräsentation einerrealen Situation in einer virtuellen Umge-bung in Echtzeit visualisiert und interaktivmanipuliert werden kann. Die Repräsen-tation umfasst neben visuellen ggf. aku-

stische und haptische Informationen. Alsvirtuelle Umgebung steht dem Arbeitsbe-reich Fertigungstechnik I eine L-förmigeGroßbild-Stereoprojektion mit einerFront- und Fußbodenfläche zur Verfü-gung, die dem Benutzer ein räumlichesBild der Situation vermittelt, Bild 1.

Bei der Echtzeitvisualisierung werdenInteraktionen des Benutzers, d.h. diemomentane Blickrichtung und ggf. diePosition von Körperteilen oder von mani-pulierten Gegenständen berücksichtigt,die sich mit Hilfe eines "Tracking"-Systems erfassen lassen. Die VR-Soft-ware bietet die Möglichkeit, 3D-Datender gängigen CAD-Systeme, z.B. Catiaund Pro/Engineer zu importieren. Im Hin-blick auf die Planung manueller Produk-tionsprozesse steht darüber hinaus einanthropometrisches Menschmodell zurVerfügung, das mit den übrigen 3D-Daten kombiniert und im Maßstab 1:1visualisiert werden kann.

Montageplanung für die A380

Die Montage von Rumpfsektionen imFlugzeugbau beinhaltet umfangreichemanuelle Tätigkeiten wie Bohr- und Niet-operationen, die teilweise unter sehrbeengten Platzverhältnissen durchgeführtwerden müssen und daher spezifischeBetriebsmittel, insbesondere Spannvor-richtungen, Arbeitsbühnen sowie Bohr-und Nietgeräte erfordern. Ihre Entwick-lung und Erprobung erfolgte in der Ver-

gangenheit anhand von Holzmodellen.Heute werden häufig "Digital Mock-Ups" eingesetzt, die die dreidimensionaleGeometrie aller Komponenten enthaltenund am Bildschirm betrachtet werdenkönnen. Angesichts der Komplexität derzu planenden Montagesituationen ist die Bildschirmdarstellung für Fachleutejedoch nur von begrenztem Nutzen.

Zusammen mit einem Team von Airbus,dem Fachleute der Strukturmontage undder Datenverarbeitung aus dem Airbus-Werk in Hamburg-Finkenwerder sowiedes Fertigungsmittelbaus aus dem WerkVarel angehören, wurden Arbeitsbühnenfür eine räumlich sehr beengte Quernaht-verbindung von zwei Rumpfsektionen imHeckbereich des Airbus A380 entworfenund mit VR visualisiert. Speziell bei derQuernahtverbindung der Sektionen 95und 19 wird der Arbeitsraum der Mitar-beiter durch die gewölbte Druckkalotte,die die Passagierkabine abschließt, stark

eingeengt. Zu den Anforderungen, diebeim Layout zu berücksichtigen sind,zählen unter anderem die Zugänglichkeitaller Nietverbindungen am Umfang desRumpfes, die Arbeitssicherheit der Mitar-beiter bei ergonomisch günstigen Körper-haltungen, der Schutz der Flugzeugstruk-tur vor Beschädigungen und dienachträgliche Demontierbarkeit derArbeitsbühnen. Als Ergebnis der bisheri-gen Arbeiten konnte gezeigt werden,

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Concurrent Engineering beim Airbus A380Planung manueller Montagearbeitsplätze mit Virtual Reality

Abb.1Virtual Reality Ausstat-

tung der Produktions-technik an der TUHH

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dass sich mit Hilfe der Virtual RealityTechnologie schnell und kostengünstigalternative Arbeitsbühnenlayouts erstel-len und bewerten lassen. Beispielsweisewurden mit Hilfe des anthropometrischenMenschmodells die Bühnenlayouts dahin-gehend untersucht, inwieweit Montage-arbeiten unter beengten Platzverhältnis-sen von Mitarbeitern unterschiedlicherKörpermaße durchführbar sind, Abb. 2Auch konnten von Fachleuten aus derStrukturmontage anhand der stereosko-pischen Visualisierung virtueller Modelleim Maßstab 1:1 Schwachstellen derArbeitsbühnenlayouts einfach erkanntund Lösungen im Team erarbeitet werden.

Nach den positiven Erfahrungenbesteht bei den beteiligten Planungsab-teilungen von Airbus ein großes Interessedaran, die Potenziale der Virtual RealityTechnologie zukünftig auf breiterer Basiszu nutzen. Entsprechende Entwicklungs-projekte mit dem Arbeitsbereich Ferti-gungstechnik I sind in Vorbereitung.

Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Hintze, Ing. Salvador Santos Quiroz,

Dipl.-Ing. oec. Nils Kerse

Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Hintze

Technische Universität Hamburg-Harburg

Arbeitsbereich Fertigungstechnik I,

Denickestr. 17

21073 Hamburg

Tel 040 / 4 28 78 - 3051

[email protected]

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Sektion 19

Druckkalotte

Arbeitsbühne

Abb. 2 Visualisierung einer Montageposition bei derQuernahtverbindung

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Ein Flugzeugrumpf ist keine (Blech)-

Tonne, sondern ein fliegendes Gesamt-

system. Es besteht aus Komponenten

wie Struktur, Inneneinrichtung, Ausrü-

stung und Flug- bzw. Versorgungssy-

stemen. Im klassischen Ansatz zielen

FVW auf den Ersatz von Metallstruktu-

ren (Abb.1).

Airbus bereitet sich sehr konsequent aufdie Einführung von Faserverbundwerk-stoffen (FVW) in die Rumpfstrukturgroßer Verkehrsflugzeuge vor. Triebkraftfür diese Entwicklungen sind folgendeAspekte:

· Bei Metallen ist nach 70 bis 80 JahrenEntwicklung das Eigenschaftspotenzialweitgehend ausgeschöpft. Es sind nurnoch geringfügige Verbesserungen zuerwarten.

· Das Eigenschaftsspektrum von FVWermöglicht endlich weitergehendeLösungen bei Konstruktion, Herstellung

und Nutzung der Produkte, die drin-gend benötigt werden; mit Metallenaber nicht verwirklichbar sind.

Da das Eigenschaftspotenzial von FVWbei reiner Substitution von metallischenWerkstoffen nur begrenzt ausgenutztwerden kann, und der Anteil der Alumini-umstruktur kaum 50 Prozent des Gesamt-gewichts des Rumpfes ausmacht, sind die Verbesserungen am Gesamtsystembegrenzt. Werden Inneneinrichtung undTeile der Ausrüstung in die Betrachtungmit einbezogen, lassen sich überpropor-tionale Verbesserungen erreichen. Darauf

ausgerichtet sind die Ziele des Projektes„CFK-Rumpf“: die Entwicklung neuerBauweisen unter verstärktem Einsatzmoderner Werkstoffe sowie die Verbesse-rung und Erweiterung existierenderBerechnungsverfahren.Strukturelle Lasten tragende CFK-Lami-nate sind häufig aus Prepregmaterial

(Schmelzimprägnierung) aufgebaut. DieseStrukturen sind wechselnden thermischenund mechanischen Beanspruchungenausgesetzt. Dabei kommt es zu einemkomplexen Wechselspiel zwischen denaufgebrachten Lasten und der Werkstoff-beziehungsweise Strukturantwort. DieAuslegungsphilosophie bei Airbus beruhtdaher auf maximal zulässigen Dehnungenvon 0,4 Prozent, um Kriech- und Ermü-dungseffekte auszuschließen. Um die ein-gesetzten Werkstoffe noch besser ausnut-zen und das Verhalten zuverlässiger vor-hersagen zu können, wurde im Rahmendes Projektes „CFK-Rumpf“ im AB Kunst-

stoffe und Verbundwerkstoffe unter derLeitung von Professor Dr.-Ing. KarlSchulte das Arbeitspaket „Entwicklungeines Degradationsmodells“ zur Abschät-zung der Restlebensdauer von „CFK-Strukturen“ erfolgreich bearbeitet. Dabei wurde das Degradationsverhalten vonFVW unter alleinigen und kombinierten

Fortschrittliche Rumpfstrukturen aus FaserverbundwerkstoffenDer CFK Rumpf

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Abb.1Heutiger Einsatz vonFVW in A319/A320

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Zeitstand- und Schwingbelastungenmechanisch und morphologisch intensivuntersucht. Abb. 2 zeigt einen typischenErmüdungsbruch für eine kombinierteZug-Druck-Wechselbeanspruchung imRasterelektronenmikroskop (REM).

Neben Schwingbelastungen mit kon-stanter Amplitude im Zugschwell- undZug-Druck Wechselbereich wurde dieWechselwirkung von Zug- und Druck-belastungen und die Bedeutung von Lastreihenfolgen besonders intensiv unter-sucht. Diese Versuche waren Voraus-setzung dafür, das Betriebsfestigkeitsver-halten, entsprechend realen Belastungs-zyklen, zu berücksichtigen und in eineLebensdauervorhersage einzuarbeiten.

Prof. Dr.-Ing. Karl Schulte

Prof. Dr.-Ing. Karl Schulte

Technische Universität Hamburg-Harburg

Arbeitsbereich Kunststoffe und

Verbundwerkstoffe

Denickestraße 15

D-21073 Hamburg

Tel 040 / 4 28 78 - 3238

Fax 040 / 4 28 78 - 2002

www.tu-harburg.de/kvweb/

Abb.2.b) CFK-Ermüdungsbruchfläche(7.000 x)

Abb.2.a) menschliches Haar (3.500 x)

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Herausgeber

Präsident der Technischen Universität Hamburg-HarburgRedaktion

Rüdiger Bendlin, Johannes Harpenau, Katharina Jeorgakopulos, Ingrid Holst, Christian Soult [email protected]

Katharina Jeorgakopulos, Christian Soult Gestaltung

Kerstin Schürmann, Sibyll Amthor, Daniela Klatt, formlaborFotos

Roman Jupitz, Airbus Deutschland GmbHDruck

Schüthe Druck 2/03

Technische Universität Hamburg-Harburg, 21071 Hamburg

www.tu-harburg.de

Impressum

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