Spiegel: Der Brandstifter- Effekt

download Spiegel: Der Brandstifter- Effekt

of 4

Transcript of Spiegel: Der Brandstifter- Effekt

  • 7/31/2019 Spiegel: Der Brandstifter- Effekt

    1/4

    Ein Mittwoch im Frhsommer 2012,die Terrasse eines chinesischen Re-staurants in der Nrnberger Innen-stadt. Am Tisch sitzt Kai D., einst einerder umtriebigsten Aktivisten der deut-schen Neonazi-Szene. Bei gerstetemWeizentee der Spezialitt des Hauses beantwortet der 48-Jhrige bereitwilligFragen zu seiner Vergangenheit im rech-ten Milieu.

    Der Ex-Nazi mit Berliner Akzent par-liert entspannt ber seine Zeit an der Spit-ze der Gesinnungsgemeinschaft der Neu-en Front und des braunen Datenver-bunds Thule-Netz, den er mageblichmit aufgebaut hat. Er schildert seine Rolleals einer der Organisatoren der Rudolf-He-Gedenkmrsche. Er erzhlt vom ls-

    tigen Fahndungsdruck durch die Polizei,von all den Vernehmungen und Razzien.Und, ja, auch die Leute vom ThringerHeimatschutz in dem sich die spterenTerroristen des NationalsozialistischenUntergrunds (NSU) radikalisierten habe er gekannt. Die htten doch immerdiesen Stammtisch veranstaltet, drbenin Thringen; in einem Telefonverzeichnisvon Uwe Mundlos fand sich D.s Nummer.

    Nur bei einem Thema wird Kai D.schmallippig. Nein, sagt er vehement, ersei zu keiner Zeit, nicht mal ansatzwei-se, ein V-Mann des Verfassungsschutzesgewesen. Wer anderes behaupte, der lge.

    Mit der Wahrheit nimmt es D. offen-kundig bis heute nicht so genau. Als Re-aktion auf die Recherchen des SPIEGELrumte der bayerische Innenminister Joa-chim Herrmann (CSU) gegenber Land-tagsabgeordneten des Freistaats mittler-weile ein, dass D. zwischen Ende 1987und 1998 fr den bayerischen Verfassungs-schutz im Einsatz war. Kai D. war einTop-Informant, und er war einer derDrahtzieher im braunen Netz.

    Fast auf den Tag genau ein Jahr ist esher, dass die Rechtsterroristen vom NSUaufflogen. Am 4. November 2011 fanden

    Polizisten Uwe Mundlos und Uwe Bhn-

    hardt leblos in einem Wohnmobil in Ei-senach. Vier Untersuchungsausschssesezieren derzeit die Arbeit der Sicher-

    heitsbehrden, vier Amtsleiter sind be-reits zurckgetreten. Das Versagen desStaates bei der Bekmpfung der Rechts-terroristen hat die Verfassungsschutzbe-hrden in die tiefste Krise seit ihrer Grn-dung gestrzt.

    Mehr als 100000 Seiten vertraulicherAkten liegen den Ausschssen vor. Und

    je mehr Geheimnisse ans Licht kommen,umso deutlicher wird, wie weitgehenddie Nachrichtendienste die rechtsextremeSzene unterwandert hatten. Das Neonazi-Trio war umstellt von V-Leuten des Ver-fassungsschutzes, Kai D. war nur einervon vielen. Doch die Behrden hatten

    trotzdem keine Ahnung, was sich im brau-nen Untergrund zusammenbraute. DasV-Mann-System hatte versagt.

    Zu den groen Fragen, die jetzt im Raumstehen, gehrt jene, ob der Verfassungs-schutz mit seinen Arbeitsmethoden geeignetist, die Verfassung zu schtzen oder obdas Prinzip Geheimdienst das Erstarken desmilitanten rechten Milieus sogar begnstigthat. Es kann nicht sein, dass V-Leute ein-gesetzt werden, die dem Gemeinwesenmehr schaden als nutzen, sagt der Parla-mentarische Geschftsfhrer der SPD-Bun-destagsfraktion, Thomas Oppermann.

    Schon einmal, beim gescheiterten NPD-Verbotsverfahren 2003, hat die intensiveVerflechtung von Sicherheitsbehrdenund rechter Szene zu einem politischenFiasko gefhrt. Das Bundesverfassungs-gericht lehnte das Verbot der NPD ab,weil es so aussah, als ob der Staat dieRechtsextremen womglich ber seine V-Leute steuerte.

    Die Diskussion wird nun durch ein bis-lang unbekanntes Thesenpapier befeuert,es stammt aus dem Jahr 1997 und kommtvon berufener Stelle, aus dem Bundeskri-minalamt (BKA). Die Polizisten erhobenschon damals schwere Vorwrfe gegen die

    Kollegen der Geheimdienste, ein knappes

    Jahr bevor das Jenaer Trio in den Unter-grund ging. In dem erst jetzt aufgetauch-ten, bis heute als geheim eingestuftenPositionspapier stellte das BKA zehnThesen auf, die an das Bundesamt fr Ver-fassungsschutz (BfV) adressiert waren.

    Kern der Aussagen: Die Spitzel wirktenals Brandstifter und schaukelten sich ge-genseitig hoch. Der Geheimdienst be-kmpfe die Neonazis nicht entschieden,sondern er schtze sie. Die V-Leute seienso, wie der Dienst sie einsetze, kein Teilder Lsung, sondern ein Teil des Pro-blems.

    Das Geheimpapier, das dem SPIEGELvorliegt, ist ein Brandbrief und zugleicheine Anklageschrift gegen die Kollegenvom Verfassungsschutz. Haben die Ge-heimdienste, berauscht von ihren exklu-siven Zugngen, ihre schtzende Handber Teile der Szene gehalten? Tragensie eine indirekte Mitschuld am Erstarkenmilitanter Neonazi-Strukturen in denneunziger Jahren, aus denen das Trio alsbrutalste und militanteste aller Kleingrup-pen hervorging?

    Das BKA-Papier entstand in einer Zeit,als die rechtsextreme Szene nach der Wie-dervereinigung nur so vor Kraft strotzte.Auf die Pogrome in Hoyerswerda undRostock waren tdliche Brandanschlgein Mlln und Solingen gefolgt, regelmigmarschierten Hunderte kahlrasierter Neo-nazis im August anlsslich des Todestagsdes Hitler-Stellvertreters Rudolf He auf.

    Im Osten Deutschlands entwickelten sich

    Deutschland

    4 5 / 2 0 1 238

    I N N E R E S I C H E R H E I T

    Der Brandstifter-

    EffektEin Geheimpapier des BKA zeichnet ein desastrses

    Bild der Nachrichtendienste: Haben die vielenV-Leute die rechtsextreme Szene erst stark gemacht?

    Neonazi-Demonstration in Worms 1996: Die Spitzel

  • 7/31/2019 Spiegel: Der Brandstifter- Effekt

    2/4

    ganze Landstriche zur No-go-Area frAuslnder. Mundlos, Bhnhardt undZschpe wuchsen mit dem Selbstbewusst-sein einer politischen Bewegung heran,die bis dahin ungeahnte Erfolge verzeich-nen konnte.

    Das BKA verstrkte die Ermittlungen,die Kriminalisten versuchten herauszu-finden, wer fr welche Straftaten verant-wortlich war. Die Verfassungsschtzer da-gegen infiltrierten die Szene. Sie wolltendie Strukturen verstehen: wer die Draht-zieher waren, wer fhrte, wer folgte.

    Mitte der neunziger Jahre hatten dieNachrichtendienste eine Vielzahl vonQuellen im Milieu rekrutieren knnen.Und die konspirative Kooperation mitdem eigentlich verhassten BRD-Systemerwies sich fr manchen Aktivisten alssegensreich. Schlielich hatten die Gehei-men ein vitales Interesse daran, dass ihreSpitzel nicht juristisch verfolgt wrden.

    Zwischen Polizei und Verfassungsscht-

    zern musste das zu Konflikten fhren. Am

    27. November 1996 gipfelten die Spannun-gen laut dem Positionspapier in einemKrisengesprch auf hchster Ebene. Teil-nehmer: der Prsident des Bundesamtsfr Verfassungsschutz und der des Bun-deskriminalamts. Die BKA-Leitung wiesihre Staatsschutz-Abteilung an, die Pro-bleme auf Arbeitsebene zu errtern.

    Wenige Monate spter, am 3. Februar1997, fassten die Staatsschtzer vom BKAihre Kritik weisungsgem in einem 14-seitigen Positionspapier zusammen. Ur-sache fr die Probleme, so heit es darin,sei die zunehmende Divergenz zwi-schen Verfassungsschutzoperationen undexekutiven Manahmen. Aus Sicht desBKA seien Quellenaktivitten dafr ver-antwortlich. In dem Papier hielten dieBeamten fest: Es bestehe die Gefahr, dass Quellen

    des Verfassungsschutzes (VS) sich ge-genseitig zu greren Aktionen ansta-cheln; es drohe ein Brandstifter-

    Effekt;

    aus Quellenschutzgrnden wrdenInformationen des Verfassungsschutzesan die Polizei erst so spt weiter-geleitet, dass rechte Aktionen nichtmehr verhindert werden knnen;

    wenn der Verfassungsschutz berDurchsuchungen informiert werde,wrden die Quellen oft vorher ge-warnt. Es bestehe die Gefahr, dassBeweismittel vor Eintreffen der Exeku-tive vernichtet werden;

    Verfassungsschutz-Quellen, die alsStraftter festgestellt wurden, wrdenoft weder angeklagt noch verurteilt;

    die Mehrzahl der Quellen seienberzeugte Rechtsextremisten, dieglaubten, unter dem Schutz des VSim Sinne ihrer Ideologie ungestrafthandeln zu knnen und die Exekutivenicht ernst nehmen zu mssen.In ihrer Analyse benannten die Polizis-

    ten neun Quellen mit Klarnamen undschilderten, wie Zutrger des Verfassungs-schutzes immer wieder als Organisatoren

    oder Fhrungsfiguren von rechten Aktio-nen aufgefallen seien.So habe ein V-Mann aus dem Fhrungs-

    zirkel der rechtsextremen FreiheitlichenDeutschen Arbeiterpartei (FAP) konspi-rative Parteitage organisiert, die die Poli-zei vergebens zu verhindern suchte. Vordem Verbot der FAP im Februar 1995 seider V-Mann gewarnt worden und habezwei Abfallscke voll belastenden Mate-rials per Reiwolf vernichten knnen. Erhabe sich schon lange gewundert, wiegut sein Sohn ber polizeiliche und justi-zielle Manahmen informiert gewesensei, gab der Vater des V-Mannes bei ei-

    ner Vernehmung zu Protokoll.Ein anderer V-Mann, der im Verdacht

    stand, an Briefbombenanschlgen betei-ligt gewesen zu sein, konnte sich im Mrz1995 aufgrund eines Tipps rechtzeitignach Griechenland absetzen. Seine Woh-nung sollte vom BKA bei einer bundes-weiten Razzia durchsucht werden. Alsder spter zurckgekehrte Neonazi in an-derer Sache von der Polizei vernommenwurde, gestatteten ihm die Beamten ei-nen Anruf bei seinem Anwalt. Statt einesRechtsbeistands rief der V-Mann seinenQuellenfhrer an und bat um Hilfe. DerBeamte sprach am Telefon ab, welcheAussagen der V-Mann machen sollte. Beidem Gesprch beschwerte sich derRechte, nicht vorher gewarnt worden zusein, dass das BKA ihn berwache.

    Die Verfassungsschtzer hatten lautdem Papier sogar einen der Kpfe derberchtigten Sauerlnder Aktionsfront,Andree Z., als Quelle geworben. Z., derintern unter dem Pseudonym Lutscherauftrat und Ende 1997 bei einem Autoun-fall starb, galt als Einpeitscher, der dieSzene radikalisierte. Als die Bundes-anwaltschaft ein Ermittlungsverfahrenwegen des Verdachts der Bildung einer

    kriminellen Vereinigung gegen ihn einlei- 4 5 / 2 0 1 2 39

    PETERJUELICH

    APABIZ(L.)

    ;KONKRETLITERATURVERLAG

    (M.)

    NIBOR/ACTION

    PRESS

    schaukelten sich gegenseitig hoch

    V-Leute Andree Z., Kai D., Tino Brandt: Gut ber polizeiliche Manahmen informiert

  • 7/31/2019 Spiegel: Der Brandstifter- Effekt

    3/4

    tete, gaben die Geheimen die Informationoffenbar postwendend an Z. weiter. Seit-dem htten keine relevanten Gesprchemehr am Telefon mitgeschnitten werdenknnen, klagte das BKA.

    Besonders offensichtlich schien denPolizisten die Verflechtung von Szeneund Geheimdiensten bei den alljhrlichenAufmrschen zum He-Todestag. Glaubtman dem BKA, waren unter den Koordi-natoren der Rudolf-He-Aktionswocheim August 1994 nicht weniger als fnfSpitzel. Die Liste liest sich wie ein Whos

    who der damaligen rechten Szene, darun-ter: Andree Z. und Kai D.

    Das Duo fiel den polizeilichen Staats-schtzern bald erneut auf, bei der Orga-nisation des Rudolf-He-Aktionstagsam 17. August 1996. Es wurde festge-stellt, so das BKA-Papier, dass die Ak-tivitten der Quellen weit ber eine pas-sive Rolle hinausgingen. So sei Z. zumPressesprecher ernannt worden, Kai D.habe das zentrale Aufruf-Flugblatt undPropaganda-Aufkleber entworfen.

    Laut BKA gehrte V-Mann D. dem elf-kpfigen Aktionskomitee der verbote-nen He-Feierlichkeiten an, nahm an Vor-bereitungstreffen teil und verschicktestreng vertrauliche Rundschreiben anNeonazi-Kader. Die Hauptkundgebungwurde hchst konspirativ geplant; erstkurz vor Beginn der Demonstration wur-de der Veranstaltungsort im rheinland-pflzischen Worms bekanntgegeben.

    Auf der Demo erschienen 1996 auchUwe Mundlos und Beate Zschpe. Kai D.zog es vor, die sorgfltig geplante Aktionaus sicherer Entfernung zu verfolgen.

    Erst am Nachmittag jenes 17. August1996 konnte die Polizei ihn fassen, nach-

    * Bei He-Aufmarsch in Worms 1996.

    dem er in einem Auto mit berhhterGeschwindigkeit die luxemburgisch-deut-sche Grenze passiert hatte. D. wurde ineine Saarbrcker Polizeiinspektion ge-bracht, wo er ein Gesprch mit einemBeamten des Staatsschutzes verlangte er habe eine wichtige Mitteilung zu ma-chen. Mit gewhnlichen Hilfsbeamten,notierten die Polizisten, wolle er sichnicht abgeben; seine Gesprchsbereit-schaft beginne erst mit der Ebene Lan-deskriminalamt.

    Als wenig spter wunschgem zwei

    Beamte des LKA erschienen, legte derRechtsextremist einen selbstbewusstenTon an den Tag: Wenn er nicht freikom-

    me und deeskalierend auf die Kamera-den einwirke, knne sich die Situationverschrfen. Er msse in regelmigenAbstnden eine bestimmte Nummer an-rufen; andernfalls knnten Anschlgedrohen. Wenige Stunden danach wurdeD. tatschlich entlassen.

    Es war nicht das einzige Mal, dass derSpitzel glimpflich davonkam: Auch einErmittlungsverfahren wegen des Ver-dachts der Bildung einer kriminellenVereinigung, das von den Thringer Er-mittlungsbehrden gegen ihn eingeleitetwurde und sich auch gegen seinen Be-kannten, den Thringer V-Mann TinoBrandt richtete, verlief im Sand.

    Geheime Informanten wie Kai D. kn-

    nen das schrfste Schwert der Nachrich-

    tendienste sein, sie gehen dorthin, wo derStaat selber nicht prsent sein kann. Abersie sind auch ein Risiko fr die Demokra-tie. Das V in V-Mann stehe wenigerfr Vertrauen, sondern in Wahrheitfr Verrat, sagt der ehemalige Branden-burger Verfassungsschutzchef Hans-Jr-gen Frster.

    V-Leute haben oft mehrere Loyalitten,sie belgen und betrgen nicht nur die ei-genen Leute, sondern oft auch die Behr-den. Unter dem Deckmantel der Geheim-dienste knnen sie ungestrt agieren, sieschtzen dann nicht die Verfassung, son-dern bekmpfen sie; sie profitieren vomStaat und schwchen ihn zugleich. Deshalbzhlt ihr Einsatz zu den heikelsten Instru-menten, die der Rechtsstaat bereithlt.

    In der idealen Welt der Geheimdienstekommt es nicht vor, dass Beamte mit ih-ren Konfidenten sympathisieren, dass sieihnen verraten, wann die nchste Razziaansteht. Diese ideale Welt ist in der bisheute als geheime Verschlusssache einge-

    stuften Dienstvorschrift Beschaffung frdas BfV beschrieben. Dort sind V-Leute,die mit den Noten von A bis F bewertetwerden, bestenfalls lngere Zeit er-probt, berichten nur wahrheitsgemund weisen keine Charaktermngel auf.

    Und dann ist da die andere Welt, dieder Realitt wohl nherkommt. Sie ist be-vlkert von Neonazis, die ihren Quellen-fhrern eine Mischung aus Wahrheit undLgen auftischen und dafr auf Kostender Allgemeinheit entlohnt werden. Indieser Welt haben sich die Beamten undihre Zutrger aneinander gewhnt, frdie V-Mann-Fhrer ist jeder Zugang ein

    Schatz, der eiferschtig geschtzt wird,vor anderen Landesmtern genauso wievor der Polizei. Die Weitergabe von In-formationen gilt als Risiko.

    Diese schleichende Fraternisierungtrbt einen khlen, analytischen Blick.Besonders im rechten Milieu, wo es zwi-schen V-Mann und V-Mann-Fhrer keinesprachlichen und mitunter kaum kultu-relle Barrieren gibt und die Gefahr einerzu groen Nhe allgegenwrtig ist.

    Ihm sei nach mehr als 20 Jahren beimGeheimdienst klargeworden, dass derRechtsstaat es sich nicht leisten kann, V-Leute weiter wie bisher einzusetzen, sag-te der mittlerweile pensionierte ehemali-ge Referatsleiter im BfV, Winfried Ridder,vergangene Woche. Ridder glaubt, dassder Fehler im System liegt. Bei Extremis-ten knne der Staat auf Quellen verzich-ten. Dort, wo Terroristen am Werk seien,sollten verdeckte Ermittler operieren also keine V-Leute, sondern mit falschenIdentitten ausgestattete Beamte.

    So weit will bislang keiner der politischverantwortlichen Innenminister gehen.Ohne V-Mnner geht es nicht, sagt Bun-desinnenminister Hans-Peter Friedrich(CSU). Wenn wir keine Zutrger mehr

    haben, haben wir keine Informationen 4 5 / 2 0 1 240

    APABIZ

    Demonstranten Mundlos (1), Zschpe (2)*: Informanten als Organisatoren

    V-Mnner belgen undbetrgen nicht nur dieeigenen Leute, sondernoft auch die Behrden.

  • 7/31/2019 Spiegel: Der Brandstifter- Effekt

    4/4

    aus der Szene. Der Staat drfe nichtblind werden. So sehen es auch die meis-ten seiner Kollegen aus den Lndern.

    Tatschlich haben V-Leute in vielenFllen wertvolle Hinweise geliefert. DerTipp einer Quelle des bayerischen Ver-fassungsschutzes verhinderte 2003 einSprengstoffattentat, das der NeonaziMartin Wiese und dessen Gruppe auf dieFeier zur Grundsteinlegung des jdischenGemeindezentrums in Mnchen verbenwollten. Ebenso wurden mehrere ge-plante Bombenanschlge von Islamistendurch Hinweise von Quellen des BNDund des BfV bekannt. Ohne V-Leutewrden uns wesentliche Erkenntnissenicht mehr zugnglich sein, warnt derBremer Innensenator Ulrich Murer(SPD).

    Murer hat sich zu einem ungewhn-lichen Schritt durchgerungen. An der We-ser soll der Einsatz von V-Leuten knftigdurch das Parlament kontrolliert werden;ohne Zustimmung der Abgeordneten

    werde es keinen Quelleneinsatz mehrgeben. Es ist eine Reform, bei der dieExekutive Macht an die Legislative ab-gibt.

    Murers Initiative hnelt einem Vor-sto des ehemaligen Brandenburger Ver-fassungsschtzers Frster: Er schlgt vor,dass Informanten hnlich wie bei Tele-fonberwachungen erst nach einer ber-

    prfung durch einen Richter angeworbenwerden drfen. Frster erhofft sich da-durch einen Zuwachs an Legitimitt undAnsehen, das Verfahren diene zudemeiner Disziplinierung nach innen, weildie Verfassungsschtzer wssten, dassihre Arbeit berprft werde.

    Das BfV hat inzwischen eine Fach-gruppe eingerichtet, die die Arbeit derQuellenfhrer begleiten und kontrollie-ren soll. Die Supervisoren drfen ihrenKollegen bei der Werbung, Fhrung undNachbetreuung von V-Leuten auf die Fin-ger schauen, um Problemflle rechtzeitigerkennen und im Zweifel stoppen zu kn-nen. Demnchst wollen die Innenministerneue Grundstze zur VP-Fhrung ver-abschieden und bundesweit einheitlicheStandards schaffen, auch eine zentraleDatei fr alle V-Leute wird debattiert.Die Kultur der Zusammenarbeit zwi-schen Polizei und Verfassungsschutz hatsich bereits gendert, betont der neueBfV-Prsident Hans-Georg Maaen.

    Durch die positiven Erfahrungen im Ge-meinsamen Terrorismusabwehrzentrumin Berlin habe sich ein Austausch eta-bliert, der intensiver und vertrauensvollerals in der Vergangenheit ist.

    Ende der neunziger Jahre, vor derMordserie des NSU, perlte die Kritik derKollegen vom BKA an den Verfassungs-schtzern einfach ab. Bei einer Tagung

    in Goslar im April 1997 diskutierten dieVerfassungsschutzchefs von Bund undLndern den Brandbrief der Staatsscht-zer, aber sie sahen keinen Anlass, irgend-etwas zu ndern. Auch das Bundesinnen-ministerium, das in den Dauerkonflikteingeschaltet wurde, zog keine Konse-quenzen. Immer wieder flogen hochran-gige Spitzel auf, die die Protektion derGeheimen genieen durften.

    Der bayerische Innenminister Herr-mann hat mittlerweile erklrt, warum sei-ne Top-Quelle Kai D. bei der Suche nachdem Terror-Trio nicht helfen konnte: D.sBeobachtungsauftrag habe sich nichtauf den Thringer Heimatschutz er-streckt. Im Juni 1998 sei D. zudem abge-schaltet worden, nachdem Gerchte berseinen Dienst fr den Staat aufgekom-men seien. Wegen eines Ermittlungsver-fahrens habe ihn das Mnchner Landes-amt allerdings noch bis 2000 betreut.

    Ganz von ihrem einstigen Spitzen-mann lassen wollten die Beamten dann

    doch nicht. Von Ende 2008 bis Juni 2009setzten ihn die Verfassungsschtzer er-neut ein diesmal im Milieu der Organi-sierten Kriminalitt.

    Der V-Mann war einfach zu gut, alsdass der Staat auf seinen Einsatz verzich-ten mochte.

    M B, S R,H S

    Deutschland