Spirit 11/12-2014

15
DAS MAGAZIN FÜRS WESENTLICHE Schweiz 16,80 sfr, EU-Länder außer Deutschland 9,40 € 11–12/2014 30. Jg. B 6128 www.connection.de 9 Die Welt als Ganzheit Die Welt als Ganzheit Netz & Innenraum Mit Texten von Konstantin Wecker, Joachim Kamphausen, Rainer Maria Rilke, Tom de Toys, Jean Gebser, Roberto Assagioli und anderen

description

Die Welt als Ganzheit, Netz & Innneraum

Transcript of Spirit 11/12-2014

Page 1: Spirit 11/12-2014

DAS MAGAZIN FÜRS WESENTLICHESchweiz 16,80 sfr, EU-Länder außer Deutschland 9,40 € 11–12/2014 30. Jg. B 6128

ww

w.c

onne

ctio

n.de

9 €D

ie W

elt a

ls G

anzh

eit Die Welt als

Ganzheit Netz & Innenraum

Mit Texten von Konstantin Wecker, Joachim Kamphausen,Rainer Maria Rilke, Tom de Toys, Jean Gebser,

Roberto Assagioli und anderen

Page 2: Spirit 11/12-2014

BER

ND

STER

ZL/P

IXEL

IO.D

E

Die Connection Sonderhefte

LIEBE · EROS · WEISHEIT NATUR · MAGIE · GEIST · GESUNDHEIT

Abo Tantra� 2 Ausgaben für 16 / 18€*� 4 Ausgaben für 30 / 33€*� 6 Ausgaben für 42 / 46€*

Abo Schamanische Wege� 2 Ausgaben für 16 / 18€*� 3 Ausgaben für 23 / 25€*� 4 Ausgaben für 30 / 33€*

Kombi-Abo (Tantra + Schamanische Wege)� 1 Jahr (2x Tantra, 1x Schaman.) für 23 / 25€*� 2 Jahre (4x Tantra, 2x Schaman.) für 42 / 44€*� 3 Jahre (6x Tantra, 3x Schaman.) für 62 / 64€*

Angebot für Abonnenten von Connection Spirit:Für 18€ zusätzlich bekommst du das Kombi-Abo(Tantra + Schamanische Wege) dazu!

connection Tantra

* jeweils erster Preis Inland, zweiter Preis europ. Ausland

connection SchamanischeWege

Alle Abos und Einzelhefte*

jetzt auchals PDF für eBook

-

Reader – zum selben Preis !

* Ausgaben ab 2014

02.11.2014 | 18:00 UhrGeneralprobenkonzert „40 Jahre Wahnsinn“MarkmillersaalStraubing

04.11.2014 | 20:00 UhrCircus KroneM nchen

05.11.2014 | 20:00 UhrCircus KroneM nchen

06.11.2014 | 20:00 UhrHofgarten-Stadthalle Immenstadt

07.11.2014 | 20:00 UhrPosthalleW rzburg

08.11.2014 | 20:00 UhrCongresshalleSaarbr cken

10.11.2014 | 20:00 UhrKonzerthaus - Rolf-Böhme-Saal Freiburg

12.11.2014 | 20:00 UhrTheater im KurgastzentrumBad Reichenhall

13.11.2014 | 20:00 UhrKongress am ParkAugsburg

14.11.2014 | 20:00 UhrCapitolMannheim

15.11.2014 | 20:00 UhrCentral-Garage KornRothenburg

ob der Tauber

16.11.2014 | 19:30 UhrLiederhalle Hegelsaal Stuttgart

18.11.2014 | 20:00 UhrAlte OperFrankfurt am Main

19.11.2014 | 20:00 UhrGewandhaus zu LeipzigLeipzig

20.11.2014 | 20:00 UhrSteintor VarieteHalle Saale

21.11.2014 | 20:00 UhrMeistersingerhalle N rnberg

23.11.2014 | 19:00 UhrStadttheater Festsaal Ingolstadt

24.11.2014 | 20:00 UhrZentrum am ParkEmmelshausen

26.11.2014 | 20:00 UhrMathias-Jakobs- StadthalleGladbeck

27.11.2014 | 19:30 UhrKonzerthausBad Pyrmont

28.11.2014 | 20:00 UhrBeethovenhalleBonn

29.11.2014 | 20:00 UhrFabrikHamburg

05.12.2014 | 20:00 UhrUdK Konzertsaal HardenbergstraßeBerlin-

Charlottenburg

07.12.2014 | 19:00 UhrAlte OperErfurt

10.12.2014 | 20:30 UhrSeidenweberhausKrefeld

12.12.2014 | 19:30 UhrFORUMLeverkusen

13.12.2014 | 20:00 UhrStadthalleKreuztal

14.12.2014 | 20:30 UhrHörsaal H1 der Universität M nster

20.02.2015 | 20:00 UhrStadtsaalA Vöcklabruck

21.02.2015 | 20:00 UhrKultur- und Kongresszentrum KuKoRosenheim

04.03.2015 | 20:00 UhrKölner Philharmonie K ln

06.03.2015 | 20:00 UhrBürgerzentrum - RechbergsaalBruchsal

08.03.2015 | 20:00 UhrSaalbau Neustadt Neustadt an der

Weinstrasse

12.03.2015 | 20:00 UhrStadthalleGöppingen

21.03.2015 | 20:00 UhrKulturetage Oldenburg Oldenburg

40Jahre ahnsinnW

WEITERE INFOS UNTER

WWW.WECKER.DE

Connection AG · Hauptstraße 5 · D-84494Niedertaufkirchen · Fon: 08639-9834-14 · www.connection.de · [email protected]

Page 3: Spirit 11/12-2014

www.connection.de · November-Dezember 11-12/2014 3

eil sie so leicht mit Mys -tifizierung verwechseltwird, hat die Mystik

keinen guten Ruf, und erst rechtnicht irgendwo eine Lobby. Poli-tik wird heute ja von Lobbyistengemacht, immer weniger von Wäh -lerstimmen. Wenn dann auch nochdie transrationale Wahrnehmungder Welt, wie Meditierer sie einü-ben, keinen guten Ruf hat, steht esschlecht um die Welt und den Frie-den.

Der Weltinnenraum

Auch wenn die Chancen, hierbeiverstanden zu werden, nicht großsind: Die mystische Wahrnehmungder Welt hat nichts mit Mystifizie-rung zu tun. Mystik ist eine außer-begriffliche Wahrnehmung derWelt, die sich sprachlich nicht fi-xieren, sondern nur dichterischum schreiben lässt. Sie nimmt dieWelt als in sich zusammenhängen -des Ganzes wahr, nicht als Anhäu -fung von Partikeln. Das ist für un-sere Gesundheit gut, unser Zu-sammenleben, die Natur und so-gar für die Politik, die heute ja aus-nahmslos Weltinnenpolitik ist –wenn die Beziehungen zwischenBayern und Baden-Württembergkeine außenpolitischen sind, dannkönnen auch die zwischen Deutsch -land und China heute keine au -ßen politischen mehr sein.

Achtsam und nachhaltig …

Während um uns herum vonMacht gelüsten und Besitz Beses-sene mit Kriegführung und derPlünderung der Natur beschäftigtsind, gibt es doch auch Inseln derHoffnung. Das sind einerseitsMenschen, die aus diesem Systemaussteigen, um auf eine men-schenfreundliche und die Naturachtende Art zu leben. Anderer-seits gibt es Tendenzen, die aus denRandgruppen in den Mainstreamhinein driften und dort plötzlichzu leitenden Paradigmen werden.Dazu gehören der aus den spiri-tuellen Randgruppen stammen-de Begriff der Achtsamkeit undder aus den ökologischen Rand-gruppen stammende der Nach-haltigkeit. Beide sind inzwischenim Mainstream akzeptiert undtrendbildend, kaum jemand kannsich ihnen mehr entziehen. Wervordem nur drei Monate weit in

die Zukunft dachte und dem esegal war, ob jemand etwas bewussttat oder in der üblichen Trance derMassen, versucht heute vielleichtdurch den Konformitätsdruck die-ser Trends achtsam und nachhal-tig zu leben. Kann das die Tür zueiner transrationalen, mystischenWahrnehmung des Ganzen im-merhin einen Spalt weit auf-stoßen?

… aber bitte nicht geheuchelt

Ja, wenn die Vermarktung dieserbeiden Begriffe nicht auch ihreSchattenseiten hätte. So manchlangjähriger Meditierer ist inzwi-schen angeödet, wenn wieder maljemand vollmundig Achtsamkeitpredigt, fast immer mit einem An-liegen im Gepäck, das den eigent-lichen Sinn dieses Begriffs kon-terkariert. Und wenn der Heraus-geber eines der führenden Medienim Bereich der Nachhaltigkeit miram Telefon witzelnd eingesteht, sei-ne Zeitschrift sei »das Magazinfür Greenwashing«, dann bewun-dere ich zwar seinen Humor, aberzugleich fröstelt mich. Anschei-nend ist unsere auf Konsum undWachstum getrimmte Wirtschaftimstande, jedweden Trend zu ver-markten. Dieses Wirtschaftssystemwird auch noch mit seinen Toten-gräbern dealen und aus dem Ver-kauf der Särge für die eigene Be-erdigung ein Geschäft machen –die meisten der Totengräber wer-den ja dabei weich und wollendann das, was ihnen jetzt ein Aus-kommen verschafft, nicht achtsamzu Grabe tragen, ihr Geschäft mitden Särgen wäre dann ja nichtmehr nachhaltig.

Das Nonverbale

Ein Grund zur Hoffnung wäreauch, wenn die Wissenschaft be-gänne, die ihrem Metier so funda-mental eigene Wortgläubigkeit zuhinterfragen. Das Prinzip der Wis-senschaft ist ja das Prüfen und Hin-terfragen – keine Theorie kann sichje sicher sein, ein bleibendes Bildeines Objektbereichs zu zeichnen,

schon ein einziges Gegenbeispielgenügt, und sie ist erledigt. Mit ei-nem Hinterfragen dessen, wasWorte überhaupt leisten können,wäre ein erster Schritt getan aufdem Weg zu einer Welt, die alsGanzes wahrgenommen wird. DieÖkologie nähert sich dem ja be-reits mit ihrem Konzept von Gaia– dem Verständnis der Biosphäreder Erde als eines Lebewesens –,und auch andere Bereiche der Wis-senschaft denken systemisch. Sokönnte vielleicht auch Otto Nor-malverbraucher die Welt eines Ta-ges als ein Ganzes, Netz und In-nenraum wahrnehmen. So wie siein der Antike von Buddha und He -ra klit verstanden wurde, im Mit-telalter von Omar Khayyam, Rumi und Meister Eckhart, und inder Moderne von Einstein, Rilke,Ramana, Osho, Tolle und vielenanderen.

Frieden

Dann hätte auch der Frieden eineChance. Der innere Frieden in denIndividuen, in Paarbeziehungenund Familien, der soziale Friedenund der zwischen Nationen. Unddamit meine ich nicht eine allzunachgiebige oder gar unterwürfi-ge Geisteshaltung, sondern eine,die zwar Ausgleich sucht, aberSpannungen erträgt, und die aufGewalt verzichtet oder diese durcheinen weisen Umgang damit mi-nimiert.

Editor

ial

Wolf Schneider, [email protected]

Konstantin [email protected]

FOTO

: ANI

ELA

ADAM

S

FOTO

: THO

MAS

KARS

TEN

W Mystik

Page 4: Spirit 11/12-2014

4 November-Dezember 11-12/2014 · www.connection.de

NOVEMBER-DEZEMBER 11-12/2014

S. 52 – 54

S. 42 – 45 und 56 – 58

Der Lehrer weiß mehr als der Schüler,sonst bräuchte der Schüler ihn doch gar

nicht. Zumindest für den Zweck desUnterrichts sind Lehrer ranghöher als ihre

Schüler und sollten entsprechendrespektiert werden. Ist das auch in der

mystischen Lehrer-Schüler-Beziehung so?Oder wäre dort ein Gefälle vielleicht sogar

hinderlich? Wolf Schneider sprach mitdem Advaita-Lehrer Gaia Michael Zipf

Weltpolitisches Engagement und tiefeInnenschau, wir brauchen beides. Deshalbberichtet Connection weiterhin über solcheProjekte wie das von der Afrikanerin TiyadaAbala gegründete CIDAP in Togo, wo heutemehr als tausend Frauen und Männerorganische Landwirtschaft betreiben.Ebenso über Kongresse wie »Erwacheneiner neuen Weiblichkeit« in Oberlethe beiOldenburg, initiiert von Mayonah undTatjana. Das eine wie das andere hilft beider Ablöse vom auch heute noch die Weltdominierenden Patriarchat.

Die Welt als Ganzheit,

Netz und InnenraumSeit ein paar Jahrzehnten spricht eine

gewisse alternative Szene von»ganzheitlichen« Methoden. Fast immerist damit nur der Blick auf einen etwas

größeren Kontext gemeint, als der vordemallzu winzige. Echte Ganzheit hingegen

bezieht alles ein, womit das Beobachtetein Interaktion steht. Also auch den

Beobachter. Womit wir unvermeidlich imGroßen Ganzen ankommen, in der Mystik.Und die ist auch politisch höchst relevant.Es wird auf der Welt keinen Frieden geben

ohne mystischen Weltbezug.

S. 14 – 49

Spirituelles Lehren auf Augenhöhe

Frauenpowerveranstaltungen.familienaufstellung.org

Aufzeichnungen eines ScharlatansScholze, Helmut Scholli

Bei objektiver Betrach-tungsweise muss man allerdings feststellen, dass die bahnbrechen-den Er� ndungen der letzten 300 Jahre größ-

tenteils von Menschen stammen, die zur Zeit ihres Lebens als Scharlatane bezeich-net wurden. Vor unseren Augen wächst jedoch alles und bewegt sich ziemlich laut- und reibungslos. Bei diesen energetischen Vorgängen werden die Qualitäten von Luft und Wasser verbessert. Wir können die Wachstumsgesetze erkennen und eine friedliche Energieform in Geräten konzen-trieren. Dazu müssen wir aber erst einmal den Blickwinkel verändern. Wenn du dein Weltbild verändern möchtest, ist das ein gutes Buch für dich.

116 S., m. Abb., kart.ISBN: 978-3-94461-511-0 20,00 €

www.syntropia.de

Versandkostenfreie Lieferung in Deutschland!

fon: 06154-60395-0 fax: 06154-60395-10 mail: [email protected]

Page 5: Spirit 11/12-2014

www.connection.de · November-Dezember 11-12/2014 5

3 Editorial

6 Marshal B. Rosenberg kann Das Leben wunderbar machen7 Wie es ist: Nachrichten von heute

10 Wie es sein könnte: Nachrichten aus einer Welt von morgen

12 Bildkomposition von Christina von Puttkamer

Schwerpunkt: Die Welt als Ganzheit14 Ich bin die Mitte. Du auch, findet Wolf Schneider bei der Erklärung der Welt als

Hologramm

18 Wir dürfen Nicht aufgeben, uns einzumischen, fordert Konstantin Wecker im Connection-Gespräch über »Politik und Spiritualität«

22 Frieden innen und außen. Die Meditierer sollten von den Aktivisten lernen undumgekehrt, empiehlt Torsten Brügge

27 Die Überklarheit der Transparenz wollen wir, nicht den heiligen Rausch, sagt Jean Gebser, der Philosoph des Aperspektivischen

28 Kooperierende Individuen im Weltinnenraum, das wäre es, findet Joachim Kamphausen im Gespräch über das Gedicht von Rilke

30 Weltinnenaußenpolitik. Wolfgang Aurose untersucht den Separatismus und dasEntstehen und Vergehen von Nationen

32 Einsamkeit kann sehr schmerzhaft sein oder ein großes Glück, erklärt Matthias Mala

36 Egolos? Besser ichfrei als ichlos, das ist die Devise der Liga der Leeren

38 Vom Sinn und Unsinn der Arbeit spricht Peer Barcelona, der demnächst aussteigen will, um sich mit einem Herzensprojekt selbständig zu machen

42 Ein Frauenprojekt in Afrika gegen die Landflucht beschreibt Leila Dregger

46 Der erste Neurosoziologe? Tom de Toys feiert schon jetzt den 100. Geburtstag von Alan Watts

49 Das Ego als Diener ist das Konzept des Psychiaters Ronald D. Laing

50 Let’s talk about God. Gabriele Palm berichtet vom Forum Erleuchtung

52 Spirituelles Lehren & Lernen auf Augenhöhe ist das Anliegen von Gaia Michael Zipf

56 Die neue Weiblichkeit. Sibylle Schütz war auf dem Frauenkongress in Oberlethe

60 WerWasWo

61 Mystik für Anfänger. Adam Zabajewski beginnt zu verstehen

62 Resilienz statt Burnout war das Motto eines Kongresses der Akademie Heiligenfeld inBad Kissingen, berichtet Rahel Willhardt

66 Promotion: Der Waldkindergarten Wichtelfreunde von Sigrid Beckmann-Lamb

68 Promotion: Befreundet mit Lichtbündelwesen, die Gutes wollen ist Alexander, der etwassieht, das helfen kann

70 Filme: über den Psychiater Irvin D. Yalom und über einen Priester in Irland

72 Bücher: über Transluzenz, den Karmapa, Aurobindo im Vergleich mit Steiner und dieWeisheit der Sufis

76 Leserbriefe: über das Erwachen, das Ego und die Weisen auf dem Marktplatz

79 Marktplatz

80 Veranstaltungskalender und Inserentenverzeichnis

82 Vorschau/Impressum

, Zeitschrift für Spiritualität & Politik, Mystik & Widerstand, Ökologie,Lebenskunst und Humor. Erscheint alle zwei Monate mit einem starken Schwerpunkt. Gegründet1985, ist Connection Spirit die älteste transkonfessionelle spirituelle Zeitschrift auf deutsch.Fachmagazine über Tantra und Schamanismus aus demselben Verlag ergänzen sie.

I N H A LT

Ausgabe: 3.2014

E

Ausgabe: 5.2014

Ausgabe: 9.2014

E

Ausgabe: 11.2014

OFFENE SEMINARE

TANTRA-BODY14. – 16.11.14 mit Regina König,

bei Schwäbisch Hall

DER KREIS DER FRAUEN20. – 23.11.14 bei Schwäbisch Hall

FEUER, HERZ UND STILLE25.12. – 1.1.15 Tantra-Silvestergruppe,

bei Ulm

TANTRA-BODY27.2. – 1.3.15 mit Beatrix Rettenbacher

& Jens Hartwig, bei Ulm

LIEBE – DAS GROSSE TOR28.3. – 4.4.15 Oster-Paargruppe, bei Ulm

TANTRA YOGA14. – 19.4.15 Kaschmirisches Tantra, mit Nathalie Delay/Frankreich, bei Ulm

DER KREIS DER FRAUEN29.4. – 3.5.15 bei Ulm

Regina König und Hellwig Schinko

E R O S · L I E B EM E D I T A T I O N

Infos & Programm: ARUNA-Institut St. Nepomukstr.13 · 74673 MulfingenTel. 07936/6 21 · Fax 079 36/6 46

[email protected]

Page 6: Spirit 11/12-2014

14 November-Dezember 11-12/2014 · www.connection.de

Wie unser Selbst- und Weltverständnis Strukturen erschafft

VON WOLF SCHNEIDER

Die Weltanschauung der sogenannten Realpolitiker, die überall Grenzen sehen und immer wieder Kriege führen, und die der Poeten und Visionäre, die das zusammenhängende Ganze sehen –

können die sich treffen? Ja, wenn man genauer hinsieht und dabei die Erkenntnisse der Ökologie, Systemtheorie und der modernen Physik einbezieht

DIE WELT ALS GANZHEIT

Ich bin die Mitte.Du auch

FOTOLIA.COM © ROLFFIMAGES, GIS

Page 7: Spirit 11/12-2014

www.connection.de · November-Dezember 11-12/2014 15

DIE WELT ALS GANZHEIT

nehmen, während wir uns auf der Oberflächedieser Kugel bewegen. Immer haben wir denHorizont mit dabei, die Illusion eines Ran-des, und immer sind wir dabei in der Mitte.Da waren die Chinesen offenbar gar nicht sodumm, als sie ihr Land »Chong hua« nann-ten, Land (oder Reich) der Mitte. Alles an-dere ist drumrum. Wenn sie doch nur auchjedem anderen Land zugestanden hätten,»Land der Mitte« zu sein! So wie jederMensch sich selbst die Mitte ist. Bei vielenVölkern lässt sich die Eigenbezeichnungfür ihr Volk übersetzen als »Menschen wiewir«, und die Bezeichnung der eigenen Spra-che ist sowas wie »Laute, wie wir sie spre-chen«. Das Individuum ist sich selbst die Mit-te der Welt, das Volk die Mitte aller Völker,und es wohnt im »Land der Mitte«, so wiealle Bewohner der Oberfläche einer Kugelsich unvermeidlich immer in der Mitte derWelt befinden, in einer Mitte, die sie nieverlassen können, wohin (auf der Kugel)auch immer sie gehen.

Die Welt als Hologramm

Das ist die Sicht der Welt als Hologramm.Das ist die Weltanschauung des Käfers aufdem Möbiusband: Er läuft immer weiter, im-mer weiter und kommt schließlich auf derUnterseite dieses zweidimensionalen Ban-des an – sagen wir, die wir uns das von derdritten Dimension aus ansehen und aus die-ser Perspektive auf den Käfer blicken. Gehtes uns Menschen auf der Erde mit unsererPosition im Universum vielleicht ebenso?Sind wir mit dem Sonnensystem, das sich jaam Rand der Milchstraße befindet, vielleicht

nicht in der Mitte, sondern irgendwo amRand des Universums, das ganz woandersseine Mitte hat? Sollte die biblische »Kroneder Schöpfung« sich etwa nur am Rand desUniversums befinden? Vielleicht würde esuns, flögen wir von hier aus ans Ende desUniversums, so ergehen wie dem Käfer aufdem Möbiusband: Wir kämen auf irgendei-ner Unterseite unserer jetzigen dritten Di-mension (betrachtet aus der vierten) zu unsselbst zurück?Auch ohne diese Spekulation befinden wiruns in der Mitte, denn seit dem Urknall vor13,8 Milliarden Jahren dehnt sich das Uni-versum aus. Wo fing das denn an? Könnten

er so bedroht ist wie wir und umsein Höchstes kämpft, der darf nurdaran denken, wie er sich durch-

haut.« So sprach einst Reichskanzler The-obald von Bethmann Hollweg, als er am 4. August 1914 im Deutschen Reichstag fürdie Zustimmung zu den Krediten warb, diedem Deutschen Reich den ersten Weltkriegermöglichen sollten. Er hatte Erfolg! Mit derGewährung der Kredite, nicht mit dem Krieg. Wenige Wochen später, im August/Septem-ber 1914, schrieb der damals in Deutsch-land schon recht bekannte und in Dichter-kreisen sehr geschätzte Rainer Maria Rilke:»Durch alle Wesen reicht der eine Raum:Weltinnenraum. Die Vögel fliegen still durchuns hindurch. O, der ich wachsen will, ich sehhinaus, und in mir wächst der Baum.«

Die Welt als Innenraum

Zwischen diesen beiden Arten des Selbst-und Weltverständnisses liegt eine kaum über-brückbare Kluft. Auf der einen Seite derPolitiker, der – wie alle von Kriegen undZugewinnen begeisterbaren Politiker – sichund sein Land als Opfer sieht oder, um Zu-stimmung zu bekommen, immerhin vor-täuscht, sein Land würde angegriffen: »Werso bedroht ist wie wir …«. Obwohl diesesLand bis an die Zähne bewaffnet war undhier nicht als Verteidiger, sondern als Ag-gressor auftrat; unter all den Nationen, dieeinander 1914 den Krieg erklärten, warDeutschland dasjenige, das diesen Krieg ammeisten wollte und diese erste Megakata-strophe des 20. Jahrhunderts am ehesten hät-te verhindern können. Für Bethmann Holl-weg waren der Schutz und die Größe, auchdie Vergrößerung des eigenen Landes »dasHöchste«, um das wollte er kämpfen.Auf der anderen Seite stand der zarte, an -drogyne, von vielen als weltfremd empfun-dene und doch mit der Welt so innig ver-bundene Dichter Rainer Maria Rilke, derbeim Blick nach draußen, in die Welt hin-aus, diese nicht nur keineswegs als feindlicherlebte, sondern sogar das Gefühl hatte, dieVögel flögen durch ihn selbst hindurch. Dersich selbst als wachsend empfand und dasGefühl hatte, die Bäume ›da draußen‹ wüch-sen in ihm selbst. Für Rilke war die Welt einInnenraum, in dem wir alle, ausnahmslos al-le, uns bewegen: Freund und Feind, Men-schen, Tiere, Pflanzen, du und ich.

Das größere Bild

Wenn ich nun in Zeiten, in denen auch inDeutschland sogar bei den einst pazifisti-schen Grünen der Kriegswille wieder er-starkt (Özdemir: »Auch die Kurden gehennicht mit der Yogamatte unter dem Arm ge-gen die Islamisten vor«), wenn ich hier aufRilke verweise, dann drücke ich mich damitnicht vor der eventuell unbequemen Ver-

antwortung, bedrohte Menschen mit Machtund notfalls auch mit Gewalt zu schützen.Stattdessen verweise ich auf ein viel größe-res Bild des Menschen in der Welt, das Ril-ke da in seinem Gedicht so wunderschön inWorte gefasst hat – ein Bild, in dem derMensch nicht des Menschen Feind ist, undauch sonst keines Wesens oder gar der Na-tur Feind, sondern in dem der Mensch inte-graler Teil des Ganzen ist. Unauflöslich ver-bunden mit allem, unvermeidlich, unent-rinnbar, unabtrennbar verbunden. Wir sindmitten drin, wir sind sogar das Ganze – unddas Ganze ist in uns. Und das ist nicht etwa die romantische Spin-nerei eines Dichters, der die Realität, so wiesie ist, nicht würde wahrhaben wollen, weiler sie nicht erträgt. Der die »Realpolitik« ver-achtet, um sich lieber in seine schönenTraumwelten zurückzuziehen. Nichts der-gleichen: Die Welt als alles umfassender In-nenraum ist so wahr wie die Erkenntnisseder Ökologie, der Systemtheorie und der mo-dernen Physik, des Tao Te King (Daodejing)und der Weisen aller Zeiten.

Wir Kugelbewohner

Stell dir vor, du seist eine Ameise, die auf ei-ner Kugel lebt, und du fragst dich, wo derRand der Welt ist und wo ihre Mitte. Washeißt da Vorstellung: Wir leben ja tatsächlichauf einer Kugel, die für uns aber aussieht wieeine Ebene, so dass wir Menschen jahrtau-sendelang dachten, wir würden auf einerEbene leben, die einen Rand hätte, an demman runterfallen könnte in einen unermess -lichen Abgrund hinein.

Auf einer begrenzten Ebene gibt es immerdie eine oder andere Art von Mitte und ent-sprechend auch Randpositionen, eine Peri-pherie, so wie das Römische Reich eine Pe-ripherie hatte und das antike China. Auf ei-ner Kugel aber ist jeder Punkt auf der Ober-fläche stets die Mitte dieser Oberfläche.Wenn ich auf der Erde in eine Richtung im-mer weitergehe (oder mit dem Schiff fahreoder mit dem Flugzeug fliege), komme ichnach ungefähr 40.000 km wieder dort an, woich aufgebrochen bin. Und das gilt aus-nahmslos für jeden dieser Punkte auf der Ku-gel. Es gibt keinen Rand. Der Horizont istnur die Illusion eines Randes, die wir mit-

W

Für Rilke war die Welt ein Innenraum, in dem wir

alle uns bewegen: Freund und Feind, Menschen,

Tiere, Pflanzen, du und ich

Page 8: Spirit 11/12-2014

16 November-Dezember 11-12/2014 · www.connection.de

wir dort nicht einen Gedenkstein hinsetzen?Das wäre doch mal ein viel wichtigeresDenkmal als die Heldengräber auf diesemkleinen Planeten von all denen, die für vielkleinere Ziele gestorben sind. Dieser Punktdes Beginns aber ist überall und nirgends,

denn seitdem bewegt sich alles auseinander.Er ist also genau hier! Hier, wo ich geradedies schreibe, und ebenso dort, wo du diesliest. Vor genau 13,8 Milliarden Jahren undsoundsoviel Tagen, Stunden, Minuten, Se-kunden und Nanosekundenbruchteilen istdas passiert. Genau hier. Und von hier ausdehnt es sich aus. Der Rand des Universumsist von dir aus ungefähr 40 Milliarden Licht-jahre weit weg und von mir aus ebenso, undsogar diese Ränder sind in der Mitte, sie se-hen nur von hier aus so aus wie ein Rand,so wie der Horizont auf der Kugel, auf derich mich bewege. Du bist in der Mitte, ichbin es, und ebenso der Mond, der Sirius, dieMilchstraße und all die anderen Galaxien.

Das Herz

Zurück zur Erde, zu unseren Körpern undSeelen, zu unserer Psyche und unserem ›see-lischen Herzen‹, das ja mit der Pumpe, diefür unseren Blutkreislauf sorgt, nicht vielzu tun hat. Zigtausende von Dichtern undBarden haben seit Jahrtausenden das Herzbesungen, und heute tun es auch die Thera-peuten und spirituellen Lebensberater: Gehins Herz! Dort findest du das Glück, die Lie-be, die Freiheit, dich selbst! Nicht im Kopf,nicht in deinen Gedanken, sondern im Herz.Wo aber ist dieses Herz? Das allseits gefei-erte Kitschchakra der esoterischen Lebens-philosophien kann es nicht sein, denn dasbedeutet ja mal dies, mal das, je nach Pro-pheten, Sänger und Channelmedium, undmeist das, was der Jeweilige für seine Zweckegerade promoten will. Nein, das Herz istdie Mitte! Nichts anderes macht Sinn, wennman die Seichtgebiete der allgegenwärtigenLebensberatungen mit ihren Herz-Paroleneinmal verlassen will.Das Herz ist die Mitte unserer Welt undWahrnehmung, die Mitte unseres Weltbil-des. Auch einige unserer Vorfahren in dengroßen Weltkulturen wussten das: In Indi-en nannten sie es Manipura, das Powercha-

kra, im japanischen Zen und den Kampf-künsten das Hara, in China den Dantien –»Dan« bedeutet Elixier, »Tien« Feld, also so-was wie der Bereich des himmlischen Eli-xiers. Es ist der himmlisch-irdische Punkt,von dem aus wir wahrnehmen und handeln

können, wenn wir unser Bewusstsein in dieMitte von dem lenken, was wir zu sein glau-ben, in die Mitte unseres Ich – vor allem indie Mitte des Körpers, mit dem wir uns inder Regel noch viel mehr identifizieren alsmit allem anderen. Von dort aus zu fühlen,

zu denken und zu handeln, das wäre echteHerzlichkeit und möge bitte nicht verwech-selt werden mit dem gefühlsduseligen Begriffdes Herzens in unseren Herzschmerzmedienund der heutigen spirituellen Boulevard-Li-teratur.

Innen- oder Außenraum

Wenn jeder von seiner Mitte aus handelnwürde und dabei wüsste, dass alle diese Mit-ten auf derselben Kugel liegen, die in dernächsthöheren Dimension nur eine Mitte hat,dann müssten wir verstehen können, dass wiralle in demselben Innenraum leben. Mathematisch gesehen wäre das Bewohnender Innenseite der Kugeloberfläche eine so-gar noch bessere Metapher für die Welt alsInnenraum, weil dann der Inhalt der Welt derInhalt der Kugel wäre, also in der drittenDimension ein endlicher. Das Bewohnen derAußenseite passt aber besser zu unserer geo-grafisch-astronomischen Wirklichkeit, wiewir sie als dreidimensional Wahrnehmendeuns darstellen. In dieser Darstellung/Welt-anschauung sehen wir von jedem Punkt der

DIE WELT ALS GANZHEIT

Wenn wir uns auf der Oberfläche einer

Kugel fortbewegen, haben wir immer den

Horizont mit dabei, die Illusion eines Randes,

und immer sind wir dabei in der Mitte

FLICKR.COM © BRASILEM REDE, UWE SCHMIDT, C. V. PUTTKAMER

Bewegt er sich auf derOber- oder auf der

Unterseite des Bandes?

Page 9: Spirit 11/12-2014

www.connection.de · November-Dezember 11-12/2014 17

Kugeloberfläche dasselbe Firmament. Es er-scheint uns als dort hinaus Schauende un-endlich, ist aber in der vierten Dimensionwohl doch endlich, sagt eine gängige Theo-rie der heutigen Astronomie – das Univer-sum hat nicht nur ein berechenbares Alter,sondern auch eine (ebenfalls annähernd) be-

rechenbare Masse von circa 1053 kg (Quelle:Wikipedia).

Neuronale Systeme

Wenn jeder von uns Menschen von seinemHerz aus handeln, fühlen und denken wür-de, von seiner jeweiligen Mitte aus, ergäbesich das Bild eines Netzes, vielleicht so ähn-lich wie das neuronale Netz unseres Ner-vensystems mit seinen über hundert Milli-arden Neuronen. Oder auch wie das Inter-net, mit seinen Milliarden einzelner Adres-sen, die alle miteinander vernetzt sind. DieNeuronen sind durch Synapsen vernetzt,die Internetadressen durch Kabel oder draht-los, die Gedanken durch den Austausch mitanderen Gedanken. Die dabei sich mitein-ander austauschenden (aus Gedanken auf-gebauten) Identitäten sind durch die Fremd-und Selbstbilder vernetzt, die sie von sichund voneinander haben. In den sozialenNetzwerken geschieht das durch die publi-zierten Profile, aber auch ohne absichtlichgestaltete Profile stecken wir einander ingeis tige Schubladen und weisen uns so Iden-titäten zu, aufgrund derer wir dann handeln,Erwartungen und Enttäuschungen kreierenund diese aufgrund von Erfahrungen jeweilsmehr oder weniger wieder korrigieren, dieSelbstbilder ebenso wie die Fremdbilder.

Liebesbeziehungen

Was bedeutet nun in einem solchen Netz-werk von Identitäten die Liebesbeziehung?Sie ist ein soziales Kunstwerk, sagt die Lie-besforscherin Dolores Richter in ihrem Buch»Die Liebe als soziales Kunstwerk«. Sie wirdgestaltet aus zweien oder mehreren solcherSchubladen, Fächer, Herzen, Haras oderNeuronen mit ihren einander berührendenSynapsen, vor allem aber aus zweien sol-cher Identitäten, aus mir und dir, wenn wirbeide uns miteinander verbinden. Wenn wirmeine und deine Schublade zusammengetanhaben und nun nicht einfach nur eine größe-

re Schublade besitzen wollen, die wir dannzu zweit bewachen, so wie vorher unsere je-weiligen Einzel-Egos, dann brauchen wirals Paar (oder Achse zweier Freunde) eineEinbettung in ein noch größeres Kunstwerk,in die uns umgebende Gemeinschaft oderGesellschaft, unseren Freundeskreis, unsere

soziale Umgebung. Das wird erleichtert,wenn wir die Membrane unserer Identitäten– als Einzelne ebenso wie als Paar oderFreundschaftsbeziehung – ähnlich unserenZellmembranen als semipermeabel verste-hen, als teilweise durchlässig. Eine Zelle kannnicht bestehen, wenn sie nicht einiges ausihrer Umgebung hindurchlässt, anderesnicht, ihre Membran wirkt als Filter. So kön-nen wir durch die richtigen Einstellungen un-serer Filter unsere sozialen Beziehungen alsKunstwerke gestalten.Liebe gibt es natürlich auch außerhalb sol-cher Strukturen, als Hinwendung, Zuwen-dung, Caritas und mystische Verbindung –hier habe ich nur versucht, die Liebe als Be-ziehung, das heißt als soziale Struktur imRahmen eines holografischen Weltbildes ver-ständlich zu machen.

Gut vernetzt oder bös verstrickt?

Gesellschaften sind Gebilde aus Identitätenmit semipermeablen Membranen, darin einbisschen ähnlich den Organismen der Mehr-zeller, sogar noch bewegter als diese. Wennes uns in diesem Gebilde gut geht, sagenwir, dass wir vernetzt sind, und wollen mehrdavon: mehr Freunde, Beziehungen, in Cli-quen sein und Teilnehmer, Teilhaber sein vonsozialen Gebilden. Wenn es uns damitschlecht geht, sagen wir, dass wir darin ver-strickt sind, und wollen da raus. So sind dieGesellschaften wie Ameisenhaufen – stän-dig in Bewegung, mal im Aufbau, mal im Ab-bau, und alle auch zerstörbar. Die systemi-schen Aufstellungen von Familien, Organi-sationen und Beziehungen versuchen da-von Momentaufnahmen zu geben, die Ein-sichten verschaffen in Zusammenhänge undim Idealfall imstande sind, lokale Strukturenzu korrigieren. Wenn das nicht hilft, kannvielleicht Humor helfen, die Identitäten zurelativieren und auf diese Weise gestaltbarzu machen.

Weltinnenpolitik

Ähnlich wie die Individuen sind auch dieStädte, Staaten, Firmen und andere Organi-sationen der globalen Welt miteinander ver-netzt bzw. verstrickt. Schon längst gibt esauf der Welt keine Außenpolitik mehr, allesist Weltinnenpolitik. Bleibt die Frage, wie gutwir Weltenbürger dieses Gebilde föderal undsubsidiär (von unten nach oben nur so vielMacht abgebend wie für das Ganze nötig)organisieren. Eine Weltdemokratie gibt esnoch nicht und auch kein weltweit gelten-des Recht. Zwischen den Nationen herrschtheute noch das Recht des Stärkeren. Derscheinheilig-heuchlerisch die Demokratiepromotende Westen fürchtet eine solche De-mokratie (leider ohne diese Furcht zu the-matisieren), weil dann ein Fünftel der Stim-men aus dem indischen Subkontinent kämeund ein weiteres Fünftel aus China. Die jetztnoch sehr mächtigen USA würden dann we-niger als 5 Prozent der Stimmen stellen unddie EU ungefähr 7 Prozent.

Fakten und Fiktionen

Die Welt ist Fakt, die in ihnen agierenden In-dividuen und gesellschaftlichen Strukturensind Fakten schaffende Fiktionen. Vielleichtso ähnlich wie bei einem Leuchtglobus, derohne Licht die geografische Weltkarte zeigt,die physikalischen Fakten. Mit eingeschal-tetem Licht zeigt er die Länder, die nur Fak-ten schaffende Fiktionen sind. In Wirklich-keit ist ja nicht Polen blau, Deutschland grünund Frankreich rot, so wie auf der politischenWeltkarte, und dazwischen gibt es auch kei-ne schwarzen Linien, vielleicht nicht malZäune, sondern die Grenzen sind nur so re-al, wie die Menschen mit ihren Identitäten,ihren Selbst- und Fremdbildern sie aufrechterhalten.»Je mehr eine Kultur begreift, dass ihr aktu-elles Weltbild eine Fiktion ist, desto höher istihr wissenschaftliches Niveau«, sagte AlbertEinstein einst dazu. Statt »wissenschaftlichesNiveau« könnten wir auch »Faktenkenntnis«sagen. Fakt und Fiktion unterscheiden zukönnen hilft im Leben – in den Beziehun-gen und auch in der Politik. Wer Fakt undFiktion gut unterscheiden kann, hat bessereChancen, Krieg zu vermeiden und Friedenzu bewirken. Einem Rainer Maria Rilke wür-de ich hierbei bessere Chancen einräumenals einem Reichskanzler von BethmannHollweg.

DIE WELT ALS GANZHEIT

»Je mehr eine Kultur begreift, dass ihr

aktuelles Weltbild eine Fiktion ist, desto höher

ist ihr wissenschaftliches Niveau«

Albert Einstein

[

WOLF SCHNEIDER, Jg. 1952. Autor, Redakteur,Kursleiter. Studium der Naturwissenschaften undPhilosophie (1971–75) in München. 1975–77 inAsien. 1985 Gründung der Zeitschrift Connection.Seit 2008 Theaterspiel & Kabarett. Kontakt:[email protected]

Page 10: Spirit 11/12-2014

38 November-Dezember 11-12/2014 · www.connection.de

DIE WELT ALS GANZHEIT

as ich hier tue, erfüllt mich zutiefst.Schreiben, noch dazu über diegroßen Sinnfragen des Lebens, das

ist es, was mich begeistert. Es sind inspirier-te Momente, in denen ich Glück und Freu-de empfinde. Ist das Arbeit? Ist das meineArbeit?Was ist denn unsereArbeit für uns? Das Geldfür meinen Lebensunterhalt verdiene ich mitdiesem Schreiben nicht. Vielleicht kommtes noch dazu, doch morgen früh gehe ich wie-der einer anderen Arbeit nach. Mit ihr ver-diene ich das Geld für all die Dinge, für dieman in dieser Gesellschaft Geld braucht.Eine völlig andere Tätigkeit – Ingenieur-dienstleistungen. Mit welcher der genanntenTätigkeitsfelder antworte ich normalerwei-se, wenn mich jemand nach meiner Arbeitfragt? Meist mit der Arbeit, die die Haupt-einnahmequelle darstellt. Es ist geradezu so,als sei das Geld der Indikator dafür, wer wirsind. Darf ich sagen, dass ich Autor bin, so-lange ich nicht auch mein Geld als Autor ver-diene? Da werde ich schnell als Hochstap-ler verrufen.

Geld ist der Maßstab

Wir halten Geld für den wichtigsten Maß-stab für Leistung. Ist das sinnvoll? SollteGeld nicht besser nur ein vereinfachendes

Tauschmittel sein und nicht Selbstzweck?Verehren wir damit nicht den Hammer undden Nagel anstelle des Bildes, das wir damitan die Wand hängen? Die Probleme unse-rer Welt hängen doch wesentlich damit zu-sammen, dass wir eher dem Werkzeug alsdem, was wir damit machen, unsere Auf-merksamkeit schenken. In der Firma, in der

ich arbeite, wie wohl in fast allen heutigenwirtschaftlichen Unternehmen, geht es umdas Mehr (an Geld). Auf dem letzten soge-nannten Kick Off Meeting – das ist dieGroßveranstaltung, auf der alle Mitarbei-ter deutschlandweit zusammenkommen, umsich die Ergebnisse des letzten Jahres unddie Ziele der Zukunft von der Unterneh-mensleitung präsentieren zu lassen – geht esausschließlich um Geld.

»Unsere Strategie ist Wachstum«

Mit riesigem technischem Aufwand, Extrem -bergsteigern und Weltumseglern als Red-nern und emotionalen Filmen wird eine Po-werpoint-Folie vorbereitet, die die Krönungdieser Veranstaltung zu sein scheint: die Prä-sentation der geplanten Zahlen für das näch-ste Jahr. Unsere Unternehmensstrategie isteinfach, verkündete selbst der Personal leitermit großer Begeisterung. Unsere Strategieist Wachstum! Wow, dachte ich, das ist ja maleine tiefgreifende Strategie – und wie siemich emotional erreicht … toll! Da hat sichmal jemand richtig was einfallen lassen. Lei-der ist es exakt die gleiche Strategie wie dieeiner Krebszelle. Wie ich mir dieses Spektakel so anschaue,frage ich mich, ob ich denn der einzige un-

ter den Hunderten von Angestellten bin, derbemerkt, dass die Geldgier der Handvoll Un-ternehmensinhaber der einzige Grund fürdiese Begeisterung am inhaltlosen Wachs-tum ist. Vor allem frage ich mich, ob dieseHandvoll Unternehmer nicht selbst merkt,dass da etwas fehlt. Etwas wirklich Leben-diges. Etwas, das über den schicken Fir-

WAn einem sinn- und trostlosenArbeitsplatz träumt er wie so

viele von einem anderen Leben.Schon zweimal ist er ausgestiegen,

beide Male scheiterte dieSelbständigkeit. Nun hat er

erkannt, dass er anders vorgehenmuss: Erst der eigenen Gedankenund Gefühle gewahr werden und

den Status quo liebevoll annehmen,dann den Schritt zur Realisierung

der eigenen Vision wagen

Geld ist für uns der wichtigste Maßstab für Leistung.

Sollte es nicht besser nur ein vereinfachendes

Tauschmittel sein und nicht Selbstzweck?

VomSinn und Unsinn

der Arbeit

VON PEER HENRIK BARCELONA

Das Aussteigen aus der Tretmühle will gut vorbereitet sein

Page 11: Spirit 11/12-2014

www.connection.de · November-Dezember 11-12/2014 39

DIE WELT ALS GANZHEIT

menwagen und die nächste Provisionszah-lung – also über tote Materie – hinausgeht.Es waren solche Momente, in denen ich michgefragt habe, was ich in dieser Firma eigent-lich noch zu suchen habe. Die sinnlose Ar-beit in dieser Firma hatte mich bis zum Burn -out getrieben. Ich stieg dann für ein paar Wo-chen aus, besuchte ein Selbstfindungssemi-nar auf der Kanareninsel La Palma und kamwieder zu mir – zu meinem wahren Wesen.

Das Weite suchen

Wozu schreibe ich das alles? Weil ich denke,dass ich etwas erlebt habe, das auf viele vonuns zutrifft. Wenn wir erkennen, was in derWelt vor sich geht, reagieren wir fast aus-nahmslos erstmal mit Ablehnung. Wir suchendas Weite. Doch heute weiß ich, dass die Su-che nach dem Weiten in der Außenwelt unsnur vom Regen in die Traufe bringt. Wir müs-sen das Weite – oder besser die Weite – inuns selbst suchen und zwar da, wo wir sind.Diese Erkenntnis kann sehr frustrierendsein. Es ist doch so verlockend, einem Aus-steiger-Traum nachzugehen, alles hinzu-schmeißen und den Tag anstatt mit Mehr nurnoch am Meer zu verbringen. Auch ich ha-be das zweimal versucht. Zweimal habe ich einen scheinbar sicheren,aber frustrierend leblosen Job hinter mirgelassen und eine Selbständigkeit angefan-gen, die das zum Gegenstand hatte, womitich die angenehmsten Gefühle verbundenhabe: inspirierende Bücher. Doch es wardann nicht so, wie wir so oft lesen, dass wirgeführt werden, wenn wir uns nur trauen, un-seren Traum zu leben, und sich dann einglücklicher Umstand an den nächsten reiht,um am Ende ein glückliches neues Leben fei-ern zu können. Es ist vielmehr so, dass das,was wir in unserem heutigen Job erleben, dasAbbild dessen ist, was wir in uns selbst sind.Ohne bewusste Innenschau und Annahmedessen, was das ist, erschaffen wir uns in derneuen Existenz dann wieder genau diesel-ben Gefühle wie in unserem alten, verhass -ten Job.

Die Reproduktion des Alten

So hatte ich mich aus Angst, nicht schnell ge-nug ins Geldverdienen zu kommen, anstattauf meine ursprüngliche Zielkundschaftschnell auf große Firmen ausgerichtet, dieich mit den mir vertrauten Mitteln aus mei-nem alten Job akquirierte. Auf einmal fandich mich in einer Situation wieder, wo ich völ-lig von meiner ursprünglichen Vision abge-kommen war und krampfhaft versuchte, diefast unmöglichen Forderungen dieses Un-ternehmens zu erfüllen. Auf einmal fand ichmich in den gleichen Zwängen und Ängstenwieder, von denen ich doch nie wieder washatte wissen wollen. Deshalb hatte ich dochgekündigt! So erkannte ich schmerzhaft, dass

FLICKR.COM ©

DAV

ID G

OEH

RIN

G

An manchen Arbeitsplätzenist der Schritt von der inneren Kündigung zur inneren Abwesenheit schon getan

Page 12: Spirit 11/12-2014

40 November-Dezember 11-12/2014 · www.connection.de

ich z.B. das Thema Existenzangst zunächstin meinem Inneren zu lösen habe. Dass ichdie Weite nicht äußerlich suchen sollte, son-dern sie erstmal in meinem Inneren herzu-stellen habe. Dass ich Vertrauen und An-nahme zu lernen habe.Zuerst kommt die Arbeit und dann das Ver -gnügen, oder wie war das? Na ja, nicht ganz,aber so ähnlich. Denn um Weite in uns zufinden, müssen wir uns tatsächlich von et-was trennen. Das ist nicht immer unser ak-tueller Arbeitgeber. Und diese Trennungist schmerzhaft, weil sie unseren angeneh-men, aber leider allzu oft illusionären Phan-tasien entgegenläuft. Wir müssen zunächstunser gefühlsmäßiges Erleben von denäußeren Umständen trennen. Auf den Punktgebracht heißt das: Wir müssen erst glück-lich sein – egal wo oder was wir arbeiten –,dann tritt die Änderung in der Außenweltein. Es sollte also eher heißen: Erst das Ver -gnügen – Glück durch innerliche Annahmedessen, was ist –, dann kommt die erfüllen-de, sinnvolle Arbeit. Das scheint zunächstunmöglich, doch es ist der logische Wegund jedem möglich. Wir können nur in derrealen Welt vorankommen, wenn wir auchan einem realen Ort loslaufen. Von einemOrt der Phantasie aus geht das nicht. Unse-re Welt braucht zwar dringend schöne Phan-tasien, aber auch reale Veränderungen undVisionen, die umsetzbar sind.

Die Realisierung des Neuen

Die Erschaffung realer Veränderung erfolgtmeiner Erfahrung nach in folgenden Schrit-ten:1. Dankbare Annahme dessen, was ist2. Neue Gedanken darüber, wer wir sind undwie wir leben wollen (die Vision)3. Neue Handlungen entlang der neuen Vi-sionAb hier wiederholt sich der Prozess immerwieder aufs Neue:1.1 Dankbare Annahme dessen, was jetzt(neu) ist2.1 Neuausrichtung unserer Gedanken aufunsere ursprüngliche Vision3.1 Neuausrichtung unserer Handlungen.Und so weiter, bis in alle Ewigkeit.Das Fehlen von Schritt 1 ist meiner Meinungnach der Grund, warum so viele Träumeplatzen. Uns gefällt unser Spiegel nicht (deraktuelle Arbeitgeber und die gesamte ak-tuelle Lebenssituation), deshalb suchen wiruns einen neuen Spiegel. Wenn wir bemer-ken, dass dort dasselbe Bild erscheint, sindwir frustriert, denn damit haben wir nichtgerechnet.

Innen wie außen

Annahme dessen, was ist, heißt nicht, dasswir alles toll finden sollen, was unser Ar-beitgeber so treibt. Es heißt lediglich anzu-

erkennen, dass alles im Universum voll-kommen ist. Alles verläuft nach ewig gülti-gen Gesetzmäßigkeiten ab. Eine dieser Ge-setzmäßigkeiten ist das Prinzip des »innenwie außen«. Das bedeutet, dass die Situa tionin der Außenwelt exakt den Bildern undGlaubensvorstellungen in unserem Innernentspricht und ihnen immer entspringt. Wasich da draußen erlebe, ist also mein eigenesWerk – kein fremd erschaffenes, bösesSchick sal! Erst wenn ich das annehmen kann,

kann ich beginnen, mich innerlich neu aus-zurichten und zu Schritt 2 überzugehen.Denn erst dann übernehme ich die Verant-wortung für mein Leben und beginne daloszulaufen, wo ich in Wirklichkeit geradestehe. In der Realität des Hier und Jetzt, an-statt von einem Ort der Phantasievorstel-lungen über mich. Doch im Hier und Jetzt gibt es eine MengeGefühle, die ich nicht weiter fühlen will, wirdjeder ehrlicherweise feststellen müssen. Dar-um geht es: Wir streben immer nach denguten Gefühlen. Das ist auch gut so, sie sindHinweise auf unsere Sehnsüchte und damitwichtige Wegweiser für Schritt 2. Doch dieunangenehmen Gefühle dürfen nicht abge-lehnt werden. Auch sie sind im Hier und Jetztvorhanden und somit Realität. Sie abzuleh-nen bedeutet, sie ins Unbewusste wegzu-drücken. Das kostet unseren Organismusnicht nur eine Menge Energie, die uns dannfür ein aktives Leben fehlt, sondern dieseverdrängten Gefühle – allesamt schöpferi-sche Energien – sind es, die uns immer wie-der Situationen erschaffen lassen, die uns siewieder fühlen lassen.

Es bleibt uns also nichts übrig, als anzuer-kennen, dass die hier und jetzt wahrnehm-bare Lebenssituation die vollkommene ist,die uns genau die Gefühle fühlen lässt unduns genau die Eigenschaften widerspiegeltüber uns, vor denen wir die Augen verschlie -ßen wollten. Kein verklärtes, ach so tollesSelbst bild, das wir von uns hegen und pfle-gen, ist in der Lage, die aktuelle Lebenssitua -tion zum Verschwinden zu bringen. Unserjetziger Arbeitgeber ist also trotz all seiner

möglichen Widrigkeiten genau der richtige,um uns mit unserer eigenen Wahrheit zu kon-frontieren. Der Wandel in uns und somitunserer (Wirtschafts-)Welt kann erst ein-treten, wenn wir die Realität anerkennen undsie als Ausgangspunkt unserer weiteren Rei-se annehmen.

Lieben, was ist

Es macht also Sinn, beim nächsten Auslösernegativer Gefühle uns selbst zu beobachtenund uns diesen Gefühlen zu öffnen, anstattdirekt zum Gegenangriff oder sonstigen Ab-wehrstrategien unseres Ego-Verstandesüberzugehen. Zur Abwechslung also bessererstmal mal gar nichts tun, sondern nur wahr-nehmen. Der Chef unterstellt uns Faulheit?Die Kollegin wirft uns einen verachtendenBlick zu? Wir fühlen in uns rein und öffnenuns dem, was das in uns auslöst. Wir atmentief in dieses Gefühl rein, gehen mit unsererAufmerksamkeit dort hin, egal wie schmerz-haft das ist. Je nach Situation genügen dafüreinige Momente oder mehrere Minuten. Tuedas, wenn es irgend geht, so lange, bis sich ein

DIE WELT ALS GANZHEIT

Wie verlockend, einem Aussteiger-Traum

nachzugehen, alles hinzuschmeißen und den Tag

anstatt mit immer Mehr nur noch am Meer zu verbringen

FOTO

LIA.CO

M ©

DAS

HA PE

TREN

KO

Page 13: Spirit 11/12-2014

www.connection.de · November-Dezember 11-12/2014 41

Gefühl von Weite einstellt, eine Art innererFrieden. Es kann sogar ein Gefühl von tie-fem Glück sein. Dabei bemerkst du, dass die-ser Glückszustand tatsächlich getrennt istvon der äußeren Situation. Glück ist in der Wahrheit zu finden, egal obdie Situation von uns gerade als eine nega-tive oder als eine positive bezeichnet wird.Diese Bewertungen nehmen nur wir vor,für das Leben selbst sind das nur Etiketten.Dem realen Leben geht es nur um Erfahrungdessen, was ist, und das quittiert es uns mitGlücksgefühlen. Nun geschieht wahre Trans-formation. Wie durch ein Wunder ändern sichdie äußeren Umstände allmählich, je nach-dem, wie bereitwillig wir uns ihnen öffnen. Es gibt ein Wort für dieses innerliche Ja sagenzu allem und Annehmen von Allem als eigenund vollkommen: Liebe. Es ist tatsächlich so,dass wir unsere aktuelle Lebenssituation lie-ben müssen, wenn wir sie verschwinden las-sen oder ändern wollen. Dies zu verstehenund täglich anzuwenden ist die Vorausset-zung dafür, um eine neuen Realität mittelsgezielter Ausrichtung der Gedan ken und ent-sprechenden Handlungen erschaffen zu kön-nen.Meine derzeitige Kollegin, die zeitgleichmit mir angefangen hat und mit der ich vonBeginn an die größten Konflikte zu lösen hat-

te, heißt Angela. Sie ist also ein Engel, ob-wohl sie mir allzu oft genau das Gegenteil zusein schien. Mein Chef – ein nicht wenigerkonfliktträchtiger Mensch für mich – heißtGabriel. Zufall? Alles hängt zusammen undkann unserer Befreiung dienen.Haben wir die sich aufdrängenden negativenGefühle durch Annahme aufgelöst, dürfenwir (Schritt 2 und 3, s.o.) dort natürlich nichtstecken bleiben. Aus der inneren Weite undRuhe heraus, die durch Annahme entstan-den ist, erdenken wir uns unsere erwünsch-te Vision, den Lebensentwurf, der der höch-sten Version von uns selbst entspricht, diewir uns vorstellen können. Das sollten wirregelmäßig tun, am besten jeden Tag in be-wusster Atmosphäre, z.B. in einer Medita -tion. Auch lange Autofahrten eignen sichdafür, um diese Lebensvision gedanklich zuentwerfen. Wir sollten uns darüber klar wer-den, wie wir uns unser Leben und die (Wirt-schafts-)Welt vorstellen. Diese Vision darfsich nicht alle paar Tage ändern, weil wiruns nicht entscheiden können, sonst zerstreutsich die schöpferische Kraft in verschiedeneRichtungen, und nichts kann sich manife-stieren. Natürlich darf sie sich weiterent-wickeln und vervollkommnen. Nur sollte sichdabei eine klare Richtung herausbilden. EinBild entstehen, in das wir gedanklich ein-

tauchen und in dem wir uns selbst erlebenkönnen. Wo wir die Realität bereits ge-danklich vorwegnehmen können und unsdarin fühlen.Unsere Gefühle sind dabei dietreibende Kraft. Das Wort Emotion kommtvon E wie Energie und dem lateinischenWort motio, was Bewegung bedeutet. Daslat. Wort emovere (frz. émouvoir) bedeutet,sich aus etwas herausbewegen, sich empor-wühlen. Gefühle und Emotionen treiben unsund die Welt an und formen sie.

Die Vision schon jetzt leben

Da Gefühle, wie wir nun wissen, unabhän-gig von der äußeren Situation existieren kön-nen, sind sie für uns als Werkzeug geeignet,um die Brücke zu schlagen von unserem al-ten in unser neues Leben. Wir machen unsdazu phantasievoll bewusst, welche Gefüh-le wir in unserem neuen Leben in den neu-en Lebenssituationen fühlen wollen. DieseGefühle bringen wir nun in unser aktuellesLeben ein, da wo wir sind. Sehen wir in un-serer Lebensvision also z.B. Freundlichkeitim Umgang mit anderen Menschen als we-sentlich, so setzen wir diese Essenz bereitsheute – hier und jetzt – um und realisierensie unabhängig von der äußeren Situation.So schlagen wir die Brücke von da, wo wir

gerade stehen, zu unserer Lebensvision. Wirsind also selbst ab sofort freundlich zu so vie-len Menschen, wie wir nur können. Die nächste Person, die uns begegnet, istdie beste Gelegenheit, unsere Vision sofortzu leben. Seien wir also so freundlich, wie wirnur können. Aber bitte nicht nur aufgesetzt– es geht immer ums Fühlen. Auch für dieFreundlichkeit müssen wir uns zunächst in-nerlich öffnen. Aufkommende innere Blo -ckaden können wir wieder in der oben be-schriebenen Weise auflösen. Die Freund-lichkeit sollte aus dem Herzen kommen. Ge-nauso verfahren wir mit allen anderen Eigen -schaften, die wir in unserer Lebensvisionerdenken. Verlässlichkeit? Sei da verlässlich,wo du jetzt gerade bist. Ersehnst du einenliebevolleren Umgang der Menschen in denUnternehmen miteinander? Sei ab sofort lie-bevoll zu deinen Kollegen – fang’ mit denenan, wo es leichter fällt.

Sei die Veränderung!

So ist auch die Aussage von Mahatma Gan -dhi zu verstehen: Sei die Veränderung, die duin der Welt sehen willst! So schlägst du dieBrücke im Hier und Jetzt zum ersehnten neu-en Leben und wirkst effektiv an der Erschaf -fung einer besseren Welt mit. Die äußere Si-

tuation entwickelt sich entlang deiner neuenGedanken, bewusst eingenommenen Seins-zustände und umgesetzten Handlungen. Sohängt alles zusammen und gibt alles Sinn. DieWahrheit (nenne sie Gott, wenn du willst)ist alles und in allem zu finden. Im choleri-schen Chef wie in der duftenden Blüte. Nurdie Nichtakzeptanz dieser Realität und dieIdentifikation mit nur der guten Seite in unsschafft Leiden. Alles dient uns und unseremGlücklichsein. Alle uns begegnenden Um-stände sind nur Hilfsmittel, das sogenannteBöse in uns zum Vorschein zu bringen, umes mit dem Licht der Bewusstheit (Annah-me) heilen zu können. In diesem Sinne wün-sche ich allen, um glücklich zu sein, auch dasUnglücklichsein annehmen zu können.

Mit Liebe arbeiten

Zum Schluss möchte ich noch den libanesi-schen Dichter Khalil Gibran (1883–1931)zitieren, eine Stelle aus seinem berühmte-sten Werk (Der Prophet):»Aber wenn ihr in eurem Schmerz die Ge-burt ein Leid nennt und die Erhaltung desFleisches einen Fluch, der euch auf die Stirngeschrieben steht, dann erwidere ich, dassnur der Schweiß auf eurer Stirn das wegwa-schen wird, was geschrieben steht.Es ist euch auch gesagt worden, das Lebensei Dunkelheit, und in eurer Erschöpfunggebt ihr wieder, was die Erschöpften sagten.Und ich sage, das Leben ist in der Tat Dun-kelheit, wenn der Trieb fehlt, und aller Triebist blind, wenn das Wissen fehlt. Und alles Wissen ist vergeblich, wenn die Ar-beit fehlt, und alle Arbeit ist leer, wenn dieLiebe fehlt; und wenn ihr mit Liebe arbei-tet, bindet ihr euch an euch selber und an-einander und an Gott.Und was heißt, mit Liebe zu arbeiten? Esheißt, das Tuch mit Fäden zu weben, die auseuren Herzen gezogen sind, so als solle eu-er Geliebter dieses Tuch tragen. Es heißt, einHaus mit Zuneigung zu bauen, so als solleeure Geliebte in dem Haus wohnen. Es heißt,den Samen mit Zärtlichkeit säen und dieErnte mit Freude einbringen, so als solleeuer Geliebter die Frucht essen. Es heißt,allen Dingen, die ihr macht, einen Hauch eu-res Geistes einzuflößen.«

DIE WELT ALS GANZHEIT

Es gibt ein Wort für das innerliche Jasagen zu allem

und Annehmen von Allem: Liebe

PEER HENRIK BARCELONA,Jg. 74, zunächst klassi-sche Wirtschaftskarriere,dann auf der Sinnsuche.Begleitete seine anLungenkrebs erkrankteheutige Frau bis zurHeilung und Selbst ver -wirk lichung. Verbindetnun Ratio und Leistung mitspirituellem Verständnis

und Erleben. Dazu Retreats, Vorträge, Texte.www.SonneInsLeben.de

[

Page 14: Spirit 11/12-2014

66 November-Dezember 11-12/2014 · www.connection.de

or etwa 25 Jahren wurden die erstenWaldkindergärten gegründet. Mitt-lerweile gibt es davon in Deutschland

weit über tausend. Neben den üblichen Kin-dergartenzielen nimmt die Naturpädagogikin den Waldkindergärten einen bedeuten-den Stellenwert ein. Der Kindergarten Wich-telfreunde in Forst-Seifen im Westerwald wirdvegan geführt und erhielt im Jahr 2009 vonder Peta die Auszeichnung »Tierfreundlich-ster Kindergarten Deutschlands«. Da dieGrenze zwischen den Bundesländern NRWund Rheinland-Pfalz mitten durch unserenOrt verläuft, haben wir dafür gesorgt, dass dieKriterien für Waldkindergärten beider Bun-desländer erfüllt sind.Wir sind 70 km von Köln und 10 km vonWaldbröl entfernt. Hier ist der ideale Nähr-boden für die Vision einer besseren Weltfür die Zukunft unserer Kinder. Ökologie,Natur- und Umweltschutz sowie Natur-

pädagogik gewinnen immer mehr an Be-deutung für unsere Zukunft, deshalb wer-den in unserem Kindergarten Bildung, ge-sund Leben, Spielen, Lernen, Bewegung undgesund Essen ganz groß geschrieben. Un-ser Modell lässt die Waldkinder-Gemein-schaft die Natur spielerisch erfahren undmacht sie stark fürs Leben und ihren zukünf-tigen Schritt in die Grundschule.

Naturpädagogik

Eine lebenswerte Zukunft für die Mensch-heit basiert in erster Linie auf einer Pädago-gik, die die Grundsätze des harmonischenZusammenlebens vermitteln kann. Deshalberfolgt die Betreuung in unserem Kinder-garten in kleinen Gruppen. Unser Motto ist:Wir helfen einander! Wir sind liebevoll undeinfühlsam im Umgang mit den Kindern undrichten uns auf die jeweilige Individualität

VFL

ICK

R.C

OM

© P

HO

TOPH

ILD

E

Der WaldkindergartenWichtelfreunde

VON SIGRID BECKMANN-LAMB

PROMOTION

Heute in den Wald,morgen an die Uni!

Natur und Kultur treffen sich – im Bildungsprojekt von Sigrid Beckmann-Lamb

Page 15: Spirit 11/12-2014

www.connection.de · November-Dezember 11-12/2014 67

PROMOTION

wir den Bach. Auf der Wasseroberfläche tan-zen erste Blättchen. Sorgsam betten die Kin-dern Gräser auf dem Wasser und lassen sievon den kleinen Wellen sanft mittragen.Kann auch eine Nussschale, eine Eichel odergar ein Stein schwimmen?Weiter gehen die Versuche mit Stöcken,Zweigen und kleinen Muscheln. Am Uferfalten wir erste Schiffchen aus Papier. Baldtanzen ganze Schwärme mit weißen Segelndahin, werden am Ufer begleitet und wie-der aufgefangen. Später sitzen wir im Schat-ten eines großen Baumes, und ich erzähleden Kindern die Geschichte von zwei Frö-schen und ihrer Reise auf einem Floß.Dann fangen wir an zu schnitzen. Die Kin-der sitzen auf Baumstümpfen und bearbei-ten Stöcke. Sie schnitzen sie zurecht, so dasssie später mit dicker Schnur zu einem Floßverknotet werden können. Durch Wickeln,Binden und Schnüren entsteht schlussend-lich eine Fläche. Ein knallrotes Segel mit ei-nem Pferdewappen schmückt den Mast. Ei-ne lange Schnur und eine Spule zum Auf-wickeln wird festgeknotet und soll verhin-dern, dass uns das Floß entwischt. Und jetztendlich: Ab zum Bach!

Bildung und Mensch e.V., Holper Str. 1, D-57537 Forst-Seifen. Tel. 02742-8251. info@bildung-und-mensch.de.www.waldkindergarten-wichtelfreunde.de

Wir suchen noch eine vegan-vegetarischeWaldkindergartenerzieherin, die Lust hat, bei unsmitzumachen!

des Kindes aus, die wir fördern wollen, gemäßder jeweiligen Altersstufe. Die Kinder kön-nen hier Fühlung mit der Natur aufnehmen(auch mit ihrer inneren Natur), sie könnenstaunen, bewundern, sich wundern und vorallem: sich freuen! Der an das Vereinsge-bäude angrenzende Garten bietet ein le-bendiges und liebevoll gepflegtes Beispielder Eintracht von wilder und kultivierter Na-tur. Unser Kräuter- und Gemüsegarten istnicht nur optisch äußerst ansprechend ge-staltet, sondern lädt auch zur Mitarbeit undzum Verweilen ein. Auf abwechslungsreichenAusflügen und Streifzügen lernen die Kin-der rücksichtsvoll und achtsam mit der Tier-und Pflanzenwelt umzugehen.

Das Gelände

An der Holper Straße 1 in Forst-Seifen liegtdie Alte Schule, der Sitz des Waldkinder-gartens. Direkt neben dem Gebäude beginntdas Gelände des Naturkindergartens. Un-ser gesamtes Areal umfasst 11.000 Quadrat-meter. Es enthält einen Zwergenweiher, indem sich Kaulquappen tummeln, deren Ent-wicklung zum Frosch sich ganz nah verfol-gen lässt. Vielfältige Wassertierchen bringendie Kinder zum Staunen, Nachfragen undForschen. Hier wohnen auch zwei dicke, al-te Kröten. Wenn es still ist, zeigen sie sich.Libellen schwirren über diesem Plätzchen,und die Eichhörnchen vergraben zwischenden Baumstümpfen ihre Nüsse. Der parkähnlichen Gartenanlage schließtsich ein 5.000 Quadratmeter großes Wald-gebiet an. Dort ist genügend Platz zum Aus-toben, Klettern und Laufen. Trotzdem kön-nen wir dabei alle Kinder im Auge behal-ten. Anhand der in diesem Gebiet entsprin-genden Quelle und des Bachlaufes erschließtsich ein weiterer Naturkreislauf mit uner-schöpflichen Spielmöglichkeiten. Umge-stürzte Bäume lassen wir bewusst liegen,um der Abenteuerlust der Kinder zu genü-

gen und ihnen Möglichkeiten zum Ent-decken und Verstecken zu geben, und dieKindern können ein Feuchtbiotop mit denvielfältigsten Tier- und Pflanzenarten beob-achten. Damit ist hier in zwei Jahren Vorbe-reitung ein ideales, zur ganzheitlichen Na-turerfahrung geschaffenes Gelände vorbe-reitet worden, das für unsere kleinen Wald-kinder trotz der Größe in sich geschlossenund völlig überschaubar ist.

Wasser

Die Landschaft hier an der Grenze von Ber-gischem Land und Westerwald ist durchzo-gen von vielen Quellen, die sich überall ausder Erde drängen und in kleinen Bächendie Waldlandschaft bereichern. Immer wie-der entdecken wir neue solcher kleinen Was-serstraßen und fragen uns: Wo kommt all dasWasser her? Und wo mögen diese Strömeenden? So machen wir uns auf den Weg vonder Quelle stromabwärts. Wir folgen auf die-sen »Pilgerwegen« den Fragen und sprechendabei über den Wasserkreislauf und die Be-deutung des Wassers für Menschen, Tiere undPflanzen.Ein Quelle zu suchen ist etwas Wunderba-res. Den Ort aufzuspüren, an dem das Was-ser den Boden verlässt und als Bach seinenAnfang nimmt, begeistert die Kinder im-mer wieder aufs Neue. Es regt sie zu weite-rem Forschen an: Was macht das Wasser un-ter der Erde? Wie kann es von selbst auf-steigen? Bachabwärts begleiten wir das Was-ser auf seiner Reise ein Stück weit und über-lassen es dann wieder seinem Schicksal. Esweiterziehen zu sehen, gibt zu Gedanken-reisen Anlass: Wir sehen uns Bilder vonBächen, Flüssen, Seen und dem Meer an undstellen uns vor, wir selbst wären ein TropfenWasser auf der Reise …

Boote bauen

Der Frühling lockt, und wir schwärmen ausin die Natur. In heiterer Stimmung erreichen

»Ihr müsst die Menschen

lieben, wenn ihr sie

ändern wollt«

Johann Heinrich Pestalozzi

SIGRID BECKMANN-LAMB istdie Gründerin des »SeifenerModells« und des Wald -kinder gartens Wichtel -freunde. www.seifener-modell.de,www.bildung-und-mensch.de

[

Beste Bildung von Anfang an!• Maximal 7 Kinder pro Gruppe

• Lernen mit Leib & Seele – Starkmachen fürs Leben

• Für die Kleinen nur das Beste: Go Veggie!

• Ohne Pauken Basiskenntnisse in Englisch und Französisch

• Förderung von Intelligenz, Kreativität und Entdeckergeist

• Bildung eines reichen Wortschatzes

• … und das alles mit viel Spaß und frischer Luft