Sprachkontakte -...

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1 Universität Konstanz, FB Sprachwissenschaft Vorlesung: Einführung in die Linguistik, WS 2005/06 Sprachkontakte Björn Wiemer Inhalt: 1. Sprachkontakt-Forschung und ihre Bezüge zu anderen Teildisziplinen 2. Kontaktsituationen und Kontaktresultate 3. Fallbeispiele zu verschiedenen sprachlichen (strukturellen) Ebenen 4. Kontaktagglomerationen: Sprachbünde & Konsorten 5. Makro- und Mikro-Areale / Makro- und Mikro-Effekte Skript 1 1. Sprachkontakt-Forschung und ihre Bezüge zu anderen Teildisziplinen Man kann sagen, dass Sprachkontakt-Forschung sich allgemein mit den Auswirkungen des Kontakts zwischen Sprechern verschiedener Sprachen (Dialekte etc., allgemein: von Lekten) auf die phonologische, grammatische (morphosyntaktische) und/oder lexikalische Struktur der betreffenden Sprachen (Lekte) beschäftigt. Sie untersucht damit eigentlich einen wesentlichen Teil von Sprachwandel, seine Ursachen und Ausprägungen. Obwohl die Erfassung und Beschreibung von Sprachkontakten (sowohl in struktureller wie in soziolinguistischer Hinsicht) synchron erfolgen kann, müssen somit diachrone Aspekte stets berücksichtigt werden. Man spricht in der Regel von den kontaktierenden Sprachen als einer Erstsprache (L1) und einer Zweitsprache (L2); die Struktur der L2 wird durch Interferenzen mit der L1 verändert: (1a) L1 × L2 L2' . Aber auch L1 selbst kann sich durch den Einfluß von L2 verändern: (1b) L1 × L2 L1' . Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass sich aus L1 und L2 besondere Mischformen ergeben: (1c) L1 × L2 L1'×2' (bzw. L3). Dies ist vor allem bei besonders extremen Bedingungen des Sprachkontakts der Fall. Ich komme weiter unten auf die in (1a-c) skizzierten Kontaktsituationen zurück. Als ein „Fernziel“ der Sprachkontakt-Forschung darf man weiterhin eine Typologie (Klassifizierung) des Sprachkontakts ansehen, die auch (in begrenztem Ausmaße) Voraussagen über den Verlauf struktureller Veränderungen in einer jeweils gegebenen Kontaktsituation erlauben würde. Die Realisierung eines solchen Ziels ist aber noch längst nicht in Sicht. Da es um eine Erfassung struktureller Auswirkungen des Sprachkontakts geht, müssen theoretische Vorannahmen und Beschreibungsmodelle aus der deskriptiven Linguistik zugrundegelegt werden, d.i. der Theorie zur Phonologie, Morphologie, Syntax, Semantik/Pragmatik und des Lexikons natürlicher Sprachen. Einerseits ist die Beherrschung

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Universität Konstanz, FB Sprachwissenschaft Vorlesung: Einführung in die Linguistik, WS 2005/06

Sprachkontakte Björn Wiemer

Inhalt: 1. Sprachkontakt-Forschung und ihre Bezüge zu anderen Teildisziplinen 2. Kontaktsituationen und Kontaktresultate 3. Fallbeispiele zu verschiedenen sprachlichen (strukturellen) Ebenen 4. Kontaktagglomerationen: Sprachbünde & Konsorten 5. Makro- und Mikro-Areale / Makro- und Mikro-Effekte

Skript 1

1. Sprachkontakt-Forschung und ihre Bezüge zu anderen Teildisziplinen Man kann sagen, dass Sprachkontakt-Forschung sich allgemein mit den Auswirkungen des Kontakts zwischen Sprechern verschiedener Sprachen (Dialekte etc., allgemein: von Lekten) auf die phonologische, grammatische (morphosyntaktische) und/oder lexikalische Struktur der betreffenden Sprachen (Lekte) beschäftigt. Sie untersucht damit eigentlich einen wesentlichen Teil von Sprachwandel, seine Ursachen und Ausprägungen. Obwohl die Erfassung und Beschreibung von Sprachkontakten (sowohl in struktureller wie in soziolinguistischer Hinsicht) synchron erfolgen kann, müssen somit diachrone Aspekte stets berücksichtigt werden.

Man spricht in der Regel von den kontaktierenden Sprachen als einer Erstsprache (L1) und einer Zweitsprache (L2); die Struktur der L2 wird durch Interferenzen mit der L1 verändert: (1a) L1 × L2 → L2' . Aber auch L1 selbst kann sich durch den Einfluß von L2 verändern: (1b) L1 × L2 → L1' . Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass sich aus L1 und L2 besondere Mischformen ergeben: (1c) L1 × L2 → L1'×2' (bzw. L3). Dies ist vor allem bei besonders extremen Bedingungen des Sprachkontakts der Fall. Ich komme weiter unten auf die in (1a-c) skizzierten Kontaktsituationen zurück.

Als ein „Fernziel“ der Sprachkontakt-Forschung darf man weiterhin eine Typologie (Klassifizierung) des Sprachkontakts ansehen, die auch (in begrenztem Ausmaße) Voraussagen über den Verlauf struktureller Veränderungen in einer jeweils gegebenen Kontaktsituation erlauben würde. Die Realisierung eines solchen Ziels ist aber noch längst nicht in Sicht. Da es um eine Erfassung struktureller Auswirkungen des Sprachkontakts geht, müssen theoretische Vorannahmen und Beschreibungsmodelle aus der deskriptiven Linguistik zugrundegelegt werden, d.i. der Theorie zur Phonologie, Morphologie, Syntax, Semantik/Pragmatik und des Lexikons natürlicher Sprachen. Einerseits ist die Beherrschung

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solcher Grundlagen (bzw. die Vertrautheit mit entsprechenden Theorien) eine Voraussetzung für eine sinnvoll betriebene Sprachkontakt-Forschung, andererseits ist gerade auch bei der Untersuchung von Sprachkontakten darauf zu achten, dass die theoretischen deskriptiven Voraussetzungen einheitlich sind (so z.B. bei der Bestimmung grammatischer vs. lexikalischer Kategorien oder in Theorien des Lexikons, welche häufig wesentliche Teile der Grammatik integrieren). Andernfalls gerät man in Gefahr, artifizielle Gegenüberstellungen zu schaffen. Ferner ist es gerade beim Sprachkontakt (der Erklärung seiner Folgen) oft wichtig, nicht so sehr auf abstrakte Muster sprachlicher Strukturen zurückzugreifen, sondern auf die konkrete (phonetische, lineare etc.) Realisierung solcher Strukturen (vgl. dazu etwa Transfers von phonetischen Assimilationsregeln, weiter unten illustriert anhand von Bsp. 12-17, oder die Nachbildung sekundärer Präpositionen in Bsp. 22). Eine weitere unabdingbare Voraussetzung der Erforschung von Sprachkontakten stellen empirische Methoden der Datenerhebung und -auswertung dar, insbesondere Methoden der Feldforschung. (Hierbei können Erkenntnisse und Vorgehensweisen der empirischen Sozialforschung von Nutzen sein.)

In expliziter Form stellt Sprachkontakt-Forschung eine ausgesprochen junge Teildisziplin dar. Obwohl Kontakte zwischen Sprachen (inkl. Dialekten) so alt sind wie die Menschheit (d.i. so alt wie man distinkte Sprecherkollektive unterscheiden kann) und die ein- oder gegenseitige Beeinflussung zwischen Sprachen seit mindestens 150 Jahren Gegenstand wissenschaftlichen Interesses darstellt, hat es bis vor relativ kurzer Zeit keinen Forschungszweig gegeben, der sich speziell auf die Beschreibung und Klassifizierung von Sprachkontakten sowie deren Auswirkungen auf die Struktur von Sprachen konzentriert hätte1. Von objektiven Schwierigkeiten in der Klassifizierung (und somit auch Beschreibung) von Sprachkontakt-Situationen (d.i. von Schwierigkeiten, die in der Natur der Sache selbst begründet liegen) soll im Verlauf der Vorlesungen noch die Rede sein. Es sei betont, dass der Ausdruck ‘Sprachkontakt’ genau genommen ein Kürzel ist; gemeint sind damit immer Kontakte zwischen Sprechern, die sich zweier oder mehrerer Lekte bedienen, d.i. die in einem weiten Sinn zwei- bzw. mehrsprachig sind2. Wenn also im weiteren von ‘Sprachkontakt’ die Rede ist, so sollte dabei im Auge behalten werden, dass die strukturellen Besonderheiten, welche durch Sprachkontakt entstehen und welche ein Ausdruck des Sprachwandels sind (und allein diese sollen hier im Zentrum der Ausführungen stehen), im Grunde das sekundäre Produkt dynamischer Vorgänge ausmachen, welche durch die kontinuierliche Konfrontation mehrsprachiger Sprecherkollektive entstehen. Sprachkontakte setzen also bestimmte soziale Gegebenheiten und kommunikative Motive voraus. Man könnte sie demnach auch nach diesen externen Bedingungen ordnen. Allerdings ist es bislang offenbar nicht gelungen, mehr oder minder klare Korrelationen zwischen sozial-kommunikativen Rahmenbedingungen des Sprachkontakts und seinen strukturellen Auswirkungen zu ermitteln, so dass Aussagen zu soziolinguistischen, historischen und sonstigen externen Bedingungen des weiteren eher nur als Hintergrund-Information erfolgen.

Zwei weitere Einschränkungen wären hier zu machen. Die eine betrifft das „Medium“ des Sprachkontakts. Gesprochene Sprache wird hier als primäre Realisierungsform betrachtet, geschriebene als sekundäre; dies nicht zuletzt auf einem historisch-anthropologischen Hintergrund. Aus dieser Sicht spielen sich Sprachkontakte in unmittelbarer Kommunikation (‘face to face’) ab, und ihre Resultate sind zunächst auf dieser Ebene zu beurteilen. Für eine vollständige Erfassung von Sprachkontakt-Situationen (sowie entsprechend von

1 Vgl. dazu Oksaar (1996) im HSK-Band ‘Kontaktlinguistik’ und die Einleitung zu demselben. 2 Unter Umständen kann sogar die lediglich passive Beherrschung (das Hörverständnis) einer anderen Sprache (eines anderen Lekts) zu einer Veränderung in der primär gesprochenen (beherrschten) Sprache führen.

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Sprachkontakt-Produkten) wäre sicherlich die Berücksichtigung schriftlicher Kommunikationsformen erforderlich; doch diese werden hier bewußt vernachlässigt.

Die zweite Einschränkung bezieht sich auf das „soziale Format“: zu dauerhaften (konventionalisierten) Veränderungen in der Sprachstruktur kann es nur kommen, wenn der Sprachkontakt nicht individuell, sondern kollektiv ist, d.i. möglichst viele Sprecher einbezieht, innerhalb derer okkasionelle Veränderungen zwischen einzelnen Sprechern (welche tagtäglich geschehen) auch sozial expandieren (propagiert werden) können. In diesem Sinne unterscheiden sich Sprachwandel-Prozesse, die durch Sprachkontakt entstehen, nicht von spezielleren Sprachwandel-Prozessen (wie z.B. Grammatikalisierung). Berücksichtigt werden kann also nur kollektiver, nicht individueller Sprachkontakt3. Zu den folgenden linguistischen Teildisziplinen weist die Sprachkontakt-Forschung (Kontaktlinguistik) nähere Bezüge auf: 1) Areallinguistik Sie beschäftigt sich mit strukturellen Konvergenzen zwischen Sprachen (Lekten) in geographisch zusammenhängenden Gebieten, unabhängig von sprachgenetischer Zusammengehörigkeit. Konvergenzen werden dabei in der Regel über Sprachkontakte erklärt. Sie führen oft zu einem arealen Bias, d.i. zu typologisch auffälligen strukturellen Merkmalen (und deren Anhäufungen), welche nicht ohne Sprachkontakt über „genetische“ Grenzen hinweg erklärt werden können. Dadurch ergibt sich auch eine enge Wechselwirkung mit der Typologie. 2) Typologie Ihr Ziel besteht in der Erfassung und Erklärung der Einheit in der Vielheit, d.i. der natürlichen Sprachen zugrunde liegenden Muster des Ausdrucks kategorialer Unterscheidungen sowie der Unterscheidung von Lautstrukturen, morphologischen Formen und syntaktischer Strukturen, die übereinzelsprachlich festgestellt werden können. Die Typologie strebt auf empirischen Weg eine Ermittlung von strukturellen und funktionalen Universalien an. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei Hierarchien und einseitig gerichteten Implikationen, die die allgemeine Gestalt der Formel ‘Wenn A, dann B’ (aber nicht notwendig umgekehrt!) aufweisen. (Vgl. das in Konstanz entwickelte Universals Archive und WALS 2005. Näheres dazu in der Vorlesung von Frans Plank.) Idealiter kommt man dadurch zu Schlüssen über Merkmale (Formen und deren Funktionen), welche in Sprachen nebeneinander auftreten können oder welche einander sogar bedingen (d.i. in einem kausalen Zusammenhang stehen). Man gelangt dabei auch zu Aussagen (Hypothesen) über allgemeine Kategorisierungsprinzipien in Sprachen und über (synchrone und diachrone) Beziehungen zwischen Kategorien und ihren Ausdrucksmustern (Konstruktionen, Paradigmen, Verteilungen).

Es gilt die „Nullhypothese“, daß bei sprachkontakt-bedingten Veränderungen diese Prinzipien und Beziehungen eingehalten werden; es können aber auch typologisch auffällige Kategorisierungen und/oder Ausdrucksformen auftreten – was dann Indizien gerade für sprachkontakt-bedingte Veränderungen liefern kann. Als Hintergrund (Vergleichsgröße) dient dabei ein jeweils entsprechend größeres Areal. Dieses ist entweder der ganze Erdball (wie Typologen es generell ansetzen; vgl. Nichols 1992) oder ein Areal von kontinentalem, subkontinentalem oder noch kleinerem Ausmaß (zu dieser Problematik vgl. Wiemer 2004 sowie noch die Abschnitte 4 und 5). 3 Vgl. eine analoge Unterscheidung zwischen ‘bilingualism’ und ‘bilinguality’ bei Hamers/Blanc (1989: 6).

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3) Kreolistik Kreolsprachen entstehen aus Pidgins. Letztere wiederum sind das Ergebnis extremer Formen von Sprachkontakt, in welchen man – auf etwas vereinfachende Weise gesprochen – von einer „lexifizierenden“ Sprache ausgehen kann, deren Grammatik in radikaler Art vereinfacht ist (und damit dem isolierenden Typ entspricht, d.i. praktisch keine grammatischen Morpheme aufweist) und am ehesten kognitiv privilegierten Diskursprinzipien gehorcht. Pidgins entstehen, wenn Sprecherkollektive aufeinandertreffen, die sich gegenseitig nicht über eine bereits bestehende Sprache verständigen können. In diesen Sinne sind Pidgins Sprachen ohne Muttersprachler; sie können aber zum Ausgangspunkt für die Entwicklung einer komplexeren und stärker konventionalisierten Grammatik (mit eigener Norm) werden, die schließlich sogar standardisiert und zur Basis muttersprachlichen (d.i. eines natürlichen Erstsprach-)Erwerbs werden könnte. Wenn das geschieht, spricht man von Kreolsprachen. Man kann wohl zwei Hauptformen von Pidgins unterscheiden4: die verbreitetere Form scheint diejenige gewesen zu sein, bei der eine europäische Prestigesprache (Portugiesisch, Spanisch, Englisch, Französisch, Deutsch, Niederländisch) von Einheimischen oder Sklaven in entfernteren Weltgegenden als Lingua Franca akzeptiert werden musste. Die L1 der Sprecher war dabei in der Regel nicht einheitlich. Der Erwerb der L2 (= der europäischen Kolonialsprache) war sehr rudimentär; das lexikalische Material stammte aus dieser Prestigesprache (sie wird deshalb auch als „lexifier language“ bezeichnet), es konnte dabei zu einem großen Teil phonetisch verändert werden5. Eine solcherart rudimentäre Sprache wurde den Kindern weitergegeben, und sie zwang auch die L1-Sprecher der Prestigesprache, sich im Umgang mit den L2-Sprechern an diese Sprachform anzupassen. Mit der Zeit stellte sich so ein Usus ein. Diese Art von Pidgins ist im wesentlichen eine Art linguistisches Produkt aus der Kolonialzeit. Die andere Form des Pidgins unterscheidet sich von der ersten vor allem aus soziolinguistischer Sicht, nicht jedoch in ihren strukturellen Eigenheiten. Bei ihr gibt es kein (oder nur ein wesentlich geringeres) Prestigegefälle zwischen den beteiligten Kontaktsprachen, aus denen sich ein Pidgin ergibt; und es diente nicht als Input-Sprache für den Spracherwerb einer nachfolgenden Generation (weshalb sich aus ihm auch kein Kreol entwickelt). Zwei der bekanntesten Fälle sind das chinesisch-englische Pidgin, entstanden im 19. Jahrhundert in südchinesischen Hafenstädten, und das Russenorsk, ein russisch-norwegisches Pidgin, gesprochen von Händlern um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert am europäischen Eismeer. 4) Soziolinguistik (inkl. Dialektologie) Soziolinguistik wäre von der ‘Soziologie des Sprechens’ und der Ethnolinguistik abzugrenzen. In ersterer geht es um die strukturellen, d.i. linguistisch erforschbaren Manifestationen sozialer (sowie zum Teil auch biologischer) und kommunikativ bedingter Unterschiede6 innerhalb größerer Sprecherkollektive, letztere sind dagegen eine Teildisziplin der Soziologie bzw. der Ethnologie (vgl. dazu die Ethnologie des Sprechens als eigenen Forschungszweig); sie gehen damit von anderen Ziel- und Akzentsetzungen aus. Im „klassischen“ Sinne konzentriert sich die Soziolinguistik (vor allem im angelsächsischen Raum) auf die Erforschung der Kovarianz zwischen sprachlichen (strukturellen) Variablen und solchen Parametern wie Alter, Geschlecht und soziale Zugehörigkeit (vgl. Chambers 4 Zur Entstehung und den Arten von Pidgins und Kreolsprachen gibt es verschiedene, zum Teil divergierende Standpunkte. Für gute Überblicke vgl. Bechert/Wildgen (1991: 129ff.), Thomason/Kaufman (1991: Kap. 7). 5 So stellt die Bezeichnung ‘Pidgin’ selbst eine Verballhornung von engl. business dar. Sie entstammt dem chinesisch-englischen Pidgin aus dem 19. Jahrhundert, welches allerdings dem zweiten Haupttyp entspricht (s.u.). 6 Sie wird auch als „sekulär“ bezeichnet. Als klassisches Beispiel einer solchen Arbeit kann man etwa auf Labov (1972) verweisen.

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1995: 17f.). Dialektologie stellt in diesem Sinne nur eine Teildisziplin der Soziolinguistik dar (vgl. dazu Chambers/Trudgill 1980). In anderen Traditionen (als der angelsächsischen) lässt sich hinter der Gegenüberstellung von Soziolinguistik und Dialektologie oft noch eine (zumindest implizite) Unterscheidung zwischen sozial bedingter Variation im städtischen Bereich (→ Soziolinguistik) vs. ländlichen Bereich (→ Dialektologie) erkennen, welche aber zunehmend verschwindet. Man könnte demnach auch sagen, daß – in Anlehnung an eine gängige Unterscheidung von Coseriu (1988: 25) – die Soziolinguistik sich primär mit diatopischer (= durch soziale Schichten bedingter) Variation beschäftigt, die Dialektologie dagegen vorrangig mit diastratischer (= regional differenzierter) Variation. Ursprünglich besitzt die Dialektologie ihre Wurzeln in der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft des 19. Jahrhunderts7 und diente nicht zuletzt als „Materiallieferant“ für sprachgenetische Zusammenhänge, da man in Dialekten oft archaische Züge entdeckte, welche bei der Rekonstruktion früherer Sprachzustände hilfreich sein konnten. Man kann sowohl Dialektologie (im engen, „diatopischen“ Sinne) wie auch Soziolinguistik ebenso unter dem Gesichtspunkt von Sprachkontakten betrachten, und zwar sowohl hinsichtlich Kontakten zwischen Varietäten einer Sprache wie auch über Sprachgrenzen hinweg. Letzteres ist der geläufigere Fall, und er führt auch zu weniger Abgrenzungsproblemen zwischen den beteiligten Varietäten. 5) Mehrsprachigkeit, Zweitsprach-Erwerb Da Sprachkontakte (und damit verbundene sprachliche Veränderungen) über zwei- oder mehrsprachige Sprecher erfolgen, sind die Berührungspunkte der Sprachkontakt-Forschung mit Mehrsprachigkeit und Zweitsprach-Erwerb offensichtlich. Diese gehen aber in jedem Fall über eine „Fehleranalyse“ hinaus. Vor allem deshalb, weil es aus der Sicht des Sprachkontakts (und seiner strukturellen Folgen) unangemessen wäre, von „Fehlern“ zu sprechen. Man könnte allenfalls von Abweichungen gegenüber einer jeweiligen Standardnorm einer der Kontaktsprachen (Lekte) reden. Spezielle Phänomene, die im Rahmen der Forschung sowohl zu Sprachkontakten als auch zur Mehrsprachigkeit behandelt werden, sind das Code-Switching und sog. „Ausländerregister“ (eng. „foreigner talk“ u.ä.). Auf das Code-Switching komme ich noch zurück. Unter einem Ausländerregister versteht man in der Regel eine Varietät einer Sprache Lx (z.B. des Deutschen), die aufgrund unvollständigen L2-Erwerbs in grammatischen Kernbereichen (sowie eines relativ rudimentären Wortschatzes) zu gegenüber der Standardnorm dieser Sprache stark vereinfachten Strukturen führt. Diese Strukturen gleichen in Extremfällen denen eines Pidgin (s.o.). In ihnen fehlen vor allem morphologische Markierungen innerhalb von Wortformen (Kasus- oder Tempusendungen u.ä.) und Funktionswörter (Artikel, Konjunktionen, Präpositionen etc.), und die lineare Gliederung der Äußerung (Abfolge der Wortformen) richtet sich nach sprachübergreifenden pragmatischen Regeln der Topic-Comment-Regelung. Vgl. dazu folgende Beispiele: (2) meine Dorf Malatya gehen, Malatya Zug nehmen und weg, Berlin kommen und hier wohnen (zit. aus: Dittmar/Kuhberg 1988: 315)

(3) jaa, misc zä gec güüdcrabfärdig)q l (= Ja, da müssen Sie zur Güterabfertigung nach L. gehen.) (zit. aus: Jakovidou 1993: 60)

(4a) ich nicht komme Deutschland – Spanien immer Bauer arbeite 7 Darin gleicht sie der Typologie.

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(4b) ich alleine – nicht gut (4c) dieses Jahr Winter gut, nicht kalt, nicht Schnee, verstehst du – immer fort, Zement fort; vielleicht Schnee, vielleicht kalt, Zement nicht fort – keine Arbeit

(zit. aus: Dittmar 1982: 22f.) Ähnlich wie bei Pidgins tritt beim „foreigner talk“ die Erscheinung auf, dass kompetente L1-Sprecher („Muttersprachler“) sich einer solchen Sprechweise anpassen und damit auch zur Verfestigung einer derartig simplifizierten Grammatik beitragen (vgl. dazu u.a. Jakovidou 1993). 2. Kontaktsituationen und Kontaktresultate Halten wir noch einmal eines fest. Die Geschichte der Menschheit (und damit auch der Sprachen) zeigt: Mehrsprachigkeit ist die Regel, Einsprachigkeit die Ausnahme! 2.1. Externe Bedingungen und Voraussetzungen des Erwerbs der L2

• Substrat vs. Adstrat / Superstrat Häufig wird zwischen Sub-, Super- und Adstrat nur unter einer soziolinguistischen Perspektive unterschieden: das Substrat stellt dann die Lx der Sprechergemeinschaft dar, die sozial untergeordnet sind, das Superstrat die Ly der Sprechergemeinschaft, die sozial übergeordnet (dominant) ist, und ein Adstrat wäre der Einfluß einer Lz, deren Sprecher in keiner sozial (politisch, ökonomisch) klaren Position zu den Sprechern der Lx stehen (z.B. weil sie die Sprache eines geographisch benachbarten Volksstammes ist). Dabei wird angenommen, dass die Ergebnisse des Einflusses von Substraten einerseits und bei Super- und Adstraten andererseits identisch sein können. In der Tat zeigt sich jedoch, dass die Richtung des sprachlichen Einflusses von unmittelbarer Relevanz für das Ergebnis des Sprachkontakts ist und Sub- vs. Superstrat nicht bloß komplementäre (konverse) Ausdrücke für dasselbe sind. Substrate setzen immer einen Sprachwechsel voraus: die Sprecher von Lx wechseln (oft im Laufe weniger Generationen) zu Ly als Primärsprache. Dadurch verändert sich die Struktur von Ly in anderer Art als dann, wenn Lx von seinem Super- oder Adstrat Ly nur durch „soziale Dominanz“ oder „nachbarschaftliche Beziehungen“ beeinflusst werden würde8. Im letzteren Fall lässt sich allgemein von Entlehnung reden. Nach Breu (1994: 46) können wir diesen Unterschied schematisch wie folgt darstellen: (5) Kontakttypen: Adstrat / Superstrat Substrat = Entlehnung = Spracherwerb (→ Spracherhalt) (→ Sprachwechsel) Lx ← Ly ⊃ Lx' Lx → Ly ⊃ Ly' Dazu folgende Beispiele: (i) Der Verlust der morphologischen Kasus im Balkanslavischen (Breu 1994: 45f.): Die slavischen Sprachen Bulgarisch und Makedonisch haben – im Gegensatz zu den restlichen slavischen Sprachen – ihre Kasusformen verloren. Syntaktische Relationen von Nominalphrasen werden nunmehr nur noch über endungslose Substantive mit Präpositionen ausgedrückt, so wie dies im Englischen oder den romanischen Sprachen auch der Fall ist. Diese Innovation gegenüber dem Altbulgarischen (sowie dem Gemeinslavischen) ist durch ein romanisches Substrat auf dem Balkan erklärbar. Nach dem Untergang des Römischen Reiches sind auf dem Balkan vulgärlateinische Varietäten entstanden, bei denen die 8 Im Zusammenhang damit geht Lx in der Regel gänzlich verloren, bei einer Super- oder Adstrat-Situation ist dies nicht zwingend der Fall.

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ehemaligen morphologischen Kasus des Lateinischen durch Präpositionalkonstruktionen ersetzt worden sind. Dieser Prozeß war bereits in vollem Gange, als die Slaven auf dem Balkan erschienen (nach dem 6. Jh. n. Chr.). Deren Sprache (= Ly) wurde von den Romanischsprachigen erlernt, allerdings in einer Form, die den morphologischen Eigenheiten der vulgärlateinischen Varietäten entsprach. Schließlich erfolgte auch ein Sprachwechsel, infolge dessen das Romanische (= Lx) „vergessen“ wurde. Anders dagegen im Fall des Moliseslavischen in Süditalien. Vereinfacht gesprochen stellt das Moliseslavische eine Nachfolgeform eines kroatischen Dialekts dar, der vor über 400 Jahren im dalmatinischen Hinterland gesprochen wurde. Sprecher dieses Dialekts wanderten nach Süditalien (in das Hinterland von Brindisi) aus, erhielten untereinander ihre Sprache (= Lx), unterlagen aber mit der Zeit immer stärker Einflüssen des örtlichen Italienischen, später auch des Standarditalienischen (= Ly). Obwohl aber das Italienische (als gewissermaßen eine Fortsetzung vulgärlateinischer Formen auf der Appeninen-Halbinsel) keine morphologischen Kasus aufweist, ist das moliseslavische Kasussystem nicht verlorengegangen. In diesem Fall hat kein Sprachwechsel stattgefunden, der italienische Einfluß auf das Moliseslavische kann als Adstrat qualifiziert werden. Vgl. dazu einen tabellarischen Vergleich der Kasussysteme: Tabelle 1: Vergleich von Kasussystemen bei Substrat- vs. Adstrateinfluß ‘(ein) Dorf’ altbulg. moliseslav. italienisch

(≅ vulgärlatein.) bulg. (‘Stadt’)

Nom. Sg. gradъ grad [un] paese grad Gen. Sg. grada (do) grada di [un] paese na grad Dat. Sg. gradu gradu a [un] paese na grad Akk. Sg. gradъ grad [un] paese grad Ins. Sg. gradomъ s gradom con [un] paese s grad

(ii) Der Ausdruck der Possession durch eine adessive Konstruktion im Russischen: Slavische Sprachen besitzen, wie die meisten anderen europäischen Sprachen auch, ein Verb, welches allgemein zur Angabe des Besitzes und der Zugehörigkeit verwendet wird, d.i. ein habere-Verb; vgl. russ. imet’, tschech. mít usw. (< gemeinslav. *iměti, imati). Im Russischen wird dieses Verb aber sehr eingeschränkt verwendet, und zur Angabe des Besitzes (Zugehörigkeit) dient eine Konstruktion mit der adessiven Präposition u ,bei’ (+ GEN); vgl. die russische Konstruktion (6) gegenüber etwa der polnischen (7), welche derjenigen in den germanischen und romanischen Sprachen (mit einem habere-Verb) entspricht: (6) russ. U menja gripp (tarelka supa, brat, den’gi, stipendija). bei ich.GEN Grippe.NOM

(7) poln. Mam grypę (talerz zupy, brata, pieniądze, stypendium). haben.1.SG.PRS Grippe.AKK ,Ich habe Grippe (einen Teller Suppe, einen Bruder, Geld, ein Stipendium).’ Russisch bildet die nordöstliche Peripherie der slavischen Sprachlandschaft. Es wird auf einem Gebiet gesprochen, welches relativ spät (erst ca. ab dem 7. Jh. n. Chr.) von Slaven besiedelt wurde und auf welchem zuvor bereits finno-ugrische Völkerschaften lebten. Die Konstruktion mit u+GEN (s. Bsp. 6) entspricht der possessiven Konstruktion in diesen Sprachen; aller Wahrscheinlichkeit nach entstand sie durch den Sprachwechsel ostseefinnischer (= Lx) Sprecher zum Russischen (nördlichen Ostslavischen = Ly).

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(iii) Das „hot news“-Perfekt des irischen Englisch: Für das irische Englische sind Konstruktionen belegt, die den Nachzustand einer Person nach einem bestimmten Ereignis bezeichnen. Im Gegensatz zum gewöhnlichen Present Perfect wird diese Konstruktion nicht mit have gebildet (She has sold the boat.), sondern mithilfe einer Gerundialform (auf -ing) und der Präposition after; vgl. (8) She’s after selling the boat. (= She has just sold the boat.) Als Komplement der Präposition kann auch ein gewöhnliches Substantiv stehen, z.B. (9) He’s after the flu. (= He just had the flu.) (Vgl. Heine/Kuteva 2005:102 mit weiteren Angaben.) Im Keltischen – darunter auch im Irischen – sind solche Konstruktionen an der Tagesordnung. Ihr Eindringen ins Englische in Irland darf im Zusammenhang mit einem Sprachwechsel der ursprünglich irisch (= Lx) sprechenden Bevölkerung zum Englischen (= Ly) bewertet werden. Es handelt sich also auch hier um ein Substrat. (iv) Prädikative Possession bzw. existenzielle Kopula: Von einem (vermutlich ebenso keltischen) Substrat darf man bei der französischen Konstruktion il y a (+ NP) ausgehen. Hier wurde das Possessionsverb avoir ,haben’ zu einem Teil einer Kopula-Konstruktion, die die Existenz eines Referenten ausdrückt, welcher auf diese Kopula folgt. Wenn nun allerdings im alemannischen Deutschen statt der standarddeutschen Kopula-Konstruktion es gibt (+ NP) eine analoge Konstruktion es hat (+ NP) verwendet wird, dann handelt es sich hier um ein Adstrat. Denn es findet kein Sprachwechsel statt; die Lx (= Deutsch) wird nur durch Einfluß einer Ly (= Französisch) verändert.

• soziolinguistische Dominanz, Sprecherzahl Im allgemeinen lässt sich sagen, dass soziale Variablen verhältnismäßig wenig Voraussagen darüber erlauben, welcher Art die strukturellen Ergebnisse des Sprachkontakts sein werden. Als einigermaßen zuverlässig erweisen sich in dieser Hinsicht anscheinend nur die Proportionen der Sprecherzahlen der Kontaktsprachen zueinander: je mehr Sprecher der Sprache Lx gegenüber einer deutlich kleineren Anzahl von Sprechern einer Ly existieren, desto wahrscheinlicher ist es, dass nur Ly von Lx beeinflusst wird. Nehmen wir weiter an, dass Lx in allen Bereichen des privaten und öffentlichen Lebens funktioniert, Ly dagegen nur im privaten Bereich seiner primären Sprecher (L1-Sprecher). Damit korreliert gewöhnlich die Erscheinung, dass die L1-Sprecher von Ly zugleich Lx sprechen, die L1-Sprecher von Lx jedoch in aller Regel nicht Ly. Die kollektive Zweisprachigkeit ist dadurch asymmetrisch, und im allgemeinen werden immer mehr Sprecher von Ly zu Lx übertreten (bis in einer der Folgegenerationen kein Sprecher mehr Ly aktiv beherrscht). Damit wird der Einfluß von Lx auf Ly zu einem Adstrat (oder Superstrat).

Ob sich dagegen in Lx ein Substrat aus Ly finden wird, hängt offenbar am ehesten von der M e n g e der noch verbleibenden Ly-Sprecher ab. Im Zusammenhang damit spielt es ferner eine Rolle, wie hoch der Anteil an z w e i s p r a c h i g e n Lx-Ly-Sprecher aus beiden (allen) Teilen der „Kontaktgemeinschaft“ ist. Schließlich sollte noch darauf verwiesen werden, dass sich u.U. ein dritter Faktor darauf auswirkt, ob sich in Lx ein Substrat aus Ly festsetzt, nämlich: das T e m p o des Sprachwechsels von Ly zu Lx, gemessen z.B. anhand der Anzahl von Generationen, die der Sprachwechsel von einsprachigen Ly-Sprechern zu einsprachigen

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Lx-Sprechern braucht. Dieser Faktor ist in der Praxis aber von den beiden anderen schlecht isolierbar, und er zeitigt in Abhängigkeit von bestimmten (noch näher zu klärenden) Umständen genau entgegengesetzte Wirkung. Denn man kann zwei (genau entgegengesetzte) Fälle beobachten:

(a) je größer die Menge der zweisprachigen Ly-Sprecher und je s c h n e l l e r der Sprachwechsel (über die Generationen) von Ly zu Lx (vor dem Verschwinden von Ly), desto wahrscheinlicher ist es, dass sich in Lx ein Substrat aus Ly bildet. Vgl. dazu das phonotaktische Beispiel in (12-17) aus Punkt (iii).

(b) je größer die Menge der zweisprachigen Ly-Sprecher und je l a n g s a m e r der Sprachwechsel (über die Generationen) von Ly zu Lx (vor dem Verschwinden von Ly), desto wahrscheinlicher ist es, dass sich in Lx ein Substrat aus Ly bildet. Vgl. dazu als Beispiele ex negativo (d.i. zum Fehlen eines Substrats) die Punkte (i-ii) und als Beispiele ex positivo (d.i. zum Auftreten eines Substrats) die Beispiele (10-11) in Punkt (iii).

− Beispiele: (i) Die noch Sorbisch sprechenden Obersorben in Sachsen sind alle zweisprachig obersorbisch-deutsch, es gibt aber praktisch keine (ortsansässigen) Deutschen, die auch Obersorbisch sprechen. Die deutschen Adstrat-Einflüsse auf das Obersorbische sind massiv, von der Phonetik bis zur Syntax (s. 2.2). Von einem umgekehrten Einfluß des Obersorbischen auf das Deutsche kann dagegen nicht die Rede sein. (ii) Analoges gilt für die Moliseslaven in Süditalien in bezug auf das Italienische (auf die örtlichen Dialekte wie auch umso mehr in bezug auf das Standarditalienische). In diesen beiden Fällen ist die Zahl der Ly-Sprecher gegenüber den einsprachigen Lx-Sprechern äußerst gering (und sie wird immer geringer), und der Sprachkontakt mit dem Deutschen bzw. Italienischen hat kontinuierlich über Jahrhunderte angedauert. Ein entsprechendes slavisches Substrat im Deutschen bzw. Italienischen fehlt. (iii) Im ostslavisch-baltischen Kontaktgebiet (Weißrußland—südöstliches Litauen—südöstliches Lettland) erfolgte seit nahezu 1000 Jahren eine sukzessive, langsame Assimilation einer baltischsprachigen Bevölkerung durch eine (ost)slavischsprachige. Das Baltische und (über seine Vermittlung) das Ostseefinnische (z.B. Estnische) hat im Slavischen dieses Gebiets in einigen Erscheinungen der Morphologie und Syntax ein Substrat hinterlassen. So z.B. − das nominativische Objekt (aus dem Ostseefinnischen) (10a) Litauisch Reikia šienas grėbti nötig_sein.PRS.3 Heu.NOM.M harken.INF ,Man muß (jetzt) Heu harken.’

(10b) Lettisch Pieniņš ēst nederēja Milch.NOM.M essen.INF NEG.geeignet_sein.PRS.3 ,Die Milch eignet sich nicht zum Essen.’ (,Man kann/soll diese Milch nicht essen.’)

(10c) Russisch um Pskov-Novgorod Mne nado sobaka s soboj vzjat’

ich.DAT nötig_sein.INDEKL Hund.NOM mit sich.INS nehmen.INF ,Ich muß den Hund mitnehmen.’

(,Für mich ist es nötig, den Hund mit mir zu nehmen.’)

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(10d) Finnisch Minun täytyy kirjoittaa kirje ich.GEN nötig_sein.PRS.3 schreiben.INFI Brief.NOM ,Ich muß einen Brief schreiben.’ (,Für mich ist es nötig, einen Brief zu schreiben.’) − eine Präposition mit der Bedeutung ‘hinter’ zur Markierung der Basis der Komparation (aus dem Litauischen): (11a) Litauisch Jis yra mandag-esn-is už ją er.NOM COP.PRS.3 höflich:KOMP:NOM.SG.M hinter sie.AKK ,Er ist höflicher als sie.‘ (wörtl. ,... hinter ihr‘)

(11b) nordwestliches Weißrussisch brat malože za mn’e Bruder.NOM jünger hinter ich.AKK ,(Mein) Bruder ist jünger als ich.’

(11c) Russisch der Altgläubigen in diesem Kontaktgebiet latyskij jazyk legč´ za n’ameckij lettisch.NOM.SG.M Sprache.NOM.SG.M einfacher hinter deutsche.AKK.SG.M ,Lettisch ist einfacher als Deutsch.’

(11d) Polnisch in diesem Kontaktgebiet (sog. ‘polszczyzna kresowa’, nördl. Variante) a uon młód-sz-y za mnie und er.NOM jung:KOMP:NOM.SG.M hinter ich.AKK ,Er ist jünger als ich.’ Diesen Erscheinungen lässt sich ein ganz anderes Substrat gegenüberstellen. Und zwar ein solches, welches sich infolge eines Sprachwechsels vom Litauischen (= Ly) zum Polnischen bzw. zum Weißrussischen (= Lx) ergeben hat, der ab der Mitte des 19. Jahrhunderts ausgesprochen schnell, d.i. innerhalb von 2-3 Generationen abgelaufen sein muß. Dieses Substrat ist phonetisch, genauer: phonotaktisch, da es die Assimilationsregeln für Konsonantengruppen genau dort betrifft, wo Litauisch sich vom Ostslavischen (u.a. dem Weißrussischen) und dem Polnischen unterscheidet. Vgl. dazu zunächst die folgenden Ausführungen: Alle beteiligten Sprachen (Varietäten) unterscheiden palatale und velare Konsonanten. In den slavischen Sprachen führt diese Unterscheidung zu klaren phonologischen Oppositionen (mit unterschiedlicher Anzahl der so entstehenden Phonem-Paare). Im Litauischen ist der phonologische Status dieser Unterscheidung dagegen nicht ganz so eindeutig. Auf jeden Fall unterscheiden sich die Assimilationsregeln innerhalb von Konsonantengruppen: treten litauische Konsonanten in Gruppen auf, werden sie jeweils allesamt regressiv nach dem palatalen vs. velaren Charakter des letzten Konsonanten assimiliert, und dieser variiert danach, ob ein vorderer Vokal [i, e, E] oder ein hinterer (mittlerer) [a, o, u] folgt (s. Bsp. 12). In den slavischen Kontaktsprachen findet eine solche Assimilation nur in ganz begrenztem Ausmaß statt. Sie betrifft im wesentlichen nur /s/ vor palatalem /t'/: /st → /s't'/ (z.B. russ. most ,Brücke.NOM’ → o mostè.LOK [mas't'e] ,über die Brücke (erzählen)’), im Polnischen auch /s/ vor /n'/ (z.B. rosnąć ,wachsen.INF’ → rośnie ,er/sie wächst’). Ansonsten aber richtet sich lediglich der letzte Konsonant in seiner Palatalität vs. Velarität nach der vorderen vs. hinteren (mittleren) Artikulation des folgenden Vokals (s. Bsp. 13). Vgl. dazu die folgenden Beispiele:

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(12) Litauisch smulkmena [smul'k'm'ena] ,Kleinigkeit’ → palatale Gruppe

smulkus [smulkus] ,klein’ (NOM.SG.M) → velare Gruppe vs. smulki [smul'k'i] ,klein’ (NOM.SG.F) → palatale Gruppe

kirpti [k'ir'p't'i] ,Haare schneiden’ (INF) → palatale Gruppe

vs. kirpo [k'irpo] ,er/sie schneidet Haare’ → velare Gruppe Baltijos [bal't'ijos] jūra ,Ostsee’ → palatale Gruppe (13) Russisch Baltijskoe [balt'ijskaje] more ,Ostsee’ → velares [l] + palatales [t'] aber auch tol’ko [tol'ka] ,nur’ → palatales [l'] + velares [k] vzgljad [vzgl'at] ,Blick’ → velare [v, z, g] + palatales [l'] rediska [r'ed'iska] ,Radieschen’ (SG) → velares [s] + velares [k] und rediski [r'edisk'i] ,Radieschen’ (PL) → velares [s] + palatales [k'] redko [r'etka] ,selten’ (Adverb) → velares [t] + velares [k] und redkij [r'etk'ij] ,selten’ (NOM.M.SG) → velares [t] + palatales [k'] Mit anderen Worten: die regressive Stimmton-Assimilation in litauischen Konsonantengruppen erfolgt nach phonotaktischen Gesichtspunkten, während sie in den slavischen Kontaktsprachen (weitestgehend) nach einem morphologischem Prinzip erfolgt (bzw. eben nicht erfolgt, s. obige Beispiele).

Die litauische Regel ist in die betreffenden slavischen Varietäten „importiert“ worden, als es zu einem rapiden (und massenweisen) Übertritt aus dem Litauischen kam (s.o.). Und diese phonotaktische Eigenart hat sich in ihnen so lange gehalten, wie sich der Übertritt vom Litauischen in diese slavischen Varietäten weiter vollzogen hat und die entsprechenden Sprecher noch genügend (zumindest passive) Kenntnisse des Litauischen besaßen. (Heute ist diese Erscheinung offenbar praktisch verschwunden.) Vgl. dazu folgende Belege aus dem Weißrussischen (14) und dem lokalen Polnischen (15-17) aus der Zeit von 1900 bis ca. 1970: (14) ra?b’íta ,zerschlagen’ (vgl. russ. [razb'ita]) (15) na bavel'n'e [bavel'n'e] tkałam ,ich habe auf Baumwolle gewebt’

vs. standardpoln. bawełna [bavewna]9 ,Baumwolle’ (NOM.SG.F)

(16) peln'in'k'i [pel'n'in'k'i] ,voll’ (NOM.SG.M, deminutiv) vs. standardpoln. pełny [pewn"] ,voll’ (NOM.SG.M)

(17) červu ¾ona vas'il'k'i [vas'il'k'i] p'ijo ,sie trinken (Tee aus) roten Kornblumen’ vs. standardpoln. vas'iłka [vas'iwka] ,Kornblume’ (NOM.SG.F)

Ein sich hier anschließendes Problem bestünde in der Frage, ob und wie lange ein jeweiliges Substrat sich in der betreffenden Sprache (hier Lx) hält. Eine derartige Frage ist bislang, so weit ich sehe, noch nirgends explizit gestellt worden. Provisorisch darf man annehmen, dass 9 Im Polnischen (zumindest dem Standard) stehen [w] und [l] in morphonologischer Opposition. [w] leitet sich etymologisch aus velarem [l] her, während [l] dem palatalen [l'] des Ostslavischen entspricht.

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phonetische Einflüsse sich weniger gut halten werden als solche, die grammatische Kernbereiche (in Morphologie und Syntax) betreffen. 2.2. Arten des sprachlichen Transfers Man kann zwischen folgenden Arten des sprachlichen Transfers unterscheiden (vgl. Heine/Kuteva 2005: 2; Weinreich 1968 [1953]: 29ff.): (i) Laute und Lautkombinationen − Beispiele:

• Das gerade angeführte Beispiel einer litauischen phonotaktischen Regel als Substrat in slavischen Kontaktsprachen.

• Nicht selten „importiert“ eine Sprache Lx aus einer anderen Sprache Ly über Lehnwörter neue Laute, welche mit der Zeit das Phoneminventar von Lx erweitern. Das geschieht gewöhnlich, wenn die Zahl der Entlehnungen mit den entsprechenden Lauten zunimmt. So ist z.B. dem frühen Slavischen und dem Baltischen der Laut [f] fremd gewesen. Er ist relativ spät durch massive Entlehnungen (aus dem Dt., Latein. etc.) Bestandteil der jeweiligen Standardsprachen geworden.

Entsprechendes gilt z.B. für den Laut [Z] im Deutschen, der erst durch Entlehnungen wie Dschungel, Journal u.ä. Eingang gefunden hat.

(ii) Bedeutungen (inkl. grammatische Funktionen) oder Kombinationen von Bedeutungen / Funktionen − Beispiele: (a) lexikalische Bedeutungen (Lehnübersetzungen, Neologismen etc.)

• dt. realisieren: Als Lehnbedeutung (Neologismus ohne formale Veränderung oder Neubildung) hat in den letzten Jahren die Verwendung dieses Verbs im Sinne von gewahr, bewußt werden zugenommen. Dieser Neologismus stellt eine Interferenz aus dem Englischen dar. Vgl.

(18) ... schließlich hatten wir realisiert2, dass es für eine Eingabe zu spät war. Vgl. dagegen die ältere Bedeutung (mit den Synonymen verwirklichen und umsetzen): (19) Hanspeter hat seine Pläne realisiert1.

• Zu ähnlichen Lehnbedeutungen vgl. die Angleichung der Bedeutung(en) moliseslavischer Wörter (Substantive, Verben, Adverben) an das umgebende Italienische (= Adstrat) bei Breu (2003: 358-362).

• Lehnübersetzungen beruhen auf der gliedweisen (Morphem-für-Morphem) Übersetzung eines fremdsprachlichen Vorbilds, wodurch eine Neubildung entsteht. Beispiele dafür gibt es wie Sand am Meer. Solche Nachbildungen betreffen vor allem Komposita (Zusammensetzungen mehrerer Stämme); vgl. etwa

(20) dt. Schnell|zug → tschech. rychlo|vlak (rychlo ,schnell’ + vlak ,Zug’ < vléci ,ziehen’) dt. Welt|anschauung → poln. świato|pogląd, russ. miro|vozzrenie

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dt. Schiff|bau → russ. korable|stroenie (korabl’ ,Schiff’10 + stroenie ,Bauen’ < stroit’ ,bauen’)

Auch Zusammensetzungen von Präfixen mit Stämmen finden sich dabei häufig; vgl. etwa (21) lat. con|scientia (→ franz. con|science ?) → russ. so|znanie ,Bewusstsein’ (in allen Fällen morphologisch wörtl. ,Mit-Wissen’) dt. Über|gewicht → lit. virš|svoris

russ. sverch- (< s ,von (herab)’ + verch ,oberer Teil’) als Äquivalent zu dt. über- bzw. griech. hyper- (z.B. sverch-estestvennyj ,über-natürlich’).

Das macht die Abgrenzung des Transfers lexikalischer Bedeutungen gegenüber grammatischen Funktionen natürlich schwieriger. (b) grammatische Funktionen

• In vielen Sprachen gibt es neben primären Präpositionen auch sekundäre, d.i. solche Präpositionen, die aus Präpositionalphrasen mit Substantiven, aus Kasusformen von Substantiven oder aus infiniten Verbformen entstanden sind. Vgl. z.B. dt. wegen (< Weg.GEN), infolge, aufgrund, während oder auch eng. in front of, because (< *by cause (of)), during. Bei einem entsprechend intensiven Sprachkontakt können solche „neuen“ Präpositionen relativ leicht nachgebildet werden. So auch im Moliseslavischen, welches nach dem Vorbild des (umgangssprachlichen) Italienischen verfährt; vgl. etwa

(22) zgora storce auf Tisch.GEN ,auf dem Tisch’ zgora ist eine Kontraktion aus z gore ,vom Hügel, Berg’ und stellt eine Nachbildung des süditalienisch-dialektalen ngoppa wörtl. ,auf der Kuppe’ dar (Antonietta Marra, Walter Breu pers. Mitteilung), welches ebenso als sekundäre Präposition mit der Bedeutung ,auf’ verwendet wird. (Zu diesem Vorgang genereller vgl. Breu 2003: 365f.) (iii) Form:Funktions-Einheiten oder Kombinationen solcher Einheiten Hierbei handelt es sich immer um den Transfer von Morphemen aus einer Sprache in eine andere. − Beispiele: (a) lexikalische Bedeutungen

• Im Moliseslavischen werden gelegentlich auch Präpositionen direkt aus dem Italienischen entlehnt. Sie regieren dabei den Genitiv (so wie in der Regel auch sekundäre Präpositionen, vgl. etwa Bsp. 22); so etwa sendza ,ohne’ (← ital. senza) (vgl. Breu 2003: 366).

• In vielen europäischen Sprachen sind „Präfixoide“ lateinischer oder griechischer Herkunft geläufig. Vgl. etwa die Morpheme super, extra, hyper u.ä., die sowohl als präfixale Elemente auftreten können (dt. supermodern, hyperschnell) oder auch als

10 Dies ist seinerseits eine (viel ältere) Entlehnung aus dem Griechischen (korab- ,Schiff’).

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isolierte Morpheme in prädikativer Funktion (so etwa poln. To jest super! ,Das ist super !’).

(b) grammatische Funktionen

• Die Eskimo-Sprache Aleutisch (nach den Aleuten-Inseln, Beringmeer) wurde im 19. Jahrhundert so stark vom Russischen beeinflusst, dass die finiten Verbformen (inkl. Imperativ) die ursprünglichen Endungen der Verbformen komplett ersetzt haben. Vgl. dazu das Paradigma gemäß der Darstellung in Thomason/Kaufman (1988: 234f.)11; Bering Aleut (dieselbe Sprache vor dem Kontakt, gesprochen auf den Nachbarinseln) wird als Vergleich für den Zustand der Formen vor dem Kontakt mit dem Russischen mitangeführt:

(23)

(iv) syntaktische Relationen, insbesondere Wortstellungsphänomene − Beispiele:

• Das Obersorbische hat (sowohl in der kodifizierten Standardsprache wie auch der real gesprochenen Umgangssprache) die „Klammerstellung“ deutscher Verben bei zusammengesetzten Tempora übernommen. Vgl. etwa

obersorbische Standardsprache (24) Ja sym tu knihu čitał ich.NOM AUX.PRS.1.SG DEM.AKK.SG.F Buch.AKK.SG.F gelesen.NOM.SG.M ,Ich habe das Buch gelesen.’

11 Die Autoren berufen sich ihrerseits auf eine Arbeit von Menovščikov.

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Die Partizipialform čitał könnte nur unter extrem diskurspragmatischen Gründen nach vorne (direkt hinter das Auxiliar sym) verschoben werden, ansonsten ist die Klammerstellung mit dem Auxiliar ebenso zwingend wie im Deutschen (vgl. *Ich habe gelesen das Buch). Keine andere slavische Varietät kennt eine derartig obligatorische Regel in der Wortfolge. (v) alle denkbaren Kombinationen von (i) bis (iv)