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1 Sprachmittel für mathematische Verstehensprozesse – Einblicke in Probleme, Vorgehensweisen und Ergebnisse von Entwicklungsforschungsstudien Susanne Prediger Abstract: Nicht nur wegen der zunehmenden Zahl mehrsprachiger Schülerinnen und Schüler werden sprachliche Herausforderun- gen zu einem immer wichtiger werdenden Thema für den Mathematikunterricht. Sprachlich benachteiligte Lernende erreichen auch in Mathematik geringere Leistungen, wie die großen Leistungsstudien gezeigt haben. Sie brauchen gezielte Unterstützung, um den sprachlichen und konzeptuellen Anforderungen des Unterrichts und der Prüfungen gewachsen zu sein. Im Dortmunder MuM- Projekt werden – im Programm der Fachdidaktischen Entwicklungsforschung – die Hintergründe dieser Schwierigkeiten in Prü- fungs- und Lernsituationen untersucht und sprachförderliche Lehr-Lernarrangements entwickelt, in denen notwendige Sprachmittel zur Verfügung gestellt werden. Der Artikel zeigt einige Vorgehensweisen und Ergebnisse des Projekts. 1. Problemlage: Sprachlich bedingte Hürden im Mathematikunterricht Einer zunehmender Anteil von Lernenden an deutschen Schulen bringt von Hause aus keine für den Schul- erfolg ausreichende Sprachkompetenz in Deutsch mit. Diese Lernende stammen meist aus sozial benachtei- ligten Familien oder (bzw. und) sprechen nicht-deutsche Familiensprachen (letzteres trifft derzeit auf 20 % der Schülerinnen und Schüler zu, in fünf Jahren auf 30 %, vgl. Chlosta & Ostermann 2008). Dabei bezieht sich Sprachkompetenz nicht auf die alltagssprachliche Kompetenz, über die auch viele mehrsprachige Ju- gendliche akzentfrei verfügen, sondern auf die Beherrschung einer gehobenen deutschen Sprache größerer Komplexität, für die sich der Name Bildungssprache eingebürgert hat (Gogolin 2009), und die vorrangig in sozial privilegierteren Familien erworben wird (Cummins 1986, Schleppegrell 2004). Eingeschränkte (bildungs-)sprachliche Kompetenz wirkt sich nachweislich erheblich auf den Schul- erfolg aus (Burns & Shadoian-Gersing 2010, S. 20), dies gilt auch für das vermeintlich spracharme Fach Mathematik (Tiedemann und Billmann-Mahecha 2004, Heinze et al. 2007, Ufer et al. 2013). Eine Studie zu den Zentralen Prüfungen 10 in Nordrhein-Westfalen (Prediger et al. 2013a) zeigte, dass sich die Sprach- kompetenz sogar stärker auf die Mathematikleistung auswirkt als andere familiäre Benachteiligungsfakto- ren (wie sozio-ökonomischer Status, Mehrsprachigkeit, Migrationshintergrund und reine Lesekompetenz). Dabei ist Deutschland im internationalen Vergleich eines der Länder, in denen herkunftsbedingte sprach- liche Benachteiligungen den stärksten Zusammenhang zur Mathematikleistung aufweisen, während ande- ren Ländern mit vergleichbaren Migrationsbedingungen der Ausgleich von Benachteiligungen besser zu gelingen scheint (OECD 2007, S. 120). Dies verweist darauf, dass sich unterrichtliche Förderung der Sprachkompetenz zum Ausgleich sozial bedingter und sprachlich vermittelter Benachteiligungen bewähren müsste. Aufgrund dieser empirischen Befunde aus großen Leistungsstudien (weitere in Prediger & Özdil 2011) wird bildungspolitisch der Sprachförderung in allen Fächern eine große Bedeutung zugesprochen, und zwar auf allen Ebenen der Bildungsadministration: auf europäischer Ebene in Diskursen des Europarates (Thür- mann, Vollmer & Pieper 2010), bundesweit z.B. im Nationalen Integrationsplan (Bundesregierung 2010, S. 47–60) sowie in zahlreichen landesweiten Maßnahmen (z.B. MSW 1999), wie dem Pflichtmodul Fachler- nen in der Zweitsprache für Lehramtsstudierende aller Fächer im Lehrerausbildungsgesetz in Nordrhein- Westfalen (MSW 2009) oder dem eigenständigen Abschnitt zur Sprachförderung im Kernlehrplan Haupt- schule NRW (MSW 2011). Erschienen als Prediger, Susanne (2013): Sprachmittel für mathematische Verstehensprozesse – Einblicke in Probleme, Vorgehensweisen und Ergebnisse von Entwicklungsforschungsstudien. In: Andreas Pallack (Hrsg.): Impulse für eine zeitgemäße Mathematiklehrer-Ausbildung. MNU-Dokumentation der 16. Fachleitertagung Mathematik. Neuss: Seeberger, 26-36.

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 Sprachmittel  für  mathematische  Verstehensprozesse  –  Einblicke  in  Probleme,    Vorgehensweisen  und  Ergebnisse  von  Entwicklungsforschungsstudien     Susanne Prediger

Abstract: Nicht nur wegen der zunehmenden Zahl mehrsprachiger Schülerinnen und Schüler werden sprachliche Herausforderun-gen zu einem immer wichtiger werdenden Thema für den Mathematikunterricht. Sprachlich benachteiligte Lernende erreichen auch in Mathematik geringere Leistungen, wie die großen Leistungsstudien gezeigt haben. Sie brauchen gezielte Unterstützung, um den sprachlichen und konzeptuellen Anforderungen des Unterrichts und der Prüfungen gewachsen zu sein. Im Dortmunder MuM-Projekt werden – im Programm der Fachdidaktischen Entwicklungsforschung – die Hintergründe dieser Schwierigkeiten in Prü-fungs- und Lernsituationen untersucht und sprachförderliche Lehr-Lernarrangements entwickelt, in denen notwendige Sprachmittel zur Verfügung gestellt werden. Der Artikel zeigt einige Vorgehensweisen und Ergebnisse des Projekts.

1.     Problemlage:  Sprachlich  bedingte  Hürden  im  Mathematikunterricht    

Einer zunehmender Anteil von Lernenden an deutschen Schulen bringt von Hause aus keine für den Schul-erfolg ausreichende Sprachkompetenz in Deutsch mit. Diese Lernende stammen meist aus sozial benachtei-ligten Familien oder (bzw. und) sprechen nicht-deutsche Familiensprachen (letzteres trifft derzeit auf 20 % der Schülerinnen und Schüler zu, in fünf Jahren auf 30 %, vgl. Chlosta & Ostermann 2008). Dabei bezieht sich Sprachkompetenz nicht auf die alltagssprachliche Kompetenz, über die auch viele mehrsprachige Ju-gendliche akzentfrei verfügen, sondern auf die Beherrschung einer gehobenen deutschen Sprache größerer Komplexität, für die sich der Name Bildungssprache eingebürgert hat (Gogolin 2009), und die vorrangig in sozial privilegierteren Familien erworben wird (Cummins 1986, Schleppegrell 2004).

Eingeschränkte (bildungs-)sprachliche Kompetenz wirkt sich nachweislich erheblich auf den Schul-erfolg aus (Burns & Shadoian-Gersing 2010, S. 20), dies gilt auch für das vermeintlich spracharme Fach Mathematik (Tiedemann und Billmann-Mahecha 2004, Heinze et al. 2007, Ufer et al. 2013). Eine Studie zu den Zentralen Prüfungen 10 in Nordrhein-Westfalen (Prediger et al. 2013a) zeigte, dass sich die Sprach-kompetenz sogar stärker auf die Mathematikleistung auswirkt als andere familiäre Benachteiligungsfakto-ren (wie sozio-ökonomischer Status, Mehrsprachigkeit, Migrationshintergrund und reine Lesekompetenz). Dabei ist Deutschland im internationalen Vergleich eines der Länder, in denen herkunftsbedingte sprach-liche Benachteiligungen den stärksten Zusammenhang zur Mathematikleistung aufweisen, während ande-ren Ländern mit vergleichbaren Migrationsbedingungen der Ausgleich von Benachteiligungen besser zu gelingen scheint (OECD 2007, S. 120). Dies verweist darauf, dass sich unterrichtliche Förderung der Sprachkompetenz zum Ausgleich sozial bedingter und sprachlich vermittelter Benachteiligungen bewähren müsste.

Aufgrund dieser empirischen Befunde aus großen Leistungsstudien (weitere in Prediger & Özdil 2011) wird bildungspolitisch der Sprachförderung in allen Fächern eine große Bedeutung zugesprochen, und zwar auf allen Ebenen der Bildungsadministration: auf europäischer Ebene in Diskursen des Europarates (Thür-mann, Vollmer & Pieper 2010), bundesweit z.B. im Nationalen Integrationsplan (Bundesregierung 2010, S. 47–60) sowie in zahlreichen landesweiten Maßnahmen (z.B. MSW 1999), wie dem Pflichtmodul Fachler-nen in der Zweitsprache für Lehramtsstudierende aller Fächer im Lehrerausbildungsgesetz in Nordrhein-Westfalen (MSW 2009) oder dem eigenständigen Abschnitt zur Sprachförderung im Kernlehrplan Haupt-schule NRW (MSW 2011).

Erschienen als Prediger, Susanne (2013): Sprachmittel für mathematische Verstehensprozesse – Einblicke in Probleme, Vorgehensweisen und Ergebnisse von Entwicklungsforschungsstudien. In: Andreas Pallack (Hrsg.): Impulse für eine zeitgemäße Mathematiklehrer-Ausbildung. MNU-Dokumentation der 16. Fachleitertagung Mathematik. Neuss: Seeberger, 26-36.

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Damit sind zwar auf der Ebene der Empirischen Bildungsforschung und der Bildungsadministration wichtige Weichen gestellt und die unterrichtliche Aufgabe der Sprachförderung in den Fächern expliziert, jedoch sind für die konkrete Bearbeitung dieser Aufgabe im Unterricht zahlreiche weitere Fragen zu klären, die nicht allein die „Umsetzung“ durch einzelne Lehrkräfte betreffen, sondern zunächst substantieller fach-didaktischer Entwicklungs- und Forschungsarbeit bedürfen, bei der unter anderem folgende Fragen zu klä-ren sind: F1. Welche sprachlichen und konzeptuellen Hürden müssen sprachlich schwache Lernende überwinden,

um Mathematikleistungen zu zeigen? Inwieweit handelt es sich um ein Performanz-, inwieweit um ein Kompetenzproblem?

F2. Welche Sprachmittel sind notwendig, um einen Zugang zur Mathematik, insbesondere zum konzeptu-ellen Verständnis zu ermöglichen?

F3. Wie können diese Sprachmittel in einem sprachsensiblen Mathematikunterricht parallel zum Aufbau konzeptuellen Verständnisses erworben werden?

Zur Beantwortung dieser Fragen reichen Large-Scale-Assessments nicht aus, weil diese zwar statistische Zusammenhänge aufzeigen, aber weder genaue Ursachen erheben noch die Wirkungen konkreter Hand-lungsoptionen in den Blick nehmen. Im Dortmunder MuM-Projekt (Mathematiklernen unter Bedingungen der Mehrsprachigkeit, seit 2009) werden diese und weitere Fragen daher unterrichtsnah bearbeitet, indem unterrichtsnahe Entwicklung und Beforschung von Grundlagenfragen konsequent verknüpft werden. Aus dem Projekt sollen im Folgenden Teilstudien vorgestellt werden, die teilweise Antworten geben können. Die erste Studie (in Abschnitt 2) fokussiert die Frage F1, während zwei andere Studien (Abschnitt 3) im Forschungsprogramm der Fachdidaktischen Entwicklungsforschung alle Fragen in den Blick nehmen.

2.  Spezifizierung  von  Hürden  für  sprachlich  Schwache  in  Prüfungssituationen  

Um die Rolle der bildungssprachlichen Kompetenz für den Erfolg in Prüfungssituationen genauer zu ver-stehen, wurden in der bereits zitierten empirischen Studie zu den Zentralen Prüfungen 10 nicht nur Leis-tungsdaten und Hintergrundvariablen auf Korrelationen geprüft (Prediger et al. 2013a), sondern auch Bear-beitungsprozesse hinsichtlich auftauchender Hürden für sprachlich schwache Lernende untersucht (Gürsoy et al. 2013, Renk et al. 2013). Dazu wurden zu einigen auffälligen Aufgaben 200 schriftliche Bearbeitun-gen und über 50 videographierte Bearbeitungsprozesse in Interviewsettings im Detail analysiert. Heraus-gearbeitet wurden bei den einzelnen Aufgaben Hürden auf ganz unterschiedlichen Ebenen:

2.1.  Hürden  im  Leseprozess    

Hürden im Leseprozess zeigen sich nicht nur bei sprachlich schwachen, sondern bei allen Lernenden. Ge-mäß einer klassischen linguistischen Einteilung können sie auf Wort-, Satz- und Textebene verortet werden (allgemein Christmann & Groeben 1999, für Mathematik allgemein Maier & Schweiger 1999, speziell für die Prüfungsaufgaben ausführlicher in Gürsoy et al. 2013):

Hürden  auf  Wortebene:    

• Lexikalische Hürden: Fremde Wörter aus dem Kontext der Sachaufgaben (z.B. „Erlös beim Kartenver-kauf“) oder zusammengesetzte Wörter (z.B. „Zuschauer|schnitt“ = Durchschnitt der Zuschauer, ZP2011, Item 4c) werden von Lernenden und Lehrenden am explizitesten als Hürden wahrgenommen. Sie bilden in der Tat in einigen Aufgaben ein Problem, wenn auch nicht in allen.

• Lexikalisch-morphologische Hürden: Wichtiger als die Substantive sind zur Erschließung mathemati-scher Beziehungen die Präpositionen (z.B. „um“ und „bei“ in „Um wie viel Prozent liegt der Verbrauch

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bei 180 km/h über dem Verbrauch bei 100 km/h?“, ZP2012, Item 2a2) und andere Strukturwörter, die jedoch von vielen sprachlich schwachen Lernenden nicht von allein als relevant erkannt und in den Modellierungsprozess einbezogen werden (ähnlich bei Kaiser & Schwarz 2009, Jorgensen 2011).

Hürden  auf  Satzebene:  

• Fehlende spezifische Sprachmittel auf Satzebene: Eng verbunden mit den lexikalisch-morphologischen Hürden sind Hürden, die entstehen, wenn Lernende über mathematikspezifische Wendungen auf Satz-ebene nicht verfügen und sie diese daher nicht erschließen können. In dem Satzbaustein „... lässt sich der durchschnittliche Kraftstoffverbrauch in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit mit der Gleichung f(x) = .... berechnen“ wurde beispielsweise von vielen Lernenden die Wendung „in Abhängigkeit von“ nicht als Beschreibung des funktionalen Zusammenhangs identifiziert, so dass sie nicht herausfanden, wofür die Gleichung steht (ZP2012, Item 2c2, vgl. Zindel 2013).

• Satz- und Textlänge keine Hürde: Entgegen oft geäußerter Vermutungen sind Textlänge und Satzlänge per se keine schwierigkeitsgenerierenden Merkmale, im analysierten Datensatz 2012 gilt sogar das Ge-genteil: Teilaufgaben mit kurzen Sätzen hatten eine Lösungshäufigkeit von nur 33 %, aber die mit lan-gen Texten eine Lösungshäufigkeit von 41 % (ähnlich für Textlänge: kurze Texte 37 %, lange Texte 49 %). Dabei zeigte sich auch kein nennenswerter Unterschied zwischen sprachlich starken und schwa-chen Zehntklässlerinnen und Zehntklässlern. Für diese Altersgruppe ist die Satzlänge weniger relevant als die Komplexität der Satzstrukturen.

• Syntaktische Hürden: Gerade die Verdichtung der Sätze zur Vermeidung langer Sätze kann hohe syn-taktische Hürden mit sich bringen, wenn z.B. mehrfach geschachtelte komplizierte Präpositionalattribu-te mehrere Nebensätze ersetzen (z.B. „Um wie viel Prozent liegt der Verbrauch bei 180 km/h über dem Verbrauch bei 100 km/h?“, ZP2012, Item 2a2).

Hürden  auf  Textebene:    

• Textlinguistische Hürden: Undurchsichtige Referenzstrukturen zwischen Sätzen und Teilaufgaben bil-den Hürden beim Erschließen der Bezüge, die aufgrund der Bedeutung der Artikel und Fälle für die Referenzstrukturen (z.B. „Die Boxen waren mit der jeweiligen Flagge der beiden Länder beklebt, deren Mannschaften gegeneinander spielten “, ZP2012, Item 3, Hervorhebung eingefügt) gerade für mehr-sprachige Jugendliche zum Problem werden können.

2.2.  Hürden  im  weiteren  Modellierungsprozess  

Interessant an dem Datensatz des Projekts ist, dass nur wenige Aufgaben, bei denen die sprachlich schwa-chen Lernenden überproportional große Schwierigkeiten hatten (erfasst durch eine DIF-Analyse, vgl. Pre-diger et al. 2013b), nur Hürden allein im Leseprozess boten. Die Analysen der schriftlichen Bearbeitungen und der videographierten Bearbeitungsprozesse im Interviewsetting weisen vielmehr darauf hin, dass die entscheidenden Hürden bei diesen Aufgaben eher im weiteren Modellierungsprozess zu verorten sind (Renk et al. 2013, Renk i.V.) und nicht allein im ersten Schritt des Leseverstehens. Zwar kann dieser Be-fund nicht von der kleinen Stichprobe von 27 Items auf alle Aufgaben verallgemeinert werden, dennoch lohnt es sich, diese Hürden im weiteren Löseprozess zu betrachten:

Hürden  beim  Bilden  des  Situationsmodells  

Einige Aufgaben wurden von sprachlich schwachen Lernenden überproportional häufig nicht tragfähig bearbeitet, obwohl sie keine hohen Leseanforderungen stellen, z.B. die Einstiegsaufgabe „Schätze, wie viele Kilometer hoch ein Turm aus 2,4 Milliarden 1-Cent-Münzen ungefähr wäre. Beschreibe, wie du vor-

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gegangen bist.“ (ZP2012, Item 1a). Fast alle Lernenden verstanden die Aufgabenstellung richtig, wie so-wohl die Analysen von 200 schriftlichen Bearbeitungen als auch 13 Interviews zu dieser Aufgabe zeigten (vgl. Renk i.V.). Differenzen ergaben sich jedoch im zweiten Lösungsschritt: Von den sprachlich Starken starteten 74 % mit tragfähigen Schätzungen der Münzhöhe mit 0,5 - 2,5 mm (meist 1 - 2 mm). Von den sprachlich Schwachen gelang dies dagegen nur 39 %, während die meisten anderen die Münzhöhe auf 8 - 12 mm schätzten und somit ohne Bildung eines adäquaten Situationsmodells zur erstbesten verfügbaren Schätzgröße griffen. Analog zeigte sich dieser von Reusser (1989) als zentral beschriebene Schritt im Mo-dellierungsprozess auch bei anderen Aufgaben für sprachlich Schwache als schwer überwindbare Hürde.

Hürden  in  nicht  aufgebautem  konzeptuellen  Verständnis    

Zentral für Hürden im weiteren Modellierungsprozess ist auch der Befund, dass gerade sprachlich schwa-che Lernende notwendige Grundvorstellungen zu mathematischen Konzepten nicht immer tragfähig auf-gebaut haben (z.B.: Was ist überhaupt eine funktionale Abhängigkeit? Was beschreibt eine Funktionsglei-chung? Wie strukturiert man einen mehrstufigen Zufallsversuch?). Doch ohne ein solches konzeptuelles Verständnis sind Sachaufgaben nicht zu lösen. Diese für sprachlich Schwache typische Lücke im mathema-tischen Kompetenzprofil zeigt sich ähnlich auch in einer Grundschuluntersuchung, wo sie auch für nicht sprachlich vermittelte Items mit konzeptuellem Gehalt auftaucht, z.B. im Umgang mit dem Zahlenstrahl (Ufer et al. 2013).

2.3.  Einschätzung  und  Konsequenzen:  Hürden  auch  in  Lern-­‐,  nicht  nur  in  Prüfungssituationen  

Insgesamt zeigt die Studie, dass sprachlich schwache Lernende in Prüfungssituationen nicht nur Per-formanzprobleme haben, die durch Hürden im Leseprozess bedingt sind. Stattdessen scheitert eine über-proportional große Zahl dieser Lernenden auch an Hürden im weiteren Modellierungsprozess. Diese Hür-den beziehen sich jedoch nicht auf kurzfristige Probleme, sondern auf langfristig kumulierte Defizite in den prozessbezogenen Kompetenzen und vor allem im konzeptuellen Verständnis. Diese Probleme verweisen auf tiefer liegende sprachliche Hürden in den langfristigen Lernprozessen und erklären somit die Ursachen für das statistisch beobachtbare Phänomen, dass sich „sprachliche Defizite kumulativ negativ auf die Lern-zuwächse in den Sachfächern“ auswirken (Herwartz-Emden 2003, S. 692).

Konsequenzen zur Überwindung der sprachlich bedingten Hürden müssen daher einerseits auf das Le-severständnis bezogen werden (Benholz & Lipkowski 2010, Gürsoy et al. 2013), andererseits muss vor allem die Bedeutung der Sprache in den mathematischen Verstehensprozessen in den Blick genommen werden (Prediger 2013a). Im Fokus der anderen Studien des MuM-Projekts stehen daher nicht allein die Leseprozesse, sondern die Spezifizierung und der Erwerb von für Verstehensprozesse notwendigen Sprachmitteln, adressiert in den Forschungsfragen F2 und F3 (vgl. Abschnitt 1).

3.  Spezifizierung  und  Aufbau  von  Sprachmitteln  für  mathematische  Verstehensprozesse    

Oft wird angenommen, dass Konsequenzen aus Defizitanalysen in Leistungsstudien (wie den in Abschnitt 1 und 2 beschriebenen) von Lehrkräften allein gezogen werden können, weil die reine Mitteilung „Baut mathematikbezogene Sprachmittel für den Verstehensaufbau auf“ bereits zur Implementation ausreicht. Die Erfahrungen im MuM-Projekt zeigen jedoch, dass die Fragen, welche Sprachmittel genau gebraucht werden, und wie diese aufgebaut werden können, eines intensiven Prozesses von Forschung und Entwick-lung bedürfen (vgl. Komorek & Prediger 2013 zum langen Weg zum Unterrichtsdesign). In Abschnitt 3.1 soll kurz das Forschungsprogramm vorgestellt werden, in dessen Rahmen die Fragen bearbeitet werden, um danach in Abschnitt 3.2 einige illustrierende Episoden und ausgewählte Ergebnisse aus Entwicklungs-forschungsstudien aufzuführen.

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3.1.    Vorgehensweise:  Fachdidaktische  Entwicklungsforschung    als  praxisnahes  und  wissenschaftlich  fundiertes  Forschungsprogramm  

In der Tradition des Design Research mit seinen verschiedenen Spielarten (Überblicke geben van den Ak-ker et al. 2006 und Plomb & Nieveen 2009) umfasst das Forschungsprogramm der Fachdidaktischen Ent-wicklungsforschung nicht nur deskriptive Analysen von (defizitären) Lernständen, sondern bearbeitet auch systematisch die Frage, in welcher Strukturierung die Lerngegenstände erarbeitet werden sollen, und wie dies erfolgen kann. Dazu müssen auch Lehr-Lernprozesse systematisch beforscht werden (Prediger & Link 2012), indem in einem zyklischen Prozess Erforschung und Entwicklung iterativ aufeinander bezogen wer-den. Ziel ist dabei neben der Entwicklung von Lehr-Lernarrangements auch die Generierung und Weiter-entwicklung gegenstandsspezifischer Theorien zu Lernständen und Lerninhalten, zu Verläufen, Hürden, Wirkungsweisen und Bedingungen bei spezifischen fachlichen Lerngegenständen (Gravemeijer & Cobb 2006), wie in Abschnitt 3.2 exemplarisch illustriert wird.

Im Dortmunder Modell der Fachdidaktischen Entwicklungsforschung wurden dazu vier Arbeitsbereiche spezifiziert, die in Abb. 1 (aus Prediger et al. 2012a) zusammen mit den intendierten Produkten auf Ent-wicklungs- und Forschungsebene (ausführlicher diskutiert in Hußmann et al. 2013) dargestellt sind.

Abb. 1: Zyklus der Fachdidaktischen Entwicklungsforschung im Dortmunder Modell Es kennzeichnet die fachdidaktische Ausrichtung des Forschungsprogramms, dass der Spezifizierung und Strukturierung des Lerngegenstands ein eigener Arbeitsbereich gewidmet ist. Dieser hat starke normative Aspekte (Von welchen Bildungszielen und gegenstandsspezifischen Lernzielen leiten sich die Lerngegen-stände ab?). Er greift aber auch auf empirische Befunde zurück (Welche Lerngegenstände werden ge-braucht für ein erfolgreiches Weiterlernen?).

Die Erarbeitung bzw. Weiterentwicklung von konkreten Lehr-Lern-Arrangements baut auf dem aktuel-len Stand fachdidaktischer Theoriebildung auf und bezieht durch Rückgriff auf geeignete Design-Prinzipien neben der Strukturierung des jeweiligen Lerngegenstands auch die Ebene der konkreten Aktivi-täten, Lehr- und Lehrmittel und Methoden sowie Unterstützungsoptionen bei identifizierbaren Hürden mit ein.

Design-Experimente in Labor- oder Klassensettings werden durchgeführt, um Aufschluss zu erhalten über die durch die Lehr-Lernarrangements initiierten Lehr-Lernprozesse. Dabei sind bei der vorwiegend

Forschung*

Entwicklung*

3*

*Fachdidak4sche***

Entwicklungsforschung*****

Design8Experimente**durchführen**und*auswerten!

Lokale*Theorien*zu**gegenstands8spezifischen*Lernprozessen**über*Verläufe*und*Hürden*

Design8Prinzipien*

Spezifizierte*und*strukturierte*Lerngegenstände*

Forschungsprozess*

Entwicklungsprozess*

Lokale*Theorien*zu*gegenstands8spezifischen*Lehrprozessen*über*Wirkungsweisen*und*Bedingungen*

Lehr8Lernarrangements*

Design**(weiter)*entwickeln*

Lerngegenstände*spezifizieren**

und*strukturieren*

Lokale*Theorien**(weiter)*entwickeln*

Forschungsprodukte*

Entwicklungsprodukte*

Gegenstandsorien4ert*Prozessorien4ert*

Itera4v*Vernetzt*

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qualitativen Analyse sowohl (im Sinne von Beiträgen zur lokalen Theorie des Lernens) die typischen Ver-läufe und Hürden der Lernprozesse im Blick als auch (im Sinne von Beiträgen zur lokalen Theorie des Lehrens) die Wirkungsweisen und Bedingungen der verschiedenen Design-Elemente. Die gewonnenen Einsichten werden in die nächsten Zyklen der Entwicklungsforschung einbezogen (ausführlicher wird das Forschungsprogramm erläutert in Prediger et al. 2012a und Hußmann et al. 2013).

3.2.  Spezifizierung  von  für  Verstehensprozesse  relevanten  Sprachmitteln    

In mehreren Entwicklungsforschungsstudien aus dem MuM-Projekt wurde erforscht, über welche Sprach-mittel Lernende verfügen müssen, um erfolgreich ein konzeptuelles Verständnis in dem jeweiligen The-mengebiet aufbauen zu können: MuM-Brüche zum Bruchverständnis (Wessel 2013, Prediger & Wessel 2013), MuM-Algebra zum Umgang mit Termen (Krägeloh 2013) und Vorarbeiten zur funktionalen Ab-hängigkeit (Zindel 2013). Während für alle drei Themen die notwendigen aufzubauenden konzeptuellen Vorstellungen in der mathematikdidaktischen Literatur bereits klar spezifiziert sind (z.B. Malle 2004 für Brüche, Malle 1993 für Algebra, Vollrath 1989 und Lengnink 2005 für funktionale Zusammenhänge), hat die Frage, welche Sprachmittel tatsächlich gebraucht werden, bislang wenig empirische Basis.

Um eine solche empirische Basis zu erhalten, wurden sprach- und fachintegrierte Förderansätze zum Aufbau mathematischen Verständnisses in zahlreichen Design-Experimenten mit jeweils 2-3 Lernenden realisiert und videographiert. Die Beforschung der initiierten Lehr-Lernprozesse erfolgte auch im Hinblick auf die Frage, welche Sprachmittel die Lernenden tatsächlich benötigen, um den Aufbau mathematischen Verständnisses sprachlich zu unterstützen. Dazu wurden in Detailanalysen die kritischen Momente von Verstehensprozessen der Lernenden darauf untersucht, welche Sprachmittel in diesen Momenten für eine Weiterentwicklung der inhaltlichen Vorstellungen und Strukturzusammenhänge zentral waren und inwie-fern Hürden im Verstehensprozess durch sprachliche Einschränkungen erzeugt bzw. intensiviert wurden.

Die Ergebnisse der Analysen lassen sich durch zwei Prinzipien zur Spezifizierung des Lerngegenstands Sprachmittel zusammenfassen:

(1) Nicht nur formalbezogene, sondern auch bedeutungsbezogene Sprachmittel Die fachsprachlichen, auf formale Elemente bezogenen Sprachmittel auf Wortebene, auf denen traditi-onell der Fokus beim Aufbau fachsprachlicher Mittel liegt (wie Zähler, Nenner, Erweitern/Kürzen, y-Achse, erster Quadrant, Funktionswert, ...), erweisen sich für die Entwicklung eines tragfähigen Ver-ständnisses als weniger bedeutsam als diejenigen sprachlichen Mittel, die auf die Bedeutungen der ma-thematischen Konzepte bezogen sind (z.B. Ganzes, Teil, Anteil, Vergröbern/Verfeinern, abhängige Größe, Zuordnung, Abhängigkeit, ...). Ein Unterricht, der verfrüht oder exklusiv auf die auf das For-male bezogenen Sprachmittel fokussiert, verpasst erhebliche Chancen, die mathematischen Konzepte an das Alltagsverständnis anzubinden: Ob die Lernenden Minuend, Subtrahend und Subtraktion sagen können, ist wenig entscheidend (die Autorin nutzt im eigenen Sprachgebrauch fast durchgängig erste und zweite Zahl statt Minuend und Subtrahend), wichtig ist stattdessen, ob sprachliche Gestalten des Wegnehmens, Abziehens, Ergänzens und Unterschied-Bestimmens geknackt werden können (z.B. „Um wie viel ist Paul größer als Lisa?“).

(2) Satzbausteine statt nur einzelne Wörter Nicht isolierte Wörter, sondern Satzbausteine sind notwendig, um mathematische Prozesse, Bedeutun-gen und Beziehungen zu erfassen (Meyer & Prediger 2012, Verboom 2012). Dass es dabei vor allem auf die Präpositionen und Strukturwörter zur Herstellung von mathematischen Beziehungen ankommt (Maier & Schweiger 1999, Kaiser & Schwarz 2009, Jorgensen 2011), wurde verschiedentlich heraus-gearbeitet, z.B. „3 von 5“ (Prediger 2013a) oder „Um wie viel Prozent liegt der Verbrauch bei 180 km/h über dem Verbrauch von 100 km/h?“ (Gürsoy et al. 2013). Auch Verben mit spezifischen Be-deutungen und Präpositionen spielen eine zentrale Rolle („Von den 5 Stücken 3 markieren“, „Einen

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Radius von 5 cm um den Punkt M schlagen.“, „Einen Bruchstreifen mit je vier Unterteilungen verfei-nern“), um die sinngebenden mathematischen Prozesse auszudrücken.

Ohne hier die Entwicklungsforschungsprozesse im Einzelnen darstellen zu können, sollen diese zentralen Ergebnisse durch zwei Beispiele illustriert werden.

Beispiel  1:  Funktionale  Zusammenhänge  identifizieren  als  Voraussetzung  zum  Mathematisieren  

Folgende Beobachtungen zu den Zentralen Prüfungen (vgl. Abschnitt 2) wurden Ausgangspunkt von späteren Design-Experimenten: In Item c(1) der in Abb. 2 ab-gedruckten Prüfungsaufgabe gelang es 49,9 % aller 1495 Prüflinge der Stichprobe, den richtigen Wert durch Einsetzen zu bestimmen. Dabei legen die Analy-sen einiger videographierter Bearbeitungsprozesse die Vermutung nahe, dass viele durch Raten das passende mathematische Modell f(150) wählten.

In Item c(2) dagegen erlangten nur 11 % der Prüf-linge einen weitgehend richtigen Wert durch (probie-rendes oder algebraisches) Lösen der quadratischen Gleichung (vgl. Prediger et al. 2013b, S. 21). Die gro-ße Hürde dieses Items lag im Aufstellen der richtigen Gleichung: 25 % der sprachlich starken Lernenden übersetzen die Frage durch Einsetzen des Verbrauchswerts als f(x) in eine richtige Gleichung, von den sprachlich Schwachen waren es nur 11 % (vgl. weitere Analysen in Renk i.V.). Obwohl alle diese Schüle-rinnen und Schüler seit mehr als drei Jahren mit Funktionen umgehen, gelang es ihnen nicht, aus dem ers-ten Satz herauszulesen, dass die Funktionsgleichung den funktionalen Zusammenhang zwischen den Grö-ßen Geschwindigkeit und Verbrauch angibt. Analysen der videographierten Bearbeitungsprozesse machen deutlich, dass der Satzbaustein „lässt sich der Kraftstoffverbrauch ... in Abhängigkeit von der Geschwin-digkeit ... mit der folgenden Gleichung berechnen“ von vielen nicht als Hinweis auf die Bedeutung der Variablen x und f(x) identifiziert wurde (Zindel 2013, Renk i.V.). Obwohl diese Schülerinnen und Schüler in anderen Items erfolgreich mit funktionalen Zusammenhängen rechnen, haben einige ein bislang nur ein-geschränktes konzeptuelles Verständnis aufgebaut, dass Funktionen immer mathematisch erfassen, wie eine Größe von einer zweiten abhängt (Lengnink 2005).

Auf der der Basis dieser Befunde wurde ein Förder-Lehr-Lernarrangement entwickelt mit dem Lernziel, ein konzeptuelles Verständnis von funktionalen Zusammenhängen als Abhängigkeit zwischen zwei Größen so weit aufzubauen, dass die Lernenden gezielt in dem Satz nach den zwei beteiligten Größen suchen („Wenn es um Funktionen geht, muss doch hier irgendwo stehen, welche zwei Größen da einander zuge-ordnet werden?“). Die Design-Experimente zeigten, dass bei der Erschließung des Sachzusammenhangs und seinen sprachlichen Realisierungen das übliche formalbezogene Vokabular (Funktionswert, y-Achse, x-Achse) wenig helfen kann. Stattdessen wurden unterschiedliche bedeutungsbezogene Sprachbausteine erarbeitet, in denen solche Abhängigkeiten ausgedrückt werden (Zindel 2013).

Eine erste korpuslinguistische Bestandsaufnahme durch Analyse von Schulbuch- und Prüfungsaufgaben zeigte, dass das Spektrum an gängigen Formulierungen für funktionale Zusammenhänge sehr breit ist, wie Abb. 3 dokumentiert: Neben den unterschiedlichen lexikalischen Möglichkeiten „zuordnen“, „für ... ange-ben“ „abhängen von“ (in den drei großen Zeilen) tauchen in den Satzbausteinen auch ganz unterschiedliche grammatikalische Realisierungen auf (in den einzelnen Zeilen und den Spalten). Dass sogar beim Verbleib im Aktiv (linke Spalte) die abhängige Größe B dabei mal als Subjekt, mal als Objekt der Sätze auftaucht, zeigt die besonderen sprachlichen Herausforderungen, über die im Unterricht oft hinweg gesehen wird.

Item 2c der ZP 10 Mathematik 2012 Für das Auto von Familie Wacker lässt sich der durchschnittliche Kraftstoffverbrauch (in l /100 km) in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit (in km/h) näherungsweise mit der folgenden Gleichung berechnen: f(x) = 0,0005 · (x – 40)2 + 4,5462. (1) Wie hoch ist der durchschnittliche Verbrauch

bei einer Geschwindigkeit von 150 km/h? Notiere deine Rechnung.

(2) Wie hoch ist die Geschwindigkeit, wenn 9,0 l auf 100 km verbraucht werden? Notiere deine Rechnung.

Abb. 2: Identifizieren einer funktionalen Abhängigkeit als Hürde einer Prüfungsaufgabe

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Aktiv Passiv

Abhängigkeit B von A

• Die Funktion gibt B in Ab-hängigkeit von A an.

• Die Funktion gibt das von A abhängige B an.

• Die Funktion gibt B an, das von A abhängig ist.

• Die Funktion gibt B an, das von A abhängt.

• B wird in Abhängigkeit von A angegeben.

• Es wird das von A abhängige B angegeben.

• Es wird B angegeben, das von A abhängig ist.

• Es wird B angegeben, das von A abhängt.

Zuordnung A! B

• Die Funktion ordnet jedem A ein B zu.

• Die Funktion ordnet ein B zu jedem A zu.

• Jedem A wird ein B zugeordnet.

• Ein B wird jedem A zugeordnet.

Abhängigkeit implizit durch Präpositionen beschrieben

• Die Funktion gibt für jedes A ein B an.

• Die Funktion gibt zu jedem A ein B an.

• Es wird für jedes A ein B angegeben.

• Es wird zu jedem A ein B angegeben.

Abb. 3: Unterschiedliche Sprachbausteine zum Ausdrücken funktionaler Zusammenhänge – Erste Zusammenstellung einer korpuslinguistischen Bestandsaufnahme in Schul- und Prüfungsaufgaben (nach Zindel 2013)

Beispiel  2:  Strukturelle  Bezüge  zwischen  Brüchen  erfassen    

Welche Relevanz bedeutungsbezogene Sprachmittel beim Aufbau von konzeptuellem Verständnis auch in anderen Themengebieten haben, zeigt exemplarisch die Aufgabe in Abb. 4, die in einer fach- und sprachin-tegrierten Förderung zu Brüchen eingesetzt und intensiv beforscht wurde (Wessel 2013). Neben der Konso-lidierung der inhaltlichen Vorstellung des Bruchs als Anteil steht hier durch die operative Struktur der Auf-gabenfolge auch die Entdeckung von strukturellen Bezügen zwischen Zahlen im Zentrum (Prediger 2013b).

Sitta, eine der sprachlich und mathematisch schwachen Schülerinnen aus den beforschten Förderprozes-sen, versuchte im Zuge der Bearbeitung der 1. Aufgabe aus Abb. 4 auszudrücken, wie sich die Anteile ver-ändern:

„Das kommt immer kleiner, je ein halben, dann bekommt er eigentlich ein größeres und das wird dann immer kleiner wegen 1/3. Dann muss das ja eigentlich auch in 3 Teile geteilt werden. 1/4 muss dann in 4 Teilen geteilt werden, und deswegen wird es dann immer kleiner.“ (Turn 56 im Transkript, vgl. Wessel 2013)

Ihre Formulierung, Can bekomme „ein größeres“ und „das wird dann immer kleiner“ ist zwar inhaltlich bereits richtig, ihr fehlten jedoch in diesem Moment noch die Sprachmittel zur Unterscheidung der Zahl der Stücke (des Nenners) und des Anteils. Kurze Zeit später in der Förderung benutzte Sitta zwar den Begriff Anteil, jedoch unterschied sie „Anteil von den Freunden“ (gemeint war Anzahl) und „Anteil von der Scho-kolade“:

„Nein, von den Freunden wird ja der Anteil größer. Und jetzt z.B. von der Schokolade wird das kleiner, weil er das in mehrere Stücke teilen muss, damit alle seine Freunde etwas davon bekommen.“ (Turn 68 im Transkript in Wessel 2013)

Erst nachdem die Unterscheidung zwischen Anteil und Anzahl sprachlich aufgeklärt war, gelang Sitta eine exakte Unterscheidung, was größer bzw. was kleiner wird, die kommunikativ erfolgreich war und die Ge-danken wirklich klärte.

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Duploaufgaben

1. Aufgabe Can teilt sich mit Freunden gerecht ein Duplo. Er überlegt sich, welchen Anteil er bekommt, wenn sie zusammen zwei, drei, vier Freunde sind. Dazu hat er die folgende Tabelle angefangen. Fülle sie weiter aus. Duplo verteilt an insgesamt

… Freunde: Bild von Cans Teil

Anteil, den Can von einem Duplo bekommt:

1 Duplo – 2 Freunde

12

1 Duplo – 3 Freunde

1 Duplo – 4 Freunde

1 Duplo – 5 Freunde

Untersuche die Bilder und Anteile genau: • Wie verändert sich der Anteil, den Can von einem Duplo bekommt? • Warum verändert sich der Anteil?

2. Aufgabe Can nimmt mehr als ein Fünftel. Fülle in der Tabelle die Bilder aus. Anteil, den Can von

einem Duplo nimmt: Bild von Cans Teil

1/5

2/5

3/5

4/5

5/5

Untersuche die Anteile und Bilder genau: • Was verändert sich bei dem Anteil, den Can von einem Duplo nimmt? • Wie verändert sich sein Teil und warum?

3. Schreibaufgabe Schreibe deine Entdeckungen so auf, dass ein anderer Schüler versteht, was mit dem Anteil passiert und warum sich der Anteil verändert. Diese Wörter kannst du verwenden:

Was verändert sich? • der Zähler • der Nenner • die Anzahl der Duplos • die Anzahl der Freunde • der Anteil

Wie verändert es sich? • größer • kleiner • mehr • weniger • gleich

Abb. 4: Aufgaben aus der sprach- und fachintegrierten Förderung zu Brüchen (aus Prediger & Wessel 2012)

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Ist dies für mehrere mathematische Gegenstände erfolgt, so besteht die Hoffnung, allgemeine Prinzipien für die Übertragbarkeit auf andere Gebiete konsequent herausarbeiten zu können, so dass die empirischen Analysen durch Apriori-Analysen ersetzt werden können.

Für Aufgabenteil 3 (aus Abb. 4) schrieb Sitta da-nach den oberen Text aus Abb. 5. Sie verfügte nun über eine bedeutungsbezogene Sprache, während andere Schüler wie Ismet (Abb. 5 Mitte) rein auf das Formale bezogene Auffälligkeiten beschrieben und damit die Bedeutung nicht klären konnten. Seinen Versuch zur Aufklärung der Bedeutung, der im Satzanfang „Das Bruch zeigt mir“ (Abb. 5) erkennbar wird, brach Ismet ab, denn der symboli-sche Bruch allein zeigte ihm keine Bedeutung. Die Videoanalyse zeigt, wie er darum rang, doch an nicht überwindbare Grenzen stieß, bis er Hilfe von außen bekam.

Das untere Dokument von Bogdan zeigt auch, dass die im ersten Designexperiment-Zyklus ange-botenen Sprachmittel zuweilen kontraproduktiv waren, nämlich wenn Lernende versuchten, alle Worte gleichzeitig einzusetzen.

Da viele Lernende anders formulierten als wäh-rend der Entwicklung des Lehr-Lernarrangements antizipiert, wurde im Entwicklungsforschungs-prozess die Spezifizierung relevanter Sprachmittel nun mit empirischem Vorgehen unterstützt: Durch Analyse des Sprachvorbildes eines erfolgreich kommunizierenden Mädchens konnte rekonstruiert werden, welche Sprachmittel altersgemäß zur Be-wältigung der Situation gebraucht werden (Wessel 2013).

Aus diesen und ähnlichen Erfahrungen wurden die (oben beschriebenen) Prinzipien (1) und (2) (siehe oben) entwickelt, auf deren Basis ein Ange-bot von Sprachmitteln für die entsprechende Auf-gabe in Zukunft eher so wie in Abb. 6 aussehen würde.

Dieses Beispiel zeigt auch, dass angesichts der bislang in der Mathematikdidaktik geringen Erfah-rung in der Spezifizierung notwendiger Sprach-mittel derzeit korpuslinguistische Bestandsaufnah-men aber auch gegenstandsspezifische Design-Experimente notwendig sind, um zu erfassen, wel-che Sprachmittel für einen mathematischen Gegen-stand (wie hier die ordinalen Beziehungen zwi-schen Brüchen) relevant sind (vgl. Arbeitsbereiche in Abb. 1).

Texte der geförderten Lernenden zur Schreibaufgabe 3 Sitta:

Ismet:

Bogdan:

Abb. 5: Schriftliche Antworten auf Frage 3 aus Abb. 4

Sprachmittel für strukturelle Bezüge zwischen Brüchen Beziehungen von Teil, Anteil, Ganzem • die Anzahl • der Teil von einem Ganzen, • der Anteil an einem Ganzen • das Ganze (+ ggf. kontextbezogene Synonyme zum wie

der ganze Schokoriegel, der gesamte Bruchstreifen) • verteilen, einteilen, nehmen, bekommen, markieren • 1 von 3 Stücken • 1/3 von einem Ganzen (Schokoriegel) • Das Ganze ist in 3 Stücke geteilt, 1 Stück davon ist 1/3 Beschreiben von (operativen) Veränderungen: • kleiner / größer werden, • weniger / mehr bekommen • Wenn-dann Konstruktionen (z.B. wenn der Nenner

größer wird...., dann werden es immer mehr Stücke und der Anteil wird kleiner)

• Je-desto Konstruktionen (je mehr... desto weniger...., je weniger… desto mehr…)

Abb. 6: Überarbeitete Liste an Sprachmitteln (Wessel 2013)

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3.3.  Unterrichtliche  Ansätze  für  den  Aufbau  von  Sprachmitteln  

Geeignete Sprachmittel für das Verstehen von und Mathematisieren mit mathematischen Konzepten eignen sich viele Lernenden nicht von selbst an, sodass der Aneignung im Unterricht systematische Aufmerksam-keit geschenkt werden muss. Dazu dienen gemeinsam erstellte Sprachspeicher als Plakat im Klassenraum und im Heft. So können z.B. nach einer Unterrichtseinheit zur Funktionalen Abhängigkeit die Formulie-rungen aus Abb. 3 mit folgendem Impuls zur Bilanzierung der Sprachrezeptionserfahrungen gesammelt werden:

„Schaut mal alle Schulbuch- und Prüfungsaufgaben durch, die wir bisher bearbeitet haben. Schreibt heraus, welche Satzbau-steine da jeweils genutzt wurden, um funktionale Zusammenhänge zu beschreiben. Wer findet am meisten verschiedene?“ (ähnlich bei Rasch 2010)

Oder sie entstehen als Bilanzierung der Sprachproduktions- und -reflexionserfahrungen, z.B. mit Formulie-rungen aus Abb. 6, die nach Bearbeitung der Aufgaben aus Abb. 4 in der Klasse mit dem folgenden Impuls gesammelt werden können:

„Ihr habt die Aufgabe jetzt bearbeitet und eure ersten Texte geschrieben. Dann habt ihr euch in einer Schreibkonferenz gegen-seitig beraten, wie man das noch besser formulieren kann. Welche Sprachbausteine haben euch besonders geholfen?“ (ähnlich bei Verboom 2012)

Damit diese Satzbausteine auch bei allen Lernenden mit tragfähigen Bedeutungen gefüllt werden, sind weitere Prinzipien zu beachten: • Gemäß klassischer Ansätze der Mathematikdidaktik (Bruner 1967, Duval 2006) und Erfahrungen aus

der Sprachförderung (Leisen 2005, Prediger & Wessel 2012) erweist sich die Vernetzung von Darstel-lungsformen als zentrales Prinzip, um die Bedeutungen hinter den Sprachmitteln zu etablieren: Beim Vernetzen von symbolischen, verbal-alltagssprachlichen, verbal-bildungssprachlichen, verbal-fachsprachlichen, symbolisch-numerischen (z.B. Wertetabellen) und ggf. symbolisch-algebraischen (z.B. Funktionsgleichungen) Darstellungen werden Vorstellungen aufgebaut und Bedeutungen von Konzepten und unvertrauten (z.B. bildungssprachlichen) Sprachbausteinen konstruiert.

• Bildungs- und fachsprachliche Sprachmittel können nicht von selbst erfunden werden, sondern müssen zum richtigen Zeitpunkt im Prozess des Vorstellungsaufbaus angeboten werden. Adaptivität in Bezug auf den situativen Lernstand ist dabei eine zentrale Gelingensbedingung, die empirisch wiederholt re-konstruiert werden konnte.

• Auch wenn einige Sprachmittel durch das Aufgabenmaterial und gezielt gepflegte Sprachspeicher (Verboom 2012) von der Lehrkraft für alle Lernenden angeboten werden können, erweist sich die mündliche Unterstützung und situative Überformung einer Schülerformulierung durch eine sensible Lehrkraft als das adaptivste und damit oft am besten zu verarbeitende Sprachangebot (dies ist das so-genannte Micro-Scaffolding, vgl. Gibbons 2006).

• Grafische Darstellungsmittel sind insbesondere auch zu Beginn des Lernprozesses wichtig, um das verbale Register zu entlasten, weil sie das schlichte Draufzeigen (deiktische Mittel wie „dahin“, „das da“) ermöglichen, um sprachentlastet Ideen zu formen und im ersten Zugriff zu kommunizieren.

• Auch bei mathematischen Gegenständen, bei denen grafische Darstellungen sonst keine Rolle spielen, erweist sich ein sprachentlasteter struktureller Bezugsrahmen als Modell als hilfreich. So wurde z.B. zur sprachentlasteten Etablierung der Vorstellung des funktionalen Zusammenhangs als Abhängigkeit zwischen zwei Größen immer wieder auf die Spaltenköpfe von Wertetabellen zurück gegriffen (Zindel 2013).

• Für die Etablierung von Sprachmitteln für mathematisch relevante Beziehungen kanalisiert die vorge-gebene Sprachform manchmal auch die erst zu erwerbende Denkform: „Je .... desto...“ ist die Form, in der Kovariationsaussagen ausgedrückt (und damit auch gedacht) werden können, mit „wenn ... dann“

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werden operative Beziehungen ausdrückbar. Wer bei Brüchen immer fragt „2/3 von was?“ hat die Be-ziehung zwischen Anteil, Teil und Ganzem in den Blick genommen, statt das Ganze zu vergessen.

Die derzeit laufenden Entwicklungsforschungsstudien im Rahmen des MuM-Projekts bringend zunehmend detailliertere Erkenntnisse, wie diese Prinzipien genau wirken können, und welchen Gelingensbedingungen sie unterliegen. Auch wenn diese Studien bei Weitem noch nicht abgeschlossen sind, wird auch jetzt schon deutlich, dass der Aufbau von Sprachmitteln mit dem Aufbau konzeptuellen Verständnisses für mathemati-sche Konzepte systematisch parallel erfolgen sollte und beide sich gegenseitig stützen. Dazu liegen bereits praktisch erprobte Ansätze vor (Meyer & Prediger 2012, Prediger & Wessel 2012, Verboom 2012), parallel erfolgen durch weitere Forschung Ausdifferenzierungen und Ausweitungen auf andere Themengebiete.

Wenn dieser parallele fach- und sprachintegrierte Aufbau von Sprachmitteln erfolgt ist, können weitere sprachliche Sensibilisierungen für eine Prüfungsvorbereitung im wohl verstandenen Sinne erfolgen, die auch grammatikalische Elemente von Sprache stärker einbeziehen (Gürsoy et al. 2013, Benholz & Lip-owski 2010).

4.  Ausblick:  Anforderungen  an  die  Aus-­‐  und  Fortbildung    

Während sich das Forschungsprogramm der Fachdidaktischen Entwicklungsforschung zunächst nur auf Lehr-Lernarrangements und die Schülerinnen und Schüler bezieht und damit zunächst empirisch und prak-tisch begründetes theoretisches Wissen über Lerngegenstände und Lehr-Lernprozesse sowie Prototypen von Lehr-Lernarrangements generiert, bleibt eine wichtige Dimension in dem Forschungsprogramm zu-nächst ausgeklammert, nämlich die Lehrkräfte. Dass die Professionalität der Lehrkräfte jedoch eine ent-scheidende Gelingensbedingung für jeden Unterricht bildet, gilt in gleicher oder sogar in besonderer Weise für einen sprachsensiblen Unterricht mit seiner hohen Bedeutung eines adaptiven Micro-Scaffolding.

Lehrerbildung in jeder Phase (Universität, Referendariat, lebenslanges Lernen) muss sich daher mit Sprachförderung intensiv beschäftigen, um die Anforderungen an Diagnose und Förderung in sprachlicher Hinsicht erfüllen zu können (MSW 2009). Erste Konzepte für die erste Phase dazu sind bereits erprobt (Benholz et al. 2010, Prediger et al. 2012b), weitere Konzepte für die zweite und dritte Phase sind derzeit in der Entwicklung und Erprobung.

Dank  

Die Studie zu den Zentralen Prüfungen 10 wurde finanziert vom MSW NRW und gemeinsam mit Nadine Renk, Claudia Benholz, Erkan Gürsoy und Andreas Büchter durchgeführt. Die Studie MuM-Brüche wurde unter dem offiziellen Titel „Entwicklung und Evaluation des fach- und sprachintegrierten Förderansatzes: Darstellen – Deuten – Darstellungen vernetzen“ vom BMBF gefördert (Förderkennzeichen 01JG1067) und gemeinsam mit Lena Wessel durchgeführt. Die Studie MuM-Algebra ist das Dissertations-projekt von Nadine Krägeloh und wird im Rahmen des Forschungs- und Nachwuchskollegs FUNKEN finanziert. Für Förderung und Mitarbeit sei herzlich gedankt!

Literatur    

Konkrete  schulpraktische  Beiträge    

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Meyer, Michael & Prediger, Susanne (2012): Ausgesprochen Mathe - Sprachen fördern. Themenheft der Praxis der Mathematik in der Schule 54(45).

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