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04.12.2018 1 1 § 4 Unmöglichkeit der Leistung I. Arten der Unmöglichkeit 1. Objektive / subjektive Unmöglichkeit § 275 Abs. 1 betrifft sowohl die objektive als auch die subjektive Unmöglichkeit („für den Schuldner möglich“) 2. Anfängliche und nachträgliche Unmöglichkeit auch bei anfänglicher Unmöglichkeit wird Schuldner gem. § 275 I von seiner Leistungspflicht frei; Vertrag nicht unwirksam (§ 311a I) gem. § 311 a Abs. 2 haftet er aber auf Schadensersatz statt der Leistung (bzw. gem. § 284) Fall 5: Anfängliche und nachträgliche Unmöglichkeit/Unvermögen A. Ausgangsfall I. Anspruch K – V auf Schadensersatz: §§ 280 I, III; 283 BGB 1. Schuldverhältnis K – V: § 433 2. Pflichtverletzung V: Eigentum und Übergabe nicht erfolgt. 3. Vertretenmüssen: (-) II. Anspruch V – K auf Bezahlung des Kaufpreises: § 433 II 1. Anspruch entstanden: § 433 II BGB (wirksamer Kaufvertrag) 2. Anspruch entfällt gem. § 326 I: wenn Schuldner der gestörten Sachleistung „nicht zu leisten braucht“ (§ 275 I – III BGB) Hier: nachträgliche objektive Unmöglichkeit (+)

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§ 4 Unmöglichkeit der Leistung

I. Arten der Unmöglichkeit

1. Objektive / subjektive Unmöglichkeit

• § 275 Abs. 1 betrifft sowohl die objektive als auch die subjektive Unmöglichkeit („für den Schuldner möglich“)

2. Anfängliche und nachträgliche Unmöglichkeit

• auch bei anfänglicher Unmöglichkeit wird Schuldner gem. § 275 I von seiner Leistungspflicht frei; Vertrag nicht unwirksam (§ 311a I)

• gem. § 311 a Abs. 2 haftet er aber auf Schadensersatz statt der Leistung (bzw. gem. § 284)

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Fall 5: Anfängliche und nachträgliche Unmöglichkeit/Unvermögen

A. Ausgangsfall

I. Anspruch K – V auf Schadensersatz: §§ 280 I, III; 283 BGB

1. Schuldverhältnis K – V: § 433

2. Pflichtverletzung V: Eigentum und Übergabe nicht erfolgt.

3. Vertretenmüssen: (-)

II. Anspruch V – K auf Bezahlung des Kaufpreises: § 433 II

1. Anspruch entstanden: § 433 II BGB (wirksamer Kaufvertrag)

2. Anspruch entfällt gem. § 326 I: wenn Schuldner der gestörten Sachleistung „nicht zu leisten braucht“ (§ 275 I – III BGB)

Hier: nachträgliche objektive Unmöglichkeit (+)

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B. Variante 1a): X nicht zur Rückübereignung bereit

I. Anspruch K – V auf Schadensersatz: §§ 280 I, III, 283

1. Schuldverhältnis K- V: § 433

2. Pflichtverletzung V: keine Übergabe und Übereignung

3. Vertretenmüssen: Einstehenmüssen für P gem. § 278 bzw. § 276 –Organisationsverschulden des V

4. Schadensersatz, wenn Schuldner nicht zu leisten braucht (§ 275 I): V braucht nicht zu leisten, weil Übereignung unmöglich

• X = Eigentümer durch Übereignung P – X (§§ 929 BGB; 49 I HGB)

• Falls sich X weigert: zwar keine objektive Unmöglichkeit, sondern subjektives Unvermögen des V

Aber Leistungspflicht entfällt wie bei objektiver Unmöglichkeit (§ 275 I „für den Schuldner“ unmöglich)

Ergebnis: V schuldet Schadensersatz; Schaden: Weiterverkauf des Sportwagens für 30.000.- € = entgangener Gewinn. 3

II. Anspruch V – K auf Bezahlung des Kaufpreises:

1. Anspruch entstanden: § 433 II

2. Anspruch entfällt gem. §326 I, weil V nicht zu leisten braucht.

3. Abweichende Gefahrtragung, wenn Gläubiger das Leistungshindernis allein oder überwiegend zu vertreten hat (§ 326 II 1. Alt. BGB)

Hier hat nicht K, sondern V das Leistungshindernis alleine zu vertreten (§ 278 oder §276 BGB – Organisationsverschulden), so dass es bei § 326 I BGB bleibt: Anspruch auf Kaufpreis entfällt.

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2. Variante 1 b): X zum Verkauf für 35.000.- € bereit

I. Anspruch K – V auf Übereignung und Übergabe des Sportwagens: § 433 I BGB

1. Keine Unmöglichkeit (§ 275 I), auch keine subjektive, da X ja zur Rückübereignung an V bereit ist

2. Wiederbeschaffung zum Preis von 35.000 € ist V trotz § 275 II BGB zuzumuten

II. Anspruch V – K auf Bezahlung des Kaufpreises - § 433 II

Nicht erloschen, da V leisten muss (kein Fall von § 275 I – III)

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3. Variante Fall 5 c: X ist bereit, zum Preis von 80.000 € zu verkaufen

I. K – V: § 433 I, 275 I , II BGB: V muss nicht leisten, weil Leistung unzumutbar ist

Verteuerung um mehr als das Dreifache = grobes Missverhältnis im Vergleich zum Gläubigerinteresse (25.000 €)

auch dann, wenn V das Leistungshindernis zu vertreten hat (vgl. § 275 II 1 und 2 BGB)

dafür spricht auch, dass V keine Beschaffungspflicht übernommen hat

II. K – V auf Schadensersatz: wie Ausgangsfall §§ 280 I, III; 283 BGB (+)

III. V – K: Kaufpreis - § 433 II entstanden, entfällt gem. § 326 I wegen Unmöglichkeit der gestörten Sachleistung; keine abweichende Gefahrtragung gem. § 326 II 1. Alt. (vom Gläubiger zu vertretende Unmöglichkeit)

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C. Variante 2

• anfängliche Unmöglichkeit: auch hier wird V gem. § 275 I von seiner Leistungspflicht frei

gem. § 311 a Abs. 2 haftet V auf Schadensersatz statt der Leistung

• Vertretenmüssen wird vermutet (S. 2): „Dies gilt nicht, wenn der Schuldner das Leistungshindernis bei Vertragsschluss nicht kannte und seine Unkenntnis auch nicht zu vertreten hat“

• Anknüpfungspunkt nicht das Verschulden des Leistungshindernisses, sondern die unterlassene Information

• Ergebnis: V schuldet Schadensersatz (= entgangener Gewinn des K 5.000 €)

Variante 3: Staatsexamen Bln/Bbg 2018/II

I. Anspruch K – V auf Schadensersatz: § 311a II

1. Schuldverhältnis K – V: § 433 – wirksamer Kaufvertrag

a) Vertretung des V durch F ohne Vertretungmacht - §§ 164 I , 177 I

b) Genehmigung durch V: § 184 I (+)

2. Leistung des V unmöglich oder unzumutbar (§ 275 I – III BGB): + Übereignung durch Vertreter ohne Vertretungsmacht; aber Genehmigung macht Übereignung nachträglich wirksam.

Fraglich ist, zu welchem Zeitpunkt Geschäft wirksam wird; für Rückwirkung der Genehmigung spricht § 184 I BGB, so dass V seine Vb aus § 433 I erfüllt hat.

3. Leistungshindernis bei Vertragsschluss: anfängliche Unmöglichkeit käme nur in Betracht, wenn es für das Leistungshindernis auf den Zeitpunkt der Genehmigung ankäme; dagegen spricht Rückwirkung der Genehmigung (§ 184 I BGB) und Wertung des § 446 BGB.

II. SEA gem. §§ 280 I, III, 283: keine nachträgliche Unmöglichkeit (-)8

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3. Juristische / physische Unmöglichkeit

a) Juristische Unmöglichkeit: Kauf einer eigenen Sache

BGHZ 133, 98, 102: wenn Enteignung unwirksam war und Enteigneter das Grundstück von dem enteignenden Staat zurückkauft

b) Physische Unmöglichkeit: wenn die Leistung nach den Naturgesetzen nicht erbracht werden kann

Beispiele:

aa) Totalschaden bei KfZ

• Auch wirtschaftlicher Totalschaden: Grenze 130% (Palandt/Grüneberg § 249 Rn. 18); liegen Kosten darüber: § 251 I Entschädigung = Wiederbeschaffungswert des KfZ

• BGH NJW 2015, 2958: falls SvSt-Gutachten die Kosten auf 186 % (2973 €) schätzt, kann Geschädigter sich nicht auf Reparaturen iHv130% beschränken, sondern bekommt nur Wiederbeschaffungswert (1600 €) abzüglich Restwert (430 €)

b) Bei Beratung auf astrologischer Basis

aa) 2 Fälle zu unterscheiden:

Verspricht der Schuldner den Einsatz übernatürlicher, magischer oder parapsycho-logischer Kräfte und Fähigkeiten (OLG Düsseldorf NJW 1953, 1553; BGH NJW 2011, 756): objektive Unmöglichkeit

oder

allgemeine Lebensberatung, bei der nur eine jahrmarktartige Unterhaltung erwartet und geschuldet wird (BGH, aaO.): keine Unmöglichkeit, Vertrag wirksam

bb) Bsp. für Unmöglichkeit:

• Parapsychologische Wiederbeschaffung eines trennungswilligen Partners (LG Kassel NJW 1985, 1642)

• Beseitigung von Erdstrahlen (LG Braunschweig NJW – RR 1986, 478)

• Ratschläge zu Lebensfragen auf der Grundlage von Kartenlegen (BGH NJW 2011, 756: Honorar 35.000.-€!!).

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cc) Rechtsfolgen:

Verträge nicht zwingend nichtig, sondern gültig, wenn der Gläubiger nach der vertraglichen Risikoverteilung die Gefahr für die Untauglichkeit der Bemühungen übernommen hat (§ 326 II).

arg.: Vertragsfreiheit erlaubt auch Verpflichtung zu Leistungen, deren Wirkungen nach dem Stand der Wissenschaft nicht erweislich sind, aber der inneren Überzeugung entsprechen (BGH, aaO.; zust. Medicus/Lorenz Rn. 405).

– Grenze:§ 138 I (Wucher): s. Fall BGH NJW 2011, 756 (Auftraggeber häufig in Notlage oder psychisch instabil)

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4. Faktische und wirtschaftliche Unmöglichkeit

• BGB differenziert zwischen faktischer Unmöglichkeit (§ 275 II) und wirtschaftlicher Unmöglichkeit (§ 313)

• § 275 II: zwischen dem Aufwand des Schuldners und dem Gläubigerinteresse besteht ein Missverhältnis

• Ring auf dem Meeresgrund

• Schuldner schuldete Mehl aus einer nach Vertragsschluss abgebrannten Mühle; keine Verpflichtung, bei den Abnehmern nach u.U. vorhandenen Resten zu fahnden

• nicht: wenn sich mit steigendem Beschaffungsaufwand (zB Ölkrise) auch das Gläubigerinteresse erhöht („Verteuerung“)

• Fliesenfall – Folie 13

• § 313: nur das Schuldnerinteresse an der Befreiung von seiner Verpflichtung wird betrachtet

• durch extreme Inflation Äquivalenzverhältnis des Vertrages grob gestört

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Fliesenfall: Im Anschluss an EuGH NJW 2011, 2269; BGHZ 192, 148 ist Verkäufer grundsätzlich zum Ausbau mangelhafter und zum Einbau mangelfreier Sachen (im Fall: Fliesen) verpflichtet (jetzt§ 439 III BGB nF – Folie 15)

Grenze gem. § 439 IV und – beim Verbrauchsgüterkauf - § 475 IV nF:

1. BGH NJW 2009, 1660 nahm Unverhältnismäßigkeit an, weil

(Selbst-)Kosten für die Lieferung der mangelfreien Fliesen (ca.1.200 €) und Kosten für den Ausbau der mangelhaften Fliesen (ca. 2.100 €, einschließlich Mehrwertsteuer) ca. 3.300 € betrugen und damit

• 150% des Wertes der mangelfreien Fliesen: Kaufpreis 1.382,27 €(einschl. MwSt); 150% = ca. 2100 und

• 200% des mangelbedingten Minderwerts der mangelhaften Fliesen: Kaufpreis 1.382,27 € (einschließlich MwSt); 200% = ca. 2800

überstiegen.

2. Problem: Art. 3 Abs. 3, Unterabs. 2 der Richtlinie gestattet nur Berücksichtigung der relativen Unverhältnismäßigkeit (jetzt auch § 475 IV1 nF).

a) Diese Methode versagt, wenn Mangelbeseitigung durch Reparatur und dgl. unmöglich ist (Fliesen hatten Schatten); dann gibt es keine relative Unverhältnismäßigkeit.

b) EuGH begrenzte dennoch Anspruch des Käufers auf angemessenen Betrag.

• Ebenso im Anschluss an EuGH NJW 2011, 2269 der BGH (BGHZ 192, 148) und der Gesetzgeber:

• § 475 IV 2 BGB nF gestattet nur Einwand relativer Unverhältnismäßigkeit, ermöglicht aber – wie EuGH - Reduzierung der Ausbaukosten auf angemessene Höhe.

c) Maßstab: Wert der Sache in mangelfreiem Zustand und Bedeutung des Mangels BGH im Fliesenfall 600.- € (50% Wert mangelfreier Fliesen).

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Auszug Verbrauchsgüterkaufrichtlinie Art. 3 Abs. 3

(3) Zunächst kann der Verbraucher vom Verkäufer die unentgeltliche Nachbesserung des Verbrauchsgutes oder eine unentgeltliche Ersatzlieferung verlangen, sofern dies nicht unmöglich oder unverhältnismäßig ist.

Eine Abhilfe gilt als unverhältnismäßig, wenn sie dem Verkäufer Kosten verursachen würde, die

- angesichts des Werts, den das Verbrauchsgut ohne die Vertragswidrigkeit hätte,

- unter Berücksichtigung der Bedeutung der Vertragswidrigkeit und

- nach Erwägung der Frage, ob auf die alternative Abhilfemöglichkeit ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher zurückgegriffen werden könnte,

verglichen mit der alternativen Abhilfemöglichkeit unzumutbar wären.

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Jetzt § 439 III BGB nF

3) Hat der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht, ist der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet, dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen. …

(4) Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung unbeschadet des § 275 Abs. 2 und 3 verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Dabei sind insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte. Der Anspruch des Käufers beschränkt sich in diesem Fall auf die andere Art der Nacherfüllung; das Recht des Verkäufers, auch diese unter den Voraussetzungen des Satzes 1 zu verweigern, bleibt unberührt.

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Bei Verbraucherverträgen kann Unternehmer (Verkäufer) nur relative Unverhältnismäßigkeit geltend machen; diese scheidet aus, wenn nur eine Art der Nacherfüllung (Ersatzlieferung) möglich ist

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§ 475 IV BGB nF

(4) Ist die eine Art der Nacherfüllung nach § 275 Absatz 1 ausgeschlossenoder kann der Unternehmer diese nach § 275 Absatz 2 oder 3 oder § 439 Absatz 4 Satz 1 verweigern, kann er die andere Art der Nacherfüllung nicht wegen Unverhältnismäßigkeit der Kosten nach § 439 Absatz 4 Satz 1 verweigern. Ist die andere Art der Nacherfüllung wegen der Höhe der Aufwendungen nach § 439 Absatz 2 oder Absatz 3 Satz 1 unverhältnismäßig, kann der Unternehmer den Aufwendungsersatz auf einen angemessenen Betrag beschränken. Bei der Bemessung dieses Betrages sind insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand und die Bedeutung des Mangels zu berücksichtigen.

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5. Exkurs: Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB

• Reaktion des Gesetzes auf Abweichung der Vorstellung der Vertragsparteien und der Wirklichkeit

• Ausdruck der allgemeinen Billigkeit (§ 242), seit 2002 verankert in § 313 BGB

a) Grds. nachrangiges Rechtsinstitut; vorrangig ist zu denken an:

aa) Auslegung des Vertrages

• Bsp. Rubelfall RGZ 105, 406 (Darlehen über 30.000 Rubel; angenommener Kurs 1:4 (7500.- RM); wirklicher Kurs 1:100 (300 RM) -§§ 133, 157: wirklicher Gegenwert

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bb)Unmöglichkeit

– Krönungszug-Fall: V vermietet an M Fensterplatz für 100 Pfund, damit dieser den Krönungszug von König Edward VII. ansehen kann; Umzug fällt wegen Erkrankung des Königs aus. Muss M den Mietzins zahlen?

1. Anspruch aus § 535 II BGB: entstanden.

2. Entfallen gem. § 326 I: Unmöglichkeit der gestörten Sachleistung (=Gebrauchsüberlassung gem. § 535 I 1).

a) Gebrauchsüberlassung möglich, nicht aber zu dem dafür vorgesehenen Zweck.

b) Beuthien (Zweckerreichung und Zweckstörung im Schuldverhältnis 1969, S. 169 ff.): nur solche Leistungen des Vermieters zwecktauglich, die eine Besichtigung des Umzugs ermöglichen; arg.: dafür verlangt Vermieter das Entgelt, so dass er sich die Zweckvorstellungen des Mieters zu eigen macht.

Rechtsfolge: Unmöglichkeit gem. §§ 275 I, 326 I

cc) Larenz (SchuldR I, § 21 II/3. = S. 328): keine Unmöglichkeit, da Gebrauchsüber-lassung sehr wohl möglich – aber Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) entfallen.

(1) Geschäftsgrundlage:

= „die beim Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut“ (BGHZ 163, 42)

– Beiderseitiger Geschäftswille baut auf der Besichtigung des Krönungszuges auf (Mietzins!)

(2) Gegenbeispiel: hat Vertragspartner einseitige Zweckvorstellungen - z.B. den gekauften Ring zur Verlobung zu schenken - , macht sich diese der andere Vertragspartner nicht zu eigen

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(3) Rechtsfolge: nach der vertraglichen Risikoverteilung Festhalten des M am Vertrag nicht gerechtfertigt (§ 313 BGB).

Wertung des § 537 passt nicht, weil Ausfall des Krönungszuges nicht einseitig in den Risikobereich des Mieters fällt.

Ergebnis: Wegfall GG – M muss keinen Mietzins zahlen

dd)Sachmangel (§ 536 I): Tauglichkeit der vermieteten Sache zum vertragsgemäßen Gebrauch aufgehoben

Bedenken: vor Gefahrübergang nicht anwendbar (Medicus/Lorenz Rn. 533)

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ee) Beiderseitiger Motivirrtum („kleine“ Geschäftsgrundlage)

• Motivirrtum nur ausnahmsweise beachtlich: § 119 II; §§ 2078 f.

• Anwendung von § 313 bei einem beiderseitigen Kalkulationsirrtum

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Bsp. Silberfall RGZ 101, 107:

V macht dem K ein Angebot über 200 kg Silber 800 fein zum Preis von 320 RM. K legte jedoch Wert auf Silber1000 fein. Daraufhin rechnet V in Gegenwart des K im Kopf den Preis für 1000 fein auf der Grundlage des Preises von 320 RM für 800 fein aus und verlangt aufgrund eines Rechenfehlers 360 RM statt richtig 400 RM. Kann V von K den richtigen Preis (400 RM) verlangen oder sich von dem ungünstigen Geschäft lösen?

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1. Auslegung (§§ 133, 157 BGB ): 400 M = Kaufpreis? (dafür Larenz/Wolf § 36 Rn. 61)

– dagegen spricht, dass sich Käufer am Endpreis orientiert und grds. nicht mehr zahlen will als vereinbart

2. Irrtum über die gemeinsame Kalkulationsgrundlage: Anpassung gem. § 313 (Rücktrittsrecht des V)

– dafür spricht, dass bei gemeinsamer, beiderseits akzeptierter Geschäftsgrundlage nicht nur der Verkäufer – der Irrende - das Irrtumsrisiko tragen soll, sondern auch der Käufer, der sich genauso irrt (h.M., vgl. Palandt/Ellenberger, § 119 Rn. 30)

3. Für Dissens wegen „Perplexität“ der Erklärung: MünchKomm./Kramer, § 119 Rn. 89; für Irrtumsanfechtung gem. § 119 I analog Singer, JZ 1999, 342.

Ergebnis: V kann sich nach überwiegender Ansicht wegen Wegfalls der GG vom Vertrag lösen; wenn man dem folgt, sollte man aber § 121 analog anwenden, um Wertungswidersprüche zum Irrtumsrecht zu vermeiden (Singer, JZ 1999, 342).

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b) Voraussetzungen

(1) Geschäftsgrundlage

• „reales Element“

- Gemeinsame Vorstellungen der Parteien oder

- dem Geschäftsgegner erkennbare und von ihm nicht beanstandete Vorstellungen,

- auf denen der Geschäftswille aufbaut

• „hypothetisches Element“

= Partei hätte Vertrag nicht oder nicht so geschlossen, wenn sie Veränderungen der Umstände vorausgesehen hätte

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• „normatives Element“

= die andere Partei hätte sich redlicherweise auf Berücksichtigung des Umstandes einlassen müssen

– entscheidend ist die sich aus dem Vertrag oder Gesetz ergebende Risikoverteilungdes Vertrages

ausgenommen sind Umstände, die in den Risikobereich einer Partei fallen

BGH NJW 1985, 2693: K betreibt Gaststätte und bezieht Bier von Brauerei; trotz Kündigung des Pachtvertrages für Kneipe bleibt K an langfristigen Biervertrag gebunden

BGHZ 163, 42: Mutter und Vater schließen für Tochter Behandlungsverträge mit Krankenhaus; später stellt sich heraus, dass Tochter – wider Erwarten – nicht krankenversichert ist.

Risiko (knapp 15.000.- €) muss Vertragspartner (Eltern) tragen; es ist Sache des Patienten, für den Versicherungsschutz zu sorgen (Mu haftet uU gem. § 1357 auch für die vom Vater veranlassten Krankenhausaufenthalte!)

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(2) Wegfall oder Störung d. Geschäftsgrundlage

Veränderung der Umstände muss so gewichtig sein, dass Festhalten am Vertrag nach Treu und Glauben unzumutbar ist

Auslegung im Einzelfall; zu berücksichtigen:

Vorhersehbarkeit der Veränderung

Wenn vereinbarte Geldsumme keine annähernd ausreichende Gegen-leistung darstellt (Steigerung der Lebenshaltungskosten auf 150% bzw. Kaufpreisschwund um 60% bei Bestellung eines Erbbaurechts ohne Anpassungsklausel, BGHZ 96, 371, 375).

verfolgt Leistung Versorgungszweck?

• arg.: dient Leistung der Versorgung (bspw. Pension), ist Anpassung eher gerechtfertigt, Medicus / Petersen Rn. 167

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c) Rechtsfolgen

(1) Grundsatz: Vertragsanpassung, § 313 I

• Es ist diejenige Regelung zu treffen, die Vertragsparteien getroffen hätten, wenn sie die Veränderung der Umstände vorhergesehen hätten

• Bsp.: statt nichtiger Tagespreisklausel muss Käufer zwar Listenpreis zahlen, erhält aber Rücktrittsrecht (BGHZ 90, 69:§ 157 BGB)

• Rubelfall: Statt 7.500 (Kurs 1:4) beträgt Darlehensschuld 300 (1:100)

(2) Wenn Anpassung unmöglich / unzumutbar: § 313 III

• bei Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Vertragsanpassung Rücktritts- bzw. Kündigungsrecht

z.B. wenn Parteien den Vertrag bei Kenntnis der veränderten Umständen auch nicht mit anderem Inhalt geschlossen hätten (Medicus/ Petersen Rn. 169 – 170)

Bsp.: Silber-Fall – Verkäufer kann nicht 400. -€ verlangen, sondern nur Vertragsaufhebung

Bsp.: Ausgleich von unbenannten Zuwendungen beim Scheitern der Ehe/Lebensgemeinschaft

1. Bei gesetzlichem Güterstand grundsätzlich angemessener Ausgleich durch Zugewinnausgleich gem. §§ 1372 ff., 1378 BGB

2. Bei nichtehelicher Lebensgemeinschaft und Gütertrennung nach neuerer Rspr. Ausgleich von Zuwendungen, die in der Erwartung des Fortbestandes der Beziehung gemacht wurden, wenn Nichtberücksichtigung unzumutbar ist.

Nur bei erheblichen Zuwendungen: (Teil-)Finanzierung Grundstück, Mitarbeit bei Hausbau (1000 Std.)

Nicht ausgleichsfähig aber Leistungen, die im Rahmen des täglichen Zusammenlebens erbracht werden (Tilgung Kreditraten entspricht Miete, Beiträge zum Lebensunterhalt, übliche Renovierungsleistungen)

Einzelheiten BGHZ 177, 193, 202

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3. Ausgleich bei Schwiegerelternzuwendungen

• Nur in besonderen Ausnahmefällen, wenn Beibehaltung des bestehenden Vermögensstatus unzumutbar; in der Regel nur Ausgleich in Geld

• Faktoren: Ehedauer, persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse von Schwiegereltern und früheren Ehegatten, der Umfang der durch die Zuwendung bedingten und beim Schwiegerkind noch vorhandenen Vermögensmehrung, aber auch mit der Schenkung verbundene Erwartungen des Zuwendenden hinsichtlich seiner Versorgung im Alter von Bedeutung

• Bsp. für Rückgewähranspruch: wenn Teilungsversteigerung droht und wegen tiefen Zerwürfnisses die von den Ehepartnern übernommene Pflegeleistung nicht mehr erbracht werden kann oder wenn Schwiegervater mit der Zuwendung den Zweck verfolgt hatte, für sich und seine Ehefrau ein lebenslanges Wohnrecht zu erlangen.

• BGH FamRZ 1998, 669; 1999, 365; 2006, 394

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6. Persönliche Unzumutbarkeit (§ 275 Abs. 3)

• aufgrund besonderer Umstände kann die Leistung dem Schuldner nicht zugemutet werden

Beispiele:

1. Sängerin sagt Liederabend wegen schwerer Erkrankung ihres Kindes ab

2. Arbeitnehmer kann Arbeitsvertrag nicht erfüllen, weil er in der Türkei zum Wehrdienst einberufen wurde und Nichtbefolgung des Einberufungsbefehls mit schwerer Strafe (früher: Todesstrafe) bedroht ist (BAG NJW 1983, 2782, 2784)

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7. Vorübergehende und endgültige Unmöglichkeit

• Grundsatz: bei Verzug des Schuldners darf Gläubiger nicht sofort zurücktreten, sondern muss eine angemessene Frist setzen (§ 323 I)

• Ausnahme: Leistung ihrer Natur nach nicht nachholbar („absolutes Fixgeschäft“ = Unmöglichkeit)

• Beispiele:

• Arbeitsleistung (menschliche Arbeitskraft begrenzt)

beachte: es gilt nicht § 326 I, sondern § 615 S. 3, wenn Arbeitgeber Betriebsrisiko trifft

• Taxi zum Flughafen

• Kauf von Saisonartikeln (Nikoläuse treffen erst nach Weihnachten ein)

Gegenbeispiel: Uhr als Weihnachtsgeschenk trifft nicht rechtzeitig ein (Nachholbarkeit gegeben, weil Verwendungszweck nicht Vertragsinhalt oder Geschäftsgrundlage ist)

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• Unterscheide: „relatives Fixgeschäft“

• Leistungszeitpunkt zwar wichtig, aber Leistung auch später nachholbar („Stehen und Fallen“ des Geschäfts mit Einhaltung der Leistungszeit)

Gläubiger kann ohne Fristsetzung gem. § 323 II Nr. 2 vom Vertrag zurücktreten

• Abgrenzung (§§ 133, 157): entscheidend, ob „Gläubiger im Vertrag den Fortbestand seines Leistungsinteresses an die Rechtzeitigkeit der Leistung gebunden hat“

Beispiele: gebuchter Flug verspätet sich (BGH NJW 2009, 2743 Rn. 12; Medicus/Lorenz, Rn. 412 – Fluggast hat idR auch Interesse an verspäteter Leistung; Unmöglichkeit nicht interessengerecht).

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• Übersicht „Bestimmung der Leistungszeit“

einfache Bestimmung des

Zeitpunktes

§ 286 II Nr. 1 §§ 280 I, II, 286

„Stehen und Fallen“ des Geschäftes mit

Zeitablauf

„relatives Fixgeschäft“Nachholbarkeit (+)

§§ 280 I, II, 286§§ 280 I, III, 281 I S.1§§ 323 I, II Nr. 2

Zu-Spät-Leistung soll Nichtleistung gleichstehen

„absolutes Fixgeschäft“Nachholbarkeit (-)

§ 275 I§§ 280 I, III, 283 S. 1§ 326 V

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„vorübergehende Unmöglichkeit“ uU wie dauerhafte Unmöglichkeit zu behandeln

Beispiel „Iran-Fall“ (BGHZ 83, 197):

• wegen der Machtübernahme durch den Religionsführer Khoumeini konnte Subunternehmer Bau einer Tierkörperverwertungsanlage unverschuldet nicht mehr ausführen.

BGH bejahte Unmöglichkeit: dem Gläubiger (= Hauptunternehmer) war nicht zuzumuten, bis zur Normalisierung der wirtschaftlichen Verhältnisse abzuwarten

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II. Rechtsfolgen der Unmöglichkeit

1. Nachträgliche nicht zu vertretende Unmöglichkeit

a) Untergang des Leistungsanspruchs, § 275 BGB

b) Anspruch auf das Surrogat, § 285 BGB

• erlangt der Schuldner aufgrund der Unmöglichkeit, einen Ersatz oder Ersatzanspruch, muss er ihn dem Gläubiger herausgeben

a) commodum ex re (Ersatz für die geschuldete Sache selbst)

z.B. Versicherungssumme für zerstörte Sache

b) commodum ex negotiatione (Erlös aus Rechtsgeschäft)

z.B. Weiterveräußerungserlös V - X

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beachte: eigentlich beruht der Weiterveräußerungserlös auf Kaufvertrag mit Drittem; zur Unmöglichkeit der Leistung führt aber erst die wirksame Übereignung gem. § 929 BGB

• h.M.: zwischen Kaufvertrag und Übereignung besteht jedoch ein so enger wirtschaftlicher Zusammenhang, dass Erlös als Surrogat des veräußerten Gegenstandes angesehen werden kann (BGHZ 75, 206)

• dies gilt bei § 285 und § 816 I 1

Grund: Gläubiger gebührt wirtschaftlich Erlös

• nicht aber bei § 818 I BGB !!!

Grund: § 818 I erfasst nur Ersatz für Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung der herauszugebenden Sache, nicht aber Ersatz für Veräußerung

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c) Untergang des Gegenleistungsanspruchs, § 326 I S. 1 BGB

• bei gegenseitigen Verträgen verliert Schuldner der gestörten Leistung grds. den Anspruch auf die Gegenleistung (der Schuldner trägt die sog. „Preisgefahr“)

Voraussetzungen des § 326 I S.1:

1) gegenseitiger Vertrag

2) Schuldner braucht nach § 275 Abs. 1 – 3 nicht zu leisten

3) auf das Vertretenmüssen kommt es insoweit nicht an (!)

Rechtsfolge: Wegfall der „Gegenleistung“ (im Verhältnis zur gestörten Sachleistung)

„Gegenleistung“ ist nur die im Synallagma stehende Leistung („do ut des“)

• nicht: Kaufpreis und Nebenpflicht zur Verpackung

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c) „Systematische Ausnahmen“ von § 326 I S. 1 BGB

= Fälle in denen der Gläubiger die Preisgefahr trägt

(1) § 326 II S. 1 1. Hs. BGB – alleinige oder überwiegende Verantwortlichkeit des Gläubigers

• näher dazu bei § 4 II 3.

(2) § 326 II S. 1 2. Hs. BGB – Annahmeverzug des Gläubigers

• Grund: Gefahrerhöhung durch Verhalten des Gläubigers

• beachte das Tatbestandsmerkmal „kein Vertretenmüssen des Schuldners“

§ 300 I BGB: während des Annahmeverzugs hat Schuldner nur „Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit“ zu vertreten

• näher zum Annahmeverzug bei § 6

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(3) § 446 S. 1 BGB – Übergabe der Kaufsache

• mit Übergabe der Sache geht Gefahr auf den Käufer über

• „Übergabe“ = Übertragung des unmittelbaren Besitzes

• Grund: die Gefahr des zufälligen Untergangs soll diejenige Partei tragen, die die Sache in ihrer Obhut hat

ebenso mit Eintragung ins Grundbuch

(4) § 447 I BGB – Übergabe der Kaufsache an Transportperson bei Versendungskauf

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Fall 6: Versendungskauf

V K

S

407 HGB

433

A611

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Lösung Ausgangsfall:

Ansprüche K gegen V

A. §§ 433 I, 275 I BGB ( - )

• geschuldete Leistung unmöglich (Vase zerstört)

• auf Vertretenmüssen des V kommt es nicht an

B. Schadensersatz statt der Leistung gem. §§ 275 IV, 280 I, III, 283 I S. 1

I. Befreiung des Schuldners gem. § 275 Abs. 1 ( + )

II. Voraussetzungen des § 280 I:

1) Pflichtverletzung des Schuldners

Nichterfüllung der Pflicht aus § 433 I

2) kein Ausschluss wegen fehlenden Vertretenmüssens, § 280 I S. 2

• Vertretenmüssen wird zwar vermutet, aber konkrete Hinweise gegen ein Vertretenmüssen zu berücksichtigen

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a) Eigenes Verschulden (§ 276): (-)

b) Einstehenmüssen für Fremdverschulden, § 278

Spediteur S bzw. dessen Erfüllungsgehilfe A

(1) V ist Schuldner gem.§ 433 I BGB

(2) S = Erfüllungsgehilfe iSv § 278 BGB?

(a) S ist mit Wissen und Wollen für V tätig

(b) im Pflichtenkreis des V?

den Pflichtenkreis bestimmen:

1. der Inhalt der vertraglich übernommenen Schuld

2. die Vorschriften über den Annahmeverzug (§§ 293 ff. BGB)

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man unterscheidet:

Holschuld Bringschuld Schickschuld

Leistungsort / Erfüllungsort(§ 269 BGB)

am Sitz des SCH beim GL am Sitz des SCH

geschuldete Leistungs-handlung

Aussonderung+

wörtliches Angebot

iSv § 295 S.1

Aussonderung+

tatsächliches Angebot

iSv § 293

Aussonderung+

Übergabe angeeignete

Transportperson

Erfolgsort am Sitz des SCH beim GL beim GL

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hier: Schickschuld

• beim Versendungskauf Regelfall

• Umstand, dass V die Versendungskosten übernimmt, führt nicht dazu, dass Bringschuld vereinbart ist, § 269 Abs. 3 BGB

Folgen: Transport gehört eigentlich nicht mehr zum Pflichtenkreis des Verkäufers V

S daher nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers gem. § 278

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(1) Ausnahme: Bei Zuschickungsgeschäften des täglichen Lebens, bei denen Verkäufer die Transportleistung als Kundendienst selbst durchführt (Lieferung von Heizöl, Kohle oder Bier), ist Bringschuld gewollt (Palandt/Grüneberg § 269 Rn. 12; Jauernig/Berger § 447 Rn. 8)

(2) Auch beim Versandhandel liegen Besonderheiten vor:

(a)Handelt es sich um einen Verbrauchsgüterkauf, ist § 447 nur anzuwenden, wenn der Käufer den Spediteur beauftragt hat und Unternehmer diesen nicht zuvor benannt hat (§ 475 II); idR trägt also V das Transportrisiko.

Dann ist es konsequent, in Fällen wie diesen von einer Bringschuld des V auszugehen (hM, vgl MünchKomm/Krüger, § 269 Rn. 20; Palandt/Grüneberg, § 269 Rn. 12; Borges DB 2004, 1815; BGH NJW 2003, 3341).

(b) Seit 13.6.2014 Neufassung des § 474 IV BGB aufgrund der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU und seit 1.1.2018 in § 475 II BGB:

§ 475 Abs. 2 BGB nF lautet nunmehr wie folgt:

„§ 447 Absatz 1 gilt mit der Maßgabe, dass die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung nur dann auf den Käufer übergeht, wenn der Käufer den Spediteur, den Frachtführer oder die sonst zur Ausführung der Versendung bestimmte Person oder Anstalt mit der Ausführung beauftragt hat und der Unternehmer dem Käufer diese Person oder Anstalt nicht zuvor benannt hat.“

Konsequenz: im Ausgangsfall 6 keine, da es sich nicht um einen Verbrauchsgüterkauf handelt.

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b) Darüber hinaus ist streitig, ob generell beim Versandhandel – also nicht nur beim Verbrauchsgüterkauf - § 447 nicht anzuwenden ist, zB beim Versandhandel mit einem Unternehmer.

Dafür spricht, dass V das Transportrisiko eher beherrscht als K, insbesondere günstiger versichern kann (Borges DB 2004, 1815, 1817), und der Transport nicht – wie § 447 vorschreibt - auf Verlangen des K, sondern des V erfolgt (Medicus/Petersen Rn. 275; MünchKomm./Krüger, § 269 Rn. 20).

Die Gegenansicht des BGH (NJW 2003, 3341, 3342; Brox/Walker, AS, § 12 Rn. 16) überzeugt nicht, weil sie nur allgemein auf die Vermutung des § 269 I, III abstellt.

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c) Hier: Versendungskauf unter Kaufleuten; kein Versandhandel

aa) Nach wohl h.M. Schickschuld und Anwendung von § 269 Abs. 1 und 3, 447 BGB (BGH NJW 2003, 3341; Brox/Walker, AS, § 12 Rn. 16).

Folge: Transport gehört nicht mehr zum Pflichtenkreis des Verkäufers V. Spediteur nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers gem. § 278.

K hat keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen V.

bb) Nach aA Bringschuld mit folgenden Konsequenzen: - V würde gem. § 275 I von seiner Leistungspflicht frei;- K ebenfalls: § 326 I; kein Übergang der Gegenleistungsgefahr gem. §

447 (arg.: Bringschuld)- K hätte einen Schadensersatzanspruch gegen V gem. §§ 280 I, III,

278, weil der Spediteur bei einer Bringschuld im Pflichtenkreis des Verkäufers und somit als dessen Erfüllungsgehilfe tätig wäre.

Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass es sich um eine Schickschuld handelt und § 447 anwendbar ist.

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B. Ansprüche V gegen K

Anspruchsgrundlage: § 433 Abs. 2 BGB

I. Verpflichtung entstanden: Wirksamer Kaufvertrag

II. Entfallen:

1. Unmöglichkeit: Bei Unmöglichkeit der gestörten Sachleistung erlischt gem. § 326 Abs. 1 der Anspruch des V gegen K auf die Gegenleistung.

2. Aber besondere Gefahrtragungsregeln: gem. § 447 BGB geht die Gefahr auf Käufer über, sobald Verkäufer die Sache dem Spediteur, dem Frachtführer oder der sonst zur Ausführung der Versendung bestimmten Person oder Anstalt ausgeliefert hat

a) Gefahr: Gemeint ist hier die Gegenleistungsgefahr; dies folgt schon daraus, dass die Leistungsgefahr bei Unmöglichkeit von § 275 Abs. 1 geregelt wird. Diese trägt der Käufer sowieso.

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b) Versendung der verkauften Sache auf Verlangen des Käufers:Vereinbarung

c) Nach einem anderen Orte als dem Erfüllungsorte:

Erfüllungsort: im Zweifel Wohnsitz des Schuldners (§ 269 Abs. 1, Abs. 3 BGB: München); Versendung nach Hamburg.

Übernahme der Versendungskosten irrelevant (Abs. 3) – aA vertretbar (Folien 44 f.)

3. Rechtsfolge: Übergang der Kaufpreisgefahr auf den Käufer, d.h. dieser muss den Kaufpreis bezahlen.

Ergebnis: Ansprüche K - V: §§ 275 I, 280 I, III, 283 (-)Ansprüche V - K: §§ 433 II, 447 (+)K erhält nichts, V den Kaufpreis!

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Ergebnis ungerecht! Aber:

seit 1.7.1998 Lösung durch § 421 I 2 HGB:

„Empfänger“ darf die „Ansprüche aus dem Frachtvertrag“ im eigenen Namen gegen den Frachtführer geltend machen kann.

= eigener Schadensersatzanspruch des K

Früher Lösung über „Drittschadensliquidation“ gem. § 242 BGB: s. Folie 51

Seit 1.7.1998 weitgehend überholt! Nur noch einschlägig, wenn es sich bei der Transportperson nicht um einen Gewerbetreibenden (§ 407 III HGB) handelt, sondern um eine Privatperson.

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Exkurs: Drittschadensliquidation: V darf gem. § 242 Schaden des K (Drittschaden) gegen S geltend machen und muss diesen Anspruch gem. § 285 an K abtreten

V § 285 K

§ 280 I (-) § 823 (-)

S

Konstruktion weitgehend überflüssig wegen § 421 HGB

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Variante a): Rechtslage bei Transport durch eigene Leute

RGZ 96, 258: Transport durch eigene Leute zum Bahnhof

V 433 K

611A Bahn

Diebstahl U noch vor Auslieferung an Bahn (=Frachtführer)

Versicherung von V weigerte sich, Versicherungsfall anzuerkennen, da V keinen Schaden habe; V erhalte nämlich gem. § 447 den Kaufpreis trotz des Diebstahls

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Ansprüche V - K:

I. § 433 II - Anspruch entstanden (+)

II. Entfallen gem. § 326 I: Schuldner der Sachleistung braucht gem. § 275 I nicht zu leisten (Unmöglichkeit)

III. Ausnahme: § 447 ?

1. RG.: § 447 gilt auch beim Platzgeschäft und beim Transport durcheigene Leute; arg.:

unbillig, wenn Verkäufer Transportrisiko tragen müsste,obwohl Transport im Interesse des K

Kritik?

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Ergebnis unbefriedigend (und nicht überzeugend!):

- K hat keinen Anspruch gegen V und keinen Ersatzanspruch gegen A (§ 823 I [-])

- § 421 I 2 HGB hilft hier nicht, weil A kein Frachtführer ist (§ 407 HGB).

2. Medicus/Petersen (Rn. 275): § 447 passt nicht beim Transport durcheigene Leute; arg.

Transport zum Bahnhof gehört hier noch zur Sphäre des V

Rechtsfolge: Preisgefahr trägt V (§ 326 I 1)

Ergebnis: K – V: §§ 433 I, 275 I (0)V - K: §§ 433 II, 326 I 1 (0)

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3. Larenz: V behält zwar Vergütungsanspruch gem. § 447 (wie RG), haftet aber dem K gem. §§ 280 I, III, 278, 283 S. 1 auf Schadensersatz.

arg.: Transport gehört zwar nicht mehr zum Pflichtenkreis des Schuldners;

diesen treffen aber Schutzpflichten gem. § 241 II, die auch Hilfspersonen erfüllen müssen und für die V gem. § 278 einstehen muss.

Vorteil: vertragliches Äquivalenzverhältnis bleibt erhalten; falls K „gutes“ Geschäft gemacht hat (zB Wert der Vase 6.000.-/Kaufpreis 5.000.-), bleiben ihm Vorteile erhalten (Schaden: 1000.-).

Ergebnis: V haftet daher in der Variante a) gem. §§ 280 I, III, 283 S. 1, 278 BGB für die Zerstörung der Vase (Schadensersatz statt der Leistung).

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Variante b:

Falls K Privatmann ist, gilt § 447 nicht; auf Verbrauchsgüterkauf findet § 447 keine Anwendung (§ 475 II; Grund: Verbraucherschutz)

Rechtsfolgen:

1. K – V: §§ 433 I, 275 I

2. V – K: § 326 I; Gegenleistungsgefahr ginge erst mit Übergabe an den Käufer gem. § 446 auf diesen über.

3. Allerdings liegt dann eine Bringschuld vor, so dass V für das Verschulden des Spediteurs ebenso wie für das Verschulden der eigenen Leute einstehen muss (§§ 280 I, III, 278; oben Folien 44, 47; ebenso BGH NJW 2003, 3341 zu § 474 II aF).

Ergänzung: Rechtslage im Ausgangsfall bei Beschädigung der Vase

I. K – V:

1. §§ 433 I 2, 275: Mangel unbehebbar; V wird von seiner Verpflichtung zur mangelfreien Leistung frei

2. §§ 437 Nr. 1, 439 I: Nacherfüllung? Unmöglich (§ 275), außerdem z.Zt. Gefahrübergang - § 447 – kein Mangel; daran scheitern auch Rücktritt, Minderung und Schadensersatz gem. § 434 Nr. 2, 3 (-)

II. V – K: § 433 II

1. Anspruch auf Gegenleistung entfällt nicht gem. § 326 I 1, weil die Norm bei Sachmängeln nicht anwendbar ist (§ 326 I 2) und K gem. § 447 die Gegenleistungsgefahr tragen muss.

2. Anspruch erloschen durch Rücktritt des K (§§ 437 Nr. 2, 323 I)? kein Sachmangel z. Zt. Gefahrübergang (-)

Ergebnis: K müsste eigentlich Kaufpreis zahlen, obwohl er beschädigte Vase erhalten hat

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III. Korrektur des – ungerechten - Ergebnisses:

1. Beim Verbrauchsgüterkauf (Variante) ist § 447 nicht anwendbar (§ 475 II); ebenso nach h.M. im Versandhandel (s.o.)

Konsequenz: Bringschuld des V; z. Zt. Beschädigung noch kein Gefahrübergang auf K!

Rechte des K gem. § 437 Nr. 2, 3: Rücktritt, Minderung, Schadensersatz

2. Falls § 447 anwendbar ist (kein Versandhandel, K Unternehmer), muss K zwar Kaufpreis zahlen, ist aber nicht rechtlos:

a) Ist Transportperson Gewerbetreibender (§ 407 III HGB), hat K einen Schadensersatzanspruch gegen S gem. §§ 280 I, 278 BGB iVm § 421 I 2 HGB

b) Im Übrigen hilft Drittschadensliquidation (§ 242): V darf Schaden des K im eigenen Namen geltend machen und muss dann die Ersatzleistung an K herausgeben (§ 285 BGB)

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(5) § 537 I S. 1 BGB

• auch bei persönlicher Verhinderung muss Mieter Mietzins entrichten; er trägt Verwendungsrisiko

• Beispiel: Mieter liegt im Krankenhaus; sein Risiko

(5) § 615 BGB

a) § 615 S. 1 (Annahmeverzug des Dienstberechtigten)

• kündigt AG unberechtigt und bietet – bis zur gerichtlichen Klärung – nicht einen Arbeitsplatz an, behält AN seinen Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs des Arbeitgebers

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b) § 615 S. 3 (Betriebsrisiko des Arbeitgebers)

• entsprechendes gilt, wenn AG das Betriebsrisiko trägt

AG trägt Betriebsrisiko für Störungen aus seiner Sphäre (Rohstoffmangel, Absatzprobleme, Funktionsfähigkeit des Arbeitsplatzes), im Regelfall nicht das Streikrisiko

(5) §§ 644, 645 BGB

• Grds.: § 644 I S.1 BGB (= lex specialis zu § 326 I S.1)

• Übergang der Preisgefahr bei:

a) Abnahme, § 640

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b) Annahmeverzug, § 644 I S. 2 (= § 326 II S. 1 2. Alt.)

c) Untergang aufgrund eines vom Besteller gelieferten Stoffes, § 645 I S. 1

• Beispiel: übernimmt U den Transport des Pferdes von B und erkrankt dieses Pferd, ist Werkleistung unmöglich geworden (§275 I)

• an sich gilt § 644 I S. 1 (B müsste nicht zahlen)

aber § 645 I S. 1: B trägt Vergütungsrisiko, weil Werkleistung infolge eines mangelhaften, vom Besteller gelieferten „Stoffes“ unausführbar geworden ist

d) Verantwortlichkeit des Bestellers, §§ 645 II, 326 II S. 1 1. Alt.

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2. Nachträgliche vom Schuldner zu vertretende Unmöglichkeit

a) Vertretenmüssen

• Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten sowie für das Verschulden von Erfüllungsgehilfen einzustehen (§§ 276 – 278)

• ferner haftet er gem. § 276 I 1, 3. Alt. aufgrund des „Inhalts des Schuldverhältnisses“

• Geldschulden: „Geld hat man zu haben“

• Garantie: Schuldner verspricht unbedingte Haftung (z.B. beim Kauf eines Gebrauchtwagens: „werkstattgeprüft“ oder „unfallfrei“)

• Beschaffungsrisiko: vor allem bei Gattungsschulden (§ 243) übernimmt Schuldner (stillschweigend) das Beschaffungsrisiko (Grenze: § 275 II)

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b) Beweislast

trägt Schuldner (§ 280 I 2 BGB)

c) Rechtsfolgen

• Schuldner haftet auf Schadensersatz (§§ 280 I, III i.V.m. §§281 - 286 BGB)

• Rücktritt ist dagegen verschuldensunabhängig, § 323 I BGB

d) Problem: Berechung des Schadensersatzes

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Fall 7: Schadensberechnung

S P480, 433

€ 5.000 € 6.000

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Ansprüche S gegen P

A. Übereignung Vase: §§ 433 I, 480

I. Entstanden: wirksamer Tausch (§ 480 iVm § 433 I)

II. Erloschen: § 275 I

B. Herausgabe des Flügels

Anspruchsgrundlage: §§ 326 IV, 346 I

I. Erlöschen des Anspruchs P – S auf die – nicht gestörte – Gegenleistung, §326 I S. 1 (Übereignung des Flügels)

• Leistung des P (Übereignung Vase) unmöglich (§ 275 I) (+)

• Konsequenz: Erlöschen der Gegenleistungspflicht des S = Übereignung des Flügels an P; da S schon Gegenleistung erbracht hat, ist diese von P zurückzugewähren, § 326 IV, 346.

II. Rücktritt entbehrlich, da Anspruch des P – S auf Gegenleistung (= Übereignung Flügel) gem. § 326 I automatisch erlischt

Ergebnis: P ist zur Herausgabe des Flügels verpflichtet

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C. Schadensersatz statt der Leistung, §§ 280 I, III, 283 S. 1 BGB

I. Schuldverhältnis: § 480 (Tausch)

II. Pflichtverletzung: P hat Verpflichtung aus §§ 480, 433 I nicht erfüllt

III. kein Ausschluss wg. fehlenden Vertretenmüssens, § 280 I S. 2

laut SV Verschulden des P

IV. Rechtsfolge: Schadensersatz

• hier: Schadensersatz statt der Leistung, weil primäre Leistung des P nicht mehr erbracht werden kann und S dafür Ersatz verlangt

• Problem: Berechnung

a) „Surrogationsmethode“

• S verlangt den Wert der unmöglich gewordenen Leistung (6.000 €)

• Flügel bleibt an P übereignet

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b) „Differenzmethode“

• S verlangt den Flügel zurück

• darüber hinaus verlangt S die Differenz zwischen dem Wert der Vase und seiner Gegenleistung (= 1.000 €)

Vorteil: S bleibt Gewinn erhalten, ohne die eigene Leistung erbringen zu müssen

Rechtfertigung: zu dem „Opfer“ (Übereignung Flügel) war S möglicherweise nur bereit, weil er dadurch die Vase erwerben wollte

c) Wahlmöglichkeit?

• vor Schuldrechtsmodernisierung: war Gegenleistung schon erbracht, durfte Gläubiger nur nach der Surrogationsmethode vorgehen (Gläubiger konnte nur wahlweise Rücktritt „oder“ Schadensersatz verlangen)

• nach Schuldrechtsreform: § 325 BGB nF – Nebeneinander von Rücktritt und Schadensersatz

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Konsequenz:

• S bekommt Flügel zurück

• darüber hinaus kann er die Differenz zwischen dem Wert seiner Leistung (5.000.- ) und dem Wert der – unmöglich gewordenen -Gegenleistung des P (6.000.-) von P verlangen

Ansprüche P gegen S

§§ 433 I, 480: Anspruch auf Übereignung Flügel

I. Anspruch entstanden: Tauschvertrag

II. Anspruch erloschen:

1. Wegen § 326 I S. 1 entfällt Anspruch auf Gegenleistung (Flügel)

2. Falls sich S für Surrogationsmethode entscheidet, darf P Flügel zwar behalten –muss aber Wert seiner unmöglich gewordenen Leistung (6.000.- ) ersetzen (§ 280 I, III, 283 S. 1)