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Zeitschrift der Medien- und Kommunikationswissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg SS 2007 n Heft 7 Department Profs in die Wüste geschickt Kontrovers Amoklauf der Medien Gespräch Die Kathedrale und der Basar Meinung Die Glut von Knut Essay Bloghouse: Küchenreste oder Feinkost? Reportage Bericht aus Berlin Finish Mit Party- und Szenelokalen zum Abschluss

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Zeitschrift der Medien- und Kommunikationswissenschaftenan der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

SS 2007 n Heft 7

Department

Profs in die Wüste geschickt

Kontrovers

Amoklauf der Medien

Gespräch

Die Kathedrale und der Basar

Meinung

Die Glut von Knut

Essay

Bloghouse: Küchenreste oder Feinkost?

Reportage

Bericht aus Berlin

Finish

Mit Party- und Szenelokalen zum Abschluss

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Inhaltsverzeichnis

Edito

rial

Inhalt & Editorialn

unser Bestreben war es, ein thematisch interessantes und auch lebendiges Heft zu machen. Wir hoffen, dass uns dies gelungen ist. Ein Themenheft stand am Anfang unserer Überlegungen. Schöner Gedanke, für unsere Verhältnisse aber zu aufwendig. Umso erfreulicher, dass sich quasi von selbst ein Thema als kleiner Schwerpunkt eingestellt hat, Web �.0: Kontrovers diskutiert Ulrich Künzel die Rolle der Medien im Hinblick auf den Amoklauf in Blacksburg. Nico Reiher macht sich in seinem Essay Gedanken über den Ein-fluss von Blogs auf den professionellen Journalismus. Und Björn Hoffmann vom Brockhausverlag verriet Flo Hand-los, warum die Existenz von Wikipedia und Co. für einen Lexikonverlag gar nicht so bedrohlich ist, wie es zunächst erscheinen mag.Bedrohlicher ist da schon der „Tod an der Saale“ – aber keine Sorge, auch in unserem Alumni-Krimi klärt sich am Ende alles auf! Ja, und wo leben sie denn, am Department und um das Department herum? Wir wollten es wissen und haben einiges zusammengetragen: haben Taschen kon-trolliert, einen Hausbesuch gemacht, den Einfluss von Sofa und Kaffee auf den Lernerfolg reflektiert und anderes mehr. Unsere Reporter waren zudem – na klar – in Berlin, wo der Bär steppt, haben sich aber auch in der Nähe umgesehen und sich in die Zukunft einladen lassen (Geschehen).Zur Lebendigkeit gehört auch die redaktionelle Gruppen-dynamik: �0 Mitglieder zählt unsere Redaktion in diesem Semester. Und es ist gar nicht so leicht, die ersten (zweiten oder dritten) journalistischen Gehversuche einer so gro- ßen Redaktion vorzulegen, die Kritik auszuhalten und so-gar konstruktiv zu nutzen – Differenzen bleiben da nicht aus. Am deutlichsten schieden sich die Geister am Text „Tod an der Saale“. Kategorisch abgelehnt von den einen, leidenschaftlich verteidigt von den anderen. Passt ein sol-cher Grenzgang zwischen journalistischer und fiktionaler Darstellungsweise überhaupt ins MuKJournal? Schließlich hat die Experimentierfreude gesiegt. Das Journal ist ein Ausbildungsprojekt. Warum also nicht einmal außerhalb der strengen Regeln seiner Kreativität freien Lauf lassen dürfen? Zudem ist die Einbindung des Publikums wich-tig. Warum also nicht die Leserinnen und Leser mitreden lassen? Jetzt sind Sie gefragt: Wie gefällt Ihnen der Text? Was halten Sie davon, hin und wieder redaktionelle Expe-rimente zuzulassen? Meinungen und Anregungen hierzu und zu anderem nehmen wir sehr gerne entgegen unter: [email protected] besonderer Dank gilt an dieser Stelle noch einmal Silke Mühl, die das MuKJournal mit großem Engage-ment aufgebaut und über Jahre betreut hat, die somit die Grundlagen gelegt hat für ein Praxisprojekt, das zukünftig im Bachelor-Studiengang fest verankert sein wird. Mein persönlicher Dank gilt zudem allen, die zum Gelingen dieses Heftes beigetragen haben.

Ihre Ingrid Brück

Liebe Leserinnen und Leser, Department 004 Berufe mit Zugkraft

005 Profs in die Wüste geschickt

Forschung006 Mythische Vergangenheit: Konstruktion eines neuen Geschichtsbildes

007 Mini-Studium für Schüler Betriebsausflug an der Unstrut

Reportage008 Bericht aus Berlin

Kontrovers0�0 Blacksburg – Der Amoklauf der Medien

Gut gerüstet?0�� Achtung: Taschenkontrolle!

Kulturbeute0�� Halle lieben lernen

Gespräch0�4 Die Kathedrale und der Basar

Indoor0�6 Learning by Doing Laufende Initiativen des MuK-Departments

0�7 In the year �0�0

Outdoor0�8 Der ‚Nebenjob‘ als Traumberuf

Meinung0�9 Die Glut von Knut

Essay0�0 Bloghouse – Küchenabfälle oder journalistische Feinkost?

Weit weg0�� „Big Apple, here I am!“

0�� LEONARDO bei ERASMUS aufgenommen

Branche0�4 Von Geckos und anderen Exoten

Publiziert0�6 Junge Wissenschaftler im Publikationsglück

Durchblick0�6 Zwangsehe mit den Sportwissenschaftlern – Auf Dauer?

0�7 Lernerfolg durch Lebensqualität Auslaufmodell Magister-Seminar?

Gespräch0�8 Hartnäckig und schamlos

Krimi0�0 Tod an der Saale

Homestory0�� Wohngemeinschaft mit Hindernissen

Finish0�4 Mit Party und Szenelokalen zum Abschluss

0�5 Klippan, Billy und Co. zeigen deinen Lebensstil MM&A-Abschlussprojekte �007

Geschehen0�6 Invitation to the Future Europa vereint in Uneinigkeit

0�7 Förderung hautnah Impressum0�8 Exkurs in die mediale Welt von morgen

Dates0�9 Termine für das Wintersemester �007/08

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nDepartment

große Ablehnung stieß. Skeptiker gibt es auch heute, etwa in den Reihen der ‚ordentlich‘ habilitierten Professoren. Grund für die Abneigung ist vor allem das vermeintlich fehlende Hinter-grundwissen der ‚Neuen‘. Manche Professoren zweifeln an der ausreichenden Qualifikation und fordern auch weiterhin Habi-litationen. „Ich habe manchmal das Gefühl, dass eingesessene Profes-soren zwei Vorstellungen schwer zusammenbringen können: Einerseits ist der Juniorprofessor von seinem Ausbildungsstand her nichts anderes als ein Habilitand, der bei seiner Forschung durchaus noch Beratung benötigt. Andererseits beansprucht er nun dieselben oder zumindest sehr ähnliche Rechte wie die ordentlichen Professoren. Diese scheinbare Widersprüchlichkeit kann offenbar zu einem kognitiven Flirren führen“, beschreibt Dr. Föllmer das Problem. Für die Uni ergeben sich jedoch Vor-teile, vor allem, weil der Juniorprofessor die gleichen Aufgaben und Pflichten hat wie ein habilitierter Professor, aber die Kosten geringer sind.Bei der Einführung des gegenwärtigen Modells wurde den Uni-versitäten durch die Vorgriffsförderung Geld zugesprochen. Die- se ist allerdings mittlerweile ausgelaufen, was zu rückläufigen Zahlen geführt hat. Dennoch konnte sich das Modell erfolgreich etablieren: Insgesamt wurden 786 Juniorprofessuren an 65 Uni-versitäten mit Fördermitteln des Bundes unterstützt. Eine posi-tive Entwicklung, bedenkt man, dass viele junge Wissenschaftler ins Ausland abwandern. Auch Dr. Föllmer kann sich mit dem Gedanken anfreunden, im Ausland zu arbeiten – immerhin soll er als Juniorprofessor einen Teil der sechs Jahre auswärts ver-bringen. Berlin, Hamburg oder die USA sind Ziele, die für ihn in Frage kommen. Dies liegt aber noch in der Zukunft, vor allem wegen seiner Familie – der zweite Sohn wurde gerade erst ge-boren.Neben den kleinen Problemen sieht Dr. Föllmer große Vorteile. Dank seiner Position ist er nun Alleinvertreter eines bestimm-ten Forschungs- und Lehrbereiches, der Audiokultur. Aufgrund seines Titels wird er anders wahrgenommen und es ist für ihn leichter, sich bei neuen Projekten Gehör zu verschaffen. Die ei-genständige Entwicklung der Forschungsprojekte bereitet ihm große Freude, auf die Zusammenarbeit mit seinen Mitarbeitern ist er gespannt. Gespannt sein dürften auch die MuKler auf die Zugkraft, die der gelernte Klavierbauer und promovierte Musik-wissenschaftler am Institut weiterhin entwickeln wird. n

Berufe mit ZugkraftJuniorprofessor Dr. Golo Föllmer

Von Claudia Uhlig

Mitteldeutsches Multimediazentrum Halle, �. Etage, Raum ���. Dies ist der Ort des Geschehens, der Arbeitsplatz unseres Junior-professors Dr. Golo Föllmer. Über der Tür schwebt ein geigender Engel. Im Büro hängt ein Schild mit der Aufschrift „Berufe mit Zugkraft“ und genau das hat der frisch Ernannte, einen Beruf mit Zugkraft. Für Dr. Föllmer bedeutet dieser viel Arbeit. Als Juniorprofessor ist er Mitglied im erweiterten Fakultätsrat und könnte auch ins höchste Gremium der Universität gewählt werden, den Akade-mischen Senat, in dem bisher nur ‚ordentliche‘ Professoren sa-ßen. Auch die Forschung darf nicht auf der Strecke bleiben. Dr. Föllmer muss Forschungsprojekte konzipieren, Drittmittel dafür einwerben, Mitarbeiter und Hilfskräfte anleiten. All das neben

einer Lehrverpflichtung von sechs Semesterwochenstunden. Ju-niorprofessoren lehren zudem in einem höheren Bereich als wis-senschaftliche Mitarbeiter, sie halten Vorlesungen und teilweise Hauptseminare ab.Doch damit nicht genug. Die Stelle von Dr. Föllmer ist mit einem Tenure Track ausgestattet, das heißt: Nach Ablauf seiner Be-fristung von vorerst drei Jahren wird eine Zwischenevaluierung vorgenommen. Fällt das Ergebnis positiv aus, wird das Arbeits-verhältnis um weitere drei Jahre verlängert und das Gehalt auf-gestockt. Ist der Ausgang dieser Evaluierung jedoch negativ, kann sein Arbeitsverhältnis nur um ein weiteres Jahr verlängert werden. Der Wissenschaftler sieht dem vorerst noch gelassen entgegen, empfindet es gar als Anreiz – wohl auch deshalb, weil bis zum Ende seiner Befristung noch etwas Zeit ist.Dr. Föllmers Juniorprofessur befindet sich noch im Anfangs-stadium. Seinen Titel erhielt er erst im April �007. Dies ist der Grund dafür, dass derzeit noch keine Forschungsprojekte ange-laufen sind: „Es gibt aber einige Themen, die ich im Herbst in der einen oder anderen Form konkretisieren und durch Förder-anträge fundieren werde.“ Die Möglichkeit, Juniorprofessuren einzurichten, gibt es in der gegenwärtigen Form seit �005. Ziel ist es, jungen Nachwuchswissenschaftlern und -wissenschaft-lerinnen möglichst früh Raum zum selbstständigen Forschen zu geben. In der Regel werden Juniorprofessoren nach erfolg-reicher Promotion – ohne die übliche Habilitation – zunächst für drei bis vier Jahre verbeamtet oder angestellt.Die Idee ist allerdings nichts Neues. In einigen Bundesländern gab es zwischen �969 und �976 bereits die vergleichbare Assis-tenzprofessur. Dieses Modell wurde jedoch nach sieben Jahren wieder abgeschafft, da es besonders wegen der Befristung auf

Audiokultur als eigenständiger Forschungs- und

Lehrbereich

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Departmentn

Profs in die Wüste geschicktArab European University Damaskus baut Medienstudiengang auf

Von Ingrid Brück

Eine Oase des Wissens soll sie sein. Zugegeben, nicht ganz in der Wüste, aber nahezu: �7 Kilometer südlich von Damaskus, inmitten einer trockenen Steppe, liegt die Arab European Uni-versity (AEU). Dorthin flogen im Sommersemester die Profes-sores Kammer und Viehoff, um das Pflänzchen Medienwissen-schaft zu setzen. Die MLU, durch einen Kooperationsvertrag mit der syrischen Universität verbunden, hatte zu diesem Zweck die beiden Hallenser Medien- und Kommunikationswissenschaftler quasi in die Wüste geschickt.Viel Zeit zum Hegen und Pflegen des frisch gesetzten MuK-Pflänzchens blieb da allerdings nicht. Ganze zweieinhalb Tage standen zur Verfügung, um ein Curriculum für den neuen BA-Studiengang zu erstellen, gemeinsam mit den Verantwortlichen vor Ort. Dieses wird nun deutlich Hallenser Züge tragen, wenn auch angepasst an die dortigen Verhältnisse – so gehören etwa Englischkurse obligatorisch zu den Studienprogrammen. Manfred Kammer und Reinhold Viehoff hatten aber auch auf dem Rückflug einiges im Gepäck: zur Dekoration des Instituts das Gastgeschenk der AEU, ein Intarsienbild der berühmten Omayad Moschee; als Mitbringsel mit Horizonterweiterungs-potential für Erfahrungssammler die neue zusätzliche Koope-rationsvereinbarung über den Austausch von Studierenden und Dozent/innen zwischen der syrischen Uni und dem Hallenser MuK-Department. Und als ganz persönliche Komponente blei-ben die intensiven Eindrücke eines kulturellen Kontrastpro-gramms.Die Mehrzahl der Damaszener ist muslimisch, doch christliche Einflüsse prägen das Bild der syrischen Kapitale ebenfalls. Zwar war in der kurzen Zeit keine Gelegenheit für spezielle Sightsee-ing-Touren, aber der Aufenthalt war auch so exotisch genug. Allein der Weg aus Damaskus City in die ‚Uni-Oase‘: Auf der teils dreispurigen Straße fahren bis zu sieben Autos nebenein-ander, ständig die Spuren wechselnd. Der Weg führt vorbei an bunten Altstadt-Vierteln, an Wohnblocks in wohl vertrautem Plattenbau-Stil, an modernen Glaspalästen von Hotels. Hat man das Verkehrsgewühl heil überstanden, passiert man in den Randbezirken niedrige, kreuz und quer in die Landschaft geworfene Häuser oder einfache Hütten. Inmitten der darauf folgenden, nahezu unbewohnten trockenen Steppe öffnet sich dann plötzlich der Blick auf das Areal der AEU. Die Studieren-den legen diesen Weg übrigens mit Bussen zurück, �� Stück pendeln ständig hin und her.Auf dem Campus wie auch in der Stadt begegnet man Kopf-tuch tragenden, aber auch gänzlich modern gekleideten Frau-en. Der Bau der privaten Uni, die ihre europäische Ausrich-tung im Namen trägt und an internationalen akademischen Standards ausgerichtet ist, war möglich durch die staatliche Öffnungs-Politik von Präsident Assad junior. So hat die AEU denn auch Kooperationsverträge mit mehr als �0 Unis weltweit, vor allem aber mit europäischen. Der medienwissenschaftliche

Studiengang startet im Wintersemester �007/ 08 im Zuge der zweiten Ausbaustufe. Und wenn Prof. Kammer von der schier märchenhaften Aussicht von der Dachterrasse des Hotels in der City schwärmt, dem merkwürdigen Ineinanderverwobensein von orientalischer und westlicher Lebensart, könnte man schon auf die Idee kommen, von dem erwähnten Austauschprogramm Gebrauch zu machen. n

Die Hallenser Medienwissenschaftler im Gespräch mit dem Direktor des Sy-rischen Fernsehens und dem Präsidenten der AEU. (oben)

Reger Pendelverkehr: �� Busse bringen die Studierenden von Damaskus zur ‚Oase des Wissens‘, die �7 Kilometer außerhalb liegt. (unten)

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nForschung

leninistischen Diskurs zur Geschichte gegründet. Entsprechend erachtete es die Staatsführung als historische Aufgabe, den Sozialismus auf deutschem Boden politisch zu verankern. Zur Sicherung dieses Ziels war sie bestrebt, auch über fiktionale Geschichtsdarstellung – also in unterhaltender Form – den Bürgern der DDR das Selbstverständnis zu vermitteln, Erbauer dieses deutschen Sozialismus zu sein. Der Beitrag des DDR-Fernsehens bestand darin, dem Publikum heldenhafte histo-rische Vorbilder als Identifikationsobjekte anzubieten und die Vergangenheit mythisch zu überhöhen. Die Untersuchungs-perspektive des Forschungsprojekts gilt insbesondere dieser le-gitimatorischen Verklammerung von historischer Thematik und politischem Gegenwartsinteresse.Wie sehr die Aufbereitung der historischen Thematik aktuell politisch bestimmt wurde, zeigt der Fernseh-Mehrteiler „Die Verschworenen“ (5 Teile, Regie Martin Eckermann, Deutscher Fernsehfunk �97�). Paradigmatisch arbeitet die Produktion ein Kernereignis der DDR-Geschichtsbetrachtung heraus. In diesem „Fernsehroman“ wächst eine Gruppe von den Nazis eingeker-kerter und gefolterter Kommunisten zu einer ‚Gemeinschaft für Einheit‘ zusammen und beginnt nach Kriegsende im Osten Deutschlands mit dem Aufbau einer „Volksdemokratie“, wo-für sie �946 die beiden großen Arbeiterparteien im Konsens zusammenführt. Von den Gründern der SED entwarf die Sen-dung ein ideales Menschenbild aus Edelmut, Stehvermögen und Führungsstärke und hob jeglichen mit der „Einheitsfront“ assoziierten Eindruck des Zwangs auf, indem sie die Anfänge der DDR aus einer substanziell vagen, kaum mehr prüfbaren, aber emotional erhebenden Gemeinschaftserfahrung herleitete. Unter Gegenwartspolitik war damals vor allem Deutschland-politik zu verstehen. In diesem Sinne sollte die Sendung die DDR-Führung durch ihr historisches Handeln als überlegenen Verhandlungspartner gegenüber den westdeutschen Initiatoren der ‚Entspannungspolitik‘ ausweisen. Vom Zentralkomitee der SED wurde nach zweimaliger Begutachtung die ideologische Eignung und Wirksamkeit der Sendung bestätigt.Als Fazit lässt sich sagen, dass die Beschäftigung mit den fik-tionalen Geschichtssendungen des DDR-Fernsehens zu einem vertieften Verständnis des offiziellen Selbstbildes der DDR ge-führt und strukturelle Einsichten in die mögliche Vereinnah-mung von Medien durch die Politik gezeitigt hat. n

Mythische Vergangenheit: Konstruktion eines neuen Geschichtsbildes

Von Ulrike Schwab

egenstand der Forschungsarbeiten sind Eigenpro-duktionen des DDR-Fernsehens sowie Auftragspro-

duktionen der DEFA für das Fernsehen, die den Themenbereich Geschichte fiktional aufbereitet

haben. Es handelt sich dabei um Produktionen, die der Fernsehabteilung Dramatische Kunst zu-geordnet waren – Produktionen, bei denen Film-

und Fernsehschaffende Geschichtsstoffe für historische Einzel-sendungen oder Mehrteiler direkt bearbeiteten.Das Korpus der ermittelten fiktionalen Geschichtssendungen lässt sich nach Themenkreisen systematisieren, die den Ar-beitsgebieten der DDR-Geschichtswissenschaft angeglichen sind. Demnach wurde die Konstruktion eines neuen deutschen Geschichtsbildes, wie sie die DDR-Geschichtswissenschaft nach den Theorievorgaben des Marxismus-Leninismus vorzu-nehmen hatte, von der Fernsehproduktion mitvollzogen oder zeitversetzt nachvollzogen. Die radikal-demokratische Tradi-tion (Bauernkriege, Arbeiterbewegung, SED-Geschichte bzw. DDR-Geschichte) wurde ebenso audiovisuell dargestellt wie die in den �970er Jahren wiederentdeckte Geschichte Preußens oder der deutschen Reformation. Ausgehend von der Konti-nuität der Produktion fiktionaler Geschichtssendungen sowie dem Inszenierungsaufwand zahlreicher historischer Mehrteiler („Hans Beimler, Kamerad“ DEFA-DFF �969, „Die lange Stra-ße“ DEFA-DFF �979, „Martin Luther“ DEFA-DFF �98�-8�) gilt die These, dass die Geschichtswissenschaft und das Massen-medium Fernsehen sich arbeitsteilig an der Konstruktion und vor allem auch breitenwirksamen Vermittlung eines entspre-

chenden Geschichtsbildes beteiligt haben. Die Histo-riker gaben den Horizont parteilich-aka-

demischer Deutung vor, und die Film- und Fernsehschaffenden

veranschaulichten den ver-fügbaren Geschichtsstoff

in detailreichen, emo-tional bewegenden Spielhandlungen.Die Legitimation des DDR-Staates war einzig auf den marxistisch-

Vor drei Jahren wurde das Teilprojekt „Fiktionale Geschichtssendungen“ in die Arbeit der

Forschergruppe „Programmgeschichte des DDR-Fernsehens“ integriert und am Halleschen

MuK-Department angesiedelt. Dieses von der DFG geförderte Forschungsprojekt gelangt nun in

seine Schlussphase und damit an einen Punkt, an dem eine vorläufige Bilanz zu den Untersu-

chungsergebnissen gezogen werden kann. Zwei Buchpublikationen sind in Vorbereitung.

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Bisher scheint die Rechnung aufzuge-hen: So lobten Nina Scheinhardt, Luise Gürtler und Tina Meinhardt, allesamt Zehntklässler des Thomas-Münzer-Gym-nasiums, eine interkulturelle Filmanalyse vom ersten Kolloquium. In dieser hatte sich Prof. Dr. Manfred Kammer mit einem Bollywood-Film auseinander gesetzt. Ei-nige der Vorträge seien jedoch sehr theo-retisch gewesen, so die Mädchen.Das zweite Schülerkolloqium begann am �6. Mai mit einem Vortrag über die Viel-falt der Kulturen. Ihm folgte eine Dis-kussion über das Thema Egoismus, bei der viele Schüler ins angeregte Gespräch mit der Dozentin Dr. Uta Eichler und auch untereinander kamen. „Das dritte Kolloquium geht eher in die Richtung der praktischen Medienanalyse“, so Da-niela Pscheida. Die Schüler können im weiteren Verlauf zwischen Medienpra-xis und Medienanalyse als Schwerpunkt entscheiden. Am Ende könnte dann bei-spielsweise ein kleines Hörstück stehen.Fest geplant ist eine Fahrt nach Berlin, wo der Besuch von interkulturellen Zen-tren ansteht, wie dem islamischen und buddhistischen Zentrum. „Die Praktiker können zum Beispiel mit dem Mikro Eindrücke sammeln und aufnehmen: O-Töne, Musik oder Hintergrundge-räusche“, schlägt Trültzsch vor. „Die Analytiker können sich ebenso mit ih-ren Eindrücken beschäftigen, beispiels- weise mit bestimmten Klischees oder Stereotypen. Und im kommenden, neuen Schuljahr werden dann die eigentlichen Forschungsprojekte beginnen.“Pscheida und Trültzsch betonen, dass die Arbeit mit den Schülern quasi als Durch-lauf eines „Mini-Studiums“ gesehen wer-den könne. So würden sie in Berlin „klei-ne“ Forschung betreiben, die in „größere Forschungsprojekte“ münden könnte. Ein konkreter Abschluss ist auch geplant: ein Schülerkongress im Sommer �008. Der Idealfall? Das Verfassen von kleinen wissenschaftlichen Publikationen. n

Mini-Studium für Schüler„Herausforderung Mensch“ an der Uni Halle

Von Rebecca Kalisch

ormalerweise sind es Stu-denten, die die Hörsäle

der Martin-Luther-Universi-tät (MLU) füllen – so aber nicht Anfang Mai, als es sich nachmittags über 40 Schü-ler in einem der Säle des

Melanchthonianums bequem machten. Die meisten von ihnen: Zehntklässler. Aber auch Schüler anderer Jahrgän-ge haben die Möglichkeit genutzt, am zweiten Schülerkolloquium „Interkultu-relle Kompetenz – Kontakt mit Frem-den“ teilzunehmen. Unter dem Dach des Netzwerk-Projekts „Herausforderung Mensch“ durften sie in diesem Teilpro-jekt der MLU eine Reihe von Vorträgen besuchen. Dozenten der Medien- und Kommunikationswissenschaften (MuK), Philosophie, Psychologie und des Ori-entwissenschaftlichen Zentrums haben das Thema auf ihr Fach bezogen, etwa in Beiträgen über den jüdischen Glauben oder die südasiatischen Kulturen.Seit Juni vergangenen Jahres laufen von der Robert-Bosch-Stiftung geförder-te Projekte verschiedener Universitäten, die Schüler mit geisteswissenschaftlicher Forschung vertraut machen wollen. Der „Herausforderung Mensch“-Projektkoor- dinator, Hartmut Wenzel, Dekan des Fachbereichs Erziehungswissenschaften, kann sich über die Entwicklung des Pro-jektes freuen: Immerhin kommen Schüler verschiedener Hallescher Schulen, eines Gymnasiums aus Leipzig und sogar aus dem Harz extra auf den Campus, um in vier Schülerkolloquien zur „Interkultu-rellen Kompetenz“ etwas über den „Kon-takt mit Fremden“ zu erfahren. „Das Ziel des Projektes ist, dass die Schüler lernen, selbst eine Forschungsarbeit zu schrei-ben. Und sie können sich mit Fragen beschäftigen, die sie persönlich interes-sieren“, so Sascha Trültzsch, neben Da-niela Pscheida einer der Projekt-Verant-wortlichen des Department MuK. Und sie sollen zudem an die Medienpraxis heran-geführt werden.

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nReportage

nehmen. Im Holzregal an der Wand stehen über den Presse-mappen der letzten Jahre die Bücher von Guido Knopp. Auf der grauen Wandschranktür daneben hängt ein Artikel vom Tages-spiegel über „Das Wunder von Berlin“. Damit ist aber nicht Peter Hill gemeint, sondern der neue ZDF-Fernsehfilm mit Veronica Ferres und Heino Ferch. Die sind mit den anderen Hauptdar-stellern auf dem Foto des Zeitungsartikels zu sehen. Über dem ausgeschnittenen Artikel steht fett geschrieben: „Gruppenfotos werden nicht gedruckt!“ Das hat Hill selbst darüber geschrieben. Mit einem leichten Blinzeln verrät er uns warum: „Dies ist ein üblicher Ausspruch in der Fotografenszene“. Eigentlich – doch hier sieht man die gesamte Schauspieler-Crew in der Zeitung abgedruckt. Ein Erfolg, den er für sich verbucht. Schließlich war er derjenige, der den Pressetermin am Set mit all den Hochkarä-tern eingefädelt hat. „Irgendwann im Frühjahr �008 ist der Film dann im ZDF zu sehen“, sagt er nicht ohne Stolz. Man merkt, seine Aufgabe ist die Pressearbeit.

Maik Wittenbecher zieht derweil ein letztes Mal an seiner Ziga-rette. Während sich der blaue Dunst langsam im Treppenhaus verteilt, ist der ehemalige MuK-Student schon auf dem Weg zurück in sein lichtdurchflutetes Büro. Per Mausklick verschickt er dort die ausstehende Pressemitteilung, wirft sich sein beige-farbenes Jackett über und spurtet zum nächsten Termin. Eine Delegation aus Spandau wartet bereits ungeduldig im Foyer. Anstatt schwarzer Lederschuhe tragen die Abgesandten weiße Nikes. Anstelle der erwarteten Neugierde für den journalisti-schen Arbeitsalltag hier im Haus, interessiert man sich jedoch für andere Dinge. Die Klasse �0a der Luise-Schröder-Schule will wissen, wo der nächste Eisautomat steht. Schließlich brennt draußen die Sonne und die Scheinwerfer im Fernsehstudio ge-ben auch viel Wärme ab. Und genau dort führt der Pressespre-cher die Teenies jetzt hin. Im Rampenlicht angelangt, möchte die �5-jährige Ulli am liebsten gleich ihre Karriere starten. „Darf ich die Nachrichten ansagen?“, fragt sie ganz unverblümt und völlig ohne Lampenfieber. „Da musst Du nach Erfurt zum KiKa fahren. Die Kollegen suchen immer junge Talente“, kontert Maik Wittenbecher lächelnd. Eigentlich gehören Studioführungen nicht zu seinem Kerngeschäft. „Wenn ich allerdings doch ein-mal für einen Kollegen in die Bresche springen muss, nutze ich solche Auftritte zur eigenen Kommunikationsschulung“, sagt Wittenbecher später.

Etwa zur selben Zeit wird auch ZDF-Mann Peter Hill mit Fragen gelöchert. Der routinierte Mittfünfziger lässt sich von knapp �0 Aschaffenburger Schülern ebenfalls nicht aus der Reserve locken. Diese sind ihm gerade zufällig bei ihrer Studioführung über den Weg gelaufen. „Normalerweise machen diesen Job Studenten,

Bericht aus Berlin

erlin, Café am Reichstagufer. Maik Wittenbecher beäugt die vorbeischippernden Ausflugsdampfer auf der Spree. Der trüben Wasseroberfläche ent-lockt die strahlende Mittagssonne allerdings nur selten glitzernde Schimmer. Doch Wittenbecher hat keine Zeit, sich um die Wasserqualität zu

sorgen – die Arbeit ruft. Der stellvertretende Pres-sesprecher des ARD-Hauptstadtstudios drückt seine qualmende Zigarette aus und macht sich auf ins ‚Aquarium‘. Täglich um ��:�5 Uhr findet hier im gläsernen Konferenzraum des Haupt-stadtstudios die Redaktionssitzung statt. Das einzige Wasser im ‚Aquarium‘ ist jedoch der Schweiß auf der Stirn seiner Kollegen. Während heute wieder ein Tag mit heißer Nachrichtenlage ist, behält Maik Wittenbecher einen kühlen Kopf. Der ��-Jährige mit dem kurzen grauen Stoppelhaar braucht sich hier lediglich einen groben Überblick zu verschaffen. Seine Hauptaufgabe im Berliner ARD-Studio ist die Öffentlichkeitsarbeit. Doch bevor er nach der Redaktionssitzung die Pressemitteilung zur „Ausstel-lungseröffnung der Kunsthochschule Berlin-Weißensee“ über den Verteiler schickt, greift er noch mal in seine Zigaretten-schachtel, fischt eine F6-Blue heraus und raucht sie genüsslich.

Bei Peter Hill, Kommunikationschef im ZDF-Hauptstadtstudio, raucht indessen der Kopf. Das Zigarettenrauchen hat er längst aufgegeben. Er pafft „nur noch ab und zu einen Zigarillo bei einem guten Glas Rotwein dazu“. Das macht er natürlich nur

in seiner Freizeit. Jetzt sitzt er am Schreibtisch und feilt an der Formulierung eines Pressetextes. „Am �9. Mai wird das Gläserne Studio des ZDF zur G8-Berichter-stattung im Ostseebad Küh-lungsborn vorgestellt“, mur-melt er beiläufig in seinen Schnauzbart, während seine Finger über die Tastatur fe-gen. Das Klicken der Tasten ist überall zu hören, denn hier im dritten Stockwerk stehen alle Bürotüren offen. Dadurch funktioniert die Kommunikation besser. Vor seinem weißen Schreibtisch ist neben dem Fernseher noch ein weiterer Tisch mit Stühlen platziert. Hier kann er seine Gäste in Empfang

Einen Tag lang beschatteten Markus Minning und Stephan Weidling Pressesprecher der

ARD- und ZDF-Hauptstadtstudios. In ihrer Reportage berichten die beiden über deren

Arbeitsalltag in den Berliner Nachrichtenschmieden.

Maik Wittenbecher, ARD-Studio Berlin

B

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Reportagen

doch Spontaneität ist in meinem Beruf immer wieder gefragt“, meint der ehemalige Journa-listik-Student aus Leipzig. Nach seinem kurzen Vortrag verlässt er den Regie-Raum in Rich-tung Aufzug. Von nun an geht es für Peter Hill abwärts. Schuld daran ist die Berliner Se-natsverwaltung für Stadtentwicklung. Da in der Berliner Innenstadt an dieser Stelle nicht höher als 50 Meter in die Lüfte gebaut werden darf, befinden sich die zwei anderen Fernseh-studios �7 Meter unter der Erde. Doch hier unten ist Peter Hill eher selten, die meiste Zeit sitzt er in seinem schwarzen Bürosessel oben im dritten Stock an Projektarbeiten. Durch das Hauptstadtstudio im Zollernhof schlendert er nur, um den Kontakt zu seinen Kollegen im Haus aufrechtzuerhalten. Oder er macht mal wieder eine außerplanmäßige Führung für Journalisten. Sein Aufgabenfeld ist schließlich die Öffentlichkeitsarbeit.

Auch Maik Wittenbecher verbringt, wie sein Kollege vom ZDF, rund zwei Drittel seiner Ar-beitszeit an seinem weißen Schreibtisch und vor dem Computermonitor. Rechts daneben liegt ein Fotoband, auf dem ARD-Größen wie Anne Will und Reinhold Beckmann um die Wette strahlen. Das Gesicht von Hauptstadt-studioleiter Ulrich Deppendorf hat Wittenbe-

cher durchgestrichen. „Wir brauchen neue Fotos für das ARD-Infocenter. Von Herrn Deppendorf brauchen wir ein neues Bild“, sagt Wittenbecher kritisch. Ne-ben dem ARD-Infocenter betreut der PR-Mann auch das Event-Marketing des Hauptstadtstudios. Dazu zählt der alljährliche ARD-Hauptstadttreff, der von ihm organisiert und koordiniert wird. Rund �50 Personen aus Politik

und Wirtschaft treffen sich hier im Foyer zum lockeren Plausch bei

Sekt und kleinen Häppchen. „Diese Art der Lobby-Arbeit soll vor allem den Korrespon-denten helfen, gute Kon-takte zu knüpfen und alte Verbindungen zu pflegen“,

erklärt Wittenbecher. Unter den �50 Gästen sind die Korre-

spondenten des Hauses. �� davon Fernsehredakteure, deren Beiträge

täglich bei „Tagesschau“, „Tagesthe-men“ und dem „Nachtmagazin“ über den Bildschirm flimmern. „Außerdem haben wir neben den Fernseh-Korres-pondenten hier im Hauptstadtstudio auch Radio-Redakteure“, informiert Maik Wittenbecher jeden Interessierten. 44 von denen berichten im Auftrag der neun Lan-

desrundfunkanstalten der ARD. Letztes Jahr verließen so �4.600 Hörfunkbeiträge das Berliner Studio.

Beim ZDF im Zollernhof wird dagegen ausschließlich Fernse-hen produziert. Zudem sind hier neben Hauptstadtstudio und Landesstudio Berlin fünf weitere ZDF-Redaktionen unter einem Dach vereint. Deren Fernsehbeiträge machen insgesamt zehn Prozent des täglichen ZDF-Programms aus. Daran arbeiten hier übers Jahr gesehen 600 Mitarbeiter, die Hälfte davon fest ange-stellt. Einer davon ist Peter Hill. Der greift gerade zum Telefon-hörer und wählt. Am anderen Ende der Leitung hört man Liane Nowak, Pressesprecherin des Filmpark Potsdam-Babelsberg. „Es geht um den alten Bauwagen von Peter Lustig“, erklärt Hill mit sonorer Stimme. Seine Gesprächspartnerin in Potsdam weiß sofort Bescheid. In wenigen Tagen soll der Bauwagen des „Löwenzahn“-Moderators den Filmpark-Besuchern präsentiert werden, er hätte ohnehin keinen TÜV mehr bekommen. Nun muss die Öffentlichkeitsarbeit mit dem Filmpark koordiniert werden. Und genau das macht die Arbeit von Peter Hill jetzt aus. Zur Seite stehen dem Leiter der Kommunikationsabteilung im ZDF-Hauptstadtstudio drei Mitarbeiter. Die sind aber größ-tenteils mit ihren eigenen Projekten beschäftigt. Zusammen machen sie die Pressearbeit für die Neuen Bundesländer – den Rest der Republik versorgt die Zentrale in Mainz. Und wenn Hill es heute schafft, bis �8 Uhr die liegengebliebene Arbeit nachzuarbeiten, kann er pünktlich in den Feierabend gehen. Vielleicht macht er ja dann eine gute Flasche Rotwein auf und raucht einen Zigarillo.

Maik Wittenbecher kann seinen Arbeitstag heute pünktlich be-enden. So erwischt er den Regionalexpress �80�� um �8:09 Uhr nach Potsdam, wo Wittenbecher zusammen mit seiner Frau Peggy und Söhnchen Oskar wohnt. „Ich nutze die 45-minütige Rückfahrt, um den Arbeitstag hinter mir zu lassen“, sagt der Pressesprecher. Im Zugabteil nimmt er den vorbei fliegenden ARD-Bau, in dem er seit drei Monaten arbeitet, nicht mehr wahr. Beim Gedanken an zu Hause erhellt sich sein Gesicht. „Heute Abend“, so der frischgebackene Papa, „steht nur noch Oskar-Bespaßung an.“ n

Peter Hill, ZDF-Studio Berlin

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�0

33 Menschenleben kostet der

größte Amoklauf an einer

Schule in der Geschichte

der USA, der sich am 16.

April 2007 an der Virginia

Tech University in Blacks-

burg ereignet. Sämtliche

großen nationalen Networks

unterbrechen ihr Tagespro-

gramm, Übertragungswagen

fahren auf schnellstem Weg

von Washington DC ins 260

Meilen entfernte Appalachen-

Städtchen und nehmen vor

dem Campus Aufstellung.

Blacksburg – der Amoklauf der Medien

Von Ulrich Künzel

All das geschieht nach der zweiten, sehr viel blutigeren Welle des Mordens. Für das Eifersuchtsdrama mit zwei Opfern, von dem anfangs die Rede ist, erscheint den an Waffengewalt gewöhnten Journalisten solcher Aufwand unangemessen. Ein Amok-lauf dieses Ausmaßes aber ist selbst in einem Land, in dem Sicherheitskontrollen und Metalldetektoren sogar am Eingang von Grundschulen zu einer traurigen Ge-wohnheit geworden sind, ein Vorkommnis von erheblicher medialer Tragweite. Wurde in ähnlichen Fällen in der Vergangenheit die Zeit bis zum Eintreffen der Ü-Wagen meist mit dem üblichen Offenbarungseid des Nichtwissens (Archivbilder ähnlicher Er-eignisse, Mutmaßungen und ‚Experten‘-Meinungen) gefüllt, flimmern diesmal direkt Bilder vom Ort des Geschehens über Amerikas Fernsehschirme.Bemerkenswert ist daher, wie NBC, Fox und Co. innerhalb kürzester Zeit an die Eindrücke vom Tatort herankamen: Während sich Equipment, Reporter und Kame-rateams noch auf dem Highway befanden, durchforsteten Redakteure, Aushilfen und Praktikanten in DC und New York das Internet nach Handybildern, Filmmaterial und Hintergrundinformationen – und wurden fündig. Die Blog-Suchmaschine Techno-rati, MySpace und die Online-Community Facebook erwiesen sich als einträglichere Quellen der Redaktionen als jeder noch so hautnah, ungeschminkt und emotionsge-laden eingefangene O-Ton eines aus der Hauptstadt angereisten ‚Witwenschüttlers‘ vor Ort.

Die Arbeitsteilung „funktioniert“

Soweit, so gut. Stellte man das Aktualitätsgebot des Journalismus über alles, hätten alte und neue Medien ihre Aufgabe in einer fruchtbringenden Allianz vollauf erfüllt – die neuen mit ihrer Flexibilität, die alten mit ihrer Reichweite und ihren technischen Möglichkeiten. Betrachtet man die Arbeit der Medien rund um den Amoklauf von Blacksburg jedoch über ihre bloße Dokumentationspflicht hinaus, ergibt sich ein be-schämendes, ja vernichtendes Bild. Ebenso bestechend wie bei der Verbreitung der breaking news am frühen Morgen funktioniert die Arbeitsteilung zwischen großen Networks und Web �.0-Plattformen im weiteren Verlauf des Tages bei der Streuung von Falschinformationen und der Verbreitung von Chaos.Um es vorsichtig auszudrücken: Der Wahrheitsgehalt dessen, was auf den Foren von Facebook und in verschiedenen Blogs sogenannter ‚Insider‘ an diesem �6. April zu lesen ist, variiert. Zunächst bezichtigt die Community den Studenten Wayne Chiang der Tat, da er den spärlichen Informationen über das Profil des Mörders recht gut entspricht: Amerikaner asiatischer Herkunft, Waffennarr, Virginia Tech-Student. Sein Verhängnis: Auf dem Foto seines MySpace-Profils zeigt er sich mit diversen Maschi-nenpistolen, in seinem Steckbrief gibt er als Wohnort Blacksburg an. Gegen �6 Uhr kann der zu Unrecht Vorverurteilte aufatmen. Die Polizei nennt erst-mals einen Namen; den des Hauptverdächtigen, dessen Schuld sich dann später be-stätigen sollte – mit dem Zusatz: „Wir wissen sehr wenig über ihn.“ Nicht so die Internet-Community. Nach einer Stunde verweisen bei Technorati fast �00 statt vorher zwei Einträgen auf seinen Namen. Personen, die sich an diesem Tag in der Nähe der Tatorte befunden haben, werden in Facebook-Foren abwechselnd für tot, verletzt oder quicklebendig erklärt. Die Server der Domain-Suchseite www.whois.com sind kurz vor dem Zusammenbrechen, auf Blogs und in Chaträumen wimmelt es von Verweisen auf die Freundin des Amokläufers, die mal blond und �8, mal brünett und ��, mal tot und mal am Leben ist. Binnen kürzester Zeit erhält der bis dato im Netz unsichtbare Verdächtige ein MySpace-Profil mit allerlei Informationen zu seiner Person, die zu diesem Zeitpunkt nur aus dem Reich der Fantasie kommen konnten.

nKontrovers

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��

Dankbare Abnehmer dieser leicht servierten, aber nur mit starken Nebenwirkungen zu verdauenden Kost: die klassischen Medien, allen voran wieder die großen Networks. Endgültige Aufklärung bringt erst der nächste Morgen. Dann nämlich trifft das Video mit der Abschiedsbotschaft des Amokläufers bei NBC ein – nicht als Video-Datei auf dem Server, sondern in einem Postkuvert.

Die Etablierten kämpfen gegen Windmühlen

Als das geschieht, hat die Welt längst Anteil genommen an der Tragödie. Über die Personen, die sich hinter den Namen der Verstorbenen verbergen, erfährt man in ausführlichen bio- grafischen Berichten. Die tränenüberströmten Gesichter ihrer Angehörigen und Freunde sieht man im Fernsehen wenigstens in der Halbtotalen. Was die Sender nicht selbst einfan-gen können, beziehen sie wiederum aus dem Internet – teils mit Zustimmung und aus purem Profitinteresse der Nutzer, teils unter ge-schmackloser Missachtung ihrer Privatsphäre. Mit schnell erstellten Profilen schleichen sich Reporter und Redakteure in die über 500 Trauer-Gruppen ein, die sich an diesem Tag bei Facebook bilden. Freunde von Hinterbliebenen wer-den auf der Jagd nach besonders emotionalen Bil-dern und Interviews direkt kontaktiert, Zitate und In-formationen aus den Grup-pen-Mitgliedern vorbehal-tenen Forenbereichen ohne Zustimmung der Verfasser verwendet.Während den Machern der großen Kanäle im Wettlauf mit anderen News-Corporations und den neuen Medien jedes Mittel recht zu sein scheint, versagen sie in fachlicher und moralischer Hinsicht auf der ganzen Linie. Insofern zeigen die Ereignisse von Blacksburg zweierlei: Zu-nächst ist der Kampf um Aktualität mit dem Web �.0 für die klassischen Medien einer gegen Windmühlen. Einen Vorsprung haben sie nur bei Stories, die sie durch investigativen Journalis-mus selbst aufdecken.

Düstere Aussichten für Medienprofis?

Viel angebrachter erscheint es daher, sich Gedanken über die Rol-le von redaktionell betreutem Fernsehen, Zeitung und Radio in Koexistenz mit Blogs, Foren und Networking-Seiten zu machen – ganz gleich, ob im Internet oder auf ‚klassische‘ Weise verbrei-tet. Denn die Partizipation aller an der Nachrichtenübermittlung

und -kommentierung birgt nicht nur Chancen, sondern auch Risiken. Zweifelsohne ist das Web �.0 als Ausdruck direkter De-mokratie wünschenswert. Gleichwohl – und das zeigt nicht nur der Amoklauf von Blacksburg – funktioniert die Selbstkontrolle der User untereinander oft nur mäßig. Es wird nie möglich sein, sachliche Fehler, verfassungsfeindliche Parolen, Obszönitäten und Beleidigungen komplett aus dem Internet herauszuhalten. Wohl aber erscheint es erstrebenswert, mit ausgewogener Ge-wichtung von Argumenten, ausführlicher Recherche und klaren Maßstäben für eigene Beiträge Ordnung ins Informationschaos zu bringen und Vertrauen beim Publikum herzustellen. Genau hier ist der kritische Journalismus mehr denn je gefordert, seine Kompetenzen auszuspielen. Befreit vom Diktat der unbedingten Aktualität kann er Diskussionen begleiten und produktiv gestal-ten, Wahrheiten aussprechen auch wenn sie unbequem sind,

Ereignisse in politische und geschichtliche Kontexte einordnen und aus ihnen Trends und Erwartungen an die Zukunft ableiten. Ein solches Handeln spricht keinesfalls ge-gen gute Einschalt-quoten und wirt-schaftlichen Erfolg, im Gegenteil: Für Infor-mationen, Filme oder Bilder, die der User auch selbst suchen kann und für Diskussionen auf Stammtischniveau, die in Blogs oder Fo-ren geführt werden, ist er nicht bereit, Fernsehgebühren zu entrichten, Werbe-unterbrechungen zu akzeptieren oder eine Zeitung zu abonnieren. Und für Angelegen-

heiten, die ihn persönlich berühren, benötigt er die professionell produzierten Medienformate nicht mehr, weil er über Online-Netzwerke problemlos Gleichgesinnte finden kann, mit denen er darüber in einer ihnen vorbehaltenen Gruppe diskutieren kann. Mehr als bisher wird der User in Zukunft Medienangeboten ei-nen Wert beimessen, die sich aus seiner Sicht aus dem Chaos des online verfügbaren Informationsdschungels abheben. Dafür fordert er die strukturierte, verlässliche, ausgewogene und nicht zuletzt unterhaltsame Darstellung von für ihn relevanten The-men ein – Ansprüche, die er an nicht-professionelle ‚Freizeit-Journalisten‘ kaum stellen kann. Mit einem Verhalten, wie dem an der Virginia Tech an den Tag gelegten, betreiben die etablierten Medienkonzerne daher Selbstmord auf Raten. Denn sie werden in Zukunft weniger auf die Sensationslust des Publikums, sondern viel mehr auf ihre absolute Glaubwürdigkeit angewiesen sein. Der Weg dorthin ist in Blacksburg mit Sicherheit nicht kürzer geworden. n

Kontroversn

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nGut gerüstet?

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Achtung: Taschenkontrolle!Was MuK-Studenten so bei sich tragen…

Michael, 4. Semester:

Frisbee und Orange – perfekt gegen Müdig-

keitserscheinungen zwischen den Seminaren.

Janine, 4. Semester: Digitalkamera – immer parat auf der Suche nach dem ultimativen Schnappschuss.

Gunnar, 4. Semester:

Psycho-Krimi „Gierige Bestie“ – Hilfe! Aber

Gunnar findet’s spannend.

Anja, �. Semester: „Sendung mit der Maus“-Brotdose – ein Stück Kindheit erhält die Bodenhaftung.

Auf die Suche gegangen sind Nancy Hubl und Yvonne Peters. Sie fanden auch diverse

Glücksbringer, einen druckfrischen Praktikumsvertrag mit einer führenden Medieninstitution,

eine Feinstrumpfhose… - und schüchterne MuKler, die sich nicht so gerne fotografieren

lassen wollten.

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Kulturbeuten

verraten ihre persönlichen Vorlieben in Sachen Cafés und Nachtleben. Als gute Anlaufstelle, um Kontakte zu knüpfen und mit den Kommilitonen mal abseits vom Unialltag zu feiern, bietet sich zum Beispiel eine Erstsemesterparty im Volkspark, eine der zahlreichen Partys im Turm oder ein Absacker im FlowerPower auf dem Uniring an.„Schließlich sind das die Infos, die man am dringendsten braucht, wenn man neu in der Stadt ist“, lacht Alex. Nach neunzig Minuten kommen die Halleentdecker auf dem Uni-platz an, wo die kleine Reise zu Ende geht. Zufrieden und bestens informiert trennen sich hier ihre Wege und auch Alex schlendert gemütlich nach Hause, zufrieden, wieder einmal Punkte für seine Lieblingsstadt gesammelt zu haben: „Man sollte sich in der Stadt, in der man studiert, wohl fühlen. Halle ist nicht zu groß, aber auch kein verschlafenes Nest. Es ist eine wunderschöne Kulturstadt, die sogar Architekturpreise für das MMZ und den Uniplatz bekommen hat und auch die Gegen-sätze Altstadt und Neustadt sind entdeckenswert! Wir möchten mit den Führungen dazu beitragen, diese schöne Stadt den Kommilitonen näherzubringen“, schwärmt Hallefan Alex. Also wer Lust bekommen hat, die vielen Vorzüge zu entdecken, statt sich den voreingenommenen Miesepetern anzuschließen, den heißt der SfH zu einer exklusiven Studi-Halletour gern willkommen! n

Halle lieben lernen

Von Sissy Metzschke

alle ist hässlich!“, „In Halle ist nichts los!“ – Nur zwei der zahlreichen Vorurteile zugezogener, kritischer Kommilitonen, die sich Halle gerade mal von ihrem WG-Zimmer bis zum �0 Meter entfernten Campus angesehen haben. „Ent-schuldigung. Halle ist wunderschön und bietet jede Menge Action“, hält Alexander Kauka den

Miesepetern entgegen und ist sogar bereit, das zu beweisen. Alex ist stellvertretender Vorsitzender und Pressesprecher des Vereins Studenten für Halle e. V. (SfH). Er engagiert sich für seine Heimat und stellt sie auch gerne persönlich vor – in einer Stadtführung à la Studi!Der Verein besteht aus �5 Studierenden der verschiedensten Richtungen. „Das ist cool, denn so lässt sich das Organisato-rische besser aufteilen“, freut sich Alex, der neben MuK noch BWL und Psychologie studiert. „Die Wirtschaftsinformatiker betreuen unsere Homepage, die Juristen haben die Satzung erstellt und die Mukler sind für Design und Pressearbeit ver-antwortlich!“ Anfangs traf sich das junge Team noch bei ihm in der Wohnung, was aufwendig war und wenig effektiv. Doch schon nach ein paar Monaten bekamen sie durch die Initiative von Dr. Claus-Dieter Edlich und Prof. Dr. Manfred Kammer ei-nen eigenen Sitzungsraum im Department. Hier sind die Jungs und Mädels auch einmal im Monat direkt ansprechbar! Mit dem Konzept in der Tasche und dem eigenen Tagungsraum ging es nun bergauf. Seit �007 blickt der SfH stolz auf vier Stadtführungen zurück, die jeweils von durchschnittlich zehn Leuten besucht wurden. Auf die Frage nach Besonderheiten antwortete Alex gegenüber dem MuKJournal: „Unsere Füh-rungen sind keineswegs faktenlastig, im Gegenteil, wir ver-suchen uns durch kleine, unterhaltsame Geschichten von den normalen Stadtführungen abzuheben, schließlich sollen die Studenten ja nicht abschalten, sondern sich amüsieren!“Und hier die Route der Gratis-Halle-Erforschungstour: Die Führung beginnt am Stadtgottesacker. Nach einer Runde über den bekannten Campo Santo (auf dem unter anderem Chris-tian Thomasius und August Hermann Francke bestattet wur-den) geht es weiter über die Frankeschen Stiftungen bis in die Innenstadt. Dort bummeln die Teilnehmer an den Geschäften entlang, besichtigen den Marktplatz und den Hallmarkt und verschnaufen an den zahlreichen Denkmälern. Hier erfährt man ein paar städtische Geschichten und Sagen, wie zum Beispiel: Was haben denn eigentlich die Hallorenkugeln mit Halle zu tun?Aber nicht nur Kultur wird geboten. Die Studentenführer lotsen die neugierigen Teilnehmer durch die Kleine Ulrichstraße und

Der Verein Studenten für Halle bietet kostenlose Stadtführungen hauptsächlich für

Studierende an. Das MuKJournal hat Alexander Kauka (einen der Mitbegründer des Vereins)

zum exklusiven Interview getroffen.

Weitere Infos

Studenten für Halle e. V.Führungen auf Anfrage

Kontakt: Conrad Seemann Angerweg 8c 06��0 HalleTelefon: (0�77) 856 7� 88e-mail: [email protected]: http://www.studenten-fuer-halle.de

„H

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nGespräch

Die Kathedrale und der Basar Professionelle Enzyklopädien im Zeitalter der Wikipedia

Was zeichnet Brockhaus als Verlag aus und was kann er besser als Wikipedia? Brockhaus ist ‚die Kathedrale des Wissens‘. Wir erstellen seit über �00 Jahren Enzyklopädien in Printform und seit über �0 Jahren in digitaler Form. Dabei wird dem Verlag wohl völlig zu Recht ein bis heute ungebrochener Mythos vom Wissen der Welt zugeschrieben. Was im Brockhaus steht, gilt als wahr, wer im Brockhaus steht, gilt als anerkannt. Entscheidender ist aber aus meiner Sicht, dass die Brockhaus-Redaktion zu-sammen mit ihren mehr als eintausend externen Autoren hoch verdichtetes und mehrfach geprüftes Wissen produziert. Wissen in gleichbleibend exakter Sprache und mit einer erwartbaren Qualität. Das findet man nur bei Brockhaus. Im Internet, nicht nur in der Wikipedia, finden Sie zwar meist alles, aber oft in epischer Breite und ohne zu wissen, ob die Information tat-sächlich korrekt ist. Da fragt man sich natürlich schon, was denn der Wert eines Lexikons ist, bei dem man jede gewonnene Information noch einmal überprüfen muss. In amerikanischen Universitäten ist der Gebrauch der Wikipedia mittlerweile stark reglementiert, weil zu viele Falschinformationen von den Stu-denten einfach übernommen werden.

Gleichwohl gehört Wikipedia zu den meist aufgerufenen Seiten im Internet. Worin sehen Sie die ‚Herausforderung Wikipedia‘ für Brockhaus? Bei aller Kritik ist Wikipedia doch eine großartige Erfindung. Sie bedient den Menschheitstraum, alles Wissen der Welt, auch solches, das bisher nicht in Enzyklopädien zu finden war, zu

sammeln und kostenlos anzubieten. Die ‚Schurken im Batman-Universum‘ gab es so noch in keinem gedruckten oder digi-talen Nachschlagewerk. Hier findet eine sehr hilfreiche Erweite-rung des Bildungskanons statt. Es ist eben heute auch wichtig, über die „Simpsons“ und die „Klingonen“ Bescheid zu wissen.

Web �.0 boomt. Wie bewertet ein klassischer Verlag diese Herausforderung und auf welche

Art und Weise stellt er sich ihr? Welche Möglichkeiten bieten sich ihm im World Wide Web?

Darüber sprachen wir in dieser Ausgabe mit Björn Hoffmann, Abteilungsleiter Online-Publishing

beim Brockhaus-Verlag, dem führenden Verlag für deutschsprachige Enzyklopädien

und Wörterbücher.

„Ich wollte schon immer das Wissen der Welt so gut zugänglich machen wie möglich.“

Björn Hoffmann studierte von 1994 bis 2000 Geschichte und Philosophie an der Humboldt-Universität Berlin sowie

an der Universität Freiburg – zeitgleich zum ersten Inter-nethype. „Hierdurch war ich in der glücklichen Situation,

Internetwissen mit einem geisteswissenschaftlichen Studium kombinieren zu können.“

1998 führt ihn ein Praktikum erstmalig zu Brockhaus, in dessen Folge ihm der Verlag noch während des Studiums einen Arbeitsvertrag anbietet. Ab 2001

arbeitet er als Produktmanager Online-Publishing beim Verlag Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, seit

2006 ist er Abteilungsleiter Online-Publishing. Als solcher ist er verantwortlich für die verlagseigenen

E-Commerceangebote, den Downloadshop, B2C- und B2B-Nachschlage-Dienste sowie für Konzeption und

Betrieb von mehr als 20 Websites, darunter duden.de, brock-haus.de, meyers.de und xipolis.net.

Sein Aufgabengebiet beinhaltet also insbesondere die Auseinandersetzung mit den Herausforderungen

des Phänomens Web 2.0.

„Da fragt man sich natürlich schon, was denn der Wert

eines Lexikons ist, bei dem man jede gewonnene Infor-

mation noch einmal überprüfen muss.“

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Brockhaus wird in Zukunft auch solche Fragen beantworten müssen, ohne gleichzeitig von seinem verlegerischen Konzept von geprüftem Wissen abzurücken. Die Kathedrale und der Ba-sar wachsen zusammen – darin sehe ich die Herausforderung für Brockhaus.

Was hat Ihren Verlag dazu bewegt, Meyers Lexikon online kostenlos im Internet verfügbar zu machen? Zunächst einmal ist Meyers Lexikon online ja nicht kostenlos, sondern werbefinanziert und die schnell steigenden Zugriffe auf das Lexikon und die vielen Rückmeldungen der Nutzer

zeigen uns, dass verlässliches Wissen auch im Internetzeitalter nach wie vor viel zählt. Wir denken gerade darüber nach, wie wir die Nutzer sogar noch stärker einbinden können. Das Web �.0 hat doch gezeigt, dass die Nutzer gefragt werden und mitmachen wollen. Der Brockhausverlag wird sich dem nicht verschließen und die Synthese aus Web �.0 und Web �.0 wei-ter forcieren. Darin liegt eine große Chance für den Verlag.

Wie unterscheidet sich Meyers Lexikon online von der Buchversion? Arbeitet ihre Redaktion medienneutral?Zum Start des Lexikons im letzten Jahr waren Internetversion und Printversion tatsächlich textidentisch. Da an dem Lexikon aber permanent weitergearbeitet wird, sind in das Internetle-xikon mittlerweile zahlreiche Aktualisierungen eingegangen. Intern arbeiten wir über ein eigens entwickeltes Redaktions-system medienneutral; daher werden diese Änderungen auch sämtlich Eingang in die nächste Printversion des Lexikons finden. Wenn Sie also einen Verbesserungsvorschlag über die eingebaute Feedbackfunktion an die Redaktion senden, dann wird ihre Anregung vielleicht in der nächsten �4-bändigen Buchausgabe erscheinen.

Gesprächn

Wo sehen Sie die Zukunft des Internets insgesamt?Der Brockhausverlag hat schon in �005 einige interessante technische Innovationen auf den Markt gebracht. So können Sie z. B. natürlichsprachige Anfragen wie etwa „Welches Säu-getier kann fliegen?“ an den USB-Stick der Brockhaus-En-zyklopädie stellen und erhalten dann, sofern das Lexikon ihre Frage halbwegs gut interpretieren kann, eine Antwort von der Enzyklopädie. Bei dieser Frage z. B. den Artikel „Flugsäuger“. Dahinter steht eine Technologie, die viel linguistisches und semantisches Know-how einsetzt. Semantische Technologien werden nicht nur Enzyklopädien, sondern in Zukunft auch gerade das Internet noch viel nützlicher und verständlicher machen, als wir es heute schon von den Suchmaschinen ge-wohnt sind. Man sagt ja, dass die heutigen Suchmaschinen erst der kleine Anfang sind; mit dem semantic web werden die Computer uns, und vor allem unsere Fragen, noch viel besser verstehen können.

Abschließend: Was könnte einen Studenten der Medien- und Kommunikationswissenschaften bewegen, in einem Verlag zu arbeiten?Verlagsarbeit ist im weitesten Sinne eine Produktions-, Verede-lungs- und Distributionstätigkeit für geistige Güter. Wer sich dafür interessiert, gleichgültig ob digital oder ganz klassisch analog, der ist in einem Verlag genau richtig aufgehoben. Im Falle von Duden, Brockhaus oder Meyers kommen natürlich noch einmal die Aspekte „Wissen“ und „Sprache“ hinzu. Beide sind ja gerade in Ihrem Studiengang gut vertreten.

Bietet Brockhaus Praktikumplätze an? Und wenn ja, was sollte ein Praktikant sinnvollerweise ‚mitbringen‘?Es gibt in unserem Verlag immer wieder Praktikantenstellen in den unterschiedlichsten Abteilungen, so auch z. B. bei den Neuen Medien. Am wichtigsten sind immer Interesse und Ehr-geiz, die Dinge noch besser zu machen. n

Das Interview führte Flo Handlos.

„Das Web 2.0 hat doch gezeigt, dass die Nutzer gefragt

werden und mitmachen wollen. Der Brockhausverlag

wird die Synthese aus Web 1.0 und 2.0 weiter forcieren.“

Weiterführende Links

Meyers Lexikon Online: http://lexikon.meyers.de

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nIndoor

Learning by DoingVon Ulrich Künzel

Was soll man antworten, wenn Eltern, Verwandte oder Freunde wieder mal fragen, was man bei seinem Studium den lieben lan-gen Tag so macht? Hier ein paar Vorschläge: eine Internetseite für ein junges Unternehmen konzipieren, den Messeauftritt ei-ner gemeinnützigen Organisation planen und durchführen oder neue Ideen für die Außendarstellung der Universität entwickeln. Klingt doch gut – und ist keinesfalls übertrieben.Zwar mag es verfrüht sein, bereits von einer guten Tradition zu sprechen. Als kontinuierlicher Bestandteil des Vorlesungsver-zeichnisses aber hat sich „Marketing zwischen PR und Werbung“ bereits etabliert. Professor Dr. Manfred Kammer bietet das Semi-nar seit dem Sommersemester �005 mit verschiedenen Partnern an. Damit wird der lang gehegte Wunsch vieler Studierender nach einem ständigen Lehrangebot in den Bereichen Werbung und Pressearbeit erfüllt. Dessen besondere Herausforderung besteht darin, erworbene Theoriekenntnisse sofort anzuwenden: Die Studierenden proben sich an Aufgaben der Kooperationspartner, die ihnen in Werbeagenturen oder Marketingabteilungen täglich begegnen können. Von Nutzen sind dabei oft praktische Kenntnisse aus den Ein-führungsveranstaltungen im Grundstudium. Wer etwa Erfah-rungen mit Filmproduktion oder Programmieren hat, kann diese beim Dreh eines Imagefilms oder dem Aufbau einer Webpräsenz einbringen. Ganz nebenbei präsentiert sich das Department auch als kompetenter Partner Hallescher Institutionen und Unterneh-men und empfiehlt sich so für Drittmittelaufträge, bei denen wiederum vielfältige Beschäftigungsmöglichkeiten für Studie-rende entstehen können. Soweit die theoretischen Überlegungen, was dieses Seminar leisten kann. Langfristig werden dafür allerdings andere Rah-menbedingungen gelten: Aus dem Hauptseminar wird ein Wahl-pflicht-Modul im dritten Bachelor-Studienjahr, bestehend aus der Projektarbeit und einer Lehrveranstaltung für theoretische Grundlagen. Denn die kommen Prof. Kammer bisher noch etwas zu kurz. In Zukunft werden die Projektgruppen Zeit bekommen, Themen sowohl praktisch umzusetzen als auch tiefgehend wis-senschaftlich zu bearbeiten. Denn es geht nicht in erster Linie um das Endprodukt, sondern vielmehr um neue Erfahrungen für die Studierenden aus der Projektarbeit. Mit der Arbeit pro-fessioneller Dienstleister kann und will das Department es auch perspektivisch ohnehin nicht aufnehmen.Dank einiger vielversprechender Kooperationen sind die zurück-liegenden Semester nicht als Probelauf, sondern als gelungener Einstand zu betrachten. So entwickelten Seminarteilnehmer eine Firmenzeitung für ein Start-Up aus dem TGZ am Weinberg, schrieben ein Marketing-Konzept für den Uni-Shop und halfen Univations beim Erstellen von Werbematerialien für den Mes-seauftritt auf der Cebit �007. Schon zum zweiten Mal betreuten in diesem Jahr MuK-Studierende den Info-Stand der Initiati-ve Hören e. V. auf der Leipziger Buchmesse. Der Grundstein für gute Traditionen ist also gelegt. Um darauf aufzubauen, sind die kreativen Einfälle der künftigen Seminarteilnehmer gefragt. n

Laufende Initiativen des MuK-Departments

SelbstgedrehtesDas Filmforum Selbstgedrehtes ist eine Plattform für Nachwuchsregisseure aus der Region Mitteldeutschland. Ziel ist es, junge Filmemacher zusammen zu bringen, um neue Kurzfilmprojekte zu starten. http://www.medienkomm.uni-halle.de/selbstgedrehtes

Go movin’ / Uni-TVGo movin‘ ist eine vom MuK-Department gestartete Initi-ative, die Studierende dazu anregen will, auch außerhalb von Seminaren eigene Filmideen umzusetzen. Das Depart-ment unterstützt die Studierenden sowohl durch den Ver-leih von Technik als auch durch Tipps und Feedback von professioneller Seite.Uni-TV ist ein von Go movin’ protegiertes Langzeit-Pra-xisprojekt, in dem Studierende eigenständig Nachrichten- und Magazinbeiträge produzieren, die z. B. als Podcast abonniert werden können.http://www.medienkomm.uni-halle.de/go_movin

UnimonoUnimono ist ein Uni-Radio-Magazin mit medientheore-tischem Fokus, das einmal im Monat um �9 Uhr auf 95.9 Radio Corax ausgestrahlt wird.http://www.unimono.de

MuKJournalDas MuKJournal ist die Zeitschrift des Departments Me-dien- und Kommunikationswissenschaften. Sie will über aktuelle medien- und studienrelevante Entwicklungen informieren, Transparenz schaffen und Diskussionsstoff bieten. http://www.medienkomm.uni-halle.de/projekte/praxis/ default.shtml

Zusammengestellt von David Schieferdecker

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In the year �0�0

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Die Zukunft scheint nicht eben rosig, die Gefahr einer permanenten globalen Überwachung realistisch: Konzentriert arbeiten Studierende am Filmset von „My Eyes“, um Ihre Vorstellungen vom Jahr �0�0 in Szene zu setzen. Das Drehbuch dazu stammt ebenfalls von MuK-Studierenden. Manja Rothe initiierte die Kurzfilmproduktion im Rahmen eines Praxisseminars im Sommer-semester �007.

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nOutdoor

Der ‚Nebenjob‘ als TraumberufSissy Metzschke studiert MuK und moderiert ihre eigene

Radiosendung auf SPUTNIK

Von Katja Berg

Als ich mit Sissy in der Kantine des MDR-Gebäudes sitze, ist es kurz nach �� Uhr. Die meisten Menschen um uns herum sind gerade damit beschäftigt, ihre Mittagspause zu genießen. Hinter Sissy hingegen liegt schon ein ganzer Arbeitstag.Sissy Metzschke studiert MuK und Amerikanistik / Anglistik auf Magister im 4. Fach-semester. Insofern unterscheidet sich die ��-Jährige nicht wesentlich von anderen Studierenden. Doch ihr ‚Nebenjob‘ lässt die meisten aufhorchen: Die Studentin mo-deriert die Morningshow auf Radio SPUTNIK. Das heißt: Während sich der Otto-Nor-mal-Student gerade aus dem Bett schält oder schlaftrunken zur Uni trottet, ist Sissy längst mit ihrer eigenen Radiosendung on Air. �:�0 Uhr, wenn einige ihrer Kommili-tonen womöglich erst von der letzten Party nach Hause kommen, beginnt für sie der Arbeitstag. Schon hier wird deutlich, dass es sich um keinen normalen Studenten-nebenverdienst handelt. Es ist ein Vollzeitjob und Sissy könnte damit durchaus ihren Lebensunterhalt bestreiten, wie die meisten ihrer Kollegen es tun. „Wenn ich mir mehr Schichten zuteilen ließe, könnte ich auf jeden Fall davon leben, aber das ließe sich mit der Uni nicht mehr vereinbaren“, erzählt sie. Das käme für die lebhafte junge Frau mit dem Drang im Mittelpunkt zu stehen, wie sie freimütig zugibt, jedoch nicht in Frage. „Der Uniabschluss ist für mich am wichtigsten, aber meinen Beruf würde ich dafür nie aufgeben.“Dass Sissy diesen Beruf liebt, ist leicht nachzuvollziehen, hört man sich einige ihrer Erlebnisse an. Wer würde nicht gerne mal mit Erkan & Stefan, Sido oder Janet Jackson plaudern und dafür auch noch Geld kassieren? Aber nicht nur das Interviewen von Stars gehört zu ihren Aufgaben. Bei Festivals macht Sissy unter anderem Außenrepor-tagen und auch für den Inhalt ihrer Morningshow ist sie redaktionell mit verantwort-lich. Das klingt zum einen natürlich spannend, bedeutet zum anderen aber auch sehr viel harte Arbeit. Um ihr Ziel zu erreichen, Universität und Beruf unter einen Hut zu bekommen, muss sie viele Opfer bringen. „Mein Privatleben leidet auf jeden Fall dar-unter. Wenn ich nach Hause komme, habe ich immer das Gefühl, dass ich die Einzige bin, die etwas getan hat. Auch wenn es noch so viele andere Leute gibt, die zeitig aufstehen müssen.“ Abends mit Freunden wegzugehen ist für Sissy eine Seltenheit

geworden und die Uni muss gut organisiert werden, um nicht auf der Strecke zu blei-ben. „In der Regel habe ich zweiwöchentlich eine Woche am Stück Sendung. Referate bereite ich deshalb immer in der Woche vor, in der ich nicht arbeiten muss.“ Ihre Arbeit im Sender erledigt die Moderatorin mit dem Sammeltick für Nikeschuhe in der freien Zeit zwischen ihren Seminaren. Dann heißt es Skripte schreiben, Interviews vorbereiten und produzieren sowie neue Themen für die Sendung finden.Wer nun aber glaubt, dass Sissy nach ihren Seminaren halbtot ins Bett fällt, der irrt. Auch wenn sie mittlerweile nicht mehr die Zeit dazu findet, selbst Tanzstunden zu ge-ben, macht die Vielbeschäftigte nebenbei noch Tanztraining und Musik. Dazu gehört nicht nur jede Menge Spaß an dem, was sie tut, sondern auch eine ordentliche Portion Energie. Daran mangelt es der zierlichen Blondine auf keinen Fall, wie ich sehr schnell

Nach fünfmonatigem Moderationstraining und jeder Menge Air-Checks

zur SPUTNIK Morningshow

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Meinungn

feststellen kann: „Ich habe in meinem Leben noch nie rumgehangen, sondern immer irgendetwas gemacht“, erzählt Sissy. Vielleicht hört sich ihr Leben deshalb so rasant und faszinierend an: „Nach der Schule war ich für ein Jahr Animateurin im Robinson-Club auf Fuer-teventura. Als ich wieder nach Deutschland zurückkam, war ich noch orientierungsloser als vorher.“ Letztlich hat sie sich dazu entschlossen, Spanisch und Sozialkunde auf Lehramt zu studieren – für eine Woche. „Das war einfach nicht das Richtige für mich und das Unileben schien mir völlig fremd und ungewohnt.“Durch einen Bekannten kam Sissy schließlich auf die Idee, sich für ein Praktikum bei MDR JUMP zu bewerben. Nach diesen acht Wochen bekam sie das Angebot, weiterhin als freie Autorin beim Sender zu bleiben. Das war die Chance, sich endgültig zu bewäh-ren. Das funktionierte anscheinend so gut, dass der damalige MDR-Programmchef ihr anbot, gelegentlich auf SPUTNIK zu moderieren. „Das war für mich ein Traum“, schwärmt Sissy. Es folgten ein fünfmonatiges Moderationstraining und jede Menge Air-Checks mit den Programmchefs. „Anfangs gab es sehr viel Kri-tik. Aber Kritikfähigkeit zählt zu einer meiner Stärken und ich habe nie daran gezweifelt, dass dieser Job das Richtige für mich ist.“ Sissy hat recht behalten: Seit der Programmumstellung von MDR SPUTNIK im De-zember �006 moderiert sie nun gemeinsam mit einem Kollegen die Morningshow und ist offensichtlich stolz darauf. Mittlerweile hatte sie auch die richtige Fächer-kombination gefunden und sich entschieden, der Uni eine zweite Chance zu geben. Dass dies auch stark an ihren körperlichen Kräften zehrt, nimmt Sissy in Kauf, immerhin hat sie ihren Traumberuf bereits während des Studiums gefunden. Wie viele Studierende können das schon von sich behaupten? n

Die Glut von KnutNachruf auf einen Medienhype

Nach fünfmonatigem Moderationstraining und jeder Menge Air-Checks

zur SPUTNIK Morningshow

Von Martin Löwe

nut ist tot. Nein, nicht der uns allen ans Herz gewach-sene, süße kleine Eisbär. Dem geht’s gut. Aber der Hype

um die Berliner Zooattraktion Nummer eins, um den ist es geschehen. Nach einer Lebenszeit von mehr als einem

Jahr verblich einer der größten Medienhypes dieses Jahrzehnts. Sein Ende kam nicht schnell und auch nicht unerwartet. Nur ganz langsam erlosch das

flammende Interesse der Öffentlichkeit. Das heiße Medienfeuer, das er entfachte, brannte herunter bis nur noch die Glut übrig blieb. Angefangen hat sein Leben wie das vieler anderer Medienphänome: ganz bescheiden. Sein Star, die tapsige weiße Knuddelkugel wurde von seiner Mutter verstoßen. Ein paar Umweltfanatiker wollten das Eisbär-Baby im Sinne des Tierschutzes (!) einschläfern. So stand es anfangs in einer kleinen Berliner Regionalzeitung. Doch Knut blickte so allerliebst in die Kamera, dass jedem nur warm ums Herz werden konnte. Dieser putzige kleine Bär konnte doch unmöglich eingeschläfert werden! Nein, Knut wurde gerettet, er wuchs und gedieh prächtig.Genauso wie Du, geliebter Medienhype. Menschenmassen ström-ten zu Knuts Gehege. Und es wurde berichtet, dass die Drucker-schwärze kochte: Knut beim Füttern, Knut beim Baden, Knut beim Schlafen, Knut beim... Alles, einfach alles wollten wir wissen über die süßeste Versuchung seit es Eiskonfekt gibt. Und je mehr Leute Knut sehen wollten, um so mehr wurde über Knut berichtet. Je mehr über Knut berichtet wurde, umso mehr Leute wollten ihn sehen: die typische Muttermilch eines jeden Medienhypes. Auch Deine. – Während Deutschland den wärmsten Frühling aller Zeiten erlebte, starrten wir nun gespannt auf einen Bewohner der Ark-tis. Während Menschen in Dafur abgeschlachtet wurden, sahen wir Knut beim Spielen zu. Während sich im Irak Selbstmordattentäter in die Luft sprengten, knabberte Knut niedlich an den Fingern sei-nes Pflegers. Du lenktest uns ab von all dem Elend dieser Welt. Dies war Dein Verdienst!Anders als der Star des Vorjahreshypes, der „böse“ Bruno – das schwarze Schaf oder besser gesagt der braune Bär der Familie – wusste Knut die Leute zu begeistern. Der zog nicht nachts durch die Wälder und erlegte Beutetiere, sondern trollte sich im Blitz-lichtgewitter durch sein Gehege. Wer mochte schon daran denken, dass Knut, ausgewachsen und in freier Wildbahn, die noch viel süßeren Robbenbabys zu seinen Lieblingsspeisen zählt?Die ganze Welt wollte diesen Wonneproppen sehen. „Cute Knut“ tapste durch die Fernseher von Australien und über die Titelblät-ter in den USA. Doch eines Tages kam das Unvermeidliche. Knut wurde erwachsen und war mit �00 Kilo Lebendgewicht nicht mehr so richtig niedlich. Das Ende der massenmedialen Perversion des Kindchenschemas war gekommen. Und damit auch Dein Ende, ge-liebter Medienhype. Wir gedenken Deiner in Trauer. n

K

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�0

nEssay

Bloghouse – Küchenreste oder journalistische Feinkost?

Von Nico Reiher

Die Fronten verhärten sich – trotz zahlreicher Verflechtungen zwischen dem Bür-gerjournalismus und der etablierten Presse im Internet. Letztere äußert deutliche Kritik. Verfasst von „Arbeitslosen, Reichen, Schülern und Studenten“ (Spiegel-On-line), wären die journalistischen Inhalte des Web �.0 produziert von Leuten mit zu viel Zeit. Ein Vorurteil? Laut einer Studie der Forschungsstelle „Neue Kommunika-tionsmedien“ der Uni Bamberg ist der typische Blogger zwischen �0 und �0 Jahren alt, verfügt über ein verhältnismäßig hohes Bildungsniveau und befindet sich meist noch in einer schulischen oder universitären Ausbildung. Eigentlich keine schlechten Voraussetzungen für ein hohes inhaltliches Niveau der Beiträge. Erst ein genauerer Blick auf die Produkte der Web-�.0-Berichterstatter lässt die Kritik berechtigt er-scheinen. Weblogs haben mit der Überflutung von Spamkommentaren zu kämpfen, dem sogenannten Blogspam. Daraus resultiert, neben der Trübung des optischen Gesamtbildes, ein hoher Aufwand für Bereinigung und Pflege. Mittlerweile existiert bereits eine Vielzahl von Methoden und Lösungen, um das Ausnutzen der Blogs für externe Zwecke zu unterbinden. Trotzdem ist die Spamerkrankung noch immer akut. Weiterhin gibt es das Problem der Werbung. Zwar ist die etablierte Werbe-wirtschaft mit der Platzierung ihrer Anzeigen in Weblogs noch sehr zögerlich. Sind aber Werbebanner und PopUps vorhanden, so leidet die Seriosität der ursprünglich meist werbefreien Blogwelt. Verantwortlich für die Zurückhaltung sei die Unbere-chenbarkeit des noch sehr jungen Mediums, so das Wallstreet Journal Online. Eine zusätzliche Schwierigkeit sind Blogger, die für ihre Meinungsäußerungen bezahlt werden. Dies gilt als absolute Sünde in Fachkreisen. Für die junge Klientel trotzdem verlockend, denn Dienste wie PayPerPost, zahlen für Schleichwerbung in Blogs.

Direkter Zugang zum Leser, auch kommerziell

Nichtsdestotrotz wissen sich die Verfechter des Web-�.0-Journalismus zu vertei-digen. Blogger berufen sich auf ein übersichtliches Design ihrer Seiten, saubere Recherche und Kontinuität. Seit Inkrafttreten des neuen Telemediengesetzes zum �. März �007 unterliegen Beiträge von Blog-Autoren sogar der journalistischen Sorgfaltspflicht. Jedoch ist das Gesetz bezüglich Weblogs eher unscharf. Reinhold Albert, Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten erklärt: „Der neue RStV (Rundfunkstaatsvertrag) gilt für alle Telemedien, also grundsätzlich auch für Blogs und Podcasts. Das Gesetz unterscheidet aber zwischen solchen Tele-medien, die journalistisch-redaktionell gestaltet sind, und solchen, auf die dies nicht zutrifft. Bestimmte Mediendienste, wie etwa ein journalistisch anmutendes Nach-richtenblog, haben dann den anerkannten journalistischen Grundsätzen zu folgen. Zum Beispiel müssten die Nachrichten vor ihrer Verbreitung auf Inhalt, Herkunft und Wahrheit vom Anbieter geprüft werden.“ Wodurch sich aber nun ein journalis-tisch anmutender Nachrichtenblog definiert, darüber darf diskutiert werden.Der herausstechende Unterschied und deutliche Vorteil gegenüber dem etablierten Online-Journalismus scheint hingegen vor allem die allgemeine Verständlichkeit der Inhalte zu sein. Das Prinzip „vom Bürger für Bürger“ gewinnt kontinuierlich an Begeisterten. Ferner führen Kommentar- und Zitierfunktionen zu einem direkten Austausch zwischen Blogger und Leser. Der Rezipientennähe bedienen sich auch immer mehr Unternehmen. Pionier der deutschen Firmen in diesem Bereich: Tief-kühlkosthersteller Frosta. Die Firma lässt den Konsumenten einen selektiv frostigen Blick hinter die Kulissen werfen und erhofft sich dadurch ein authentisches und dia-logbereites Image. Unzensiert und ungefiltert seien die Postings der Mitarbeiter aus den unterschiedlichen Abteilungen des Unternehmens, so die Betreiber des Weblogs.

Blogs boomen. Besucher-

zahlen in Millionenhöhe

haben den Graswurzeljourna-

lismus zu einer journalistisch

ernstzunehmenden Alterna-

tive gemacht. Doch die etab-

lierten Medien üben Kritik am

Modell des sich selbst infor-

mierenden Bürgers. Schwierig

ist die aktuelle Situation aber

vor allem für den Nutzer,

denn die zuvor klare Gren-

ze zwischen den Texten der

Freizeitschreiber und profes-

sionell angefertigten News

verschwimmt immer mehr.

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Essayn

Bei näherem Hinsehen erinnert der Blog jedoch eher an ein Werbemedium im Rahmen einer durchdachten Marketingstra-tegie. Selbst die Präsenzen des klassischen Internetjournalis-mus wie Spiegel-Online steigen in den rollenden Weblog-Zug. Seit knapp einem Jahr ist auf deren Homepage der mit dem Grimme-Online-Award ausgezeichnete Videoblog Ehrensenf zu sehen. Dort zeigt Moderatorin Katrin Bauerfeind täglich Skur-riles aus dem Internet. Und auch Deutschlands vermeintlich seriöseste Person, die Bundeskanzlerin, ist auf den Gleisen zu mehr Bürgernähe. Auf der Höhe der Zeit bleibend bietet Frau Merkel wöchentlich einen themenbezogenen Video-Podcast an – beispielsweise, um vor dem G8-Gipfel potentielle gewalttä-tige Protestierende zu besänftigen.

Bloggen im Dienste der Gerechtigkeit –

Tendenz steigend

Doch auch die Blogger selbst wissen durchaus zu kritisieren. BILDblog.de deckt täglich journalistische Fehlstöße „einer großen deutschen Boulevardzeitung“ auf. Auf Anfrage des MuKJournals erläutert der Verantwortliche Christoph Schult-heis: „Wir BILDblogger haben am ‚etablierten Journalismus‘ grundsätzlich wenig auszusetzen – nicht zuletzt, weil wir alle zuvor für etablierte Medien gearbeitet haben und zum Teil weiterhin arbeiten. Schwer tun wir uns damit, dass manche Me-dien Weblogs offenbar für unseriöser und gefährlicher halten als beispielsweise die BILD-Zeitung – und damit, wie schwer sie sich mit der Erkenntnis tun, dass die hierarchisierte Infor-mations- und Nachrichtenvermittlung ein Auslaufmodell ist.“ Ob diese Prognose stimmt, wird sich zeigen. Zumindest blog-gen Schultheis und seine Kollegen sehr erfolgreich. Mit mehr als � 000 Einträgen und Platz � in den Charts der meistver-linkten deutschsprachigen Blogs erfreut sich das Projekt enor- mer Beliebtheit. Und wer weiß? Vielleicht befindet sich unter den Lesern ja auch der eine oder andere Bildredakteur. Ein Aufwind zeichnet sich in der gesamten Web-�.0-Branche ab. Laut einer aktuellen Online-Studie von ARD / ZDF zum In-ternetverhalten stieg die Nutzung von Podcasts & Co. in den letzten Jahren stetig an. Abzuwarten bleibt allerdings, ob der Bürgerjournalismus Kritiker eines Besseren belehren und sich als journalistische Form langfristig durchsetzen kann. Ob dies möglich sein wird, liegt vor allem am Verhalten des Nutzers. Denn das schwächste Argument der Kritiker ist – wie so oft – die Verallgemeinerung. Eine differenzierte Sicht der verschie-denen Formate ist zwingend notwendig, weil es sich in einem Großteil von Blogs und Podcasts ausschließlich um Privates

handelt. Buntgemischt variiert das Programm von Meinungen über Musik und Fernsehen, Erlebnisberichten, Urlaubsfotos und Lieblingslinks, bis hin zur Repräsentation von gesellschaftlichen Minderheiten und zum Protestausdruck. Demnach sind Inter-netseiten wie meinewunderbarewelt.de, das-verrueckte-huhn.blog.de oder taxi-blog.de keine Versuche, eine Gegenöffent-lichkeit herzustellen, sondern lediglich weltweit zugängliche Lebensansichten und Eindrücke einzelner Menschen.

Konsumenten gestalten die Zukunft

Auf der Suche nach seriösen journalistischen Inhalten im Web �.0 ist also eine gezielte Navigation von Bedeutung. Neben den bereits erwähnten deutschen Projekten wie BILDBlog sor-gen andere auch auf internationalem Parkett für Aufruhr. Der Journalist Andrew Sullivan betreibt den wohl bekanntesten Blog Amerikas. The Daily Dish verarbeitet vorwiegend poli-tische Themen mit vielfach subjektivem Bezug, etwa auf Sulli-vans Homosexualität und seine Aids-Erkrankung. Zusammen-fassend ergibt dies also eine personalisierte Berichterstattung – News mit den Vorzügen eines typischen Blogs. Auf der Ebene des Podcastings genießt Adam Currys‘ Daily Source Code den Status von Akzeptanz. In einer radioähnlichen Podcastshow präsentiert er täglich eine Stunde lang einen Mix aus Musik und seinen oft humorvollen Beiträgen. Frei nach seinem Motto „there are no secrets, only information you don’t yet have“ geht es Currys darum, den Mainstream herauszufordern und die Stimme unabhängiger Medien lauter werden zu lassen. Und genau dies scheinen die Internetuser auch nachzufragen und zu unterstützen – individuellen Journalismus. Bezüglich der kontroversen Diskussion über die unterschiedlichen deutschen Formate lässt sich abschließend Eines festhalten: Der Konsu-ment entscheidet selbst, durch welche Inhalte er sich locken und letztlich überzeugen lässt. Die Qual der Wahl zwischen den etablierten Medieninhalten und der neuen, oftmals per-sonalisierten Variante fällt sicherlich nicht immer leicht. Aber das langfristige Verhalten der Nutzer lenkt sowohl Blogs und Podcasts, als auch den klassischen Online-Journalismus in eine entsprechende, zukunftsweisende Richtung. Behält der Rezipi-ent den Überblick, so erwarten ihn rosige Zeiten, denn Konkur-renz belebt das Geschäft. n

Blog-Tipps

http://andrewsullivan.theatlantic.com http://deutscheblogcharts.dehttp://www.blog-frosta.dehttp://www.bundeskanzlerin.de/Webs/BK/DE/Aktuelles/http://www.dailysourcecode.comhttp://www.payperpost.comhttp://www.taxi-blog.de

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nWeit weg

Auf die New York Film Academy bin ich durch Internetrecherche aufmerksam geworden, weil deren Lernphilosophie besonders praxisnahe Projekte umfasst. Das genau war es, wonach ich gesucht hatte. Ich war immer schon eher der Typ, der mehr Freude an der Umsetzung von Theorie hatte. Besonders interessant fand ich das einjährige Studienpro-gramm Producing for Television and Film.Ich erinnere mich noch sehr genau an meinen ersten Tag in der Academy: Da waren viele neue Gesichter in einem riesigen Raum mit Bühne. Alles wirkte so echt, so offiziell. Jeder musste sich einzeln vorstellen, sagen, wie er heißt und woher er kommt. Und dann die Rede von dem Boss der Academy, der doch tatsächlich davon sprach, dass wir die nächste Generation der Hollywood-Producer wären. Nach so viel positiver Motivation fühlte ich mich erstmal ziemlich überfordert und zweifelte, ob ich das alles packen würde. Im Produ-cing-Jahrgang �006 war ich die einzige Deutsche, was mich eigentlich nicht weiter gestört hat. Im Gegenteil – ich empfand es eher als Vorteil, weil ich somit gezwungen war, ständig Englisch zu sprechen.Unser Jahrgang wurde in zwei Klassen aufgeteilt. So konnte ich bereits am ersten Tag Kontakte zu meinen �7 Kommilitonen knüpfen. Viele kamen wie ich aus einem anderen Land und waren auch auf der Suche nach neuen Freundschaften. Amerika, Portugal, Spa-nien, Korea, Frankreich, Indien, Griechenland, Japan und Indonesien waren die Nationen, aus denen die jungen Leute kamen, mit denen ich nun gemeinsam studieren sollte. Gleich am ersten Tag erhielten wir den Stundenplan für die kommenden drei Wochen. Ich muss zugeben, dass ich wegen des umfangreichen Unterrichtspensums wirklich sehr schockiert war. Mir wurde schnell bewusst, dass Freizeitaktivitäten mit großen Sightsee-ing-Touren unter der Woche unmöglich waren. Ich hatte zweimal in der Woche von früh um zehn bis abends zehn Uhr Unterricht. An den restlichen Tagen der Woche konnten wir schon um fünf oder um acht Uhr in unsere Quartiere gehen. Es war eine sehr anstrengende Zeit, an die dreistündigen Seminare gewöhnte ich mich aber sehr schnell.Zu meinen Kursen zählte im ersten Semester „Hands-on class“, in dem ich alles über Ka-mera, Licht- und digitale Schnitttechnik lernte sowie „Screenwriting“, in dem wir lernten, wie man Scripte für Feature Filme und Shorts schreibt und aufbaut. Außerdem hatte ich „Producers Craft“, einen Kurs, der den Job eines Producers erklärte und Aufschluss über die Hollywood-Welt gab. Im Seminar „Film Genre Studies“ sahen wir viele Filme und analysierten diese.Mit großem Interesse verfolgte ich den Kurs „Reality-Show“, dessen Ziel die Produktion einer eigenen Show war. In kleinen Gruppen erstellten wir ein Konzept und arbeiteten eine Woche bis zum Dreh dafür. Die sogenannte Phase der Pre-Production war meiner Meinung nach die schwierigste. Man musste alles organisieren und durchdenken. Prota-gonisten, Locations, Crew, Story und natürlich Verpflegung sind nur einige Punkte, die zu berücksichtigen sind. Mein Projekt hieß „Smooth Operator“ – eine Show, in der Männer aus verschiedenen ethnischen Gruppen hinsichtlich ihrer Flirtversuche gegenüber Frauen genauestens unter die Lupe genommen wurden. In der Jury saßen vier hübsche junge Single-Frauen, die den Auftrag von uns bekamen, das Spiel soweit wie möglich mitzu-spielen, um anschließend eine Bewertung abzugeben, wie Mann sich angestellt hat. Als Location konnten wir eine kleine Bar in East Village nutzen, die uns kostenlos zum Dreh überlassen wurde. Um eine Auswahl für die Protagonisten zu haben, veranstalteten wir ein Casting, zu dem über 50 junge Menschen kamen. In New York ist beinahe jeder zweite ein Schauspieler oder Sänger und ringt darum, irgendwie mit den Medien in Kontakt treten zu können. Da herrscht selbst beim Casting für ein Studentenprojekt großer Andrang. Nach einem langen Drehtag und einer Woche Post Production (Schnitt) konnten wir dann in der Academy unsere halbstündige Show präsentieren.Die Zeit verging wie im Flug und schon war mein erstes Semester um. Nach einer kurzen Pause begann schon mein zweites Semester. Ich belegte die Kurse „Music Video“, „Line Producing“, „Producers Craft“, „Documentary“ und einige Vorlesungen. Zu den Vorle-sungen wurden immer Produzenten, Regisseure oder Schauspieler eingeladen, die zwi-schen Klassenzimmern und Set pendelten. Es war sehr interessant, mit Menschen aus dem Business direkt in Kontakt zu treten. Beispielsweise hielten Jeremy Walker, der Produzent von „Half Nelson“, Rene Bastian, Produzent von „Transamerica“ und Schauspieler Kevin Kline aufschlussreiche Vorträge über ihre Erfahrungen in der Hollywood-Welt. Im zweiten Semester wurde unser Stundenplan etwas aufgelockerter. Wir hatten nur noch an drei Tagen in der Woche Unterricht. Die anderen beiden Tage konnten wir für Praktika

„Big Apple, here I am!“

Yvonne Tscherning studiert

Medien- und Kommunikations-

wissenschaften an der MLU in

Halle (Saale). Im September

�006 erfüllte sich ihr großer

Traum: Sie konnte für zwei

Semester an der New York

Film Academy im Big Apple

studieren und den Unterschied

zwischen dem eher wissen-

schaftlich-theoretischen Halle-

schen Studiengang und der

praxisnahen NY Film Academy

kennen lernen. Sie beschreibt

das Leben in der amerika-

nischen Großstadt als ihr

„Leben in einer anderen Welt“.

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Weit wegn

oder für Projekte nutzen. Ich habe mich, nachdem ich mich in einer Postproduction Firma umgesehen hatte, dafür entschieden, Kurzfilme zu produzieren. Dazu arbeitete ich mit den Regiestu-denten der New York Film Academy zusammen, die meine Hil-fe dankbar annahmen. In dieser Zeit habe ich fünf Kurzfilme produziert, die alle bei verschiedenen Filmfestivals eingereicht werden sollen.Ebenso produzierte ich in einer Gruppe ein eigenes Musikvideo. Dazu engagierte die Academy den New Yorker Producer Nick Carbonaro, der auf Musikvideos spezialisiert ist. In diesem Pro-jekt arbeiteten wir mit dem Plattenlabel Militia Group zusam-men. Dieses Unternehmen gab uns verschiedene Künstler zur Auswahl. Unsere Aufgabe war es dann, für zwei Songs jeweils ein Treatment zu schreiben. Das Treatment sollte alles über die Idee des Musikvideos enthalten, wie z. B. Beschreibungen, Kame-raeinstellungen, Cuts und Locations. Mit Hilfe einer Powerpoint-Präsentation stellten wir dem Plattenlabel dann unsere Idee vor. Ich übernahm die Regie, da ich auch das Treatment für den Song geschrieben und eine große Leidenschaft für die Regie entwi-ckelt hatte. Neben dem Papierkram mussten wir wie schon bei anderen Projekten auch die Locations organisieren, Schauspieler

casten, einen intelligenten Drehplan aufstellen, Requisiten be-sorgen und vieles mehr. Leider ist den meisten Menschen gar nicht bewusst, wie viel Arbeit hinter einem Projekt steckt. Das Musikvideo „Waltzing in the sky“ von Chase Pagan wurde ein großer Erfolg.Die Zeit scheint hier schneller zu vergehen als in Deutschland. Auf jeden Fall kann ich sagen, dass ich in den beiden Semestern viel dazu gelernt habe. Diese Erfahrung kann mir keiner nehmen. Was ich aus Amerika mitnehme, ist auf jeden Fall die positive Stimmung, die Motivation, die Möglichkeit, etwas erreichen zu können. Und ich werde die wunderschöne Zeit in New York nie vergessen: Dampfende Gullydeckel, verschiedene Gerüche an den Straßenecken, die berühmten Taxen, die man yellow cabs nennt, heulende Polizeisirenen, die Möglichkeit, auch mitten in der Nacht noch im Restaurant zu sitzen, der Blick auf die Wol-kenkratzer wie das Empire State Building oder das Chrysler Buil-ding auf dem Weg zu Schule, die Subway (U-Bahn), mit der ich oft unterwegs war, meine vielen neuen Freunde aus aller Welt und das multikulturelle, alternative Flair von East Village, dem Stadtteil Manhattans, in dem ich wohnte. n

LEONARDO bei ERASMUS aufgenommenNeues Förderprogramm ermöglicht Auslandspraktika

Von Katharina Schultz

Schon mal mit dem Gedanken gespielt ein Praktikum im Aus-land zu machen? Der Weg dorthin ist unkomplizierter als man denkt und führt in Zukunft über ERASMUS.Seit über �6 Jahren können Studierende aller Hochschulen und Fachrichtungen mit Unterstützung des Bildungsprogramms LEONARDO DA VINCI Unternehmenspraktika im europäischen Ausland absolvieren. Deutschlandweit wurden allein im ver-gangenen Jahr ca. � 000 Stipendien vergeben, �6 davon an Studierende der MLU. „Ich war positiv überrascht, wie schnell und relativ unkompli-ziert LEONARDO mir ein Stipendium bewilligte und zahlte“, sagt Stefanie Grimm, die für sechs Monate bei einer Firma im englischen Derby arbeitete und sich nur sechs Wochen vor ihrer Abreise für das Stipendium bewarb. Abgesehen von sprach-lichen Fortschritten hat das unentgeltliche Praktikum die �5-Jährige auch beruflich voran gebracht. Die MuKlerin hat die Verbindung zu ISPO, der englischen Organisation, die ihr die Praktikumsstelle vermittelte, und zu Derby aufrechterhalten. Nach ihrem Abschluss wartet auf sie ein Job als International Sales and Marketing Assistent bei einer internationalen Firma für Fußbodenbeläge. „Wer sich vorstellen kann, länger im Aus-land zu arbeiten, sollte kurz vor Studienende ins Ausland, weil man dann noch alle Studentenvergünstigungen und Stipen-dien kriegt und trotzdem relativ direkt im Anschluss zurück ins Ausland kann“, rät Stefanie. Zu den insgesamt drei MuKlern, die �006 von LEONARDO Sachsen-Anhalt gefördert wurden, gehört auch Thomas Zie-genhorn. Über einen Bekannten, der bei einem deutschen Ver-

lag tätig ist, kam der Student im achten Semester zu seinem Praktikum bei einer Literaturagentur in London. Drei Monate lebte und arbeitete Thomas auf „wahnsinnig teurem Pflaster“, wie er sagt. Ohne die monatlichen 500 Euro von LEONARDO (damals der Höchstsatz) „wäre die Finanzierung echt teuer ge-worden, um nicht zu sagen, fast unmöglich“. Mit der neuen Regelung ist der Satz geringer geworden. Nach bestimmten Kriterien, wie Aufenthaltsland und Praktikumsgehalt, wird den Stipendiaten nun, neben einem Sprachkurs, ein monatlicher Betrag von bis zu 400 Euro erstattet. „Zusätzlich besteht die Möglichkeit AuslandsBAföG zu beantragen“, erklärt Angela Wittkamp, Projektkoordinatorin des LEONARDO-Büros Sach-sen-Anhalt in Magdeburg. Stefanie Grimm und Thomas Zie-genhorn haben sich ihren Praktikumsplatz selbst gesucht. Bei Bedarf übernimmt LEONARDO aber auch die Vermittlung von geeigneten Praktika (mindestens drei, höchstens zwölf Monate lang). Für ihre Leistungen erhielt das LEONARDO-Büro Sach-sen-Anhalt �005 in Oslo das europäische Qualitätssiegel als bestes europäisches Projekt im Bereich Studierendenmobilität.Mit Beginn dieses Jahres wurde von der EU eine neue Ge-neration von Bildungsprogrammen, die „Lifelong-Learning-Programms“, in Gang gebracht. Die Studierendenmobilität des LEONARDO-Programms ist dadurch ERASMUS angegliedert worden, angehende Akademiker können sich nun hier um Sti-pendien für Praktika innerhalb der EU bewerben. „Unser Ziel ist es“, so Angela Wittkamp „auch unter diesen neuen Rahmen-bedingungen die erreichte hohe Qualität aufrecht zu erhalten und weiter an Verbesserungen zu arbeiten.“ n

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nBranche

Von Geckos und anderen Exoten

Die MotionWorks GmbH,

�998 gegründet und mit Sitz

in Halle, ist eine national und

international erfolgreiche

Produktionsfirma für Animati-

onsfilm. „Lauras Stern“,

„Der kleine Eisbär“ Teil eins

und zwei sowie „Das kleine

Arschloch und der Alte Sack“

sind nur einige Filme, an

denen MotionWorks mitge-

wirkt hat. Schwerpunkt des

Unternehmens sind Produkti-

onen, die von der Idee bis zum

fertigen Animationsfilm in

Eigenregie realisiert werden.

Von Cynthia Ruttkowski

Zoologie ist nicht gerade das Terrain, auf dem sich ein MuK-Student täglich be-wegt. Eine mögliche Erklärung also für das ikonographische Malheur der Autorin dieses Artikels, den Gecko im Firmenlogo von MotionWorks als Salamander zu identifizieren. Das hätte man sich aber auch denken können! Denn Salamander befinden sich vorzugsweise unter den Schuhen eines deutschen Unternehmens und sind in unseren Breiten doch eher gewöhnliche Tiere – im Gegensatz zum exotisch anmutenden Gecko. Auch MotionWorks ist ein Exot in der Medienland-schaft Mitteldeutschlands. Zwar gibt es Filmproduktionsfirmen in Halle und Mit-teldeutschland zuhauf, eine Spezialisierung auf den Bereich Animation ist jedoch eher selten anzutreffen.Nur eine Etage über dem MuK-Institut werden Figuren zum Leben erweckt. Knet-puppen und Trickfiguren lernen hier, in den Produktionsräumen von MotionWorks, das Laufen. Hinter den unscheinbaren Türen des Büros wird nicht nur der Stoff für neue Animationsfilme entwickelt, sondern auch das Layout, Animationshin-tergründe und Charaktere. Neben dem klassischen Zeichen- und Puppentrick wird auch mit neuester Software zur Herstellung von �D-Animationen gearbeitet.Serien für Fernsehsender wie dem WDR („Ein Fall für Freunde“, Serie/Pilotfilm), MDR, RBB und KIKA („Piratengeschichten“), aber auch Kinofilme („Globi und der Schattenräuber“) wurden komplett von MotionWorks in Form von Co-Produk-tionen realisiert. Neben solchen Inhouse-Produktionen bietet das Unternehmen auch Dienstleistungen an. Im Auftrag von verschiedenen Film- und Fernsehge-sellschaften entwirft es Hintergründe, designt �D-Charaktere und animiert diese. Bei der Produktion „Der kleine Eisbär“ Teil eins und zwei (Cartoon-Film, Warner Bros.) zeichnet das Hallesche Unternehmen für insgesamt 4� Minuten Animation und 500 Hintergründe verantwortlich, ebenso für die gesamte Preproduction von „Das kleine Arschloch und der alte Sack“ (Senator Film, �005). Der mit dem Deut-schen Filmpreis ausgezeichnete Animationsfilm „Lauras Stern“ (Cartoon-Film, Warner Bros., �00�/04) wurde hier ebenfalls mit produziert.Eine enge Zusammenarbeit verbindet das Unternehmen mit dem KIKA, der zu den größten regionalen Kunden gehört. Regelmäßig werden für den Sender vor allem Trickserien produziert.Aber MotionWorks ist nicht nur auf nationale Produktionen ausgerichtet. Neben vielen Auftraggebern aus Deutschland, gehört auch ein Netzwerk europäischer Produktionspartner zum Kundenkreis, unter anderem aus Italien, Polen, Belgien und Luxemburg. Entsprechend werden Filme, die in solcher Zusammenarbeit ent-stehen, nicht nur deutschlandweit, sondern international vermarktet.

Viele Schritte bis zum fertigen Film

Sich am hart umkämpften Markt zu behaupten und den guten Ruf aufrechtzu- halten, dafür sind die Mitarbeiter – Kern eines jeden Unternehmens – von beson-derer Bedeutung. Trotz verschiedenster Tätigkeiten ist das Arbeitsfeld innerhalb von MotionWorks hauptsächlich auf zwei Bereiche ausgerichtet: Den künstleri-schen und den wirtschaftlichen. „Die Mitarbeiter hier haben Animation, Design oder Malerei studiert, waren bereits vorher in einem Animationsstudio tätig oder sind Quereinsteiger“, erklärt Geschäftsführer Tony Loeser. Auch studierte Betriebs-wirtschaftler gehören zu den Mitarbeitern, denn ein Film muss nicht nur ani-miert, sondern auch finanziert werden. Fremdmittel von Co-Produzenten und der Filmförderung reichen nicht, oft muss auch in die eigene Tasche gegriffen wer-den. Unternehmerische Risiken gehören dazu, aber auch Vertrauen in das eigene Können und die Erfahrungen, die über die Jahre gewonnen wurden. Einige der

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Branchen

�5 festen Mitarbeiter wurden im Laufe der Zeit „gecastet“, andere haben sich während eines Praktikums bewährt und sind anschließend geblieben. Gerade bei kleineren mittelstän-dischen Firmen sei es wichtig, „dass jeder auf seinem spezi-ellen Gebiet sehr gut ist und trotzdem den Blick für das große Ganze nicht verliert“, so Loeser.Aber bei MotionsWorks setzt man nicht nur auf die eigenen Kräfte. Je nach Bedarf, für bestimmte Projekte zum Beispiel, werden zusätzlich bis zu 60 freie Mitarbeiter beschäftigt. So ist es nicht selten, dass Juristen engagiert werden, um Verträge zu prüfen oder sich um den Erwerb von Lizenzen zu kümmern, während regionale Zeichner und Künstler den Trickfiguren Leben einhauchen und diese aufs Papier bringen. „Es braucht unendlich viele Schritte, bis ein Animationsfilm fertiggestellt werden kann“, erklärt Loeser, „da muss man sich auf die Leute, mit denen man arbeitet, verlassen können!“

Nachwuchs aus Mitteldeutschland

Auch wenn sich mittlerweile ein fester Stamm von Mitarbei-tern gebildet hat, so ist man immer auf der Suche nach neuen Talenten. Als Mitglied der International Academy of Media and Arts, die das EAM-Programm ins Leben gerufen hat, ist es erklärtes Ziel von MotionsWorks, die regionalen Me-dienstrukturen zu stärken und den Nachwuchs zu fördern. Die European Animation Masterclass (EAM), ebenfalls mit Sitz im MMZ, ist ein Projekt zur Weiterbildung von Absolventen aus dem Bereich Animation oder anderen künstlerischen Aus-bildungen. Im Rahmen des Förderprogramms der EAM hat der talentierte Nachwuchs die Möglichkeit, sich weiter zu entwi-ckeln und mit erfahrenen Animatoren auszutauschen.Wer als Student der Medien- und Kommunikationswis-senschaften einen Blick in die Welt der Animation werfen möchte, der hat als Praktikant bei MotionWorks die Möglich-keit dazu. „Ein Praktikum ist ja da, um zu schauen, ob dieser Bereich wirklich was für einen ist“, meint Tony Loeser. Wer direkt im Bereich Animation ein Praktikum machen möchte, der sollte bereits etwas Erfahrung haben und kleinere eigene Arbeiten vorweisen können. Auch würde es sich lohnen, eine längere Zeit im Unternehmen zu bleiben. Ein Vier-Wochen-Praktikum sei nicht einmal ausreichend, um einen Überblick in die gesamten Arbeitsbereiche zu bekommen. „Mindestens drei Monate Praktikum wären nicht schlecht, besser sind na-türlich vier bis sechs Monate, um einen wirklichen Einblick zu bekommen“, ist Loesers Erfahrung. Auch wenn es viele Be-werber für ein Praktikum gäbe, solle man sich nicht scheuen, den Kontakt zu suchen, „die Studenten müssen einfach auf uns zugehen“. Was auch nicht weiter schwer sein dürfte: Eine Etage über unserem Institut – einfach eine Treppe raufgehen und klingeln. n

Tony Loeser, Geschäftsführer MotionWorks

Wie finden Sie das MMZ?„Ich würde mir wünschen, dass etwas mehr Leben hier einkehrt. Man weiß, wer hier arbeitet, aber man kennt die Leute nicht wirklich. Das Kino sollte auchregelmäßiger genutzt werden.“

Wieso hat Ihr Unternehmen Mitteldeutschland als Standort gewählt?„Die Region hat eine aufstrebende Medienland-schaft.“

Zwei

Fra

gen

an …

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nPubliziert/Durchblick

Von Josefine Alarich

Wer im vergangenen Semester seine Lehrver-anstaltungen per Stud.IP zusammentragen wollte, staunte nicht schlecht. Man musste re-gelrecht wühlen, um neben „Aktuelle Probleme der Sportgeschichte“ und „Allgemeiner Trai-ningswissenschaft“ endlich ein MuK-Seminar zu finden. Grund dafür ist die neue, seit dem �. September �006 geltende Fakultäten- und Ins-titutsstruktur. Gemäß dieser Ordnung wurde die Universität in neun Fakultäten gegliedert. Das Zusammenlegen oder Trennen von einzel-nen Instituten ist eine Folge der neuen Glie-derung und traf auch unser Institut. Seit dem Wintersemester �006 gibt es somit zwei De-partments mit eigenen Geschäftsführern unter dem Namen Institut für Medien, Kommuni-kation & Sport. Die Zwangsehe mit der Sport-wissenschaft ist eine pragmatische Lösung. „Es ist rein verwaltungsmäßig, die Etats bleiben so und es wird nichts verändert“, versichert Prof. Dr. Manfred Kammer. Die Grundordnung sieht eine Mindestanzahl von fünf Professorenstellen pro Institut vor. Diese Forderung erfüllten wir leider nicht und wurden daher mit dem eben-so knapp besetzten Institut für Sportwissen-schaften zusammengelegt. Einen höheren Sinn gibt es nicht. Warum also sollen wir weiterhin diesen umständlichen Namen auf das Deckblatt unserer Hausarbeiten schreiben, wenn wir uns mit diesem Institutskonstrukt nicht identifizie-ren können und uns auch noch kein Sportler auf dem Gang begegnet ist?Nicht nur die Studierenden haben den Wunsch nach einem eigenen Institut. „Ich finde die Lö-sung als eigenständiges Institut als die einzig sinnvolle. Wir waren vorher eins und wollen es auch in Zukunft sein!“, so Prof. Kammer. Und es gibt einen Lichtblick: Wir besitzen eine ei-gene Institutsordnung und bilden somit einen ‚Ausnahmefall‘. Unsere Wissenschaftsbereiche und unsere Ausstattung sind klar getrennt von denen der Sportwissenschaften. Berücksichtigt man die Junior-Professur von Dr. Föllmer und die anteilsmäßige Professur von Dr. Kovtyk, so kommt unser Institut auch auf die Min-destanzahl von fünf Professorenstellen, die die neue Fakultäten- und Institutsordnung fordert. Unter diesen Voraussetzungen kann ein eigenständiges Institut gebildet werden. In der Mai-Sitzung des Fakultätsrates wurden die getrennten Institutssatzungen beschlossen und ein Antrag auf Trennung der Institute an den Senat weitergeleitet. Wir dürfen also hoffen, dass wir im kommenden Semester wieder ein eigenständiges Institut für Medien- und Kom-munikationswissenschaften sind. n

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Von Katharina Schultz

Frühestens zur Dissertation kann man wissenschaftlich publizie-ren? Weit gefehlt! Hier ein paar Beispiele die belegen, dass es auch vorher möglich sein kann:So hatten etwa Teilnehmer des Hauptseminars „Audiovisuelle Geschichte in der DDR“, das im vergangenen Wintersemester von PD Dr. Ulrike Schwab angeboten wurde, Gelegenheit dazu, ihre Hausarbeiten zu publizieren. Der Dozentin, die zu dieser Zeit einen Aufsatzband zum gleichen Thema für ein DFG-Teilprojekt plante, war es wichtig, dass die Beiträge einen Ansatz zu eigen-ständiger Forschungsleistung erkennen ließen. Auf Grundlage von Hausarbeiten nahm sie drei Artikel in den von ihr herausge-gebenen MAZ-Band „Fiktionale Geschichtssendungen des DDR-Fernsehens“ auf. „Auch die HALMA-Hefte sind ein geeigneter Ort für studentische Forschungsbeiträge“, bemerkt Schwab. Verena Zietz und Meike Knoche sind die Ersten, die diese Möglichkeit genutzt haben: Die ��. Ausgabe zum Thema „Emotionen und Sound. Emotionale Strukturen in der Filmmusik und im Musik-video“ geht auf die beiden Studentinnen zurück.Und auch die mit recht großem Arbeitsaufwand verbundene Abschlussarbeit lässt sich im besten Fall bereits veröffentlichen, wie beispielsweise Andreas Arnsfeld erfahren hat. Die Publikation seiner Magisterarbeit kam eher zufällig zustande, wie der Alum-ni erzählt. Nach Abschluss seines Studiums hatte er sich beim Wissenschaftsverlag Tectum beworben. Aus der Stelle wurde zwar nichts, aber der Verlag fand das Thema seiner Magisterar-beit „Medien – Politik – Gesellschaft. Aspekte ihrer Wechselwir-kungen unter dem Stichwort Politainment“ interessant und bot Arnsfeld die Veröffentlichung an.Auch Daniela Pscheida, kam eher unplanmäßig zur Publikation ihrer Abschlussarbeit. Einer der Betreuer ihrer Magisterarbeit zur „Internetkompetenz von Erwachsenen“ war zugleich der Her-ausgeber der Reihe “Hochschulpraxis – Erziehungswissenschaft“ des Reinhold Krämer Verlags, bei dem Pscheidas Arbeit �007 erschienen ist. Für die �5-Jährige war es „die Chance, als Neu-ling etwas darzustellen“ – auch, wenn sie den letzten Schritt zum vollkommenen Publikationsglück selbst machen und in die ersten knapp ��0 Exemplare zunächst investieren musste.Weniger kostspielig hingegen sind die Publikationen im Sie-gener Periodicum zur Internationalen Empirischen Literatur-wissenschaft – kurz SPIEL. Die von den Professoren Reinhold Viehoff, Gebhard Rusch und Rien T. Segers herausgegebene Zeitschrift erscheint zwei Mal im Jahr und bietet auch jungen Wissenschaftlern, die ihre Doktorarbeit noch nicht abgeschlos-sen haben, ein Veröffentlichungs- und Diskussionsforum. Die Zusammenstellung der Beiträge in der aktuellen Ausgabe des Sonderheftes „Alte Menschen und Medien“ legte Prof. Viehoff in die Hände von Sabine Pabst, Cornelia Bogen und Madlen Do-maschke, die sich durch ihr Forschungsprojekt zu einem ganz ähnlichen Thema als Expertinnen qualifizieren konnten. Auch im wissenschaftlichen Bereich gibt es also mehr offene Türen für den Nachwuchs als vielleicht erwartet. n

Junge Wissenschaftler im Publikationsglück

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Durchblick n

Von Josefine Alarich

Seit kurzem bedroht eine neue Spezies den Lebensraum des guten alten Magisterseminars. Ganz langsam schleicht sie durch unsere Räume und wird Semester für Semester wachsen. Die Generation Magister wird es dagegen schwer haben, ihr Aussterben ist vorprogrammiert. Doch es gibt sie noch, die Studierenden, die auch weiterhin auf Pro- und Hauptseminare angewiesen sind. Und sie befürchten nun, dass die Angebote drastisch zurückgefahren wer-den. Wer aufgrund von Urlaubs- und Praxis-semestern auch im kommenden Winter noch Proseminare besuchen muss, kann aber beru-higt werden. Für das Wintersemester �007/08 werden noch acht bis zehn Proseminare ange-boten, erst danach wird das Angebot langsam zurückgehen. Die Studierenden haben näm-lich einen Anspruch auf Proseminare bis zum sechsten Semester. Die Chance auf eine faire Auswahl an Seminaren wird vorerst bestehen bleiben.Die meisten Seminare werden dann allerdings für das Hauptstudium angeboten. Nach der Zustimmung des Fakultätsrates dürfen auch nicht habilitierte Dozentinnen und Dozenten, die durch entsprechende Forschungsschwer-punkte dazu in der Lage sind, Hauptseminare leiten. Denn durch Forschungsfreisemester und andere universitäre Aufgaben der Professoren werden, nach Aussage von Prof. Dr. Manfred Kammer, Angebote im Hauptstudium ganz dringend benötigt. Die Arterhaltung des Ma-gisterseminars ist somit gesichert – wenn auch nur vorübergehend.Leider können Magisterstudierende nicht die Bachelor-Angebote besuchen, ausgenommen Vorlesungen. Dies hat formale Gründe, denn es gibt bestimmte Formen und Kapazitäten, die ein Seminar im Bachelorstudium haben muss. Aufgrund des NC ist die Zahl der Seminarteil-nehmer für BA-Seminare kleiner angesetzt als im Magisterstudiengang. Würde man Magister-studierende mit aufnehmen, so hätte man im Prinzip weitere Bachelorkandidaten zulassen können. Bewerber, die keinen Platz bekommen haben, könnten sich dann in den Bachelorstu-diengang einklagen. Die neue Spezies kann also nur alleine existieren und akzeptiert keine Artenmischung in ihrem Lebensraum. Sie hat sich das Vorrecht erkämpft und beansprucht nun vollste Aufmerksamkeit. Ob sie genauso beliebt und geschätzt wird, offenbart sich erst später. Danke, Magisterseminar, für die jahre-lange Gemeinschaft. Einen Platz in unseren Herzen hast du sicher! n

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von Flo Handlos

Von der Sonne geküsst schwebt das MMZ elegant an der Saale hellem Strande. Der Fluss windet sich sanft plätschernd durch sein Bett. Ein Ort geistiger Erqui-ckung und eloquenter Kurzweiligkeit. Durch innovative Bausubstanz von jedem störenden Handy-Empfang abgeschirmt, ließe es sich trefflich sein, wären die Ar-beitsbedingungen nahezu perfekt. Allein: Wie loungen ohne Sofa? Wie den Geist erfrischen ohne Koffein? Wie parlieren ohne Kommodität?Seien wir ehrlich: Unser Kommunikationsraum ist eine Farce, seinem eigenen Namen spottend! Mag die ge-meine Problemzone alleine im Auge des Betrachters liegen, so schwingt sich diese auf, objektiv überprüfbar sein zu wollen. Dieser sterile Raum mit seinen popo-unfreundlichen Sitzmöbeln lädt wahrlich nicht zu verweilender Unterhaltung ein. Und in der Tat findet hier nur dann Austausch statt, wenn die Technik ihren Dienst versagt.Unsere Redaktion führte eine stichprobenartige, ten-denziell repräsentative Umfrage zum Thema durch. De-ren Auswertung unterstreicht den Ruf der MuKler nach mondänem Flair und Wiener Charme. Kurz: Den nach Sofas und Kaffee. Und wer wollte ernsthaft bezweifeln, dass es sich wun-derbar kommunizieren und Energie für die folgenden Seminare schöpfen ließe – tief in schwarzem Leder ru-hend, den Wonnen des Kaffee-Genusses frönend. Die Befürchtung, gepflegtes Abhängen führe zu Desta-bilisierung von Lehranstalt und Motivation, ist dabei unbegründet. Im Gegenteil: Innere Ausgeglichenheit fördert den Lernerfolg. Eine grundsätzlich wohlwol-lende Stellungnahme der Institutsleitung in persona Dr. Edlich liegt bereits vor: Sinnvollerweise sei ein sol-cher Wellnessbereich wohl in studentischer Eigenregie zu führen. Die Raumknappkeit im Institut droht dieses Projekt jedoch zumindest mittlelfristig zu konterkarie-ren.Immerhin wird alsbald im Erdgeschoss ein Café eröffnet werden, das sich über die gesamte saaleseitige Terrasse erstrecken wird. Glücklicherweise. Denn „wo Kaffee ser-viert wird, da ist Anmut, Freundschaft und Freundlichkeit!”. So wusste bereits Ansari Djerzeri Hanball Abd-al-Kadir, arabischer Scheich des �6. Jahrhunderts. n

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nGespräch

Herr Scally, normalerweise sind Sie der Interviewer und stel-len die Fragen. Nun sind Sie in der Rolle des Befragten. Ein komisches Gefühl?Es ist ein sehr komisches Gefühl. Als Journalist stellt man Fragen und ich merke das auch in meinem Privatleben, dass ich oft Fra-gen stelle. Es ist ein guter Abwehrmechanismus, denn Leute re-den unglaublich gerne über sich selbst und jedes Mal, wenn eine unangenehme Frage kommt, kann man dem ausweichen und eine Frage stellen und dann kommt es nie zu einer Erklärung.

Wie aufregend finden Sie Ihren Job?Ich würde sagen, ich finde meinen Job so interessant, dass ich das nicht als Job empfinde. Manchmal sehe ich im Supermarkt eine Kassiererin. Sie sitzt da jeden Tag acht Stunden und ich denke mir: „Hm, sie sitzt da und denkt sich, es ist �5:�7 Uhr. Morgen um �5:�7 Uhr sitze ich wieder hier. Und übermorgen �5:�7 Uhr sitze ich auch hier.“ Jeden Tag gibt es etwas anderes. Jeden Tag herrscht Abwechslung. Heute bin ich zum Beispiel in Halle und ich kann mir meine Zeit einteilen. Und von Tag zu Tag muss ich innerhalb von drei oder vier Stunden ein Experte in einem neuen Thema werden. Deswegen finde ich es schon aufregend, weil es jeden Tag eine neue Herausforderung ist.

Sie arbeiten für eine der renommiertesten Tageszeitungen des englischsprachigen Raums. Wie kamen Sie in diese Po-sition?Glück. Und dann harte Arbeit. Zuerst kam das Glück. �999 war es mein Glück, ein Auslandssemester in Deutschland an der Humboldt-Universität in Berlin absolvieren zu müssen.

Zu müssen?Zu müssen. Es war Pflichtteil des Programms an der Uni. Ich studierte an der Dublin-University. Das letzte Semester war ein Auslandssemester in Berlin. Gegen meinen Willen, aber ich musste. Ich habe Deutsch als Nebenfach gelernt und nach dem Auslandssemester wusste ich: „Okay, ich würde gern in Berlin le-ben“. So bin ich im Jahr danach umgezogen, ohne Ahnung, was ich machen könnte. Meine erste Priorität war es, einen Job zu finden und Geld zu verdienen. Und ein paar Monate später habe

Hartnäckig und schamlosDerek Scally über seinen Job als Korrespondent

Auslandskorrespondent in einem anderen Land, für viele ein Traumjob, für Derek Scally Reali-

tät. Aus Berlin berichtet er in seine irische Heimat, beobachtet die Entwicklung Deutschlands

und interviewt Politiker. Das MuKJournal drehte den Spieß um und befragte ihn unter anderem

nach den Besonderheiten seiner Arbeit, den Unterschieden der Presse in Deutschland und auf

der Insel sowie nach dem, was einen guten Journalisten ausmacht.

ich zufällig eine E-Mail an den damaligen Korrespondenten ge-schickt. Er hat zugesehen, dass ich während des Sommerlochs, als er im Urlaub war, für ihn übernehmen konnte. Kurz danach wollte er nach Brüssel ziehen und ich stand als möglicher Nach-folger da.

Was muss man speziell als Auslandskorrespondent mitbrin-gen?Fremdsprache hilft. Es gibt sehr viele Auslandskorrespondenten für angesehene ausländische Tageszeitungen, die in Berlin le-ben, über Berlin berichten und kein Wort Deutsch sprechen. Man muss die Sprache sprechen können, wenn möglich, und einfach Flexibilität und Neugier haben, all die üblichen Kriterien.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag für Sie aus?Zuerst aufstehen und dem Herrgott danken, dass es eine Stun-de Zeitunterschied zwischen Berlin und Dublin gibt (lacht), so kann ich immer noch spät anfangen und für meine Redakteure in Dublin ist es noch früh. Danach lese ich normalerweise zwei Stunden Zeitung. Gegen zehn, halb elf ins Büro gehen, dann

Biografie

Derek Scally wurde �977 in Dub- lin geboren. Von �995 bis �999 studierte er an der Journalisten-schule der Dublin City Univer-sity. Zwischendurch absolvierte er ein Praktikum bei The Irish Voice, einer Irisch-Amerika-nischen Zeitung in New York. �999 bekam er ein ERAS-MUS-Stipendium an der Humboldt-Universität Berlin. Seit �000 ist er Korrespondent für die Irish Times in der deut-schen Hauptstadt. �006 wurde Scally Vorstandsmitglied des Vereins der ausländischen Presse in Deutschland. Im Rahmen dessen organisiert er Pressereisen, moderiert Tref-fen und Gespräche.

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Gesprächn

an verschiedenen Sachen arbeiten, den Chef anrufen bis Mittag und dann bis �5 Uhr, �5:�0 Uhr steht die Nachrichtenliste für die Zeitung fest. Dann habe ich den ganzen Nachmittag, um an meiner Geschichte zu arbeiten.

Geschichte heißt?Artikel. Meistens schlage ich einige Sachen vor, die interessant sind: „Habt Ihr Platz? Interessieren Sie sich für so was?“ Ich schreibe quer durch die Zeitung, im Vergleich zu meinen bri-tischen Kollegen, die schreiben nur Nachrichten, Nachrichten, Nachrichten. Wirtschaft interessiert sie nicht. Aber ich kann für jedes Department schreiben.

Dann werden die Artikel rüber geschickt. Werden diese stark redigiert?Nee, es ist erstaunlich. Sie ändern sehr wenig. Ich kenne Leute, die für Zeitungen schreiben, die erkennen ihre eigenen Artikel am Tag danach nicht wieder. Die positive Seite ist, sie lassen es stehen, was ich schreibe. Aber die negative Seite, wie mein Vor-gänger mir gesagt hat: dein Fehler ist dein eigener.

Und dann ab nach Hause?Ja, ich versuche immer so gegen �8 Uhr fertig zu sein. Meistens ist es �9 Uhr.

Was reizt Sie besonders an Ihrer Arbeit, davon mal abgese-hen, dass sie abwechslungsreich ist?Ja, es ist schon interessant nach Irland zurück zu gehen und zu wissen, dass, falls sich die Leute für Deutschland interessieren, sie meine Artikel gelesen haben. Dass ein Informationsaustausch stattfindet und Leute sich, hoffentlich, da ich hier bin, mehr für Deutschland interessieren.Ich kann somit Deutschland ein bisschen vertreten, das ist das Schöne an dem Job.

Mal allgemein gesprochen, was unterscheidet die deutsche von der angelsächsischen Presse? Oh, viel. Vor allem habe ich manchmal das Gefühl, dass deut-sche Journalisten eigentlich PR-Leute sind. Stellen wir uns mal vor, wir machen ein Interview: Ich bin der Politiker, Sie sind der Journalist. Ich darf eine Mitschrift von dem Interview lesen, oder zumindest die Zitate. Nach Lust und Laune kann ich das durch-streichen. Jedes Mal bei einem interessanten Ausrutscher, bei dem es vielleicht politische Nachwirkungen geben kann, darf ich durchstreichen. Für mich gehört es nicht zum Journalismus, dass der Politiker eine zweite Chance kriegt. Wenn er irgendetwas sagt, ist es gesagt.Andererseits ist der deutsche Journalismus teilweise noch ernster als die britischen Tageszeitungen. Die britischen Tageszeitungen erleben im Moment einen Qualitätsverlust ohne Beispiel. Bei den deutschen Zeitungen wird man herausgefordert. Die britischen Zeitungen sind eher so ein bisschen wie ein McDonalds-Ham-burger: Er ist leicht zu verdauen, aber eine Stunde später fragt

man sich, ob sich das überhaupt gelohnt hat. Da hat die deut-sche Presse noch einen relativ hohen intellektuellen Standard. Das ist schon lobenswert.

Klassische Frage: Was macht einen guten Journalisten aus?Auf Englisch sagt man ‚brass neck‘, ich glaube auf Deutsch be-deutet das Dickköpfigkeit oder Schamlosigkeit. Ich erlebe sehr oft zwei Sorten von Journalisten. Die einen sind total verunsi-chert und sie haben Angst vor Politikern oder Leuten in hohen Positionen. Und es gibt die andere Art von Journalisten, die kein Problem hätten, Angela Merkel anzuquatschen, wenn sie über die Straße geht. Und ich glaube, eher die zweite Art von Jour-nalisten sind die besseren. Leider gibt es oft diesen Journalismus mit der Neigung, sich als Kumpel der Politiker zu sehen. Das führt zu weniger Distanz. Ein Journalist soll hartnäckig und schamlos sein, aber dennoch die Distanz zu den Politikern wahren.

Wie gelingt Ihnen das?Ich lass’ mich nicht von Politikern beeindrucken. Ich weiß, dass ich in vier Jahren, hoffentlich, noch Journalist bin. Aber ob die Politiker noch an der Macht sind, ist fragwürdig. Sie haben eine geliehene Macht und man soll das nicht mit echter Macht ver-wechseln. Jeder Politiker, der zu lange an der Macht ist, verwech-selt seine eigene Statur mit der Statur des Amtes. Bei Gerhard Schröder war das ganz klar. Ich glaube Frau Merkel hat das sehr gut im Griff. Leute sollen sich von so was nicht beeindrucken lassen. Es ist geliehene Macht. Aber Journalisten sollen auch ihre eigene Macht nicht überschätzen. Ich habe auch sehr oft Beispiele von Artikeln, wo ich gedacht habe: „Ah ja, dieser Arti-kel erscheint und es ändert sich alles.“ Aber ich musste zu mei-ner Enttäuschung feststellen, dass Journalisten oft nicht soviel Macht haben wie sie denken.

Welche Tipps würden Sie dem journalistischen Nachwuchs mit auf den Weg geben?Zuerst sollte man auf dem aktuellen Stand der technologischen Dinge sein. Bei allen Zeitungen muss man nicht nur Artikel schreiben, sondern es wird erwartet, dass man Blogs schreiben kann, dass man teilweise Tonberichte oder sogar Videoberichte macht. Es ist zurzeit alles im Umbruch. Und wenn man in mög-lichst allen technologischen Bereichen gut ausgebildet ist, hat man bessere Chancen. Aber wenn man tatsächlich als Journalist arbeiten möchte, würde ich, statt irgendwo zu sitzen und zu warten bis irgendjemand kommt und sagt „hier ist dein Arbeits-platz“, einfach woanders hingehen, wo es eine Lücke gibt. Und wo es interessant ist. Die Türkei zum Beispiel ist sehr interessant, oder Russland. Irgendwo hingehen, sich Platz machen, so dass, wenn es tatsächlich interessant wird – und Russland wird in den nächsten zehn Jahren wahnsinnig interessant werden –, man dann sagen kann: „Ja, hier bin ich. Ich habe meine Kontakte und ich kann euch was bieten.“Und was natürlich hinzu kommt ist, als Journalist ein Spezi-alist zu sein. Als Energie- oder Umweltexperte beispielsweise. Diese zwei Bereiche werden in den nächsten Jahren sehr stark kommen. In Russland als ein Energieexperte journalistisch tätig zu sein, damit kann man bestimmt eine lange und erfolgreiche Karriere machen.

Das Interview führte Martin Löwe.

Scally beim Journalistengespräch

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nKrimi

Tod an der Saale

Während einer Ehemaligen-

Feier auf der Dachterrasse des

MMZs kommt es zu einem

mysteriösen Todesfall. Die

schockierten Alumni

entscheiden sich, jemanden

aus dem MuK-Department

zu Rate zu ziehen, der sich

in Kriminalfällen bestens

auskennt. Erste Ermittlungen

bringen so manche

Überraschung ans Tageslicht.

Alle Personen existieren

wahrhaftig. Die Geschichte ist

jedoch fiktiv.

Es hätte ein schönes Fest werden können. Von alten Zeiten reden, hören was die anderen so machen und beruhigt wieder nach Hause fahren. So war es geplant. Doch am Ende kam alles ganz anders. Während sich die blutrote Abendsonne hinter der Neustädter-Skyline versteckte, war auf dem Dach des MMZs ein lauter Knall zu hören. Aufgeregtes Gekreische übertönte die lärmende Straßenbahn, die sich �5 Meter weiter unten am Gebäu-de vorbeischlängelte. Gut fünf Stockwerke höher stieg den Alumni plötzlich der Geruch von verbranntem Fleisch in die Nase. „Du hängst wohl nicht an deinem Leben?“ fragte Jenny mit frostiger Stimme. Als er dies hörte, lief dem verdutzten Henrico sofort ein eiskalter Schauer über den Rücken. Er konnte nicht wissen, dass Jenny Lehmann eine ausgewiesene Expertin in Sachen Gesundheit war. Im letzten AOK-Magazin berichtete die Redakteurin über Gesundheitsgefahren von Acrylamid-belastetem Fleisch. „Glaub mir, das ist gefährlicher als Rauchen!“ Henrico schüttelte den Kopf und schenkte sich einen weiteren Schluck perlenden Schaumwein ein. Von �58 ehemaligen Muk-Studenten waren �� zum alljährlichen Alumni-Treffen erschienen. Veit Eschke hatte der Einladung nicht folgen können – beruflich ver-hindert. Veit arbeitet bei Gazprom. Was er dort macht, weiß bis heute niemand so genau. Seine Abwesenheit trübte die Stimmung jedoch keineswegs. Der Rotkäpp-chen-Sekt schmeckte gut wie eh und je, die Würstchen waren dem einen oder an-deren dagegen schon ein wenig zu dunkel. Kein Wunder, bei dem Grillmeister. Auf dem Gebiet war Henrico nun wahrlich kein Profi. Normalerweise servierte er auch keine Würstchen, sondern Jobs auf dem silbernen Tablett. Als Vermittler bei der Arbeitsagentur Halle versuchte er schwer vermittelbare Jugendliche in Lohn und Brot zu bringen: „Die Lage ist heiß – nicht nur auf dem Holzkohlegrill, sondern auch auf dem Arbeitsmarkt.“Plötzlich erstickte das allgemeine Gekicher und Gemurmel. Nur eine Frage machte noch die Runde: Wo ist Claudia? Sie war schon länger nicht mehr gesehen worden. Die freie Journalistin und Agentur-Redakteurin hatte gerade von ihrer neuesten Story berichtet, als auf einmal ihr Handy klingelte. Schweiß glitzerte plötzlich auf ihrer Stirn. Doch stammte der Schweiß von der Hitze der Abendsonne, oder war es vielleicht der Anrufer, der ihr Blut in Wallung brachte? Eine Frage, für die sich zu diesem Zeitpunkt noch niemand interessierte. Die gekühlten Getränke waren viel attraktiver, vor allem aber die kleinen und großen Geschichten, die es zu erzählen gab. „Mensch, Claudia ist aber alt geworden. Die sieht ja richtig fertig aus“, lästerte Henrico gerade in Richtung Katja, die ihm gegenüber saß. Doch Katja bekam von all dem kaum etwas mit. Sie träumte vor sich hin und hatte andere Sachen im Kopf. Zu dieser Zeit drehte sich bei ihr alles nur um Sex. Sie organisierte seit sechs Monaten die Wanderausstellung „Sexarbeit“, die zu dieser Zeit gerade in Bern Station machte. „Claudia findet meine Arbeit als Kuratorin ganz interessant, doch für eine Story fehle ihr der Pepp“, meinte sie zu Henrico, der gar nicht wusste, wovon sie sprach. „Apropos Claudia“, schallte es von der hinteren Bank herüber. „Solange kann doch kein Mensch telefonieren! Ich würde mich ja gern noch mit ihr unterhalten. Doch jetzt muss ich los, in einer Stunde bin ich auf Sendung – und muss wieder fit sein“, stammelte eine leicht beschwipste Namensvetterin.„Wir werden Radio Brocken einschalten und deiner Stimme lauschen“, rief ihr Rüdiger noch hinterher. Beim Hinterherrufen hatte der PR-Mann bisher eigentlich nie Erfolg bei Frauen gehabt. Investoren fürs Gewerbegebiet Cottbus konnte er hingegen schon öfter in die Lausitz locken. Doch seine Rufe verhallten in luftiger Höhe. Moderatorin Claudia war bereits an den Zweien vorbei, die sich vorne am Treppenaufgang amüsierten. Die Party erreichte derweil auch ohne sie ihren Hö-hepunkt. Der Vorrat an Bier und Sekt ging langsam zur Neige, als plötzlich ein

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Krimin

Mark erschütternder Schrei allen Anwesenden das Blut in den Adern gefrieren ließ. Unten auf der Straße lag der blutüberströmte Körper der Agentur-Journalistin Claudia Kusebauch, das Handy zerbro-chen neben ihr. Für sie waren die Würfel gefallen. „Mein Gott, wie schrecklich, wie konnte das passieren? Was sollen wir jetzt tun?“ Entsetzen machte sich breit, beim Anblick der Leiche. Jetzt hieß es schnell zu handeln, bevor noch mehr passieren würde. Die Polizei allein konnte hier nicht weiterhelfen. Der Fall musste vorerst intern untersucht werden. Wozu gab es Kriminal-Experten im Institut?Dr. Ingrid Brück hatte gerade in ihrem Büro über den Prak-tikumsberichten der zukünftigen Absolventen gebrütet, als man sie holte. Sie spürte sofort, dass dies kein Unfall gewe-sen sein konnte. Mord war nicht auszuschließen. Als Dozentin mit dem Spezialgebiet Krimi hatte sie ganz einfach das nötige Gespür. „Keiner verlässt die Party, bevor ich nicht Licht ins Dunkel gebracht habe!“, mahnte die Detektivin im Spezialeinsatz. „Wer hat Claudia zuletzt lebend gesehen? „Sie muss doch an Michaela und Roland vorbeigegangen sein. Die beiden habe ich oben an der Tür stehen sehen“, warf Dennis ein. Michaela Maratzki und Roland Stratz fühlten sich ertappt. Sie hatten die ganze Zeit über ihren Job beim Stadtmarketing Leipzig philosophiert. „Ich habe Michaela von unseren neusten Pla-nungen zu den Bach-Festspielen erzählt.“ Der Projektleiter fühlte sich unbehaglich. „Aber an uns ist garantiert keiner vorbeigekommen.“ Michaela nickte zustimmend. Also muss-te jemand die Kusebauch vom Dach gestoßen haben, warum

sollte sie freiwillig mit ihrem Leben spielen? Aber wer?! Die Suche nach dem Täter begann.„Alle gehen wieder nach oben!“ Brück überlegte fieberhaft. Eine alte Regel besagt, dass der Täter immer wieder zum Tat-ort zurückkehrt. Das musste sie ausnutzen. Motiv, ein Motiv musste her, das würde den Täterkreis einengen. Sie konnte heute Nacht eigentlich keine Stecknadel mehr im Heuhaufen suchen, sie musste noch ihre Praktikumsberichte korrigieren. Egal, schließlich ging es um Leben und Tod. Gnadenlos lö-cherte die Detektivin wider Willen nun die geschockten Gäs-te. „Claudia ist, äh, war meine Freundin. Wir haben so manches Geheimnis miteinander geteilt.“ Die MZ-Volontärin Sabine fing als erste an zu plaudern. Machte sie sich durch ihre Red-seligkeit verdächtig? Kommissarin Brück grübelte. Ließe sich vielleicht eine Brücke zwischen dem Mord und Kusebauchs beruflicher Tätigkeit schlagen? „Ich weiß, dass Claudia an einer Story über einen Schwarz-geld-Skandal in der Baden-Württembergischen SPD dran war“, gab Sabine zögernd preis und warf einen ernsten Blick Richtung Eberhard Keller. „Warum guckst Du mich so an? Ich lass mir doch nicht von dir den Schwarzen Peter zuschieben“, stotterte er nervös. „Du arbeitest doch beim Generalsekretär der SPD Baden-Württemberg, diesem Jörg Tauss, und bist für die Vorbereitung der Landtagswahl �009 zuständig! Mit Janine Krönung hast Du die Spendengelder illegal auf SPD-Konten weitergeleitet. Stimmt doch, oder?!“ Eberhard Keller verzog keine Mine. Der ehemalige MuKler ließ sich nicht in die Karten schauen. Auch die beschuldigte Janine war jegli-

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nKrimi

chen Vorwürfen gegenüber erhaben. Als Pressereferentin einer namhaften Bank wähnte sie sich in Sicherheit. „Ich arbeite in der Pressestelle und habe keinen Zugang zu den Konten“, erwiderte sie abgebrüht. Während es den anderen nun die Sprache verschlagen hatte, zog die redselige Sabine noch ein Ass aus dem Ärmel. Sie ver-wies mit einer Armbewegung auf die Handtasche der Toten. Okay, wenn’s sein musste. Und siehe da: Mit spitzen Fingern holte die Kommissarin einen Kontoauszug aus der Handta-sche, der Janine Krönung und Eberhard Keller schwer belas-tete. An Sabines Geschichte musste also was dran sein. Die schwarzen Gelder existierten wahrhaftig und flossen über die Konten der beiden Alumni. Die Auszüge belegten es eindeutig – ein hieb- und stichfester Beweis war gefunden. Brück rang um Fassung: Von den beiden hatte sie das nicht erwartet! Auch den anderen klappten die Unterkiefer runter. Doch Sabi-ne hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Kommissarin Brück glaubte das Spiel durchschaut zu haben. Sabine wusste zuviel. Das hatte sie stutzig gemacht. „Sabine, ihre Kenntnisse über den vermeintlichen Schwarz-geldskandal sind beeindruckend. Mit den Infos könnten sie ja die halbe SPD-Führung über die Klinge springen lassen. Da werden sicherlich noch ein paar Köpfe rollen. Und jetzt erzäh-len sie uns mal, woher sie all diese Insiderinfos haben.“Sabine wurde kreidebleich und geriet ins Schwanken. Die Antwort blieb sie schuldig. Sie hatte mit ihrem Geplauder zuvor alles auf eine Karte gesetzt – und sich damit ins Ab-seits manövriert. Doch Brück hat am Institut gelernt, wie man Stumme zum Reden bringt. Das hat sie in ihren Seminaren des Öfteren unter Beweis gestellt. Bei ihr hat schon mancher Student sein Schweigen gebrochen. Doch Sabine ist eine ganz harte Nuss. Würde es der Kommissarin gelingen, diese zu kna-cken? Mit listigen Fragen und viel Hartnäckigkeit brachte sie Sabine schließlich doch noch in Verlegenheit. „Das ist eigentlich meine Story. Ich hab alles aufgedeckt! Die Kusebauch hat nur im Nebel gestochert. Ich dachte wir wären Freunde, doch das Biest hat mich nur hintergangen. Aber mit dem Mord hab ich nichts zu tun“, sagte Sabine mit verstei-nerter Mine. Damit begab sie sich jetzt ebenfalls in den enge-ren Kreis der Verdächtigen. Das Motiv schien klar: Missgunst. Mit der Story wollte die MZ-Volontärin groß rauskommen und sich in der Journalisten-Riege einen Namen machen. Die drei Hauptverdächtigen waren ausgemacht. Eberhard Keller hüllte sich in Schweigen, um sich nicht selbst zu belasten. Pressereferentin Janine war durch die Gelder auf ihrem Konto schwer belastet. Die Ermittlungsarbeit für Brück war somit vorläufig beendet, ab jetzt waren ihr die Hände gebunden. Handschellen mussten nun andere anlegen – ihre TV-Kolle-gen Schmücke und Schneider schienen für diesen Job genau die Richtigen zu sein. Nun galt es, diese zu kontaktieren. „Herr Meyer, geben Sie mir bitte doch mal ihr Telefon!“ Der fischte sein Nokia-Handy aus dem Rucksack und reichte es der Kommissarin. Doch in dem Moment, in dem er ihr das Telefon entgegenstreckte, ging ein Raunen durch die Reihen. Man sah, auch an seinen Händen klebte Blut. „Wo haben sie sich denn verletzt?“ Stillschweigen. Mit ei-ner freundlichen Geste reichte ihm Henrico eine Wasserfla-

sche. Das kühlende Nass sollte helfen, die blutigen Hände in Unschuld zu waschen. Doch eine Verletzung war nicht zu sehen. Kommissarin Brück wurde wieder stutzig. „Was wird hier gespielt?“ Einem anfänglichen Stottern wich ein brül-lendes Gelächter aus den hinteren Reihen. Die Karten waren aufgedeckt. Die Alumni hatten ein Spielchen gespielt – mit ihrer ehemaligen Dozentin. Die Spielanleitung hierzu hatte Jana Lichtenfeld geschrieben. Sie ist Spiele-Entwicklerin. So erklärte sich auch die plötzliche Wiederauferstehung Claudia Kusebauchs von den Toten. Ihr Blut, und auch das an Ralfs Hand, stammte aus der Requisitenabteilung der Kulturinsel Halle. Hier arbeitet Ralf Meyer als Chefdramaturg und kennt das Geschäft mit dem Tod. Mit ihm nahm das Drama seinen Lauf. n

Markus Minning und Stephan Weidling

Alle genannten Personen sind mit dem Abdruck der Ge-schichte einverstanden, die Redaktion.

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Homestoryn

Wohngemeinschaft mit HindernissenZu Gast bei Sokrates & Co.

Von Nancy Hubl und Yvonne Peters

Wo lebt es sich während des Studiums am besten? Hotel Mama, Studi-Heim, oder bietet eine WG die ideale Lösung? Der Weg zum perfekten Wohnglück kann äußerst steinig sein. Dies muss-te auch Karoline Rolle (��), MuK-Studentin im 4. Semester, er-fahren. Verfolgt von Pleiten, Pech und Pannen, hat sie es letzt-lich doch geschafft, ihre persönliche Wohlfühl-Gemeinschaft zu finden. Wie die aussieht, hat sie uns gezeigt.Im zweiten Obergeschoss eines schicken Altbaus nahe den Fran-ckeschen Stiftungen lebt Karoline zusammen mit Verena (�0,

Biologiestudentin). Die Wohnung wirkt etwas leer, die Wände des langen Flurs sind kahl und am Boden liegt eine Bohrma-schine. „Selbst ist die Frau“, lacht Karo, „ein bisschen Farbe wäre auch gut“. Die beiden Single-Frauen sind erst vor wenigen Tagen in ihre neue Bleibe gezogen und doch hat das Ganze schon einen gewissen

Charme. „Wir sind grad dabei, es uns gemütlich zu machen.“ Sie sitzen gemeinsam bei einer Tasse Kaffee in der Küche. Den kleinen Tisch zieren, ordentlich aufgereiht, diverse Utensilien: ein Dosenöffner, eine Büchse Wildfrucht-Teegetränk, Küchenrolle und eine Kuchen-Backmischung. Zufrieden blickt Karoline durch das Fenster in den Hinterhof und sagt: „Wir haben’s endlich geschafft“. Die beiden jungen Frauen verstehen sich gut, Karo und ihre Vreni sind ein eingespieltes Team.Als Karoline vor zwei Jahren nach Halle kam, sah alles noch ganz anders aus. Sie zog in ein Studentenwohnheim, doch Wohl-fühlen bedeutet etwas anderes. „Die Möbel dort waren älter als meine Eltern“ und die hygienischen Bedingungen eher subop-timal. „Ich war damals echt verzweifelt“, sagt Karo. Sie schaut dabei auf das leuchtend rote ‚Emily the Strange‘-Poster über dem Tisch, das farbliche Highlight in der durch und durch wei-ßen Küche. Damals beschlossen die Beiden mit einem Freund eine Dreier-WG zu gründen, um so gemeinsam dem Wohnheim-Horror entfliehen zu können. Die Welt schien in Ordnung, man genoss entspannte Abende bei gutem Wein. „Es war sehr schön! Wir waren nicht nur Mitbewohner, sondern auch gute Freunde.“ Nach einiger Zeit zogen jedoch dunkle Wolken am bisher sonnigen WG-

Himmel auf. Die beiden Mädels mussten lernen, dass bei Geld die Freundschaft aufhören kann. Erst recht, wenn man Angst haben muss, aus der Wohnung zu fliegen, nur weil einer seinen Mietanteil nicht beisteuert. „Man konnte nicht mehr mit ihm reden, er hat total dicht gemacht. Das hat sich bis heute nicht geändert.“ Eine Zeit lang war er sogar untergetaucht und so standen die Beiden allein vor einem Berg von Problemen. Nach vielem Hin und Her kam dann der Zufall zu Hilfe. Das Wohn-haus sollte saniert werden, eine neue Unterkunft musste her. So bot sich die Gelegenheit, einen Neuanfang zu wagen. Im Juni konnten sie endlich umziehen und teilen sich nun eine helle Zweizimmerwohnung.Allein sind sie in ihrem neuen Heim jedoch nicht, denn da ist ja noch Sokrates, Karos betagter schwarzer Hamster. Und wie kommt man auf die Idee sein armes Tier Sokrates zu nennen? „Neben MuK studiere ich Alte Geschichte und Klassische Archä-ologie, da fand ich den Namen ganz witzig.“ Der kleine Kerl teilt sich mit ihr ein Zimmer. Hier sieht es auch schon recht wohnlich aus: ein großer Schreibtisch auf dem sich unendlich viele Bü-cher stapeln und ein Regal, das als Raumteiler zum Schlafbe-reich dient. Neben der Tür ist ein riesiges Hamsterparadies Marke Eigenbau und gegenüber steht Karolines großes, breites Bett. „Wir haben es beide gern gemütlich und brauchen viel Platz“, schmunzelt sie. Und wie ist nun das Zusammenleben in einer reinen ‚Weiberwirt-schaft‘ – Sokrates mal ausgeklammert? „Es ist alles ganz unkom-pliziert. Jeder geht mal einkaufen und im Kühlschrank gibt es auch keine Aufteilung von wegen dein Fach, mein Fach.“ Naja, bis auf den Schokopudding, „der gehört mir allein, da gibt’s Ärger“, lacht Karoline. Die Beiden haben zudem ein festes Ritual. „Das gemeinsame Kochen ist uns sehr wichtig, so verbringen wir Zeit miteinander und leben nicht nur nebeneinander her.“ Die Freundinnen haben stets ein offenes Ohr für die andere, tau-schen sich aus. „Vreni und ich sind eng zusammengewachsen. Wir passen aufeinander auf.“ Darum gibt es auch eine Art ‚Mel-depflicht‘. Wenn eine unterwegs ist, gibt sie der anderen kurz Bescheid. „Man macht sich ja sonst Sorgen“, meint Karo. Das klingt alles sehr harmonisch. Gibt es denn nicht manchmal Streit um Abwasch und Müllentsorgung? „Solche Probleme haben wir

nicht, es gibt auch keinen Putzplan.“ Jede trägt seinen Teil bei. „Das ist ganz selbstverständlich, anders würde

es auch nicht funktionieren.“ Der Weg zum Wohnglück war nicht leicht. Doch nun

kann Karoline das Leben in ihrer kleinen, aber feinen WG in vollen Zügen ge-

nießen. Drum prüfe, wer sich wohn-lich bindet, ob sich nicht doch was Bess’res findet! n

Verena und Karoline in ihrer WG-Küche

Tierischer Mitbewohner: Hamster Sokrates

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nFinish

Mit Party und Szenelokalen zum Abschluss

Von Corinna Krüger

Rauch, wirre Lichter, alles Rot. Das Bildermeer wird mit dump-fen Basstönen untermalt. Schattenspiel im Dämmerlicht. Ver-einzelt rhythmische Bewegungen zum Klang der Musik. Später am Abend dichtes Gedränge und viele tanzende Körper. Mo-mentaufnahmen einer Partynacht – und eines Abschlusspro-jektes im Masterstudium Multimedia & Autorschaft. Die Ab-solventin Sonja Heitmann beschäftigte sich im Wintersemester �006/07 mit ihrer Studienstadt Halle und der, für Studierende sehr wichtigen, kulturellen Szene.Halle und multimedial, waren grob gesagt die Bedingungen, die von den Dozenten an das Abschlussprojekt gestellt wurden. Sonja freute sich sehr über die Frei-heit, die ihnen bei der Wahl eines Pro-jektes gelassen wur-den, denn so konn-te sie sich etwas aussuchen, das ihr am Herzen lag. Sie musste nicht lange nach einem Thema suchen, denn ihr großes Interesse an Kultur sollte in dem Projekt zum Tragen kommen. Letztend-lich wurden es die individuellen kleinen Clubs. Laut Arbeitstitel die „alternativen Kunst- und Kulturräume in Halle“, darunter wählte sie das Festival Electric Renaissance, die Clubs Hüh-nermanhattan, Drushba und Chaiselounge sowie das Zentrum für Zeitgenössische Kultur aus.Diese waren auch während ihrer Studienzeit wichtige Anlauf-punkte, so dass ihr die Entscheidung nicht schwer fiel. Be-sonders interessant und mitteilenswert war Heitmann an den Standorten, dass sie auf dem großen Idealismus ihrer Besitzer gründen und sich dadurch stark von Mainstream-Locations unterscheiden. Die Inhaber ließen sich gerne überzeugen, The-ma ihres Projektes zu sein – etwas Werbung schadet auch ih-nen nicht. Der Inhalt stand nun fest, auch dass die Multimedialität mit einer Flashoberfläche geschaffen werden sollte, war für Son-ja schnell klar. (Flash ist eine Entwicklungsumgebung, mit der man Präsentationen, Anwendungen und andere multimediale Inhalte, die eine Interaktion mit dem Benutzer gestatten, erstel-len kann.) Damit hatte sie im Laufe ihres Studiums Erfahrungen gesammelt. Inspiration für konkrete Gestaltungsmöglichkeiten sammelte sie durch intensive Recherche im Internet und setzte eine interessante Idee in ihren eigenen Stil um. Resultat ist eine

Bedienoberfläche, die einem Memory gleicht. Fährt man mit der Maus über eine der �5 Flächen, erscheint wahlweise fakten, fotos, film sehen, website oder der Name der Location, zu der man in dieser Spalte Informationen erhält.Die Bedienung der Oberfläche ist nicht sofort erkennbar, der Nutzer muss sich schon damit auseinandersetzen. Das genau wollte Sonja, sie hat bewusst weder eine Navigationsleiste noch ein Inhaltsverzeichnis eingesetzt. Sie will nicht nur Informati-onen liefern. Der Betrachter soll einen visuellen und akustischen Eindruck vom jeweiligen Club bekommen. Um die Atmosphäre einzufangen, spielte Sonja Heitmann mit Farben, Formen und

Musik. So gibt es zu jeder der fünf Orte Informati-onen, Einblicke und Eindrücke, unterstützt durch Sonjas indivi-duelle Farbgestaltung. Hat einen die Atmo-sphäre eines Clubs überzeugt, sei es durch Filmaufnahmen und Interviews mit Besitz-ern, eine akustische

Hörprobe oder auch nur durch ein paar Momentaufnahmen, kann man in den Fakten sofort die Adresse finden, und dann kann die Clubtour auch schon losgehen.Das Projekt stemmte Sonja komplett allein – von Party konnte da nicht die Rede sein, zumindest nicht für sie. Die Masterstu-dentin war gleichzeitig Redakteurin, Kamerafrau, Tonmeister, Interviewerin, Cutterin und Gestalterin. Starthilfe und Unter-stützung fand sie jedoch bei Freunden. Nach einem Semester Dauerbelastung konnte sie die Arbeit endlich abgeben. Sonja ist nun fertig, auch mit Halle, denn sie hat die Stadt schon verlassen. Ihre Dozenten waren von ihrer praktischen Arbeit be-geistert, was sie auch in der Bewertung zum Ausdruck brach-ten. Eins ist für Sonja Heitmann durch das Praxisprojekt klar geworden: Ihre Zukunft weist in Richtung nicht-fiktionaler Film. n

Projekt des Multimedia & Autorschaft-Studiengangs: Sonja Heitmann stellt auf DVD

Hallesche Clubs vor

Abschlussprojekte des Multimedia &

Autorschaft-Studienganges

http://www.mmautor.net/projekte/default.shtml und unter http://www.aha-alleshalle.de

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Finishn

Klippan, Billy und Co. zeigen deinen Lebensstil

Von Corinna Krüger

„Wohnst du noch oder lebst du schon?“ Spontan fällt doch jedem bei diesem Slogan IKEA ein, das schwedische Einrich-tungshaus, das sich als Marke seit Jahrzehnten in Deutschland etabliert hat. Ulrike Rossbach war sich dessen bewusst und so kam ihr IKEA als Thema ihrer Magisterarbeit sehr gelegen. Über eine Marke zu schreiben, hatte sie sich schon länger vorgestellt, was man jedoch konkret aus dieser Idee machen sollte, ent-wickelte sie in Zusammenarbeit mit ihrer Zweitgutachterin Dr. Kathrin Fahlenbrach. Auch ihre Nebenfächer Soziologie und Psychologie spielten in das Thema „Kultursoziologie der Mar-ke IKEA – Analyse und Rekonstruktion des Zusammenhanges zwischen Wohnrauminszenierung und Lebenstil“ hervorragend mit hinein.Die etwas anderen und individuellen Fernsehspots von IKEA kennt wohl jeder und auch der IKEA-Katalog gehört heut-zutage vor allem bei jungen Menschen zur Standardlektüre. Wird die Botschaft aus den Werbespots auch über den Kata-log transportiert? Welche Zielgruppe möchte IKEA mit seinen Produkten und die dazu eingesetzten Werbemitteln erreichen? Und welche erreichte die Firma nun wirklich damit? Dies sind einige der Fragen, die sich Ulrike in ihrer Magisterarbeit stellte und die den praktischen Analyseteil ihrer Arbeit ausmachten. Letzterer ließ sich gut und schnell schreiben und dessen Aus-arbeitung machte Spaß. Schade fand sie lediglich, dass ihr von IKEA wenig Interesse und Kooperationsbereitschaft entgegen-kam. Alte Kataloge konnte sie dort nicht bekommen, da nach eigenen Angaben keine archiviert werden. Im Internet wurde sie dann aber kurioserweise fündig und ersteigerte dort ein sehr

umfangreiches Paket an Katalogen, die bis ins Jahr �974 zu-rückreichten. So konnte die Arbeit doch realisiert werden, denn der Untersuchungsgegenstand war aufgetrieben. Der Theorie-teil bereitete ihr mehr Kopfzerbrechen und Schreibblockaden. Als Grundlage mussten Lebensstiltypen abgegrenzt werden und dann eine Verbindung zwischen Wohnraumgestaltung und Lebensstil aufgezeigt werden. IKEA stellt ein Massenprodukt dar, das sich an junge, dyna-mische und individuelle Persönlichkeiten richtet. Scheint dies ein Widerspruch zu sein, so kann IKEA doch genau dies verei-nen. Aufgrund der günstigen Preise spricht es die Masse und vor allem junge Leute an. Dennoch strahlen IKEA-Produkte durch Schlichtheit und Eleganz eine gewisse Ästhetik aus, die offensichtlich viele Menschen anspricht. Aufgrund zahlreicher Einzelmodule und der guten Kombinierbarkeit bietet es genug Raum für Individualität und Besonderheit, so dass jeder Käu-fer zwar zu einer Gruppe dazugehört, jedoch seine individuelle Nische finden und sich seinen persönlichen Raum kombinieren kann.IKEA hat so seine Stellung auf dem Markt gefunden und ist deshalb sehr erfolgreich. Auch die Magisterarbeit war ein Erfolg und wurde als sehr gut von den beiden Gutachtern bewertet. Ulrike Rossbach, früher ebenfalls begeisterte IKEA-Kundin, war seit ihrer Arbeit noch nicht wieder bei IKEA und wollte es auch nicht sein. Jetzt könnte sie mal wieder hingehen, wie sie selbst zum Abschluss des Interviews meint. Denn wer einmal der Mar-ke verfallen ist, trennt sich nicht so schnell wieder von ihr und wenn man auch nur ein paar Teelichter kauft, oder? n

Ulrike Rossbach schrieb im Sommersemester �006 ihre Magisterarbeit zur Marke IKEA.

Fachrichtung MultiMedia

Susanne Weigel: Zoo erleben – ein Multimediaprojekt über den Bergzoo Halle n Astrid Beier: Die Kulturinsel. Eine multimediale Darstellung der Geschichte und Ge-genwart des neuen Theaters in Halle n Thomas Pencs: Der Dom in Halle. Eine multimediale Rekonstruktion n Claudette Ocando: The Hospitality Club Project. A multi-media Project n Romy Kornau: Der Stadtgottesacker. Eine hypermediale Rekonstruktion Hallischer Stadtgeschichte n Axel Koch: Eine hypermediale Präsentation des Bota-

Masterstudiengang MultiMedia & Autorschaft

nischen Gartens zu Halle an der Saale n Stefanie Unger: Außergewöhnliche Sportarten multimedial präsentiert n Sonja Heitmann: Alternative Kunst- und Kulturräume in Halle n Sven Roloff: Kinogeschichte, Filmforum und Filmfestival in Halle

Fachrichtung Onlinejournalismus

Frank Franke: Rockszene in Halle n Marcella Kaufhold: Freizeitmöglichkeiten für Kinder in Halle n Franziska Schmöller: Berühmte Häuser in Halle

Abschlussprojekte 2007

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nGeschehen

Invitation to the FutureFeierliche Eröffnung des MMZs

Von Claudia Uhlig und Alexander Ulrich

„Halle muss sich auch mal was trauen und etwas schräg bau-en.“ Mit diesen Worten eröffnete Halles Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados ihre Rede zur Einweihung des Multimedi-azentrums am 4. Juni �007. Rund �50 Gäste schritten über den roten Teppich, flankiert von Lorbeerbäumchen, zur Eröff-nung des �5 Millionen Euro teuren Baus. Aufgestellte Fackeln, klassische Klavierklänge und Sektempfang unterstrichen den feierlichen Rahmen der Veranstaltung. Unter freiem Himmel versammelten sich die Gäste auf der Terrasse, der man die Spuren der noch laufenden Bauarbeiten nicht ansah, um sich auf den offiziellen Teil einzustimmen. Katerina Hagen, Chefin des MMZs, erinnerte in ihrer Eröff-nungsrede daran, wie die Idee zum Projekt Multimediazentrum vor acht Jahren in einem Gespräch entstand. Bei einer Flasche Wein notierten Lutz Kühn (damals MdL) und Nils Jonas (da-maliger Chef der Staatskanzlei) ihre ersten Gedanken auf einer Serviette, von der es noch heute eine Abschrift geben soll. Das Projekt stieß dank Nils Jonas nicht nur bei der Stadt Halle schnell auf Begeisterung, so Katerina Hagen. Finanziert wurde es aus EU-, Bundes- und Landesmitteln, wobei sich die Stadt Halle zu �0 Prozent an den Kosten be-teiligte. Was nicht unbedingt für positiven Gesprächsstoff sorgte, waren die Zusatzkosten von 7,5 Millionen Euro und die viereinhalbjährige Bauzeit. Auch die Belegung des Hauses brauchte einige Zeit. Unser Institut war bei der offiziellen Er-öffnung schon fast zwei Jahre dort ansässig. Stolz gab Ka-terina Hagen an dem Abend jedoch bekannt, dass das Haus ausgebucht sei.In Ministerpräsident Böhmer‘s wirtschaftsorientierter Rede blieb auch unser Institut nicht unerwähnt: „Durch das Projekt kann man jetzt Ausbildungsplätze anbieten, die von sich re-den machen werden.“ Zum Zeitpunkt der Eröffnung waren in Deutschlands viertgrößter Institution zur Medienförderung �0 Unternehmen – vom Sprechlabor bis zum Filmstudio – mit �0� fest angestellten Mitarbeitern angesiedelt. Getreu dem Motto der Veranstaltung „Invitation to the Future“ umriss man in den Reden nicht nur bereits Erreichtes, sondern entwarf auch vielversprechende Zukunftsaussichten.Neben dem Buffet bereicherte ein ca. einstündiges Unterhal-tungsprogramm die Veranstaltung – der Weg für lange Ge-spräche bis tief in die Nacht war geebnet. Doch mit Feiern ist es wie mit der Lieblingssendung, alles Schöne hat auch mal ein Ende. Genauso schnell wie die Feierlichkeiten aufgezo-gen wurden, waren die Spuren der hollywoodreifen Eröffnung am nächsten Tag wieder verwischt und die Fertigstellung des Komplexes konnte in seine Endrunde gehen. Was vorerst noch blieb, war der rote Teppich, über den zu schreiten so mancher Student noch Gelegenheit hatte… n Eu

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Von Martin Löwe

Europa hat Probleme, weil Wirtschaft und Po-litik zu sehr ineinander verwickelt sind. Darin sahen alle vier zum Journalistengespräch am �. Mai �007 geladenen Deutschlandkorrespon-denten das Kernproblem der EU. Derek Scal-ly, Vertreter der Irish Times sprach gar von Heuchelei, wenn die EU-Länder nach offenen Märkten strebten, jedes Land aber seinen ei-genen Markt mit politischen Mitteln verteidigt. Insbesondere die Airbus-Krise habe dies deutlich gemacht. Doch nicht nur die Wirtschaftsinter-essen standen bei der Diskussion im Hallischen Saal der Burse zur Tulpe im Mittelpunkt.Die Moderatoren, MZ-Chefredakteur Jörg Bi-allas und sein Stellvertreter Torsten Kleditzsch, lenkten das Gespräch auf die vorerst geschei-terte EU-Verfassung. „Eigentlich braucht die EU gar keine Verfassung. Es geht auch gut ohne“, so Peter Rival von der slowakischen Wirtschaftszeitung Trend. Eine Meinung, der nicht jeder in der Runde zustimmte. Keiner der Journalisten erwartete jedoch, dass bis zur Europawahl �009 eine Verfassung zustande kommt. Eine EU-Verfassung mit Zustimmung der Niederlande würde es ohnehin nicht ge-ben, schätzt Jeroen Akkermanns von RTL Nieuws die Lage in seiner Heimat ein.Auch das Verhalten Deutschlands innerhalb der EU besprachen die Korrespondenten. Ins-besondere die Arbeitsmarktpolitik wurde kri-tisch bewertet. „Deutschland schädigt sich durch die Abschottung seines Arbeitsmarktes nur selbst. Die ganzen Fachkräfte wandern in andere Länder wie England, Spanien oder nach Skandinavien“, so der polnische Agentur-Jour-nalist Jacek Lepiarz. Hier hätte Deutschland eine große Chance verpasst. Zudem wurden die Themen EU-Beitritt der Türkei und die europä-ische Außenpolitik kontrovers diskutiert. Gera-de die Türkeiproblematik zeigt den Zwiespalt innerhalb Europas. Während beispielsweise die Polen das Thema sehr unverkrampft sehen und nichts gegen einen Beitritt hätten, herrscht in Westeuropa große Skepsis. Schuld daran sei un-ter anderem die zum Teil schlechte Wahrneh-mung der Türkei. Europas Konfliktpotenzial, so zeichnete sich ab, wird auch im nächsten Jahr genügend Diskussionsstoff für das europäische Journalistengespräch bereithalten. n

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Geschehenn

Förderung hautnahMDM-Nachwuchstag für junge Filmproduzenten

Von David Schieferdecker

Trotz unzähliger Kommunikationswege wird es für junge Kre-ative immer schwieriger, auf sich aufmerksam zu machen und konkrete Beziehungen zu Förderern aufzubauen. Die Mittel-deutsche Medienförderung (MDM) und die International Aca-demy of Media and Arts Halle e. V. haben es sich zum Ziel gesetzt, genau dieses Problem zu beheben. Der mittlerweile dritte KONTAKT.MDM-Nachwuchstag, der am �4. Juni �007 im MMZ stattfand, brachte junge mitteldeutsche Filmemacher mit Medienprofis zusammen. Der Nachwuchs hat die Möglich-keit, in jeweils 6-minütigen Pitchings die potenziellen Förderer von seinen Projekten zu überzeugen, um später von deren fi-nanzieller, bzw. struktureller Hilfe und ihrem Erfahrungsschatz zu profitieren. Erste nützliche Hilfestellung bekamen die Teilnehmer durch den Vortrag „Rechte und Vertragsgestaltung“ von Alexander Thies, dem Vorstand der Halle Academy. Die Relevanz des Themas für die Nachwuchsregisseure und –produzenten zeigte sich in zahlreichen Fragen. Die Teilnehmer interessierten sich im Besonderen für die Klärung der Rechte von Filmmusik so-wie für Einverständniserklärungen und Vergütungen von Do-kumentarfilmdarstellern. Im Hauptteil der Veranstaltung wurden sieben von dreizehn ausgewählten Projekten präsentiert. Dabei wurde in diesem Jahr zum ersten Mal ein Preis für den besten Pitch vergeben. Die Spanne der Projekte reichte von einem Langzeitprojekt über eine Bhagwan-Rentnerkommune in Thüringen, einen bizarren Science-Fiction-Kurzfilm bis hin zu einer Dokumentation über

die Hallesche Burgstraße. Im entscheidenden Teil jeder Präsen-tation nannten Teilnehmer offene Positionen und Bereiche, in denen sie Unterstützung suchten. Auffällig war der unterschiedliche Produktionsstand der alle-samt sehr ambitionierten Projekte. Manche Projekte befanden sich bereits in der Post-Produktion und präsentierten sich mit fertigem Trailer, während bei anderen Filmen erst Drehbuch oder Konzept feststanden. Gewonnen hat das Ausnahmetalent Lena Libertá mit ihrem Kinderfilm „Pepe“. Die Jury, u. a. beste-hend aus Claas Danielsen vom DOK Leipzig und Arnold Seul von der MDR-Fernsehdirektion, zeigte sich sichtlich begeistert von der „Qualität und Professionalität“ ihrer Arbeit. Die Studentin, die gleich mit drei Arbeiten vertreten war, bekommt nun die Möglichkeit, an einem dreitägigen Workshop im Rahmen des internationalen Weiterbildungsprogramms EAVE teilzunehmen. Der Skateboardfilm „First Try“, ein Projekt des MuK-Studenten Daniel Thürer, belegte den zweiten Platz. Ihm wurde von der Jury „weltweites Interesse“ prognostiziert. Vor allem in der sich anschließenden Präsentation vollendeter Projekte wird der tatsächliche Nutzen einer solchen Veranstal-tung greifbar. Immerhin die Hälfte der im letzten Jahr gepitch-ten Projekte wurde fertiggestellt. Dabei hatten die Macher der vier gezeigten Filme jeweils Produktionsfirma, Kameramann oder Kontakte zu Sponsoren, Kinos, Festivals im Anschluss an ihre MDM-Pitchings gefunden. Es bleibt für alle Beteiligten zu hoffen, dass in diesem Jahr ähnlich produktive Kontakte ent-standen sind. n

Impressum

MuKJournal Nr. 7, Sommersemester �007

HerausgeberHallisches Institut für Medien/Halle Institute of Media (HIM) an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg e. V.Prof. Dr. Reinhold Viehoff (Vorsitzender)

Redaktion dieser AusgabeDr. Ingrid Brück (verantw.)Josefine Alarich, Katja Berg, Florian Handlos, Nancy Hubl, Rebecca Kalisch, Corinna Krüger, Ulrich Künzel, Martin Löwe, Sissy Metschke, Markus Minning, Yvonne Peters, Cynthia Ruttkowski, Nico Reiher, David Schieferdecker, Katharina Schultz, Claudia Uhlig, Alexander, Ulrich, Stephan Weidling.

Weitere AutorinnenUlrike Schwab, Yvonne Tscherning

LayoutClaudia Fiedler, Jessica Quick

BildnachweiseJessen Mordhorst (Titelseite, S. 7), Uta Tinte-mann (S. 4, S. �8, S. �9), AEU Damaskus (S. 5), Die Verschworenen, DFF �97� (S. 6), Stephan Weidling (S. 8), Markus Minning (S. 9), www.photocase.de: Pünktchen (S. 9), Yvonne Peters (S. ��, S. ��), privat Björn Hoffmann (S. �4), www.photocase.de: sam7 (S. �5), Screenshot Manja Rothe (S. �6), Maria Urban (S. �7), MDR SPUTNIK (S. �8), Sissy Metzschke (S. �9), www.photocase.de: spacejunkie (S. ��) privat Yvonne Tscherning (S. ��) MotionWorks (S. �4/�5), Claudia Fiedler (S. �6, S. �6), Luxu-ryDogs e. K., Hamburg (S. �7), www.photocase.de: rapunzln (S. ��), www.photocase.de: channelsurfer (S. ��), Screenshot Projekt Sonja Heitmann (S. �4), forward�business (S. �8)

GrafikenMaik Lochmann (S. ��), Sven Gutzeit (S. ��), DMGDW-Gmbh, Hamburg (S. �9), Claudia Fiedler (S. �6)

AnzeigenkontaktDr. Ingrid BrückTel.: (0�45) 55��57�E-Mail: [email protected]

DruckDruckerei Franke Rapsweg �9 06��6 HalleAuflage: 600

RedaktionsanschriftMartin-Luther-Universität Halle-WittenbergInstitut für Medien, Kommunikation & Sport, Dept. Medien- und Kommunikationswissen-schaftenMMZ, Mansfelder Str. 56, 06�08 Halle (Saale)Postanschrift: 06099 Halle (Saale)E-Mail: [email protected]

Die nächste Ausgabe erscheint im Wintersemester 2007/08.

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nGeschehen

Exkurs in die mediale Welt von morgenBericht vom forward2business Zukunftskongress

Von Alexander Ulrich

Wie wird wohl unser Leben in zehn Jahren aussehen? Werden wir bereits beim morgendlichen Zähneputzen unsere interes-senspezifischen Nachrichten und aktuellen Termine im Spiegel abrufen können? Werden Computer mit intelligenter Software zu unseren stetigen Begleitern und vielleicht sogar zu unseren besten Freunden? Nicht nur auf diese Fragen gab es beim sechsten forward2business Zukunftskongress am ��. und �4. Juni �007 auf der Burg Giebichenstein mögliche Antworten. Der Kongressleiter Sven Gábor Jánsky lud zum so genannten „Kreativ-ThinkTank“ rund �00 Manager und Zukunftsforscher ein, um über das Leben im Jahre �0�7 und die daraus ent-stehenden Geschäftsmodelle für Marketing und Medien zu debattieren. Allein das Studieren der Teilnehmer- und Referentenliste konnte einen debütierenden Kongressteilnehmer leicht ein-schüchtern. Darunter waren u. a. Prof. Dr. Bodo Urban (Instituts-leiter der Frauenhofer IGD Ro-stock), Prof. Koji Ueda (Direktor des japanischen Kulturinstituts), Matthias Hartmann (Chef von IBM-Deutschland) und Alexan-der Duphorn (MTV Vice-Prä-sident). Schauplatz der Veran-staltung war der burginterne Rosengarten, dessen helle und freundliche Aufmachung an eine Raffaello-Werbung erinnerte. Als erheiternde Begrüßungsüber-raschung durfte man sich ein sommerliches Kleidungsstück von der Wäscheleine aussuchen, welches von NewYorker ge-sponsert wurde. In zwei großen Zelten wurden die Panels (Vor-träge) und Diskussionsrunden teilweise parallel durchgeführt, so dass man sich für bestimmte Themen entscheiden musste.Im Mittelpunkt der Zukunftsdebatten stand die zunehmende Vermischung von realer und virtueller Welt. Eines der interes-santen Schwerpunktthemen der beiden Tage war die Prognose eines grundlegenden Wandels der Medienlandschaft, speziell die des Fernsehens. Das Schlagwort lautete hierbei IPTV (In-ternet-Fernsehen), dessen Besonderheit in der Interaktion mit dem Sender besteht. Zudem werden die Zuschauer in naher Zukunft nicht mehr an feste Programmzeiten gebunden sein, sondern können sich diese nach Belieben aussuchen. Ein wei-teres Zukunftsszenario wurde mit adaptierten „Avataren“ aus dem virtuellen Spiel „Second Life“ ausgemalt. Diese stellte man sich als intelligente, virtuelle und individuelle Alltags-begleiter vor, die einen beispielsweise an Termine erinnern, einem zur passenden Zeit die Lieblingsmusik einspielen und

einen beim Shoppen beraten oder sogar ganz allein für uns einkaufen „gehen“.Die demographischen Veränderungen in Deutschland wurden ebenfalls thematisiert und man diskutierte die Frage, wie man in einer alternden Gesellschaft ältere Menschen in kreative Ar-beitsprozesse einbinden könne.Der aktuelle Trend der „Social Networks“ wird in Zukunft im-mer mehr an Bedeutung gewinnen, da soziale und emotionale Komponenten immer mehr Einzug in die Onlinewelten halten. Die User von morgen bestimmen und entwickeln Produkte mit, so dass sich Entwicklungsprozesse nicht mehr ausschließlich in den Labors der Firmen abspielen werden. Zukunftsorientierte Personen und Unternehmen spielten be-reits am Abend des ersten Kongresstages eine große Rolle.

Auf der Terrasse des MMZs wur-den die alljährlichen „Visions for Leadership Awards“ vor den Teilnehmern und wichtigen Ver-tretern aus Politik und Medien verliehen. Mit der flammenähn-lichen Glasskulptur ehrte man Visionäre des digitalen Umbaus der Entertainmentbranche, deren Geschäftsmodelle die Entwick-lung in dem Bereich befördert haben. Die diesjährigen Preis-träger waren die Sängerin Lily Allen (innovativstes Geschäfts-modell zwischen Künstlern und Fans), das ZDF (innovativstes Zukunftsprojekt in den Medien) und das amerikanische Unter-

nehmen LindenLab (innovativste technologische Entwicklung), deren „Second Life“-Erfinder Philip Rosedale live zugeschaltet sein sollte, jedoch aus privaten Gründen verhindert war.Neben den Panels fand am zweiten Kongresstag ein so ge-nannter „elevator pitch“ statt, bei dem sich Jungunternehmer mit ihren innovativen Ideen vor einer Expertenjury innerhalb von drei Minuten beweisen durften. Dem Gewinner winkte an-statt Geld oder Sachpreisen ein exklusives Treffen mit einem Unternehmer aus dem forward2business-Netzwerk seiner Wahl. Auf dem Kongress konnte man sich vielfältige Anre-gungen holen und einen Überblick über die aktuellen Trends und deren Auswirkungen verschaffen. Auch wenn man sich die zwei Tage lang „nur als Student“ mit einer kleinen journa-listischen Aufgabe versehen sah, verspürte man im Anschluss große Lust, sich selbst vielleicht in ein paar Jahren mal mit einer innovativen Idee präsentieren zu dürfen. An einem Kon-zept kann man ja jetzt schon feilen… n

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Leip

zig

Termine für das Wintersemester �007/08Tagungen, Festivals und Preisverleihungen im Raum

Mitteldeutschland und Berlin

Deutscher Fachjournalisten-Kongress05.10.2007, Hotel Steigenberger Berlin

Zu den Referenten und Moderatoren in diesem Jahr zählen unter anderem Nikolaus

Brender (Chefredakteur ZDF), Jörg Harzem (Chefredakteur N24) und Jochen Wegner

(Chefredakteur Focus). Im Mittelpunkt stehen Presserecht, Bürgerjournalismus, Wirtschafts-

journalismus und Public Relations. www.dfjk.de

DDK 07 25.10.2007, Berlin

Auf der 6. Deutschen Designkonferenz setzen sich Unternehmen, Gestalter und

Wissenschaftler mit den Folgen der Beschleu-nigung auf den Designprozess, die Produkt-

entwicklung und Kundenkommunikation auseinander und geben Ausblicke auf

zukünftige Entwicklung.www.deutsche-designkonferenz.de

YDMI26.10.2007 — 27.10.2007, Berlin

YDMI ist die erste europäische Recruiting- und Akquisemesse für die Designszene. Young Professionals, etablierte Designbüros und

designorientierte Unternehmen haben die Möglichkeit, innerhalb der Messe erste Kon-

takte zu knüpfen und sich auszutauschen.www.ydmi.de

Presseball Berlin12.01.2008, Maritim Hotel Berlin

Der Presseball Berlin ist mit seiner 130-jäh-rigen Tradition eines der wichtigsten gesell-schaftlichen Ereignisse des Jahres. Gastland

ist im Jahr 2008 Israel, das unter dem Motto „Shalom Israel“ seinen 60. Unabhängig-

keitstag feiern wird. www.presseball.de

Berlinale — Internationale Filmfestspiele07.02.2008 — 17.02.2008, Berlin

Die Berlinale ist Berlins größtes Kulturereignis und eines der wichtigsten Events der

internationalen Filmindustrie. www.berlinale.de

Fernsehmesse Sachsen 2007 19.10.2007 — 20.10.2007,

Neues Rathaus LeipzigBei der Fernsehmesse Sachsen geht es

um die öffentliche Präsentation eigener Fernsehproduktionen von Messeteilneh-

mern, und um Workshops mit aktuellen, wichtigen Themen

zur Fernsehproduktion.www.slm-online.de

Designers Open 26.10.2007 — 28.10.2007, Leipzig

Das Designers Open ist eine Ausstellung für zeitgenössisches Design, die sich an

Fachpublikum, Medienleute und Designorientierte wendet. Sie findet

zum dritten Mal in Leipzig statt, in diesem Jahr in der imposanten Kulisse des ehemaligen Kaufhauses am Brühl.

www.designersopen.de

9. backup festival. neue medien im film18.10. — 21.10.2007, Weimar

Backup ist ein Festival für Film- und Videoprodukti-onen, die unter Verwendung digitaler Werkzeuge entwickelt werden – eine Bestandsaufnahme im

Bereich der Neuen Medien.www.backup-festival.de

Die Deutsche Presseakademie Berlin und die Berliner Journalistenschule bieten laufend professionelle Seminare

und Workshops zu den Themengebieten PR, Kommunikation und Pressearbeit an.

www.depak.de und www.berliner-journalisten-schule.de

Die Medienanstalt Sachsen-Anhalt vermittelt Bürgern Medienkompetenz in

diversen Workshops.www.lra.de

Regelmäßige Seminare und Workshops zu den Bereichen Aufnahme, Postpro-duktion und digitale Bildbearbeitung

sowie zu film- und medientheoretischen Themen veranstaltet die Werkleitz

Gesellschaft in Halle.www.werkleitz.de

Radio Corax bietet von Zeit zu Zeit Radioworkshops an.www.radiocorax.de

Einen stets aktuellen Überblick zu Terminen aus den Bereichen Wirt-

schaft und Medien bietet der Medienkalender.de.

www.medienkalender.de

Halle

Die Macht der Sprache im Bild26.09.2007 — 15.01.2008,

Franckesche Stiftungen Fotoausstellung des Goethe-Instituts.

Die Ausstellung zeigt die Ergebnisse eines internationalen Fotowettbewerbs, in dem

versucht wurde „die Macht der Sprache“ in einem Foto einzufangen –

ganz ohne Worte.www.kulturfalter.de

Comic-Ausstellung23.10.2007 — 06.01.2008,

Kunstforum HalleGezeigt werden Werke von Lyonel Feininger

und die Kunst der Manga-Comics. Die Ausstellung und dazugehöriges Programm

finden in Zusammenarbeit mit der Burg Giebichenstein statt.

www.kunstforum-halle.de, www.burg-halle.de

Zusammengestellt von Alexander Ulrich und David Schieferdecker

Weimar

Berlin

Seminare, Workshops,

Gesprächsrunden

Page 40: SS 2007 n Heft 7 · trolliert, einen Hausbesuch gemacht, den Einfluss von Sofa und Kaffee auf den Lernerfolg reflektiert und anderes mehr. Unsere Reporter waren zudem – na klar

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