Stabwechsel mit Stil - Deutsche Bank Privatkunden · 010_results_02-2015 10 26.05.15 11:38. Video...

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Management _Nachfolge Deutsche Bank_results Stabwechsel mit Stil Irgendwann steht jedes Familienunternehmen vor der Frage nach der Nachfolge. Was muss passieren, damit der Generationswechsel wirklich gelingt? results zeigt Unternehmer, die ihre Nachfolge von langer Hand geplant und erfolgreich umgesetzt haben

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Stabwechsel mit StilIrgendwann steht jedes Familienunternehmen vor der Frage nach der Nachfolge. Was muss passieren, damit der Generationswechsel wirklich gelingt? results zeigt Unternehmer, die ihre Nachfolge von langer Hand geplant und erfolgreich umgesetzt haben

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L ässt sich so etwas Großes überhaupt in

zwei Wörter packen? Die Suche nach dem

Nachfolger, ein Thema, das Bücher füllt und

Berater beschäftigt? Das viele Familienunterneh-

mer über Jahre umtreibt wie nur wenig anderes?

Vielleicht schon. Hier also zunächst die Kurzform:

Das Wichtigste, sagt Jürgen Roggemann, Senior

beim gleichnamigen Bremer Holzgroßhändler, sei

„Stress vermeiden“. Und damit, so klingt es, ist das

ganze Thema fast schon abgehandelt.

Aber nur fast. Tatsächlich hat sich der heute

!"-Jährige ein volles Jahrzehnt Zeit genommen, um

die Übergabe an seinen Sohn Max gut und mög-

lichst entspannt zu regeln. Roggemann, ein wachs-

tumsstarker und innovativer Holzgroßhändler, be-

liefert über bundesweit neun Standorte Handwerk,

Handel und Industrie. „Ich hatte nie die Erwartung,

dass meine Kinder die Firma zwingend weiterfüh-

ren müssen“, sagt der Senior. Denn: „Wir besitzen

die Firma, aber die Firma besitzt nicht uns.“ Drei

erwachsene und erfolgreiche Söhne hat der Senior,

und wenn, dann sollte nur einer das Unternehmen

übernehmen. „Erfahrungsgemäß führen mehrere

Kinder in der Firma leicht zu Ärger, auch wenn

es zunächst nicht danach aussieht“, sagt er. Und

so hat erst mal jedes Kind seinen Weg selbst su-

chen können. Übernommen hat das Unternehmen

schließlich der Jüngste, die anderen beiden Söhne

sind als Führungskräfte auch so erfolgreich.

„Ohne Stress und Druck“ hat Roggemann senior

die Nachfolge geregelt. Zentrale Voraussetzung:

ThesenÜbergabe: In mehr als !"" """

deutschen Unternehmen steht ein

Generationswechsel an – und

viele Inhaber kümmern sich nicht

rechtzeitig um ihre Nachfolge.

Planung: Wenn Sohn oder Tochter

ins Unternehmen kommen, ist recht-

zeitige Planung wichtig. Ohne Zwang,

aber so früh wie möglich sollten

Entscheidungen vorbereitet werden.

Prozess: Der Chefwechsel sollte kein

Sprung ins kalte Wasser sein. Erfolg-

reiche Unternehmer sorgen dafür, dass

der Nachwuchs sich schrittweise an

die Temperatur gewöhnt.

Kommt Zeit, kommt Nachfolger: Jürgen Roggemann nahm sich ein Jahrzehnt, um seinen Sohn Max vorzubereiten

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Der Junior bekommt möglichst früh die Chan-

ce, sich auf eigenem Feld zu beweisen. Schon mit

!"#Jahren steigt er in die Geschäftsführung einer

neu gekauften Tochterfi rma ein und bleibt dort

für fünf Jahre. „Abseits vom Radar der elterlichen

Zentrale“, wie er es nennt, kann sich Max im westfä-

lischen Coesfeld beruflich entwickeln und die neue

Tochterfi rma mit ihm. „Man muss seinen Nachfol-

ger Unternehmer sein lassen“, sagt der Vater.

Er lässt. Erst nach fünf Jahren wechselt Max in

die Zentrale und damit zum Vater nach Bremen.

Coesfeld, keine Frage, war eine Art Testlauf für Va-

ter und Sohn. „In der Zeit hab’ ich gemerkt, dass

der Max das stemmt“, sagt der Senior heute. Doch

auch in der Zentrale geht der Junior nicht gleich

ans Ruder. Erst übernimmt er die Leitung des Au-

ßendienstes, danach die Sanierung einer weiteren

Tochterfi rma. Langsam, Jahr um Jahr, gibt der Vater

Arbeit und Verantwortung ab an den Sohn. Genau-

estens wird defi niert, wer in der Übergangsphase

für welche Tochterfi rma zuständig ist. Mehr noch:

Der Vater schreibt eine Geschäftsordnung, in der

alle Zuständigkeiten und Berichtspfl ichten zwi-

schen den beiden verteilt sind. „Das hättest du mir

aber sagen müssen“ – dieser Satz ist zwischen den

Roggemanns bis heute nicht gefallen.

!$%" überträgt der Vater das Gros seiner Anteile

an die Söhne, ab da wird nichts mehr ohne Max ent-

schieden. Und weil beim Wechsel der Generationen

auch Symbole wichtig sind, zieht im Sommer !$%&

der Sohn in das Chefzimmer des Vaters. Ab da hat

er fast die gesamte Verantwortung des Seniors auf

dem eigenen Tisch, der Vater sieht sich heute „nur

noch als Beobachter und Außenminister“.

Wenn eine Familie alle Anteile hält, mag eine

Nachfolge noch vergleichsweise einfach sein. Was

aber tun, wenn der geschäftsführende Gesellschaf-

ter nur einen Teil der Anteile hält und sich über alle

wesentlichen Fragen abstimmen muss? Und den-

noch frühzeitig die Weichen stellen möchte? So

geschehen bei Karl Spanner, geschäftsführender

Gesellschafter und Senior der Karlsruher Physik

Instrumente.

Das Unternehmen ist weltweit führend in der

„Nano-Positionierung“. Die Karlsruher Physiker

entwerfen und bauen Hightech-Maschinen, mit

deren Hilfe Objekte jeder Art auf den tausendstel

Millimeter genau positioniert werden – etwa Lin-

sen von Tele skopen oder Bauteile für die Halbleiter-

industrie. Spanner junior wusste schon mit !$, dass

er irgendwann ins vom Vater geführte Unterneh-

men wollte. Nach dem Studium ging er erst mal

andere Arbeitswelten kennenlernen und als Vor-

standsassistent zur MAN. Und dann nach Japan. Der

Vater hielt ihn derweil auf dem Laufenden.

Als Markus dann !$$' ins Unternehmen kommt,

übernimmt er zunächst die Leitung des Control-

lings. Im April !$%! entsteht eine eigene „Nach folge-

Geschäftsführung“. Der Sohn wird kaufmänni-

scher Leiter und zusammen mit zwei langjährigen

Führungskräften Teil eines gleichberechtigten

Leitungsteams. Er ist damit im klassischen Sinne

nicht der Nachfolger. Karl Spanner sieht das Team

als seinen Nachfolger. Dass sein Sohn ein wichtiger

Teil davon ist, gehört für ihn dazu. Noch bleibt der

Vater Vorsitzender der Geschäftsleitung. Stück für

Stück hat er die Verantwortung für alle Kernberei-

che abgegeben. Und auch aus dem Tagesgeschäft

hält sich Karl Spanner raus. Von Karlsruhe ist er

weggezogen, so kommt er erst gar nicht in Versu-

chung, noch täglich ins Büro zu schauen.

Die richtige und planvolle Übergabe in Familien-

unternehmen ist ein Thema von gesellschaft-

licher Dimension. Allein zwischen !$%& und !$%(

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Physik Instrumente: TeamführungHat sich das Ding jetzt bewegt oder nicht? Wenn die Geräte der Karlsruher Physik

Instrumente zum Einsatz kommen, sieht man das fast nie. Denn das Unternehmen

produziert Maschinen für die „Nano-Positionierung“. Dabei werden Bauteile derart präzise

bewegt, dass das menschliche Auge dies nicht mehr erkennt. Mit solchen kleinsten

Bewegungen schaffte das von Karl Spanner ($%, &. von links) geleitete Unternehmen große

Sprünge in den Weltmarkt. Sohn Markus ('$, &. von rechts) ist als kaufmännischer Leiter

inzwischen mit dabei – als Mitglied in einem vierköpfi gen Führungsteam.

Spaß, nicht ZwangNachfolger sollten sich nicht ver-

pfl ichtet fühlen, meinen Eltern – und

die Nachfolger selbst fi nden, sie sollten

zunächst unten anfangen. Ergebnisse

einer Umfrage der Zeppelin Universität:

Was die Eltern von ihren Kindern erwarten

Beruf fi nden, der ihnen Spaß macht

!"#! $" %

Nachfolge übernehmen

Wie Kinder (#& bis '$) aus Familien unter-nehmen die Nachfolge sehen

Nachfolger sollten aus der Familie stammen

Es sollte nur einen Nachfolger geben

$& %

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Kinder sollten gleiche Firmenanteile erhalten

Kinder sollten ganz unten im Unternehmen anfangen

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steht in bundesweit über !"# ### Betrieben der

Generationswechsel an, hat das Bonner Institut

für Mittelstandsforschung (IfM) unlängst errech-

net – Tendenz steigend. Und es ist alles andere als

selbstverständlich, dass der Generationswechsel

von den Beteiligten gut gemanagt wird. Jeder drit-

te Unternehmensübergang scheitert, schätzt der

Kölner Nachfolgeberater Christoph Achenbach.

Und, auch das eine Realität: Nicht wenige regeln

ihre Nachfolge nur, weil sie aufgescheucht wurden

durch die drohende Neuregelung der Erbschaft-

steuer und ihre Anteile zuvor noch an die Kinder

übertragen (siehe Interview Seite !$).

Auch für die kreditgebenden Banken ist die

Nachfolge „als Thema hochrelevant“, sagt Peter

Bertling, Regionsleiter bei der Deutschen Bank in

Mannheim. „Wir erleben immer wieder, dass sich

Unternehmer viel zu spät um eine angemessene

Nachfolge kümmern.“ Das verschlechtert das Ra-

ting, kann zu höheren Kreditkosten führen und

letztlich „die Existenz gefährden“, so Bertling.

Deshalb sehen Kreditgeber auch sehr genau auf

die Qualität der angestellten Führungsebene. Ist

die operative Fortführung etwa bei einem plötz-

lichen Todesfall gewährleistet, oder ist der Laden

eine One-Man-Show, in der nur einer das Sagen hat:

der Senior, der Allmächtige?

Übergabeprozess als „Powerphase“Gerade dann zeigt sich, wie überlebenswichtig gute angestellte Führungskräfte auch in inhaber-geführten Familienunternehmen sind. Die Osna-brücker Unternehmerin Andrea Gallenkamp sollte dies auf tragische Weise selbst erfahren. Denn als vor über !$ Jahren ihr Mann fast von einem Tag auf den anderen für immer schwer erkrankte, muss-te sie den Laden schmeißen – zusammen mit ei-nem erfahrenen Führungsteam. So überstand die Logistik gruppe Nosta nicht nur den plötzlichen Ausfall ihres Chefs und Gründers, sie entwickel-te sich auch höchst erfolgreich weiter. Längst ist der "#-jährige Nicolas Gallenkamp im Unter-nehmen mit dabei, allein verantwortlich für

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Nosta Group: Neue Aufgaben gesucht Zwei Nachfolgen in weniger als #$ Jahren erfolgreich zu bewältigen ist auch keine

alltägliche Herausforderung. Beim Osnabrücker Logistiker Nosta Group ist genau dies

passiert. Von einem Tag auf den anderen musste Andrea Gallenkamp (heute #$) ihren

schwersterkrankten Ehemann im Betrieb ersetzen. Es gelang ihr mit Bravour. Inzwischen

ist die Nachfolge an Sohn Nicolas (%&) aufgegleist. Als der Junior begann, suchte er sich

erst mal Aufgaben, die in den Wachstumsjahren vernachlässigt worden waren. So konnte

er sich beweisen. Und Stück für Stück ins Unternehmen wachsen.

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Marketing, HR, Strategie und Strukturen. Der Prozess der Nachfolge von der Mutter auf den Sohn läuft.

Und das nicht erst seit gestern: Dem elter-

lichen Betrieb fühlt sich Nicolas von Anfang an

verbunden, „im Unternehmen rumgeturnt“ ist

er bereits als Kind. „Irgendwie war schon immer

klar, dass ich in unseren Betrieb einsteige“, sagt

Nicolas. Kunstgeschichte statt Business-Manage-

ment? Niemand hätte es ihm verübelt. „Die Mut-

ter“, sagt er, „hat nie Druck gemacht, es gab keine

Erwartungshaltung.“

Nach dem Abi arbeitet er erst mal neun Mona-

te an der Verladerampe. Jahre später, nach dem

Studium, startet er als Assistent der Gallenkamp-

Geschäftsführung. Das bringt einen guten ersten

Überblick. Und Nicolas greift sich Aufgaben, die

im schnellen Wachstum oft liegen bleiben: Er im-

plementiert ein zentrales Marketing, renoviert die

CI, setzt den Vertrieb neu auf. Sein Ziel: das Unter-

nehmen auf allen relevanten Märkten attraktiver

machen. Gallenkamp junior kann sich eigenver-

antwortlich auf selbstgewählten, fest defi nierten

Feldern beweisen. Das ist entscheidend, doch

selbstverständlich ist das nicht. Er selbst kennt

Fälle, „wo die Väter noch immer den König spie-

len“. Ergebnis: Der Junior hat keine Chance.

Ein gleitender Übergang ist für die Familien

Spanner und Gallenkamp einer der zentralen Er-

folgsfaktoren für die gelungene Nachfolge. Und

gerade diesen Übergang, in dem sich ja zumindest

vor über gehend die Führungskraft verdoppelt,

sieht Professor Reinhard Prügl vom Friedrichs-

hafener Institut für Familienunternehmen als re-

gelrechte „Powerphase“.

Dies bestätigt auch eine Studie seiner Universi-

tät. Ergebnis: Durch den schrittweisen Einzug der

Nachfolgegeneration ins Unternehmen nehmen

die Innovationsaktivitäten dramatisch zu. „Viele

problematisieren die Nachfolge zu stark“, sagt

der Professor, „und übersehen die Riesenchancen

dieser Zeit.“ In drei Jahren, dann ist die Mutter !",

will Nicolas Gallenkamp in die Geschäftsführung

einziehen, zuvor aber noch schnell einen Master

in Supply Chain Management hinlegen. Stück für

Stück sollen die Aufgaben der Mutter auf den Sohn

übertragen werden. Keine Frage, Nicolas wird das

schaffen. „Auf die sanfte Art“ habe ihn die Mutter

ans Unternehmen herangeführt, sagt Gallenkamp

junior. „Wenn Sie zu irgendwas verdonnert wer-

den“, bestätigt auch Markus Spanner, „dann geht

das schief.“

Beirat hilft bei der NachfolgerwahlDoch ist der Nachwuchs überhaupt geeignet? Un-

ternehmergeist, so viel ist klar, steckt nicht in den

Genen. Eltern können ihren Kindern aber Unter-

nehmertum positiv vorleben, meint etwa die Wis-

senschaftlerin Nadine Schlömer-Laufen vom IfM.

„Wie kommt das eigene Unternehmerleben gegen-

über den Kindern rüber?“, fragt die Mittelstands-

forscherin. „Immer nur Leid, Last und Hast, oder ist

da etwas Spannendes und Positives?“ So kann die

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Roggemann: Alles nach ZeitplanRegelrecht nach Zeitplan lief beim Bremer Holzgroßhändler Roggemann die Übergabe an

den Junior. Der heute $%-jährige Jürgen Roggemann hat das Unternehmen zu einem bundes-

weit präsenten Lieferanten für Baumärkte, Handwerker und Bauzulieferer ausgebaut. Sein

Leitgedanke bei der Übergabe: „Stress vermeiden.“ Und hätte sich im Sohn Max (&') oder in

einem der anderen Kinder kein geeigneter Nachfolger gefunden, wäre dies auch kein Drama

geworden. „Wir besitzen die Firma“, sagt der Senior, „aber die Firma besitzt nicht uns.“

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ältere Generation Werte vorleben – etwa den guten

Umgang mit den Mitarbeitern. „Mein Vater spricht

mit jedem“, erzählt Markus Spanner, „das hat mir

immer imponiert.“ Und in der Lehman-Krise ließ

Spanner senior seine Leute lieber Fenster putzen,

bevor er sie in Kurzarbeit schickte.

Die Frage nach Zeitpunkt und Form der Nach-

folge ist ein hochgradig emotional belastetes The-

ma. Sie konfrontiert jeden Unternehmer mit dem

eigenen Leben, der Lebensleistung und der inneren

Qualität der Familie. Eine Emotionalität, die oft zu

falschen Entscheidungen verleitet, wie es etwa

Professor Prügl vom Institut für Familienunter-

nehmen beobachtet hat. Viele Unternehmer sind

„natürlich emotional stark involviert beim Thema

Nachfolge“. Und deshalb nicht immer objektiv. Das

Bonner Institut für Mittelstandsforschung hat ge-

rade in einer Studie ermittelt, dass sogar das Ge-

schlecht zu einer enormen Verzerrung bei der Wahl

des Nachfolgers führt. Demnach bevorzugen Väter

in drei von vier Fällen ihre Söhne.

Was also tun, um solchen meist unbewussten

Prägungen nicht selbst aufzusitzen? Professor

Prügl rät, die Suche nach dem geeigneten Nach-

folger in professionellere Hände zu legen – etwa

an einen Beirat. Beiräte oder unabhängige Nach-

folgeberater führten fast immer zu einer „Ent-

emotionalisierung und Professionalisierung des

ganzen Suchprozesses“, sagt auch Peter Bertling,

der Mannheimer Deutschbanker und Kenner zahl-

reicher Familienunternehmen.

„Stress vermeiden“, nannte das der Holzgroß-

händler Roggemann. Schon heute ist geregelt, dass

er in fünf Jahren, mit !", alle Stimmrechte in der

Gesellschafterversammlung an die Kinder abtritt.

Und er hat „fest vor, auch mal Fehlentwicklungen

laufen zu lassen“. Das klingt leicht ironisch und

ziemlich lebensklug – kein Stress eben.

STEPHAN SCHLOTE

WEITERE INFORMATIONEN

Siehe auch Buchrezension Seite #"

Wer die Diskussion um die Reform der Erb-

schaftsteuer verfolgt, ist etwas irritiert.

Ausgerechnet ein CDU-Minister präsentiert

Eckpunkte einer Reform, die schärfer

sind als die Vorgaben des Bundesverfas-

sungsgerichts. Verstehen Sie das?

Das hat auch die Familienunternehmen

überrascht, zumal das Bundesverfassungs-

gericht dem Gesetzgeber großen Gestal-

tungsspielraum zugunsten der Familien-

unternehmen zugebilligt hat. Die vom

Bundesfi nanzministerium vorgelegten

Eckpunkte sehen vor, dass bereits ab

einem Übertragungswert von !" Millionen

Euro das Bedürfnis des Unternehmens

auf Verschonung von der Erbschaftsteuer

indivi duell geprüft wird. Nach einer

Hochrechnung des IW Köln wäre es damit

für #$ %"" Familienunternehmen un -

sicher, ob sie noch eine Entlastung von der

Erbschaftsteuer bekommen. In der Grup-

pe der betroffenen Unternehmen arbeiten

$&,' Prozent der Beschäftigten in Fami li en-

unternehmen. Es macht keinen Sinn, in

dieser Königsklasse der Familienunterneh-

men Arbeitsplätze aufs Spiel zu setzen.

Das BVerfG hat die Verschonung des

Betriebsvermögens von der Erbschaft-

steuer ja grundsätzlich bestätigt.

Müssen Familienunternehmen denn

wirklich in so großer Sorge sein?

Ich denke schon, denn große Familien-

unternehmen können nicht mehr sicher mit

der Verschonung des Betriebsvermögens

rechnen. Wenn es die bisherigen Regeln nicht

mehr gäbe, müssten ($ Prozent der Firmen-

inhaber das Unternehmen oder Teile davon

verkaufen, wie eine Untersuchung

des ifo Instituts belegt. Außerdem sehen die

Eckpunkte vor, dass vorhandenes oder

übergehendes Privatvermögen in die Bedürf-

nisprüfung einbezogen wird. Kaum ein

potenzieller Unternehmensnachfolger wird

in Kauf nehmen, dass er sein Privatvermögen

ganz oder teilweise einsetzen muss, um die

Firma in voller Verantwortung weiterführen

zu können. Eine derartige Verpfl ichtung

kommt dem Kauf eines Unternehmens mit

allen Belastungen und Risiken gleich.

Nur zum Verständnis: Beim Betriebsver-

mögen sprechen wir von der Aktivseite der

Bilanz, also von Buchwerten. Niemand

fordert eine Besteuerung des materiellen

oder gar immateriellen Firmenwertes. Das

ist doch eigentlich nicht so schlimm, oder?

Doch, das ist hochproblematisch, denn

die Erbschaftsteuer richtet sich nach dem

Verkehrswert, also einschließlich Goodwill.

Nach dem vereinfachten Ertragswertverfah-

ren werden &" Prozent des Vorsteuerge-

winns eines Jahres derzeit mit dem Faktor

#),! multipliziert, um den Unternehmens-

wert zu berechnen. Bei Zugrundelegung

dieses Verfahrens würde sich in vielen

Fällen ein weit über dem am Markt erzielba-

ren Preis liegender Wert ergeben. Eine

überhöhte Steuerbelastung wäre die Folge.

Würde nicht jeder vernünftige Finanz-

beamte den geforderten Erbschaftsteuer-

betrag langfristig stunden?

So wie die Stundung bisher ausgestaltet ist,

kann sie so gut wie keiner nutzen. Aber selbst

bei einer Änderung sollte die Zukunft der

Unternehmen nicht von der Entscheidung

eines einzelnen Finanzbeamten abhängen.

Glauben Sie nicht, das rüttelt sich doch noch

alles zurecht? Wie ist denn Ihre Prognose?

Das Verfassungsgericht hat dem Gesetzgeber

den Spielraum gegeben, Betriebsvermögen

von der Erbschaftsteuer zu verschonen. Wir

haben Signale, dass die Große Koalition

zusammen mit großen Bundesländern diese

Chance nutzen will. Die Stiftung Familien-

unternehmen hat ein eigenes Lösungsmodell

vorgelegt, das sich eng am Urteil orientiert,

den Schaden für Unternehmen und Volkswirt-

schaft begrenzt und auf positive Resonanz

stößt. Wir stehen aber noch inmitten eines

mühsamen politischen Prozesses, bei dem

sehr viel für unser Land auf dem Spiel steht.

Interview: „Die Erbschaft-steuer gibt Grund zur Sorge“

Rainer Kirchdörfer ist Vorstand der Stiftung Familien-unternehmen, Rechtsanwalt und Honorarprofessor der Universität Witten-Herdecke FO

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