Stadtentwicklung in Deutschland D - lwg-smue.de · Jahre durch Suburbanisierungsprozesse geprägt...

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46 Geographische Rundschau 7–8 | 2012 CLAUS- C. WIEGANDT D eutschland ist seit jeher durch ein relativ ausgewogenes Städtesystem geprägt. Im Gegensatz zu anderen europäischen Län- dern gibt es keine eindeutig dominante Metropole wie etwa Paris in Frankreich oder London in Großbritannien. Berlin ist zwar seit Anfang der 1990er Jahre wieder deutsche Hauptstadt, doch hat sich die Stadt seitdem nicht so dynamisch entwickelt wie nach der Wiedervereinigung prognosti- ziert. In einem föderalen Staat wie der Bundesrepublik übernehmen auch die 15 weiteren Landeshauptstädte sowie die vielen Städte mit dem Sitz von Bundesober- behörden bedeutende politische Aufgaben. Zudem ist es Berlin bisher nicht gelungen, im privatwirtschaft- lichen Sektor an die herausgehobene Stellung vor dem Zweiten Weltkrieg anzuknüpfen. Das Städtesystem in Deutschland, das seine histo- rischen Wurzeln in den zahlreichen Kleinstaaten und Fürstentümer vor der deutschen Reichsgründung 1871 hat, ist durch eine komplexe funktionale Ar- beitsteilung gekennzeichnet. In der Nachkriegszeit hat sich ein Netz von einigen großen Zentren mit einer vielschichtigen sektoralen Funktionsspezialisie- rung herausgebildet (vgl. Blotevogel 2002), bei dem drei wesentliche Funktionsbereiche unterschieden werden können (vgl. BBR 2005): • Zum ersten die ökonomischen und politischen Ent- scheidungs- und Kontrollfunktionen, wobei den Hauptverwaltungen von großen Firmen und den unternehmensbezogenen Dienstleistungen eine zentrale Rolle zukommt; • zum zweiten die Innovations- und Wettbewerbs- funktionen, die sich durch eine hohe Dichte an Wis- senschafts- und Forschungseinrichtungen und das Vorhandensein eines kreativen Milieus auszeich- nen, sowie • zum dritten die Gateway-Funktionen, die eine gute internationale Erreichbarkeit und vielfältige Möglichkeiten für unmittelbare Begegnung, die so genannten face to face-Kontakte, eröffnen. In Deutschland gibt es 68 Großstädte mit mehr als 100 000 Einwohnern, in denen über ein Viertel der Bevölkerung lebt und mehr als ein Drittel der Erwerbs- tätigen beschäftigt sind. Einige dieser Großstädte, übernehmen wichtige Aufgaben aus den drei Funk- tionsbereichen: • Bei den ökonomischen Entscheidungs- und Kon- trollfunktionen profilieren sich einzelne Groß- städte in besonderer Weise – etwa Frankfurt im Finanzwesen, München und Köln in der Versi- cherungsbranche oder Hamburg im Großhandel. Durch die Hauptverwaltungen bedeutsamer inter- nationaler Unternehmen erhalten selbst kleinere Über die Ziele der Städtebaupolitik in Deutschland besteht weit- gehend Einigkeit: Nach dem Stadtentwicklungsbericht 2008 des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) geht es um den sozialen Zusammenhalt in Städten, um die ökologische und ökonomische Tragfähigkeit der urbanen Räume sowie um baukulturelle Qualitäten. Die Realität der deutschen Stadtentwicklung sieht in den letzten Jahren aber anders aus. Die Globalisierung hat zu einer zunehmenden sozial- räumlichen Polarisierung auf allen räumlichen Maßstabsebenen geführt. Stadtentwicklung in Deutschland Trends zur Polarisierung Foto 1: Media Park Köln Fotos: dpa/picture-alliance lizenziert f¨ ur Martin Bißle am 01.03.2017 lizenziert f¨ ur Martin Bißle am 01.03.2017

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CLAUS-C. WIEGANDT

Deutschland ist seit jeher durch ein relativ ausgewogenes Städtesystem geprägt. Im Gegensatz zu anderen europäischen Län-dern gibt es keine eindeutig dominante Metropole wie etwa Paris in Frankreich

oder London in Großbritannien. Berlin ist zwar seit Anfang der 1990er Jahre wieder deutsche Hauptstadt, doch hat sich die Stadt seitdem nicht so dynamisch entwickelt wie nach der Wiedervereinigung prognosti-ziert. In einem föderalen Staat wie der Bundesrepublik übernehmen auch die 15 weiteren Landeshauptstädte sowie die vielen Städte mit dem Sitz von Bundesober-behörden bedeutende politische Aufgaben. Zudem ist es Berlin bisher nicht gelungen, im privatwirtschaft-lichen Sektor an die herausgehobene Stellung vor dem Zweiten Weltkrieg anzuknüpfen.

Das Städtesystem in Deutschland, das seine histo-rischen Wurzeln in den zahlreichen Kleinstaaten und Fürstentümer vor der deutschen Reichsgründung 1871 hat, ist durch eine komplexe funktionale Ar-beitsteilung gekennzeichnet. In der Nachkriegszeit hat sich ein Netz von einigen großen Zentren mit einer vielschichtigen sektoralen Funktionsspezialisie-rung herausgebildet (vgl. Blotevogel 2002), bei dem drei wesentliche Funktionsbereiche unterschieden werden können (vgl. BBR 2005):• Zum ersten die ökonomischen und politischen Ent-

scheidungs- und Kontrollfunktionen, wobei den Hauptverwaltungen von großen Firmen und den unternehmensbezogenen Dienstleistungen eine zentrale Rolle zukommt;

• zum zweiten die Innovations- und Wettbewerbs-funktionen, die sich durch eine hohe Dichte an Wis-senschafts- und Forschungseinrichtungen und das Vorhandensein eines kreativen Milieus auszeich-nen, sowie

• zum dritten die Gateway-Funktionen, die eine gute internationale Erreichbarkeit und vielfältige Möglichkeiten für unmittelbare Begegnung, die so genannten face to face-Kontakte, eröffnen.

In Deutschland gibt es 68 Großstädte mit mehr als 100 000 Einwohnern, in denen über ein Viertel der Bevölkerung lebt und mehr als ein Drittel der Erwerbs-tätigen beschäftigt sind. Einige dieser Großstädte, übernehmen wichtige Aufgaben aus den drei Funk-tionsbereichen:• Bei den ökonomischen Entscheidungs- und Kon-

trollfunktionen profilieren sich einzelne Groß-städte in besonderer Weise – etwa Frankfurt im Finanzwesen, München und Köln in der Versi-cherungsbranche oder Hamburg im Großhandel. Durch die Hauptverwaltungen bedeutsamer inter-nationaler Unternehmen erhalten selbst kleinere

Über die Ziele der Städtebaupolitik in Deutschland besteht weit-gehend Einigkeit: Nach dem Stadtentwicklungsbericht 2008 des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) geht es um den sozialen Zusammenhalt in Städten, um die ökologische und ökonomische Tragfähigkeit der urbanen Räume sowie um baukulturelle Qualitäten. Die Realität der deutschen Stadtentwicklung sieht in den letzten Jahren aber anders aus. Die Globalisierung hat zu einer zunehmenden sozial-räumlichen Polarisierung auf allen räumlichen Maßstabsebenen geführt.

Stadtentwicklung in Deutschland Trends zur Polarisierung

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Stadtentwicklung in Deutschland

Städte wie Wolfsburg mit der Volkswagen AG oder Gütersloh mit dem Bertelsmann-Konzern einen be-sonderen Stellenwert im deutschen Städtesystem. Ostdeutsche Städte haben es in den vergangenen 20 Jahren nach der Wiedervereinigung hingegen selten geschafft, bedeutende privatwirtschaftliche Unternehmen mit Entscheidungs- und Kontroll-funktionen anzusiedeln.

• Bei den Innovations- und Wettbewerbsfunktionen spielen nicht nur die Großstädte, sondern auch die kleineren Universitäts- und Wissenschaftsstädte

eine bedeutende Rolle. Im Wettbewerb zwischen den renommiertesten Hochschulstandorten kön-nen sich auch Städte wie beispielsweise Aachen, Freiburg, Göttingen, Heidelberg, Karlsruhe oder Konstanz auszeichnen.

• Bei den Gateway-Funktionen dominiert Frankfurt mit dem größten internationalen Flughafen. Dies weist auf die Rolle der Stadt als führende Global City in Deutschland hin. In den letzten Jahren ist aber auch der Münchner Flughafen zum zweiten großen internationalen Flughafen ausgebaut worden und

NL

BE

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Berlin

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Cottbus

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Halle/S.

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Nürnberg

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Bielefeld

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Stuttgart

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Saarbrücken

Freiburg i.Br.

Dortmund

Frankfurt/M.

Wachsende und schrumpfende Gemeinden

stark wachsend

wachsendstabil

schrumpfendstark schrumpfend

100 km BBSR Bonn 2011©

Stadt- und GemeindetypGroßstädte

MittelstädteGrößere Kleinstädte

Kleine KleinstädteLandgemeinden

GroßstadtregionenKernstadtErgänzungsgebietzur KernstadtEngerer Pendler-verflechtungsraumWeiterer Pendler-verflechtungsraumGemeinden außerhalb der Großstadtregionen

Datenbasis: Laufende Raum-beobachtung des BBSR, Geometrische Grundlage: BKG,Gemeindeverbände, 31.12.2009

Betrachtete Strukturindikatoren:

Bevölkerungsentwicklung 2004-2009

Gesamtwanderungssaldo 2007/08/09

Arbeitsplatzentwicklung 2004-2009

Arbeitslosenquote 2008/09

Realsteuerkraft 2008/09

Kaufkraft 2008

Abb. 1: Wachsende und schrumpfende Städte in Deutschland

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hat damit die Stellung Münchens im bundesdeut-schen Städtesystem gestärkt. Hamburg hat hier durch seinen Hafen eine besondere Bedeutung.

Prosperierende und schrumpfende Stadtregionen in DeutschlandDas bundesdeutsche Städtesystem hat sich in der Nachkriegszeit sehr dynamisch entwickelt. Bis 1990 war es durch die Teilung Deutschlands über 40 Jahre gespalten und hatte sich in der Bundesrepublik bzw. in der DDR unabhängig voneinander entwickelt. Im Westen hatten sich mit der zunehmend auch inter-nationalen räumlichen Arbeitsteilung bereits früh komplexe und dynamische Austausch- und Verflech-tungsbeziehungen zwischen den Zentren eingestellt, während das ostdeutsche Städtesystem in der zentra-len Verwaltungswirtschaft der DDR eher statisch war. Inzwischen sind die beiden deutschen Städtesysteme aber wieder zusammengewachsen. Heute wird das Städtesystem durch einen deutlichen Gegensatz von wachsenden und schrumpfenden Städten geprägt (vgl. Abb. 1). In einem Gesamtindikator, der die Bevölke-rungs- und Arbeitsplatzentwicklung sowie die wirt-schaftliche Leistungsfähigkeit zusammenfasst, wird das räumliche Nebeneinander von Wachstums- und Schrumpfungsprozessen deutlich. Die Ursachen für diese Prozesse liegen im Strukturwandel der Wirt-schaft, in den weitreichenden Veränderungen des Arbeitsmarkts sowie in einem verschärften und in-zwischen auch internationalen Standortwettbewerb der Städte. Zudem wirkt der demographische Wandel regional unterschiedlich auf städtische Wachstums- und Schrumpfungsprozesse.

In Ostdeutschland finden sich zahlreiche Stadt-regionen und Städte, die in den letzten Jahren durch erhebliche Schrumpfungsprozesse gekennzeichnet sind. Einige periphere Städte haben hier nach der Wiedervereinigung zum Teil dramatische Bedeu-tungsverluste erlebt (etwa Eisenhüttenstadt oder

Hoyerswerda). Gleichzeitig gibt es inzwischen aber auch in Ostdeutschland wachsende Städte. Sie finden sich zum Ersten in einigen suburbanen Räumen. Mar-kant ist etwa die Situation im Umland von Berlin. Zum Zweiten gewinnen in Ostdeutschland auch einzelne Kernstädte wie etwa Dresden oder Leipzig wieder an Bevölkerung.

Im Gegensatz zur ostdeutschen Situation finden sich in weiten Teilen Westdeutschlands noch wach-sende Städte. Prognosen zeigen allerdings, dass sich dies in Zukunft aufgrund des demographischen Wan-dels verändern wird (vgl. den Beitrag Laux in diesem Heft). In altindustrialisierten Regionen wie dem Ruhr-gebiet oder dem Saarland, aber auch in einigen Küsten-regionen gibt es im Westen bereits seit einigen Jahren schrumpfende Städte. Wohnungsleerstände und ge-werblich-industrielle Brachflächen sind Kennzeichen dafür. Hier ist der wirtschaftliche Strukturwandel von einer Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft viel-fach mit Arbeitsplatzverlusten und erheblichen Ab-wanderungen verbunden.

In Abb. 2 ist die absolute Veränderung der Bevöl-kerung für ausgewählte Großstädte dargestellt (vgl. Goeddecke-Stellmann 2011). In den letzten zehn Jahren verzeichnen vor allem westdeutsche Großstädte über 500 000 Einwohner einen hohen absoluten Zuwachs. In diesem Zusammenhang ist bereits von einer Renais-sance der Innenstädte die Rede (vgl. Osterhage 2010). Dies gilt jedoch nicht für alle Städte in Deutschland. So zeigt die Abbildung auch, dass es vor allem in den altindustriellen Regionen von Nordrhein-Westfalen Städte mit deutlichen Einwohnerverlusten gibt. Unter-schiede zwischen West und Ost, Nord und Süd oder auch Stadt und Land lassen sich also bei der Polarität zwischen wachsenden und schrumpfenden Städten identifizieren. Sie sind aber heute kein durchgängiges Muster. Jüngere Forschungsansätze, die die Eigenlogik der Städte betonen (vgl. Löw 2008), bieten hier Erklä-rungsmöglichkeiten, die an der Spezifik der einzelnen Städte ansetzen.

-4,0%-4,5%

-6,8%-6,3%-4,4%-6,4%

-6,7%-11,7%

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3,2%1,5%

3,1%1,2%

9,0%9,3%

Abb. 2: Städte mit der höchsten ab-soluten Bevölke-rungsveränderung 2000 bis 2009 (Top 10)Datenbasis: Arbeitsgemein-schaft Kommunalstatistik KOSTAT, eigene Berechnungen des BBSR

MünchenDresden

BerlinKöln

HamburgFrankfurt

DüsseldorfMainz

NürnbergFreiburg i.Br.

HerneBochumGeraHagenHalleWuppertalChemnitzGelsenkirchenDuisburgEssen

BevölkerungsgewinnBevölkerungsverlust

–20.000 0 20.000 40.000 60.000 80.000 100.000 120.000

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Stadtentwicklung in Deutschland

Veränderungen auf der stadtregionalen Ebene

Die Stadtentwicklung war in Deutschland über viele Jahre durch Suburbanisierungsprozesse geprägt (vgl. Heineberg 2006). Steigende Flächenansprüche und hohe Bodenpreise waren in Westdeutschland seit den frühen 1960er Jahren die beiden wesentlichen Trieb-kräfte, die zu „Stadtflucht“ und neuen Wohnstand-orten der Bevölkerung im Umland der Kernstädte ge-führt haben. Die massenhafte Verbreitung des Autos hat diesen Trend in Westdeutschland befördert. Als die Flächen in den Kernstädten knapp wurden, die gute Erreichbarkeit über die Straße als Standortfak-tor an Bedeutung gewann und die Gemengelagen zu Nutzungskonflikten in den Städten führten, folgten mit zeitlichem Abstand auch Betriebe und Produkti-onsstätten an den Stadtrand. Seit den 1970er Jahren entstanden schließlich große Shopping-Centers und weitere Einzelhandelseinrichtungen auf der grünen Wiese und haben die eigenständige Entwicklung des suburbanen Raums beeinflusst.

In Ostdeutschland hatte die staatlich gelenkte Woh-nungswirtschaft bis zur Wende den Bau von Groß-wohnsiedlungen forciert und eine Suburbansierung

verhindert. Die Betriebe blieben an ihren angestamm-ten Standorten, der Einzelhandel war kaum entwickelt. Hier setzten die Wanderungsprozesse zugunsten der Umlandgemeinden erst nach der Wiedervereinigung ein. Dies geschah in umgekehrter Reihenfolge wie in Westdeutschland. Handelseinrichtungen waren die ersten Ansiedlungen im Umland der Städte, Gewerbe- und Industrief lächen wurden danach ausgewiesen, und die Bevölkerungssuburbanisierung erreichte erst Mitte der 1990er Jahre ihren vollen Umfang. Heute ist das Umland vieler Stadtregionen in Ost- und West-deutschland funktional nicht mehr eindeutig auf die Kernstädte bezogen. Es haben sich neue Siedlungs-bereiche mit eigenen Standortqualitäten im suburba-nen Raum herausgebildet, die zu einer funktionalen Anreicherung mit gewerblichen Angeboten geführt hat (Knapp 2010, S. 10).

So zeichnen sich die Stadtregionen heute durch eine Vielzahl an Zentren aus. Neue Bürokomplexe, großflä-chige Einzelhandelseinrichtungen oder internationale Flughäfen sind oft an den Autobahnkreuzen entstan-den und bilden neue Kristallisationspunkte der Stadt-entwicklung. Es wird von der „Zwischenstadt“ (vgl. Sieverts 1997) oder dem „Archipel der europäischen

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Bevölkerungsentwicklung in der Innenstadt 2000-2009 in %

Die Abb. zeigt die Bevölkerungsentwick-lung in den 96 größten deutschen Städten differenziert nach den beiden Lagetypen Innenstadt und Stadtrand (vgl. Goeddecke-Stellmann 2011). Die Analyse basiert auf einer Auswertung der jeweiligen kommuna-len Statistiken. Ihr liegen in den 96 Städten insgesamt 8 200 Stadtteile zugrunde. Es zeichnet sich ein differenziertes Bild der innerstädtischen Entwicklung zwischen 2000 und 2009 ab. Es gibt einige Städte, die sowohl in der Innenstadt als auch am Stadtrand wachsen (rechter oberer Qua-drant). In dieser Gruppe weisen Potsdam und Dresden ein besonders deutliches Bevölkerungswachstum in der Innenstadt auf. Es gibt aber auch zahlreiche Städte, die sowohl in der Innenstadt als auch am Stadtrand durch Bevölkerungsverluste gekennzeichnet sind (linker unterer Qua-drant). Von besonderem Interesse sind die Städte, die in der Innenstadt wachsen und am Stadtrand Bevölkerung verlieren. Hier kann von einer Renaissance der Innenstädte gesprochen werden. Dazu gehören vor allem ostdeutsche Städte wie etwa Erfurt, Leipzig, Rostock oder Weimar, in denen die Innen-städte attraktive Wohnstandorte bieten und die Wanderung an den Stadtrand gebremst wurde.

Abb. 3: Bevölkerungsentwicklung 2000 bis 2009 nach innerstädtischen Lagetypen

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Eine weitere Polarisierung in den Städten ergibt sich aus der Einkommensungleichheit als Folge des ökonomischen Strukturwandels von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft. Die Schere zwischen einkommensstarken und einkommensschwachen Stadtquartieren ist in den letzten Jahren auseinander gegangen. Die sozioökonomische Segregation nimmt zu. Eine Analyse kommunaler Untersuchungen aus Städten mit mehr als 100 000 Einwohnern zeigt, dass Polarisierungsprozesse unter Schrumpfungsbedin-gungen intensiver verlaufen. So ist es plausibel, dass wohlhabendere Haushalte bei entspannten Woh-nungsmärkten leichter die Chance nutzen können, in milieugleiche Umgebungen umzuziehen und damit zu einer weiteren Polarisierung beizutragen (BMVBS/BBSR 2009, S. 80). Bei angespannten Wohnungsmärk-ten in wachsenden Stadtregionen scheinen die Mög-lichkeiten der Fluktuation zwischen den Wohnungs-teilmärkten geringer zu sein und damit räumliche Polarisierungsprozesse zu erschweren.

In der jüngsten Zeit ist aber auch in einer Stadt wie Köln mit einem angespannten Wohnungsmarkt eine Verschärfung der Polarisierung zu erkennen. Ein Indi-kator ist der Anteil der Transfereinkommensbezieher, der in Köln im Jahr 2009 14 % beträgt. Abb. 4 bringt den Anteil dieser Transfereinkommensbezieher für die 86 Stadtteile in Köln in ein Verhältnis zur Veränderung dieser Bevölkerungsgruppe in den vergangenen fünf Jahren. Vor allem bei den Stadtteilen mit einem relativ geringen Anteil dieser Personen zeigen sich deutliche Veränderungen sowohl nach unten wie nach oben.

Bis in die 1960er Jahre waren deutsche Städte durch eine relativ hohe ethnische Homogenität gekenn-

Stadtregionen“ (Kunzmann 2001, S. 215) gesprochen. In dieser Zwischenstadt haben neue Arbeitsteilungen Auswirkungen auf intraregionale Verflechtungen in den Stadtregionen. Zunehmend werden regionale Lebensweisen im Alltag nicht nur durch Austausch- und Wanderungsbeziehungen zwischen Kernstadt und Umlandgemeinden geprägt. Vielmehr spielen auch benachbarte größere Zentren für die komplexe-ren Austauschbeziehungen bei dem täglichen Berufs- und Ausbildungspendeln bzw. bei Freizeitverkehren sowie Wohnstandortwechseln eine wichtige Rolle. Immer noch steigende Verkehrsbelastungen in den Stadtregionen sind die Folge. Sie stellen eine zentrale Herausforderung dar, zukünftig die ökologische Trag-fähigkeit der urbanen Räume zu verbessern.

Polarisierung innerhalb der StädteDie zunehmende gesellschaftliche Differenzierung zeigt sich nicht nur im nationalen bzw. regionalen Städtesystem Deutschlands, sondern auch in der inneren Struktur der größeren deutschen Städte. Größere Ungleichheiten sind nicht nur zwischen den Städten, sondern auch in den Städten zu beobachten (Häußermann u. a. 2008, S. 182 ff.). Die Folgen sind u. a.• ein ungleiches Wachstum der einzelnen städtischen

Teilräume (vgl. Abb. 3),• eine soziale und ethnische Segregation, also die

ungleiche Verteilung von Bevölkerung im Stadtge-biet nach Einkommen und Herkunft (vgl. Abb. 4),

• sowie die Herausbildung von Stadtquartieren mit neuen Qualitäten.

0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35%-70%

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Entwicklung2005-2009

Anteil der Personen in Bedarfsgemeinschaften nach SGB II(Der Stadtteil Libur ist nicht berücksichtigt)

Köln(gesamt)

Ehrenfeld

Porz Mülheim

Chorweiler

Rodenkirchen

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Altstadt-Nord

Sülz Müngersdorf

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Fühlingen

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Abb. 4: SGB II-Empfänger in 2009 bzw. in der Entwicklung von 2005–2009 in Köln

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Stadtentwicklung in Deutschland

Abb. 5: Sozialräumliche Gliederung Kölns, Stand 2006Quelle: Diercke Weltatlas 2008, S. 72

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zeichnet. Vor allem in westdeutschen Großstädten hat sich dies verändert. Der Anteil der Ausländer beträgt in einigen westdeutschen Großstädten mehr als ein Viertel der Wohnbevölkerung. München und Stutt-gart weisen 2009 mit etwa 23 % ebenso Spitzenwerte auf wie Frankfurt mit rund 21 % (vgl. BBSR 2011). In ostdeutschen Städten ist der Anteil der ausländischen Bevölkerung noch sehr viel geringer. In Leipzig leben etwa 6,2 %, in Dresden knapp 5 % Ausländer. Abb. 5 zeigt exemplarisch für die Millionenstadt Köln die ungleiche Verteilung der ausländischen Bevölkerung im Stadtgebiet. Anteile von über 20 % finden sich vor allem in den dichten innerstädtischen Arbeiterquar-tieren und in den Großwohnsiedlungen der 1960er und 1970er Jahre.

Untersuchungen des Instituts für Landes- und Stadt-entwicklungsforschung haben nachgewiesen, dass eine hohe Korrelation zwischen Ausländern und Beziehern von Transfereinkommen besteht (vgl. ILS 2006). Wei-terhin zeigen diese Studien, dass es unterschiedliche Ausprägungen der Segregation gibt. Köln zeichnet sich etwa im Gegensatz zu Essen durch eine eher punktu-elle Konzentration ethnisch einseitig ausgerichteter Viertel aus. Im Ruhrgebiet gibt es hingegen größere zusammenhängende Bereiche mit einem hohen Aus-länderanteil, weshalb hier auch von f lächenhafter Polarisierung gesprochen wird (vgl. ILS 2006).

Typen von StadtquartierenDie Veränderungen in der Bevölkerungsverteilung, aber auch die Veränderungen in der Verteilung von Unternehmensstandorten haben in den letzten Jah-ren zu unterschiedlichen Typen von innerstädtischen Quartieren geführt. Bei einer solchen Typisierung sind die Innenstädte immer noch an erster Stelle zu nennen, die trotz der Entwicklungen im suburbanen Raum und anderen Teilen der Kernstadt weiterhin den zentralen und bedeutendsten Stadtraum darstellen. Sie weisen die größte Vielfalt an ökonomischen, kulturellen und Verwaltungseinrichtungen auf. Die Innenstädte tragen wesentlich zum Bedeutungsüberschuss der Städte bei. Sie weisen die höchste Dichte und Urbanität auf und verfügen in aller Regel über ein historisches Zentrum, das für die Bewohner wesentliche Identifikationsmo-mente bietet. Gleichzeitig wecken vor allem die Innen-städte das Interesse von Touristen. Ihre Attraktivität ist bei kriegszerstörten Innenstädten auch von der Art und Weise des Wiederaufbaus abhängig.

Zu unterscheiden sind die Innenstädte, die im Zeit-geist der Moderne verkehrsgerecht wiederaufgebaut wurden (etwa Dortmund oder Gießen), von den Innen-städten, in denen die ursprünglichen Stadtgrundrisse weitgehend beibehalten und die Altstädte mehr oder weniger rekonstruiert wurden (etwa München oder Münster). Neben den Innenstädten haben sich in den größeren Städten seit den 1980er Jahren gentrifizierte innenstadtnahe Altbauquartiere herausgebildet, die baulich, funktional, sozial und symbolisch aufgewertet wurden und oft durch eine attraktive Mischnutzung gekennzeichnet sind (vgl. Krajewski 2006). Meist gehen

die Gentrifizierungsprozesse mit einer Verdrängung von einkommensschwächeren Bevölkerungsgruppen einher. Solche Stadtquartiere finden sich sowohl in westdeutschen als auch ostdeutschen Großstädten. Das Glockenbachviertel in München oder das Schan-zenviertel in Hamburg sind Beispiele aus dem Wes-ten, die Dresdner Neustadt oder die Südvorstadt in Leipzig sind Beispiele aus dem Osten, die sich erst seit den 1990er Jahren in einem freien Bodenmarkt ent-wickeln konnten (vgl. Glatter 2007). Solche gentrifi-zierten Quartiere finden sich eher in wachsenden und prospierenden Städten.

Dies gilt auch für einige städtebauliche Großpro-jekte der letzten Jahre (vgl. BMVBS 2011), die meist durch die Reaktivierung innerstädtischer Brach-f lächen entstanden sind. In diesen städtebaulich attraktiven Quartieren siedelten sich expandierende Unternehmen an und schufen Arbeitsplätze für meist Hochqualifizierte. Gleichzeitig zeichnen sich diese Quartiere durch hochwertige Wohnungen und einen interessanten Mix an Einzelhandel, Dienstleistungen und kulturellen Einrichtungen aus. Durch funktionale Vielfalt und baulich gestalterische Qualitäten gewin-nen diese Quartiere ihr positives Image. In Köln gibt es mit dem MediaPark (vgl. Foto 1) und dem Rheinau-hafen gleich zwei anschauliche Beispiele für solche neuen Stadtquartiere, die nacheinander in den 1990er bzw. 2000er Jahren entstanden sind.

Neben gentrifizierten Stadtquartieren und neuen städtebaulichen Großprojekten haben sich seit den 1990er Jahren aber auch sozial benachteiligte Stadt-quartiere herausgebildet (Häußermann u. a. 2008, S. 253 ff.). Es handelt sich meist um innerstädtische oder innenstadtnahe Altbauquartiere sowie Groß-wohnsiedlungen. Sie sind durch die räumliche Kon-zentration von Bevölkerungsgruppen gekennzeichnet, die von Arbeitslosigkeit und Armut betroffen sind und bei denen die Gefahr der gesellschaftlichen Aus-grenzung besteht. In diesen Quartieren gibt es einen hohen Anteil an Nicht-Wählern und Schulabbrechern. Zudem ist die städtebauliche Situation durch infra-strukturelle Defizite sowie Mängel im Wohnumfeld gekennzeichnet.

Fazit: zwei Strategien der StadtpolitikAuf der nationalen Ebene haben Wachstums- und Schrumpfungsprozesse in den letzten Jahren zu einer zunehmenden Polarisierung zwischen den Städten ge-führt. Gleichzeitig sind die Städte selbst heterogener geworden. Neben gentrifizierten Altbauquartieren und revitalisierten Brachflächen mit neuen attrakti-ven Wohnlagen und Arbeitsstätten gibt es zugleich Großwohnsiedlungen der 1960er und 1970er Jahre, innerstädtische Arbeiterviertel und einzelne Quartie-re entlang der großen Ausfallstraßen, in denen sich heute marginalisierte Bevölkerungsgruppen konzen-trieren und soziale Problemlagen kumulieren.

Auf kommunaler Ebene begegnen die Städte den neuen Herausforderungen der Polarisierung ideal-typisch mit zwei Strategien (Heinz 2008, S. 195 ff.), um

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Stadtentwicklung in Deutschland

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bericht. BonnBBSR, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (2011): INKAR,

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SUMMARY

Urban Development in Germany – a Trend towards Polarisation

by Claus-C. Wiegandt

There is a broad consensus about the aims of urban planning policy in Germany. According to the 2008 urban development report of the BM-VBS these aims are social cohesion in cities, the ecological and economic viability of urban spaces and quality in urban design. The reality of urban development in Germany over the last few years, however, does not quite match as globalisation has caused an increasing social-spatial polarisa-tion at all levels of spatial scale.

die ökonomische Tragfähigkeit der urbanen Räume zu sichern und zum sozialen Zusammenhalt in den Städten beizutragen: Zum einen setzen die Städte auf „wettbewerbsorientierte Angebotspolitiken“. Sie versuchen so, ihre kommunale Attraktivität und Standortgunst zu steigern, um wirtschaftlich potente Unternehmen und Bevölkerungsgruppen zum Bleiben oder zur Neuansiedlung zu bewegen. Es geht um die Entwicklung attraktiver Unternehmensstandorte mit einer guten Anbindung in einem städtebaulich ange-nehmen Umfeld. Gesamtstädtisch geht es den Städten dabei um den Ausbau der „weichen“ Standortfaktoren, zu denen u.a. das Image, die Atmosphäre, das bauliche Erscheinungsbild oder auch das kulturelle Angebot ge-hören. Die Förderung herausgehobener Einzelprojekte im Kulturbereich, der „städtebaulichen Leuchttürme“, spielt hier für die Stadtentwicklung eine besondere Rolle.

Zum anderen müssen die Städte eine „bewohner-orientierte Innenpolitik“ betreiben. Darunter wird eine Sozial- und Integrationspolitik verstanden, mit der die negativen Folgen des Globalisierungsprozesses für einen größer werdenden Teil der Bevölkerung abge-federt werden sollen. Es geht um den Umgang mit Ar-beitslosigkeit und Armut sowie die Ausgrenzung und Benachteiligung von Migranten. Diese Bevölkerungs-gruppen konzentrieren sich in bestimmten Stadtquar-tieren. Finanzielle Hilfestellungen konnte hier in den letzten Jahren die Städtebauförderung geben. 1999 wurde in diesem Rahmen bundesweit das Programm „Soziale Stadt“ eingeführt, mit dem die „Abwärtsspi-rale“ in benachteiligten Stadtteilen gestoppt und die Lebensbedingungen vor Ort umfassend verbessert wer-den sollen.

Deutsche Stadtentwicklungspolitik ist in der Nach-kriegszeit auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene durch den Anspruch auf die Gewährleistung des sozialen Zusammenhalts gekennzeichnet (vgl. BMVBS 2009). Städte waren in Deutschland immer auch Orte der sozialen Integration und Inklusion. So ist es eine wichtige Aufgabe der Stadtpolitik, die fortschreitende soziale Polarisierung in den Städten zu überwinden. Problematisch ist es, dass der Bund im letzten Jahr die Finanzmittel in diesem Programm drastisch reduziert hat, ohne dass dies in der allgemeinen Öffentlich-keit bemerkt wurde. Durch solche Kürzungen ist zu befürchten, dass die Polarisierungstendenzen in den Städten zunehmen werden und dies langfristig die soziale Stabilität in der Gesellschaft beeinträchtigen wird. |||

AUTOR

Professor Dr. CLAUS-C. WIEGANDT, geb. [email protected] Institut, Universität Bonn, Meckenheimer Allee 166, 53115 BonnArbeitsgebiete/Forschungsschwerpunkte:Stadt- und Regionalgeographie

lizenziert fur Martin Bißle am 01.03.2017

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