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Stand des Qualitätsmanagements in der Softwareentwicklung
Ergebnisse einer empirischen Untersuchung bei Softwareunternehmen in Deutschland,
deren Qualitätsmanagementsystem nach ISO 9001 zertifiziert wurde
Dirk Stelzer, Werner Mellis, Frank Taube
Erschienen in:Wilhelm Hummeltenberg (Hrsg.): Information Management for Business and CompetitiveIntelligence and Excellence. Proceedings der Frühjahrstagung Wirtschaftsinformatik ‘98.
Wiesbaden 1998, S. 313-326
Kurzfassung
In einer 1997 durchgeführten schriftlichen Befragung wurde der Stand des Qualitätsmanagements
und der kontinuierlichen Verbesserung in den Softwareunternehmen in Deutschland untersucht, die
ihr Qualitätsmanagementsystem nach ISO 9001 hatten zertifizieren lassen. Aus den 119 in die
Stichprobe einbezogenen Unternehmen wurden 90 gültige Fragebögen zurückgesandt. Mehr als
80 % der Befragungsteilnehmer halten die QM-Systeme für erfolgreich. Allerdings haben die durch
das Qualitätsmanagement erzielten Vorteile nur in wenigen Unternehmen zu einer verbesserten
Einhaltung von Zeit- und Kostenplänen oder zu nennenswerten Umsatzerhöhungen geführt.
1 Einleitung 21.1 Problemstellung 21.2 Zielsetzung 21.3 Vorgehensweise 3
2 Beschreibung der teilnehmenden Unternehmen 42.1 Größe der QM-Systeme 42.2 Alter der QM-Systeme 42.3 Befragungsteilnehmer 5
3 Erfolg der QM-Systeme 63.1 Erfolg der QM-Systeme, dargestellt anhand eines einfachen Indikators 63.2 Positive Effekte des Qualitätsmanagements 73.3 Negative Effekte des Qualitätsmanagements 83.4 Messungen im Rahmen der QM-Systeme 93.5 Stand der kontinuierlichen Verbesserung 103.6 Beispiele für Verbesserungen 11
4 Diskussion der Ergebnisse 135 Literatur 16
- 2 -
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
Die ISO 9000-Normenfamilie [DIN, EN, ISO /ISO 9000-1: 1994/] wurde 1987 erstmalig
veröffentlicht. Seit August 1994 ist die korrekte Bezeichnung DIN EN ISO 9000 ff. Zur
Vereinfachung werden im folgenden die kürzeren Bezeichnungen „ISO 9000" und „ISO 9000-
Familie" verwendet. 1991 erhielt das erste reine Softwareunternehmen in Deutschland ein
ISO 9001-Zertifikat für das Qualitätsmanagementsystem (QM-System). Die Zahl der zertifizierten
QM-Systeme in deutschen Softwareunternehmen stieg von 22 im Sommer 1994 [Bellin
/Softwarequalitätsmanagement/ 43], über ca. 250 zum Jahresende 1995 [Ungermann u. a.
/Qualitätsmanagement/ 7] auf mehr als 460 Ende 1996 [Stelzer, Taube /Verbesserung/].
Der Erfolgsbeitrag der ISO 9000-Normenfamilie wird kontrovers diskutiert [Beirne, Panteli,
Ramsay /Process management/; Coster /Case Against ISO 9000/; Ould /CMM and ISO 9001/;
Seddon /Case Against ISO 9000/; Stelzer, Mellis, Herzwurm /Critical Look/]. Über den Nutzen der
Softwareprozeßverbesserung auf der Basis des Capability Maturity Model [Paulk u. a. /CMM
Guidelines/] liegen bereits umfangreiche empirische Studien vor [Goldenson, Herbsleb /Appraisal/;
Hayes, Zubrow /Data/; Herbsleb u. a. /Benefits/]. Vergleichbare Untersuchungen über den Nutzen
des Qualitätsmanagements nach ISO 9000 für Softwareunternehmen gab es bisher nicht. Fundierte
Aussagen über den Beitrag des Qualitätsmanagements zur Erhöhung von Produktqualität,
Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit von Softwareunternehmen waren deshalb nur schwer zu
treffen.
1.2 Zielsetzung
Stelzer und Taube [Stelzer, Taube /Verbesserung/] haben 1997 eine empirische Untersuchung unter
den Softwareunternehmen in Deutschland durchgeführt, deren QM-System nach ISO 9001
zertifiziert worden war. Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Untersuchung soll im folgenden
der Beitrag der ISO 9000 zur Erhöhung von Produktqualität, Produktivität und
Wettbewerbsfähigkeit der Softwareunternehmen diskutiert werden. Im einzelnen werden folgende
Fragen erörtert:
x Wie beurteilen die Befragten den Erfolg der QM-Systeme?
- 3 -
x Welche positiven und negativen Effekte des Qualitätsmanagements haben die Befragten
wahrgenommen?
x Wie ist der Stand der kontinuierlichen Verbesserung in den Softwareunternehmen zu beurteilen?
x Welche Schlußfolgerungen lassen sich daraus für den Beitrag der ISO 9000 zur Erhöhung von
Produktqualität, Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Softwareunternehmen ziehen?
1.3 Vorgehensweise
Die Untersuchung wurde im Frühjahr 1997 durchgeführt. Mit Hilfe der Zertifizierungslisten der bei
der Trägergemeinschaft für Akkreditierung GmbH akkreditierten Zertifizierer wurden insgesamt
462 Softwareunternehmen mit Sitz in Deutschland identifiziert, deren QM-Systeme bis zum
31.12.1996 zertifiziert worden waren. Aus dieser Grundgesamtheit wurden in einer
Stichprobenziehung 119 Unternehmen nach einem Zufallsprinzip ausgewählt. Die
Qualitätsmanagement-Beauftragten in diesen Unternehmen erhielten nach einer telefonischen
Anfrage einen standardisierten Fragebogen.
Der siebenseitige Fragebogen umfaßt 21 Fragen, die in der Regel in mehrere Teilfragen bzw.
Aussagen gegliedert sind. Der Fragebogen ist wiedergegeben in [Stelzer, Taube /Verbesserung/].
Neben Angaben zum Unternehmen und zum Aufgabenbereich des Befragten wurden die
Teilnehmer gebeten, zu insgesamt fast 100 Aussagen Stellung zu nehmen. Der Fragebogen ist so
angelegt, daß die einzelnen Aussagen auf einer fünfwertigen Ordinalskala von „völlige
Zustimmung“ über „teils/teils“ bis „völlige Ablehnung“ bewertet werden müssen (siehe Tabelle 1).
völligeZustimmung
teils/teils
völligeAbleh-nung
keine An-gabe
�
+2
�
+1
�
0
�
-1
�
-2
�
Tab. 1: Im Fragebogen verwendete Antwortskala
Es wurden nur Markierungen der mit +2 oder +1 gekennzeichneten Antwortkästchen als
Zustimmung zu der jeweiligen Aussage gewertet. Ebenso wurden nur Markierungen der mit -1 und
-2 gekennzeichneten Antwortkästchen als Ablehnung der jeweiligen Aussage gewertet.
Markierungen des mit 0 gekennzeichneten Antwortkästchens wurden weder als Zustimmung noch
- 4 -
als Ablehnung gewertet. (Die numerischen Kennzeichnungen der Antwortkästchen waren für die
Befragungsteilnehmer nicht sichtbar.)
90 gültige Fragebögen wurden zurückgeschickt. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 75,6 %.
In den Abschnitten 2 und 3 dieses Beitrags werden ausgewählte Ergebnisse der Untersuchung
dargestellt. In Abschnitt 4 werden die Ergebnisse diskutiert.
2 Beschreibung der teilnehmenden Unternehmen
2.1 Größe der QM-Systeme
In den befragten Unternehmen waren zwischen 6 und 400.000 Mitarbeiter beschäftigt. Die
Antworten der Befragungsteilnehmer beziehen sich in der Regel auf den Geltungsbereich des QM-
Systems, in dem die Befragten arbeiten. Dieser Geltungsbereich umfaßt nicht in allen Fällen das
gesamte Unternehmen. Die Anzahl der Beschäftigten im Geltungsbereich des jeweiligen QM-
Systems variiert bei den antwortenden Unternehmen von 1 bis 3.000 Mitarbeitern. Tabelle 2 gibt
eine Übersicht über die Anzahl der Mitarbeiter im Geltungsbereich der QM-Systeme in den
Unternehmen, die an der Befragung teilgenommen haben.
Größe des Geltungsbereichs der QM-Systeme
klein mittel groß
Beschäftigtenanzahl 1 - 10 11 - 25 26 - 100 101 - 500 über 500 keineAngabe
Anteil (Anzahl) Unternehmen, die in dieseGrößenklasse fallen
7,8%
(7)
14,4%
(13)
32,2%
(29)
30,0%
(27)
10,0%
(9)
5,6%
(5)
Tab. 2: Anzahl der Beschäftigten im Geltungsbereich der QM-Systeme
2.2 Alter der QM-Systeme
16,7 % der befragten Softwareunternehmen sind zum Befragungszeitpunkt (31.03.1997) seit mehr
als drei Jahren im Besitz eines zertifizierten QM-Systems. In rund der Hälfte der Unternehmen
(47,8 %) wurde das QM-System vor mehr als zwei Jahren zertifiziert. Auf die Gruppe der QM-
Systeme, die vor mehr als einem Jahr zertifiziert wurden, entfallen 84,4 %. Nur 15,6 % der
befragten Unternehmen hatten ihr QM-System vor weniger als einem Jahr zertifizieren lassen.
Berücksichtigt man, daß die meisten Unternehmen für den Aufbau des QM-Systems bis zur
- 5 -
Zertifizierung in der Regel ein bis zwei Jahre benötigen [Bellin, Stelzer, Mellis /ISO 9000/ 351;
Griese /ISO 9000/ 583], so kann man feststellen, daß mehr als 80 % der befragten
Softwareunternehmen seit mehreren Jahren Erfahrung mit ihrem QM-System gesammelt haben.
Tabelle 3 gibt eine Übersicht über das Alter der QM-Systeme.
pro Kategorie kumuliert
Alter der QM-
Systeme in Jahren
Anteil
in %
Anzahl Anteil
in %
Anzahl
älter als 4 Jahre 7,8% 7 7,8% 7
3-4 Jahre 8,9% 8 16,7% 15
2-3 Jahre 31,1% 28 47,8% 43
1-2 Jahre 36,7% 33 84,4% 76
bis 1 Jahr 15,6% 14 100,0% 90
Tab. 3: Alter der QM-Systeme
2.3 Befragungsteilnehmer
Die Befragung richtete sich an die Qualitätsbeauftragten der Unternehmen bzw. an Mitglieder der
Unternehmensleitungen. Da jedoch nicht ausgeschlossen werden konnte, daß auch andere Personen
(z. B. Softwareentwickler ohne Führungsaufgaben) den Fragebogen beantworten würden, wurde in
einer offenen Frage der Funktions- bzw. Aufgabenbereich des Antwortenden erfragt. Die Antworten
lassen sich in vier Kategorien aufteilen: Qualitätsmanagement, Geschäftsführung, Abteilungsleitung
und Projektleitung/Softwareentwicklung.
In 57,7 % der Fälle wurde der Fragebogen von einem Qualitätsbeauftragten beantwortet. Die
Bezeichnungen variieren zwar (z. B. Leiter Qualitätsmanagement, Manager Quality Assurance, Unit
Quality Manager, Fachbereichsleiter Quality Engineering u. a.), lassen sich aber eindeutig der
Funktion des Qualitätsbeauftragten zuordnen. Addiert man die 16,7 % der Geschäftsführung
angehörigen Antwortenden hinzu, so wurde der Fragebogen zu knapp Dreiviertel (74,4 %) von der
gewünschten Zielgruppe beantwortet (siehe Tabelle 4).
- 6 -
Anteil in % Anzahl
Qualitätsmanagement57,7% 52
Geschäftsführung 16,7% 15
Abteilungsleitung 16,7% 15
Projektleitung und SW-Entwicklung 8,9% 8
Tab. 4: Funktion bzw. Aufgabenbereich der Befragten
Insgesamt rechnen sich 47,8 % der Personen, die den Fragebogen beantwortet haben, selber dem
obersten Management ihres Unternehmens zu. Der Anteil der Personen, die sich nicht dem obersten
Management zurechnen, liegt nur unwesentlich höher bei 51,1 % (siehe Tabelle 5).
ja nein keine Angabe
Befragter rechnet sich dem obersten Management zu47,8%
(43)
51,1%
(46)
1,1%
(1)
Tab. 5: Hierarchische Position der Befragten
3 Erfolg der QM-Systeme
Die in den folgenden Abschnitten dargestellten Ergebnisse wurden daraufhin untersucht, ob sich die
Antworten der Befragungsteilnehmer je nach Größe des Unternehmens sowie nach Größe des
Geltungsbereichs und Alter des QM-Systems voneinander unterscheiden. Es konnten jedoch keine
signifikanten Unterschiede zwischen den Antworten aus kleinen und großen Unternehmen bzw. aus
kleinen und großen QM-Systemen sowie zwischen jüngeren und älteren QM-Systemen festgestellt
werden.
3.1 Erfolg der QM-Systeme, dargestellt anhand eines einfachen Indikators
Der Erfolg von QM-Systemen kann unterschiedlich bewertet werden [Bruhn /Wirtschaftlichkeit/;
SAQ /Wirtschaftlichkeit/]. Wir haben uns entschieden, zunächst einen einfachen Indikator für den
Erfolg der QM-Systeme zu verwenden, nämlich, ob sich die Befragten mit ihrem Wissen über
Kosten und Nutzen des Qualitätsmanagements zum Befragungszeitpunkt wieder für die Einführung
eines ISO 9000-konformen QM-Systems entscheiden würden.
87,8 % der Befragten gaben an, daß sie wieder ein QM-System auf der Grundlage der ISO 9000
einführen würden. Annähernd ebenso viele (82,2 %) würden ihr QM-System wieder zertifizieren
lassen. Die detaillierten Befragungsergebnisse sind in Tabelle 6 dargestellt. [Die Aussagen in dieser
- 7 -
und in den folgenden Tabellen sind - zum Teil leicht gekürzt - aus dem Fragebogen übernommen
worden. Die Prozentzahlen in der 2. Spalte der Tabelle (Zustimmung) geben die Summe über die
Prozentzahlen der in der Tabelle mit +2 und +1 gekennzeichneten Spalten wieder. Die
Prozentzahlen in der 3. Spalte der Tabelle (Ablehnung) geben die Summe über die Prozentzahlen
der in der Tabelle mit -2 und -1 gekennzeichneten Spalten wieder.]
Zustimmung Ablehnung
Bewertungsskala
Wennwir mit unseremheutigen Wissen überKosten und Nutzen desQualitätsmanagements noch einmalentscheiden könnten, würden wir ...
Zu-stim-mung
Ableh-nung
2 1 0 -1 -2 keineAnt-wort
... wieder ein ISO 9000-konformes QM-Systemaufbauen. 87,8% 5,6% 65,6% 22,2% 6,7% 5,6% -- --
... unser QM-System wieder zertifizieren lassen. 82,2% 5,6% 57,8% 24,4% 12,2% 5,6% -- --
Tab. 6: Erfolg der QM-Systeme und der ISO 9001 Zertifizierung
Fraglich ist, aufgrund welcher Kosten-Nutzen-Überlegungen die Teilnehmer zu ihren positiven
Einschätzungen gelangen.
3.2 Positive Effekte des Qualitätsmanagements
Positive Effekte, die durch das QM-System erzielt wurden (siehe Tabelle 7), erkennen die
Befragungsteilnehmer vor allem in der Steigerung der Prozeßtransparenz (92,2 % Zustimmung)
sowie der Erhöhung von Produktqualität (67,8 %) und Kundenzufriedenheit (58,9 %). Eine
Verbesserung der Produktivität (46,7 %) und der Motivation der Mitarbeiter (46,7 %) konnten
weniger als die Hälfte der Befragten feststellen. 44,4 % der Befragungsteilnehmer sind der Ansicht,
die Einführung des QM-Systems habe dazu geführt, daß Zeitpläne öfter eingehalten werden können.
28,9 % geben an, daß Budgetvorgaben häufiger eingehalten werden. Die Zufriedenheit der
Mitarbeiter hat sich in weniger als einem Drittel der Unternehmen (27,8 %) verbessert. Eine
Steigerung der Nachfrage nach den Softwareprodukten wird nur von wenigen der befragten
Unternehmen (11,1 %) mit der Einführung des QM-Systems in Verbindung gebracht. 47,8 % der
Befragten lehnen diesen Zusammenhang explizit ab.
- 8 -
Zustimmung Ablehnung
Bewertungsskala
Durch die Ein-führung des QM-Systems ...
Zu-stim-mung
Ableh-nung
2 1 0 -1 -2 keineAnt-wort
... stieg die Prozeßtransparenz. 92,2% 2,2% 56,7% 35,6% 3,3% 1,1% 1,1% 2,2%
... stieg die Qualität der Produkte. 67,8% 6,7% 18,9% 48,9% 23,3% 6,7% -- 2,2%
... erhöhte sich die Kundenzufriedenheit. 58,9% 7,8% 10,0% 48,9% 27,8% 4,4% 3,3% 5,6%
... erhöhte sich die Produktivität der Mitarbeiter. 46,7% 15,6% 6,7% 40,0% 32,2% 11,1% 4,4% 5,6%
... stieg die Motivation der Mitarbeiter zurkontinuierlichen Verbesserung.
46,7% 10,0% 5,6% 41,1% 38,9% 8,9% 1,1% 4,4%
... konnten Zeitpläne öfter eingehalten werden. 44,4% 12,2% 4,4% 40,0% 35,6% 6,7% 5,6% 7,8%
... konnten Budgetvorgaben öfter eingehaltenwerden. 28,9% 20,0% 3,3% 25,6% 36,7% 14,4% 5,6% 14,4%
... erhöhte sich die Zufriedenheit der Mitarbeiter. 27,8% 18,9% 3,3% 24,4% 46,7% 15,6% 3,3% 6,7%
... stieg die Nachfrage nach Produkten. 11,1% 47,8% -- 11,1% 24,4% 22,2% 25,6% 16,7%
Tab. 7: Positive Effekte der Einführung der QM-Systeme
3.3 Negative Effekte des Qualitätsmanagements
Die in der Untersuchung überprüften negativen Effekte (siehe Tabelle 8) traten nach Angaben der
Befragungsteilnehmer nur in den wenigsten Unternehmen auf. Nur 4,4 % der Befragten sind der
Meinung, daß durch den Aufbau des QM-Systems andere wichtige Vorhaben verzögert wurden.
Genau so wenige Befragungsteilnehmer (4,4 %) sind der Ansicht, daß die Kosten der Einführung
des Qualitätsmanagements den Nutzen bei weitem überstiegen haben. Nur 5,6 % sind der Meinung,
daß außer dem Zertifikat kein wesentlicher Nutzen des QM-Systems entstanden sei. Die Aussage,
daß anfänglich erzielte Verbesserungen mittlerweile wieder abgeflacht seien, lehnt zwar die
Mehrheit der Unternehmen ab (53,3 % Ablehnung), aber dieser Aussage stimmen immerhin 21,1 %
der Befragten zu.
- 9 -
Zustimmung Ablehnung
Bewertungsskala
Durch die Ein-führung des QM-Systems ...
Zu-stim-mung
Ableh-nung
2 1 0 -1 -2 keineAnt-wort
... wurden zwar anfängliche Verbesserungenerzielt, die jedoch wieder abgeflacht sind. 21,1% 53,3% 4,4% 16,7% 22,2% 25,6% 27,8% 3,3%
... entstand kein Nutzen außer Zertifikat. 5,6% 76,7% 1,1% 4,4% 15,6% 25,6% 51,1% 2,2%
... überstiegen die Kosten den Nutzen bei weitem.4,4% 70,0% 1,1% 3,3% 18,9% 30,0% 40,0% 6,7%
... wurden wichtige Vorhaben verzögert. 4,4% 88,9% -- 4,4% 3,3% 15,6% 73,3% 3,3%
Tab. 8: Negative Effekte der Einführung der QM-Systeme
3.4 Messungen im Rahmen der QM-Systeme
Fraglich ist, inwiefern die von den Befragten genannten positiven und negativen Effekte der
Einführung der QM-Systeme durch konkrete Zahlen, Daten und Fakten untermauert werden können.
In dem Fragebogen wurden die Teilnehmer gebeten, Aussagen zu Messungen (im Sprachgebrauch
der ISO 9000: „statistische Methoden“) im Rahmen ihres QM-Systems zu machen (siehe Tabelle
9). 54,5 % der Befragten geben an, statistische Methoden zur Qualitätsmessung seien in dem QM-
System dokumentiert. 48,9 % geben an, die dokumentierten Methoden werden konsequent zur
kontinuierlichen Verbesserung angewendet. Daraus kann geschlossen werden, daß in ca. der Hälfte
aller befragten Unternehmen im Rahmen des QM-Systems Messungen nicht oder nur sporadisch
durchgeführt werden. Aber auch die Befragungsteilnehmer, die angeben, Messungen durchzuführen,
haben die von ihnen wahrgenommenen Verbesserungen im Fragebogen nur in den seltensten Fällen
quantifiziert.
- 10 -
Zustimmung Ablehnung
Bewertungsskala
Aussagen
Zu-stim-mung
Ableh-nung
2 1 0 -1 -2 keineAnt-wort
Statistische Methoden zur Qualitätsmessung sind inunserem QM-System dokumentiert. 54,5% 26,7% 27,8% 26,7% 16,7% 20,0% 6,7% 2,2%
Wir wenden diese zur kontinuierlichenVerbesserung konsequent an. 48,9% 31,1% 15,6% 33,3% 15,6% 21,1% 10,0% 4,4%
Tab. 9: Messungen im Rahmen der QM-Systeme
3.5 Stand der kontinuierlichen Verbesserung
Mehr als die Hälfte der Befragten (54,4 %) geben an, mit dem Verlauf und Erfolg ihrer
kontinuierlichen Verbesserungsaktivitäten in den wichtigsten Geschäftsbereichen zufrieden zu sein.
Zwar geben nur 6,7 % der Befragungsteilnehmer ausdrücklich an, mit Verlauf und Erfolg der
Verbesserungsaktivitäten in den wichtigsten Geschäftsbereichen unzufrieden zu sein. Zieht man
aber die hohe Zahl von Befragungsteilnehmern mit in Betracht, die diese Aussage mit „teils/teils“
beantwortet haben, kann aus den Ergebnissen geschlossen werden, daß fast in der Hälfte aller
teilnehmenden Unternehmen in den wichtigsten Geschäftsbereichen kontinuierliche Verbesserung
nicht zur vollen Zufriedenheit der Befragten abläuft. Außerdem gibt es in vielen Unternehmen
einige Geschäftsbereiche, in denen kontinuierliche Verbesserung nicht wie erwünscht durchgeführt
wurde bzw. nicht den erhofften Erfolg erzielte. 40,0 % der Befragten geben an, daß sie mit Verlauf
und Erfolg ihrer kontinuierlichen Verbesserungsaktivitäten in einigen Geschäftsbereichen
unzufrieden sind (siehe Tabelle 10).
Zustimmung Ablehnung
Bewertungsskala
Wir sind mitVerlauf und Erfolg unsererkontinuierlichen Verbesserungsaktivitäten ...
Zustim-mung
Ableh-nung
2 1 0 -1 -2 keineAnt-wort
... in den wichtigsten Geschäftsbereichen zufrieden. 54,4% 6,7% 12,2% 42,2% 32,2% 6,7% -- 6,7%
... in einigen Geschäftsbereichen unzufrieden.40,0% 21,2% 10,0% 30,0% 28,9% 15,6% 5,6% 10,0%
Tab. 10: Verlauf und Erfolg kontinuierlicher Verbesserung
Um einen genaueren Einblick in die Bemühungen um kontinuierliche Verbesserung zu bekommen,
haben wir die Teilnehmer gebeten, zu verschiedenen Aussagen Stellung zu nehmen (siehe Tabelle
11).
- 11 -
Zustimmung Ablehnung
Bewertungsskala
Aussagen
Zu-stim-mung
Ableh-nung
2 1 0 -1 -2 keineAnt-wort
Unsere Geschäftsprozesse unterliegen einemsystematischen Verbesserungsprozeß. 61,1% 10,0% 36,7% 24,4% 27,8% 10,0% -- 1,1%
Verbesserungen ... sind in erster Linie Ergebniseinzelner sporadischer Veränderungen ... 27,8% 60,0% 6,7% 21,1% 12,2% 42,2% 17,8% --
Die Verbesserungen führen i.d.R. zu erhöhtemKundennutzen. 61,1% 4,4% 18,9% 42,2% 30,0% 4,4% -- 4,4%
Tab. 11: QM-System und kontinuierliche Verbesserung
61,1 % der Befragten geben an, die Geschäftsprozesse des Unternehmens unterlägen einem
systematischen Verbesserungsprozeß. Dementsprechend lehnen 60 % der Befragten die Aussage ab,
daß Verbesserungen in erster Linie Ergebnis einzelner sporadischer Veränderungen und nicht
Ergebnis kontinuierlicher Bemühungen seien. Fraglich ist, zu welchen positiven Effekten die
Bemühungen um kontinuierliche Verbesserung in den befragten Softwareunternehmen geführt
haben. Lediglich 61,1 % der Befragungsteilnehmer sind davon überzeugt, daß die Verbesserungen
in der Regel zu einem erhöhten Kundennutzen führen.
3.6 Beispiele für Verbesserungen
Auf die Frage, ob in den letzten 12 Monaten mindestens eine erfolgreiche Verbesserung
durchgeführt worden sei, antworten 92,2 % der Befragten mit „ja“, 2,2 % mit „nein“ und 5,6 % mit
„weiß nicht“.
In einer (offenen) Frage wurden die Teilnehmer gebeten, ein Beispiel für erfolgreiche
Verbesserungen zu nennen, die innerhalb der letzten 12 Monate durchgeführt worden waren. 79 der
90 Befragungsteilnehmer (87,8 %) nannten insgesamt mehr als 100 Beispiele (Mehrfachnennungen
waren zulässig). Wir haben die Beispiele in verschiedenen Kategorien zusammengefaßt. In den
folgenden Absätzen werden die Kategorien mit den meisten Nennungen kurz beschrieben.
x Verbesserung des Projektmanagements (14 Nennungen)
Die meisten Beispiele beziehen sich auf die Verbesserung der Planung, Steuerung und Kontrolle
von Softwareentwicklungsprojekten. Die Beispiele umfassen die Neueinführung des
Projektmanagements für die Softwareentwicklung, die Einführung einschlägiger Software, die
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Abstimmung von Projektcontrolling und Qualitätsmanagement sowie die Systematisierung der
Risikoanalyse im Rahmen der Projektplanung.
x Software-Qualitätssicherung (13 Nennungen)
Annähernd ebenso viele Beispiele betreffen das Prüfen und Testen von Software bzw. von
Produkten der frühen Phasen der Softwareentwicklung. Die Beispiele betreffen Definition und
Vereinheitlichung von Qualitätssicherungsplänen und Testkonzepten, die gemeinsame
Durchführung von Reviews der Fachanforderungen mit Kunden sowie die Verbesserung von
Integrationstests.
x Reorganisation der Aufbau- und Ablauforganisation (11 Nennungen)
11 Beispiele betreffen die Reorganisation von Strukturen und Abläufen im Unternehmen. In einem
Unternehmen wurde eine auf 3 Geschäftsfelder ausgerichtete Profit-Center-Organisation
eingeführt. In verschiedenen anderen Fällen wurden Schwachstellen in einzelnen betrieblichen
Funktionen identifiziert und beseitigt.
x Verbesserung der Dokumentation (10 Nennungen)
10 Beispiele beziehen sich auf die Verbesserung der Dokumentation von Produkten oder Prozessen.
Die Beispiele reichen von der Einführung von Formatvorlagen für die Dokumentation von
Softwareprodukten, über die Verbesserung des prozeßbegleitenden Dokumentationsflusses bis
hin zur Umstellung der Qualitätsmanagement-Dokumentation von Papier auf IT-gestützte
Systeme.
x Toolentwicklung bzw. -einsatz (9 Nennungen)
In 9 Fällen wurden Beispiele für die Neueinführung oder Verbesserung von Werkzeugen genannt.
Diese unterstützen die Dokumentation und Bearbeitung von Fehlern und Änderungsanfragen, das
Konfigurations- und Change Management sowie die Kommunikation der Mitarbeiter des
Unternehmens.
x Hotline und Fehlermanagement (8 Nennungen)
In 8 Unternehmen wurde die Gestaltung der Hotline sowie die damit zusammenhängende
Bearbeitung der Fehlermeldungen verbessert. Beispiele sind die Klassifizierung der gemeldeten
Fehler, die Definition von Reaktionszeiten, innerhalb derer die gemeldeten Probleme behoben
werden sollen, sowie die klarere Abgrenzung der Aufgaben und Verantwortungsbereiche der
Mitarbeiter an der Hotline.
- 13 -
Weitere Nennungen betreffen z. B. die Verbesserung der Kostenrechnung oder des
Schulungsangebots für die Mitarbeiter des Unternehmens.
Die Beispiele betreffen in erster Linie Verbesserungen der internen Leistungserstellung. Aber nur
aus zwei der von den Befragungsteilnehmern genannten Beispielen geht hervor, daß die
Verbesserungen zu nennenswerten Kostensenkungen geführt haben.
Abgesehen von den Nennungen zur Gestaltung der Hotline betreffen nur wenige Beispiele
Verbesserungen, die von den Kunden unmittelbar wahrgenommen werden können. Aus keinem
dieser Beispiele geht hervor, ob die Verbesserungen zu Umsatzerhöhungen geführt haben.
4 Diskussion der Ergebnisse
Die Rücklaufquote war mit 75,6 % - besonders angesichts des Umfangs des Fragebogens -
erstaunlich hoch. Dies ist sicher auch darauf zurückzuführen, daß vor dem Versand der Fragebögen
in jedem der in der Stichprobe enthaltenen Unternehmen telefonisch ein Ansprechpartner ermittelt
und um Teilnahme gebeten wurde. Die hohe Rücklaufquote deutet aber auch darauf hin, daß das
Interesse am Qualitätsmanagement und an kontinuierlicher Verbesserung in den
Softwareunternehmen unverändert hoch ist.
Offensichtlich beurteilt die überwiegende Mehrheit der Befragten das Kosten-Nutzen-Verhältnis des
Aufbaus eines QM-Systems auf der Basis der ISO 9000 positiv. Immerhin geben 87,8 % der
Befragten an, daß sie sich mit ihrem heutigen Wissen über Kosten und Nutzen des
Qualitätsmanagements wieder für die Einführung eines ISO 9000-konformen QM-Systems
entscheiden würden. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, daß sich mehr als die Hälfte der
Antwortenden selbst dem Qualitätsmanagement zurechnen und deswegen mit entsprechenden
Aussagen den Erfolg der eigenen Arbeit bewerten. Es erstaunt nicht, daß solche Bewertungen in der
Regel positiv ausfallen. Man würde den Angaben ein höheres Gewicht beimessen können, wenn die
pauschalen Einschätzungen über den Erfolg der QM-Systeme mit konkreten Angaben zu Kosten
und Nutzen untermauert würden.
Nur 4 der 90 Befragungsteilnehmer (4,4 %) sind der Meinung, daß die Kosten den Nutzen der
Einführung des QM-Systems deutlich überstiegen haben. Wir haben in unserer Untersuchung nicht
nach konkreten Angaben zu den Kosten des Qualitätsmanagements gefragt. Aus einer früheren
Untersuchung [Stelzer, Mellis, Herzwurm /Software Process Improvement/] ist jedoch bekannt, daß
die Kosten der Einführung eines QM-Systems in deutschen Softwareunternehmen mindestens
DM 300.000 betragen. Daß die Kosten - vor allem für QM-Systeme mit großem Geltungsbereich -
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in der Regel deutlich über diesem Betrag liegen dürften, kann man sich mit folgenden Überlegungen
deutlich machen. In den ein bis zwei Jahren, in denen sich die meisten Unternehmen auf die
Zertifizierung vorbereiten [Stelzer, Mellis, Herzwurm /Software Process Improvement/], ist in der
Regel mindestens ein Mitarbeiter während nahezu seiner gesamten Arbeitszeit mit dem Aufbau des
QM-Systems beschäftigt. Ein großer Teil der Mitarbeiter wird in die Beschreibung und Analyse der
betrieblichen Aktivitäten einbezogen und muß nach Fertigstellung des QM-Systems geschult
werden. Hinzu kommen die Kosten für die Pflege und Weiterentwicklung des
Qualitätsmanagements. Es müssen erhebliche positive Auswirkungen auftreten, um diese Kosten
zumindest auszugleichen.
Der am häufigsten genannte positive Effekt (92,2 %) ist die gesteigerte Prozeßtransparenz. Das
deutet darauf hin, daß die Ablauforganisation in vielen Softwareunternehmen vor der Einführung
des QM-Systems intransparent war. Qualitätsmanagement auf der Basis der ISO 9000 setzt die
Identifikation, Dokumentation und Verbesserung der Software(entwicklungs)prozesse voraus.
Insofern erstaunt die gesteigerte Prozeßtransparenz nicht. Allerdings ist eine verbesserte
Transparenz der Prozesse kein Selbstzweck. Sie muß zu anderen positiven Auswirkungen führen. In
diesem Zusammenhang fällt auf, daß trotz verbesserter Prozeßtransparenz die Einhaltung von
Zeitplänen (44,4 %) und von Budgetvorgaben (28,9 %) nur in wenigen Unternehmen verbessert
werden konnte.
Eine noch größere Diskrepanz ergibt sich, wenn man die Antworten zu Produktqualität,
Kundenzufriedenheit und Produktnachfrage miteinander vergleicht. 67,8 % der Befragten geben an,
durch die Einführung des QM-Systems habe sich eine höhere Qualität der Produkte ergeben. 58,9 %
der Antwortenden berichten über gestiegene Kundenzufriedenheit. Allerdings hat die Einführung
des QM-Systems nur in 11,1 % der Unternehmen zu einer erhöhten Produktnachfrage geführt.
Mit folgenden Überlegungen sollen die oben angedeuteten Diskrepanzen erörtert werden.
1. Nur in weniger als der Hälfte der teilnehmenden Unternehmen werden Messungen im Rahmen
des QM-Systems durchgeführt. Offensichtlich beruhen die Einschätzungen vieler
Befragungsteilnehmer zu Prozeßtransparenz, Produktqualität und Kundenzufriedenheit eher auf
subjektiven Empfindungen und weniger auf Zahlen, Daten und Fakten. Möglicherweise
überschätzen die Befragten die positiven Auswirkungen der Einführung von QM-Systemen.
2. Möglicherweise konnten Prozeßtransparenz, Produktqualität und Kundenzufriedenheit
tatsächlich in vielen Unternehmen mit Hilfe des QM-Systems gesteigert werden. Wenn aber (a)
transparentere Prozesse nicht zu einer verbesserten Einhaltung von Zeitplänen und
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Budgetvorgaben und (b) verbesserte Produktqualität und Kundenzufriedenheit nicht zu einer
höheren Nachfrage führen, müssen sich die Verantwortlichen fragen lassen, ob sie für den
wirtschaftlichen Erfolg ihres Unternehmens relevante Qualitätsmerkmale verbessert haben.
(Denkbar wäre auch, daß die verbesserte Produktqualität und Kundenzufriedenheit höhere Preise
ermöglicht hat, dafür gibt es aber keine Hinweise.)
Zwar gibt etwa die Hälfte der Befragungsteilnehmer an, Messungen seien im QM-System
dokumentiert und würden konsequent angewendet. Die Tatsache, daß nur die wenigsten Befragten
die von ihnen wahrgenommenen Verbesserungen quantifizieren, läßt aber darauf schließen, daß
Messungen nur in Ausnahmefällen sinnvoll durchgeführt werden. Dies ist möglicherweise darauf
zurückzuführen, daß die ISO 9001 seit der Revision von 1994 [DIN, EN, ISO /ISO 9001: 1994/]
Messungen nicht mehr zwingend fordert. Es deutet aber auch darauf hin, daß die von der
ISO 9004-1 [DIN, EN, ISO /ISO 9004-1: 1994/] empfohlenen „finanziellen Überlegungen zu QM-
Systemen“ („Es ist wichtig, daß die Wirksamkeit eines QM-Systems in finanziellen Größen
gemessen wird“ [DIN, EN, ISO /ISO 9004-1: 1994/ Abschnitt 6]) von den meisten
Softwareunternehmen offenbar nicht angestellt werden. Diese Vermutung deckt sich mit den
Ergebnissen früherer Untersuchungen [Bellin, Stelzer /Ergebnisse/; Stelzer, Mellis, Herzwurm
/Software Process Improvement/], in denen festgestellt wurde, daß nur einige der deutschen
Softwareunternehmen mit zertifiziertem QM-System Kosten und Nutzen des Qualitätsmanagements
quantifizieren. Die Vermutung der nur schwach ausgeprägten Messungen deckt sich auch mit den
Ergebnissen einer von Goodhew durchgeführten Untersuchung zu Stärken und Schwächen
europäischer Softwareunternehmen [Goodhew /SPI World Trends/]. In dieser Studie wurde
festgestellt, daß die unzureichende Durchführung von Messungen eine besondere Schwachstelle
deutscher Softwareunternehmen ist.
Kontinuierliche Verbesserung ist laut ISO 9000-1 ein wesentliches Element des
Qualitätsmanagements [DIN, EN, ISO /ISO 9000-1: 1994/ Abschnitt 0]. Das Ausmaß, in dem
kontinuierliche Verbesserung praktiziert wird, könnte als Indiz für die Akzeptanz des
Qualitätsmanagements verstanden werden. Intensive kontinuierliche Verbesserung würde darauf
hindeuten, daß die Verantwortlichen der Meinung sind, mit dem Qualitätsmanagement auf dem
richtigen Weg zu sein. Weniger stark ausgeprägte kontinuierliche Verbesserung könnte darauf
hindeuten, daß die Verantwortlichen Zweifel an der Bedeutung des Qualitätsmanagements haben.
Zwar geben 54,4 % der Befragten an, mit Verlauf und Erfolg der kontinuierlichen Verbesserung in
den wichtigsten Geschäftsbereichen zufrieden zu sein. Daraus kann aber auch geschlossen werden,
daß fast die Hälfte der Befragten damit nicht zufrieden ist.
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Rund 60 % der Befragten sind der Meinung, daß die durchgeführten Änderungen zu einem erhöhten
Nutzen für die Kunden führen. Das bedeutet aber im Umkehrschluß, daß ca. 40 % der Befragten
nicht davon überzeugt sind, daß die durchgeführten Änderungen den Kunden nutzen. Dies ist
bemerkenswert, da Steigerung des Kundennutzens im allgemeinen als ein wesentliches Ziel des
Qualitätsmanagements verstanden wird. Möglicherweise neigt das Qualitätsmanagement in vielen
Softwareunternehmen dazu, Mängel der internen Leistungserstellung zu bekämpfen, ohne dabei
konsequent die Steigerung des Kundennutzens zu verfolgen. Sollte diese Vermutung richtig sein, so
könnte dies z. B. erklären, warum das Qualitätsmanagement nur in wenigen Unternehmen zu einer
Steigerung der Nachfrage nach den angebotenen Produkten und Dienstleistungen geführt hat.
Welche Schlußfolgerungen lassen sich aus den Ergebnissen für den Beitrag der ISO 9000 zur
Erhöhung von Produktqualität, Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Softwareunternehmen
ziehen?
Die Mehrheit der Befragten beurteilt das Kosten-Nutzen-Verhältnis des Qualitätsmanagements
positiv. Sie führen verschiedene Verbesserungen der internen Leistungserstellung, z. B. in den
Bereichen Projektmanagement, Software-Qualitätssicherung oder in der Aufbau- und
Ablauforganisation, auf die Einführung eines ISO 9000-konformen QM-Systems zurück. Inwiefern
sich diese Verbesserungen auf Produktqualität, Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der
Softwareunternehmen auswirkt, bleibt unklar, da nur die wenigsten Befragungsteilnehmer die
Auswirkungen quantifizieren können.
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