Standpunkt - Helsana€¦ · dichte), verzerrte Preise und Tarifstrukturen sowie ungerechtfertigte...

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Magazin zur Gesundheits- und Unternehmenspolitik der Helsana-Gruppe Nr. 1 / März 2015 Standpunkt S. 3 → Balance fehlt Leistungskostenwachstum setzt sich ungebremst fort S. 6 → Wahlfranchisen Ihre Abschaffung würde die Solidarität gefährden S. 10 → Medikamentenpreise Staatliche Preisregulierung ist nicht kundenfreundlich S. 12 → Sozialhilfe Helsana-Studie zeigt: Armut führt zu höherem Leistungsbezug Ein bezahlbares Gesundheitswesen braucht Eigenverantwortung – und eine gesunde Balance Helsana hat auch fürs Geschäſtsjahr 2014 trotz anspruchsvollem Umfeld ein solides Ergebnis abge- liefert. Das gewohnte Bild zeigt sich leider bei den Leistungskosten. Sie kennen nur eine Richtung: nach oben. Die Gesundheitsausgaben sind für viele Versicherte eine grosse und stetig grösser werdende finanzielle Belastung. Wir setzen uns daher weiter- hin mit aller Kraſt dafür ein, dass die kostentreiben- den Faktoren angegangen werden. Wir brauchen eine bessere Balance zwischen Qualität und Quanti- tät in der Versorgung (S. 3). Ein Element unseres Gesundheitssystems, das mithilſt, die Kosten im Zaum zu halten, sind die Wahlfranchisen. Wer eine hohe Franchise wählt, übernimmt in Eigenverantwortung ein grösseres finanzielles Risiko. Das Bundesamt für Gesundheit kündigte Anfang 2015 an, es prüfe die Abschaffung

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Magazin zur Gesundheits- und Unternehmenspolitik der Helsana-Gruppe Nr. 1 / März 2015

Standpunkt

S. 3 → Balance fehltLeistungskostenwachstum

setzt sich ungebremst fort

S. 6 → WahlfranchisenIhre Abschaffung würde

die Solidarität gefährden

S. 10 → MedikamentenpreiseStaatliche Preisregulierung

ist nicht kundenfreundlich

S. 12 → SozialhilfeHelsana-Studie zeigt:

Armut führt zu höherem

Leistungsbezug

Ein bezahlbares Gesundheitswesen braucht

Eigenverantwortung – und eine gesunde Balance

Helsana hat auch fürs Geschäft sjahr 2014 trotz anspruchsvollem Umfeld ein solides Ergebnis abge-liefert. Das gewohnte Bild zeigt sich leider bei den Leistungskosten. Sie kennen nur eine Richtung: nach oben. Die Gesundheitsausgaben sind für viele Versicherte eine grosse und stetig grösser werdende fi nanzielle Belastung. Wir setzen uns daher weiter-hin mit aller Kraft dafür ein, dass die kostentreiben-den Faktoren angegangen werden. Wir brauchen

eine bessere Balance zwischen Qualität und Quanti-tät in der Versorgung (S. 3).

Ein Element unseres Gesundheitssystems, das mithilft , die Kosten im Zaum zu halten, sind die Wahlfranchisen. Wer eine hohe Franchise wählt, übernimmt in Eigenverantwortung ein grösseres fi nanzielles Risiko. Das Bundesamt für Gesundheit kündigte Anfang 2015 an, es prüfe die Abschaff ung

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ImpressumHerausgeber:

Helsana-Gruppe

Kommunikation

Postfach, 8081 Zürich

Telefon +41 43 340 63 07

Telefax +41 43 340 02 10

[email protected]

www.helsana.ch/standpunkt

Redaktion:

Claudia Wyss/Stefan Heini

Redaktionsschluss:

Ende Februar 2015

Der «Standpunkt» wird

mehr mals jährlich in Deutsch und

Französisch herausgegeben.

Empfänger sind Personen, die

sich mit gesundheitspolitischen

Fragen beschäftigen.

Bildquelle:

Titelseite Aurora Photos /Alamy

Inhalt

3 Es braucht eine Balance zwischen Qualität und Quantität

Leistungskosten nehmen auch 2014 weiter zu

6 Wahlfranchisen fördern die Eigenverantwortung Abschaffung gefährdet Solidarität

8 Einer allein ist effi zienter Helsana lehnt dual-fi xe Finanzierung der

Grund versicherung ab

10 Preisregime nicht kundenfreundlich Staatliche Regulierung bei neuen Arzneimitteln

12 Armut führt zu höherem Leistungsbezug Helsana-Studie zu den Gesundheitskosten in

der Sozialhilfe

der beiden höchsten Franchisestufen. Es verspricht sich von diesem Schritt eine «grössere Solidarität». Doch bereits heute beziehen 50 Prozent der Versi-cherten nur wenige Leistungen, leisten mittels Prämien aber einen 100-prozentigen Beitrag an die Solidarität. Eine Abschaff ung der höchsten Fran-chisestufen würde die Eigenverantwortung schwä-chen und damit Kostensparanreize vernichten. Soll unser Gesundheitssystem weiter bezahlbar bleiben, braucht es mehr und nicht weniger Eigenverantwor-tung (S. 6).

Sparpotenzial besteht auch im Medikamenten-bereich. Die Preise neuer Medikamente treiben unser Gesundheitssystem an den Rand der Finan-zierbarkeit. Die in anderen Branchen geläufi gen Markt mechanismen greifen wegen der staatlichen Fest legung der Preise nicht. Zudem dauert es mit der aktuellen Regelung drei Jahre, bis sämtliche Medi-kamente nach der Aufhebung der Franken-Euro-Anbindung günstiger werden. Und die Medikamen-tenzulassung ist weiterhin intransparent. Das aktu-elle Regulierungs- und Preisregime im Bereich der Heilmittel muss reformiert werden, um eine bezahl-bare Ver sorgung für alle sicherzustellen (S. 10).

Nur über die Kosten zu reden, reicht nicht. Wir werden von den betroff enen Anspruchsgruppen verstärkt ihren Beitrag einfordern, damit die fi nan-zielle Belastung unserer Versicherten tragbar bleibt.

Wolfram Strüwe, Leiter Gesundheitspolitik

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3Helsana Standpunkt 1·15

müssen. Wir jedenfalls richten uns in Zukunft noch konsequenter nach ihnen und stellen sie ins Zent-rum aller unserer Aktivitäten.

Wir blicken zwar zuversichtlich aber nicht sorgen-frei in die Zukunft . Am Horizont bilden sich Wol-ken. Das Zinsumfeld hat sich stark verschlechtert und die Unsicherheit an den Kapitalmärkten ist angestiegen. Zudem steigen die Leistungskosten weiter an. Weiterhin stetiger Leistungskostenanstieg Unsere Leistungskosten haben in den letzten beiden Jahren um knapp drei Prozent zugenommen (siehe Grafi k 1, Seite 4). Die einzelnen Kostenarten ent-wickelten sich jedoch höchst unterschiedlich. Die Kosten im Bereich Spital stationär blieben konstant, was jedoch mit der Systemumstellung zu erklären ist und deshalb keine Referenz darstellt für die künf-tige Entwicklung. Die Medikamentenkosten nah-men ebenfalls nur leicht zu (+1 Prozent), was ange-sichts der durchgeführten Preissenkungen enttäu-schend ist. Der Bereich Spital ambulant verzeich-nete 2014 eine deutlich kleinere Zunahme als im Vorjahr und erfreulicherweise sanken die Kosten in der Langzeitpfl ege erneut. Stark zugenommen haben 2014 aber die Kosten bei den Sorgenkindern «Arzt» und «Übrige», was die Leistungen von Spitex, Physiotherapie und Labor abbildet.

Die Arztkosten sind auf Grund der Zunahme von Praxen, insbesondere der Spezialistenpraxen, deut-lich ansteigen. Der Kostenanstieg von 8,4 Prozent von 2013 auf 2014 entspricht mit 1,7 Prozent dem Grossteil der gesamten Leistungskostenzunahme von 2,9 Prozent. In der Kostenart «Übrige» (+9,7 Prozent) sind es insbesondere die Zunahme der Men-ge an Spitex- und Physiotherapieleistungen, die zu Buche schlagen.

Die Helsana-Gruppe freut sich über ein erfolgrei-ches Geschäft sjahr 2014, in dem es wichtig war, Ruhe zu bewahren und für unsere Kundinnen und Kunden sowie für die weiteren Anspruchsgruppen ein stabiler, vertrauenswürdiger und verlässlicher Partner zu bleiben. Das gute Ergebnis liegt trotz an-spruchsvollem Marktumfeld nur geringfügig unter dem ausgezeichneten Resultat des Vorjahres. Die Bilanz der Helsana-Gruppe ist unverändert stark und strotzt vor Gesundheit. Die Reserven sind gut dotiert, so dass wir überschüssige Reserveanteile zur Dämpfung der Prämiensteigerung in der Grundver-sicherung einsetzen konnten. In der Spitalzusatz-versicherung hielten wir auch in diesem Jahr die Prämien konstant mit Ausnahme von Hospital Eco, wo die Prämien stark gesenkt wurden.

Konsequente Ausrichtung auf unsere KundenUnser Anspruch ist es, unsere heutigen Stärken wie Stabilität, Verlässlichkeit und Vertrauenswürdig-keit in die Zukunft mitzunehmen und mit weiteren Stärken anzureichern. Aus dieser Position heraus wollen wir die zwei wichtigsten Themen Kosten und Kunden anpacken und uns für ein hochstehen-des Gesundheitssystem von morgen einsetzen. Aus (Leistungs-)Kosten werden Prämien. Und diese möchten wir möglichst tief halten. Auf die Kosten zu achten heisst aber nicht, keine Innovation im Interesse unserer Kunden zuzulassen. Wir sind überzeugt, dass die Kunden künft ig noch viel stär-ker im Zentrum des Gesundheitssystems stehen

Daniel H. Schmutz

CEO

Es braucht eine Balance zwischen

Qualität und Quantität

Helsana überzeugt mit einem soliden Geschäftsergebnis

2014. Sorgen bereitet die Leistungskostenentwicklung.

Helsana setzt sich weiter dafür ein, damit im Gesundheits-

wesen die richtige Balance zwischen Qualität und Quanti-

tät gefunden wird.

Leistungskosten nehmen auch 2014 weiter zu

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4 Helsana Standpunkt 1·15

des Zulassungsstopps und der damit verbundenen Aufhebung der Kontrollmechanismen.

Uns geht es nicht darum, auf einzelne Spezialitäten zu zeigen. Uns liegt daran, aus systemischer Sicht eine Diskussion zu führen und uns dafür zu enga-gieren, die Menge auf ein vernünft iges Mass einzu-grenzen. Aus Kostensicht aber auch im Interesse der Gesundheit unserer Kundinnen und Kunden.

Die Kostentreiber sind bekannt – Fehlanreize müssen eliminiert werdenDie steigenden Gesundheitskosten bereiten uns Sorgen. Während dem die Teuerung stagniert, neh-men die Krankenversicherungsprämien stetig zu. Viele Versicherte und deren Familien geben einen

Die rasante Zunahme bei den Arztkosten im ver-gangenen Jahr wie auch in den Vorjahren ist einfach erklärbar: Die Ärztedichte hat sich seit 1990 von unter drei auf über vier Ärzte pro 1000 Einwohner erhöht. Die Anzahl an Spezialisten hat sogar noch stärker zugenommen und zwar zwischen 2003 und 2013 um satte 37 Prozent oder anders ausgedrückt um 3,2 Prozent pro Jahr (siehe Grafi k 2, Seite 5).

Einzelne Spezialitäten weisen eine noch wesentlich höhere Zunahme auf. Am stärksten wuchs die Zahl der Dermatologen und Venerologen, der Urologen, der Ophtalmologen und der Radiologen (+49 bis +113 Prozent). Wir führen diese steile Zunahme der Spe-zialisten auf zwei Hauptfaktoren zurück: Auf Fehl-anreize in der Tarifi erung und auf die Aufhebung

Grafi k 1: Nettoversicherungsleistungen pro Behandlungsjahr pro Versicherter und Monat nach Kostenart (in Franken)

Übrige: Spitex, Physiotherapie, Labor

Pfl egeheim

Spital stationär

Spital ambulant

Medikamente

Arzt

350

300

250

200

150

100

50

2012 2013 2014

+ 2,7 % + 2,9 %

11,0 %

– 6,4 %

0,8 %

4,0 %

0,0 %

6,4 %

9,7 %

– 1,2 %

0,0 %

0,3 %

1,0 %

8,4 %

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5Helsana Standpunkt 1·15

bedeutenden Anteil ihres Budgets für Gesundheits-ausgaben aus. Kostentreiber, wie die steigende Alte-rung oder der steigende Wohlstand, können wir nicht beeinfl ussen. Jedoch beobachten wir Ineffi -zienzen im System, gegen die wir ankämpfen, und die im Sinne der Versicherten beseitigt oder zumin-dest reduziert werden sollten. Dazu gehören Unter- und Überversorgung (Stichwort Ärzte- und Spitäler-dichte), verzerrte Preise und Tarifstrukturen sowie ungerechtfertigte Gewinnmargen, Ineffi zienzen in der Produktion und (mangelhaft e) Qualität. Diese Treiber sind nicht einfach gegeben, sondern können und müssen aktiv angegangen werden. Helsana will weiterhin ihren Beitrag leisten, die Kosten im Zaum zu halten.

Helsana bleibt verlässlicher Partner, hat aber auch klare Erwartungen Die Schweiz hat eines der weltweit besten Gesund-heitssysteme, aber es ist nicht perfekt. Wir streben danach, das System weiter zu verbessern. Unser Anspruch ist es, mit allen Partnern im Gesundheits-wesen und im Interesse der Kunden die richtige Balance zwischen Qualität und Quantität zu fi nden. Wir verlassen unsere Komfortzone und erwarten dasselbe von anderen Anspruchsgruppen. Wir wol-len mit Ärzten, der Industrie und der Politik in einen noch näheren Dialog treten, geteilte Interessen stär-ken und die gemeinsame Verantwortung für Prä-mienzahler und Patienten einfordern. Wir setzen auf partnerschaft liches Vorgehen, aber nicht um jeden Preis. |

Grafi k 2: Entwicklungen von Ärztedichte und Anzahl Spezialisten

1990 2000 2013

2,97

3,50

4,08

5,0

4,0

3,0

2,0

1,0

0,0

+ 1,4 % p.a.

2003 2008 2013

8799

9500

12 09112 000

10 000

8000

6000

4000

2000

0

+ 3,2 % p.a.

2003 2008 2013

2000

1500

1000

500

0

+ 4 % – 7,9 % p.a.

+ 113 %

+ 49 %

+ 51 %

+ 62 %

Radiologie

Ophtalmologie

Urologie

Dermatologie/

Venerologie

Entwicklung der Ärztedichte

pro 1000 Einwohner

Entwicklung der Anzahl

Spezialisten

Entwicklung der am stärksten

wachsenden Spezialistenarten

* Quelle: FMH ** Datenbasis: Mit Helsana abrechnende Ärzte

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6 Helsana Standpunkt 1·15

Kosten beteiligen müssen – müssen sie nicht, be-steht die Gefahr von «Überkonsum».

Die offi zielle Statistik zeigt, dass die Versicherten mit Wahlfranchisen im Schnitt 654 Franken pro Jahr selber bezahlen (Kostenbeteiligung pro Kopf), im Gegensatz zu 492 Franken bei den Versicherten mit der ordentlichen Franchise von 300 Franken. Versicherte mit Wahlfranchisen bezahlen also im Schnitt rund einen Drittel mehr aus der eigenen Tasche – und dabei sind allfällige nicht abgerech-nete Leistungen (d. h. wegen der hohen Franchise beim Versicherer nicht eingereichte Leistungs-belege) nicht einmal berücksichtigt.

Helsana kann auf Basis der Daten ihres Versicher-tenkollektivs den latenten Vorwurf nicht bestäti-gen, die Versicherten mit höheren Wahlfranchisen würden – sobald Leistungskosten anfallen – in tiefere Franchisestufen wechseln. Denn selbst wer dies möchte, kann selten genau vorhersagen, wann welche Kosten anfallen. Auch vermeintlich Ge-sunde sind plötzlich mit Krankheitskosten kon-frontiert. Nur chronisch Kranke, die über mehrere Jahre teure Therapien beanspruchen, können ihre erwarteten Kosten relativ genau vorhersagen. Ver-sicherte, die sich für eine höhere Franchise ent-scheiden, übernehmen also ein erheblich höheres Risiko, dass sie bei anfallenden Kosten einen grös-seren Teil selber übernehmen müssen.

Versicherte schätzen und nutzen die WahlfreiheitenNicht nur die Wahlfranchisen, sondern auch die Vielfalt an verschiedenen alternativen Versiche-rungsmodellen erfreuen sich grosser Beliebtheit. Drei Viertel der Schweizer Bevölkerung machen von dieser Wahl- und Gestaltungsfreiheit Ge-brauch und entscheiden sich bewusst für ein ent-sprechendes Modell mit oder ohne höhere Franchi-

Wahlfranchisen fördern

die Eigenverantwortung

Das BAG prüft die Abschaffung der höchsten Wahlfran-

chisen. Eine Umsetzung würde die Eigenverantwortung

schwächen und damit Kostensparanreize vernichten.

Aber: Das System braucht nicht weniger, sondern mehr

Eigenverantwortung.

Rudolf Bruder

CFO

Abschaffung gefährdet Solidarität

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) teilte An-fang 2015 mit, dass es die Abschaff ung der höchs-ten beiden Wahlfranchisen prüfe. Es habe sich gezeigt, dass gesunde Versicherte die Wahlfranchi-sen nutzen würden, um Prämien zu sparen, was die Solidarität in der sozialen Krankenversiche-rung schwäche.1

Wer bereit ist, mehr Eigenverantwortung zu über-nehmen, soll künft ig also nicht mehr von tieferen Prämien profi tieren. Geht es nach dem Bundesamt, sollen Gesunde damit einen grösseren Beitrag leis-ten an die stetig steigenden Gesundheitskosten. Medien und Gesundheitsökonomen reagierten skeptisch und wiesen darauf hin, dass mit Wahl-franchisen die Eigenverantwortung und das Kon-sumverhalten durchaus positiv im Sinne der Kos-tendämpfung beeinfl usst werden kann.

Empirische Studien zeigen: Höhere Wahl-franchisen stärken die EigenverantwortungVerschiedene Studien (u. a. Huber 20102) haben unlängst untersucht, ob eine höhere Kostenbetei-ligung das Konsumverhalten beeinfl usst und in-wiefern damit die Eigenverantwortung gestärkt wird. Sie kommen alle zum selben Schluss: Der Konsum sinkt, sobald sich die Betroff enen an den 1 NZZ am Sonntag vom 4. Januar 20152 U.a. Huber CA. Innovation – Eigenverantwortung? Schaden

oder Nutzen von Selbst(kosten)beteiligungsmodellen in

Deutschland und der Schweiz. In: Rebscher H., Kaufmann S.

(Hrsg.). Innovationsmanagement in Gesundheitssystemen.

Band 2. Heidelberg: Medhochzwei; 2010.

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7Helsana Standpunkt 1·15

se. Die Entwicklung seit 2007 zeigt ein deutliches Bild (siehe Grafi k).

Der Vorwurf, dass die Vielfalt und die Auswahl an unterschiedlichen Versicherungsmodellen (das BAG will auch die Vielzahl an Prämientarifen redu-zieren) die Versicherten vor unlösbare Entschei-dungsprobleme stellt, ist kaum haltbar. Die Schweiz hat mündige Bürgerinnen und Bürger, die tagtäglich Kaufentscheide treff en, sich informieren, Angebote vergleichen und dabei eine Angebotsvielfalt zu schätzen wissen.

Helsana fordert einen weiteren Ausbau der EigenverantwortungWir sind überzeugt, dass die Abschaff ung der Wahl-franchisen nicht dem Willen der Versicherten ent-spricht und werden uns dagegen im Interesse unse-rer Kundinnen und Kunden zur Wehr setzen. Und mehr noch: Wir fordern dringend Massnahmen zur Förderung der Eigenverantwortung und des Kosten-bewusstseins im Umgang mit der eigenen Gesund-heit. Dabei sollte auch die generelle Erhöhung der Minimal- wie auch der Maximalfranchise sowie des Selbstbehaltes ins Auge gefasst werden. Gleichzeitig müssen die koordinierte Versorgung sowie Mehr-jahresverträge mit fi nanziellen Anreizen gefördert

werden. Dies selbstverständlich alles unter Beibe-haltung der Absicherung für sozial Schwächere über die individuelle Prämienverbilligung. |

SolidaritätsprinzipSolidarität ist die Grundlage jeder Versiche-

rung. Das Versichertenkollektiv bildet eine

Solidargemeinschaft, indem alle einen Bei-

trag bezahlen und individuelle – nicht oder

nur schwer vorhersehbare – Risiken gemein-

sam getragen werden. Risiken, die der Einzel-

ne wohlgemerkt gar nicht tragen könnte.

Bei Helsana nehmen 25 Prozent der Versicher-

ten überhaupt keine Leistungen in Anspruch;

sie leisten mit ihrer Prämie also einen 100-Pro-

zent-Beitrag an die gewünschte Solidarität.

50 Prozent der Versicherten beziehen nur

wenige Leistungen und weitere 15 Prozent –

d. h., total 90 Prozent der Versicherten – ver-

ursachen ein Drittel des Leistungsvolumens.

Die teuersten 10 Prozent der Versicherten sind

verantwortlich für die weiteren rund zwei Drit-

tel des Leistungsvolumens.

9 000 000

8 000 000

7 000 000

6 000 000

5 000 000

4 000 000

3 000 000

2 000 000

1 000 000

Wahlfranchise ohne

alternatives Modell

Alternatives Modell mit

Wahlfranchise

Alternatives Modell mit

Grundfranchise

OKP Standard mit

Grundfranchise

2007 2013

Quelle: Tabellen T. 11.05 und T. 11.06 , Statistik der obligatorischen Krankenversicherung

2007 und 2013, Bundesamt für Gesundheit

Die Anzahl Versicherte mit Grundfranchise ist über die Jahre mehr oder weniger

stabil, gleichzeitig fi ndet jedoch eine Verschiebung statt von der Standardversicherung

in alternative Versicherungsmodelle.

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8 Helsana Standpunkt 1·15

Einer allein ist effi zienter

Im stationären Spitalbereich teilen sich Kantone und

Krankenversicherer die Finanzierung. Dies ist ineffi zient

und bietet Raum für Fehlanreize. Besser wäre ein einziger

Finanzierer mit dem Krankenversicherer als Monist.

pfl egeversicherung (OKP) ist letztlich ein System der Zwangsabgabe. Mit diesen Geldern gilt es haushäl-terisch umzugehen. Der Ärger in der Bevölkerung muss die Anspruchsgruppen anhalten, nach Lösun-gen zu suchen, welche die Prämienlast dämpfen.

Kantone fi nanzieren Grossteil der GrundversicherungsleistungenDabei dürft e der breiten Bevölkerung noch nicht einmal bekannt sein, wie viel sie genau für unser Gesundheitswesen zu zahlen haben. Denn sie be-teiligen sich ja beispielsweise auch via Kantone, die allein für die Finanzierung der Spitäler rund 10 Milliarden Franken pro Jahr aufwenden. Die Kan-tone übernehmen den Grossteil der Spitalrechnun-gen. Was hat das aber mit Krankenversicherung zu tun, wenn der grösste Teil dieser Ausgaben aus Steuergeldern stammt? Die Verwendung von Steu-ern ist im Gegensatz zur einkommensunabhängi-gen Einheitsprämie der Krankenversicherung (Kopfprämie) nicht direkt spürbar. Steuerzahlende wissen nicht, wie viel von ihren jährlichen Steuern in das Gesundheitswesen fl iesst. Zudem ist die Ver-wendung im Gesundheitswesen häufi g nicht trans-parent. Ganz anders die Situation bei den Kranken-versicherungsprämien: Die Verwendung der Gelder ist zweckgebunden und die konkrete Belastung auf der Prämienübersicht transparent ausgewiesen. Wie sähen die Reaktionen aus, wenn breiter be-kannt wäre, dass die Kantonsgelder 40 Prozent der Grundversicherungsprämien entsprechen?

Effi zienzverluste infolge geteilter ZahlungsverantwortungKostentransparenz ist aber nur das Eine; Effi zienz-verluste, weil sich zwei Zahlende die Deckung der Spitalleistungen auft eilen, das Andere. Wenn Kan-tone und Krankenversicherer die Spitalleistungen vergüten, sind beide Parteien besorgt, nicht zu viel bezahlen zu müssen. Gemäss Krankenversiche-

Unser Gesundheitswesen ist dadurch gekennzeich-net, dass auf Grund seiner Bedeutung viele darüber reden und auch mitreden wollen. Sämtliche An-spruchsgruppen haben ihre eigenen Vorstellungen davon, wo und in welche Richtung das Gesundheits-wesen reformiert werden soll. Dass kontrovers dis-kutiert wird, ist gut so, denn wir haben es nicht nur mit einem bedeutenden Wirtschaft ssektor zu tun, sondern es geht letztlich um unser aller Gesundheit.

Ein solches System befi ndet sich immer in einem fragilen Gleichgewicht; der Interessenausgleich zwischen den verschiedenen Gruppen ist oberstes Gebot. Diese Form der «Checks and Balances» machen Reformbemühungen aber schwierig. Viele Reformen, die für das System nützlich wären, wer-den nicht umgesetzt. Es mag paradox klingen, aber das hat auch Vorteile: Unser sehr gutes Gesundheits-wesen bewegt sich in weitaus ruhigeren Bahnen als andere Gesundheitssysteme und ist gefeit vor radi-kalen Umbrüchen, die beim nächsten Machtwech-sel wieder ins Gegenteil verkehrt werden. Diese Stetigkeit tut gut. Aber wir zahlen auch einen hohen Preis dafür. Reformstau ist für Prämienlast mitverantwortlichDie Kosten unseres Gesundheitswesens haben mitt-lerweile die 60-Milliarden-Franken-Hürde locker genommen. Der obligatorisch versicherte Bereich ist ein bedeutender Teil davon, und auch er steigt un-aufhörlich an. Das erzeugt Unmut in der Bevölke-rung. Zu Recht, denn die obligatorische Kranken-

Helsana lehnt dual-fi xe Finanzierung der Grundversicherung ab

Wolfram Strüwe

Leiter

Gesundheitspolitik

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9Helsana Standpunkt 1·15

rungsgesetz (KVG) haben die Krankenversicherer die Pfl icht zur Rechnungskontrolle. Im Vertrag zur neuen Tarifstruktur SwissDRG haben die Kantone dies den Krankenversicherern überlassen. Das hat aber einige Kantone nicht davon abgehalten, eigen-ständig Systeme der Rechnungskontrolle aufzu-bauen.

Ein weiteres Beispiel für Effi zienzverluste sind die Kantone als Besitzer der meisten Spitäler. Besitzer achten natürlich auf ihren Besitz. Es verwundert also nicht, dass sie sämtliche öff entlichen Spitäler auf ihre Spitallisten setzen. Mittlerweile verklagen sich die Kantone sogar gegenseitig, weil sie wegen der neuen Freizügigkeit der Patienten mit Listenent-scheiden anderer Kantone – zu Recht oder nicht – nicht einverstanden sind, denn dadurch fl iessen Gelder in andere Kantone. Weil es bei Spitallisten-entscheiden um die Spitäler selbst geht, wird nicht der zweckmässigste Entscheid im Sinne einer opti-malen Versorgung gefällt, sondern, es rückt die Strukturerhaltung in den Vordergrund.

Aufgrund kantonaler Finanzierungspfl icht blei-ben auch unrentable Spitäler erhalten Es geht sogar so weit, dass Steuergelder über den unspezifi schen KVG-Rechtsbegriff der «gemein-wirtschaft lichen Leistungen» in die Spitalkassen gepumpt werden, damit diese über die Runden kom-men und erhalten bleiben. All dies wirkt selbst-redend kostentreibend, sowohl auf die Prämien wie auf die Steuern. Dieses Verhalten der Kantone ist nur rational und eine Konsequenz ihrer Finanzie-rungspfl icht.

Die Einbindung der Kantone in die OKP-Finanzie-rung hat aber auch auf die Zukunft der Spitäler Auswirkungen. Seit 2012 werden sie über die OKP-

Vollpauschalen fi nanziert. Notwendige Investitio-nen werden aber häufi g vom Kanton politisch be-stimmt und nicht aus unternehmerischen Gesichts-punkten gesprochen. Dies birgt Anreize für Über-investition und Strukturerhaltung.

Unterschiedliche Finanzierungspfl icht führt zu mehr ambulanten BehandlungenDie Effi zienzverluste der dualen Finanzierung sind aber nicht allein auf den stationären Bereich be-schränkt. Ambulant wird nämlich alles durch die Krankenversicherer fi nanziert, derweil die Kantone keine Finanzierungspfl icht kennen. Unter diesen Umständen kann die Art der Finanzierung darüber entscheiden, ob ein Patient ambulant oder stationär versorgt wird. Ob das jeweils im Sinne einer opti-malen Versorgung ist, darf bezweifelt werden. |

Helsana befürwortet monistische Finanzierung Die Ineffi zienz der dualen Finanzierung ist evi-

dent und trägt massgeblich zu Strukturerhal-

tung und Entscheiden auf Basis fi nanzieller

Anreize bei. Das Problem lässt sich nur mit

einem Wechsel auf ein System mit einem ein-

zelnen Finanzierer lösen. Dieser Monist kann

wiederum nur der Krankenversicherer sein,

denn die Kantone haben bereits (zu) viele Hüte

auf. In den nächsten Monaten besteht die

Kunst nun darin, einen für alle Anspruchs-

gruppen gangbaren Weg dorthin zu fi nden –

ein Weg, der das System verbessern hilft und

die Bedenken aller gebührend würdigt. Ganz

im Sinne der «Checks and Balances». Dieser

Weg mag beschwerlich sein, doch er muss

beschritten werden.

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10 Helsana Standpunkt 1·15

Preisregime nicht kundenfreundlich

Die Preise neuer Medikamente treiben unser Gesund-

heitssystem an den Rand der Finanzierbarkeit. Um eine

Versorgung für alle sicherzustellen, muss das aktuelle

Regulierungs- und Preisregime im Bereich der Heilmittel

reformiert werden.

wöhnt, dass die Leistung laufend verbessert wird und die Preise dennoch sinken. Im Gegensatz zur Pharmabranche herrscht dort aber knallharte Kon-kurrenz und kein staatliches Preisdiktat. Und wer dachte, dank des tieferen Eurokurses würden die Medikamentenpreise – analog den Rabatten auf Autos oder Reisen – per sofort günstiger, wurde ebenso enttäuscht. Die in anderen Branchen geläu-fi gen Marktmechanismen greifen nicht.

Intransparente Medikamentenzulassung als PreistreiberDer schweizerische Gesetzgeber hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) mit weitgehenden Kompeten-zen ausgestattet: Gemäss Krankenversicherungs-gesetz (KVG) erstellt das BAG die Spezialitätenliste mit den zugelassenen Arzneimitteln und den Prei-sen, welche die Krankenversicherer zu übernehmen haben. Obwohl das KVG vorschreibt, dass sämtliche Leistungen «wirksam, zweckmässig und wirt-schaft lich» und somit kostengünstig sein müssen, fehlen weitere Bestimmungen, was das für die Medikamentenpreise zu bedeuten hat.

Das Zulassungsprozedere und die Kriterien der Preisbildung sind auf Verordnungsstufe2 geregelt. Die Ausführungsbestimmungen und der Zulas-sungsprozess sowie die mangelnde Transparenz wurden immer wieder kritisiert3, insbesondere wird auch die vom Gesetzgeber geforderte periodische und systematische Überprüfung vermisst. Reform-schritte zur Behebung dieser Missstände wurden bis heute nicht in Angriff genommen. Ausserdem wer-den durch das BAG verfügte Preissenkungen von der Industrie mittels Beschwerdeverfahren syste-matisch verhindert und blockiert.

2 Verordnungen sind untergeordnete Erlasse, die Recht setzen.

Sie benötigen dazu eine gesetzliche Grundlage. Im Normalfall

werden Verordnungen durch den Bundesrat erlassen.3 Z. B. Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Stände-

rates vom 25. März 2014

In den letzten Monaten sorgten die hohen Preise neuer und innovativer Medikamente zur Behand-lung von Hepatitis C weltweit für Schlagzeilen. Einerseits ist es sehr zu begrüssen, wenn die Phar-maindustrie neue Wirkmechanismen und Wirk-stoff e auf den Markt bringt, die bisher unheilbare oder nur schwer behandelbare Krankheiten heilen können. Andererseits treiben die Preisvorstellungen der Industrie die Gesundheitssysteme weltweit an den Rand des Ruins. Der neue Arzneimittelreport von Helsana zeigt die Kostenentwicklung bei den Arzneimitteln eindrücklich auf 1. Auch wenn die medizin-technologische Weiterentwicklung klare Vorteile bringt und langfristig Einsparungen denk-bar sind, so ist es doch äusserst fragwürdig, wenn der Mehrnutzen von Innovationen mittels Preis-steigerungen vollumfänglich an die Industrie ab-geführt wird.

Wettbewerbsmechanismen greifen nichtDie Pharmaindustrie braucht adäquate Renditen, um weiterhin in Forschung und Entwicklung in-vestieren zu können. Bekanntlich fi ndet nicht jedes Forschungsprojekt in der erfolgreichen Marktreife seinen Abschluss; Forschung braucht Risikokapital und Investoren, die bereit sind, diese Risiken zu tragen. Andere Industrien zeigen jedoch, dass Inno-vation nicht zwingend mit stetig steigenden Pro-duktpreisen einhergehen muss – ganz im Gegenteil: In der Elektronik- und Informatikbranche, wo der Wettbewerb spielt, haben wir uns bereits daran ge-

1 www.helsana.ch/arzneimittelreport

Staatliche Regulierung bei neuen Arzneimitteln

Guido Klaus

Ökonomie und Politik

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11Helsana Standpunkt 1·15

Für den Prämienzahler, der letztlich die hohen Medikamentenpreise bezahlt, bleiben Preisbildung und die «adäquate Nutzenbewertung» eine intrans-parente Unbekannte. Sowohl das Zulassungsproze-dere wie auch allfällige Beschwerdeverfahren fi n-den unter Ausschluss der Öff entlichkeit statt. In der Praxis verhandeln und streiten die Behörden mit den Anbietern über die Höhe der Preise. Einigen tut man sich stets auf «angemessene Preise».

Konsumenten und Versicherte bezahlen die ZecheEs gibt nicht den Grund, der für den beschriebenen Missstand verantwortlich ist. Es handelt sich um eine Verkettung von Unterlassungen und bewusst eingeführter Praktiken. Was zweifelsfrei festge-stellt werden kann, sind die hohen und immer höher werdenden Preise für neu lancierte Therapien. Die Bausteine des Fundaments, auf welchem die Preise gebildet und hoch gehalten werden, sind bekannt: Wir importieren Schaufensterpreise4 aus dem Aus-land; die Medikamentenpreise werden nur alle drei Jahre überprüft ; es fehlt sowohl Krankenversiche-rern als auch Konsumenten ein Beschwerderecht gegen die vom BAG festgelegten Preise; weder Men-genausweitungen noch neu lancierte Therapiealter-nativen haben sinkende Preise zur Folge.

Werden neue, bessere Medikamente auf den Markt gebracht, profi tieren sie von einem Innovations-zuschlag. Also steigt das Preisniveau per se stetig an, ohne dass die älteren, unterlegenen Präparate gleich-zeitig im Preis sinken. Würden Marktmechanismen wie in anderen Branchen spielen, müssten die neuen Präparate zum bisherigen Preis erhältlich sein, wäh-rend die älteren Therapien günstiger werden. |

4 Ein «Schaufensterpreis» ist ein künstlich hoch gehaltener

Preis, wobei der effektive Preis in der Praxis – z.B. durch nach-

trägliche Rückerstattungen – tiefer ausfällt.

Helsana fordert konsequente marktwirt-schaftliche Preisbildung statt RationierungIn Amerika werden auf Grund der neu in den

Markt eintretenden Hepatitis C-Therapie-

alternativen die Preise im Markt massiv

gedrückt. In der Schweiz ist die staatliche

Preisbildung jedoch zu wenig transparent und

nicht dynamisch. Um die Kostenfolgen neuer

Innovationen halbwegs im Zaum zu halten,

wird der Zugang zu Therapien zum Teil stark

eingeschränkt oder werden Leistungen ten-

denziell rationiert. Dieser neue Trend, wie wir

ihn nun bei der Versorgung von Hepatitis-C-

Kranken beobachten, muss gestoppt werden.

Helsana setzt sich für eine gute medizinische

Versorgung für alle ein – zu vernünftigen Prei-

sen. Ein Dorn im Auge ist uns, dass im patent-

abgelaufenen Bereich sowie in Bereichen, in

denen Therapie-Alternativen zur Verfügung

stehen, nach wie vor der Staat die Preise

fi xiert. Das aktuelle Regulierungs- und Preis-

regime im Bereich der Heilmittel muss deshalb

dringend überprüft und angepasst werden.

Page 12: Standpunkt - Helsana€¦ · dichte), verzerrte Preise und Tarifstrukturen sowie ungerechtfertigte Gewinnmargen, Ineffi zienzen in der Produktion und (mangelhaft e) Qualität. Diese

Helsana Versicherungen AG, Postfach, 8081 Zürich

Telefon 043 340 63 07, Telefax 043 340 02 10, www.helsana.ch

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Armut führt zu höherem

Leistungsbezug

Helsana-Studie zu den Gesundheitskosten in der Sozialhilfe

Dr. Oliver Reich

Leiter Gesundheits-

wissenschaften

tigsten Fragen in diesem Kontext untersucht. In die Studie aufgenommen wurden 13 492 in Bern lebende Personen, davon 391 Sozialhilfeempfänger. Berück-sichtigt wurden die 2012 bezogenen Leistungen.

Sozialhilfebezüger sind öfters multimorbidUntersucht wurde zum Beispiel, welche Krankheits-bilder in der Sozialhilfe besonders häufi g vorkom-men und ob von der Sozialhilfe unterstützte Perso-nen übermässig von chronischen Krankheiten be-troff en sind. Nur wenn diese und weitere Fragen wissenschaft lich untersucht werden, kann die Sozialhilfe anhand gesicherter Grundlagen ziel-orientiert dazu beitragen, den Gesundheitszustand der unterstützten Personen zu verbessern.

Die Resultate zeigen, dass vom Sozialamt unter-stützte Personen einen höheren Bedarf an Gesund-heitsleistungen haben als der Rest der Studienpopu-lation (siehe Grafi k). Sozialhilfeempfänger leiden auch häufi ger an rheumatischen Erkrankungen, an Schmerzen, an Magenerkrankungen, an psychi-schen Erkrankungen und sind öft ers multimorbid. Insgesamt verursachen sie jährlich im Durchschnitt deutlich höhere Gesundheitsausgaben als Versi-cherte, die nicht vom Sozialamt unterstützt wurden.

Koordination mit den sozialen Diensten Vor diesem Hintergrund ist zu prüfen, inwiefern eine gezielte Koordination durch Ärztenetzwerke oder andere Koordinationsmassnahmen die Ver-sorgungssituation der Sozialhilfeempfänger ver-bessern kann. Insbesondere ist die Koordination zwischen dem Gesundheitswesen und den sozialen Diensten zu prüfen und wo notwendig und sinnvoll zu verbessern. |

Gute Gesundheit ist eine zentrale Voraussetzung für die (Re-)Integration in den Arbeitsmarkt. Folglich nehmen Gesundheitsfragen in der Sozialhilfe einen wichtigen Stellenwert ein. Erstaunlicherweise gibt es aber fast keine empirisch gesicherten Erkennt-nisse über die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen durch Sozialhilfeempfänger in der Schweiz. Nun haben das Sozialamt der Stadt Bern und Gesundheitswissenschaft ler von Helsana in einer aktuellen wissenschaft lichen Studie1 die wich-

1 Reich O., Wolffers F., Signorell A. et al. Health Care Utilization

and Expenditures in Persons Receiving Social Assistance in

2012. Evidence from Switzerland. Global Journal of Health

Science 7(4).

Eine Studie von Helsana und dem Sozialamt der Stadt

Bern zeigt, dass Sozialhilfeempfänger signifi kant höhere

medizinische Leistungen beziehen. Eine gezielte Koordi-

nation würde die Versorgungssituation der Betroffenen

stark verbessern.

Vom Sozialamt unterstützte Personen beziehen markant höhere Gesundheits-

leistungen im Vergleich zu Personen, die keine Sozialhilfe beziehen.

Bruttoleistungen OKP 2012 (in Tausend)

Sozialhilfe-

empfänger

Helsana-Bestand

Stadt Bern