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Steigerung der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung durch Lean Six Sigma-Projekte – Wie lassen sich durch schlanke Prozesse und Null-Fehler-Qualität im Unternehmen Kundenzufriedenheit und -bindung erhöhen? – Armin Töpfer, Swen Günther Inhalt 1 Managementkonzept für verschwendungsfreie und variationsarme Prozesse....... 975 2 Ansatzpunkte für höhere Kundenzufriedenheit/ -bindung und mehr Wirtschaftlichkeit ................................................................................................. 978 3 Wertstromanalyse als Basiskonzept des Lean Management ................................. 983 4 Kunde, Prozess und Qualität als wichtige Umsetzungstreiber von Lean Six Sigma ................................................ 985 5 Durchführung von Six Sigma Projekten auf der Basis des DMAIC-Zyklus ......... 989 6 Beitrag zur wirkungsvollen Umsetzung von CRM im Unternehmen ................... 992 7 Literatur ................................................................................................................ 993 1 Managementkonzept für verschwendungsfreie und variationsarme Prozesse Die 1. Frage, die sich in Zusammenhang mit einem Buch über Kundenmanage- ment stellt, ist die, was Lean Six Sigma ist, was dieses Konzept beinhaltet und vor allem was es zur Verbesserung des Kundenmanagements leisten kann. Ein Teil der Antwort auf diese Frage wird bereits in diesem Kapitel gegeben: Lean Six Sigma umfasst die beiden Management-Verbesserungskonzepte Lean Management und Six Sigma. Lean Management hat schlanke Prozesse zum Ziel und Gegenstand. Six Sigma strebt fehlerfreie Prozesse und Produkte als Prozess- ergebnisse an (vgl. Töpfer 2007a, S. 45 ff.). Im Rahmen einer Verbesserung des Kundenmanagements liegt der Beitrag des Konzeptes dann darin, eine kundenorientierte Prozessgestaltung mit möglichst ge- ringer Verschwendung und kurzer Durchlaufzeit (also Lean) sowie möglichst ge- ringer Variation, und damit Streuung, und geringer Abweichung vom Mittelwert des Toleranzintervalls (also Null-Fehler-Qualität) zu erreichen. Unmittelbar beein- flusst werden hierdurch die Kostenstruktur und Qualität der Produkte sowie die Liefer-/ Termintreue gegenüber dem Kunden. Der Vorteil für den Kunden ist demnach dadurch gegeben, dass er kundenspe- zifische und qualitativ hochwertige, da fehlerfreie Produkte zu einem attraktiven Preis und mit einer schnellen, termintreuen Lieferung erhält. Wie leicht nachvoll-

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Steigerung der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung durch Lean Six Sigma-Projekte

– Wie lassen sich durch schlanke Prozesse und Null-Fehler-Qualität

im Unternehmen Kundenzufriedenheit und -bindung erhöhen? – Armin Töpfer, Swen Günther

Inhalt 1 Managementkonzept für verschwendungsfreie und variationsarme Prozesse....... 975 2 Ansatzpunkte für höhere Kundenzufriedenheit/ -bindung und mehr

Wirtschaftlichkeit ................................................................................................. 978 3 Wertstromanalyse als Basiskonzept des Lean Management ................................. 983 4 Kunde, Prozess und Qualität als

wichtige Umsetzungstreiber von Lean Six Sigma ................................................ 985 5 Durchführung von Six Sigma Projekten auf der Basis des DMAIC-Zyklus......... 989 6 Beitrag zur wirkungsvollen Umsetzung von CRM im Unternehmen ................... 992 7 Literatur ................................................................................................................ 993

1 Managementkonzept für verschwendungsfreie und variationsarme Prozesse

Die 1. Frage, die sich in Zusammenhang mit einem Buch über Kundenmanage-ment stellt, ist die, was Lean Six Sigma ist, was dieses Konzept beinhaltet und vor allem was es zur Verbesserung des Kundenmanagements leisten kann.

Ein Teil der Antwort auf diese Frage wird bereits in diesem Kapitel gegeben: Lean Six Sigma umfasst die beiden Management-Verbesserungskonzepte Lean Management und Six Sigma. Lean Management hat schlanke Prozesse zum Ziel und Gegenstand. Six Sigma strebt fehlerfreie Prozesse und Produkte als Prozess-ergebnisse an (vgl. Töpfer 2007a, S. 45 ff.).

Im Rahmen einer Verbesserung des Kundenmanagements liegt der Beitrag des Konzeptes dann darin, eine kundenorientierte Prozessgestaltung mit möglichst ge-ringer Verschwendung und kurzer Durchlaufzeit (also Lean) sowie möglichst ge-ringer Variation, und damit Streuung, und geringer Abweichung vom Mittelwert des Toleranzintervalls (also Null-Fehler-Qualität) zu erreichen. Unmittelbar beein-flusst werden hierdurch die Kostenstruktur und Qualität der Produkte sowie die Liefer-/ Termintreue gegenüber dem Kunden.

Der Vorteil für den Kunden ist demnach dadurch gegeben, dass er kundenspe-zifische und qualitativ hochwertige, da fehlerfreie Produkte zu einem attraktiven Preis und mit einer schnellen, termintreuen Lieferung erhält. Wie leicht nachvoll-

976 Armin Töpfer, Swen Günther

ziehbar ist, stellt dieser Artikel mit dem Lean Six Sigma-Konzept die „logische“ Ergänzung zu dem Artikel zur Analyse der Anforderungen und Prozesse wertvol-ler Kunden am Beginn des 2. Kapitels dieses Buches dar.

Das Ziel geht entsprechend dahin, Defizite in der Prozessgestaltung aus Sicht der Kunden möglichst frühzeitig und ganzheitlich zu erkennen, um durch nach-haltige Verbesserungsmaßnahmen zum einen die Zufriedenheit des Kunden zu steigern und zum anderen aus Sicht des Unternehmens die Wirtschaftlichkeit zu verbessern, dadurch dass Fehlerkosten ausgemerzt werden und die Umsätze mit fehlerfreien und kundenorientierten Produkten erhöht werden können. Hierdurch lassen sich die Erträge steigern und höhere Überschüsse erzielen. Lean Six Sigma ist also ein Konzept, das wie die meisten Managementkonzepte die Kundensicht und die Unternehmenssicht verbindet. Der markt- und ressourcenorientierte An-satz der Unternehmensführung werden dadurch kombiniert und integriert.

Folgende Erkenntnisse lassen sich nach diesen einführenden Aussagen zusam-menfassen:

• Lean Six Sigma ist auf alle Prozesse anwendbar. • Six Sigma macht die Wertschöpfung besser – Lean Management macht sie

schneller. • Six Sigma verbessert die Prozessfähigkeit und reduziert die Variation/ Abwei-

chung, dadurch dass Fehlerquellen und Fehlerkosten eliminiert wurden. • Lean Management merzt Verschwendung aus und schafft einen „Flow“, also

einen ausschließlich auf Wertschöpfung ausgerichteten Prozessablauf, der nur verschwendungsarme und schnelle Aktivitäten enthält, da er von allen unnöti-gen Phasen und Abläufen befreit ist, und hierdurch insgesamt besser und stö-rungsfrei wird.

• Mit Lean Management lässt sich – mit einem Terminus aus der Elektrotechnik argumentiert – das „Rauschen“ als beeinträchtigendes Hintergrundgeräusch, das die Qualität beeinträchtigt, aus dem Prozess entfernen und Six Sigma aus-schließlich in den Prozessabschnitten, die noch hartnäckige Fehlerquellen und damit Variationen/ Abweichungen aufweisen, besser anwenden.

Abbildung 1 fasst diese beiden sich ergänzenden und teilweise überlagernden Konzepte noch einmal grafisch zusammen. Lean Management ist primär intern ausgerichtet und wirkt durch die Beseitigung von Verschwendung positiv auf den internen Werttreiber „Durchlaufzeit im Unternehmen“, der sich dann auch positiv auf den externen Erfolgsfaktor „Lieferzeit für den Kunden“ auswirkt. Six Sigma ist vom Ansatz her zunächst extern ausgerichtet, weil die kundenorientierte Quali-tät über die Erfüllung der Critical to Quality Characteristics (CTQs) als externer Erfolgsfaktor definiert wird. Im Unternehmen übersetzt wird dieser Erfolgsfaktor durch die internen Werttreiber „Standardisierte Prozesse“ mit möglichst geringer Variation und dadurch bewirkter „Null-Fehler-Qualität“.

Aus dem bisher Gesagten zu den beiden Konzepten sind nicht nur die unter-schiedlichen Ansatzpunkte und Zielrichtungen erkennbar, sondern zugleich lässt sich auf dieser Basis auch die gemeinsame Zielsetzung herausarbeiten. Sie besteht darin, unter dem jeweils fokussierten Blickwinkel Prozesse nachhaltig zu verbes-

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sern. Beide Konzepte schlagen dabei unterschiedliche Wege und Stoßrichtungen ein. Abbildung 2 verdeutlicht die Unterschiede und Gemeinsamkeiten:

• Bei Lean Management werden Wertschöpfungsprozesse in ihrer Gesamtheit einbezogen; häufig wird sogar das gesamte Unternehmen dieser Philosophie „unterworfen“. Das Ziel besteht dann darin, in allen einzelnen Phasen von Wert-schöpfungsprozessen die Verschwendung von Material respektive Vorproduk-ten und damit Kosten und Zeit zu erkennen und zu vermeiden. Der instrumen-telle Ansatz basiert auf der Wertschöpfungsanalyse und dem Wertschöpfungs-design.

Basis: Lutz, Kahlert, Kalms, 2006, S. 239

Lean Management

Ist-Prozess

Soll-Prozess

Optimierter Ist-Prozess Reduzierung der Verschwendung

Obere Grenze

Untere Grenze

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Werttreiber „Standar-disierteProzesse“und „Null-Fehler-Qualität“ für Erfolgs-faktoren„Erfüllte CTQs“und „Kunden-orientierte Qualität“

Werttreiber „Durchlaufzeit“ für Erfolgs-faktor „Lieferzeit für Kunden“

Abb. 1: Kombination der Wirkungen des integrierten Einsatzes von Lean Management und Six Sigma

• Der Six Sigma-Ansatz konzentriert sich von vornherein nur auf Wertschöp-fungsprozesse, bei denen nachweislich Abweichungen von wesentlichen Kun-denanforderungen (CTQs) und damit hohe Fehlerkosten aufgrund unzureichen-der Qualität auftreten. Der Ansatz ist grundsätzlich selektiv. Es werden schwie-rig zu lösende Probleme in der Wertschöpfungskette ausgewählt und mithilfe des DMAIC-Zyklus nachhaltig gelöst.

Auf die inhaltlichen Ansatzpunkte wird in den folgenden Kapiteln detaillierter eingegangen.

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Six Sigma• Ziel: Abweichungen von wesentlichen

Kundenanforderungen (CTQs = Critical to Quality Characteristics) im Prozess messen, verstehen, abbauen und kontrollieren

• Instrument: DMAIC-Zyklus• Ergebnis: Qualität steigern, Durchlaufzeit

verkürzen und Kosten einsparen durch Standards fürfehlerfreie Prozesse und Produkte

Lean Management• Ziel: Komplexität und Verschwendung als

Wertverlust in Prozessen messen, sichtbar machen und abbauen

• Instrument: Wertstromanalyse• Ergebnis: Durchlaufzeit verkürzen

und Kosten einsparen durch standardisierte schlanke Prozesse

Umsetzung in Projekten

Gemeinsame ZielsetzungProzesse nachhaltig verbessern

Abb. 2: Gemeinsames Ziel, aber unterschiedlicher Weg von Lean Management und Six Sigma

2 Ansatzpunkte für höhere Kundenzufriedenheit/ -bindung und mehr Wirtschaftlichkeit

Die Zielrichtung einer höheren Kundenzufriedenheit und -bindung bei gleichzeitig höherer Wirtschaftlichkeit verspricht den Königsweg in Veränderungsprozessen, wenn sie durch Lean Six Sigma realisiert werden kann. Diese Vorgehensweise kennzeichnet zugleich den dualen Ansatz von erfolgreichem Kundenmanagement: Hoch zufriedene, vielleicht sogar begeisterte Kunden bei steigenden Umsätzen und vor allem auch wachsenden Erträgen und Überschüssen. Dass dies erreichbar ist, soll in den nachfolgenden Ausführungen dargelegt werden.

Die (statistische) Forderung des Six Sigma-Konzeptes besteht darin, dass be-zogen auf ein – hochgerechnetes und damit angenommenes – Produktionsvolumen von 1 Mio. Einheiten – in Absolutzahlen – nur 3,4 fehlerhafte Prozessoutputs auf-treten dürfen. Dies entspricht einem Qualitätsniveau von 99,99966% und kenn-zeichnet damit eine praktikable Null-Fehler-Qualität, da kein Prozess auf Dauer absolut fehlerfrei ablaufen kann (vgl. Töpfer 2007a, S. 53 ff.; Harry/ Schroeder 2005).

Viele Anwender begegnen dieser Qualitätsanforderung zunächst mit Skepsis und z.T. Ablehnung. Sie argumentieren, dass das geforderte Niveau praktizierter Null-Fehler-Qualität im Vergleich zu beispielsweise 99% Qualität – dem Quali-

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tätsdurchschnitt der deutschen Wirtschaft – viel zu aufwändig und deshalb praxis-fern ist.

Die Ergebnisse erfolgreicher Six Sigma-Unternehmen insbesondere in den USA zeigen aber genau das Gegenteil: Denn diese restlichen 1% Fehler bei 99% Qualität sind erfahrungsgemäß sehr hartnäckige und kostenträchtige Fehler, die immer nur schwer und mit erheblichem Aufwand zu beseitigen sind. Die Vermei-dung dieser Fehlerkosten durch eine klar fokussierte Six Sigma- respektive Lean Six Sigma-Initiative im Unternehmen spart Kosten der Nachbesserung/ Wieder-gutmachung von Fehlern bis zu 30% der Gesamtkosten bei Dienstleistungsunter-nehmen und bis zu 30% des Jahresumsatzes bei Industrieunternehmen. Von daher verwundert es nicht, dass sowohl Industrieunternehmen als auch Dienstleistungs-unternehmen das Six Sigma-Konzept für Null-Fehler-Qualität anwenden.

Gerade bei Dienstleistungsunternehmen ist die Prozessstandardisierung schwie-riger, und die Einhaltung von Qualitätsstandards bzw. Servicelevels ist weniger von der Maschinensteuerung als vielmehr vom Engagement und Einsatz der Mit-arbeiter abhängig. Der Beitrag von Ritz-Carlton in diesem Buch über die Excel-lence-Strategie sowie den zweimaligen Gewinn des höchsten amerikanischen Qualitätspreises (MBNQA) belegt die Anforderungen an die Konzeptumsetzung, zeigt aber zugleich auch den erreichbaren Erfolg.

Wenn man sich die 7 Formen der Verschwendung vor Augen hält (siehe Abb. 3), die auf die Anwendung des Lean Management Konzeptes bei Toyota zurück-gehen, dann sind die Größenordnungen und Zahlen von möglichen Fehlerkosten bis zu 30% der Gesamtkosten leicht nachvollziehbar. Toyota hat seit vielen Jahren das Lean Management Konzept perfektioniert. Es ist heute als Toyota Produkti-onssystem nicht nur Benchmark in der Automobilindustrie, sondern besitzt inzwi-schen Gültigkeit und Verbreitung in allen Industrien und auch Dienstleistungs-branchen mit einer hohen Anzahl von Transaktionen.

Das Problem in der Unternehmenspraxis ist nicht nur, dass diese Kosten der Verschwendung entstehen. Vielmehr besteht ein weiteres Problem darin, dass die-se Verschwendungskosten, also Blindleistungen, da den Kosten keine Wertschöp-fung als Leistung gegenüber steht, in den wenigsten Unternehmen überhaupt aus-sagefähig und ganzheitlich erfasst werden. In den meisten Fällen werden sie als „notwendiger“ oder „unvermeidlicher“ Teil von Prozessen eingeordnet. Wenn man die Kosten aber nicht transparent macht, können sie auch nicht beeinflusst und beseitigt werden. Hinzu kommt, dass sie in ihrer Entstehung nicht nur in kei-nem direkten Verhältnis zu kundenbezogenen Aktivitäten und damit zum Kun-dennutzen und seiner Steigerung stehen. Im Gegenteil: Manchmal werden durch diese Kosten Barrieren im Kundenmanagement bzw. Kunden-Beziehungslebens-zyklus aufgebaut, die dann kontraproduktiv wirken.

Die Qualitätskosten belaufen sich bei einem Unternehmen mit einem 3σ-Niveau sogar auf bis zu 40% des Jahresumsatzes. Bei einem Weltklasse-Unter-nehmen auf Business Excellence-/ 6σ-Niveau betragen die qualitätsbezogenen Kosten hingegen im Durchschnitt weniger als 1% des Gesamtumsatzes p.a. Hier-aus lässt sich die Erkenntnis ziehen, dass jede Verbesserung des Sigma-Niveaus um 1, also z.B. von 4σ auf 5σ, den jährlichen Netto-Ertrag um über 10% steigert.

980 Armin Töpfer, Swen Günther

ÜberproduktionFrühere, schnellere und größere Menge anProdukten, als vom Kunden verlangt

WartezeitZeit, in der keine wertschöpfendeTätigkeit stattfindet

ProzessübererfüllungTätigkeiten, die weder vom Kunden verlangtwerden, noch zur Wert-schöpfung beitragen

TransportÜberflüssigeMaterialbewegung

BewegungÜberflüssige Bewe-gungen von Arbeitern oder Material inner-halb eines Prozesses

BestandLagerung von Teilen/ Material über die aus Kundensicht erfor-derliche Menge hinaus

NacharbeitWiederholung/ Korrektur eines Prozesses

Basis: Drew/ McCallum/ Roggenhofer 2004, S. 268

Abb. 3: 7 Formen der Verschwendung nach der Toyota-Klassifikation

Damit wird zugleich deutlich, dass der Qualitätsanspruch von Six Sigma in je-der Branche und in jedem Unternehmen eine aus betriebswirtschaftlicher Sicht sinnvolle und leicht nachvollziehbare Zielsetzung und Strategie ist. Dies trifft un-eingeschränkt für Service- und Dienstleistungsunternehmen zu, wie z.B. Logistik-Unternehmen, Versicherungen und Banken, sowie auch für Pharma-, Elektronik-, Automobil- und Maschinenbauunternehmen der produzierenden Industrie.

Das durchschnittliche Qualitätsniveau in der deutschen Industrie liegt, wie be-reits angesprochen, bei einem Sigma-Wert von 3,8, was einer Ausbeute von ca. 99% bzw. einer Fehlerrate von ca. 10.000 PPM (Parts Per Million) entspricht. Die Frage, ob 99% Qualität genug sind, ist heutzutage also rein rhetorisch. Immer mehr Unternehmen haben erkannt, dass sie ohne eine professionell eingeführte Null-Fehler-Qualität erhebliche Chancen zur Steigerung des Jahresüberschusses bei einem konstanten Preisniveau verschenken. Heute ist die Situation aber oft-mals deutlich schwieriger und damit verschärft: Geforderte Preissenkungen kön-nen nur über die Aktivierung von Kosteneinsparungspotenzialen realisiert werden, und zwar vorwiegend durch die Vermeidung von Fehlern und damit Fehlerkosten, wenn gravierende Einschnitte in die Unternehmensgewinne oder die Hinnahme von Verlusten vermieden werden sollen. Dieser sinkende Preis kommt bei gleich bleibend hoher oder sogar steigender Qualität gerade auch den Kunden zugute.

Abbildung 4 zeigt diesen gerade in den letzten Jahren immer wichtiger werden-den Zusammenhang beispielhaft. Er gilt für die Anwendung von Lean Manage-ment, Six Sigma und/ oder Lean Six Sigma gleichermaßen.

Steigerung der Kundenzufriedenheit und -bindung durch Lean Six Sigma-Projekte 981

Preis

Zeit

GesamterKostenblock

zurHerstellung

und Lieferung

von Markt-

leistungen

Optimalerreichbare

Kosten

Optimalerreichbare

Kosten

Optimalerreichbare

Kosten

Optimalerreichbare

Kosten

Periode 1 Periode 2 Periode 3 Periode 4 Periode 5

Gewinnmarge

Gewinnmarge

Kosten schlechter

Qualität

Kosten schlechter

Qualität

GewinnmargeGewinnmarge

Kosten schlechterQualität

Gewinnmarge

Bei Preis-konstanzstrategischer Spielraum

Basis: Krauer, 2001Pr

eisv

erfa

ll +

Six

Sigm

aA

usw

irkun

gen

Abb. 4: Gründe für Lean Six Sigma

Um sich zu verdeutlichen, was 99% Qualität und 1% in Kauf genommenes Fehlerniveau, also 3,8σ, bedeuten im Vergleich zu 6σ, also 99,99966% Qualität, lässt sich eine Reihe von plastischen Beispielen aus dem täglichen Leben anführen (vgl. Töpfer 2007b, S. 177):

• Statt 20.000 verlorene Postsendungen stündlich sind es nur 163,2 pro Tag • Statt 15 Minuten unsauberes Trinkwasser täglich sind es nur 1,8 Minuten im

Jahr • Statt 5.000 falschen chirurgischen Eingriffen in der Woche sind es nur 7,2 im

Monat • Statt 2 zu kurzen oder zu langen Landungen auf den größten Flughäfen täglich

sind es nur 1,241 in 5 Jahren.

Der unmittelbare Bezug zu Kunden und zum Kunden-Beziehungslebenszyklus liegt auf der Hand. Zusätzlich wird praktizierte Null-Fehler-Qualität nicht nur ein Hebel zur Kostensenkung, sondern vermeidet zugleich die Gefährdung von Ge-sundheit und Menschenleben. Ein Niveau von 6σ und mehr ist für das Erreichen von Business Excellence in vielen Wirtschaftsbereichen deshalb zum selbstge-wählten Standard geworden, in Branchen wie z.B. der Flugzeugindustrie, dem Kraftwerksbau und der Medizintechnik bei lebenserhaltenden Geräten ist dieses aus den oben genannten Gründen bereits seit langem zwingend notwendig.

Diese Erkenntnis hat dazu geführt, dass immer mehr Unternehmen Six Sigma-Konzepte umsetzen. Dieser Einführungsprozess vollzieht sich in zwei Richtungen: Zum einen horizontal mit Auswirkung auf die Wettbewerber und zum anderen vertikal mit Auswirkung auf die Lieferanten. Unter dem ersten Aspekt gilt: Wenn ein größeres Unternehmen einer Branche Six Sigma einführt, dann sind es oftmals – im Sinne eines positiven Domino-Effektes – die unmittelbaren Wettbewerber,

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die relativ schnell nachfolgen, um Wettbewerbsnachteile auszugleichen. Der zwei-te Aspekt besagt: Wenn seit einiger Zeit Hersteller wie Ford oder auch Daimler und BMW Six Sigma-Projekte realisieren, dann fordern sie i.d.R. auch zügig, oft-mals sogar im Vorfeld vor der eigenen Anwendung, Null-Fehler-Qualität von ih-ren Lieferanten, wie z.B. Siemens, Honeywell, Johnson Control, Honsel, PVT und Bosch. In diesem Fall sichert es zugleich die Hersteller-Zulieferer-Beziehung und nicht nur ein verbessertes Ertragsniveau.

Zu den Vorreiterunternehmen im Bereich Lean Six Sigma gehören unter ande-ren Xerox, Lockheed Martin, Bank One und Grace (siehe Abb. 5), alles Unter-nehmen, die vorab bereits Ansätze von Lean Management und/ oder Six Sigma realisiert haben. Inzwischen gehen auch General Electric und Motorola, der Urhe-ber des Six Sigma-Konzeptes, dazu über, Lean Six Sigma-Strategien umzusetzen. Der Grund und Hebel ist vor allem dann gegeben, wenn ein Unternehmen wie Ge-neral Electric nicht nur organisch wächst, sondern vor allem auch durch Akquisi-tionen. Dann kommt es darauf an, in relativ kurzer Zeit und mit vertretbarem Aufwand ein positives Integrationsergebnis in der Prozessoptimierung zu errei-chen. Die Mutterunternehmen wollen bei ihren „neuen Töchtern“ ein hohes Quali-tätsniveau über schlanke Prozesse ohne Verschwendung in schnell realisierten und vom Aufwand überschaubaren Projekten umsetzen. Aus diesem Grunde beginnen die Unternehmen heute üblicherweise den Verbesserungsprozess mit Lean Mana-gement Aktivitäten und führen dann nur sehr selektiv – bei den angesprochenen hartnäckigen Qualitätsproblemen – Six Sigma-Projekte durch.

XeroxLaunch von 250 Projekten für sich und Kunden in 2002Investitionen von 14 Mio. US-Dollar in Lean Six SigmaErsparnis im ersten Jahr: 6 Mio. US-Dollar

In den nächsten Jahren steigende Tendenz Lockheed Martin

1998 Operational Excellence Program „LM21“ gestartetUmfasst mehr als 5.000 ProjekteDokumentierte Einsparungen: ca. 4 Mrd. US-Dollar

Bank One JP Morgan ChaseInitiierte in 2002 Verbesserungsprogramm „Focus 2.0“Erhöhte Konzentration auf Lean-ZieleReduzierung der Durchlaufzeiten zwischen 30 und 75 %

Grace / Fresenius Medical CareEinführung von Lean Six Sigma 2005 in den nordamerikanischen Werken Ziel: Bessere Resultate bei kürzeren Fertigungszeiten

Basis: George 2003

Beispiele

Abb. 5: Unternehmen mit Lean Six Sigma

Steigerung der Kundenzufriedenheit und -bindung durch Lean Six Sigma-Projekte 983

3 Wertstromanalyse als Basiskonzept des Lean Managements

Ein Wertstrom beschreibt den Durchlauf eines Produkts durch seine Hauptflüsse. Das sind zum einen der Fertigungsstrom, bildlich geschrieben vom Rohmaterial des Lieferanten bis zum fertigen Produkt in den Händen der Kunden, und zum an-deren der Entwicklungsstrom, vom Produktkonzept bis zum Produktionsstart. He-runtergebrochen auf die Projektebene von Six Sigma entspricht dieses Vorgehen der SIPOC-Analyse, die den Ablauf einer Wertschöpfungsentstehung über die 5 Aggregate Supplier – Input – Process – Output – Customer verfolgt und optimiert (vgl. Töpfer 2007a, S. 81).

Wertströme vollziehen sich nicht nur im produzierenden Bereich, sondern auch in administrativen Prozessen/ Bereichen, z.B. Auftragsabwicklung und Rech-nungswesen. Ein Wertstrom ist im Allgemeinen sehr umfangreich; er erstreckt sich vom Zulieferer des Zulieferers bis zum Kunden des Kunden und bildet die komplette Produktentstehung ab. Dieser Gesamtprozess entspricht dem Supply-Chain-Management, bei dem ausgehend von mehreren Lieferantenebenen die Wertschöpfungsprozesse über den Hersteller zu seinem Vertriebspartner bis zum Endkunden analysiert, mit Informationen versehen, gesteuert und gestaltet werden (vgl. Töpfer 2007c, S. 877 ff.; Werner 2002).

Bezogen auf einen Pkw umfasst dieser Wertstrom folgende Teile: Die Prozess-kette beginnt mit dem Fördern von Eisenerz in Südafrika und endet mit dem ferti-gen Fahrzeug zur Auslieferung an den Kunden. Hieran wird deutlich, dass viele Fabriken, Unternehmen oder Organisationen an einem einzelnen Wertstrom betei-ligt sind.

Es gilt jedoch immer, zunächst das eigene Unternehmen zu fokussieren und in diesem den Entwicklungs- und/ oder Produktionsfluss zu gestalten (vgl. Halmosi/ Löffler/ Vollmer 2005). Darüber hinaus wird das Wertstromdesign auch für die Gestaltung unternehmensübergreifender Prozessketten verwendet (vgl. Womack/ Jones 2003); die Funktionsweise der Methode ist dabei nahezu identisch, wie im Folgenden am Beispiel „Produktionsfluss“ kurz beschrieben wird.

In Abbildung 6 ist ein Auszug einer Wertstromanalyse, und zwar die Auf-nahme des Ist-Prozesses, vereinfacht wiedergegeben. Der Wertstrom kennzeichnet dabei den verschwendungsfreien Durchlauf eines Produktes in seinem Entste-hungsprozess. Hieraus wird nachvollziehbar, dass der Hauptprozess 9 Teilschritte umfasst, die durch einen angedeuteten parallelen Prozess mit 3 Teilschritten er-gänzt werden. In der Realität war der Gesamtprozess dreimal so lang, so dass in Abbildung 6 nur ein Drittel des gesamten Wertstroms abgebildet ist. Im Folgenden geht es nur um die Verdeutlichung der Prinzipien einer derartigen Wertschöp-fungsanalyse und nicht um die Details dieser Herstellung eines Backofens. Die Wertschöpfung ist dann das möglichst verschwendungsfreie Ergebnis eines derar-tigen Wertstroms.

984 Armin Töpfer, Swen Günther

Zulieferer Mantelblech

ZuliefererDeckenblech

Decke schwei-

ßenoben

Boden vor-

schwei-ßen

Boden-ecken

schwei-ßen

Decke vor-

schwei-ßen

Mantel biegenPrüfen

Kanten anquet-schen 2

Mantel pressen

Kanten anquet-schen 1

FIFO FIFO

10.26515

Schichten15

Schichten

ZZ = 3,5sZR = 35 m

OEE =57,2%

Takt = 13sOEE=∅ 62%

48.700

Decken-blech zu-schnei-

den

DarausDeckel

pressen15

Schichten

ZZ = 1sZR = 10 m

OEE =52,6%

Deckel versio-nieren

FIFO

23.50014.400 9.466

18.700

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BO-Steuerer

Forecast + Bestellungen

Forecast + Bestellungen

Bodenblech zuschneiden

Boden pressen

ZZ = 9 s15 Schichten

ZR = 10 mOEE = 52,6%

ZuliefererBodenblech

Mantel versio-nieren

26s 13s3,5s

2,6 BKT

368s

Beispiel

Zulieferer MantelblechZulieferer Mantelblech

ZuliefererDeckenblechZuliefererDeckenblech

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Boden vor-

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Boden-ecken

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Mantel biegenPrüfen

Kanten anquet-schen 2

Mantel pressen

Kanten anquet-schen 1

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Schichten15

Schichten

ZZ = 3,5sZR = 35 m

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Decken-blech zu-schnei-

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DarausDeckel

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Schichten

ZZ = 1sZR = 10 m

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Deckel versio-nieren

FIFOFIFO

23.50014.400 9.466

18.700

6.299

BO-Steuerer

Forecast + Bestellungen

Forecast + Bestellungen

Bodenblech zuschneiden

Boden pressen

ZZ = 9 s15 Schichten

ZR = 10 mOEE = 52,6%

Boden pressen

ZZ = 9 s15 Schichten

ZR = 10 mOEE = 52,6%

ZuliefererBodenblechZuliefererBodenblech

Mantel versio-nieren

26s 13s3,5s

2,6 BKT

368s

Beispiel

Abb. 6: Wertstromanalyse und -design (Auszug)

Für jede Teilzeit werden Kennzahlen angegeben, die Inputgrößen, Bearbei-tungszeiten und Outputgrößen umfassen. Es geht also immer um die Erfassung von Qualitäts- und Zeitgrößen. Sie können zusätzlich auch, was in dieser Dar-stellung nicht wiedergegeben ist, durch Kosten- und Leistungsgrößen ergänzt werden. Hieraus ist dann direkt der Wertzuwachs – oder ggf. auch eine Wertver-nichtung – erkennbar. Im Beispiel gibt es, angedeutet durch die Dreiecke, mehrere Zwischenlager. Sie sind immer ein Kennzeichen dafür, dass ein Prozess bzw. Wertstrom aus technischen, zeitlichen oder ökonomischen Gründen nicht optimal verläuft respektive verlaufen kann. Zusätzlich sind beim dritten Teilschritt die Weitergabestandards im Prozess festgeschrieben. Die zuerst ankommenden Teile werden nach dem FIFO-Prinzip (First In First Out) also zuerst weitergeleitet. Dies entspricht einer normalen Prozess-Abarbeitung.

Auf der Grundlage des analysierten Ist-Wertstroms setzt dann mit dem Wert-stromdesign die Gestaltung und Verbesserung der Wertströme in allen ihren Tei-len an mit dem Ziel optimierter Prozesse. Der Soll-Wertstrom strebt dabei mög-lichst wenig Verschwendung sowie eine hohe Zeit- und Kosteneffizienz an (vgl. Rother/ Shook 2004; Erlach 2007).

Die Vorteile des Wertstromdesigns sind auf der einen Seite im Perspektiven-wechsel zu finden, denn das Wertstromdesign öffnet den Blick für den im Wert-schöpfungsverlauf wesentlichen Fluss. Dazu werden sämtliche Material- und In-formationsflüsse aufgenommen. Technische sowie hierarchische Details blendet das Wertstromdesign nahezu vollständig aus. Insofern ist das Wertstromdesign ei-ne integrative, aber auf der anderen Seite auch systembeschreibende Methode. Die

Steigerung der Kundenzufriedenheit und -bindung durch Lean Six Sigma-Projekte 985

Handhabung gestaltet sich letztlich sehr simpel, auch wenn zu Beginn die Symbo-lik recht ungewohnt erscheint (hierzu sei an dieser Stelle auf die einschlägige Lite-ratur verweisen, z.B. Halmosi/ Löffler/ Vollmer 2005). Die praktische Erfahrung zeigt, dass diese Darstellungsmethode und -symbole schon nach kurzer Anwen-dung ein funktionell praktikables Arbeiten ermöglichen und gleichzeitig ein ge-meinsames Verständnis für den Ist- und den Soll-Zustand vermitteln.

Das Hauptziel des Wertstromdesigns besteht darin, die Ursachen von Ver-schwendungen zu erkennen. Dabei können vor allem die gravierendsten Arten der Verschwendungen, verursacht durch Überproduktion und hohe Bestände, mit-hilfe dieser Methode aufgedeckt werden. Hinzu kommt, dass das Wertstromdesign vor allem „große Hebel“ für die Prozessoptimierung aufzeigt und Handlungsprio-ritäten bestimmt. Das Wertstromdesign beantwortet also die entscheidende Fra-gen: (1.) Welche Maßnahmen sind zuerst durchzuführen, und (2.) welche haben den größten Nutzen für das Gesamtsystem sowie den Kunden?

In der Unternehmenspraxis gibt es zwar häufig genügend Ideen, einen ausge-wählten Prozess in bestimmter Weise zu verbessern. Die Prozessverbesserungen schaffen jedoch selten ausreichend positive Effekte aus der Sicht des Kunden, weil er in die Systembetrachtung und damit in die ganzheitlichen Auswirkungen auf den Wertschöpfungsprozess respektive Wertstrom nicht aktiv einbezogen bzw. be-rücksichtigt wird. Gerade hier liefert die systematische Methode des Wertstromde-signs Ansatzpunkte für Handlungsprioritäten und kann dadurch wie ein „Naviga-tor“ durch einen Lean Management Veränderungsprozess leiten.

4 Kunde, Prozess und Qualität als wichtige Umsetzungstreiber von Lean Six Sigma

Die Frage, die sich jetzt anschließt, nachdem die Philosophie, Notwendigkeit und Verbreitung des Lean Six Sigma-Konzeptes dargelegt und der Beitrag des Wert-stromdesigns erläutert wurde, geht dahin, welches die zentralen Umsetzungstrei-ber von Lean Six Sigma sind.

Auch wenn Six Sigma in vielen Unternehmen als „Breakthrough-Strategie“ be-trachtet wird, stellt der überwiegende Teil des Konzeptes kein völlig neues In-strumentarium dar. Bekannte und bewährte Qualitätsmanagement-Tools, wie z.B. Fehler-Möglichkeits- und -Einfluss-Analyse (FMEA), Ishikawa-Diagramm, Sta-tistische Versuchsplanung (DOE), Quality Function Deployment (QFD) und Sta-tistische Prozesskontrolle (SPC), werden systematisch eingesetzt. Das Besondere ist die stringente Projektmanagement-Methode, die Daten und statistische Analy-sen konsequent nutzt, um die operative Performance des Unternehmens zu messen und zu verbessern, und so praktizierte Null-Fehler-Qualität zu erreichen. Der Vor-stand eines Unternehmens hat es treffend formuliert: Six Sigma ist pfiffiges und professionelles Projektmanagement zur Prozessoptimierung auf fundierter statisti-scher Basis und hat unsere Wettbewerbsfähigkeit deutlich erhöht.

Für Six Sigma-Projekte sind vor allem die drei Umsetzungstreiber „Kunde – Prozess – Qualität“ maßgeblich. Six Sigma ist deshalb ein projektorientiertes Ma-

986 Armin Töpfer, Swen Günther

nagementkonzept, mit dem die wesentlichen Kundenanforderungen (CTQs) über schlanke und effiziente Prozesse für das Unternehmen wirtschaftlich erfüllt wer-den. Die erreichbare Null-Fehler-Qualität führt nicht nur zu Kostensenkungen, sondern über gestiegene Kundenzufriedenheit auch zu Umsatzsteigerungen.

Dieser Dreiklang zwischen Kunde, Prozess und Qualität lässt sich in einem weiteren Schritt nachvollziehen. Die Anwendung von Lean Six Sigma im For-schungs- und Entwicklungsbereich erfolgt mit dem Ziel, ein „robustes Design“ des Produktes zu erreichen, das Komplexität vermeidet, dadurch Fehler reduziert, Prozesse beschleunigt und Kunden nicht zuletzt auch über günstige Preise höher zufrieden stellt. Für Qualitätsmanager ist der Zusammenhang eindeutig: „Kom-plexität ist der Tod jeder Qualität.“ Je komplexer ein Wertschöpfungsprozess also ist, d.h. je weniger lean er ist, und je komplexer ein Produkt als Wertschöpfungs-ergebnis ist, d.h. je mehr Abweichungen von der geforderten Qualität bei ihm auf-treten können, desto wichtiger ist es, ein hohes Qualitätsniveau durch Lean Six Sigma-Konzepte und -Projekte in jedem einzelnen Prozess abzusichern. In der Konsequenz bedeutet dies zugleich aber auch, dass nicht nur Qualität besser ge-monitort wir, sondern dass im Rahmen des CRM zugleich eine möglichst enge Segmentierung relevanter Zielgruppen und genaue Bestimmung ihrer CTQs durchgeführt wird, um relativ einfache und robuste Marktleistungen generieren zu können.

Abbildung 7 verdeutlicht dieses prozessorientierte Zusammenwirken von Six Sigma sowie CRM mit den Hauptzielen Kundenzufriedenheit und Kundenbin-dung. Hieran wird erneut die Integration des extern gerichteten marktorientierten sowie des intern gerichteten ressourcenorientierten Ansatzes der Unternehmens-führung deutlich.

Basis: Oliver 1999; Hermann/ Johnson 1999; Morgan/Hunt 1994; Bouncken 2000; Diller 1996; Homburg/ Becker/ Hentschel 2008

Six Sigma CRMHauptansatzpunkte von

Abb. 7: Zusammenwirken von Six Sigma und Kundenzufriedenheit

Konstant hohe Performance

Hohe QualitätÜberlegene

Zuverlässigkeit

Kurze Durch-laufzeiten

Geringer Lagerbestand

Pünktliche Lieferung

Niedrigere/r Kosten/PreisK

unde

nanf

orde

rung

en Prozess-fähigkeit

Material-eignung

Eignungder Teile K

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t

Prod

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Die

nstle

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ngsb

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ene

inte

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Um

setz

ung

in

Rechtliche/ ökonomische Wechselbarrieren

Soziale Wechselbarrieren

PsychologischeWechselbarrieren

Kun

denb

indu

ng

Loyalität/Treue

Einflüsse der Kauf-/Nutzungssituation(z.B. Verfügbarkeit)

Variety-Seeking-Verhalten

Steigerung der Kundenzufriedenheit und -bindung durch Lean Six Sigma-Projekte 987

Die Philosophie besteht darin, durch eine zielgerichtete Übersetzung der „Stimme des Kunden“ in die „Sprache des Prozesses“ Produkte und Dienstleis-tungen mit hoher Qualität zu erzeugen und so Wirtschaftlichkeit, also Effizienz, mit Kundenzufriedenheit, also Effektivität, zu verbinden (siehe Abb. 8).

VOB(Voice of the

Business)

BusinessIssues

CBRs(Critical Busi-ness Require-

ments)

VOC(Voice of theCustomer)

CustomerIssues

CCRs(Critical Cust-omer Require-

ments)

CTQs(Critical to

Quality)

CTPs(Critical toProcess)

OutputIndicators

Basis: Islam 2003, S. 6

CRM

Six Sigma Wesentliche Kundenanfor-

derungen

• Harmonisierung der Unternehmensprozesse mit den Kundenprozessen

• Das Unternehmen hilft dem Kunden,auf seinen Märkten noch erfolgreicher zu sein

• Harmonisierung der Unternehmensprozesse mit den Kundenprozessen

• Das Unternehmen hilft dem Kunden,auf seinen Märkten noch erfolgreicher zu sein

VOB(Voice of the

Business)

BusinessIssues

CBRs(Critical Busi-ness Require-

ments)

VOC(Voice of theCustomer)

CustomerIssues

CCRs(Critical Cust-omer Require-

ments)

CTQs(Critical to

Quality)

CTPs(Critical toProcess)

OutputIndicators

Basis: Islam 2003, S. 6

CRM

Six Sigma Wesentliche Kundenanfor-

derungen

• Harmonisierung der Unternehmensprozesse mit den Kundenprozessen

• Das Unternehmen hilft dem Kunden,auf seinen Märkten noch erfolgreicher zu sein

• Harmonisierung der Unternehmensprozesse mit den Kundenprozessen

• Das Unternehmen hilft dem Kunden,auf seinen Märkten noch erfolgreicher zu sein

Abb. 8: Die Stimme des Customer und die Stimme des Business

Bezogen auf die 3 Umsetzungstreiber – Kunde, Prozess und Qualität – ist jetzt die Frage zu beantworten, wo ihre jeweiligen Schwerpunkte liegen und wie sie miteinander verzahnt sind. Im Detail geht es darum, über eine enge Beziehung zum Kunden – unterstützt durch CRM – die CTQs zu erkennen und eine operative Excellence durch optimierte Prozesse mit praktizierter Null-Fehler-Qualität zu realisieren, um über eine herausragende Produktqualität – auch durch Innovation – die Produktführerschaft zu erreichen (vgl. Töpfer 2004, S. 17). Die folgende Ab-bildung 9 kennzeichnet auf der Basis der Abbildung 8 die inhaltlichen Schwer-punkte.

Als Zwischenfazit lässt sich folgendes festhalten: Entsprechend der Philosophie „Qualität = Wert für den Kunden“ gewinnt der Kunde durch die Umsetzung eines Lean Six Sigma-Projektmanagements, da seine wesentlichen Anforderungen weit-gehend oder vollständig in Produkten und Dienstleistungen erfüllt werden. Gleich-zeitig gewinnt das Unternehmen, da es im Zuge von Lean Six Sigma-Projekten zu einer effizienteren, also wirtschaftlicheren, Gestaltung der Wertschöpfungsprozes-se gelangt. Dabei steht jeweils die Harmonisierung von Unternehmens- und Kun-denprozessen/ -anforderungen im Vordergrund.

988 Armin Töpfer, Swen Günther

Die „Stimme des Kunden“ (VOC – Voice of the Customer) bildet die Grundlage für jede Six Sigma-Prozessanalyse und Verbesserungsmaßnahme. Sie wird in einer zweiseitigen Analyse an der „Stimme des Unternehmens“ (VOB – Voiceof the Business) gespiegeltDie „kritischen Qualitätsmerkmale“ (CTQ – Critical to Quality Characteristics) definieren die geforderten Prozessergebnisse aus Kundensicht und stellen da-mit die Erfolgsfaktoren des Unternehmens darDie höhere Qualität von (Vor-)Produkten und Dienstleistungen durch (Lean) Six Sigma macht die industriellen Verwender als Kunden auf ihren Märkten erfolgreicher und schafft die Grundlage für ein mehrstufiges „ValueMarketing“

In (Lean) Six Sigma-Projekten wird immer ein zweiseitiger Fokus auf die „Pro-zesslandkarte“ gelegt: Zum einen wird – in einer extern gerichteten Analyse –untersucht, wie zentrale Kundenanforderungen als kritische Erfolgsfaktoren (CTQs) im Ist-Prozess erfüllt werden bzw. zukünftig besser erfüllt werden müssen (Outside-in-Analyse). In einer intern gerichteten Analyse stellt sich zum anderen die Frage, wie die entscheidenden Werttreiber aussehen und die hierfür erforderlichen Kernkompetenzen ausgeprägt sein müssen (Inside-out-Analyse) Die Qualitäts-Vision (aus Kundensicht) ist dann nicht nur im Geschäftsmodell allgemein formuliert, sondern in allen wichtigen Wertschöpfungsprozessen in Form von internen Kunden-Lieferanten-Beziehungen konkret umgesetzt. Dies erfolgt in der Weise, dass in jedem Six Sigma-Projekt SIPOC-Analysen durchgeführt werden, also wesentliche Prozessschritte bezogen auf die Abfolge Lieferant (Supplier), Input, Prozess, Output und Kunde (Customer) durchleuchtet werden. Hierbei werden Output-, Prozess- und Inputmess-größen festgelegt, die den geforderten Outcome erreichenWas ein Fehler ist, wird in Abhängigkeit von den zentralen Kundenan-forderungen (CTQs) und dann auch auf der Basis der Unternehmensstrategie definiert. Beide werden in interne Prozess- und Leistungsstandards umge-setzt, um sich von den maßgeblichen Wettbewerbern zu differenzieren

Das erklärte Ziel von Six Sigma ist – wie ausgeführt – praktizierte Null-Fehler-Qualität. Aus statistischer Sicht entspricht dies einer Fehlerquote von 3,4 Feh-ler pro 1 Mio. Fehlermöglichkeiten. Die Grundlage für die Berechnung bildet die Standardnormalverteilung. Dabei liegen 99,99966% der Gut-Teile (= Aus-beute) in einem (Toleranz-)Bereich von ± 6σ bei einer Mittelwert-Verschiebung von ± 1,5σDer Toleranzbereich für Qualität wird durch die – entsprechend den Kunden-anforderungen (CTQs) – vom Kunden akzeptierten Abweichungen definiert. Verkleinert wird der Toleranzbereich nur dann, wenn die internen Prozess-/ Leistungsstandards – entsprechend der Unternehmensstrategie – „härter“ for-muliert werdenDie Minimierung der Prozessstreuung innerhalb des definierten Toleranzbe-reichs und die Zentrierung der Prozesslage, also das Sicherstellen der Pro-zessfähigkeit zur abweichungsfreien Einhaltung der CTQs, stehen im Zentrum aller Six Sigma-Verbesserungsaktivitäten

Der Prozess im (Lean) Six Sigma-Konzept:

Die Qualität im (Lean) Six Sigma-Konzept:

Der Kunde im (Lean) Six Sigma-Konzept:1

2

3

1

2

3

1

2

3

Die „Stimme des Kunden“ (VOC – Voice of the Customer) bildet die Grundlage für jede Six Sigma-Prozessanalyse und Verbesserungsmaßnahme. Sie wird in einer zweiseitigen Analyse an der „Stimme des Unternehmens“ (VOB – Voiceof the Business) gespiegeltDie „kritischen Qualitätsmerkmale“ (CTQ – Critical to Quality Characteristics) definieren die geforderten Prozessergebnisse aus Kundensicht und stellen da-mit die Erfolgsfaktoren des Unternehmens darDie höhere Qualität von (Vor-)Produkten und Dienstleistungen durch (Lean) Six Sigma macht die industriellen Verwender als Kunden auf ihren Märkten erfolgreicher und schafft die Grundlage für ein mehrstufiges „ValueMarketing“

In (Lean) Six Sigma-Projekten wird immer ein zweiseitiger Fokus auf die „Pro-zesslandkarte“ gelegt: Zum einen wird – in einer extern gerichteten Analyse –untersucht, wie zentrale Kundenanforderungen als kritische Erfolgsfaktoren (CTQs) im Ist-Prozess erfüllt werden bzw. zukünftig besser erfüllt werden müssen (Outside-in-Analyse). In einer intern gerichteten Analyse stellt sich zum anderen die Frage, wie die entscheidenden Werttreiber aussehen und die hierfür erforderlichen Kernkompetenzen ausgeprägt sein müssen (Inside-out-Analyse) Die Qualitäts-Vision (aus Kundensicht) ist dann nicht nur im Geschäftsmodell allgemein formuliert, sondern in allen wichtigen Wertschöpfungsprozessen in Form von internen Kunden-Lieferanten-Beziehungen konkret umgesetzt. Dies erfolgt in der Weise, dass in jedem Six Sigma-Projekt SIPOC-Analysen durchgeführt werden, also wesentliche Prozessschritte bezogen auf die Abfolge Lieferant (Supplier), Input, Prozess, Output und Kunde (Customer) durchleuchtet werden. Hierbei werden Output-, Prozess- und Inputmess-größen festgelegt, die den geforderten Outcome erreichenWas ein Fehler ist, wird in Abhängigkeit von den zentralen Kundenan-forderungen (CTQs) und dann auch auf der Basis der Unternehmensstrategie definiert. Beide werden in interne Prozess- und Leistungsstandards umge-setzt, um sich von den maßgeblichen Wettbewerbern zu differenzieren

Das erklärte Ziel von Six Sigma ist – wie ausgeführt – praktizierte Null-Fehler-Qualität. Aus statistischer Sicht entspricht dies einer Fehlerquote von 3,4 Feh-ler pro 1 Mio. Fehlermöglichkeiten. Die Grundlage für die Berechnung bildet die Standardnormalverteilung. Dabei liegen 99,99966% der Gut-Teile (= Aus-beute) in einem (Toleranz-)Bereich von ± 6σ bei einer Mittelwert-Verschiebung von ± 1,5σDer Toleranzbereich für Qualität wird durch die – entsprechend den Kunden-anforderungen (CTQs) – vom Kunden akzeptierten Abweichungen definiert. Verkleinert wird der Toleranzbereich nur dann, wenn die internen Prozess-/ Leistungsstandards – entsprechend der Unternehmensstrategie – „härter“ for-muliert werdenDie Minimierung der Prozessstreuung innerhalb des definierten Toleranzbe-reichs und die Zentrierung der Prozesslage, also das Sicherstellen der Pro-zessfähigkeit zur abweichungsfreien Einhaltung der CTQs, stehen im Zentrum aller Six Sigma-Verbesserungsaktivitäten

Der Prozess im (Lean) Six Sigma-Konzept:

Die Qualität im (Lean) Six Sigma-Konzept:

Der Kunde im (Lean) Six Sigma-Konzept:1

2

3

1

2

3

1

2

3

Abb. 9: Umsetzungstreiber von Lean Six Sigma

Steigerung der Kundenzufriedenheit und -bindung durch Lean Six Sigma-Projekte 989

5 Durchführung von Six Sigma-Projekten auf der Basis des DMAIC-Zyklus

Auf die bei Six Sigma-Projekten zentrale Frage, wie ein derartiges Vorhaben in einem standardisierten Verbesserungsprozess durchgeführt wird, gehen wir an-schließend nur kursorisch ein, um das Verständnis für den inhaltlichen Ablauf und die damit verbundenen Anforderungen sicherzustellen.

Alle Six Sigma-Projekte folgen einem standardisierten Ablauf, der auf dem klassischen Deming-Zyklus PDCA (Plan, Do, Check, Act) basiert. Der hieraus abgeleitete DMAIC-Zyklus für die Durchführung von Six Sigma-Projekten hat die in Abbildung 10 aufgeführten Phasen und Inhalte (vgl. Töpfer 2006, S. 238 ff.).

Basis: Harry/Schroeder 2000

Define Was ist das Problem?

Measure Wie lassen sich die Aus-wirkungen messen?

Analyse Was sind die Ursachen für das Problem?

Improve Wie lässt sich das Problem beseitigen?

Control Wie wird die Verbesserungin der Praxis verankert?

Hauptanforderungen desKunden als CTQ definieren

Relevante Wirkungs- undErgebnisgrößen in der Praxismessen

Wichtigste Ursachen mit Hilfevon Statistiken analysierenund priorisieren

Verbesserung/ optimaleLösung erarbeiten undumsetzen

Hauptursachen für das Auftreten des Problemsdauerhaft beseitigen

Basis: Harry/Schroeder 2000

Define Was ist das Problem?

Measure Wie lassen sich die Aus-wirkungen messen?

Analyse Was sind die Ursachen für das Problem?

Improve Wie lässt sich das Problem beseitigen?

Control Wie wird die Verbesserungin der Praxis verankert?

Hauptanforderungen desKunden als CTQ definieren

Relevante Wirkungs- undErgebnisgrößen in der Praxismessen

Wichtigste Ursachen mit Hilfevon Statistiken analysierenund priorisieren

Verbesserung/ optimaleLösung erarbeiten undumsetzen

Hauptursachen für das Auftreten des Problemsdauerhaft beseitigen

Abb. 10: DMAIC als Six Sigma-Prozess im Projekt

Die Denkweise in Six Sigma-Projekten korrespondiert mit den 5 Fragestel-lungen in Abbildung 10 und zielt darauf ab, ein gravierendes Problem zu einem Projekt zu machen und in der Projekt Charter möglichst exakt auszuformulieren. Auf der Basis von Outputmessgrößen, die in ihrer Ausprägung sehr nah an den ge-forderten CTQs sein sollen, wird in der Measure-Phase aus dem realen Problem ein statistisches Problem. Auf der Grundlage ermittelter Daten für die Output-, Prozess- und Inputmessgrößen werden im Rahmen der Analysephase die Hauptur-sachen des Problems statistisch herausgefiltert und empirisch überprüft und mög-lichst eindeutig herausgearbeitet.

Jedes Six Sigma-Projekt folgt damit der Philosophie und Formel: y = f(x). Sie besagt, dass zum einen ein Problem y die Folge aus mehreren negativen Ursachen (x) ist. Genauso lässt sich zum anderen die anschließend erarbeitete Problemlö-sung als positive Wirkung auf die Realisierung eines Sets von Verbesserungsmaß-

990 Armin Töpfer, Swen Günther

nahmen zurückführen. Diese Beziehungen gilt es in Six Sigma-Projekten mög-lichst aussagefähig zu erkennen und zu gestalten.

In diesem Zusammenhang sind also die Abhängigkeiten in Form von Ursachen-Wirkungsbeziehungen aufzudecken. Die Überprüfung gültiger Zusammenhänge zwischen dem Output und dem Input erfolgt durch statistische Tests. Eine statisti-sche Lösung wird in der Improve-/ Design-Phase erarbeitet und getestet, z.B. durch prozessorientierte Output-Simulationen. Die gefundene Lösung wird in der Control-/ Verify-Phase in die reale Anwendung überführt sowie im Anschluss qualitätsgesichert, kontinuierlich überwacht und verbessert.

Zu Beginn der Measure-Phase werden auf der Grundlage der ermittelten CTQs die elementaren Output-, Prozess- und Inputmessgrößen abgeleitet, um die Referenzleistung des aktuellen Prozesses, also die Werte der Ausgangssituation (Null-Messung), so genau wie möglich zu quantifizieren und „zu verstehen“. Dies erfolgt unter der Voraussetzung, dass ein CTQ zwar i.d.R. direkt über die Output-messgrößen messbar ist, aber seinerseits wiederum von Prozess- und Inputvariab-len abhängt. Im Rahmen von Six Sigma-Projekten besteht das vorrangige Ziel dar-in, diese Ursachen-Wirkungsbeziehungen aufzudecken und optimal einzustellen. Die Ableitung von Messgrößen zur Bestimmung der Prozesseffektivität und -effi-zienz ist damit die zweite zahlenorientierte Systematik von Six Sigma.

Abbildung 11 veranschaulicht zum besseren Verständnis der Prozessstruktur das grundsätzliche Vorgehen zur Messgrößen-Bestimmung in Six Sigma-Projek-ten. Die Nähe zur Grundstruktur bei der vorstehend behandelten Wertstromanaly-se wird hieraus nachvollziehbar. Dabei wird deutlich, dass die Prozessanalyse – zum Herausfinden von wichtigen Ursachen für Qualitätsprobleme und Fehlerkos-ten – und der Prozessablauf – mit dem Ziel zur systematischen Gestaltung und Verbesserung zu Null-Fehler-Qualität – immer entgegengesetzt gerichtet sind und damit auch so ablaufen. Im übertragenen Sinne „messen wir also in den Prozess hinein“, um, vom Output kommend, über geeignete Messgrößen und aussagefähi-ge Daten ein Verständnis über das Ausmaß der Wirkungen (Probleme und Fehler) sowie die Intensität der möglichen Ursachen (systematische und zufällige) zu be-kommen.

Auf der Basis der gemessenen Ist-Daten und des ermittelten Sigma-Niveaus er-folgt in der Analyse-Phase eine detaillierte Auswertung der aktuellen Performan-ce. In diesem Zusammenhang gilt es insbesondere, die Hauptursachen von Fehlern zu bestimmen und darauf basierende Verbesserungsmöglichkeiten abzuleiten. Konkret werden folgende drei Schritte durchlaufen:

1. Entwickeln einer detaillierten Prozessdarstellung und Analyse des Ist-Prozesses unter Verwendung von Zeit-, Wertschöpfungs- und Flussanalysen

2. Durchführen einer Ursachen-Wirkungsanalyse, um potenzielle Ursachen für Fehler aufzudecken und ggf. weitere Messpunkte zu definieren

3. Aufdecken von Zusammenhängen zwischen den abhängigen Variablen und den unabhängigen Einfluss- und Ursachenfaktoren durch eine Datenanalyse.

Im Detail geht es jetzt also darum, den Prozess aufzuschlüsseln. Dies geschieht in der Weise, dass der Ablauf analysiert wird, wie die Outputmessgrößen durch die Gestaltung und Steuerung der Prozess- und Inputmessgrößen zustande kom-

Steigerung der Kundenzufriedenheit und -bindung durch Lean Six Sigma-Projekte 991

men. Die möglichen Fehler bei den Ergebnissen werden dadurch auf die beiden Ursachenebenen Prozess und Input zurückverfolgt.

Output

Output-Messgrößen

Prozessablauf

Prozessanalyse/ Ursachen für Qualitätsprobleme/ Fehlerkosten

Anfor-derungen

Input Prozess

Lieferant Unternehmen

CTQsKunde

Zufrie-denheit

CTQsKunde

!

Gestaltung/ Verbesserungen zu Null-Fehler-Qualität

Input-Messgrößen Prozess-Messgrößen

Output

Output-Messgrößen

Prozessablauf

Prozessanalyse/ Ursachen für Qualitätsprobleme/ Fehlerkosten

Anfor-derungen

Input Prozess

Lieferant Unternehmen

CTQsKunde

Zufrie-denheit

CTQsKunde

!

Gestaltung/ Verbesserungen zu Null-Fehler-Qualität

Input-Messgrößen Prozess-Messgrößen

Abb. 11: Messgrößen-Bestimmung bei Six Sigma-Projekten

Die Analyse-Phase ist damit die „Kernphase“ des DMAIC-Zyklus, denn ohne tiefgehende und aussagefähige Ursachenanalyse für Fehler sind im Allgemeinen keine Verbesserungsmaßnahmen mit großer Hebelwirkung möglich. Als Fehler wird, wie bereits angesprochen, definiert, wenn die erwarteten Ergebnisse eines Prozesses nicht erreicht werden, und zwar in Bezug auf die zuvor festgelegten De-finitionen und Standards im Rahmen der Unternehmensstrategie und/ oder die er-mittelten wesentlichen Kundenanforderungen, also die CTQs.

Mit der Quantifizierung von Verbesserungsmöglichkeiten folgen direkt – wie oben beschrieben – die beiden Phasen Improve und Control. Durch die gezielte Behebung von Fehlerursachen und die Einleitung von prozessbezogenen Verbes-serungsmaßnahmen soll in der Unternehmenspraxis das Sigma-Niveau durch das Six Sigma-Projekt beträchtlich gesteigert und durch die Vermeidung von Fehler-kosten die Ertragssituation nachhaltig verbessert werden.

Typischerweise liegen die erwirtschafteten Netto-Einsparungen durch ein der-artiges Projekt in der Praxis bei ca. 125.000 Euro. Gemessen wird dieser Net Be-nefit nur auf der Basis liquiditätswirksamer Kosteneinsparungen und/ oder Um-satzsteigerungen unter Abzug der durch das Projekt und seine Akteure verursach-ten Kosten. Eine Steigerung der Kundenzufriedenheit ist eine wünschenswerte qualitative Wirkung eines Six Sigma-Projektes. Sie wird aber im Net Benefit nur erfasst, wenn der zufriedene Kunde dann wieder kauft oder auch andere Produkte des Unternehmens kauft (Cross-Buying). Der Messzeitraum erstreckt sich dabei

992 Armin Töpfer, Swen Günther

lediglich auf die ersten 12 Monate nach Projektabschluss. In dieser Periode muss ein Projekt ein entsprechend hohes Netto-Ergebnis einbringen, unabhängig davon, dass normalerweise Einsparungen auch nach dem 1. Jahr weiterhin eintreten (vgl. Töpfer 2007a, S. 89 ff.).

6 Beitrag zur wirkungsvollen Umsetzung von CRM im Unternehmen

Die entscheidende Frage im Rahmen des Kundenmanagements ist die, welchen Beitrag Lean Management und Six Sigma-Projekte für ein besseres CRM leisten. Hierauf wird abschließend und zusammenfassend noch einmal kurz eingegangen (siehe Abb. 12).

Die beiden Verbesserungskonzepte Lean Management und Six Sigma in iso-lierter und kombinierter Form führen zu Prozessverbesserungen. Sie steigern die Qualität der Prozessergebnisse, also die Produkte in internen und externen Kun-den-Lieferantenbeziehungen. Hierdurch werden Verschwendung und Fehlerkosten reduziert. Da die wesentlichen Kundenanforderungen (CTQs) besser erfüllt wer-den, lassen sich Kundenzufriedenheit und -bindung steigern. Hieraus ergeben sich positive Wirkungen auf den Umsatz und die erwirtschafteten Überschüsse des Un-ternehmens. Die erfüllten qualitativen Erwartungen des Kunden steigern also im Endeffekt die quantitativen Ergebnisse des Unternehmens.

Kundenbindung

WesentlicheKunden-

anfor-derungen

Verschwen-dung

Fehler-kosten

Prozessverbesserung/ -optimierung durch Lean Management – Wertstromanalyse/ -design

Six Sigma – DMAIC-Verbesserungszyklus

Kundenzufriedenheit

Qualität der Prozessergebnisse

CTQs

Unter-nehmens-

überschuss

Umsatz

Qualitative Erwartungen des

Kunden

Lean Six Sigma schafft die Basis für wirkungsvolles CRMLean Six Sigma schafft die Basis für wirkungsvolles CRM

Quantitative Ergebnisse für das

Unternehmen

Kunden-reaktionen

Unternehmens-aktionen

CRM

CRM

CRM

CRMSixSigma

SixSigma

SixSigma

CRM

Six Sigma

LeanManage-ment

Abb. 12: Vereinfachte Wirkungskette von (Lean) Six Sigma

Steigerung der Kundenzufriedenheit und -bindung durch Lean Six Sigma-Projekte 993

7 Literatur

Bouncken, R. (2000): Vertrauen – Kundenbindung – Erfolg?, in: Bruhn, M./ Stauss, B. (Hrsg.): Dienstleistungsmanagement Jahrbuch 2000 – Kundenbeziehungen im Dienst-leistungsbereich, Wiesbaden 2000, S. 3-22.

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© Prof. Dr. Armin Töpfer

Wir über uns M+M Six Sigma Akademie Die M+M Six Sigma Akademie wurde im Jahr 2004 von Prof. Dr. Armin Töpfer gegründet und unterstützt seitdem namhafte Unternehmen aus Produktion und Dienstleistung bei der erfolgeichen Anwendung und Einführung von Six Sigma. Sie bietet Ihnen aus einer Hand alles was Sie brauchen, um einen Einstieg und Ausbau von Six Sigma erfolgreich zu vollziehen. Dazu gehört unser Angebot aller Formen der Six Sigma Qualifizierung vom Basisseminar und Essential Seminar über Champion Training, Green Belt Training, Black Belt Training bis hin zum Master Black Belt Training. Andererseits gehört dazu die aktive Leitung/Unterstützung von Six Sigma Projekten im Rahmen unseres Angebotes Six Sigma Consulting. Darüber hinaus verfügen wir über weitgehende Erfahrungen bei der Integration von Six Sigma in Ihr Unternehmen vom QM-System bis hin zur Kopplung an Strategie, Controlling- und Zielsysteme. Profitieren Sie von unserer langjährigen Six Sigma Erfahrung sowohl im Produktions- als auch im Dienstleistungsbereich.

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