Steinhauser-Karl-Die Legale Mafia_Geheimbuende in Österreich_1989

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  • DIELEGALEMAFIA

  • Copyright by Dr. Karl Steinhauser, Eigenverlag, Wien.Management: Dr. S. Gruber, Bro tr Kommunikation und Marketing (BKM), Wien.Herstellung: Ueberreuter - Buchproduktion, Korneuburg.

    VORWORT

    Anno 1789 - vor genau 200 Jahren - gab es ein Ereignis, das fr diewestliche Welt von entscheidender Bedeutung war: Die franzsischeRevolution. Der Siegeslauf, den die Demokratie damals von Parisaus antrat, vernderte nicht nur die Herrschaftsstrukturen der mei-sten Lnder in Europa grundlegend, er prgte auch die Freiheitsphi-losophie der Vereinigten Staaten von Amerika.Eine hnliche Entwicklung zeichnet sich heute im Osten ab. Was vorwenigen Jahren noch als Unmglichkeit galt, wird vor den Augeneiner staunenden Weltffentlichkeit im Blitztempo von nur einigenWochen zur politischen Realitt.Ermutigt durch die Perestrojka der Fhrungsrnacht Sowjetuniongehen in einem Ostblockstaat nach dem anderen pltzlich Hundert-tausende Menschen auf die Strae, um aus ihren Lndern das zumachen, was diese dem Namen nach schon lngst htten seinsollen:Volksdemokratien.Noch nie hat es auf dieser Erde eine derartige Intensitt an Freiheits-bestrebungen gegeben wie heute. Die ganze Menschheit scheint aufdem besten Wege zu sein, alle Ketten endgltig zu sprengen. Esnimmt daher keineswegs wunder, wenn die demokratische Euphorieimmer mehr um sich greift und selbst skeptische Zeitgenossen sichdavon berzeugen lassen, da Diktatur und Despotie nur nochfinstere Kapiteln der Vergangenheit sind.Diesem Optimismus kann ich mich leider nicht anschlieen. Micherinnert die momentane Jubelstimmung frappierend an die politischeSituation im Sommer 1936. Damals schaute die ganze Welt faszi-niert auf Berlin, wo es der Nazi-Propaganda vortrefflich gelang, mitdem Friedensspektakel einer perfekt organisierten Olympiade vonder Tatsache abzulenken, da die Installierung eines Totalitrregi-mes von massenmrderischer Dimension in Deutschland bereits imvollen Gange war.Fr mich ist auch das heutige Demokratietrommelfeuer blo einAblenkungsmanver der Krfte, die vorgeben, die Menschheit zubefreien, in Wirklichkeit jedoch noch mehr unterdrcken wollen.Nach allem, was ich als Redakteur einer Tageszeitung, als Parla-

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  • mentsberichterstatter und in den letzten Jahren als engagierterBrgerrechtskmpfer im eigenen Land erlebt, mit eigenen Augengesehen und aus verllichen Insider-Informationen erfahren habe,bin ich sogar der festen berzeugung, da die Gefahrder Menschen,von Machthabern total beherrscht zu werden, allen Demokratisie-rungswellen zum Trotz heute noch um vieles grer ist als im Jahre1936. Und das gilt nicht nur fr Deutschland und das brige Europa,sondern fr die ganze Welt.Denn die Chancen der Brger, der drohenden Weltdiktatur zuentgehen, haben sich seit damals durch einen entscheidendenUmstand wesentlich verschlechtert: Adolf Hitler hat es sichtlichgenossen, seine unumschrnkte Herrscherrolle in aller ffentlichkeitzu demonstrieren, die Potentaten unsererTage ziehen die Fden derMacht lieber im Geheimen.Der Fhrer des Grodeutschen Reiches war daher sichtbar undsomit auch angreifbar. Die "Hitlers von heute" sind es hingegen nicht.Dies zu ndern, solange dazu noch die Mglichkeit besteht, ist dasZiel dieses Buches.

    Wien, in den Jahren 1989/1990 Karl Steinhauser

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    1. KAPITEL

    Im Herbst 1979 fanden zwischen Spitzenfunktionren des Wirt-schaftsbundes, einer Teilorganisation der "sterreichischen Volks-partei" (VP), und mir in meiner Eigenschaft als Sprecher der "Ge-meinschaft freier Selbstndiger" Gesprche mit dem Ziel statt, derpolitisch bedrngten Privatwirtschaft in unserem Lande durch einegemeinsame ffentlichkeitsarbeit mehr Gehr und Respekt zu ver-schaffen.Auf Ersuchen der Gesprchspartner legte ich ein "Politmarketing -Konzept fr sterreichs Wirtschaft" vor, das der Interessenvertre-tung der Wirtschaft die Mglichkeit bieten sollte, in der ffentlichkeithnlich erfolgreich zu agieren, wie der sterreich ische Gewerk-schaftsbund.Fr die Verwirklichung dieses Konzepts wurde ein Jahresbudgetvon rund sieben Millionen Schilling errechnet. Zwei Millionen Schil-ling htte die "Gemeinschaft freier Selbstndiger" aufgebracht, mitfnf Millionen sollten Wirtschaftsbundorganisationen die Aktivittenfinanzieren.Das Projekt scheiterte am Veto eines Mannes: Wiens Wirtschafts-bund- und Handelskammerchef Ing. Karl Dittrich. Er behauptete, dieWirtschaftstreibenden htten ohnehin eine erfolgreiche Interessen-vertretung und knnten auf Leute wie mich verzichten. Sein Stand-punkt: Meine Gruppe solle ruhig mit einer eigenen Liste bei der be-vorstehenden Handelskammerwahl kandidieren. Der Wirtschafts-bund knne dabei nur gewinnen.Wiens Kammerprsident war offensichtlich davon berzeugt, daihm die Kandidatur einer Liste unzufriedener Wirtschaftstreibendernicht im mindesten schaden knnte. Im Wirtschaftsbund rechneteman damit, da eine solche "Splittergruppe" bestenfalls ein Prozentder Stimmen erreichen wrde.Kenner des komplizierten Wahlrechts bei Handelskammerwahlen

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  • vertraten sogar die Auffassung, unsere Gruppe wrde sich mit einereigenen Liste ohnedies nur blamieren, aller Voraussicht nach wr-den wir nicht einmal die Bedingungen fr die Einreichung der Kandi-datur erfllen knnen.

    Tatschlich gibt es kein Wahlrecht, das an kandidierende Gruppenderartige Anforderungen stellt wie die Handelskammerwahlordnung.Um berhaupt auf den amtlichen Stimmzettel aufgenommen zu wer-den, mu jede Liste Untersttzungserklrungen von etwa zwei Pro-zent aller Wahlberechtigten und Kandidaten - Zustimmungserklrun-gen von rund ein Prozent der Wahlberechtigten einbringen, wobei injeder der 168 Fachgruppen eine ganz bestimmte Zahl von Unter-schriften und Kandidaten zu erbringen ist.

    Trotz dieses enormen brokratischen Aufwandes hatte sich die "Ge-meinschaft freier Selbstndiger" entschlossen, zumindest in Wiendie Kandidatur einer eigenen Liste zu organisieren: Eine berpartei-liche Protestliste, die "Brgerprotestliste gegen die erfolglose Inter-essenvertretung der Wirtschaftstreibenden."

    Damit sollten unzufriedene Wirtschaftstreibende Gelegenheit erhal-ten, gegen die SCheinvertretung ihrer Interessen mit einem gltigenStimmzettel zu protestieren.

    Allein die Ankndigung der Kandidatur dieser berparteilichen Br-gerprotestliste veranlate Dittrich zu einer totalen Kehrtwendungseiner Propaganda: Er, der mich als Scharfmacher angeprangert,meine Parolen und Aktionen - insbesondere die LKW-Blockade -stets verurteilt hatte, gab sich in Anbetracht der drohenden Konkur-renzliste jetzt auf einmal selbst als kompromiloser Streiter gegendie Belastungspolitik der damals sozialistischen Bundesregierung.

    In einer vierseitigen Massenpublikation ("Wirtschaft in Aktion"), die inAufmachung und Inhalt unserer Zeitschrift "Blitz" zum Verwechselnhnlich sah, hie es: "Das Ma ist voll! Wirtschaftstreibende wehrtEuch! Wir haben die Nase voll!"

    Dittrich mute jedoch bald erkennen, da ihm kaum jemand diesenSinneswandel abnahm. Dafr sorgte schon das Nachrichtenmaga-

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    zin "profil" Nr.3/1980 ("Die Geschfte des Herrn Dittrich"), aus des-sen Bericht klar hervorging, da sich Wiens Kammerprsident eineechte Auseinandersetzung, mit dem politischen Gegner gar nichtleisten knne, weil er privat Millionengeschfte mache, deren Zu-standekommen vom Wohlwollen einflureicher SP-Funktionreabhngig sei.

    Dafr sorgte aber auch eine, an alle Wiener Wirtschaftstreibendeversandte "Blitz"-Nummer, in der unter dem Motto "Wir brauchenkeine Dittrichs - wir brauchen Mnner wie Julius Raab" das Doppel-spiel des Kammerprsidenten aufgezeigt und die Frage gestelltwurde: "Herr Prsident Dittrich, fr wie dumm halten Sie uns Wirt-schaftstreibende eigentlich?"Dittrich hat die schweren Anschuldigungen des "profil" nie widerlegt.Er hat auch zu den im "Blitz" erhobenen Vorwrfen mit keinem WortStellung genommen. Den drohenden Verlust von Whlerstimmenvor Augen, begann er vielmehr, ganz andere Saiten der "Wahlwer-bung" aufzuziehen.Dittrich und seine Leute bombardierten die Mitglieder des Komiteesfr die Kandidatur der Brgerprotestliste mit Telefonanrufen. Zweckder Anrufe: Meine Person sollte in Mikredit gebracht werden unddie Mitglieder des Komitees sollten sich von mir distanzieren.

    Als auch dieser Versuch milang, startete der Wiener Wirtschafts-bund gegen mich eine beispiellose Hetzkampagne. In mehrerenAussendungen, die an alle Wiener Wirtschaftstreibende gingen,wurde ich unter anderem wrtlich bezeichnet als:Erpresser. Betrger, zweifelhafte Existenz, die fr Privatgeschfteden Namen Julius Raab in den Schmutz zieht. Ein Mann, der mitMafia-Methoden arbeitet. Ein Mann, der die Wirtschaft ins Chaoszieht und den Staat ruiniert, wie das schon einmal geschehen ist.

    Die Initiatoren dieser Hetzkampagne brauchten sich vor einer Verur-teilung durch das Gericht nicht zu frchten, da - wie sich spter her-ausstellte - der Verantwortliche fr den Inhalt, Ing. Karl Dittrich, alsAbgeordneter zum Nationalrat Immunitt geniet.

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  • Trotz dieser massiven Diffamierungskampagne ist es den Organisa-toren der Kandidatur der Brgerprotestliste gelungen, die Werbungfr Untersttzungserklrungen mit unvermindertem Erfolg fortzuset-zen. Bis Dittrich und seine Leute zu einem noch wirksameren Mittelgriffen:

    In der Zeitung "Der Wirtschaftstreibende" Nr.4/1980 wurden unterdem Titel "VORSICHT! Keine Unterschriften fr dubiose Listen!" alleWiener Wirtschaftstreibenden davor gewarnt, Untersttzungserkl-rungen fr die Brgerprotestliste zu unterschreiben.

    Die Werber dieser Listen wrden sich die Unterschriften "erlisten"und dabei sogar betrgerische Methoden anwenden, hie es in demAufruf. Dadurch war es fr viele Werber fast unmglich, Unterstt-zungserklrungen zu bekommen. "Nein, bei einem Betrug macheich nicht mit!" hie es immer wieder.

    Ein Taxler meinte: "Wissen Sie, ich mchte ja gerne unterschreiben,aber meine Frau hat in der Zeitung gelesen, da man eingesperrtwird, wenn man fr die Brgerprotestliste unterschreibt."

    Trotz all dieser Versuche, die Kandidatur der berparteilichen Br-gerprotestliste abzuwrgen, gelang es den Organisatoren, am 10.Mrz 1980 Wahlvorschlge fr 47 Fachgruppen frist- und ordnungs-gem einzureichen. Insgesamt wurden 1400 Untersttzungserkl-rungen und rund 800 Kandidaten-Zustimmungserklrungen abgege-ben.

    Damit wre die Brgerprotestliste fr 67 Prozent aller Wiener Wirt-schaftstreibender whlbar gewesen. Mit einer solchen Menge hattenDittrich und seine Leute nie gerechnet. Jetzt mute daher unbedingtein Weg gefunden werden, um die Kandidatur der Brgerprotestlisteauf so weiter Basis im letzten Augenblick doch noch zu verhindern.Die Lsung des Problems lie nicht lange auf sich warten:Parteiabhngige Innungssekretre und Innungsmeister schwrmtenmit bereits vorgedruckten Rcktrittserklrungen aus, um die Kandi-daten der Brgerprotestliste zu drngen, ihre Unterschriften rck-gngig zu machen.

    Mit welchen Methoden dabei gearbeitet wurde, zeigten nachtrgli-che Telefongesprche, die "Lucona"-Bestsellerautor Hans Prette-rebner - er war damals noch Herausgeber der "Politischen Briefe" -mit Kandidaten der Brgerprotestliste gefhrt hatte. Diese Telefona-te sind auf Tonband aufgenommen worden. Hier nur einige Beispie-le:Bernd F., DruckereigewerbeHerr F., Sie haben ursprnglich die Brgerprotestliste untersttztund sich auch als Kandidat fr diese Liste zur Verfgung gestellt. In-zwischen haben Sie Ihre Unterschrift aber wieder zurckgezogen.Wie kam es dazu?Bernd F.: Dr. Inmann, der Sekretr meiner Innung, mit dem ichschon fter zu tun gehabt habe, hat mich angerufen.Was hat Dr. Inmann gesagt?Bernd F.: Er hat mich gefragt, ob ich ernsthaft fr diese Liste kandi-diert habe.Ihre Antwort?Bernd F.: Zuerst habe ich gesagt: "Sicher!". Aber dann hat er mir er-klrt, da das nicht gesund fr mich ist.Inwiefern nicht gesund. Was meinte er damit?Bernd F.: Es ist halt nicht gut. Mit einer Innung, in der man selbstdrinnen ist, ist es nie gut, wenn man sich anlegt.Haben Sie daraufhin zu erkennen gegeben, da Sie allenfalls bereitwren, Ihre Kandidatur auch wieder zurckzuziehen, oder hat Dr.Inmann gleich vorgeschlagen, da er vorbeikommt bei Ihnen?Bernd F.: Er hat gesagt, er kommt vorbei auf ein Plauscherl, weilsowas macht man nicht am Telefon.Was war dann, als er bei Ihnen war?Bernd F.: Da hat er mir dann diese Rcktrittserklrung vorgelegt mitden sechs Punkten.Hat er gemeint, da man jetzt einen Grund finden mu fr die Zu-rckziehung? Hat er Sie gefragt, welchen Grund Sie angeben wol-len?Bernd F.: Die Grnde waren ja schon vorgedruckt. Ich habe mirdann ohnehin den Punkt 5 ausgesucht, den harmlosen, wo nichtsdrinnen ist, da Sie sich als etwas anderes ausgegeben haben oder

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  • so.Hat Sie Dr. Inmann gefragt, ob Sie bei den Fotografen diese Rck-trittserklrung auch unterschreiben?Bernd F.: Ja. Ob er allerdings die Unterlagen mitgehabt hat, weiich nicht. Auf jeden Fall hat er gewu t, da ich da auch eine Unter-sttzungserklrung unterschrieben habe. Ich habe aber gesagt, beiden Fotografen ziehe ich die Unterschrift nicht zurck. Und bei derWerbung auch nicht.Und wie war das mit dem Gewerbeschein?Bernd F.: Na ja, eine Hand wscht die andere! Sie wissen ja, wennSie einen Beruf zwar nicht erlernt haben, ihn aber lange genugausgebt haben, zum Beispiel als Geschftsfhrer einerGes.m.b.H., dann knnen sie ihn trotzdem kriegen. Aber die Beur-teilung, ob da zwei Jahre gengen oder fnf, das bleibt der Innungberlassen. Und da tu ich mir natrlich jetzt leicht!Hat Dr. Inmann versprochen, da Sie den Gewerbeschein kriegen?Bernd F.: Die mndliche Zusage habe ich bekommen!

    Ing. Herbert B., Installateur

    Herr B., Sie haben die Brgerprotestliste untersttzt. Was ist seithergeschehen?Ing. Herbert B.: Ich wurde von allen Seiten bombadiert, meine Un-terschrift wieder zurckzuziehen. Mein Telefon ist buchstblich hei-gelaufen.Wer hat Sie konkret angerufen und was hat man Ihnen gesagt?Ing. Herbert B.: Der Innungsmeister selbst hat mich auch angerufen.Was hat er Ihnen gesagt?Ing. Herbert B.: Ich soll das sofort rckgngig machen. Er wollte mirsofort einen Sekretr herausschicken, der mir diese Verzichtserkl-rung bringt.Wie haben Sie darauf reagiert?Ing. Herbert B.: Ich habe ihm gesagt, er soll das bleiben lassen. Zu-erst war ich zwar schon bereit, meine Unterschrift wieder zurckzu-ziehen, weil es mir nicht gefallen hat, da das einen so groenWirbel verursacht hat.Sie haben den Verzicht aber dann doch nicht unterschrieben?

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    Ing. Herbert B.: Nein. Es ist mir ganz einfach zu bld geworde.n,d~die gar so interessiert daran waren, da ich meine Unterschnft wie-der zurckziehen soll.

    Alois H., Schuhmachermeister

    Sie haben durch Ihre Unterschrift die Kandidatur dieser Brgerpro-testliste untersttzt, Ihre Untersttzung dann aber widerrufen. War-um?Alois H.: Ja, ich habe mich ursprnglich entschlossen, diese Liste zuuntersttzen. Aber ich habe gedacht, das ist mehr oder weniger an-onym. Dann hat man mich von der Innung aus angerufen und michber alles informiert.Was hat man Ihnen gesagt bei dem Anruf?Alois H.: Schauen Sie, meine Firma ist von Sozialversicherungstr-gern abhngig, und das ist natrlich all~s politisch verknpft. Des-halb habe ich diesen Verzicht unterschneben.Aber Sie haben unterschrieben, da Sie "irregefhrt" worden seien.Wurden Sie von der Brgerprotestliste irregefhrt?Alois H.: Nein, nur insofern, da ich gedacht habe, da es so etwaswie ein Wahlgeheimnis gibt. Ich mchte nicht ins Gerede kommen.

    Karl Kurt F., Gastwirt

    Sie sind als Kandidat fr die Brgerprotestliste aufgestellt worden.Ist nach der Einreichung des Wahlvorschlages bei der Hauptwahl-kommission in diesem Zusammenhang irgendetwas passiert?Karl Kurt F.: Ja. Von der Kammer hat mich einer angerufen, ob ichmir das Ganze wohl gut berlegt habe, usw.Wie haben Sie darauf reagiert?Karl Kurt F.: Ich habe den Herrn gefragt, ob er mich einschchternwill.Was sagte der Anrufer dann?Karl Kurt F.: Er sagte: "Schreien Sie mich nicht gleich an, ich bin [anur ein Angestellter und habe von der Kammer den Auftrag, SI~darauf aufmerksam zu machen, worauf Sie sich da einlassen mitdieser Unterschrift!"

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  • Wie war Ihre Antwort?Karl Kurt F.: Ich habe gesagt: "Wollen Sie mir drohen, oder was? Ichbin grojhrig, und worauf ich mich einlasse, ist ganz allein meineAngelegenheit!"Sie haben also keinen Verzicht auf Ihre Kandidatur unterschrieben?Karl Kurt F.: Nein, selbstverstndlich nicht!

    Fritz R.: Ich habe gesagt, da das in Ordnung geht. Der Mann vonder Wahlkommission hat darauf das Gesprch beendet und aufge-legt.War der Fall damit erledigt?Fritz R.: Nein, denn kurze Zeit spter, meldete sich wieder ein Man~von der Kammer, der sich mit Dr. Wessely vorstellte. Er stellte mirdieselbe Frage noch einmal.Was haben Sie ihm daraufhin gesagt?Fritz R.: Ich habe ihn darauf aufmerksam gemacht, da sich ohne-hin schon jemand von der Wahlkommission bei mir gemeldet hatund da meine Unterschrift in Ordnung geht.Wie reagierte Dr. Wessely darauf? .. ..Fritz R.: Er sagte: "Ja, ich wei." Aber viele von Jenen, die ursprung-lich die Unterschrift leisteten, htten in der Zwischenzeit ihre Unter-sttzung wieder zurckgezogen. Ob ich das nicht auch tun wolle?Was sagten Sie ihm? ... .Fritz R.: Ich habe gesagt, da ich der Ansicht bin, da diese Listedie Mglichkeit zur Kandidatur haben sollte. D~.~essely. beg~nndaraufhin mit mir zu diskutieren. Er meinte, damit wurden die Kraftezersplittert.Was war Ihre Antwort darauf? .Fritz R.: Ich meinte, da man die Wahl einmal abwarten sollte. ~elder Stimmenauszhlung she man dann ja ohnehin mehr. Ich mein-te, da diese Liste vielleicht sowieso nicht genug Stimmen zusam-menbringt.Und wie lautete Dr. Wesselys Meinung dazu?Fritz R.: Dr. Wessely sagte, man sollte es gar nicht so weit komm~nlassen. Er wolle die Mglichkeit einer Zersplitterung von vornhereinausschalten und er wolle das bereits vor der Wahl geklrt haben.Das hat Dr. Wessely wirklich gesagt?Fritz R.: Ja!

    Edith B., RestaurantbesitzerinFrau B., Sie haben eine Untersttzungserklrung fr die Kandidatureiner Brgerprotestliste gegen die e~folglose Interess~nvertretungder Wirtschaftstreibenden unterschneben. Hat man Sie nach Ihrer

    Walter K., Schuhmachermeister

    Sie haben sich als Kandidat der Brgerprotestliste zur Verfgunggestellt. Was ist daraufhin passiert?Walter K.: Zuerst kam ein Anruf von der Innung. Man fragte mich, obich berhaupt wei, was ich da unterschrieben habe?Wie war Ihre Antwort?Walter K.: Ich habe gesagt: "Ja natrlich, ich mchte das unterstt-zen!"Was geschah weiter?Walter K.: Dann kam der Innungsmeister zu mir und machte mirVorwrfe. Er sagte: "Du kandidierst ja direkt gegen mich!" Da habeich die Kandidatur dann zurckgezogen, weil ich keine Zeit dazuhabe. Die Untersttzung dieser Liste bleibt jedoch aufrecht!Es war Ihnen aber doch von Anfang an klar, da Sie sich durch IhreUnterschrift auch um ein Mandat bewarben?Walter K.: Ja, und ich bin auch dafr, da endlich etwas geschieht.Aber warum haben Sie dann unterschrieben, da Sie "irregefhrt"worden seien und da Sie Ihre Kandidatur wieder zurckziehen?Walter K.: Ich will keinen Streit.

    Fritz R., Elektro-Installateur

    Sie haben die Kandidatur der Brgerprotestliste fr die kommendenHandelskammerwahlen untersttzt. Was ist seither geschehen?Fritz R.: Ich erhielt einen Telefonanruf von der Wahlkommission. DerHerr am Telefon sagte, er habe zu prfen, ob die Unterschriften, diefr diese Brgerprotestliste gegeben wurden, auch echt sind. Erfragte mich, ob das mit meiner Unterschrift in Ordnung gehe.Was haben Sie dem Herrn darauf gesagt?

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  • Unterschriftsleistung noch einmal angerufen?Edith B.: Ja, von der Innung.Was wollte man von Ihnen?Edith B.: Ich wurde gefragt, ob ich wei , worum es dabei berhauptgeht?Was gaben Sie zur Antwort?Edith B.: "Ja sicher", habe ich gesagt, "sonst htte ich ja wohl nichtunterschrieben !"Was war dann? Hat der Herr von der Innung dann wieder aufge-legt?Edith B.: Nein. Er hat mir erklrt, was das fr eine Gruppe ist, unddas sie erst seit kurzem besteht. Er hat mir auch gesagt, wer da an-geblich dahintersteht, usw.Hatten Sie den Eindruck, da man Sie berzeugen will, Ihre Unter-schrift wieder zurckzuziehen?Edith B.: Ja natrlich wollte man das. Aber wenn ich einmal etwasunterschrieben habe, dann bleibe ich auch dabei. Das habe ich demHerrn auch gesagt.Hat er sich damit zufriedengegeben?Edith B.: Es ist ihm ja nichts anderes briggeblieben!

    Siegfriede S., Gastwirtin

    Frau S., Sie haben die Kandidatur der Brgerprotestliste untersttztund Sie haben sich sogar als Kandidatin zur Verfgung gestellt.Spter haben Sie Ihre Unterschriften wieder zurckgezogen. Washat es denn da in der Zwischenzeit gegeben?Siegfriede S.: Es ist jemand von der Innung zu mir gekommen undhat mir erklrt, wer da dahintersteckt. Er hat mir gesagt, da dasganze von den Lastwagenfahrern ausgeht, die damals diese Blok-kade gemacht haben. Er hat mich gefragt, ob ich das alles eigentlichwei?Was haben Sie ihm geantwortet?Siegfriede S.: Ich habe ihm gesagt, da ich so genau nicht Bescheidgewu t habe.Wie ging das Gesprch dann weiter?Siegfriede S.: Ich habe gesagt, da ich der Meinung bin, da es not-

    wendig wre, da endlich etwas fr uns Wirtschaftstreibende ge-schieht, da wir nur zahlen mssen und es geschieht fr uns nichts.Aber er hat gesagt, da es nicht gut fr mich ist, wenn ich da mitma-che. "Alle anderen haben auch schon zurckgezogen", hat er ge-sagt und mich gefragt: "Was machen Sie? Bleiben Sie unter diesenUmstnden dabei?"Und wie haben Sie sich am Ende entschieden?Siegfriede S.: Ich habe gesagt: "Na ja, dann lege ich es halt auchzurck, wenn es mir schadet, nicht?" - Das kann ich mir ja nicht lei-sten!

    Heinrich B., Gastwirt

    Sie haben die Kandidatur der Brgerliste fr die Handelskammer-wahl untersttzt. Hat nachher auch Sie jemand von der Hauptwahl-kommission angerufen?Heinrich B.: Nein, von einer Wahlkommission war keine Rede. Aberdie Gastgewerbeinnung hat sich gemeldet.Was wollte man von Ihnen wissen?Heinrich B.: Ich wurde gefragt, ob ich darber informiert bin, was ichda eigentlich unterschrieben habe?Was haben Sie dem Anrufer geantwortet?Heinrich B.: Ich habe gesagt: "Ja, natrlich!"Hat der Anrufer daraufhin das Gesprch beendet und aufgelegt?Heinrich B.: Nein, er hat mit mir diskutiert und wollte mir hinterrckseinreden, da ich da vielleicht im falschen Glauben irgendwas unter-schrieben htte.Sind Sie drauf eingegangen?Heinrich B.: Nein. Ich habe ihm vielmehr gesagt, da ich deshalbunterschrieben habe, weil ich mit meiner Vertretung durch dieKammer nicht zufrieden bin, und da ich - auer, da ich Kammer-umlage zahlen mu - nie gemerkt habe, da es berhaupt eineKammer gibt.Was hat der Anrufer darauf gesagt?Heinrich B.: Er hat nichts mehr gesagt. Er war konsterniert.Hatten Sie den Eindruck, da er Sie anfangs gern dazu bringenwrde, Ihre Unterschrift wieder zurckzuziehen?

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  • Heinrich B.: Ja sicher. Sonst htte er mich ja gar nicht anzurufenbrauchen!

    sagt: "Ja, selbstverstndlich!"Wie war die Antwort des Herrn von der Bckerinnung?Rudolf K.: Er sagte: "Dann mu ich das mit Bedauern zur Kenntnisnehmen!"Gertraude K., Wschereibesitzerin

    Frau K., Sie haben sich ursprnglich als Kandidatin fr die Brger-protestliste zur Verfgung gestellt. Jetzt hat Sie die Hauptwahlkom-mission aber als Kandidatin wieder gestrichen und vermerkt, Siehtten fr eine Kandidatur keine Zeit. Wie kam es dazu?Gertraude K.: Ein Herr von der Handelskammer hat mich angerufenund gesagt: "Ich mchte Sie nur aufmerksam machen, da die an-deren Kandidaten schon alle ihre Kandidatur zurckgezogen haben.Die sind schon gestrichen, weil Sie keine Zeit haben. Nur Sie blei-ben als einzige brig. Wollen Sie das wirklich machen?"Was haben Sie darauf gesagt?Gertraude K.: Unter diesen Umstnden mu ich mir das berlegen.Dann hat der Herr gesagt, er kommt vorbei und ich mu ihm unter-schreiben, da ich auf ein Mandat aus Zeitmangel verzichte. Unddas habe ich dann auch unterschrieben.

    Viktoria S., Gastwirtin

    Sie haben die Kandidatur der Brgerprotestliste fr die Handelskam-merwahlen untersttzt und Sie waren auch als Kandidatin fr dieseListe nominiert. Diese Kandidatur haben Sie in der Zwischenzeitwieder zurckgezogen. Warum? Was ist da passiert?Viktoria S.: Der Herr Kommerzialrat Schneider war bei mir. Gesternist er gekommen und hat gesagt: "Du, wir haben gesehen, da Dubei dieser Brgerprotestliste aufgestellt bist. Wir haben geglaubt,uns trifft der Schlag. Das kannst Du doch nicht machen", hat ergesagt.Was haben Sie ihm darauf geantwortet?Viktoria S.: "Was das kann ich nicht machen", habe ich gesagt."Was bildet ihr euch denn eigentlich ein ..."Was war weiter?Viktoria S.: Der Schneider hat noch einen mitgebracht von der Kam-mer und der hat am Schlu dann gesagt: "Na, dann unterschreibwenigstens, da Du nicht kandidierst!"

    Rudolf K., Bckermeister

    Herr K., Sie wurden als Kandidat fr die Brgerprotestliste aufge-stellt. Was ist nachher passiert?Rudolf K.: Ein Herr von der Bckerinnung hat mich angerufen.Mit welcher Begrndung?Rudolf K.: Er hat mich gefragt, ob ich diese Unterschrift vielleichtnicht freiwillig gegeben habe, ob ich irgendwie beeinflut worden binoder ob man mir da irgendetwas erzhlt hat?Wie war Ihre Antwort?Rudolf K.: Ich habe dem Herrn gesagt, da ich aus freien Stckenunterschrieben habe!War die Unterredung daraufhin zu Ende?Rudolf K.: Nein, es gab ein lngeres Hin und Her. Ich wurde auchgefragt, ob ich glaube, da sich dadurch etwas ndert.Haben Sie Ihre Kandidatur dann zurckgezogen?Rudolf K.: Nein. Der Anrufer hat mich zum Schlu zwar noch einmalgefragt, ob ich bei meiner Unterschrift bleibe. Ich habe darauf ge-

    Hermine B., Gastwirtin

    Sie haben die Kandidatur der Brgerprotestliste gegen die erfolglo-se Interessenvertretung der Wirtschaftstreibenden untersttzt. Siehaben diese Untersttzungserklrung am 13. Februar eigenhndigunterschrieben und Ihren Stempel draufgedrckt. Knnen Sie sichnoch daran erinnern?Hermine B.: Ja.Was ist seither geschehen? Hat Sie nachher jemand angerufen?Hermine B.: Nein. Es waren zwei Herren vom Magistrat hier.Und was wollten die Herren vom Magistrat?Hermine B.: Nichts. Ich habe ihnen nur unterschreiben mssen, daich da nicht mitmache.

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  • Warum sollten Sie da nicht mitmachen?Hermine B.: Das wei ich jetzt nicht mehr genau.Knnte es sein, da die Herren nicht vom Magistrat, sondern vonder Handelskammer gewesen sind?Hermine B.: Das wei ich nicht mehr. Ich kenne mich da jetzt ber-haupt nicht mehr aus... (Frau B. unterbricht das Gesprch und ber-gibt den Telefonhrer ihrem Mann).Herr B., wie war das mit den zwei Herren, was sagten die Ihnen?Herr B.: Weil die Leute, die diese Untersttzungserklrungen unter-schrieben haben, nicht gengend ber alle Zusammenhnge aufge-klrt waren, hat die Handelskammer diese Scheine wieder alle ein-gezogen. Soviel ich mich erinnern kann, wurde etwas von achtStck hier in unserer Gegend gesagt.Knnen Sie sich erinnern, was die Herren genau gesagt haben?Herr B.: Es wurde gesagt, da da eine ffentliche Betrugssache mitUnterschriften gemacht worden ist.Das hat man Ihnen gesagt?Herr B.: Ja. Es hat lauter alleinstehende Frauen betroffen. Wir ha-ben daher unterschrieben, da die Unterschriften unwissend gege-ben worden sind.

    um daraus nicht einen skandaltrchtigen Elefanten zu machen, aus-gerechnet an diesem Tage keinen Platz fr einen Bericht hatten.Abgesehen davon war die Information alles nur nicht aktualittsge-bunden. Darber htte man auch nchsten Tag, nchste Woche, jasogar noch spter die interessierte ffentlichkeit unterrichten kn-nen. Selbst heute - fast zehn Jahre nach diesem beispiellosen Vor-kommnissen - mte ein Reporter, dessen journalistisches Moralge-fhl durch die Alltagsarbeit noch nicht ganz abgestumpft ist, direktdarauf aus sein, den Fall aufzurollen.Ich bin auch davon berzeugt, da dies nach Erscheinen dieses Bu-ches geschehen wird. Damals hat sich kein redaktioneller "Hund"gemeldet. Von bestimmten Zeitungen hat mich das nicht berrascht.Zum Beispiel vom "Kurier". Obwohl ich dort jahrelang innenpoliti-scher Redakteur war, hat der Artikelschreiber ber mich und dieHandelskammerwahlen nur eine Riesenfalschmeldung gebracht."Vernichtende Niederlage fr Steinhauser" oder so hnlich war derBericht dreispaltig bertitelt und offensichtlich zu einer Zeit verfat,zu der das Wahlresultat noch gar nicht vorliegen ..konnte. Soschwach war unser Abschneiden nmlich gar nicht: Uber fnf Pro-zent im Durchschnitt, in manchen Fachgruppen bis 15 Prozent derStimmen - trotz Wahlbehinderung, wie man sie wirklich nicht mehrrger machen kann.Bei Zeitungen wie dem "Kurier" konnte man sich das Vertuschendes Demokratieskandals noch erklren. Er wollte offensichtlich demPrsidenten der Wiener Handelskammer nicht weh tun. Aber was istmit den ganzen Blttern, die diese Rcksichtnahme nicht zu beach-ten haben und auch nicht beachten?Zum Beispiel das "profil". Ing. Alfred Worm - damals noch absoluterSpitzenreiter in der Hitliste journalistischer Sprnasen hatte in seinerStory "Die Geschfte des Herrn Dittrich" sogar sehr scharf den Kam-merprsidenten unter Beschu genommen. Er hat mich danach so-gar telefonisch gefragt, ob ich auer den von ihm verffentlichtenFakten noch etwas Belastendes ber Dittrich wte.

    Das waren nur einige Beispiele der Telefonate, die mit Kandidatender Brgerprotestliste gefhrt wurden. Die Tonbandprotokolle berdiese Gesprche wurden an alle Parteizentralen und Parlament-klubs der Sozialistischen Partei sterreichs (SP), FreiheitlichenPartei sterreichs" (FP) und sterreichischen Volkspartei (VP)weitergegeben.

    Auerdem wurden die Austria Presse Agentur (APA), der sterrei-chische Rundfunk (ORF) und alle Tageszeitungen ber diesen De-mokratieskandal ausfhrlich informiert. Trotzdem erschien darbernichts. qiese ungeheuerlichen Vorflle wurden von der gesamtenPresse Osterreichs lckenlos totgeschwiegen!

    Finden Sie nicht auch, werter Leser, da kann doch etwas nicht stim-men. Da mu doch etwas faul sein. Es kann doch kein Zufall sein,da alle Journalisten, denen sonst kein politischer Floh zu klein ist,

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  • Die jeder Demokratie hohnsprechenden Ereignisse bei den Han-d~ls~ammerwahlen waren doch wohl belastendes Material gegenDittrich genug. Warum hat sie der enthllungsfreudige Ing. Wormdann nicht publik gemacht?

    Man mu sich auch die Frage stellen: Warum haben die Konkur-renzparteien der OVP geschwiegen? Fr diese htte es doch einpolitisches Fressen sein mssen, der Volkspartei, die fr dieseVorflle die Hauptverantwortung trug, eins auszuwischen. Das ht-t~ sie allein.s~hon deshalb reizen mssen, weil in dem ganzen Fallnicht nur Dlttrlch, sondern auch ein zweiter Spitzenmann der VPverwickelt war: Der Star-Anwalt Dr. Michael Graff, damals "Rechts"-Berater vom Kammerbo Dittrich. Ich setze "Rechts" bewut unterAnfhrungszeichen, denn den Rechtsbeugeumstnden bei derMass~neinholung von Rcktrittserklrung zufolge mte es richti-gerweise Unrechtsberater heien.

    Um die Rolle aufzuzeigen, die Michael Graff als rechtlicher Beob-a~hter oder rechtlicher Exekutor damals spielte, lud ich die Medienmit den lockenden Titel "Ist Michael Graff der J.R. der VP?" zueiner Pressekonferenz ein. Auch darber wurde nichts berichtetob~ohl Graff zu dieser Zeit bereits VP-Generalsekretr war. Heu~te Ist der Mann, der Dittrich beim grten Demokratieskandal recht-lich beraten hat, sogar Vorsitzender des Justizausschusses.

    D~s darf doch alles nicht wahr sein, da stimmt doch etwas nicht!Dieser Kommentar wird sich Ihnen sicherlich auch bei den Vorfllenaufdrngen, ~.iesic~ i~ Zusammenhang mit einer anderen Kampag-ne ergaben, uber die Ich Ihnen als nchstes berichten mchte.

    2. KAPITEL

    Es war im Jahre 1986. Der inzwischen verstorbene SozialministerAltred Dallinger, Marxist und eindeutiger ..Linksauen in der SP-FPO-Regierung, schickte sich an, durch Anderung des Arbeitsver-fassungsgesetzes die Mitbestimmung in sterreichs Betrieben krf-tig auszuweiten. Seine damals in Wirtschaftskreisen berchtigten"29 Punkte" sahen unter anderem vor, da die Gewerkschaftennoch wesentlich mehr in die Betriebe hineinregieren knnen.

    Die Interessenvertreter der Wirtschaft waren in einer echten Zwick-mhle. Sie wollten gegen diese Ausweitung der Mitbestimmung mitallen politischen Geschtzen aufkreuzen, wuten jedoch von vorn-herein, da so etwas nur schiefgehen kann.

    Mitbestimmung ist nmlich inzwischen ein derartiges Zauberwortgeworden, da whlerheischende Parteien schon ehrfurchtsvoll sa-lutieren, wenn sie den Begriff nur hren. Es war daher damit zurechnen, da die VP in die Knie geht, wenn Sozialminister Dallin-ger an sie - noch dazu vor einer bevorstehenden Nationalratswahl -die Gretchenfrage stellt: "Wollt ihr die Mitbestimmung: ja oder nein?"

    Bei dem groen Umfallerrisiko der VP wre fr die Wirtschaft imgnstigsten Falle das von dieser Partei gern strapazierte "Jein!" her-ausgekommen, das sie dann unter dem Druck einer ffentlichkeit,die sich mit solchen vagen Aussagen erfahrungsgem nicht zufrie-den gibt, hchstwahrscheinlich ohnehin in ein klares Ja verwandelthtte.

    Da die Wirtschaft von der Interessenvertretung her mit der VP so-viel wie verheiratet ist, mute sie befrchten, da sie mit ihrem leichtumstimmbaren Partner in dieser Frage auf verlorenen Posten stand.~owohl die Bundeswirtschaftskammer als auch die VereinigungOsterreichischer Industrieller machten sich daher bereits mit derrealistischen Resignationsstrategie vertraut, den Kampf gegen diedrohende Mitbestimmungsexpansion im Verhandlungswege nach

    22 23

  • den Regeln eines geordneten Rckzugs zu fhren. Das heit, manwre schon froh gewesen, den Sozialminister wenigstens in einpaar Punkten zur Kompromi bereitschaft zu bewegen.

    In der praktisch aussichtslosen Ausgangsposition startete die "Ak-tion Vorbild sterreich", deren Generalsekretr ich war, eine Kam-pagne, die nicht auf Defensive, sondern ausschlielich auf Offensi-ve ausgerichtet war.

    Wir wuten, wir mssen die kritiklose PositiveinsteIlung der ffent-lichkeit zum Problem der Mitbestimmung berzeugend in Zweifelziehen, sonst hat der Sozialminister leichtes Spiel: Er braucht immernur die im vorhinein entschiedene Frage "Mitbestimmung - ja odernein" zu stellen. Wir muten eine andere Frage in die ffentlicheDiskussion bringen, in der die Mehrheit der Bevlkerung uns rechtgibt. Eine solche Frage konnte nur lauten: Wer soll unsere Betriebefhren: Manager oder Funktionre?

    Wie sehr diese Fragestellung die politische Position der Wirtschaftverbesserte, konnten bereits einige Anrufe bei willkrlich aus demTelefonbuch entnommenen Nummern zeigen. Whrend die telefoni-sche Abstimmung ber die erste Frage, bei der es um Zustimmungoder Ablehnung der Mitbestimmung ging, dem Sozialminister rechtgab, antworteten bei unserer Frage "Wer soll unsere Betriebe fhren......?" fast alle angerufenen Telefonteilnehmer: Die Manager!

    Die meisten von den Befragten brauchten da berhaupt nicht vielnachzudenken. "Die Funktionre sollen in der Politik bleiben, in denBetrieben haben sie nichts verloren" bekam man immer wieder zuhren.

    So kam die PETITION 100 zustande. Als wir nmlich auch Spitzen-manager der Wirtschaft ber diese Kampagne informierten und siefragten, ob sie bereit wren, zu unterschreiben, dafr einzutreten,da in sterreich eine Volksabstimmung ber diese Frage stattfin-det, wenn Dallinger mit seinem Gesetz durchkommt. Die Antwortwar durchwegs spontan: Ja!

    Sogar sozialistische Vorstandsdirektoren von verstaatlichten Betrie-

    ben wollten unterschreiben. In der Sorge, sie knnten von ihrerPartei zum Widerruf motiviert werden, nahmen wir von solchenUnterschriften Abstand. Die Zustimmung war derart gro, da wirschon in wenigen Tagen das Plansoll von 100 Persnlichkeitenbeisammen hatten. Einer Verffentlichung der PETITION 100 aufbreiter Basis stand nichts mehr im Wege.

    Die erste Aussendung ging als vierseitiges Flugblatt, auf Hochglanz-papier gedruckt, mit einem persnlichen Begleitbrief zunchst an70.000 Meinungsbildner in ganz Osterreich. Der Text des Flugblat-tes lautete:nderung des Arbeitsverfassungsgesetzes. Topmanager appellie-ren an den Nationalrat. PETITION 100. Es geht um eine fr allesterreicher entscheidende Frage. "Wer soll unsere Betriebe fh-ren: Manager oder Funktionre?"Das waren die Headlines. Der Kleintext lautete: 100 Persnlichkei-ten der Wirtschaft richten im Zusammenhang mit der geplanten n-derung des Arbeitsverfassungsgesetzes an den Nationalrat folgen-de Petition:Die Funktion eines Betriebsrates besteht darin, fr die Wahrung derRechte der Arbeitnehmer im Betrieb einzutreten. Die vom Sozialmi-nister angestrebte nderung des Arbeitsverfassungsgesetzes gehtber diese Funktion weit hinaus.Sie rumt Interessenvertretern der Arbeitnehmer unter anderem dasRecht ein, betriebsnotwendige Entscheidungen der Unternehmens-leitung zu behindern, ja sogar verhindern zu knnen. Das ist keineVerleihung zustzlicher Kontrollfunktionen. Das ist bereits einebertragung von Geschftsfhrungsfunktionen.Es geht daher bei dieser Gesetzesnderung nicht - wie in der f-fentlichkeit flschlich anqsnornmen wird - um die Frage, ob die Kon-troll rechte der Betriebsrte in Osterreich ausgebaut werden sollen.Es geht vielmehr bereits um die fr unsere Gesellschaftsordnungfundamentale Frage: Wer soll unsere Betriebefhren: MANAGERoder FUNKTIONRE?

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  • Die Beantwortung dieser Frage ist fr die Zukunft jedes sterrei-chers von derartiger Bedeutung, da sie nicht Politikern, sondernder Bevlkerung berlassen werden sollte. Die Unterzeichner rich-ten daher fr den Fall, da unsere Arbeitsverfassung nach denVorstellungen von Sozialminister Dallinger gendert wird, an denNationalrat den Appell, ber diese wichtige Gesetzesnderung eineVolksabstimmung zu beschlieen.

    Die Rckseite enthielt die Namen und Funktionen der Unterzeichnerder PETITION 100, darunter viele bekannte Namen auch aus derWirtschaftswissenschaft. Zur Veranschaulichung der Serisitt die-ser Liste nehme ich in alphabetischer Reihenfolge nur einige derNamen heraus:

    Monika ASSMANN, Geschftsfhrerin der Firma "Modenmller".Univ.Prof. Dr. Alois BRUSATTI, Vorstand des Institits fr Wirt-schafts- und Sozialgeschichte an der Wirtschaftsuniversitt Wien.Dkfm. Dr. Franz BURKERT, Prsident der Kammer der Wirtschafts-treuhnder sterreichs. Komm. Rat Dr. Lydia DOUBRAVA, Ge-schfsfhrende Gesellschafterin der Doubrava Ges.m.b.H. &CO.KG. Michael EGGER, Geschftsfhrender Gesellschafter derFritz Egger GesmbH. Landtagsabgeordneter Eduard EHRENHF-LER, Vizeprsident der Handelskammer Burgenland. Georg W.ENGELHARDT, Generaldirektor der Imperial Hotels Austria AG.Komm.Rat Dr. Walter FESSEL, Geschftsfhrender Gesellschafterder Fessel + GFK Instituts fr Marktforschung. Landesrat a.D. Dip!.Ing. Hans Georg FUCHS. Dr. Hermann GAIGG, Rechtsanwalt.Dkfm. Hans Joachim GRUNDMANN, Generaldirektor der GlanzstoffAustria Gesellschaft m.b.H. Prof. Dipl. Ing. Dr. Martin HILTI, Vor-standsvorsitzender der Hilti AG. Univ. Prof. Dip!. Ing. Dr. HansH.HINTERHUBER, Vorstand des Instituts fr Unternehmungsfh-rung an der Universitt Innsbruck. Dr. Hans IGLER, Ehrenprsidentder Vereinigung Osterreichischer Industrieller, Dkfm. Walter JUST,Geschftsfhrer der Trodat-Werke Franz Just & Shne. Komm. RatJulius KAINZ, Verlagdirektor der Kleinen Zeitung. Komm. Rat Ing.Helmut KATZENBERGER, Vizeprsident der Handelskammer Tiro!.Univ. Prof. Dkfm. Dr. Ernest KULHAVY, Vorstand des Instituts fr

    Handel, Absatz und Marketing an der Universitt Linz. Komm.RatDip!. Ing. Heinrich LUNACEK, Generaldirektor der sterreich ischenRaiffeisen Warenzentrale. Dkfm. Dr. Josef MARSCHALL, Vizeprsi-dent des Rechnungshofes. Komm. Rat Helmut NIEDERMEYER,Geschftsfhrer der Fotohandels H.Niedermeyer Gesellschaftm.b.H. Ing. Hannes NOUZA, Geschftsfhrender Gesellschafter derAvanti Minerallhandels Gesellschaft m.b.H. konomierat HeinrichORSINI-ROSENBERG, Prsident des Hauptverbandes der Land-und Forstwirtschaftsbetriebe sterreichs. Komm. Rat Dr. Karl PALE,Generaldirektor der Girozentrale und Bank der sterreichischenSparkassen Aktiengesellschaft. Landtagsprsident Dr. MartinPURTSCHER, Geschftsfhrender Gesellschafter der Suchard-Schokolade Gesellschaft m.b.H. Dipl.lng. Walther SCHMID-SCHMIDSFELDEN, Vorstand der Martin Miller AG. EgonSCHWARZMllER, Geschftsfhrender Gesellschafter der Wil-helm Schwarzmller Gesellschaft m.b.H. Univ. Prof. Dkfm. Dr. Ger-hard SEICHT, Vorstand des Instituts fr Betriebswirtschaftslehre derIndustrie an der Wirtschaftsuniversitt Wien. Dkfm. HeidegundeSENGER-WEISS, Geschftsfhrerin der Gebrder Weiss Gesell-schaft m.b.H.. Direktor Komm. Rat Dr. Theodor SEYKORA, Vor-standsvorsitzender der Tiroler Rhren- und Metallwerke Aktienge-sellschaft. Dr. Christian SLDER, Hauptabteilungsleiter der TyrolitSchleifmittelwerke Swarovski KG. Komm. Rat Daniel SWAROVSKI,Geschftsfhrender Gesellschafter der Familienbetriebe Swarovski.Direktor Komm. Rat DDr. Alfred WEITZENDORF, Vorsitzender desVorstandes der Steirischen Brauindustrie Aktiengesellschaft. Gene-raldirektor Dkfm. Rudolf Engelbert WENCKHEIM, Vorstandsvorsit-zender der Ottakringer Brauerei Harmer AG.

    Der Publikation ber die PETITION 100 lag auch eine Antwortkartebei. Die Reaktionen darauf bertrafen unsere optimistischsten Er-wartungen. Auch Leute, die nicht aus der Wirtschaft kamen, wieFreiberufler, Knstler, Lehrer, Angestellte u.a.m. gaben auf derAntwortkarte ihre Bereitschaft kund, diese Kampagne auch finanzielluntersttzen zu wollen.

    Als konzertierte Aktion zur Flugblatt-Aussendung wurden in allen

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  • Hauptstdten der neun Bundeslnder sterreichs Informationsa-bende abgehalten. Dabei traten Universittsprofessor GerhardSeicht als Sprecherder PETITION 100 und ich als Veranstalter frdie "Aktion Vorbild Osterreich" auf.

    Die Stimmung, die bei diesen Informationsabenden herrschte, gibtvielleicht am besten die Reportage wieder, die in einer Hrfunksen-dung vom Landesstudio Steiermark ausgestrahlt wurde. Hier derBericht:

    Aktion Vorbild stereich nennt sich eine Initiative, die sich zum Zielgesetzt hat, die politische Auseinandersetzung in sterreich zu ver-sachlichen und der zunehmenden Politikverdrossenheit Einhalt zugebieten.

    Zu den prominenten Befrwortern dieser Aktion zhlen VP-Wirt-schaftssprecher Robert Graf, Arztekammerprsident Dr. RichardPiaty, aber auch Niki Lauda und Udo Jrqens, Seit Anfang Mrzveranstaltet die Aktion Vorbild Osterreich in allen Landeshauptstd-ten Informationsabende zum Thema: Wohin steuert sterreich -Soziale Marktwirtschaft oder Funktionrskapitalismus? Nach Bre-genz, Innsbruck und Salzburg, machte man gestern auch in GrazStation.

    Ein Bericht von Franz Klinger: Der Informationsabend der AktionVorbild sterreich begann gestern im Steiermark-Saal des GrazerCongresses mit einem Slogan. Mittels Overheadprojektor wurde andie Wand gestrahlt:

    sterreich gleicht einem Zug, der unbekmmert Richtung Moskaufhrt. Die SP ist die Lokomotive, die FP der Gepckwagen unddie VP der Schlafwagen.

    Der Grund fr dieses Gleichnis wurde damit erklrt, da es in ster-reich eine gefhrliche berdosis an Sozialismus und ein bengsti-gendes Defizit an Liberalismus gbe. So betreibe zum Beispiel jedePartei in sterreich mehr oder weniger eine sozialistische Politik.

    Die Aktion Vorbild sterreich identifiziere sich zwar mit dem Pro-gramm der VP, aber allein der Werbeslogan "Wir wirtschaften

    besser" liee tiefer blicken. Dr.Karl Steinhauser, Sprecher der Ak-tion, meinte nmlich, eine nichtsozialistische Partei htte das Wirt-schaften den Brgern zu berlassen und nicht zu versuchen, anstel-le der roten Funktionre schwarze zu setzen. Denn das Grundbelder sterreichischen Wirtschaftspolitik liege darin, auf Managerweitgehend zu verzichten und Funktionre wirtschaften zu lassen.

    Steinhauser: Als typisches Beispiel ist diesbezglich die GemeindeWien zu sehen, die sich in allen konomischen Bereichen schonversucht hat und berall totale Pleiten gemacht hat. Begonnen hatdas mit den Brauereien. Da hat es geheien: Die Brauer verdienensich bld, es wre doch zum Lachen, wenn wir Funktionre dasnicht auch zustande brchten. Ergebnis: Totale Pleite.

    Dann dasselbe mit den Wiener Fleischwerken, dasselbe mit derWiener Stadthalle, dasselbe mit dem Wiener Bauring. Und mankann wirklich ohne bertreibung sagen: Dieser Gemeinde Wienknnte man das aktivste Goldbergwerk der Erde bergeben und mitder Stoppuhr in der Hand darauf warten, da die Herren Funktion-re in die roten Zahlen kommen.

    Klinger: Den Hauptpunkt des Informationsabends bildete ein drei-viertelstndiges Referat von Universittsprofessor Dr. GerhardSeicht Vorstand des betriebswirtschaftlichen Instituts der Wirt-schaft~universitt Wien. Das Thema: Im sterreich von heute be-stimmen die falschen Leute.

    Seicht: sterreich hat schon viel zu viel Staat. Die Folge ist eine zu-nehmende Staatsverdrossenheit. Der Staat hat sich schon lngstbernommen. Die Folge sind enorme Budgetdefizite, gigantischeund rasant zunehmende Staatsverschuldung, eine enorme Steuer-belastung.

    sterreich ist das Land mit der grten Verstaatlichtenquote imWesten. Wir haben 37 Prozent unserer Wirtschaft schon verstaat-licht. Wirtschaften ist nicht Aufgabe des Staates und der Funktion-re sondern Aufgabe und auch das Recht des Brgers. Der Staath~t ganz andere Aufgaben. Er hat fr eine effizient~ militrisc~e undzivile Landesverteidigung zu sorgen. Er hat den Fneden zu Sichern.

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  • Er hat die Rechtsstaatlichkeit zu sichern. Und er hat vor allem aucheinen effizienten Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen sich dasWirtschaften des Brgers entfalten kann.

    Wir haben heute Finanzschulden des Staates von ber 500 Milliar-den Schilling. Dazu kommen die Verwaltungsschulden. Dazu kommtdas, was ber die sogenannte "Flucht aus dem Budget" in Verlet-zung der Budgetwahrheit an Krediten aufgenommen worden ist.

    Dazu kommt das Obligo aus diversen Bundeshaftungen, aus Kon-trollbankverpflichtungen usw. Der Staat hat heute eine Verschul-dung, die weit ber Tausend Milliarden hinausgeht. Die Staatsschul-den von heute sind die Steuern von morgen.

    ber die Veranstaltung in Innsbruck berichtete die "Tiroler Tageszei-tung" folgendes:

    Die "Aktion Vorbild sterreich", allen voran ihr Motor Dr. Karl Stein-hauser, hat sich zum Ziel gesetzt, mit "vllig falschen Vorstellungenber die Wirtschaft aufzurumen." Bei einer gut und prominentbesuchten Veranstaltung am Donnerstag abend in Innsbruck ernte-te Steinhauser donnernden Applaus nach Stzen wie: "In sterreichvon heute bestimmen die falschen Leute - nicht Manager, sondernFunktionre, nicht Arbeitnehmer, sondern Apparate, nicht Konsu-menten, sondern Brokraten, nicht Befrworter der sozialen Markt-wirtschaft, sondern Wegbereiter des Funktionrskapitalismus".Aus der Seele vieler Zuhrer gesprochen waren auch Slogans wie"Profit ist sozialer als Defizit". Die Wirtschaft sei heute viel zu sehrausschlielich auf Arbeitspltze fixiert. Sie habe aber den Sinn, Nut-zen zu stiften, wichtiger seien Auftrge, dann msse man ber Ar-beitspltze gar nicht mehr sprechen.

    Der Staat als Wirtschaftstreibender knne nur Defizite produzieren,wie dutzende Beispiele deutlich beweisen wrden. SteinhausersFeindbild kristallisiert sich vor allem in der Person von Sozialministerqallinger heraus. Fr den Fall, da dessen Mitbestimmungsplne inOsterreichs Betrieben verwirklicht wrden, startet Stein hauser die"Petition 100", in der 100 Persnlichkeiten aus der Wirtschaft und

    Wissenschaft eine Volksabstimmung fordern. Und zwar ber dieFrage: "Wer soll unsere Betriebe fhren - Manager oder Funktion-re?"Mehr Mitbestimmung bedeute auch weniger Selbstbestimmung frden einzelnen Arbeitnehmer, meinte Steinhauser. Wie richtig er mitseinen Thesen liege, beweise ein Brief von SP-Klubobmann Wille,der darin emprt versuche, die Unterzeichner der "Petition 100" ein-zuschchtern. Untersttzer aus Tirol sind u.a. Daniel Swarovski,Helmut Katzenberger, Prof. Karl Socher, Prof. Dieter Lukesch, Herr-mann Eigentier und Theodor Seykora.Soweit der Bericht in der "Tiroler Tageszeitung". Auer Beachtung ineinigen Medien gab es auch zahlreiche Reaktionen von Gewerk-schaftsseite. Gleich in mehreren Protestresolutionen, die aus ver-schiedenen Fachgewerkschaften kamen, wurden wir massiv aufge-fordert, mit dieser "Hetze gegen die Mitbestimmung" Schlu zumachen. Auch Betriebsrte schickten ausfhrliche Schreiben. Diesewaren allerdings keineswegs gegen uns gerichtet. Es gab auchZuschriften von Abgeordneten und Landeshauptleuten.Die Kampagne begann also sichtlich zu greifen. Richtig los ging esjedoch erst, als mit Bekanntwerden des Finanzdebakels des gr-ten verstaatlichten Unternehmens Osterreichs, der VOEST, von der"Aktion Vorbild sterreich" neuerlich eine Publikation - diesmal ineiner wesentlich schrferen Diktion - vom Stapel gelassen wurde.Auflage wieder 70.000 Exemplare. Zielgruppe: Meinungsbildner inganz sterreich.Der Inhalt des Flugblattes: Grofoto von Alfred Dallinger mit der Bil-dunterschrift "Das VEST-Debakel reicht ihm nicht!!!" Daneben fol-genderText:Wieviel Milliarden-Defizite mu die VEST noch haben, damit Poli-tiker wie Dallinger aufhren, Profite der Privatwirtschaft zu verteu-feln? Denn Sozialminister Dallinger hlt auch nach dem Scherben-haufen, den gemeinwirtschaftlich gefhrte Unternehmungen inunserem Lande angerichtet haben, unbeirrt an seinem Plan fest,das profitorientierte Privatunternehmertum durch ein "gemeinntzi-

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  • ges" Wirtschaftssystem zu ersetzen.Sozialminister Alfred Dallinger lie im Gesprch mit einer Tageszei-tung keinen Zweifel darber offen, da er auch nach dem Debakelder VEST alles daransetzen werde, das "kapitalistische Wirt-schaftssystem" in unserem Lande durch ein System zu ersetzen,das sich nicht an Profitinteressen orientiert, sondern an dem, "wasfr die Allgemeinheit ntzlich ist".Dallinger ist nicht irgendwer. Er hat eine Schlsselposition in der Re-gierung, ist Vizeprsident des Gewerkschaftsbundes und Chef derstrksten Fachgewerkschaft im GB. Dallinger steht mit dieser Ziel-setzung auch keineswegs allein in seiner Partei.Es ist daher dringend notwendig, der Bevlkerung, insbesondereden Arbeitnehmern unseres Landes klarzumachen, was auf sie zu-kommt, wenn das profitorientierte Privatunternehmertum in ster-reich durch ein "gemeinntziges" Wirtschaftssystem ersetzt wird.Die nachfolgenden Ausfhrungen sollen dazu beitragen:Die Auswchse des Privatkapitalismus hat Karl Marx treffend cha-rakterisiert. Nach seinen Erkenntnissen war der Ruf nach Aufhe-bung des Privateigentums an den Produktionsmitteln eine logischeForderung.Marx stand jedoch begreiflicherweise zu sehr im Bann der Mistn-de seiner Zeit und vernachligte deshalb ein damals noch nicht er-kennbares, aber entscheidendes Moment: Die den Privatunterneh-mern abgenommenen Produktionsmittel knnen niemals dem Volkdirekt bergeben werden. Anstelle des Volkes bernimmt der Staatdiese konfiszierten Privatgter.Der Staat ist allerdings keine Person, sondern blo eine Rechtskon-struktion. Als eigentliche bernehmer kommen nur die den Staat re-prsentierenden Funktionre in Frage. Es ist deshalb strenggenom-men verfehlt, von einem Staatskapitalismus zu sprechen. In Wirk-lichkeit wird der Privatkapitalismus von einem Funktionrskapitalis-mus abgelst.Natrlich sind die Funktionre keine Eigentmer des Kapitals imSinne des Privatrechts. Sie knnen nur beschrnkt darber verf-gen. In der Praxis ist der Handlungsspielraum eines Funktionrska-pitalisten jedoch um ein Vielfaches grer als der eines Privatkapi-talisten.

    So ist die Willkrlichkeit eines Privatkapitalisten gleich von zwei Sei-ten ungemein stark eingeengt: Von den Gewerkschaften und denKonsumenten. Die Arbeitnehmervertreter achten darauf, da dieLhne nicht zu niedrig sind, und der Wettbewerb sorgt dafr, dasich Preiserhhungen in Grenzen halten.Selbst der freieste Unternehmer kann nur innerhalb dieser Schran-ken manipulieren. Darber hinaus befindet sich jeder private Wirt-schaftstreibende im kontrollsicheren Korsett der Rentabilitt, denninsgesamt kann er aus seiner Kasse nicht mehr entnehmen, als erhineingibt.Derlei konomische Zwangsjacken bestehen nicht fr Funktionre.Diese knnen sich aus den Betrieben ohne Rcksicht auf den Ge-schftsgang die Gelder herausholen, die sie sich gegenseitig nachGutdnken bewilligen, denn das Defizit der von ihnen verwaltetenUnternehmen mu ja ohnehin der Steuerzahler decken.Die Funktionrskapitalisten knnen sich jedoch nicht nur zu Lastender Steuerzahler, sondern auch auf Kosten der Konsumenten berei-chern, da sie als konkurrenzlose Staatsunternehmer die souverneMarktsteIlung eines Monopolisten haben.Es ist daher eine Illusion zu glauben, da die Herrschaft der arbei-tenden Menschen beginnt, sobald der Privatkapitalismus zur Gnzeabgeschafft ist. In Wirklichkeit wird durch die Beseitigung des Priva-tunternehmertums auch fr die Arbeitnehmer ein System der abso-luten Abhngigkeit installiert:Whrend im Privatkapitalismus die Macht der Unternehmer von dergeballten Kraft einer organisierten Arbeiterschaft in Schach gehaltenwird, sitzen im Funktionrskapitalismus die Kapitalinhaber eindeutigam lngeren Hebel. Einer schwerstbewaffneten Clique exklusiverFunktionrsplutokraten steht dann blo noch der desorganisierteHaufen einer politisch total abgersteten Arbeiterschaft gegenber.Im Funktionrskapitalismus haben nmlich die Gewerkschaften ih-ren eigentlichen Sinn verloren. Sie sind berflssig, weil eine Herr-schaft, die von Arbeitnehmervertretern reprsentiert wird, von Arbei-terorganisationen nicht bekmpft zu werden braucht. Im funktionrs-kapitalistischen Staat haben Gewerkschaftsfunktionre daher nurnoch eine symbolische Aufgabe:Sie knnen als proletarische Hofschranzen um die Funktionrsbon-

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  • zen scharwenzeln und die "verdienstvollen Mnner der Arbeiter-schaft" beweihruchern.Die Funktionrskapitalisten brauchen auch nicht zu befrchten, je-mals abgewhlt zu werden. Da sie praktisch den gesamten Manipu-lationsapparat einschlielich der Medien in Hnden halten, sind siein der Lage, den Whlern nur jene Kandidaten vorzusetzen, die beider Ausbeutung nicht behinderlich sind. In "freier" Abstimmung kanndas Volk daher nur noch seine eigenen Ausbeuter whlen.Diese perfekte Ausbeuterherrschaft ist nicht einmal im Wege einerRevolution abzuschtteln, denn eine Gesellschaft, in der es nurnoch abhngige Arbeitnehmer gibt, hat die Diktatur fr immer: Wernicht spurt, wird gekndigt oder strafversetzt. Wer aufbegehrt, wirdals Feind der Arbeiterklasse gechtet.Nicht ein einziger Staatsbrger hat in einem funktionrskapitalisti-schen Staat das ntige Geld, um einen Widerstand zu organisieren,und ohne Organisation zerschellt selbst ein von grenzenloser Begei-sterung getragener Aufstand an der uneinnehmbaren Bastion derdas gesamte Machtpotential administrierenden Herrscher.Das alles sollten die sterreicher bedenken und sich nicht lngergegen ein profitorientiertes Privatunternehmertum aufhetzen lassen.Wir appellieren daher an alle sterreicher: Helfen Sie mit, da unse-rem Land ein "gemeinntziges" Wirtschaftssystem, wie es Dallingerund Genossen planen, erspart bleibt. Untersttzen Sie diese Infor-mationskampagne: Soziale Marktwirtschaft JA Funktionrskapitalis-mus NEIN DANKE!

    Wissenschafter: Dekan der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftli-chen Fakultt der Universitt Innsbruck, Univ. Prof. Dr. Karl SO-CHER. Vorstand des Instituts fr Arbeits- und Sozial recht an derUniversitt Wien, Univ. Prof. Dr.Theodor TOMANDL. Professor amInstitut fr Soziologie an der Karl-Franzens-Universitt Graz, Univ.Prof. Dr. Kurt FREISITZER. Professor fr politische konomie ander Universitt Innsbruck, Univ. Prof. Dr. Clemens August AND-REAE. Professor am Institut fr Strafrecht und Kriminologie an derUniversitt Wien, Univ. Prof. Dr. Wilfried PLATZGUMMER. Wissen-schaftl. Leiter der Studiengruppe fr internat. Analysen (STUDIA),Univ. Doz. Dipl. Ing.Johannes MILLENDORFER. Vorstand des Insti-tuts fr Betriebswirtschaftslehre an der Universitt Wien. Univ. Prof.DDr. Erich LOITLSBERGER. Professor am Institut fr theoretischePhysik an der Universitt Wien, Univ. Prof. Dr. Walter THIRRING.Vorstand des Instituts fr Hochbau und Architekten an der Universi-tt Innsbruck, Univ. Prof. Dipl. Ing. Dr. Robert WEINLICH sowie Uni-versittsprofessor SEICHT, den ich als Sprecher der PETITION 100ja bereits mehrmals erwhnt habe.Unter den Bildern der Wissenschafter waren als "Dallingers Ziele"zwei Punkte angegeben: 1. Den Einflubereich politischer Funktio-nre auf Privatbetriebe auszuweiten (Nahziel). 2. Die profitorientier-te Privatwirtschaft durch ein gemeinntziges Wirtschaftssystem zuersetzen (Fernziel).Auf der letzten Seite dieser Publikation war die Aufforderung zu le-sen:Rettet die private Wirtschaft vor dem Zugriff politischer Funktionre!Helfen Sie mit, sterreich davor zu bewahren, da politische Funk-tionre nach dem Scherbenhaufen, den sie in der verstaatlichten In-dustrie angerichtet haben, jetzt auch noch darangehen, den einzi-gen Aktivposten unseres Landes, die private Wirtschaft, kaputt zumachen!Obwohl diese DRINGLICHE ANFRAGE der namhaften Wissen-schafter nicht beantwortet wurde, wuten wir, da die angestrebteProvokation ein Volltreffer war. So erfuhr ich vertraulich von soziali-

    Das ~~r der Text des Flugblattes, das an 70.000 Meinungsbildner inganz Osterreich ging, darunter natrlich auch an die wichtigsten Re-dakteure aller Zeitungen. Dieselbe Zielgruppe wurde bereits kurzeZeit spter ber den nchsten Schritt der Kampagne informiert. DerInhalt dieses Flugblattes:

    DRINGLICHE ANFRAGE namhafter Wissenschafter an Bundes-kanzler Dr. Fred Sinowatz:"Sind die Ziele Dallingers auch auch dieZiele Ihrer Partei?"

    Daneben Fotos, Namen und Funktion der zehn dringlich fragenden

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  • stischer Seite, da bei der "Stammtisch runde", wo SP-Spitzenpo-litiker wie Sinowatz, Wissenschaftsminister Dr. Heinz Fischer, Innen-minister Karl Blecha, Klubobmann Sepp Wille und Dallinger zu inof-fiziellen Gesprchen zusammenkamen, ein hchst emprter Sozial-minister darauf bestand, man msse endlich diesen Leuten von derPETITION 100 die politische Schneid abkaufen.

    Angeblich war auer Dallinger niemand in der Runde von dieserIdee besonders begeistert. Um Dallinger nicht zu verrgern, habeman sich dann doch entschlossen, den SP-Klubobmann zu beauf-tragen, er solle einen geharnischten Brief an die "Aktion Vorbildsterreich" abschicken und gleichzeitig auch die Parlamentsklubs,die Sozialpartnerverbnde und die Bundesregierung ber diesesSchreiben voll inhaltlich informieren.

    Der Brief lautete:

    Sehr geehrte Herren! Mir ist nun Ihre letzte Publikation zugegangen,die Ihre Petition 100 darstellt. Dazu erlaube ich mir Ihnen folgendeErklrung zu geben.Ich bin nun drei Jahrzehnte gewerkschaftlich und politisch ttig.Mein Ziel war stets, Wrde und Ansehen der Arbeiterschaft durchPartnerschaft in einer freien Gesellschaft zu erhhen. Dabei gab esoft verschiedene Standpunkte, oft auch harte Auseinandersetzun-gen, nie aber schamlose Beleidigungen im Stile faschistischer Leit-artikel.Ihre Aktion, die sich unter Vorspiegelung gemeinsamer Bestrebun-gen auch bei uns eingeschlichen hat, stellte alle Aufbauarbeit inFrage, wrde sie nach dieser letzten Verffentlichung noch voneinem der Unterzeichner der Petition 100 ernst genommen werden.Ihr Stil treibt mir die Schamrte ins Gesicht. Ich hoffe, da keiner derUnterzeichner der Petition 100 Ihren vollen Text dazu besttigt.Sepp Wille.

    sollten. Diskussionsthema: Wie weit ist der Funktionrskapitalismusin sterreich bereits fortgeschritten?

    Die SP ist auf dieses Angebot begreiflicherweise nicht eingegan-gen. Statt sich mit uns in ein direktes Gefecht einzulassen, machte- wie ich von gleicher Informationsquelle erfuhr - die SPO-Spitze dasfr sie in dieser Situation einzig Richtige: Sie nahm Dallinger insGebet, er solle doch vernnftig sein und sich, - noch dazu so knappvor den Nationalratswahlen - nicht auf eine Konfrontation einlassen,die der Partei nur schaden, aber nichts ntzen knne.

    Der Gegner sei hier ja nicht die VP, mit der Sozialisten in ster-reich noch immer zurechtgekommen sind, sondern erstmals unab-hngige Spitzen leute der Wirtschaft. Ergebnis: Dallinger gab nach,rckte total ab vom harten Kern seiner "29 Punkte" und prsentier-te den offiziellen Verhandlungsvertretern der Wirtschaft den Entwurfeines genderten Arbeitsverfassungsgesetzes, zu dem auch ausUnternehmersicht ja gesagt werden konnte.

    Dieser Erfolg kann nicht hoch genug eingestuft werden, denn ster-reichs Wirtschaft hat mit der PETITION 100 zum erstenmal einenSieg gegen die politische bermacht von SP und sozialistischenGewerkschaftern davongetragen.

    Die breite ffentlichkeit erfuhr davon allerdings berhaupt nichts.Von den westlichen Bundeslnderzeitungen abgesehen, verirrtesich whrend der gesamten Kampagne, die ber mehrere Monateging, nur vereinzelt eine kurze Nachricht in die Berichterstattung derMedien.

    Die "Kronenzeitung", mit Abstand die grte Tageszeitung ster-reichs, widmete dem Ereignis nicht eine Zeile. Selbst "Staberl" Ko-lumnist Richard Nimmerrichter, der begnadetste Agitationsjournalistim Lande, der in weit weniger gesellschaftspolitisch gewichtigenFllen seinem Antimarxismus genlich freien Lauf lie, fand keineinziges Wort der Aufmunterung fr die lnltlatoren der PETITION100, ihren Kampf gegen zuviel Sozialismus in Osterreich fortzuset-zen.

    Es wre auch bertrieben zu behaupten, da wir uns whrend der

    Als Antwort auf dieses Schreiben schlug ich Klubobmann Wille einePodiumsdiskussion vor, die an der Wirtschaftsuniversitt Wien statt-finden und an der Spitzenpolitiker von der SP und seitens der"Aktion Vorbild Osterreich" Professor Seicht und ich teilnehmen

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  • Kampagne einer besonderen Untersttzung derer erfreuen konnten,die berufen sind, die Belange der Wirtschaft in der ffentlichkeit zuvertreten: Die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, die Han-delskammern in den Bundeslndern und die Vereinigung sterrei-chischer Industrieller.

    Ganz im Gegenteil. Diese Organisationen, die nicht nur Millionen-,sondern Milliardenbudgets zur Verfgung haben, und das Geld vonihren Mitgliedern nicht zuletzt auch dafr bekommen, da sie sichan solchen Aktionen beteiligen, gaben uns eine finanzielle Unterstt-zung fr die ganze Kampagne von Null Schilling.

    Die Millionen Schilling, die dazu notwendig waren, muten wir vonder "Aktion Vorbild Osterreich" unter grtem Einsatz bei Wirt-schaftstreibenden zusammenbetteln, denen nicht nur die Unabhn-gigkeit ihres Betriebes, sondern auch die Freiheit sterreichs nochetwas wert ist. Einen groen Teil der Gelder mute ich - wie schonbei anderen Initiativen zuvor - aus eigener Tasche zuschieen undmich deshalb in Schulden einlassen, mit denen ich noch immerherumraufe und die mich in meiner beruflichen und politischenArbeit schwer belasten.

    Seitens der genannten Interessenvertretungen war aber auch dieimmaterielle Untersttzung nicht gerade berwltigend. Wohl wur-den einige Spitzen leute als Mitunterzeichner der PETITION 100"beigesteIlt", dies jedoch mehr gezwungenermaen als aus freienStcken.

    Nachdem diese Aktion bei der Wirtschaft derart einschlug, blieb ih-nen nmlich gar nichts anderes brig, als so zu tun, als wrden siemittun. In Wirklichkeit lieen sie uns im Kampf fr die Wirtschaftvllig allein.

    3. KAPITEL

    Dasselbe geschah interessanterweise auch bei allen unseren Aus-einandersetzungen mit den grnen Widersachern der Wirtschaft.Bevor ich darauf nher eingehe, mchte ich klarstellen, da ich allesnur kein Anti-kologe bin. Umweltschutz war fr mich schon zueiner Zeit ein echtes Anliegen, als dieser Begriff noch in keinemProgramm einer Partei aufschien.

    So schrieb ich bereits im Jahre 1961 - also schon vor 28 Jahren - inmeinem Buch "Ideologie der Zukunft" ber dieses Problem im Kapi-tel Wirtschaftspolitik u.a.folgendes:

    Der Zweck der Wirtschaftspolitik mu es sein, auf rationellstemWege alle materiellen Voraussetzungen zu schaffen, die erforderlichsind, um die Aufgabe einer Gemeinschaft zu erfllen.Damit ein Mensch eine Aufgabe erfllen kann, bedarf es eines lei-stungsfhigen Krpers. Wie eine Maschine, so ist auch unser Kr-per nur dann leistungsfhig, wenn wir ihm einerseits alles geben,wonach er bedarf und andererseits alles von ihm fernhalten, wasihm schadet.Zur Deckung unseres materiellen Bedarfes ist daher eine reine Luft,klares Wasser, eine gesunde Nahrung, eine den jeweiligen klimati-schen Verhltnissen entsprechende Kleidung und Wohnung undeine natrliche Lebensweise unbedingt notwendig.Wenn wir nun die Absicht haben, fr diese Notwendigkeiten Vorsor-ge zu treffen, dann ist es ratsam, einmal eine Inventur zu machen,indem wir uns fragen, was von diesen Dingen in der Natur bereitsvorhanden ist und was wir uns erst beschaffen mssen.Dabei werden wir feststellen knnen, da der Schpfer fr uns imgroen Mae bereits vorgesorgt hat. Die Natur bietet uns reine Luft.Aus ihren Bchen rinnt klares Wasser und ihr reicher Boden spen-det uns die Nhrstoffe und jene Rohstoffe, aus denen wir unsereKleider und Huser herstellen knnen. Wir brauchen uns nur nochzu bedienen. Es ist alles mehr oder weniger schon vorhanden.

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  • Man sollte daher meinen, da die Menschheit sich dieser kostbarenGter bewut ist und alles unternimmt, um sie vor Verderbnis zuschtzen. Die Wirklichkeit des 20. Jahrhunderts sieht jedoch ganzanders aus.Wir haben zwar Millionen Maschinen, Fahrzeuge und phantastischeGerte, knnen auf Wolkenkratzer, berwltigende Brcken, ein im-posantes Bahn- und Straennetz, gigantische Unterfhrungen undmonumentale Bauten hinweisen, verfgen ber unzhlige Organisa-tionen und komplizierte Verwaltungssysteme, nennen riesige Pro-duktionssttten unser Eigen, besitzen ungeheure Vorrte an Waf-fenmaterial, die es uns gestatten, alles innerhalb kurzer Zeit zuvernichten sind sogar auf dem besten Wege, demnchst den Mondmit unserer Zivilisation zu beglcken und wovon wir am meistenhaben, ist die Arbeit und die Sorge.Wir haben fast alles, worauf wir genaugenommen verzichten knn-ten, wir leiden aber Mangel an Dingen, die wir unbedingt brauchen.Unsere Luft, unser Wasser und unsere Nahrung werden immermehr ungesund und unsere Lebensverhltnisse immer mehr unna-trlich.Durch den Rauch der Fabriken, durch die Auspuffgase der Autosund durch die Atombombenversuche verpesten wir unsere Luft,durch die Abwsser verseuchen wir unsere Gewsser, durch chemi-sche Zustze vergiften wir unsere Nahrung, durch den ohrenbetu-benden Lrm und durch unser fluchtartiges Tempo berfordern wirunsere Nerven und durch die Schte versetzen wir unserer schwerangeschlagenen Gesundheit den entscheidenden Tiefschlag.Frher hatte selbst der Armste ein gesundes Brot, heute hat es oftnicht einmal der Reichste. Wir leben heute zwar lnger als unsereVorgnger, sind aber beinahe Zeit unseres Lebens mehr oder weni-ger krank. Selbst unsere Kinder leiden an Kreislaufstrungen undsind fr Krankheiten anfllig, die frher unsere Greise hatten.Wenn der Schpfer von uns als Verwalter dieser Erde einen Re-chenschaftsbericht verlangte, dann mten wir ihm eingestehen,da wir seine Natur rcksichtslos ausgebeutet und unser kostbar-stes Gut, nmlich die Gesundheit, Dingen geopfert haben, deren ei-gentlicher Wert hchst zweifelhaft ist.

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    Wenn wir von Eingeborenen hren, die fremden Hndlern ihreSchtze gegen wertloses Zeug verkaufen, dann lcheln wir gerings-chtzig ber soviel Primitivitt. Unser wirtschaftliches Handeln istjedoch um nichts gescheiter und auerdem noch wesentlich gefhr-licher, sind doch die meisten dieser Aktionen darauf ausgerichtet,den Menschen die Lebensader abzuschneiden. Unser Wirtschafts-system ist daher jene Waffe, mit der wir uns selbst bedrohen.Die Zerstrer haben mit uns den besten Fang gemacht, da wir ge-danken- und phantasielos genug sind, um uns an der eigenen Ver-nichtung aktiv zu beteiligen. Sie vermgen unsere kindliche Vorliebefr unwesentliche Dinge auszuntzen, indem sie uns dazu verleiten,unserem Spielzeug mehr Beachtung als unserem Leben zu schen-ken.Frgt man sich, wie es nur mglich sein konnte, da sich auch Ex-perten und Wissenschaftler von den Zerstrern verfhren lieen,dann ist die Erklrung hiefr eigentlich sehr einfach. Wir sind nm-lich alle einem Bluff aufgesessen.So haben wir uns einreden lassen, da das Brutto-Nationalprodukt,also jenes Gter- und Leistungsvolumen, welches einer Volkswirt-schaft zur Verfgung steht, der Gradmesser fr den Wohlstandeines Volkes sei. Erfreut darber, da dieses von Jahr zu Jahr an-gewachsen ist, sahen wir keinen Grund, um an der Steigerungunseres Lebensstandards zu zweifeln. Htten wir allerdings die An-gelegenheit unbekmmert und etwas nher studiert, dann wren wirkaum auf einen solchen Trugschlu verfallen.Im Brutto-Nationalprodukt werden nmlich keineswegs alle Gterund Leistungen bercksichtigt, die fr eine Gemeinschaft bereitste-hen, sondern nur jene, die am Markt kuflich sind. Es findet daherlediglich der Teil der Gter und Leistungen seinen Niederschlag,den wir mit unserem Gelde bewerten knnen. Gter wie unsere Luftoder unsere Gesundheit stehen auerhalb dieser Rechnung.Auerdem werden die Gter und Leistungen nach den Kosten be-wertet. Der Wert eines Gutes ist aber nur der Nutzen, den es stiftet.Es gibt daher viele Dinge, die im Brutto-Nationalprodukt hoch be-wertet sind, obwohl sie uns tatschlich einen Schaden verursachen.Abgesehen davon, gibt das Brutto-Nationalprodukt keine Auskunft

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  • ber den jeweiligen Stand unserer Naturschtze. Wenn wir Raub-bau an diesen betreiben, dann vermerkt es nur die Tatsache, dawir im Augenblick mehr konsumieren drfen, verschweigt aber dieAntwort auf die Frage, wieviel wir noch in Zukunft verbrauchenknnen.Das Brutto-Nationalprodukt ist daher das geeignetste Instrument,die wirtschaftliche Realitt zu verschleiern und zu verflschen. Eskann deshalb vorkommen, da ein Volk lebensunfhig wird, seinBrutto-Nationalprodukt aber den Anschein erweckt, als htte esnoch nie so gut gelebt.

    Massenverteilung eines Steckbriefs gegen den damals mchtigstenMann im Staate, den Prsidenten des sterreichischen Gewerk-schaftsbundes Anton Benya, der als heftigster Befrworter dieSchlsselfigur bei der Volksabstimmung ber das AtomkraftwerkZwentendorf war. Der Steckbrief war nicht nur durch die Zielperson,sondern noch viel mehr durch die Aufmachung und den Texthchstbrisant.

    Oberhalb des riesigen Bildes des Gewerkschaftsprsidenten standin knalligen Lettern: WARNUNG! Dieser Mann ist ein Atomagent! ImBild der Name, aber nicht Anton Benya, sondern "Anton Atomya".Darunter der Text sinngem: Anton Benya gibt vor, die Interessender Arbeitnehmer stereichs zu vertreten. In Wirklichkeit ist er je-doch ein Agent der Atomindustrie.

    Ich wurde natrlich von Prsident Benya auf Ehrenbeleidigung ge-klagt, von Gericht auch verurteilt, aber wi~.hatten eines damit er-reicht: Durch den Steckbrief, der berall in Osterreich zu sehen war- sogar auf Anschlagbrettern sozialistischer Gewerkschafter undauch von der Presse ausfhrlich kommentiert wurde, die vielenArbeitnehmer zum Umdenken zu bringen, die ohne diese drarnati-sche Aufklrungsarbeit der eindringlichen Aufforderung des OGB-Prsidenten sicherlich kritiklos Folge geleistet htten, mit JA frZwentendorf zu stimmen.

    Der Steckbrief hat wesentlich dazu beigetragen, da ZwentendorfsAtomkraftwerk nicht in Betrieb ging, denn die Nein-Stimmen brach-ten bei der Volksabstimmung nur eine hauchdnne Mehrheit.

    Ich erzhle das alles jedoch nicht, um meine damalige Aktion be-sonders herauszuheben. Ich wollte damit nur aufzeigen, da ichnicht zu den Leuten gehre, die nur ein Auge fr wirtschaftliche Not-wendigkeiten haben, der Dringlichkeit eines wirksamen Umwelt-schutzes gegenber jedoch blind sind.

    Umweltschutz hat -auch fr mich- absoluten Vorrang.Allerdingsmssen es Manahmen sein, die diese Bezeichnung auch wirklichverdienen. Das ffentlichkeitswirksame Theater, das sogenannteGrne abziehen, hat mit Umweltschutz meistens nichts zu tun.

    So weit der Auszug aus meinem Buch "Ideologie der Zukunft". WieSie daraus sehen, war ich schon umweltbewut, als die meistenheutigen "Grnen" berhaupt nicht wuten, was das berhaupt ist:Umweltschutz.

    Ich habe darber aber nicht nur geschrieben, sondern auch dafrgekmpft, sogar sehr massiv gekmpft. Zum Beispiel gegen dasAtomkraftwerk Zwentendorf. Obwohl ich damals Vorsitzender der"Gemeinschaft freier Selbstndiger" war und bei nur wenigen unse-rer Mitglieder dafr Verstndnis fand, bin ich von Anfang an auchgegen die friedliche Nutzung der Atomkraft eingetreten, solange dasEndlagerproblem des hochstrahligen Atommlls nicht geklrt ist. Esist aber auch der Normalbetrieb von Kernkraftwerken alles nur nichtsicher und daher ein Wahnsinn, solche Anlagen, die nicht nur dasLeben, sondern auch das Erbgut von Menschen in Massen vernich-ten knnen, ohne absoluten Schutz vor Sabotageakten, Erdbebenoder unvorhersehbaren Betriebsunfllen in besiedelten Gebieten zuerrichten.

    Was Atomkraft betrifft, war und bin ich mit grnen Atomgegnernhundertprozentig solidarisch. Ich war daher auch bereit, mit unsererOrganisation im Kampf gegen die Inbetriebnahme des Atomkraft-werks Zwentendorf eine Aktion durchzufhren, bei der selbst muti-gen Mitstreitern auf grner Seite, wie Prof. Alexander Tollmann,ehrlich gesagt angst und bang wurde:

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  • Sicherlich gibt es in den Grnparteien viele Idealisten, die es ernstdamit meinen. Sie sind aber viel zu naiv, um zu durchschauen, inwelche gesellschaftspolitische Richtung der Zug der ganzen Grn-bewegung in Wirklichkeit fhrt. Nmlich in die gleiche Richtung, indie auch die Roten fahren: Richtung Zentralverwaltungswirtschaft,Richtung Funktionrskapitalismus, also Richtung Sozialismus.

    Rote und Grne haben nmlich eines gemeinsam: Eine feindseligeEinstellung gegen die Wirtschaft, genaugenommen gegen den Un-ternehmer. Beide halten die Profitsucht des Unternehmers fr die ei-gentliche Ursache der bel in dieser Welt. Das gemeinsame Nega-tivbild, das sie vom Unternehmer haben, unterscheidet sich nurdurch den Blickwinkel, von dem aus sie ihn mit dem Vorurteil ab-grundtiefer Verachtung betrachten. Die Roten sehen sein Sozialde-fizit, die Grnen seine Umwelttodsnden. Fr Rote ist der Unterneh-mer ein asoziales Schwein, fr Grne eine umweltzerstrende Wild-sau.

    In Wirklichkeit ist diese Wertung natrlich ein kompletter Unsinn. DieUnternehmer sind genauso Menschen wie alle anderen Berufsgrup-pen. Auch das Profitdenken hat letztlich jeder, denn umsonst arbei-tet fast niemand gern.

    Es ist auch vllig absurd, die Schuld an der zunehmenden Umwelt-zerstrung einseitig der Wirtschaft in die Schuhe zu schieben. DieKonsumenten haben zumindest Mitschuld, genau betrachtet sogardie Hauptschuld.

    Den Unternehmen ist es ziemlich gleichgltig, was sie produzieren,wichtig ist fr sie nur, da sie damit ein Geschft machen. Wenn dieKonsumenten es wnschten, wrde die Wirtschaft nur umwelt-freundliche Erzeugnisse auf den Markt bringen. Der Wirtschaftwrde es auch nichts ausmachen, wenn sie von den Politikern zueiner umweltfreundlichen Produktionsweise verdonnert wird, falls siedie Mehrkosten auf die Preise umlegen kann, und die Konsumentenbereit sind, diese erhhten Preise zu bezahlen.

    Tatsache ist aber, da die Konsumenten, noch lange nicht so weit

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    sind, um dafr Verstndnis zu haben. Die Wirtschaft ist ungemeinbeweglich, sie vermag auf nderungen von Konsumentenwnschenmit einer geradezu seismographischen Sensibilitt zu reagieren, vorallem wenn fr ausreichenden Wettbewerb gesorgt ist. Schwerflligin der Fhigkeit sich umzustellen, ist der Konsument.

    Eine Grnbewegung, die es mit dem Umweltschutz ehrlich meint,mte daher den Konsumenten krftig in den Hintern treten, abernicht den Produzenten. Die Wirtschaft braucht eine solche Behand-lung nicht. Sie reagiert auch ohne Tritt auf eine genderte Konsu-mentennachfrage.Mit den Konsumenten will es sich aber niemand anlegen, auch dieGrnen nicht. Die Konsumenten sind die mit Abstand grte Mehr-heit im Staat, das auch fr die Grnparteien interessanteste Whler-potential.Deshalb trampeln diese Grnen auch viel lieber auf der Minderheitder Produzenten herum. Und sie kommen dabei auch immer besserin Schwung, allein schon deshalb, weil ihnen selbst bei unbedeu-tendsten Aktivitten gegen die Wirtschaft ein gewisses Ma an Be-richterstattung in Hrfunk, Fernsehen und Presse fast schon garan-tiert wird. Selbst die kleinste Brgerinitiative findet in den Medienbereits mehr Beachtung als die grten Unternehmen des Landes.Was Grne mit Hilfe der Medien auszurichten imstande sind, zeigtesich besonders deutlich bei der Auseinandersetzung um die Errich-tung des Donaukraftwerkes Hainburg. Auf der Seite der Wirtschaftkmpfte nicht nur der Gewerkschaftsbund, die Arbeiterkammmer,die Handelskammer und die Industriellenvereinigung, sondern aucheinzelne Landesregierungen und die Bundesregierung. Trotzdemwar diese geballte Kraft von Geld und Einflu, eine Machtkoalitionwie es sie in sterreich noch nie gab, nicht in der Lage, mit dengegen den Bau rebellierenden Au-Besetzern fertig zu werden.Nach dieser mehr als beschmenden Niederlage war es daher ver-stndlich, da die Planer des umstrittenen Kraftwerkes, die "Donau-kraftwerke" an mich herantraten, mir etwas einfallen zu lassen, wie

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  • man der Wirtschaft diese Grnsozialisten vom Hals halten knnte.

    Ich entwarf das Konzept fr eine Informationskampagne, deren Zieles sein sollte, die grne Politszene in sterreich einmal richtig aus-zuleuchten, um festzustellen, wie grn die Grnen wirklich sind.

    Das Konzept wurde angenommen, und mir ein Auftrag erteilt. Zurqurchfhrung dieser Kampagne ist es aber nie gekommen. Als dieOffentlichkeit von dem Auftrag erfuhr, gab es derartige Proteste, daman den Eindruck gewinnen mute, die Demokratie ist in Gefahr.Man sprach von einer "beispiellosen Bespitzelungsaktion", die es zuverhindern gelte, obwohl mein Auftrag nicht mehr als eine ganznormale journalistische Recherche beinhaltete, wie ich sie seinerzeitbei der Tageszeitung "Kurier" laufend machte.

    Der Wirbel war so gro, da mich die Auftraggeber hnderingendbaten, von der Sache Abstand zu nehmen. Dem entsprach ich, weilich dem Unternehmen keine weiteren Scherereien machen wollte,und erhielt dafr ein entsprechendes Abstandhonorar. Damit wardiese Angelegenheit fr mich erledigt, nicht aber das Kapitel "Grnein Osterreich".

    Ich hatte allerdings inzwischen erkannt, da ich unbedingt eine ge-eignete Plattform brauchte, um die Bevlkerung ber die grneGefahr aufklren zu knnen. Einige namhafte Unternehmer mein-ten, da es am wirksamsten wre, wenn ich ins Parlament kme,um von dort aus die Grnen zu entzaubere. Zunchst war darangedacht, eine der drei im Nationalrat vertretenen Parteien dazu zubringen, mich auf ihre Liste zu nehmen, und zwar als unabhngigenKandidaten.

    Obwohl zu dieser Zeit - es war Frhjahr 1986 - wegen der zuneh-menden Parteienverdrossenheit das Thema "Persnlichkeitswahl-recht" stark diskutiert wurde, war es unmglich, bei SP, VP oderFPO Interesse fr diese Idee zu gewinnen. Ich wre sogar bereit ge-wesen, auf den letzten Listenplatz zu gehen und damit das Risiko inKauf zu nehmen, mit Bomben und Granaten durchzufallen, fallsmein Plan nicht aufginge, von genug Whlern mittels Vorzugstimme

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    soweit vorgereiht zu werden, da ich trotz letztem Listenplatz dochnoch zu einem Mandat komme.

    Alle diesbezglichen Anfragen an die Parteien verliefen im Sand.Das heit: Weder SP, noch VP, noch FP waren bereit, mir ineiner der neun Wahlkreisen wenigstens den letzten Platz zu geben.Dazu mu man wissen, welche Bedeutungslosigkeit ein solcherPlatz fr die Partei und deren Kandidaten hat.

    Jede Partei hat nmlich die Mglichkeit, doppelt soviele Kandidatenauf ihren Wahlvorschlag zu nehmen, als Mandate in diesem Wahl-kreis vergeben werden. Auf den Wahlkreis Wien bezogen, schautdas zum Beispiel aus der Sicht der VP ungefhr so aus: Die Wie-ner Volkspartei kann ber 70 Kandidaten nominieren. Jede Rei-hung, die ber den dreiigsten Platz hinausgeht, hat praktisch nichtdie geringste Chance auf ein Mandat. Die Wahrscheinlichkeit, daein Siebzigerrang zum Zug kommt, ist daher gleich Null.

    Trotzdem war, wie gesagt,nichts zu machen. Um doch zu kandidie-ren, blieb mir nichts anderes brig, als mit einer eigenen Liste anzu-treten. Ich kandierte nur im Wahlkreis Wien, weil dort ein Mandatbereits mit weniger als drei Prozent der Whlerstimmen zu gewin-nenist.

    Der Gewinn von nur einem Mandat htte auch die Finanzierungmeiner Aufklrungsarbeit auf Jahre gesichert, da jeder im National-rat vertretenen Gruppe ansehnliche staatliche Frderungsmittelgesetzlich zustehen.

    Die Wahlwerbung war ganz auf meine Person und auf das Protest-whlerpotential abgestellt und lautete in der Hauptaussage kurz undbndig: Verschwendung, Verschuldung, Skandale ... "Mir reicht's!".Reicht's Ihnen auch ...? Dann whlen Sie am 23.November die AK-TIONSLISTE "Mir reicht's!"

    Die Spekulation auf Protestwhler war deshalb angebracht, weil Zei-tungen damals die ffentlichkeit fast tglich mit irgendwelchen Po-litskandalen berraschten,und die Unzufriedenheit der Whler lautUmfragen besonders in Wien stndig zunahm. Ich war daher trotz

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  • meiner negativen Erfahrungen mit den Medien davon berzeugt,da diese die Whler wenigstens auf die Mglichkeit aufmerksammachen werden, durch Ankreuzen der "Mir reicht's!"-Liste erstmalsmit einem gltigen Stimmzettel gegen die Parteienmiwirtschaftunmiverstndlich protestieren zu knnen.

    Gelaufen ist es dann allerdings ganz anders. Hrfunk, Fernsehenund Presse berichteten tglich und ausfhrlich ber die "Grnen" alsProtestpartei, die AKTIONSLISTE "Mir reicht's!" wurde hingegenkaum erwhnt, obwohl ich die wichtigsten Redaktionen mit journali-stisch interessanten Meldungen laufend versorgte.

    Wie sehr bestimmte Kreise dahinter waren, die Grnen so aufzubla-sen, da ich beim besten Wahleinsatz - allein an Flugblttern wurdeeine Million Exemplare gezielt verteilt - keinen Stich machen konnte,zeigte ein Vorfall besonders klar:

    Das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF), das auch in Wien eine Re-daktion hat, schlug mir vor, als Spitzenkandidat der AKTIONSLISTE"Mir reicht's!" am Stephansplatz eine spektakulre Wahlveranstal-tung zu machen, um eine TV-Reportage darber nach Deutschlandsenden zu knnen.Alles klappte, und Millionen Fernseher konnten~nseren Auftritt am Bildschirm mitverfolgen. Allerdings nicht inOsterreich, wo die Wahlen stattfanden, sondern im Ausland.

    Der ORF, der mit einer Kamera auch dabei war, brachte nur einige,aus dem Zusammenhang herausgerissene Schnappschsse, mitder die Whler praktisch nichts anfangen konnten. Die Zeitungsleu-te schickten zu dieser Veranstaltung erst gar nicht jemand hin.

    Das Interesse der Medien stieg allerdings gewaltig, als wenige Tagespter am selben Schauplatz vor einer bei weitem weniger attrakti-ven Wahlkulisse, als wir sie hatten, die Spitzenkandidatin der "Gr-nen", Frau Meissner Blau, auftrat. Da bemhten sich die Journali-sten, jedem ihrer Worte eine gravierende Bedeutung zu geben. Ei-nige Berichterstatter berschlugen sich frmlich vor Begeisterung.

    So bertitelte die "Kronenzeitung" ihre doppelseitige Berichterstat-

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    tung ber die grne Wahlveranstaltung mit dem euphorischen Aus-ruf eines Teilnehmers: "Freda, du mut ins Parlament.

    Dazu mu man wissen, da die grne Meissner Blau eine "Rote" ist,die sich ausdrcklich nur vom Stalinismus, aber nicht vom Kommu-nismus distanzierte. Welch bunte Szene die Grnparteien in ster-reich bieten, konnte man auch an der zweiten Grngruppe, die beidieser Wahl kandidierte, sehen: Der "Grnen Alternativ Liste" (GAL), deren Spitzenkandidatin Andrea Komlosy war. Diese Dame mach-te sich in aller ffentlichkeit stark fr die "unterdrckte Minderheit"von Lesbischen und Homosexuellen.

    Als wir unseren Wahlvorschlag bei der Kreiswahlbehrde einreich-ten, hatten wir uns in den Vorraum verirrt, in dem die Kandidaten derGAL-Liste gerade dabei waren, letzte Vorbereitungen fr die Abga-be ihres Wahlvorschlages zu machen.

    Sicherlich waren die im Raum Anwesenden nicht alle Kandidatendieser Gruppe, aber der Anblick, den diese Leute boten, war frmich derart erschtternd, da ich mir beim besten Willen nicht vor-stellen konnte, wie diese Leute bei einer derart abstoenden ue-ren Erscheinung es schafften, die im Wahlkreis Wien notwendigen500 Untersttzungserklrungen zusammenzukriegen. Da warenTypen darunter, die man ohne die geringste Vernderung an ihrerAufmachung in in jeder Drogenfilmszene ungeschminkt htte auftre-ten lassen knnen.

    Ein Kandidat unserer Liste, ein ehemaliger Brgermeister einer klei-nen steirischen Gemeinde bei Graz, war beim Anblick dieser Leutedermaen entsetzt, da er sich sofort abwandte und mir mit ge-schockten Augen die Frage stellte: "Sagen Sie, sind das lauterRauschgiftschtige?"

    Keine einzige Zeitung sah sich jedoch dazu veranlat, die Whlerdarber zu informieren, was sich hinter der schnen Grnbezeich-nung dieser Liste personell wirklich tat. Whrend wir in den wenigenZeilen, die ber uns geschrieben wurden, fast nur verrissen wurden,gab es ber die GAL-Liste kaum Negativbemerkungen. Das Interes-

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  • se galt allein der Frage, wie die Komlosy-Liste im Vergleich zu deranderen Grn-Liste wohl abschneiden werde.

    Die berraschung war daher nicht gering, als sich nach Bekannt-werden des Wahlresultats herausstellte, da diese wahlwerbendeGrngruppe sogar von der "Mir reicht's!"-Liste berholt wurde. Durchdas fast lckenlose Verschweigen unserer Existenz seitens derMedien erreichten wir zwar nur rund ein Prozent der Whlerstimmen- also kein Mandat - aber die Komlosy-Leute blieben deutlich auchunter dieser Niedrigmarke.

    Das hinderte die "Kronenzeitung" freilich nicht, in ihrem Bericht berden Ausgang der Wahl von Andrea Komlosy ein groes Bild zu brin-gen und die bedauernde Feststellung hinzuzufgen,da derenGrnliste leider die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfllen konn-te. ber unsere Liste hatte die "Kronenzeitung" whrend des ge-samten Wahlkampfes kein einziges Wort verloren. Unsere ber8.000 Stimmen in Wien wurden in ihrem Abschlubericht gar nichterwhnt, aus dem offiziellen Wahlresultat sogar herausgenommen.

    Auch im "Kurier", bei dem die Interessenvertreter der Wirtschaftmageblichen Einflu haben, gab es praktisch nur Funkstille bezg-lich unserer Liste, hingegen Groreportagen fr die Grnen.

    Das mu man sich einmal vorstellen: Da wird ein Grnblutegel nachdem anderen am Krper der Wirtschaft angesetzt und die Vertreterder Wirtschaft mobilisieren ihr Medienpotential, um den Leuten, diediese grnsozialistische Politik auf ihre Fahnen geheftet haben, zuhelfen, ins Parlament zu kommen, und um gleichzeitig alles daran-zusetzen, da ein Mann, der die Zivilcourage und das Knnen hat,den grnen Schwindel in sterreich aufzudecken, nur ja nicht auchins Parlament kommt.

    Das ist ja wirklich nicht mehr normal. Damit dieser Wahnwitz wenig-stens einem kleinen Kreis der Bevlkerung bekannt wird, gaben wirgleich nach der Wahl folgende Information an unsere Frderer, Ak-tionisten und Sympathisanten hinaus:

    Die Hintergrnde, warum Dr.Steinhauser die Auseinandersetzung

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    mit dem politischen Gegner der Wirtschaft weiterhin nur auerparla-mentarisch fhren kann:

    Mit gelegentlicher Hofberichterstattunq ber Spitzenvertreter derWirtschaft versuchen Osterreichs Medien den Eindruck zu erwek-ken, als seien sie wirtschaftsfreundlich. Wie es um die Wirtschafts-freundlichkeit von Presse, Hrfunk und Fernsehen in unseremLande tatschlich bestellt ist, zeigte sich bei der Nationalratswahl1986 besonders deutlich.So wurden die Grnen Freda Meissner Blaus, die aus ihrer negati-ven Einstellung zur Wirtschaft gar kein Hehl machen, nach allen Re-geln journalistischer Kunst aufgeblasen, die "Mir reicht's-Liste vonDr.Karl Steinhauser, der sich wie kein anderer in Osterreich fr dieWirtschaft politisch einsetzt, hingegen total boykottiert. Nicht nurvom parteiabhngigen ORF, sondern auch von Tageszeitungen, indenen die offiziellen Vertreter der Wirtschaft nicht ohne Einflu sind.Die Kronenzeitung zum Beispiel hat die >teinhauser-Liste mit kei-nem einzigen Wort erwhnt, ber die GRUNEN jedoch laufend aus-fhrlich berichtet und deren Spitzenkandidatin den Whlern wrm-stens ans Herz gelegt - (u.a. in einer doppelseitigen Reportage mitdem Titel: "Freda, du mut ins Parlament!").Der Kurier tat ebenfalls alles, nur damit die wirtschaftsblinden Gr-nen und kein Wirtschaftsmann wie Dr.Steinhauser ins Parlamentkommt.In Anbetracht dieses Medienboykotts sind die 8.108 Stimmen, wei-che die AKTIONSLISTE "Mir reichfs!"- in Wien auf Anhieb erhielt(auf ganz sterreich umgelegt wren das 43.129 Stimmen), einErfolg, der grte Aufmerksamkeit verdient.Dieser Erfolg reichte allerdings nicht aus, ein Mandat zu gewinnen,weshalb Dr.Steinhauser die Auseinandersetzung mit den polltischenGegnern der Wirtschaft noch nicht im Parlament, sondern weiterhinnur auerparlamentarisch fhren kann.

    Diese Aussendung ging auch an die gesamte Presse sterreichs.Darber hinaus schrieb ich einen Brief an den Prsidenten der Bun-deskammer der gewerblichen Wirtschaft, Ing..Rudolf Sallinger, indem ich ihm kurzerhand mitteilte, da es fr mich nun keinen Zwei-

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  • fel mehr darber gebe,"auf welcher Seite, Sie Herr Prsident, wirk-lich stehen".

    Sallinger ist nicht der Typ, der so etwas auf sich sitzen lt. Er rea-gierte auch sehr schnell und nicht brokratisch, sondern menschlich.Er rief mich an, sagte nur "darber mssen wir reden" und machtegleich einen Termin aus.

    Ich wute allerdings inzwischen lngst, was das bedeutet, wennSallinger sagt: "Darber mssen wir reden". Nicht, da er sich davordrckte. Er hlt Termine peinlichst genau ein, bei dem Darber-reden schaut nur ni