Stents – Alles im Fluss?

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CAD CAM 5-6/2010 29 NUMERISCHE SIMULATION METHODEN PROTHESE IM KÖRPER. Unter ei- nem ›Stent‹ versteht man in der Medizintechnik ein tubuläres, git- terartiges Stützgerüst aus Metall. Im Falle einer Stenose sorgt es da- für, die Gefäßinnenwände aufzu- weiten und abzustützen, um so eine ungehinderte Blutströmung durch die Verengung hindurch zu ge- währleisten. Dazu setzen Ärzte die Stents im Bereich der diagnostizier- ten Stenose ab, wobei das Stützge- rüst von einem gecrimpten Einbau- zustand in einen vergrößerten Stützzustand aufgeweitet wird. Bei selbstexpandierenden Stents erfolgt dieser Vorgang automatisch. Er lässt sich aber auch beispielsweise mit einem Ballonkatheter herbei- führen. Es ist längst nicht mehr alleini- ges Ziel der Simulation, lediglich eine technisch möglichst optimale Lösung zu finden. Vielmehr ver- sucht man, den gesamten Ent- wicklungsprozess effizienter zu ge- stalten. Gerade das macht die Si- mulation für die Medizintechnik so interessant. Denn hier geht es darum, mit hocheffizienten Me- thoden ein gutes Produkt zu einem akzeptablen Preis früh auf den Markt zu bringen. Problematisch hierbei ist allerdings, dass die an die Produkte gestellten hohen An- sprüche bezüglich Funktionalität und Zuverlässigkeit ihre Ent- wicklung langwierig und kostenin- tensiv machen. Stents – Alles im Fluss? Simulation in der Medizintechnik Das Korsett kommt wieder: In Deutschland lassen sich jährlich rund eine viertel Million Men- schen kleine Metallgeflechte in den Körper schieben. Eine Notreparatur für jene Blutwege, die sich gefährlich verengt haben und deshalb von kleinen stählernen Stangen offen gehalten wer- den müssen. Um diese Stents auslegen und implantieren zu können, bedienen sich Entwickler der Aussagekraft von multidisziplinären Lösungen wie SimXpert. Das Modul bietet eine ein- heitliche Benutzeroberfläche und gemeinsame Datenbasis. Da die Solver Bestandteil der Lö- sung sind, lässt sich ein einziges Modell ohne Datentransfer etwa für lineare und nichtlineare Strukturanalysen oder Bewegungssimulationen nutzen. Ulrich Feldhaus, freier Autor

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NUMERISCHE SIMULATION METHODEN

PROTHESE IM KÖRPER. Unter ei-nem ›Stent‹ versteht man in derMedizintechnik ein tubuläres, git-terartiges Stützgerüst aus Metall.Im Falle einer Stenose sorgt es da-für, die Gefäßinnenwände aufzu-weiten und abzustützen, um so eineungehinderte Blutströmung durchdie Verengung hindurch zu ge-währleisten. Dazu setzen Ärzte dieStents im Bereich der diagnostizier-ten Stenose ab, wobei das Stützge-rüst von einem gecrimpten Einbau-

zustand in einen vergrößertenStützzustand aufgeweitet wird. Beiselbstexpandierenden Stents erfolgtdieser Vorgang automatisch. Erlässt sich aber auch beispielsweisemit einem Ballonkatheter herbei-führen.

Es ist längst nicht mehr alleini-ges Ziel der Simulation, lediglicheine technisch möglichst optimaleLösung zu finden. Vielmehr ver-sucht man, den gesamten Ent-wicklungsprozess effizienter zu ge-

stalten. Gerade das macht die Si-mulation für die Medizintechnikso interessant. Denn hier geht esdarum, mit hocheffizienten Me-thoden ein gutes Produkt zu einemakzeptablen Preis früh auf denMarkt zu bringen. Problematischhierbei ist allerdings, dass die andie Produkte gestellten hohen An-sprüche bezüglich Funktionalitätund Zuverlässigkeit ihre Ent-wicklung langwierig und kostenin-tensiv machen.

Stents –

Alles im Fluss? S i m u l a t i o n i n d e r M e d i z i n t e c h n i k

Das Korsett kommt wieder: In Deutschland lassen sich jährlich rund eine viertel Million Men-

schen kleine Metallgeflechte in den Körper schieben. Eine Notreparatur für jene Blutwege, die

sich gefährlich verengt haben und deshalb von kleinen stählernen Stangen offen gehalten wer-

den müssen. Um diese Stents auslegen und implantieren zu können, bedienen sich Entwickler

der Aussagekraft von multidisziplinären Lösungen wie SimXpert. Das Modul bietet eine ein-

heitliche Benutzeroberfläche und gemeinsame Datenbasis. Da die Solver Bestandteil der Lö-

sung sind, lässt sich ein einziges Modell ohne Datentransfer etwa für lineare und nichtlineare

Strukturanalysen oder Bewegungssimulationen nutzen. Ulrich Feldhaus, freier Autor

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METHODEN NUMERISCHE SIMULATION

Beliebig reproduzierbare ErgebnisseKonventionelle Entwicklungspro-zesse, speziell in der Medizintech-nik, arbeiten mit physikalischenPrototypen. Diese erbringen unteranderem den vom Gesetzgeber ge-forderten Nachweis, ob ein Produktden strengen gesetzlichen Maßga-ben entspricht. Aus technischerund unternehmerischer Sicht in-teressanter ist jedoch die Tatsache,dass Prototypen eine zentrale Rolledabei spielen, in einem iterativenProzess nach der Trial-&-Error-Methode die geforderte Funk-tionalität zu erreichen; ein langwie-riges und teures Verfahren, das sichmit Simulationssystemen nachhal-tig verbessern lässt. Mit ihnen ist esmöglich, frühzeitig virtuelle Proto-typen zu generieren, um den Itera-tionsprozess am Computer durch-zuführen.

Die Ergebnisse einer numeri-schen Simulation sind beliebig re-produzierbar. Eine Eigenschaft, diebei physikalischen Tests hingegennur eingeschränkt gegeben ist, so-bald organisches Gewebe ins Spielkommt, dessen Materialparametererheblich variieren können und zu-dem nicht unbegrenzt verfügbarsind.

Unter dem Ansatz ei-nes Virtual Product Deve-lopments integrieren sichdie Simulationsprogram-me und Simulations-Datenmanagementsyste-me von MSC nahtlos inbestehende Datenverar-beitungslandschaften.Für multidisziplinäreAusgaben eignet sich dieSuite SimXpert. Dazusind Solver (unter ande-rem Marc und Nastran)mit unterschiedlichenAufgabenschwerpunkten in eineeinheitliche Programmumgebungeingebaut und greifen auf eine ge-meinsame Datenbasis zu. Somitkann der ansonsten erforderlicheDatentransfer zwischen unter-schiedlichen Berechnungspro-grammen entfallen.

Zudem passt sich SimXpert in-dividuellen Erfordernissen an. Ge-gebenenfalls kann es auch um Pro-gramme von Drittanbietern er-gänzt werden. Typisch ist beispiels-weise die Einbeziehung von Strö-mungssimulationsprogrammen,um, wie im vorliegenden Fall,mittels Fluid-Struktur-Interaktiondie Wechselwirkungen zwischendem Blut (Fluid) und der Struktur

(Arterienwand/Stent) zu unter-suchen.

Vielfältige AuslegungskriterienDa Stents bezüglich Lebensdauerund Biokompatibilität höchstenAnsprüchen genügen müssen, sinddie Auslegungskriterien entspre-chend umfangreich:� Die Lebensdauer muss min-destens 400 Mio. Lastwechsel über-dauern, was zirka zehn Jahren ent-spricht.� Es bestehen niedrigen Span-nungen in der Gefäßwand.� Eine hohe radiale Festigkeitund Steifigkeit muss gegeben sein.� Axiale Flexibilität ist gewähr-

leistet.� Ebenso besteht eine mini-male axiale Verkürzung beiradialer Aufweitung und � ein ungehinderter Strö-mungsverlauf.

Des Weiteren ist essenziell,dass der gesamte Fertigungs-und Einsetzprozess, zu demdas Schneiden und zu einemTubus Aufrollen, Crimpen so-wie Expandieren zählen, beider Auslegung berücksichtigtwird. Schließlich sieht sich derStent bei der Herstellung undbei der Implantation Belas-tungen ausgesetzt, die Span-nungen erzeugen und so dieLebensdauer negativ beein-flussen können. Es gehört zuden Voraussetzungen, dasssich der gesamte Einsetzpro-zess ohne Funktionsbeein-trächtigung durchführen lässt.

Da s ich selbst an implantierten

Stents erneut Stenosen b ilden

können, ist es wichtig, e ine optimale

Stent-Geometrie zu f inden. Hier haben

sich Variantenrechnungen auf Basis

e iner parametrierten Geometrie be-

währt, bei denen Spezialisten e ine De-

s ignoptimierung nach unterschied-

l ichen Kriterien durchführen.

Bei der Entwicklung von Stents fungiert SimXpert als multidisziplinäre

Arbeitsplattform.

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NUMERISCHE SIMULATION METHODEN

Parameterstudien auf Basis von Templates Mit dem in SimXpert eingebautenMarc-Solver lassen sich Berechnun-gen mit nichtlinearen Materialiendurchführen. Unter anderem ist einNitinol-Materialmodell (Formge-dächtnislegierung auf Nickel-Titan-Basis) eingebaut. Zudem ist es mög-lich, komplexe Deformationen ein-schließlich dreidimensionaler Beul-effekte und komplexer 3D-Kontakt-probleme zu eruieren.

Ein zentraler Punkt bei der Ent-wicklung besteht darin, eine opti-male Stent-Geometrie zu finden, dasich selbst an implantierten StentsStenosen erneut bilden können.

Diese Restenose-Rate kann sich jenach Stent-Design zwischen 20 und40 Prozent bewegen. In der Simula-tionspraxis haben sich hier Varian-tenrechnungen auf Basis einer para-metrierten Geometrie bewährt, beidenen Spezialisten eine Design-optimierung nach unterschied-lichen Kriterien durchführen. Sol-che Parameterstudien können inSimXpert auf der Basis von Temp-lates erfolgen, in denen Best Prac-tices in einem validierten Workflowerfasst werden. Eine solche Prozess-automatisierung kann auch dasPost-Processing mit etwa Doku-mentation und Berichterstellungbeinhalten.

SimXpert lässt sich direkt an dasSDM-System SimManager anbin-den, was ein bestmögliches Verwal-ten der Simulationsdaten ge-währleisten soll. Zentrale Datenspei-cherung, Informationen darüber,welche Daten wann und von wemerzeugt wurden sowie das spezielleZugriffs- und Release-Managementverhelfen ebenfalls zu einer optima-len Systemnutzung.

JRü

www.mscsoftware.comDiesen Artikel finden Sie auf unserer Homepagewww.cad-cam.de unter der Dokumenten-nummer CC110131.

@

� Die optimale Stent-

Geometrie lässt sich in

Parameterstudien er-

mitteln.

� Für die Implantation ist es nötig, den

Stent auf einen kleineren Durchmesser zu

crimpen. Auch dieser Vorgang

wird mit FEM analysiert.

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