Stevns Klint – UNESCO- Welterbe und eine...

7
Die Steilküste Stevns Klint auf der dänischen In- sel Seeland wurde kürzlich zum UNESCO-Welt- erbe ernannt. In ihren Kalk- und Kreideschich- ten verbirgt sich die dramatische Geschichte aus einer der wichtigsten Perioden des Lebens auf der Erde, nämlich vom Ende der Kreidezeit vor etwa 66 Millionen Jahren. Damals verschwand in einem gigantischen Massensterben etwa die Hälfte allen tierischen Lebens, einschließlich der Dinosaurier (1). Stevns Klint – UNESCO- Welterbe und eine fantastische Fossilienfundstelle Fischton (fiskeleret), enthält eine besonders hohe Konzentration des Elements Iridium, was als Beweis für einen Meteoriteneinschlag angesehen wird. G erade Stevns Klint spielte eine wichtige Rolle in der Erforschung der Gründe, die zu dieser Katastrophe an der Grenze von der Kreidezeit zum Paläogen führten, denn eine dünne Tonschicht, der Ostsee Deutschland Däne- mark Kiel Flensburg Kopenhagen Odense Næstved Stevns Klint 1: Stevns Klint mit Aussicht auf die teilweise herabgestürzte alte Højerup Kirche, vom Strand bei Højerup aus gesehen. Hinter der malerischen Fassade der Steilküste verbirgt sich eine der größten Katastrophen in der Geschichte des Lebens. Foto: Jakob Lautrup/GEUS.

Transcript of Stevns Klint – UNESCO- Welterbe und eine...

Die Steilküste Stevns Klint auf der dänischen In-sel Seeland wurde kürzlich zum UNESCO-Welt-erbe ernannt. In ihren Kalk- und Kreideschich-ten verbirgt sich die dramatische Geschichte aus einer der wichtigsten Perioden des Lebens auf der Erde, nämlich vom Ende der Kreidezeit vor etwa 66 Millionen Jahren. Damals verschwand in einem gigantischen Massensterben etwa die Hälfte allen tierischen Lebens, einschließlich der Dinosaurier (1).

Stevns Klint – UNESCO-Welterbe und eine fantastische Fossilienfundstelle

Fischton (fiskeleret), enthält eine besonders hohe Konzentration des Elements Iridium, was als Beweis für einen Meteoriteneinschlag angesehen wird.

Gerade Stevns Klint spielte eine wichtige Rolle in der Erforschung der Gründe, die zu dieser

Katastrophe an der Grenze von der Kreidezeit zum Paläogen führten, denn eine dünne Tonschicht, der

OstseeDeutschland

Däne-mark

Kiel

Flensburg

Kopenhagen

Odense

Næstved

StevnsKlint

1: Stevns Klint mit Aussicht auf die teilweise herabgestürzte alte Højerup Kirche, vom Strand bei Højerup aus gesehen. Hinter der malerischen Fassade der Steilküste verbirgt sich eine der größten Katastrophen in der Geschichte des Lebens. Foto: Jakob Lautrup/GEUS.

Stevns Klint

Betrachtet man die Steilküste vom Aussichtspunkt neben der alten Kirche in Højerup aus, fällt einem sofort eine gewisse Zweiteilung des Profils auf. Un-ten wird die weiche Schreibkreide von der leichten Brandung erodiert und darüber befindet sich der et-was härtere Bryozoenkalk, der einen leichten Über-hang bildet. Geht man die steilen Stufen zum Strand hinab, entdeckt man jedoch schnell, dass dies nicht die gesamte Schichtenabfolge darstellt, sondern noch weitere, dünnere Einheiten dazwischen liegen. Beginnen wir aber mit der Beschreibung des Profils von unten, bei der ältesten Formation, obwohl wir beim Abstieg an den Schichten in umgekehrter Rei-henfolge vorbeigehen. So ist es am Ende einfacher, das in der Steilküste niedergeschriebene Kapitel der Geschichte des Lebens auf der Erde zu lesen.

schützendes Innenskelett von kleinen Meeresalgen gebildet wurden. Über einen Zeitraum von Millionen von Jahren rieselten diese Kalkskelette auf den Mee-resgrund hinab und bildeten dort die mächtigen Kreideschichten, die heute den größten Teil des dä-nischen Untergrunds ausmachen und eine Mächtig-keit von über 900 Metern erreichen.

Zur Ablagerungszeit war dieser Meeresboden ein sehr weicher Kreideschlamm, was große Herausfor-derungen an die ihn bewohnenden Tiere stellte. Be-trachtet man die Fossilien der Schreibkreide genauer, kann man viele Anpassungen an diesen Weichgrund erkennen. Riesige Austern, wie Pycnodonte vesicu-lare, besaßen große, unten gewölbte Schalen, die sie gewissermaßen auf dem weichen Meeresboden schwimmen ließen. Auf dem Grund wachsende Kie-selschwämme entwickelten stark verzweigte Wur-zeln, die weit nach unten in den weichen Schlamm Geschichte des Lebens auf der Erde zu lesen. zeln, die weit nach unten in den weichen Schlamm

Die Schreibkreide – e in Leben auf dem Meeresgrund

Die weiße Schreibkreide im unteren Teil des Kliffs wurde am Ende der Kreidezeit im Maastrichtium, vor etwa 66 Millionen Jahren, abgelagert. Sie stellt einen feinkörnigen Kreidetyp dar, der sich bei Be-rührung leicht mit den Fingern abreiben lässt und hauptsächlich aus mikroskopischen Kalkschalen, den sogenannten Coccolithen, besteht. Coccolit-hen sind winzige, schüsselförmige Plättchen, die als

reichten. So verankert, konnten sie sich trotz boden-naher Meereströmungen aufrecht halten. Seeigel, die normalerweise lange, spitze Stacheln besitzen, um sich gegen Beutegreifer zu verteidigen oder diese ab-

2: Fossilien von am Boden lebenden Tieren, die sich an die Bedingungen des weichen Kreideschlamms angepasst hatten. A: Der reguläre Seeigel Tylocidaris baltica mit seinen großen keulenförmigen Stacheln. B: Die Auster Pycnodonte vesiculare mit ihrer stark gewölbten Schale, die ihr erlaubte, auf dem weichen Meeresgrund zu siedeln. C, D: Kieselschwämme mit stark verzweigten Wurzeln, die ihnen gestatteten, sich aufrecht über den weichen Kreideschlamm zu erheben. Fotos: Jesper Milàn.

A B

C

D

Fossilien · 3 · 2016 · 17

zuschrecken, entwickelten eher dicke, keulenförmige Stacheln. Die größten und dicksten Stacheln saßen, wie bei Tylocidaris baltica, ringartig um den untersten Teil ihrer Skelette und verhinderten damit, dass die Seeigel in den weichen Kreideschlamm einsanken; ein gutes Beispiel für das Schneeschuh-Prinzip.

Das Leben in der Wassersäule

Das Leben im Kreidemeer war gefährlich, was die fossilen Reste vieler unterschiedlicher Beutegreifer in allen Größen bezeugen (3). Ein eher bizarrer Raub-fisch war Enchodus. Er hatte extrem lange Fangzäh-

ne entwickelt, die selbst bei geschlossenem Mund weit über seinen Oberkiefer hinausragten. Sein markantes Aussehen brachte ihm im Dänischen den Spitznamen Sabeltandssild (= Säbelzahnhering) ein.

Von Haien wurden viele verschiedene Arten ent-deckt, von kleinen, nahe am Boden lebenden Formen bis hin zu sich frei im Ozean bewegenden Riesen, die eine Länge von bis zu sechs Metern erreichen konn-ten. Haiskelette werden nur vereinzelt gefunden, da sie aus einem knorpeligen Material bestehen und deshalb fossil nur äußerst selten überliefert werden. Zähne von Haien kommen dagegen recht häufig als Fossilien vor.

Die Beutegreifer, die vielleicht am besten aus dem Kreidemeer bekannt sind, sind die verschiedenen Gruppen

im Meer lebender Saurier, die sich an das Leben in der offenen See hervorragend

angepasst hatten und damit an der Spitze der Nahrungskette standen. An der Steilküste

Stevns Klint kann man mit viel Glück Zähne oder Knochenreste zweier verschiedener Mosasaurier-

Die Beutegreifer, die vielleicht am besten aus dem Kreidemeer bekannt sind, sind die verschiedenen Gruppen

im Meer lebender Saurier, die sich an das Leben in der offenen See hervorragend

angepasst hatten und damit an der Spitze der Nahrungskette standen. An der Steilküste

Stevns Klint kann man mit viel Glück Zähne oder Knochenreste zweier verschiedener Mosasaurier-

besten aus dem Kreidemeer bekannt sind, sind die verschiedenen Gruppen

im Meer lebender Saurier, die sich an das Leben in der offenen See hervorragend

angepasst hatten und damit an der Spitze der Nahrungskette standen. An der Steilküste

Stevns Klint kann man mit viel Glück Zähne oder Knochenreste zweier verschiedener Mosasaurier-

4: Verschiedene Kopff üßer von Stevns Klint. A: Hoploscaphites. B: Pachydiscus. C: Belemnit D: Baculites. Fotos: Jesper Milàn.

3: Fossile Zähne von einigen der großen Beutegreifer des Kreidemeeres. A: Zahn des Meereskrokodils Th oracosaurus. B: Zahn des Hais Archaeolamna. C: Zahn eines Mosasauriers. Fotos: Jesper Milàn.

A

A

D

B

B

C

C

18

Gattungen finden, dem großen Mosasaurus und dem kleineren Plioplatecarpus. Mosasaurier sind eng mit den Waranen und Eidechsen verwandt und hatten sich gegen Ende der Kreidezeit perfekt an das Leben im Meer angepasst. Ihre Arme und Beine hatten sich in Flossen umgewandelt, ihr Schwanz war abgeflacht und endete in einer Finne, mit der sie steuern konn-ten. Die Mosasaurier wurden bis zu 15 Meter lang und eroberten weltweit die Meere, bis sie am Ende der Kreidezeit ausstarben.

Meereskrokodile waren ebenfalls ein Teil des Ökosystems. An der Steilküste wurden Reste von langschnauzigen Meereskrokodilen (Thoracosaurus) gefunden (3). Diese Krokodile überlebten das Mas-sensterben an der Kreide/Paläogen-Grenze unbe-schadet.

Kopffüßer stellten eine andere zahlenmäßig stark vertretene Gruppe im Kreidemeer dar, insbesondere die Ammoniten mit ihren aufgerollten Schalen sind attraktive Fossilien. Von Stevns Klint sind viele ver-schiedene Arten von Ammoniten bekannt, normal aufgerollte wie Pachydiscus, teilweise entrollte wie Hoploscaphites und sogar vollkommen gestreckte Formen wie Baculites. Ebenfalls vertreten sind Be-lemniten, die zu den Tintenfischen gehören und keine äußere Schale, dafür aber ein kalkiges, zigar-renförmiges Rostrum am Körperende besaßen. Belemniten sind am Strand von Stevns Klint rela-tiv häufig zu finden (4).

Das Ende einer Ära

Die Kreidezeit zeichnete sich durch recht stabile Kli-ma- und gute Lebensbedingungen aus, jedoch be-gannen die Fossilien gegen ihr Ende eine Krise im Ökosystem anzuzeigen. An Land starben in den letz-ten Millionen Jahren der Kreidezeit viele Dinosauri-er aus, sodass am Ende nur noch wenige, dafür aber weit verbreitete Arten, vorhanden waren. Im Meer konnte man ein ähnliches Phänomen beobachten, da viele Tierarten bereits vor der Kreide/Paläogen-Grenze verschwanden. Die Biosphäre war eindeutig in der Krise, aber was geschah eigentlich zu dieser Zeit?

Der Fischton, das Massensterben und der große Wissenschaftsstreit

Ein wichtiger Teil der Antwort auf diese Frage ver-birgt sich in der Steilküste Stevns Klint. Die obers-ten Meter des Schreibkreideprofils bis zur Kreide/Paläogen-Grenze werden umgangssprachlich auch „Graue Kreide” genannt. Diesen Namen erhielt der

Abschnitt aufgrund des darin enthaltenen Kohlen-stoffs, der wahrscheinlich vulkanischen Ursprungs ist, denn gerade am Ende der Kreidezeit war die Ak-tivität von Vulkanen auf der Erde enorm. Im heuti-gen Indien befindet sich der Dekkan-Trapp, eine alte Vulkanprovinz, die gegen Ende der Kreidezeit aktiv war. Das noch erhaltene Volumen dieser Basalte wird mit etwa 500.000 Kubikkilometern angegeben und Schätzungen der ursprünglich mit Basaltlaven bedeckten Fläche gehen von über 1,5 Millionen Qua-dratkilometern aus. Gleichzeitig wurden durch den Vulkanismus enorme Mengen von Gasen und Asche freigesetzt, die das Weltklima beeinflussten und so die Biosphäre unter Druck setzten. In Muschelscha-len von Stevns Klint existieren schwarze Streifen, die als vulkanischer Ruß interpretier t werden,

sensterben an der Kreide/Paläogen-Grenze unbe-

Kopffüßer stellten eine andere zahlenmäßig stark vertretene Gruppe im Kreidemeer dar, insbesondere die Ammoniten mit ihren aufgerollten Schalen sind attraktive Fossilien. Von Stevns Klint sind viele ver-schiedene Arten von Ammoniten bekannt, normal

, teilweise entrollte wie und sogar vollkommen gestreckte

Die Kreidezeit zeichnete sich durch recht stabile Kli-ma- und gute Lebensbedingungen aus, jedoch be-gannen die Fossilien gegen ihr Ende eine Krise im Ökosystem anzuzeigen. An Land starben in den letz-ten Millionen Jahren der Kreidezeit viele Dinosauri-

len von Stevns Klint existieren schwarze Streifen, die

Kopffüßer stellten eine andere zahlenmäßig stark vertretene Gruppe im Kreidemeer dar, insbesondere die Ammoniten mit ihren aufgerollten Schalen sind attraktive Fossilien. Von Stevns Klint sind viele ver-schiedene Arten von Ammoniten bekannt, normal

, teilweise entrollte wie

Die Kreidezeit zeichnete sich durch recht stabile Kli-ma- und gute Lebensbedingungen aus, jedoch be-gannen die Fossilien gegen ihr Ende eine Krise im Ökosystem anzuzeigen. An Land starben in den letz-ten Millionen Jahren der Kreidezeit viele Dinosauri-

als vulkanischer Ruß interpretier t werden,

der, nachdem er auf den Meeresboden abgesunken war, in die Schalen eingebaut wurde (5).

Doch das Ereignis, das das Ende der Kreidezeit markiert, war nicht von dieser Welt. Ein Asteroid mit einem Durchmesser von etwa 10 Kilometern rammte die Erde auf der Halbinsel Yucatán, im heutigen Golf von Mexiko. Durch die Explosion des Impakts wur-den Asche und Staub in die Atmosphäre geschleu-dert, sodass wahrscheinlich das Sonnenlicht global abgeschirmt wurde und die Erde so in einen Zustand versetzte, der mit einem atomaren Winter verglichen

5: Jakobsmuschel mit dunklen Streifen in der Schale. Die Streifen stammen vermutlich von vulkanischer Asche, die auf den Meeresboden herabregnete. Die Muschel wurde in Schichten direkt unter der Kreide/Paläogen-Grenze entdeckt. Foto: Jesper Milàn.

Fossilien · 3 · 2016 · 19

wird. Die Bioproduktion setzte aus und Schreibkrei-de wurde während dieser Periode nicht mehr abgela-gert. Deshalb wird das Ende der Kreidezeit von einer dünnen, dunklen Tonschicht markiert, die in Stevns Klint als Fiskeler (Fischton) bezeichnet wird (6). Als Re-sultat des Ganzen brachen die Nahrungsketten der Biosphäre zusammen, was dazu führte, dass etwa die Hälfte aller Tierarten auf der Erde ausstarb.

Gerade im Fischton von Stevns Klint wurden Be-weise für diesen enormen Meteoriteneinschlag, der das Leben auf der Erde so nachhaltig beeinflusste, ge-funden. Im Jahr 1978 wies der amerikanische Astro-physiker Walter Alvarez hier das Element Iridium in einer gegenüber dem Durchschnittsvorkommen auf der Erdoberfläche etwa 60-fach erhöhten Konzent-ration nach. Iridium ist in der Erdkruste recht selten, aber relativ häufig in Material aus dem Weltraum, weshalb Alvarez diese erhöhte Konzentration auf den Einschlag eines Asteroiden zurückführte. Der eigent-liche Beweis für diesen Einschlag erfolgte erst etwa 10 Jahre später, als ein Krater mit 180 Kilometern Durchmesser im Untergrund der Halbinsel Yucatán

entdeckt wurde, der genau in das fragliche Zeitfens-ter passte.

In den folgenden Jahren nach Veröffentlichung der Einschlagshypothese entbrannte ein heftiger Streit zwischen den Wissenschaftlern. Die eine Sei-te hielt nach wie vor an der erhöhten vulkanischen Aktivität als ausschließlichem Grund für das gro-ße Massensterben fest, während andere vehement die Ansicht vertraten, dass die alleinige Schuld dem Meteoriteneinschlag zuzuschreiben sei. Dieser Streit wurde von beiden Gruppen so erbittert geführt, dass wissenschaftliche Artikel jener Zeit über dieses Thema oft alle Daten und Fakten ignorierten oder un-kritisch ablehnten, die entweder der Vulkan- oder der Einschlagstheorie widersprachen. Aber die Populärli-teratur und Fernsehdokumentationen griffen die As-teroidentheorie begierig auf. So gut wie keine Fern-sehsendung über Dinosaurier der 1990er Jahre kam ohne dramatische Computeranimation aus, in der ein riesiger Asteroid auf der Erde einschlug und Dinosau-rier von der Druckwelle durch die Luft geschleudert wurden.

Heute haben die meisten Forscher eingesehen, dass es für das große Massensterben keine einfache Schwarz-Weiß-Erklärung gibt, sondern dass meh-rere Faktoren schuld daran waren. Gründliche pa-läontologische Studien, die sich mit dem Ende der Kreidezeit auseinandersetzten, ergaben außerdem, dass viele Tiergruppen bereits lange vor dem Mete-oriteneinschlag auszusterben begannen. Außerdem zeigte sich, dass zum Beispiel nicht alle Ammoniten genau an der Zeitenwende ausstarben, sondern man-che Arten doch noch einige Zeit ins Paläogen hinein weiterexistierten. Diese Überlebenden wurden un-ter anderem in den USA, den Niederlanden und auch am Stevns Klint nachgewiesen. Ähnlich verhielt es sich vielleicht auch mit den Dinosauriern. So wurden zum Beispiel im US-Bundesstaat New Mexico Reste von Dinosauriern entdeckt, die möglicherweise noch im Paleozän vorkamen. Ob diese Knochen tatsäch-lich von paleozänen Dinosauriern stammen oder nur durch Erosion und erneute Sedimentation umgela-gert wurden, wird nach wie vor heftig diskutiert.

Interessanterweise existieren auch Spuren von weiteren Meteoriteneinschlägen auf der Erde, die in ihren Dimension demjenigen an der Kreide/Paläo-gen-Grenze entsprechen, aber keine Massensterben ausgelöst hatten. Die Theorie, auf die sich die meis-ten Wissenschaftler heutzutage einigen, besagt, dass die Biosphäre am Ende der Kreidezeit wegen der weltweit starken vulkanischen Aktivität gewaltig un-ter Druck gestanden hatte. Der Asteroid schlug des-halb zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt auf der

6: Der Fischton, der die Grenze zwischen Kreide und Paläogen markiert, bildet einen grau-braunen Streifen zwischen der feinen weißen Schreibkreide der Kreidezeit und dem gröberkörnigen Bryozoenkalk aus dem Paläogen. Foto: Jakob Lautrup/GEUS.

20 · Fossilien · 3 · 2016

Erde ein und versetzte somit dem ohnehin schon ge-stressten Ökosystem gewissermaßen den Todesstoß.

Der Kalk – das Wiedererblühen des Lebens

Nach der Ablagerung des Fischtons setzte die Kalk-produktion nur schleppend wieder ein und die erste Gesteinsformation im Paleozän (oder Danium), der Cerithium-Kalk, wurde abgelagert. Es handelt sich hierbei um einen harten, gelben Kalkstein, in dem Fossilien nur schlecht erhalten sind, meist als Stein-kerne oder Abdrücke. Der Cerithium-Kalk ist nach der Schnecke Metacerithium balticum benannt und erreicht eine maximale Mächtigkeit von bis zu ei-nem Meter. Seine Obergrenze wird durch eine Ero-sionsdiskordanz mit einem darunterliegenden Hart-grund gebildet.

Darüber lagert der Bryozoenkalk, die zweite gro-ße Einheit, die man in der Steilküste als leichten Über-hang erkennen kann. Dieser Kalk ist härter als die Schreibkreide und war über viele Jahre hinweg ein wichtiger Rohstoff einer bedeutenden Kalksteinin-dustrie. Insbesondere auf der Halbinsel Stevns wur-de er als Baustein geschätzt. Zur Zeit der Ablagerung

wuchsen am Meeresgrund ausgedehnte Bryozoenrif-fe, die mit ihren Skeletten die dicken Kalkschichten bildeten, die im oberen Teil der Schichtenfolge von Stevns Klint zu sehen sind (7). Die Meeresbodenfau-na etablierte sich wieder, und viele kreidezeitähnliche Formen von Seeigeln, Brachiopoden, Schwämmen, Austern und anderen Muscheln kehrten zurück.

Der Unterschied zwischen den kreide- und paläo-genzeitlichen Faunen wird jedoch deutlicher, wenn man sich das Leben in der Wassersäule genauer an-sieht. Ammoniten und Belemniten, die beiden Tin-tenfischgruppen, die zuvor zahlreich im Meer ver-treten waren, sind nun ausgestorben und von ihren weniger häufigen Verwandten, den Nautiliden, er-setzt worden. Die riesigen marinen Mosa- und Plesio-saurier sind ausgestorben, und als einzige Vertreter der Reptilien verblieben an der Spitze der Nahrungs-kette die Meereskrokodile als Beutegreifer.

An Land waren alle ökologischen Nischen, die zu-vor von den Dinosauriern eingenommen worden wa-ren, nun unbesetzt. Kleine Säugetiere, die während der gesamten 180 Millionen Jahre dauernden Herr-

7: Der Daniumkalk wird von gut ausgebildeten Bryozoen-bänken dominiert, die vor allem im oberen Teil der Schich-tenfolge gut erkennbar sind. Foto: Jakob Lautrup/GEUS.

Fossilien · 3 · 2016 · 21

Dr. Jesper Milàn ist Kurator am Østsjællands Museum. Sein Spezialgebiet sind die Wirbel-tierpaläontologie und die Ichnologie der dä-nischen Kreide und Kalksteine.

Dipl.-Geol. Lothar H. Vallon ist freier Mitar-beiter am Østsjællands Museum. Neben In-vertebraten beschäftigt er sich hauptsächlich mit Spurenfossilien.

Dr. Tove Damholt ist Direktorin des Østsjæl-lands Museums. Sie ist Karbonatsedimento-login und war treibende Kraft hinter der er-folgreichen Kandidatur von Stevns Klint um das UNESCO-Welterbe.

schaft der Dinosaurier ein Schattendasein gefristet hatten und kaum größere Formen als Mäuse und Ratten hervobrachten, nutzten dies jetzt aus. Im Laufe der ersten paar Millionen Jahre nach der Katas- trophe entwickelten sich die Säuger geradezu blitz-schnell und besetzten alle freien ökologischen Ni-schen an Land. Der Luftraum blieb jedoch das Reich der Dinosaurier. Die Forschung der letzten paar Jah-re brachte nämlich Gewissheit, dass die Vögel direkt von einer Gruppe kleiner Raubdinosaurier abstam-men, die am Ende der Jurazeit das Fliegen erlernt hatte.

Etwa 15 Millionen Jahre nach der Kreide/Paläo-gen-Katastrophe begann eine Gruppe der heutigen Huftiere damit, sich an ein Leben im Meer anzupas-sen und entwickelte sich zu den Walen. Diese füllten dadurch die Nischen aus, die am Ende der Kreidezeit von den großen im Meer lebenden Reptilien unbe-setzt zurückgelassen worden waren.

Hinter der schönen Fassade von Stevns Klint ver-birgt sich also die Geschichte vom Untergang und Massensterben eines alten Ökosystems, das einen mehrjährigen Wissenschaftsstreit ausgelöst hat-te, und den frühen Anfängen der Tiergruppen, die heute die Erde dominieren. Das bisher letzte dunkle Kapitel von Stevns Klint wurde von der Menschheit in den vergangenen 60 Jahren geschrieben. Dieses wird im Museum Stevns Fort nacherzählt und be-schäftigt sich mit der Darstellung des Kalten Krieges in dieser Region Dänemarks.

Regeln zum Fossiliensammeln am Stevns Klint

Stevns Klint wurde im Jahr 2014 zum UNESCO-Welt-erbe gekürt. Stevns Museum in Højerup, ein Teil des Østsjællands Museums, zeigt eine große Ausstel-lung über das Leben im Kreidemeer und was es be-deutet, ein UNESCO-Welterbe zu sein. Des Weiteren hat das Østsjællands Museum die Verpflichtung, das Wissen über dieses Welterbe zu mehren und an In-teressierte weiterzugeben. Gleichzeitig ist es aber auch die Aufgabe des Museums, die Steilküste als attraktiven Ort für zukünftige Generationen von Be-suchern und Wissenschaftlern zu bewahren.

Obwohl Stevns Klint als Welterbe nun einen be-sonderen Schutz genießt, ist es nach wie vor möglich und sogar erwünscht, dort Fossilien zu sammeln. Dies liegt daran, dass Stevns Klint eine natürli-che Steilküste ist und die Erosion des Meeres kons- tant dafür sorgt, dass immer neues Material von der Steilküste auf den Strand stürzt, das ungesam-melt schnell von den Wellen zerstört werden wür-

de. Beim Fossiliensammeln an der Steillküste Stevns Klint sind jedoch folgende Regeln zu beachten:1. Fossilien Sammeln ist an allen lose am Strand lie-genden Blöcken gestattet.2. Das Entnehmen von Fossilien direkt aus dem An-stehenden und das Entnehmen von Proben aus dem Fischton ist verboten.3. Am Strand von Højerup ist es nicht gestattet, Werkzeuge zum Sammeln zu benutzen. Hammer- und Meißelspuren verschwinden hier aufgrund der Küstensicherung nicht.4. Das Sammeln von Fossilien, sowie das Betreten des Strandes geschehen auf eigene Gefahr. Über-hänge sind zu meiden, da zu jeder Jahreszeit Teile der Steilküste abbrechen und auf den Strand stür-zen können.

Das Østsjællands Museum (Højerup Bygade 38, 4660 Store Heddinge, Dänemark, E-Mail: [email protected]) ist auch selbst in internationale Forschungs-projekte involviert, die sich mit dem Massensterben vor 66 Millionen Jahren und der darauf folgenden Er-holung der Biosphäre beschäftigen. Für wissenschaft-liche Untersuchungen kann das Østsjællands Muse-um bei Bedarf eine Erlaubnis zur Probenentnahme an der Steilküste erteilen. In diesem Fall kontaktieren Sie bitte das Østsjællands Museum für weitere Informa-tionen.

Jesper Milàn, Lothar H. Vallon und Tove Damholt

Dank: Teile des vorliegenden Artikels wurden bereits auf Dä-nisch publiziert: Milàn, J. & Damholt, T. (2014): Stevns Klint, kridt, kalk, katastrofer og kæmpe bæster. Geografisk Orien-tering 44 (5): 8–15. Die Reproduktion hier erfolgt mit freund-licher Genehmigung von Geografisk Orientering.

22 · Fossilien · 3 · 2016