stichwort: HAITI

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stichwort: HAITI medico international

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Projektinfo zur Nothilfe in Haiti

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HAITI

medico international

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Liebe Leserinnen und Leser,

wer die Bewohnerinnen und Bewohnervon Cité 9, einem Elendsviertel am Randder haitianischen Hauptstadt, fragt, wiesie einst auf diesen elendigen Hügel gelangt sind, wird eine erstaunliche Ge-schichte von ihnen erfahren. Noch wäh-rend der Herrschaft des haitianischenDiktators Jean-Claude Duvalier Mitte der1980er Jahre sind sie aus der fernenProvinz in die Hauptstadt nach Port-au-Prince gebracht worden, um an einer Ju-belfeier für den angeschlagenen Regen-ten teilzunehmen. Die völlig mittellosenBauern, die sich die Reise nie hättenleisten können, kamen so endlich in dieHauptstadt. Am Ende der Feierlichkeitenhatte man die Bauern vergessen. Fürden Rücktransport reichte die Fürsorgenicht. Sie blieben und siedelten auf ei-nem noch unbewohnten Hügel am Ran-de der Hauptstadt in selbst gezimmertenHütten. Innerhalb von 10 Jahren verwan-delte sich der grüne Berg mit seiner klei-nen Landwirtschaft in ein Elendsquartiermit fast 100.000 Bewohnern.

Wenn man von der Katastrophe desErdbebens am 12. Januar 2010 in Haitispricht, so kann man seine Ausmaßenur verstehen, wenn man sich diese Ge-schichte der Urbanisierung vergegen-wärtigt: Zufällig, unkoordiniert, ohne Planund Programm, Baugenehmigungen und Kanalisation. Am schnellsten wach-sen überall in der Welt, so heißt es, dieElendsstädte – die „Cities of Slum“. Port-au-Prince gehört mit ihren Cités dazu.

editorial

Impressum

Herausgeber:

medico internationalBurgstraße 106D-60389 Frankfurt am Main

Tel. (069) 944 38-0Fax (069) 43 60 02

E-Mail: [email protected]: www.medico.de

Redaktion:

Katja Maurer (verantwortl.),Gudrun Kortas

Korrektorat: Marek Arlt

Gestaltung:Andrea Schuldt

Spendenkonto: 1800 Frankfurter Sparkasse BLZ 500 502 01

Titelbild: Wiederaufbau nach dem Starkregen. MassiveSchauer erhöhen nicht nur die Cholera-Gefahr, sondern zerstören auch die Notunterkünfte der über eine Million obdachlosen Erdbebenüberlebenden. Rückseite: Fussball inmitten der Ruinen, Port-au-PrinceFotos: Reuters

Alle Portraitfotos: medico international

Inhalt

Editorial__2Projektbeispiele__4medico-Büroleiter Hugues Monice__6 Dentalpromotoren aus Guatemala__8Wer ist medico international?__10Wo beginnt Gesundheit?__13Überblick Projektunterstützung__14

medico international

Hinweis: Diese Produkt ist auf Reprint-Papiergedruckt, das zu 80% aus Recyclingpapierund zu 20% aus Primärfaser aus nachhaltigerForstwirtschaft besteht.

Frisches Wasser ist keineSelbstverständlichkeit.

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Deshalb hat das verheerende Erdbebenmehr als 250.000 Menschen das Lebengekostet. So nimmt es nicht Wunder,dass fast ein Jahr nach der großen Ka-tastrophe die vom Erdbeben betroffenenRegionen noch immer so wirken, alswäre fast nichts geschehen. Für 80 Pro-zent der Bevölkerung bleibt das Leben inHaiti ein immerwährendes Provisorium,das seine Zukunft jeden Tag neu be-stimmt. Unter diesen Bedingungen einesinnvolle und nachhaltige Hilfe zu leis-ten, die vor allen Dingen die Haitianerin-nen und Haitianer in die Lage versetzt,ihr Leben zu gestalten, ist kein einfachesUnterfangen.

Seit über 40 Jahren ist medico internatio-nal in der Not- und Wiederaufbauhilfe mitlokalen Partnern tätig. Die Situation inHaiti fordert die Mobilisierung aller Erfah-rungen von uns und Kollegen, mit denenwir seit vielen Jahren weltweit arbeiten.In diesem Heft wollen wir Ihnen eine ers-te Zwischenbilanz unserer Arbeit in Haitivorlegen. Dabei kristallisieren sich drei

Schwerpunkte für die nächsten Jahre he-raus. Gemeindeentwicklung, dass heißtdie Förderung lokaler Initiativen, die Be-darf und Notwendigkeit von Maßnahmendes Wiederaufbaus feststellen und ab-stimmen; Basisgesundheitsfürsorge, dassheißt die Förderung lokaler gesundheit-licher Ausbildung und Infrastruktur; Süd-Süd-Austausch, dass heißt die Vermitt-lung von Erfahrungen aus anderen Län-dern, die sich in einer ähnlichen sozialenund wirtschaftlichen Lage befinden.

Wir bitten Sie, die Arbeit von medico in-ternational in Haiti, die Bemühungen un-serer Partner vor Ort weiterhin zubegleiten.

Herzlichst IhreKatja Maurer

Katja Maurer istPressesprecherin vonmedico international

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ass im Mittelpunkt von Projektmaß-nahmen nach einem Erdbeben Bau-

tätigkeiten stehen, ist einleuchtend. Fastzu einleuchtend. Denn nach solchen Ka-tastrophen passiert es häufig, dass eilighingestellte Bauten nach der ersten Notnicht mehr genutzt werden. Selbst bei sogroßem Bedarf wie in Haiti kann eineBautätigkeit ohne Plan und Abstimmungmit der lokalen Bevölkerung sowie denBehörden vor Ort die Probleme sogarnoch vergrößern, weil sie Ressourcenfalsch bindet oder die Beseitigung vonFehlbauten teurer ist als ihre Errichtung.

In Carrefour-Feuilles, einer riesigenElendsstadt, die so gewachsen ist, dass

sie längst mit der Hauptstadt Port-au-Prince verschmolzen ist, versuchen wirdeshalb einen anderen Weg zu gehen.Hier finanzieren wir den Wiederaufbaueiner Brücke, die den Stadtteil Cité 9 wieder mit dem Rest von Carrefoure-Feuilles und so auch mit Port-au-Princeverbinden soll. Die Brücke wurde durchdas Erdbeben schwer beschädigt. Beinachfolgenden Regenfällen und einemErdrutsch ging sie endgültig zu Bruch.Nun sind die 85.000 Bewohner gezwun-gen durch eine acht Meter tiefe Schluchtvoller Unrat und Abwässer zu gehen, umin die Stadt zu gelangen. Denn der Stadt-teil Cité 9 liegt auf einem Hügelkamm,der durch zwei schwer zugängliche

Mehr als eine BrückeCité 9/Port-au-Prince: Bauen mit einem Bürgerkomitee

projektbeispiele haiti

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ach dem Erdbeben flohen 160.000Menschen aus den betroffenen Re-

gionen in das Departement Artibonite zuihren Verwandten und Bekannten. Artibo-nite selbst war von diesem Erdbebennicht betroffen. Ein strukturelles Erdbe-ben zuvor hatte allerdings erheblicheAuswirkungen. Hier lag einst das Herzdes haitianischen Reisanbaus, eigentlichalso eine reiche Provinz. Das änderte

sich schlagartig als der große NachbarUSA erzwang, dass Haiti in den 1990erJahren eine radikale Marktöffnung durch-führen musste – insbesondere für US-amerikanischen Reis. In wenigen Jahrenwar die lokale Reisproduktion zerstört,die Provinz Artibonite ihrer Haupteinnah-mequelle beraubt, viele Menschen muss-ten die Region verlassen und wandertenauf der Suche nach Arbeit nach Port-au-

Mehr als eine KrankenstationArtibonite: Gesundheitsförderung in der Provinz

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Schluchten vom Rest der Stadt getrenntist. Obwohl hier so viele Menschen leben,gibt es keinen Zugang zu Bildung, keineKanalisation, keine Krankenstation. Aberes existiert ein Bürgerkomitee, das sichseit 5 Jahren für die Verbesserung der In-frastruktur einsetzt. Mit diesem Bürgerko-mitee kooperiert medico. Das Komiteehat den Brückenbau zur obersten Prioritäterklärt. Es kümmert sich um eine Bauge-nehmigung und die ingenieur-technischeExpertise. So entsteht eine fast 12 Meterlange Brücke. Die Bauarbeiter wie die In-

genieure kommen aus dem Viertel.Wenn diese Brücke steht, dann werdendie Menschen zu Recht das Gefühl ha-ben, dass es ihre Brücke ist. Vielleichtder Anfang für weitere Kooperationen mitdem Bürgerkomitee. Denn nur wenn esgelingt, die lokale Bevölkerung für denWiederaufbau zu mobilisieren wird dieRekonstruktion Haitis eine Chance aufeinen Neuanfang bergen.

Gesamtkosten der Brücke: 88.000

Euro; Fertigstellung geplant bis

Dezember 2011

Prince ab. Nun mussten sie wieder zu-rückkehren. Aber mit Artibonites wirt-schaftlichem Niedergang ist auch die so-ziale Infrastruktur im Gesundheitsbereicheingebrochen. Zur Versorgung der Flücht-linge und der einheimischen Bevölkerunghat medico deshalb mit der haitianischenGesundheitsorganisation SOE einenDreijahresvertrag abgeschlossen, um dieBasisgesundheits- versorgung zu verbes-sern. SOE gehört zu den wenigen Ge-sundheitsorganisationen, die nahezu lan-desweit arbeiten. Sie ist seit vielen Jah-ren tätig und verfügt in Artibonite überdrei Gesundheitsstationen sowie über einNetz lokaler Gesundheitspromotoren, die

erste Hilfe leisten und Präventionskam-pagnen durchführen können. Darauf auf-bauend soll die Arbeit nun erheblich ver-stärkt werden: durch Aus- und Weiterbil-dung des lokalen Personals, durch dieEinrichtung mobiler Praxen mit Ärztenund Krankenschwestern, durch die An-schaffung der erforderlichen Sachmittelu.v.m. Zudem setzt sich SOE für eine an-dere Gesundheitspolitik in der Regionein: Hygiene, Zugang zu Trinkwasser,Errichtung einer Abwasser- und Müllent-sorgung.

Der Projektumfang beträgt 462.000

Euro. Geplante Laufzeit: Mai 2010 –

April 2013

Aufräumarbeiten im in Port-au-Prince.

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ie Telefonverbin-dung nach Haitifunktioniert. Das

zumindest ist schon maleine gute Nachricht. Diedrahtlosen Handynetzewerden durch ein Erdbe-ben nicht beschädigt, die hässlichen Mobil-türmchen sind schnellwieder aufgestellt. Undso gelingt auch diedrahtlose Kommunika-tion mit dem medico-Büroleiter in Haiti, Hu-gues Monice, erstaunlicheinfach. Hugues befindet sich seit Mai2010 in Haiti und koordiniert für medicodie Förderung und Begleitung der loka-len Partner. Ich spreche mit Hugues – immedico-Büro auch gern Hugo genannt –über seine ersten Erfahrungen: „Der An-fang war verständlicherweise sehr chao-tisch. In Port-au-Prince ist jedes dritteHaus zerstört. Die Menschen räumenden Schutt auf die Straße, um auf ihrenGrundstücken zu leben, deshalb habenwir überall Staus. Mehr als einen Aus-wärts-Termin am Tag kann ich schonwegen der Staus nicht bewältigen.“

Trotzdem ist er zufrieden. Denn nebender Kontaktierung von Projektpartnern istes ihm gelungen ein Büro zu finden, ein

Auto anzumelden, eine Arbeitsgenehmi-gung für medico zu erwirken. Das klingtlapidar, aber ohne diese Infrastrukturwäre die komplexe Arbeit in Haiti nicht zubewältigen.

Heimkehr nach Haiti

Hugues Monice ist von Haus aus Juristund kam vor 19 Jahren zum Studierennach Deutschland. Er ist hier, wie es soschön heißt, „hängen geblieben“. Undauch seine Geschwister haben mit derZeit die Heimat Haiti verlassen. Nichtimmer freiwillig – politische oder ökono-mische Zwänge sind meist der Grund.

Nun also zurück in Haiti, was bedeutet

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Manchmal klappt nur ein Termin

Über die Alltagsschwierigkeiten / Ein Gespräch mit medleiter Hugues Monice

Wiederkehr des Handels. Ein Computergeschäft öffnet im zerstörten Zentrum von Port-au-Prince.

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das für ihn? „Ich habe mirdas reiflich überlegt. Ichbin auch in der Vergan-genheit immer wiedernach Haiti gefahren undhabe mit meinen Brüdernkleinere Projekte unter-stützt, um meiner Heimatetwas zurückzugeben.Das Erdbeben war fürmich der Anlass, meineErfahrungen insbeson-dere im Aufbau von Ge-meindeentwicklungspro-grammen einzubringen.“Hugues Monice hat fürden Deutschen Entwick-lungsdienst in Benin be-reits erfolgreich ein Pro-gramm zur Erstellungeines kommunalen Ent-wicklungsplanes umge-setzt, bei dem es darumging, die Bevölkerung be-reits in die Erstellung desPlanes einzubeziehen.

Diese Ideen, den (Wieder-)Aufbau vonRegierungs- und Verwaltungsstrukturenin einer Gesellschaft von unten neu zubeginnen, stößt in Haiti mit seinen basis-demokratischen Traditionen auf großeGegenliebe. So berichtet Hugues Mo-nice, dass er gerade mit der Sozialwis-senschaftlerin Suzy Castor vom wissen-schaftlichen Institut „CRESFED“ gespro-chen habe, mit denen ein solches Pro-jekt zur Erstellung eines kommunalenEntwicklungsplanes in der GemeindeAquin erarbeitet wird. „Es ist so viel vonKoordination die Rede, aber wenn ich zuallen Koordinierungssitzungen gehenwürde, dann wäre ich den ganzen Tagnur damit beschäftigt“, so Hugues. Wenndie Kommunen und die lokale Bevölke-

rung dagegen, wie in Aquin angedacht,selbst planen würden, ihre Prioritätenund Interessen definieren und artikulie-ren würden, dann könnten nationale undinternationale Akteure auch besser koor-diniert und eingebunden werden.

Wir brauchen Zeit

Der Wiederaufbau in Haiti käme einerHerausforderung gleich, so eine Spre-cherin der Weltbank, wie sie Ländernach einem Krieg wie dem 2. Weltkriegzu bewältigen hatten. Alle Aktivitäten,die über eine Notversorgung hinausge-hen, brauchen Zeit. So berichtet auchHugues, dass die lokalen Partner ersteinmal damit beschäftigt sind, Überle-benshilfen zu leisten.

„Was wir in Haiti brauchen ist Zeit“, er-läutert Hugues am Telefon. „Noch gehtes hier ums Überleben. Wenn aber dieRekonstruktion von Haiti so gelingensoll, dass die Menschen hier menschen-würdig leben und ihr eigenes Schicksalgenauso bestimmen können wie das desLandes, dann müssen die Mittel in einemzutiefst demokratischen Prozess ent-sprechend der Nöte und Bedürfnisse derMenschen eingesetzt werden.“ Er könnenicht mit einem fertigen Plan kommen,sondern müsse mit den Menschen undOrganisationen sprechen und Ideen undProjekte gemeinsam entwickeln. Esbraucht nicht nur Zeit, sondern auchMenschen, die zuhören, verstehen undlernen. Mit Hugues Monicehaben wir einen Kollegenvor Ort, der genau das tut.

am Tag

ico-Büro-

Hugues Monice leitet das medico-

Büro in Haiti

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ch schreibe an einem der heißes-ten Tage, die ich je in meinemLeben erlebt habe. In dieser Hitze

haben sich die Wolken aus Mücken ver-tausendfacht. Sie stechen uns unaufhör-lich. Wir sind jetzt fast 4 Wochen in Leo-gane und haben bereits einiges erreich-en können. Wir arbeiten ohne Zeitbe-grenzung, um eine größt- und bestmög-liche Versorgung zu gewährleisten.Neben der Arbeit im Camp haben wirauch die Besuche der ländlichen Ge-meinden von Léogâne fortgesetzt. Bis-lang waren wir in 11 Gemeinden, einigedavon liegen in der Bergregion südlichvon Léogâne. So z.B. Orange, das 1.500Meter hoch gelegen ist. Die beiden Kol-legen, die dort waren, versichern, dassder Fußmarsch kein Spaziergang war.Eine Straße gibt es nicht.

Wir haben bis jetzt 450 Patienten behan-delt. Im Durchschnitt 20-25 Patiententäglich. Etwa anderthalb Stunden pro Pa-tient brauchen die Teams. Wie mit me-dico international abgesprochen, habenwir entschieden, bei jeder Patientin, je-dem Patienten nur die dringendsten Pro-bleme zu beheben, denn angesichts derMenge an Karies wären andere Perso-nen sonst nicht zum Zuge gekommen.

Schwarze Schneidezähne

Besonders gerührt waren wir, als eineGruppe Jugendlicher (Mädchen und Jun-gen im Alter von 13-20 Jahren) aus denDörfern zur Behandlung erschienen. Beiallen waren die Schneidezähne schwarzvon Karies. Sie lächelten nicht mehr undversuchten beim Sprechen zu vermei-den, dass man ihre Zähne sieht. MeineKollegen haben großartige Arbeit geleis-

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Von den Nachbarn lernen

Guatemaltekische Freiwillige: Erfahrungen ausanderen lateinamerikanischen Ländern könntenHaiti helfen

40.000 Ärztinnen und Ärzte, Krankenschwestern, Pfleger und andere Professionelleaus dem gesundheitlichen Bereich haben allein im Jahr 2009 Haiti verlassen. Geradediese Berufe sind auf dem internationalen Arbeitsmarkt sehr gefragt. Die Ausbildungvon freiwilligen Gesundheitshelfern gehört zu einem der erfolgreichsten Gesundheits-Programme von medico international: z.B. in Guatemala. Von dort kamen 6 Gesund-heits-Helferinnen und -Helfer. Zweimal 4 Wochen waren sie in Léogâne. Die Sechs,die hauptberuflich Bauern sind, haben neben allgemein-medizinischen Kenntnissenauch eine Ausbildung in Zahngesundheit. Sie arbeiten in der Vorsorge, können aberauch Karies beseitigen und Prothesen herstellen.

Unsere guatemaltekische Kollegin Elisabeth Ibarra hat einen Bericht über die vierWochen verfasst, den wir in Auszügen veröffentlichen.

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Regionale Hilfe. Zahntechniker aus Guatemalabehandeln Erdbebenopfer in Haiti.

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tet. Die Freude bei den Jugendlichen warhinterher riesig und wurde mit einer wah-ren Fotoorgie mit strahlenden Zähnengefeiert. Wieder einmal ein Beweis dafür,dass unsere Arbeit keineswegs nur darinbesteht, Zähne zu reparieren, sondernauch darin, ein Stück Lebensqualität undFreude wiederherzustellen.

Die Nachricht unserer Anwesenheit hatsich schnell verbreitet. Am vergangenenDonnerstag erhielten wir auch Besucheines Delegierten der Weltgesundheits-organisation (WHO). Ich habe mir erlaubtihn gleich zu bitten, uns Zahnbürsten,Fluor und Einweghandschuhe zur Verfü-gung zu stellen, um in den Schulen undWaisenhäusern präventive Aktionendurchführen zu können. Er versprach zuhelfen.

Die hygienischen Verhältnisse hier sinddeprimierend. Überall sieht man Men-schen, die neben oder auf Müll sitzenund ihre Waren zum Verkauf anbieten.Ein umfassendes, auf das Gemeinwesen

ausgerichtetes Gesundheitsprogramm,könnte hier mittels Informations- undAufklärungsarbeit ansetzen. Nur wenigeFamilien, vor allem im ländlichen Raum,verfügen über Toiletten oder Latrinenund verrichten ihre Notdurft im Freien,meist ohne diese dann zuzudecken oderanderweitig zu entfernen. Malaria gras-siert allenthalben und der Grad an un-kontrollierter Einnahme von Medikamen-ten ist besorgniserregend. Auch dieZahngesundheit ist äußerst prekär. EinBasisgesundheitsprogramm, mit einerzahnmedizinischen Komponente, wäresicherlich sehr angebracht.

Nachtrag: Mittlerweile sind die Zahn-

helfer ein 2. Mal nach Haiti gereist.

Nun geht es darum, nicht nur zu be-

handeln, sondern auch einen Ausbil-

dungsgang für einheimische Zahn-

und Gesundheitspromotoren mit loka-

len Partnern zu entwickeln. Der reali-

sierte Umfang des Projektes beträgt:

65.000 Euro

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Wer ist medico international?

Die Hilfsorganisation medico internatio-nal wurde 1968 von Frankfurter Bürge-rinnen und Bürgern gegründet. Gemein-sam mit ihren Partnern in Afrika, Asienund Lateinamerika setzt sich medico fürdas Menschenrecht auf Gesundheit ein.Gesundheit ist für medico mehr als dieAbwesenheit von Krankheit, sondern be-darf der vollen Respektierung der wirt-schaftlichen, sozialen und kulturellenBedürfnisse von Menschen. medico en-gagiert sich in der langfristigen Entwick-lungszusammenarbeit genau so wie inder Nothilfe nach Katastrophen. medicoentsendet keine deutschen Helfer, son-dern fördert die Arbeit von einheimischenProjektpartnern, um vorhandene Struktu-ren der Selbstorganisation zu stärken.Gleichzeitig klärt medico in der Öffent-lichkeits- und Kampagnenarbeit über dieUrsachen von Not, Verfolgung und Kriegauf. Uns geht es nicht um Almosen, son-dern um eine nachhaltige Überwindungvon Elend und Ungerechtigkeit.

1997 erhielt die von medico initiierte In-ternationale Kampagne gegen Landmi-nen den Friedensnobelpreis.

Wen unterstützt medico international in Haiti?

Unmittelbar nach dem Erdbeben hat me-dico die dominikanische Gesundheitsor-ganisation COSALUP unterstützt, die me-dizinische Soforthilfe – Ärzteteams undmedizinisches Material – von der domini-kanischen Republik aus organisiert hat.Die wechselnden Teams leisteten medizi-nische Nothilfe und basismedizinischeGrundversorgung in der Stadt Léogane,die in unmittelbarer Nähe des Epizen-trums des Erdbebens liegt. Außerdem hatmedico die Wasser- und Lebensmittelhilfevon zwei haitianischen Organisationen inArmenvierteln von Port-au-Prince unter-

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5 Fragen und Antworten zu medico

Seit über 40 Jahren unterstützt die Frankfurter Hilfsorga in Asien, Afrika und Lateinamerika und engagiert sich für

Massenunterkunft für Obdachlose nach dem Regen.

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stützt. Die länger-fristigen Maßnah-men in den Be-reichen Gesundheitund Wiederaufbaukoordiniert daskleine medico-Büroin Port-au-Prince.Dort arbeiten derProjektkoordinatorHugues Moniceund eine Finanz-kraft. Die Realisie-rung der verschie-denen Projektvor-haben – vom Brü-

ckenbau bis zur Verbesserung der Ge-sundheitsdienste in der Provinz Artibo-nite – liegt in den Händen unserer haitia-nischen Partner. Das sind zivilgesell-schaftliche Organisationen, die langjäh-rige Erfahrungen in ihren jeweiligen Ar-beitsbereichen haben. medico unter-stützt die Arbeit der Partner durch Bera-tung und bringt dabei das Know-Howaus über 40 Jahren Entwicklungszusam-menarbeit ein.

Wie entstehen Projektpart-nerschaften?

In der Regel arbeitet medico langfristigmit seinen Projektpartnern. Am Anfang

von neuen Kooperationen stehen aus-führliche Gespräche mit der potentiellenPartnerorganisation. Dabei geht es umdas Kennenlernen der Organisation,ihrer bisherigen Arbeit und die Ziele undSchritte der Umsetzung des Projektvor-habens. In Haiti werden die ersten Ge-spräche von den medico-Mitarbeitern vorOrt geführt und in die Geschäftsstelle inFrankfurt übermittelt. Erst wenn medicodas Vorhaben grundsätzlich befürwortet,stellt der neue Partner einen schriftlichenAntrag, der auch einen detaillierten Fi-nanzierungsplan enthält. Kommt die Ko-operation zustande, wird ein Vertragausgestellt. Dieser regelt unter anderem,in welchen Abständen medico einen Pro-jektentwicklungs- und Finanzbericht er-hält. Die medico-Projektkoordinatorenstehen in regelmäßigem Austausch mitder Partnerorganisation und machenVor-Ort-Besuche.

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nisation Partner und Projekte eine gerechtere Welt

Wir engagieren uns in einem welt-weiten Zusammenschluss von zivil-gesellschaftlichen Organisationen,

die im Bereich der Basisgesundheitsversor-gung tätig sind. Viele unserer Partner verfü-gen über Erfahrung in der Katastrophenhilfeund -prävention. Dieses Netzwerk bewährtsich nicht zuletzt dann, wenn schnelle Hand-lungsfähigkeit gefordert ist. Das hat sich inHaiti und auch in Pakistan gezeigt. Denn dieHelfer der einheimischen Organisationen sindschon vor Ort, kennen die Menschen, ihreBedürfnisse und sie sprechen ihreSprache. Hilfe ist dannbesonders wirksam, wennsie von den Leuten selbstgetragen und nicht vonaußen übergestülpt wird.«

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Thomas Gebauer istGeschäftsführer vonmedico international

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sind wahr, eindeutig und sachlich. Mittel-verwendung und Mittelbeschaffung so-wie die Vermögenslage lassen sich an-hand der Rechnungslegung nachvollzie-hen. Eine Kontrolle des Vereins und sei-ner Organe ist gegeben.“ Der Verwal-tungskostenanteil bei medico wird vomDZI regelmäßig als „niedrig“ eingestuft.

Wer überprüft die Arbeit inder Zentrale und vor Ort?

Die Arbeit von medico wird regelmäßigvon verschiedenen externen Institutionengeprüft. Jedes Jahr prüft eine Wirt-schaftsprüfungsgesellschaft unserenJahresabschluss. Das Frankfurter Fi-nanzamt überprüft alle drei Jahre dieSteuerbefreiung und damit die Berechti-gung zur Ausstellung von Spendenquit-tungen. Zuschussgeber wie zum Beispieldas Auswärtige Amt kontrollieren die ordnungsgemäße Verwendung öffentlichgeförderter Projekte. Die Arbeit der Pro-jektpartner wird durch medico geprüft,bei manchen Projekten werden zusätz-lich externe Experten für Projektevaluie-rung und/oder lokale Wirtschaftsprüfereingesetzt.

Gudrun Kortas

Ist der Einsatz der Spendennachvollziehbar?

Jede Spende, die bei medico mit demStichwort „Haiti“ eingeht, wird an diesenZweck gebunden verbucht. Daraus fi-nanzieren wir die Nothilfe- ebenso wielangfristige Wiederaufbaumaßnahmen.Jährlich legt medico in seinem Jahres-bericht ausführliche Rechenschaft überdie gesamte Arbeit im Vorjahr ab. Darinsind die Schwerpunkte unserer Arbeitvorgestellt, Sie sehen, wie hoch unsereSpendeneinnahmen und öffentlichen Zu-schüsse insgesamt waren und für wel-che Länder und Projektbereiche unsereMittel eingesetzt wurden. medico erfülltdie Vorgaben der Initiative TransparenteZivilgesellschaft. Die Unterzeichner die-ser Initiative verpflichten sich offen zulegen, welche Ziele ihre Organisationverfolgt, woher die Mittel stammen, wiesie verwendet werden und wer darüberentscheidet. Auf www.medico.de sindall diese Informationen einsehbar.

medico ist Träger des „DZI-Spendensie-gels“, das jährlich vom Deutschen Zen-tralinstitut für Soziale Fragen (DZI) ver-liehen wird. Mit dem Siegel bescheinigtdas Institut medico „eine satzungsge-mäße Arbeit. Werbung und Information

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Wo beginnt Gesundheit?

Das Gesundheitsverständnis von medico internationalund die Arbeit in Haiti

rankheit macht arm und Armutmacht krank – auf diesen einfach-en Satz lässt sich die größte ge-

sundheitliche Herausforderung bringen,mit der medico in vielen Projektregionenkonfrontiert ist. Die dramatischen Ge-sundheitsprobleme in der Welt lassensich nicht lösen, ohne der Frage nachden Ursachen von Armut und sozialerUngleichheit nachzugehen. Das ist eineErkenntnis, die schon einen der größtendeutschen Mediziner umtrieb – RudolfVirchow. Bereits Mitte des 19. Jahrhun-derts postulierte er: „Medizin ist eine so-ziale Wissenschaft und Politik ist Medizinim Großen“, Die medizinische Forschungund die Einrichtung von Krankenhäusernwar für ihn so wichtig wie die Kanalisa-tion in Berlin und die Errichtung von Kin-derspielplätzen. Der Grund liegt auf derHand: Soziale und biologische Ursachenvon Krankheiten, individuelle und gesell-schaftliche Faktoren für Gesundheit las-

K sen sich nicht trennen. Gute Bildung,ausreichender Wohnraum, gute Arbeits-bedingungen, sicherer Zugang zu Nah-rungsmitteln, soziale Absicherung undMitentscheidung der Betroffenen – dassind Grundpfeiler für gute Gesundheit. Dieses Verständnis prägt die Arbeit vonmedico international auch in Haiti.

So fördert medico nicht nur die Basisge-sundheitsarbeit in der Region Artibonite,sondern auch ein Bauvorhaben einesBürgerkomitees in einer Randgemeindein Port-au-Prince. Diese Brücke verbes-sert nicht nur entscheidend den Zugangder Bewohner zur Stadt, was gerade imKrankheitsfall wichtig ist. Das Bürgerko-mittee ist auch eine der Initiativen vonunten, mit denen in Haiti ein neuer poli-tischer Anfang nach der Katastrophebeginnt, mit Initiativen, die das Gemein-wohl im Blick haben und die Mitspracheder Menschen beim Wiederaufbau ein-

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COSALUP (Dominikanische Initiative f. Gesundheit)Nothilfe / Gesundheitscamps in Léogâne

Haiti Med (Haitianische Medizin)Nothilfe Erdbebenopfer

MEVA (Kinderhaus d. Dorfes Avenir)Lebensmittelnothilfe in Carrefour Feuilles, Abriss Montessori Schule und Neustart

REDCUL (Dominikanisches Kulturnetzwerk)Psychosoziale Begleitung im Rahmen der Nothilfe, Kulturkarawanne der Brüderlichkeit

SOE (Ökumenischer Hilfsdienst)Stärkung der Basisgesundheitsdienste in Artibonite (Laufzeit 3 Jahre)

AIS (Internationales Gesundheitsnetzwerk, Nicaragua)Erkundungsreise zur Ausarbeitung von Bildungsmaterial („Wo es keinen Arzt gibt“)

ACCSS (Assoziation zur Koordination v. Gemeinde-Gesundheitsdiensten, Guatemala) Dental Brigade für Haiti

CRESFED (Forschungszentrum für ökonom. u. soziale Entwicklung)Erweiterung und Verbesserung der kooperativeneignen Hühnerzucht

GEDDH (Gruppe zur ökolog. Entwicklung Haitis)Bau eines Büros in Léogâne

COGEC9 (Bürgerkomitee v. Cité 9)Bau einer Brücke in Carrefour Feuilles

MST (Bewegung der Landlosen, Brasilien), VIA CAMPESINA (haitianische Mitgliedsorganisationen)Ausbildung haitianischer Bauern in ökologischer Landwirtschaft und politischer Teilhabe

fordern. Eine solche Gemeinwohlorien-tierung ist ganz im Sinne Virchows einwesentlicher Faktor für gute Gesundheit.

Dies bestätigt auch die Erfahrung unse-rer guatemaltekischen Kollegen, die sichseit dem Erdbeben mit medico-Unterstüt-zung der Zahngesundheit in Haiti wid-men. Diese „Zahnheilkünstler“ haben inihren Regionen in Guatemala, die nichtweniger arm sind als Haiti, solche

schlechten Zähne wie bei den haitiani-schen Patienten schon lange nicht mehrgesehen. Seit vielen Jahren bieten siein Kindergärten, Schulen und in Gemein-den Gesundheits- und Zahngesundheits-aufklärung an, behandeln Karies undParodontose, stellen Prothesen her. Mitnachhaltigem Erfolg trotz der Vernach-lässigung ihrer Regionen durch denStaat. Eine solche Hilfe zur Selbsthilfeerhält in Regionen, in denen die öffentli-

medico-Projektunterstützung in Haiti im

PARTNER / Maßnahme

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nen. Deshalb stehen solche Unterstützungen im Mittelpunkt der medico-Projektförderung.

Dr. med. Andreas Wulf

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12.778,00

25.000,00

26.713,00

42.046,00

462.000,00

2.839,00

65.359,00

8.123,00

8.529,00

88.034,00

14.432,00

755.853,00

che soziale Infrastruktur gänzlich fehlt,ihre ganz besondere Bedeutung. Ge-sundheitsaktivisten können einen öffent-lichen Gesundheitsdienst und Kranken-häuser nicht ersetzen und Bürgerkomi-tees keine funktionierende soziale Infra-struktur. Sie sind aber die Basis für denAufbau von Institutionen des Gemein-wohls und eine wichtige Quelle der Mit-bestimmung und Beteiligung der Betrof-fenen an der Gestaltung dieser Institutio-

Andreas Wulf ist Gesundheitskoordinator bei

medico international

Überblick

Betrag in EUR

Gesamtsumme:

• Léogâne: Dreijahresprojekt mit der haitia-nisch-dominikanischen Frauenorganisation MUDHA:Bau eines Frauen- und Gesundheitszentrums, Förderung der Berufsausbildung und Befähigungder Frauen, sich aktiv an der Gestaltung ihrerGemeinde zu beteiligen (Empowerment)

• Belladère: Bau von Latrinen und Hygieneauf-klärung

• Artibonite: Soforthilfe zur Bekämpfung derCholera mit SOE

Weitere noch für 2010 geplante Projekte:

Provisorischer Steg in der Cité 9, Port au Prince. Eine neue Brücke wird oberhalbdes Stegs auf Straßenniveau gebaut (siehe S. 4).

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medico international

Kontakt:

medico internationalBurgstraße 106D-60389 Frankfurt am Main

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E-Mail: [email protected]: www.medico.de

Persönliche Ansprechpartnerin:Gudrun KortasTel. (069) 944 38-28E-Mail: [email protected]

Spendenkonto: 1800 Frankfurter Sparkasse BLZ 500 502 01

Initiator der Internationalen Kampagne zum Verbot von Landminen, Friedensnobelpreis 1997

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