STICHWORT Just - cortona · 24 | W&V 19-2015 Just STICHWORT do it Ein Hamburger und ein...

6
24 | W&V 19-2015 STICHWORT Just do it Ein Hamburger und ein Heidelberger ziehen nach Kalifornien, lernen sich beim Surfen kennen, gründen eine Agentur und gewinnen schnell Top-Kunden wie Nike, Red Bull und Google. Eine Geschichte, wie sie nur im Land der unbegrenzten Möglichkeiten geschrieben werden kann Arbeiten unter kalifornischer Sonne CD Mike Hesse (l.) und CEO Jürgen Dold im Optimist- Studio in Los Angeles. Dort entstehen die Kreationen für Daft Punk (r.) und Nike (o.) TEXT: Slaven Marinovic

Transcript of STICHWORT Just - cortona · 24 | W&V 19-2015 Just STICHWORT do it Ein Hamburger und ein...

Page 1: STICHWORT Just - cortona · 24 | W&V 19-2015 Just STICHWORT do it Ein Hamburger und ein Heidelberger ziehen nach Kalifornien, lernen sich beim Surfen kennen, gründen eine Agentur

24 | W&V 19-2015

S T I C H W O R T

Just do it

Ein Hamburger und ein Heidelberger ziehen nach Kalifornien, lernen sich beim Surfen kennen, gründen eine Agentur und gewinnenschnell Top-Kunden wie Nike, Red Bull und Google. Eine Geschichte, wie sie nur im Land der unbegrenzten Möglichkeitengeschrieben werden kann

Arbeiten unter kalifornischer Sonne CD Mike Hesse (l.) und CEO Jürgen Dold im Optimist-Studio in Los Angeles. Dort entstehen die Kreationen für Daft Punk (r.) und Nike (o.)

TEXT: Slaven Marinovic

Page 2: STICHWORT Just - cortona · 24 | W&V 19-2015 Just STICHWORT do it Ein Hamburger und ein Heidelberger ziehen nach Kalifornien, lernen sich beim Surfen kennen, gründen eine Agentur
Page 3: STICHWORT Just - cortona · 24 | W&V 19-2015 Just STICHWORT do it Ein Hamburger und ein Heidelberger ziehen nach Kalifornien, lernen sich beim Surfen kennen, gründen eine Agentur

26 | W&V 19-2015

amstagmorgen, 9 Uhr. Draußen macht sich Culver City, einer der Vororte von Los Ange-les, auf ins Wochenende – Frühsport, brun-chen, shoppen –, drinnen bei Optimist wird gearbeitet. Die s alzverkrusteten Surfbretter lehnen ignoriert an der Wand, während Nils Arend und Jürgen Dold übernächtigt auf ihre Bildschirme starren. Die beiden Deutschen sind in den ganz frühen Morgenstunden aus New York gelandet. Ihre Brand-Experience-Agentur hat dort für den Kunden Nike eine Hausecke in einen riesigen, orange leuchten-

den Nike-Schuhkarton verwandelt und das ganze NBA-All-Star-Weekend über Events für die Fans veranstaltet. Das sitzt in den K no-chen; jetzt geht es weiter, muss es weitergehen, weil die Aufgabenliste lang und die Zeit kurz ist, aber immerhin, sagt Arend: „Es arbeitet sich deutlich leichter, wenn draußen täglich die Sonne scheint.“

Optimist, das ist die G eschichte vom amerikanischen T raum, g emixt mi t v iel Agenturlifestyle und ein bisschen Stereotyp-folklore. Das ist die G eschichte von einem, den die S ehnsucht nach Sonne und Strand nach K alifornien trieb un d der dort das durchzog, was er schon immer machen woll-te – nämlich Werbung und Wellenreiten. Nils Arend ist ein kreatives Ausnahmetalent, das dort drüben gerade aufgrund dessen Erfolge feiert, was in den USA a ls grunddeutsches Tugendbündel angesehen wird: Disziplin, Zu-verlässigkeit, eine strukturierte Arbeitsweise und der Wille, die Extrameile zu gehen.

Arend hat Optimist Ende 2009 in L os Angeles gegründet, gemeinsam mit Jürgen Dold (CEO) und der US-Amerikanerin Rose Odeh (Chief Marketing Officer) – ohne Kun-den und Mitarbeiter. Heute beschäftigt die Agentur 60 Festangestellte und hat seit Kur-zem auch Büros in New York, Chicago und Portland. 500 Projekte pro Jahr setzt sie um.

2014 waren es allein für Nike 300. Leben auf der Überholspur, beruflich wie privat: Arend macht Extremsport, derzeit trainiert er gerade für die T ransrockies, e inen L auf ü ber die Rocky Mountains. Grenzen – d as sind die Dinger, die überschritten werden.

Es ist kein Zufall, dass die G eschichte von Optimist eine ist, die in den USA s pielt. Denn in Deutschland wäre so eine Entwick-lung kaum möglich gewesen. „Deutsche Kun-den sichern sich gern ab und rechnen alles durch, bevor ein Euro ausgegeben wird“, sagt CEO Dold. „Die Entwicklungszeiträume sind deshalb deutlich länger als in den USA, und häufig kommt am Ende eine verwässerte Idee heraus, an der zu viele Köche mitgerührt ha-ben.“ Dold, gebürtiger Heidelberger, kennt die deutsche Werbelandschaft aus seiner Zeit bei BBDO Consulting in Berlin. Amerikanische Kunden seien r isikofreudiger. Allen voran Nike. „Gute Ideen werden nicht lange analy-siert, sondern einfach umgesetzt. Egal, ob sie jemand anders zuvor erfolgreich getestet hat. Hauptsache, die Lösung passt und ist cool.“

Nike war der erste Kunde von Optimist. Arend hat ihn seinem Ex-Arbeitgeber, der NRG Experiential Marketing in Los Angeles, zu verdanken. 2009 hatte er dort als haupt-verantwortlicher Eventmanager das „Nike Montalban Theater“ betreut. In einem ehe-

Extremsportler und Agenturchef Nils Arend (o.) fing als Partymacher an, arbeitete später bei Agenturen wie Team 412. Heute ist Nike sein wichtigster Kunde. Rechts: Basketbal-ler LeBron James bei der Präsentation seiner Nike-Kollektion

S

Page 4: STICHWORT Just - cortona · 24 | W&V 19-2015 Just STICHWORT do it Ein Hamburger und ein Heidelberger ziehen nach Kalifornien, lernen sich beim Surfen kennen, gründen eine Agentur

28 | W&V 19-2015

maligen Theater in Hollywood hatte die Agen-tur ein t emporäres Veranstaltungszentrum aufgebaut, in dem über 70 Sportevents, Scree-nings und Showcases mit Nike-Athleten wie Basketball-Star Kobe Bryant stattfanden. Auf dem Dach des Theaters konnte man Fußball und Basketball spielen.

Nach 1 8 M onaten S chufterei w ollte Arend die Früchte seiner Arbeit ernten, ging zu den Chefs seiner damaligen Agentur mit einer klaren Forderung: Partner zu werden. Die Antwort war ebenso klar und kurz noch dazu: „Nein.“ Arend schmiss frustriert hin.

Und nun? Ein Jahr zuvor hatte er Dold kennengelernt. Der war für seinen MBA von Heidelberg nach San Diego gezogen und hat-te sich dort – nach Stationen bei Andersen Consulting (heute: Accenture) und BBDO in Deutschland – mit einem Startup selbststän-dig gemacht. Nach ein p aar gemeinsamen Surfsessions im Pazifik war beiden klar, dass sie eine gemeinsame Agentur gründen wür-den. Dold hatte auch den passenden Namen für eine Agentur ohne Büro und Kunden: „Als Optimist ist das Leben einfacher.“

Und dann rief Nike an. Arend hatte Eindruck hinterlassen beim

„Nike Montalban Theater“, und was dann folgte, ist eigentlich Wahnsinn: Nike gab der frisch gegründeten Agentur den Auftrag, wäh-rend der WM 2010 Events und Aktionen zu organisieren. Optimist bestand die B ewäh-rungsprobe, seitdem schwören die Nike-Mar-keter auf die Jungs.

Es f olgten Vorzeigeprojekte w ie der Launch des N ike F uelband 2012 a uf dem SXSW-Festival. Für den ließ O ptimist eine 360-Grad-LED-Wand mit 19000 Lampen bau-en, die wie ein r iesiges Fuelband wirkte. Ein anderes Highlight war die Vorstellung der fu-turistischen Nike-Schuhe, die den berühmten

Stylisher Launch der Nike Vapor-Schuhe. Optimist zeigte, dass in dem Schuh neue Technologien stecken

Sneakers aus Zurück in die Zukunft 2 ähnelten: Bei der zweitägigen Präsentation wurden die Journalisten von echten DeLorean-Sportwa-gen abgeholt. Das Mittagessen wurde vor ei-nem riesigen Greenscreen serviert, auf den der berühmte Platz aus dem Film projiziert wurde. Für die Versteigerung der limitierten Schuhe organisierte Optimist zudem Liveauktionen in Los Angeles, New York, Las Vegas, London, Amsterdam, Berlin, Mailand und Tokio.

Inspirationsquelle: Bauhaus und Yoga

So eng ist das Verhältnis zu Nike, dass Arend rund ein Drittel seiner Zeit in der Zentrale des Konzerns in Portland verbringt und dort nationale wie g lobale Konzepte für dessen zahlreiche Marken entwickelt, darunter Nike Running, Nike Basketball, Nike Plus un d Jordan. „ Bei unseren Projekten für Nike verschwim-men oft die Grenzen zwischen Experiential, Entertainment und Content-Marketing“, sagt er. „Nike schaut sich die Kultur der Kunden genau an und entwickelt dann disziplinübergreifende Lö-sungen, die zu dem U mfeld der Zielgruppe p assen.“ H ört s ich nach typischem Marketing-Pala-ver a n, a ber die U msetzung stimmt: Inszenieren, das kann der Chief Experience Officer.

Dabei hat Arend gar keine entsprechende A usbildung g e-macht: F rüher veranstaltete er Partys in L übeck und Hamburg und hat dabei quasi nebenbei die Grundlagen d es Eventmanage-ments gelernt. Und für Arend ist es am Ende völlig egal, „ob man eine Party organisiert oder eine Firmenveranstaltung“. Kommt am Ende aufs Gleiche an: Alle sollen eine verdammt gute Zeit haben. Bei Nike kommt das gut an. Und dank des Topkunden folgten schnell Pitch-einladungen und Aufträge von Red Bull, Hen-nessy, Gatorade, Google und Facebook.

Den Projekten von Optimist ist eine spe-zielle visuelle Sprache eigen. Die Arbeiten, die Installationen, die Fi lme wirken oft futuris-tisch, minimalistisch, fast kühl und trotzdem emotional. Verantwortlich für diesen Look ist d̃er Hildesheimer Tino Schaedler. 2012 heuerte er bei der Agentur an, Anfang 2013

wurde er Partner bei der neuen Tochter Op-timist D esign. Er h at auch die E vents f ür Zurück in die Zukunft gestaltet. Eigentlich ist Schaedler, Jahrgang 1972, Architekt, hat das Fach in Hannover studiert, weil sein Vater es so wollte. Dabei wollte er Punkrocker werden oder Fi lmemacher, wie er j üngst bei einer Gastvorlesung vor Studenten der University of Kentucky College of Design sagte. Kein Wunder also, dass Schaedler die Karriere als Architekt nach kurzem Gastspiel bei Daniel Libeskind (Schaedler: „Die reinste Ausbeu-tung“) vor über zehn Jahren an den N agel hängte. Stattdessen verschrieb er sich der Filmgestaltung. Seitdem hat sich Schaedler als˜Produktionsdesigner von Tim Burtons Charlie and the Chocolate Factory, V for Ven-

detta und zwei Harry-Potter-Filmen in der Branche einen Namen gemacht. Heute freut er sich, dass er sich „Ideen ausdenken kann und sich immer wieder Leute finden, die Geld dafür bezahlen.“

Zu seinen Haupteinflüssen gehört die minimalistische, klare Ästhetik der Bauhaus-Schule und der futuristische Look von John Lautner. Letzterer hat unter anderem das be-rühmte „Chemosphere“-Haus in Los Angeles gebaut, das von Verleger Benedikt Taschen bewohnt wird. „Es gibt Kunden, zu den en dieser Look nicht passt. Für Nike ist er aber

Page 5: STICHWORT Just - cortona · 24 | W&V 19-2015 Just STICHWORT do it Ein Hamburger und ein Heidelberger ziehen nach Kalifornien, lernen sich beim Surfen kennen, gründen eine Agentur

W&V 19-2015 | 29

Optimist in Kürze Die Agentur wurde Ende 2009 von den Deutschen Jürgen Dold (CEO) und Nils Arend (Chief Experience Officer) sowie der US-Amerikanerin Rose Odeh (Chief Marketing Officer) in Los Angeles gegründet. Die Brand-Experience-Agentur bietet Dienstleistungen im Bereich Strategie, Design, Content und Markenerleb-nis an. 2012 wurde die Tochter Optimist Design unter Leitung von Tino Schaedler ins Leben gerufen. Von ihm ist auch das Printmotiv für Hotwheels (r.). Zu den Kunden gehören Red Bull, Google, Facebook, Daft Punk, L’Oréal und Hennessy. Vor allem aber Nike. Im Bild links eine Inszenierung für den Großkunden im Montalban Theater. Optimist beschäf-tigt über 60 Mitarbeiter in Los Angeles, New York, Chicago und Portland

Page 6: STICHWORT Just - cortona · 24 | W&V 19-2015 Just STICHWORT do it Ein Hamburger und ein Heidelberger ziehen nach Kalifornien, lernen sich beim Surfen kennen, gründen eine Agentur

30 | W&V 19-2015

[email protected]

perfekt“, sagt Schaedler, dem die besten Ideen morgens beim Yoga am Pazifik kommen. Mit Schaed-ler k amen n eue Kunden. Z um Beispiel das französische Elektro-Duo Daft Punk – ebenfalls große Fans von Lautner. Zusammen mit dem Kreativteam der Band, Daft Arts, hat er die Videos zu Hits wie Get Lucky oder Lose Yourself to Dance gestal-tet. Nicht zu vergessen: der letztjährige Gram-my-Auftritt von Daft Punk, für den er ein e spektakuläre Bühne bauen ließ, auf der die Pop-Legenden Pharrell Williams, Stevie Won-der und Nile Rodgers performten. Standing Ovations im Staples Center. Momentan un-terstützt Schaedler Pharrell Williams bei einer Kollektion für die Schmuckmarke Swarovski.

Optimist sitzt aus gutem Grund am Ran-de von Los Angeles. Längst hat die Stadt New York – für viele deutsche Werber immer noch das Mekka ihrer Welt – in Sachen Kreativität abgehängt. Wie in keiner anderen Region tref-fen sich hier Entertainment-, Tech- und Wer-bebranche. Chiat/Day, 72andSunny, Deutsch, 180 und andere namhafte Agenturen ent-wickeln hier Super-Bowl-Spots und globale Kampagnen für Apple, Samsung und VW.

In dem Küstenstreifen von West L.A., in Santa Monica, Venice, Playa Vista und Culver City, haben sich zudem Hunderte von Technolo-giefirmen und Startups wie Google, Youtube, Tinder, Snapchat angesiedelt.

Es ist diese eigentümliche Atmosphäre, die Kreative fasziniert. Der Hamburger Krea-tivdirektor Mike Hesse etwa kam vor drei Jahren n ach L os A ngeles, um b ei s einem Kumpel Nils Arend Urlaub zu machen. Und blieb. Er verzichtete dafür auf eine Partner-schaft bei einer deutschen, mittelständischen

Agentur. „Los Angeles ist voll mit Kreativen, die auf ihrem Gebiet zur Weltspitze gehören und hoch motiviert sind. Wenn man etwas erreichen will und bereit ist, dafür hart zu a rbeiten, i st d as hier wirklich d as Paradies“, s agt er. Geschenkt w ird ein em a ber in dem Paradies nichts. „Es passiert

sehr oft, dass wir nachmittags einen Auftrag bekommen und noch am selben Abend oder am n ächsten Morgen ein Er gebnis liefern müssen“, sagt Dold. Selbst bei größeren Pro-jekten hat die A gentur häufig nur zwei bis vier Wochen Vorlauf.

Allein mit dem eigenen Team lassen sich solche kurzfristigen Termine nicht einhalten. Optimist greift auf ein Netzwerk aus Spezia-listen und Freelancern in den USA und Euro-pa zurück. Die Technologiefirma Cortona aus Heidelberg entwickelt für Optimist etwa Apps, Managementsysteme, Social-Media-Anwen-dungen und interaktive Installationen. Wegen der Zeitverschiebung kann die A gentur so rund um die Uhr arbeiten.

Und rund um die Uhr arbeiten – nichts anderes haben die beiden Gründer gewollt.

Foto

s: U

nter

nehm

en; D

avid

Bla

ck/S

ony

Mus

ic/D

PA P

ictu

re A

llian

ce; T

omas

Arc

eo/T

ino

Scha

edle

r

Jeder Nike-Event soll einen eigenen Charakter besitzen, hier die Präsenta-tion des Sneakers aus „Zurück in die Zukunft“. Für Daft Punk entstehen

Bühnenshows und Videos